Dreierlei Kollaboration

Europa-Konzepte und „deutsch-französische Verständigung“ – am Beispiel der Karriere von SS-Brigadeführer Gustav Krukenberg

Anmerkungen

 

Gustav Krukenberg, 1912 (Privatbesitz)

In diesem Beitrag geht es um die Geschichte einer einzelnen Person, die jedoch in einem übergreifenden Rahmen interessant sein könnte. Auch Fachhistorikern ist sie bislang kaum bekannt, allenfalls den Spezialisten für den einen oder anderen Bereich, in dem die Person aktiv wurde: deutsch-französische Beziehungen, Rundfunkpolitik, Zweiter Weltkrieg, Kriegsheimkehrer. Selbst in einschlägigen Publikationen wird Gustav Krukenberg (1888–1980) nur am Rande erwähnt: eine Hintergrundfigur also. Doch weil sie immer wieder und an sehr verschiedenen Stellen in Erscheinung tritt, mag sie in ihrer zufälligen Hintergründigkeit etwas geradezu Repräsentatives haben.1 Aber es gibt ein Problem: Wie spricht man, wie schreibt man als Historiker über den eigenen Großvater, vor allem, wenn er sich für den Nationalsozialismus engagierte? Mein Beitrag ist daher nicht mehr als ein Versuch: endlich etwas auszuformulieren, das den Verfasser schon lange begleitete, sich aber der eigenen wissenschaftlichen Reflexion zu sperren schien. Sollte man eine solche Darstellung nicht lieber anderen überlassen? Oder könnte, im Gegenteil, sogar ein Vorteil darin liegen, die Person, um die es gehen soll, relativ gut gekannt, mit ihr heftig gestritten und sie doch respektiert, vielleicht sogar verehrt zu haben? Am Ende habe ich mich entschieden, diesen möglichen Vorteil zu nutzen, wohl wissend, dass er das Risiko birgt, den eigenen Verwandten allzu milde oder allzu verächtlich darzustellen.2 Der französische Soziologe Maurice Halbwachs, der entgegen einer heute dominanten Tendenz die „sozialen Rahmenbedingungen der Erinnerung“ zu betonen pflegte, hat darauf hingewiesen, dass gerade die Gestalt des Großvaters „in dem Maße, wie sie gleichsam mit allem ausgestattet wird, das uns über eine vergangene Epoche oder Gesellschaft informiert, in unserem Gedächtnis nicht etwa als eine verwischte physische Erscheinung auftritt, sondern mit dem Relief und der Farbe einer Person, die im Mittelpunkt eines ganzen Gemäldes steht, welches sie resümiert und verdichtet“.3 Das könnte ein Ansatz sein.

Eine weitere Vorbemerkung betrifft die Semantik: Bekanntlich war und ist mit dem Wort „Europa“ kein eindeutiges Programm umschrieben, noch nicht einmal ein eindeutiger Raum. Meint man „das Abendland“ oder „den Westen“, „Mitteleuropa“ oder „Paneuropa“ oder gar „Eurasien“, womit jeweils andere Dimensionen angesprochen wären? Dasselbe gilt für Handlungsbeschreibungen wie „Verständigung“, „Zusammenarbeit“ oder gar „Kollaboration“, womit zunächst ja nur – ganz wertneutral – die Tatsache der „Zusammenarbeit“ französisiert wurde. Aus all dem ergeben sich Missverständnisse. Manchmal hat man sogar den Eindruck, sie seien regelrecht gewollt. Denn nur aufgrund ihrer semantischen Ambivalenz sind bestimmte Begriffe noch heute – oder heute wieder – verwendbar, die schon „damals“, oftmals in schlimmen Zusammenhängen, verwendet wurden.

Doch gilt das nicht jenseits der Terminologie auch für die Sache selbst? Oder anders gefragt: Wie grob oder subtil müssen wir die Dinge anschauen, um uns davon zu überzeugen, dass sie ihrem Begriff entsprechen? Ab wann sagen wir überrascht oder verzweifelt: Das ist doch nicht dasselbe! Das ist zweierlei! Oder gar dreierlei! In diesem Sinne will ich – am Beispiel Krukenbergs – drei Konstellationen von europäischer bzw. deutsch-französischer „Kollaboration“ skizzieren: Weimar, Nationalsozialismus und Nachkrieg. Dabei ist zu diskutieren, was sie möglicherweise miteinander verbindet. Gab es einen roten Faden? Oder waren das völlig losgelöste Konstellationen, also tatsächlich: dreierlei?

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1. Konstellation: Weimarer Republik
 

Die erste Konstellation betrifft die Jahre 1926–1930 und Krukenbergs Rolle im „Deutsch-Französischen Studienkomitee“. Dieses bi-nationale Gremium, das auch „Mayrisch-Komitee“ genannt wurde, ist mittlerweile recht gut erforscht.4 Es handelt sich um einen von dem Luxemburger Stahlmagnaten Emile Mayrisch (1862–1928) gegründeten Diskussionskreis aus prominenten Deutschen und Franzosen – aus Industriellen, Politikern und, wie es damals schon hieß, „Intellektuellen“ –, der sich zwei- bis dreimal im Jahr traf und zwei Brückenköpfe besaß: ein Büro in Paris und ein Büro in Berlin. Während das Berliner Büro von einem Franzosen geleitet wurde, Pierre Viénot (1897–1944), wurde das Pariser Büro von einem Deutschen geführt, eben Gustav Krukenberg. Im Unterschied zu Viénot, der als Initiator und Antreiber des ganzen Projekts gelten kann und 1929 auch die Tochter und Erbin des verstorbenen Mayrisch heiratete, wurde Krukenberg in der historischen Forschung bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt – allenfalls eine längere „Fußnote“.

Diese Asymmetrie mag „welthistorisch“ berechtigt sein, denn aus der Distanz betrachtet, ist Viénot zweifellos die interessantere Figur. Aus heutiger Sicht ist er auch viel sympathischer: Er entwickelte sich von rechts nach links, wurde Sozialist und Mitstreiter Léon Blums während der Volksfront, kämpfte in der Résistance und war zuletzt Botschafter de Gaulles bei der englischen Regierung. Er starb kurz nach der Befreiung.5 Historiographisch reicht es aber nicht aus, immer nur auf die zu schauen, die im Licht stehen – und Viénot stand allzu gerne im Licht. Gelegentlich dürfte es ebenso interessant sein, jene näher zu betrachten, die in der zweiten Reihe stehen und gleichsam die Banalität der Politik repräsentieren. Wer also war Krukenberg? Wie kam er in dieses Komitee, das heute vielfach als Schlüsselinstitution der frühen deutsch-französischen Verständigung und damit als Keim der europäischen Einigung betrachtet wird?6

Gustav Krukenberg wurde 1888 in Bonn geboren. Sein Vater, Spross einer alten Mediziner-Familie, war Gynäkologe, hatte eine Privatklinik und war Extraordinarius an der Bonner Universität. Er starb schon 1899 an einer Blutvergiftung. Die drei Söhne, Gustav und zwei jüngere Brüder, wuchsen daher unter der Obhut ihrer Mutter auf, die eine Tochter des Berliner Archäologen Alexander Conze war, welcher vor allem als Leiter der Ausgrabungen von Pergamon bekannt wurde. Zwar hatte Elsbeth Krukenberg-Conze (1867–1954) selbst nicht studieren dürfen – man lebte schließlich in Preußen –, schloss sich aber als Schülerin Helene Langes schon früh der Frauenbewegung an.7 Sie begann, Bücher zu schreiben und Vorträge zu halten, und zog schließlich zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Lina Hilger (1874–1942) nach Bad Kreuznach, wo Hilger Gründungsdirektorin der Mädchenschule wurde.8 Mit anderen Worten: Gustav und seine Brüder wuchsen in einem reinen Frauenhaushalt auf, mit einer schreibenden, feministischen Mutter.9

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Umso auffälliger ist daher Krukenbergs Entscheidung, Jura zu studieren und – Offizier zu werden. Er studierte in Lausanne, Freiburg, Berlin, Bonn und Heidelberg, gehörte einer Verbindung an (Hasso Borussia zu Freiburg), aber auch dem Wandervogel.10 1911 wurde er in Heidelberg promoviert; die Dissertation über den „Reichsmilitärfiskus“ widmete er seiner Mutter.11 Ein Jahr später heiratete er eine wohlhabende Erbin, ebenfalls aus Bonn, deren Mutter, Charlotte Schumm-Walther (1860–1947), ihrerseits in der Frauenbewegung aktiv war.12 Im Ersten Weltkrieg, den er sowohl im Osten wie im Westen verbrachte (3. Garde-Infanterie-Division), war er unter anderem Ordonnanzoffizier von General Litzmann.13 Er avancierte bis zum Hauptmann i.G. und bewegte sich zuletzt im Umkreis der Berliner Heeres- und Reichswehrführung. Auf diese Weise rutschte Krukenberg gleichsam von Position zu Position: Erst wurde er Adjutant beim Oberquartiermeister für Kriegsgeschichte, General Mertz von Quirnheim, der die Gründung des Potsdamer Reichsarchivs vorbereitete;14 dann schloss er sich dem „Freikorps Reinhard“ an, das Anfang 1919 den „Spartakus-Aufstand“ blutig niederschlug;15 von dort gelangte er ins Reichswehrministerium, wo er als Pressereferent fungierte, und ins Auswärtige Amt, wo er in den ersten Jahren der Republik den Ministern Simons und Rosen als Privatsekretär bzw. Büroleiter diente. Anschließend wechselte er – vermittelt durch dessen Präsidenten, Hermann Bücher – zum Reichsverband der Deutschen Industrie, der ihn 1922 unter anderem nach Genua zur Wirtschaftskonferenz schickte; Rapallo war bekanntlich nicht weit.16

 

Gustav Krukenberg (links) mit Reichsaußenminister Friedrich Rosen (Mitte) und Staatssekretär Edgar Haniel (rechts), Juni 1921(Privatbesitz)

Kurzum, der promovierte Offizier erwies sich als geschmeidiger Interessenvertreter und Diplomat. Nach einem Intermezzo als Geschäftsführer einer Bremer Handelskompanie in Amsterdam gelangte er schließlich 1926 auf einen Posten, auf dem er erstmals eine aktive politische Rolle spielen konnte: Sekretär des Mayrisch-Komitees mit Sitz in Paris. Worin bestand seine Aufgabe? Deutsch-französische „Verständigung“ gewiss, aber konkret bedeutete das vor allem Werbung für eine Revision der Versailler Verpflichtungen, Werbung für den Abbau von Zollschranken und für die Angebote der deutschen Industrie, also „atmosphärische“ Anbahnung von Geschäftspartnerschaften, speziell in der Stahl- und Chemieindustrie. Heute würde man das „Lobbyismus“ nennen. Damals war es in dieser Form etwas Neues: Außenpolitik jenseits der Ministerien, aber natürlich mit deren Einverständnis und in ständiger Rücksprache mit der jeweiligen Regierung.17

Krukenberg und seine Gattin empfingen also in den Räumen des Komitees am Boulevard Haussmann die französischen Partner – Industrielle, Politiker usw. – sowie deutsche Politiker und Industrielle, wenn sie in der französischen Hauptstadt weilten. Darüber hinaus pflegte Krukenberg enge Kontakte zur französischen Presse und zu allen anderen, die für die öffentliche Meinung wichtig sein konnten: Schriftsteller, Professoren, Honoratioren. Pierre Viénot machte in Berlin dasselbe: Auch er vermittelte und antichambrierte ununterbrochen zugunsten Frankreichs und der französischen Industrie bei der Reichsregierung, den Wirtschaftsverbänden und der Presse.18

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Schon nach wenigen Jahren scheiterte das Mayrisch-Komitee.19 Der Unfalltod von Emil Mayrisch 1928 spielte dabei eine Rolle, aber Viénot, der sich als „Schrittmacher“ des ganzen Projekts empfand,20 überwarf sich auch mit dem Präsidenten seiner eigenen französischen Delegation. Da er zudem noch auf deutscher Seite allerlei Intrigen gegen ihn witterte, trat er Ende 1929 zurück. Als Fazit seiner Erfahrungen – und ein wenig auch als Replik auf Friedrich Sieburgs Schrift „Gott in Frankreich?“, die soeben erschienen war und für Aufsehen sorgte,21 publizierte er 1931 ein kleines Buch, dessen Titel später sprichwörtlich wurde: „Incertitudes Allemandes“.22 Darin entwickelte er die These, dass Deutschland seit dem Weltkrieg und zumal in der gegenwärtigen politischen und ökonomischen Krisenkonstellation seine Gewissheit verloren habe: „Der Durchschnittsdeutsche steht zögernd und ratlos einer in Frage gestellten Welt gegenüber. Die Reaktionen der Urteilskraft sind wie gelähmt; selbst das im gesunden Menschenverstand wurzelnde Gefühl für den eigenen Vorteil funktioniert nur halb.“23 Diese Unsicherheit erkläre das Schwanken der deutschen Politik im Innern wie nach außen, bis hin zum „Bazillus des Nationalsozialismus“, den Viénot allerdings weniger als „politische“ denn als kulturelle Tatsache betrachtete: „In greifbarer Form“ finde darin „die deutsche Beklemmung ihren Ausdruck.“24 Auffällig an diesem Buch ist das Fehlen jeglicher Rückbindung an die französische Politik. Obwohl Viénot noch im letzten Satz betonte, dass Frankreichs Verhalten gegenüber Deutschland vor allem davon abhänge, welches Bild sich die Franzosen von ihrem eigenen Land machten,25 blieb Versailles als permanente Bedrückung und Provokation zur Revanche gänzlich unerwähnt.

Krukenberg, der nicht nur programmatisch, sondern auch persönlich mit Viénot nicht gut harmonierte,26 hat sich zu diesem Buch meines Wissens nie öffentlich geäußert. Die darin formulierte Kritik an deutscher Orientierungslosigkeit und deutschem Nationalismus lehnte er natürlich strikt ab. Während Viénot ein emphatischer Anhänger der „Verständigung“ war – ein Begriff, dem die deutsche Seite mit Misstrauen begegnete27 – und sich daher auch in Frankreich immer weiter nach „links“ gedrückt sah,28 vertrat Krukenberg eine illusionslose, konservative Politik, die sich ganz an den deutschen Eigeninteressen orientierte – und zwar vornehmlich an denen der Industrie. Was dies konkret bedeutete, geht aus einem Vortrag hervor, den er im Januar 1931 im Berliner Kaiserhof über die „Psychologie der deutsch-französischen Beziehungen“ hielt. Darin erklärte er nun unumwunden die bisherige Politik für gescheitert: „Unser Drängen und Anbiedern an Frankreich in den letzten Jahren war mehr von Schaden als von Nutzen.“29 Denn „der Franzose denkt nicht an Europa, sondern nur an Frankreich. Auch auf die französische Industrie machen weltwirtschaftliche Argumente keinen Eindruck. Frankreich will keine Revision, und auch Briands Europapolitik dient ebenso wie Locarno dem Franzosen nur dazu, die Verträge zu galvanisieren.“ Im Grunde habe die gesamte französische Verständigungspolitik der Ära Briand lediglich darauf gezielt, „uns durch Freundlichkeit zum Verzicht auf Revision zu bewegen“. Krukenberg warnte denn auch „vor jeder Beschönigung dieser Tatsachen, es sei ein Fehler der deutschen Politik, daß sie bis heute nichts getan hat, um die Unüberbrückbarkeit des Gegensatzes zwischen Frankreich und Deutschland aufzuzeigen“.

Hatte er zuvor schon – von Paris aus – manch kritische Meldung zur französischen Außenpolitik in der deutschen Presse lanciert, legte er sich nach seiner Rückkehr im Sommer 1930 weniger diplomatische Rücksichten auf. Er hielt also nicht nur Vorträge, sondern publizierte eigene Artikel, etwa in der jungkonservativen „Tat“ oder im „Ring“, wo er seine Pariser Eindrücke und Frustrationen verarbeitete.30 Gestützt auf deutsch-französische Diagnosen wie die Bücher von Sieburg und Bergsträsser sowie auf die Analyse der französischen Parteienlandschaft durch André Siegfried31 stellte er Viénots „ungewissem Deutschland“ ein rückwärtsgewandtes und selbstgerechtes Frankreich gegenüber, das – trotz aller Rhetorik – das „größte Hindernis für den Frieden“ sei (Sieburg). Deshalb sei vor „übertriebenen Hoffnungen“ zu warnen: „Deutschlands Lage macht es unmöglich, die inneren Fragen von den äußeren zu trennen. Wir können nicht anerkennen, daß die uns vor einem Jahrzehnt aufdiktierten Verträge bis in ihre Einzelheiten für alle Zeiten starr bleiben.“ Und er fügte hinzu: „Sollte es nicht angeblich die Idee von Locarno sein, hier durch produktive Zusammenarbeit mit Frankreich einen Ausweg zu finden?“ Doch „trotz allen Zuwartens unsererseits“ sei man in Paris „auf dieser Bahn aber nicht mitgegangen“: Frankreich habe „den so leicht nicht wiederkehrenden Zeitpunkt versäumt“.32

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2. Konstellation: Nationalsozialismus
 

Nach seiner Rückkehr aus Paris und einer freiberuflichen Übergangszeit, in der er Vorträge hielt und für Zeitungen schrieb, zahlte sich Krukenbergs Engagement im Grenzbereich zwischen Diplomatie und Wirtschaft wiederum aus: Unter der Regierung Papen wurde er Referent des Reichsrundfunkkommissars im Innenministerium. Nach dem Machtantritt Hitlers rutschte er selbst auf den Posten des Rundfunkkommissars und Geschäftsführers der Reichsrundfunkgesellschaft.33 Plötzlich stand er nun im Scheinwerferlicht – auch bildlich, denn in dieser Zeit konnte man ihn in vielen Filmaufnahmen sehen. Möglich war dieser Aufstieg wohl auch deshalb, weil Krukenberg, der dank zahlreicher Vereins- und Klubmitgliedschaften ausgezeichnet „vernetzt“ war,34 schon im April 1932 – also noch während der Reichspräsidentenwahl – in die NSDAP eintrat. Außerdem publizierte er zu dieser Wahl, wenn auch anonym, ein kleines Buch mit dem Titel „Wer wird Reichspräsident?“, das ein recht eindeutiges Plädoyer für die Kandidaten Hitler und Frick enthielt.35 Der neue NS-Innenminister Frick wusste also, mit wem er es zu tun hatte, und auch Gauleiter Goebbels schien Krukenberg zunächst als dienstfertigen Fachmann zu betrachten. In dem Maße jedoch, wie Goebbels sein Propagandaministerium auf- und ausbaute und eine vollständige „Säuberung“ des Rundfunks betrieb, also auch die allzu lauen Konservativen von allen Schalthebeln entfernen wollte, erwies sich Krukenberg als Hemmschuh.36 „Ärger mit Krukenberg“, heißt es mehrfach in Goebbels’ Tagebuch, und am 7. Juli 1933 triumphierend: „Gestern: Krukenberg abgesetzt. Jetzt hab ich den Rundfunk rein.“37

Danach geschah etwas Merkwürdiges: Krukenberg erhielt kein neues Amt, weder in einem Ministerium noch anderswo. Stattdessen wurde er – und zwar bis Kriegsbeginn – Geschäftsführer eines kleinen Chemie-Unternehmens in Berlin-Plötzensee.38 Angesichts der Aufbruchstimmung bei den Nazis und der Vielzahl von Karrieremöglichkeiten für ein Mitglied von Partei, SA und SS war dies zweifellos ein Absturz. Oder war es ein Rückzug aus der Schusslinie? Musste Krukenberg sich wegen seiner Nähe zu „Reaktionären“ wie Papen, dem er seit den Tagen des Mayrisch-Komitees verbunden war,39 oder dem Herzog von Coburg,40 dem er als ehrenamtlicher „Stabsleiter“ diente und mit dem er 1933 im Rahmen der „Gesellschaft zum Studium des Faschismus“41 nach Italien reiste, vergessen machen? Stand er vielleicht wie seine Förderer auf einer der Mordlisten, die im Sommer 1934 kursierten?42 Man weiß es nicht. Einige Jahre später, als Himmler offenbar Krukenbergs Wiederverwendung erwog, stellte der Sicherheitsdienst der SS „Ermittlungen“ an, die zu einer äußerst negativen Einschätzung führten:43 Krukenberg wurde vorgeworfen, die „sofort nach der Machtübernahme“ durchgeführte Zentralisierung des Rundfunks „erbittert bekämpft“ zu haben. „Er war der Meinung, daß die einzelnen Sender weiterhin den einzelnen Ländern und Interessengruppen zur Verfügung stehen müßten.“ Nach seiner Übernahme durch das Propagandaministerium seien dann weitere Konflikte entstanden: „Von Anfang an war die Partei der Meinung, daß der Rundfunk vor allen Dingen ein Instrument der politischen und weltanschaulichen Propaganda sein und dementsprechend auch verwendet und ausgebaut werden müßte. Bei dem sofort nach der Machtübernahme einsetzenden Propagandafeldzug mit Reden des Führers und der Reichsleiter vertrat Krukenberg den Standpunkt, daß unbedingt auch die einzelnen Interessengruppen (also: Vertreter der Industrie, des Handels, der Landwirtschaft u.s.w.) zu Worte kommen müßten.“ Bilanz: „Krukenberg ist zweifellos nur aus Konjunkturgründen in die NSDAP eingetreten. Durch persönliches Eingreifen des Reichsministers Dr. Göbbels [sic] wurde er im August 1933 vor allen Dingen wegen seiner Personalpolitik und seines unnationalsozialistischen Verhaltens aus dem Rundfunk entfernt. […] Zusammenfassend ist zu sagen, daß gegen Krukenberg sowohl wegen seiner charakterlichen als auch seiner weltanschaulichen Haltung schwere Bedenken bestehen.“

Zum Regimekritiker wurde Krukenberg allerdings nie. Vielmehr versuchte er weiterhin, sich in das nationalsozialistische Regime einzupassen. Das zeigte sich sowohl an seinem Engagement als „Betriebsführer“44 wie auch später im Krieg, den er wieder an fast allen Fronten verbrachte: in Polen, in Frankreich, in den Niederlanden, in der Sowjetunion, in Jugoslawien.45 Meist war er Quartiermeister, d.h. verantwortlich für Organisation und Nachschub – aber eben auch für die Gefangenen.46 Allein manche Einsatzorte wie Lettland, Weißrussland, Kroatien, wieder Lettland („Ostland“) weisen darauf hin, dass er sich jahrelang in der Nähe von Massenverbrechen aufhielt, zweifellos davon wusste und vielleicht sogar daran beteiligt war.47 Allerdings hat er später nie darüber gesprochen,48 und es wurde auch nie strafrechtlich gegen ihn ermittelt.49

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Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs kam es für Krukenberg erneut zum Karrieresprung: Nachdem er Ende 1943 – auf eigenen Wunsch – zur Waffen-SS versetzt wurde, ergab sich die Möglichkeit, zum General aufzusteigen.50 Im September 1944 wurde er zum „Brigadeführer“ befördert und zum „Inspekteur“ der neugebildeten französischen SS-Division ernannt, der ominösen Division „Charlemagne“.

 

Generalmajor Günther Niedenführ (links) und Oberstleutnant Gustav Krukenberg (rechts) 1943 in Borissow (Weißrussland)
(Privatbesitz)

Die – kurze – Geschichte dieser Einheit ist bislang nur oberflächlich und meist apologetisch geschrieben worden.51 In unserem Zusammenhang ist vor allem ihre Programmatik interessant, nämlich der „europäische“ Gestus, wie er schon im Namen zum Ausdruck kommt. Gerade im besetzten Frankreich hatte die deutsche Propaganda das Europa-Thema schon frühzeitig aufgebracht: La croisade contre le bolchévisme.52 Nach Stalingrad wurde nicht mehr bloß für das „Großgermanische Reich“ gekämpft, sondern für die „große Festung Europa“, wie Himmler im März 1943 in Charkow verkündet hatte.53 Europa wurde so zum Emblem und Ersatz für eine sonst nicht vorhandene bzw. noch immer geleugnete Völkergemeinschaft.54 Franz Alfred Six, ein führender Ideologe im Reichssicherheitshauptamt, schrieb das dazu passende Buch, in dem er erklärte: „Mit dem Abwehrkampf gegen den bolschewistischen Machtstaat ist zugleich das Zeitalter der europäischen Binnenkriege überwunden und die Phase der europäischen Einigungskriege vor ihren Abschluß gerückt. Die ehemals feindlichen Völker Europas finden sich in dem Kampf gegen die gemeinsame Bedrohung des Ostens. Die Proklamation[en] der politischen Führer der Nationen zur Verabschiedung ihrer Freiwilligenlegionen sind Proklamationen des neuen Europa. ‚Die Legion erstrebt‘, heißt es im Aufruf des Kommandeurs der französischen Legion, ‚eine Zusammenarbeit, die wie ein Feld die Grundlage bilden soll für den künftigen Frieden und ein neues gesundes Europa‘.“55 Die „Einheit Europas“ werde bald zu einem „neuen politischen Mythos“ werden, und „aus den Gräbern und Schlachten des Ostens“ werde „ein neuer Typus“ erstehen, „die Gestalt des Freiheitskämpfers Europas“.56

Tatsächlich war es ein Mythos. Schon bei der Aufstellung der Division „Charlemagne“ im fränkischen Wildflecken wurde die Ambiguität offenkundig, auch wenn sie vertuscht werden musste. Denn hier trafen Franzosen mit völlig unterschiedlicher Motivation zusammen:57 1. Ehemalige der „Légion des volontaires français“ (LVF), die bis dahin im Rahmen der Wehrmacht gekämpft hatten;58 2. Freiwillige der „8. Französischen SS-Sturmbrigade“, die sich ab Juli 1943 zur Waffen-SS gemeldet hatten;59 und 3. Mitglieder der „Milice“, einer faschistischen Polizeitruppe, die noch im Herbst 1944, nach der Flucht der Pétain-Regierung aus Frankreich, an die Front geschickt werden sollten.60 Daraus ergaben sich allerlei Querelen, wobei vor allem die Grundsatzfrage im Raum stand und von der Exilregierung in Sigmaringen immer wieder lanciert wurde, ob diese Soldaten nicht eventuell auch im Westen eingesetzt werden sollten, also gegen amerikanische und französische Truppen. Krukenberg hat dies stets abgelehnt – und Himmler hat ihm recht gegeben –, aber in ihrem Hass auf de Gaulle und die Résistance waren einige französische Offiziere der „Charlemagne“ durchaus dazu bereit.61

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Wie man weiß, hat dieser schreckliche Spuk nur noch wenige Monate gedauert. Die Division „Charlemagne“ wurde in Pommern fast völlig aufgerieben, ihr französischer Kommandeur getötet. Den Überlebenden stellte Krukenberg frei, die Waffen niederzulegen bzw. sich nach Westen durchzuschlagen. Er selbst folgte dem Befehl nach Berlin, wo er Ende April 1945 die Reste der SS-Division „Nordland“ aus der Armeegruppe Steiner übernahm. So kam es, dass am Ende etwa 90 Franzosen zusammen mit Dänen, Niederländern und anderen Nichtdeutschen das Zentrum der eingeschlossenen Stadt verteidigten.62

3. Konstellation: Nachkrieg
 

1956, also sehr spät, kam Krukenberg aus sowjetischer Gefangenschaft frei.63 Weder Deutschland noch Europa waren untergegangen. Im Gegenteil: Ob EVG oder EWG, die Einigung des Kontinents hatte begonnen. Krukenberg war zwar schon im Rentenalter, aber bis zur Anerkennung seiner Pensionsansprüche in einer prekären Lage. Haben alte Kameraden ihm geholfen? Oder die neuen Freunde in Politik und Klerus (denn wie so viele Ehemalige war er in Gefangenschaft zum Katholizismus konvertiert)? Ich weiß es nicht. Fest steht, dass er Redakteur beim „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft“ wurde und gleichzeitig eine rege Vortragstätigkeit entfaltete, die ihn durch die gesamte Bundesrepublik führte. Seine Hauptthemen waren, nicht überraschend, Europa und die deutsch-französische Verständigung.64 Institutionell engagierte er sich in verschiedenen Vereinen und Gesellschaften, vor allem jedoch im Heimkehrerverband (VdH), der damals mehrere hunderttausend Mitglieder zählte und über eine eigene Zeitung verfügte.65 Bald gehörte er zum Präsidium des VdH.

In Krukenbergs Nachlass haben sich aus mehr als zwei Jahrzehnten zahllose Zeitungsartikel und Vortragsmanuskripte erhalten, die einen Einblick sowohl in sein Weltbild als auch in sein Europa-Konzept geben, das im Wesentlichen der Adenauer’schen Regierungslinie entsprach: „deutsch-französische Versöhnung als Kern einer europäischen Friedensordnung“, „Wiederherstellung der europäischen und damit auch der deutschen Einheit in Frieden und Freiheit“ usw. Das Ganze war gestützt auf ein christliches Geschichtsbild, das die Jahre 1933 bis 1945 völlig ausblendete und sich stattdessen auf die „Kultur des Abendlandes“ und die positiven Ansätze in den 1920er-Jahren berief.

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Auch der VdH betrieb neben der sozialpolitischen Interessenvertretung für ehemalige Gefangene und Kriegsversehrte eine offensive Europa-Werbung, die sowohl Friedens- und Zukunftspolitik sein sollte als auch „Vergangenheitspolitik“ (Norbert Frei): Frieden, Versöhnung, gemeinsamer Kampf gegen den Kommunismus. Als Gegenleistung wurde gefordert: Amnestie, Verjährung und ein Ende der „Gesinnungsschnüffelei“.66 Es sollte ein Schlussstrich gezogen werden: Alle ehemaligen Kriegsteilnehmer waren jetzt Kameraden, einschließlich – das war intern gar nicht umstritten – der Waffen-SS. Zwar blieb der VdH in dieser Hinsicht etwas diskreter als die HIAG, die „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS“,67 aber die Waffen-SS wurde von den Heimkehrern zu keinem Zeitpunkt ausgegrenzt, sondern, wie dies schon verschiedene SS-Generäle in Nürnberg betont hatten, als „Teil der Wehrmacht“ hingestellt. Alles andere wäre auch unlogisch gewesen, denn an der Spitze des Verbands standen lauter ehemalige NSDAP-Mitglieder und hochrangige SS-Offiziere, wie etwa der Mediziner Ernst Günther Schenck (der frühere „Ernährungsinspekteur der Waffen-SS“)68 und eben – Gustav Krukenberg.69 Außerdem forderte der VdH natürlich eine Gleichstellung von Wehrmacht und Waffen-SS hinsichtlich der Altersbezüge.70

Obwohl Krukenberg, soviel ich weiß, nie einer rechtsradikalen Partei angehörte – wie einige andere Generäle –, sondern vermutlich der CDU,71 und obwohl er stets seriös und konservativ auftrat, ließ ihn die eigene Biographie nie los. So sprach und schrieb er nicht nur über Fragen der europäischen Verständigung – aktuell und historisch –, sondern ab und zu auch über das Ende des Kriegs und den „Kampf um Berlin“.72 Dabei lag ihm viel daran, die hoffnungslose Verteidigung (und damit Zerstörung) Berlins sowie der Befehlszentrale Hitlers als quasi-normales Kriegsgeschehen angesichts der vorrückenden Roten Armee darzustellen. Im Rahmen des antikommunistischen Zeitgeists erschien das offenbar weder überraschend noch skandalös. Im Gegenteil: Westintegration, NATO-Mitgliedschaft und Wiederaufrüstung, also die Eckpfeiler der Regierungspolitik, richteten sich ja gegen denselben alten Feind, und „Europa“ bot erneut das verbindende Stichwort. Wann immer Krukenberg, landauf, landab, den großen Bogen schlug – vom Mayrisch-Komitee zur Montanunion und schließlich zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft seiner Gegenwart: Er vergaß nie, die kommunistische Gefahr und die Verteidigungsbereitschaft des Westens zu beschwören. Vom Nationalsozialismus war so gut wie nie die Rede; allenfalls fungierte dieser als Beispiel für „Radikalismus“, und dagegen richtete sich ja die „wehrhafte Demokratie“.73 An keiner Stelle hat Krukenberg in seinen Aufzeichnungen jemals die Ermordung der Juden erwähnt. Nie kam ihm nachträglich der Gedanke (jedenfalls nicht in überlieferungsfähiger, schriftlicher Form), dass er sich in seinem Leben ganz schrecklich geirrt haben könnte – etwa im Vergleich zu seinen Brüdern, die keine Nazis waren,74 oder im Vergleich zu anderen Männern aus demselben soziokulturellen Milieu, die irgendwann im Laufe des Kriegs zu der Einsicht gelangten, dass sie in Verbrechen hineingezogen wurden.75

Aus Krukenbergs Nachlass ergibt sich sogar noch eine andere Facette: Es erweist sich nämlich, dass er nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft nicht nur in seiner Geburtsstadt, die inzwischen Hauptstadt war, sehr schnell wieder neue Kontakte knüpfen konnte, sondern auch alte Kontakte reaktivierte, die in die Zeit vor 1945 zurückreichten. Bald stand er wieder in häufigem, wenn auch meist etwas förmlichem Briefwechsel mit diversen Politikern (wie Papen, Schacht oder Coudenhove-Kalergi), mit Wehrmachts- und Bundeswehrgenerälen (Speidel, Kielmansegg) oder auch mit Institutionen, deren Aktivitäten ihn besonders interessierten: Das gilt natürlich für den Heimkehrerverband, aber auch für die Kriegsgefangenen-Enquête, die der Historiker Erich Maschke im Auftrag der Bundesregierung durchführte,76 sowie für die Aktivitäten diverser deutsch-französischer Gesellschaften.77 Gleichzeitig, und das verwundert etwas, korrespondierte er aber auch mit exponierten Kollaborateuren wie dem niederländischen Faschisten Graf d’Ansembourg78 und vor allem mit ehemaligen Mitgliedern der Division „Charlemagne“.79 Besonders intensiv war der Kontakt mit einem seiner letzten Offiziere, Hauptsturmführer Fenet (38 Briefe), mit Rottenführer Soulat (34 Briefe) und Obersturmbannführer Raybaud (24 Briefe).80 Gegenüber diesen „Kameraden“, die ihn bewunderten und verehrten – viele Briefe beginnen mit der Anrede „Brigadeführer!“ –, äußerte Krukenberg keinerlei Distanz oder gar Kritik am Kriegsgeschehen oder am Nationalsozialismus. Stattdessen beschwor er immer wieder eine heimliche Kontinuität zwischen dem Kampf von einst und dem Kampf von heute: „Europa kann nur von der Basis aus geschaffen werden. Wir haben das mit als Erste erkannt und angestrebt!“, heißt es zum Beispiel in einem Brief von 1974.81

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Der französische Botschafter Seydoux im Gespräch mit Krukenberg, dem Geschäftsführerdes Heimkehrerverbands, Kießling, und dem Vizepräsidenten der französischen „Anciens Combattants“, Moreau, 1969 (v.l.n.r.)
(Privatbesitz)

Dass ein solches „europäisches“ Kontinuitätsbewusstsein bei ehemaligen Kollaborateuren nicht ungewöhnlich war, ist bekannt.82 Erstaunlich ist hier allerdings eine gewisse Zweigleisigkeit, um nicht zu sagen: das Doppelleben, das Krukenberg führte, indem er einerseits am demokratischen Leben der Bundesrepublik teilnahm und sich von jeder neonazistischen Politik fernhielt (er war offenbar nicht Mitglied der HIAG, besaß dort aber zahlreiche Kontakte83), andererseits aber, gleichsam insgeheim, einer Art Netzwerk aus ehemaligen französischen Kollaborateuren angehörte, die in der Regel weiterhin rechtsradikal waren und den Holocaust leugneten.84 Mit diesen Männern, die längst an einer eigenen Charlemagne-Mythologie strickten,85 traf er sich immer wieder, in der Bundesrepublik und auch in Frankreich, bis es schließlich kurz vor seinem Tod – er starb 1980 – zum Eklat kam, weil Mitglieder des französischen Kriegsgefangenen-Verbands, der „Fédération nationale des anciens combattants et prisonniers de guerre“ (FNCPG), von Krukenbergs Anwesenheit bei einem Bankett ehemaliger „Charlemagne“-Soldaten erfuhren und dies sofort öffentlich anprangerten.86 Nun stand auch der deutsche Heimkehrerverband in der Kritik, und sein gesamter Versöhnungsdiskurs schien in Frage gestellt. Er reagierte so, wie es damals üblich war – mit einer Gegen-Denunziation: Das Ganze sei nur ein kommunistisches „Störfeuer von der Seine“.87 Die deutschen Heimkehrer sollten sich von den „Hetzartikeln“ nicht beirren lassen, die „offensichtlich dem Euro-Kommunismus die Tore zum Europäischen Parlament öffnen“ sollten, indem sie die „deutsch-französische Freundschaft“ diffamierten: „Unser Europa wird ein anderes sein – keines von vorgestern und keines von gestern, kein Europa ständig manipulierbarer Ressentiments, kein Europa der Sieger und Besiegten von 1945.“ Das Ziel sei vielmehr das „Europa derer, die den Wert der Freiheit besser kennen als alle anderen“, also aller ehemaligen Gefangenen.

 

Originales Abzeichen der SS-Division „Charlemagne“ (links) und nach dem Krieg angefertigtes, pseudomittelalterliches Abzeichen-Imitat (rechts)
(NL Krukenberg; vgl. Anm. 85)

Krukenberg selbst blieb gegenüber dieser Kontroverse stumm, führte aber eine aufgeregte Korrespondenz.88 Und als kurz darauf von französischer Seite, nämlich von der „Association Robert Schuman ‚Pour l’Europe‘“, der Toepfer-Stiftung vorgeschlagen wurde, Krukenberg die Robert-Schuman-Medaille zu verleihen,89 bat er ausdrücklich, davon abzusehen, weil dies nur falsches Aufsehen erregen könne.90 Wenige Monate später starb er – in panischer, diffuser Angst vor Verfolgung. Als sein Enkel war ich dabei.

4. Fazit
 

Am Beispiel Krukenbergs lassen sich drei Varianten von „Kollaboration“ betrachten; eine davon musste lange Zeit verdrängt und verschwiegen werden. Warum? Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen: Das „Europa“ der SS war eben nicht das Europa der EWG oder der EU unserer Gegenwart. Außerdem betonen viele Spezialisten zu Recht, dass Hitler und Goebbels mit der Europa-Idee gar nichts anzufangen wussten, sie nur verachteten oder allenfalls taktisch verwendeten. Aber vielleicht sollte man bedenken, dass gerade diese ablehnende Haltung eines Hitler oder Goebbels – bei gleichzeitiger Omnipräsenz der Europa-Mythologie in der nationalsozialistischen Kriegspropaganda und zumal in der Propaganda der Waffen-SS – es einem „realpolitisch“ denkenden Nationalisten wie Krukenberg später umso leichter machte, sein antiliberales Europa-Bild in den öffentlichen Diskurs des Kalten Kriegs und der neuen, westeuropäischen Bündnispolitik einzufügen.

Anmerkungen: 

1 Das Porträt einer Rand- oder Hintergrundfigur wirft allerdings spezifische Quellenprobleme auf. Darüber ist in den letzten Jahrzehnten v.a. im Zusammenhang mit der „Mikrogeschichte“ und der Thematik des „außergewöhnlichen Normalen“ (Eduardo Grendi) diskutiert worden. Im vorliegenden Fall konnte der Verf. auf den Nachlass Krukenbergs zurückgreifen (fortan zitiert: NL Krukenberg, im Besitz des Verf.) sowie auf zahlreiche Archivalien und Drucksachen. Weitere Quellenforschungen stehen aber noch aus. Für kritische Anmerkungen danke ich besonders Dieter Gosewinkel.

2 An interessanten Versuchen, über nationalsozialistische Väter oder Großväter zu schreiben, fehlt es nicht. Zu den wichtigsten gehört: Dörte von Westernhagen, Die Kinder der Täter. Das Dritte Reich und die Generation danach, München 1987. Für unserem Zusammenhang ist außerdem faszinierend: Kurt Meyer, Geweint wird, wenn der Kopf ab ist. Annäherungen an meinen Vater „Panzermeyer“, Generalmajor der Waffen-SS, Freiburg 1998. Auch ein Fachkollege hat inzwischen über seinen NS-Vater berichtet: Gerhard Botz, Nazi, Opportunist, „Bandenbekämpfer“, Kriegsopfer. Dokumentarische Evidenz und Erinnerungssplitter zu meinem Vater, in: ders. (Hg.), Schweigen und Reden einer Generation. Erinnerungsgespräche mit Opfern, Tätern und Mitläufern des Nationalsozialismus, Wien 2005, S. 135-159.

3 Maurice Halbwachs, La mémoire collective, hg. von Gérard Namer und Marie Jaisson, Paris 1997, S. 112. Meine Übersetzung ist gegenüber der dt. Ausgabe (Das kollektive Gedächtnis, Stuttgart 1967, S. 49) stark verändert.

4 Fernand L’Huillier, Dialogues franco-allemands 1925–1933, Paris 1971; Hans Manfred Bock, Kulturelle Eliten in den deutsch-französischen Gesellschaftsbeziehungen der Zwischenkriegszeit, in: Rainer Hudemann/Georges-Henri Soutou (Hg.), Eliten in Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert, Strukturen und Beziehungen, Bd. 1, München 1994, S. 73-91; Oliver Burgard, Das gemeinsame Europa – von der politischen Utopie zum außenpolitischen Programm. Meinungsaustausch und Zusammenarbeit pro-europäischer Verbände in Deutschland und Frankreich, 1924–1933, Frankfurt a.M. 2000; Guido Müller, Europäische Gesellschaftsbeziehungen nach dem Ersten Weltkrieg. Das Deutsch-Französische Studienkomitee und der Europäische Kulturbund, München 2005.

5 Siehe Gaby Sonnabend, Pierre Viénot (1897–1944). Ein Intellektueller in der Politik, München 2005, sowie mehrere Aufsätze von Hans Manfred Bock, der stets die „Aktualität“ Viénots für das späte 20. Jahrhundert betont (Kulturelle Wegbereiter politischer Konfliktlösung. Mittler zwischen Deutschland und Frankreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Tübingen 2005, S. 249ff., S. 365ff.).

6 Vgl. etwa Thierry Grosbois, Art. „Mayrisch, Émile“, in: Pierre Gerbet/Gérard Bossuat/Thierry Grosbois (Hg.), Dictionnaire historique de l’Europe unie, Brüssel 2009, S. 651-655.

7 Vgl. Elsbeth Krukenberg-Conze, Über Studium und Universitätsleben der Frauen, Gebhardshagen 1903; dies., Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung, Tübingen 1905; dies., Die Frau in der Familie, Leipzig 1910. Vgl. dazu Ursula Baumann, Protestantismus und Frauenemanzipation in Deutschland, 1850 bis 1920, Frankfurt a.M. 1992, S. 149ff.; Iris Schröder, Arbeiten für eine bessere Welt. Frauenbewegung und Sozialreform 1890–1914, Frankfurt a.M. 2001, S. 160ff.

8 1933 wurde Hilger von der NS-Schulverwaltung zwangspensioniert; zwei Jahre später zog sie mit ihrer Freundin nach Bad Teinach.

9 Vgl. in diesem Zusammenhang ihr vehementes Plädoyer gegen die Ausdehnung des Homosexualitätsparagraphen auf „weibliche Personen“: E. Krukenberg, § 175, in: Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform 7 (1910/11), S. 612. Dazu Mecki Pieper, Die Frauenbewegung und ihre Bedeutung für lesbische Frauen (1850–1920), in: Berlin Museum (Hg.), Eldorado. Homosexuelle Frauen und Männer in Berlin 1850–1950, Ausstellungskatalog, Berlin 1984, S. 116-124. Elsbeth Krukenberg schrieb im Übrigen zwei quasi-autobiographische Romane (Von Sehnsucht und Reichtum. Aus dem Leben der Hertha Wieser, Leipzig 1920; Zwischen Jung und Alt. Aus dem Leben Luise Königs und ihrer Söhne, Berlin 1938) und hinterließ Erinnerungen („Aus deutscher Vergangenheit“, unveröff. Ms. im NL Krukenberg).

10 Vgl. Gustav Krukenberg, Wie auf einem anderen Stern, in: Heinz Speiser (Hg. im Auftrag des Freundeskreises der alten Heidelberger Wandervögel), Dein Hans Lissner. Ein Erinnerungsbuch, o.O. o.D. [1968], S. 22.

11 Ders., Die Haftung des Reichsmilitärfiskus, Borna-Leipzig 1911 (jur. Diss. Heidelberg 1911).

12 Sie gehörte 1899 zu den Begründerinnen des „Deutsch-Evangelischen Frauenbundes“ und publizierte u.a.: Berta Lungstras, ein rheinisches Frauenleben in christlicher Fürsorge, Neuwied 1931.

13 Karl Litzmann (1850–1936) galt als einer der militärischen Helden des Ersten Weltkriegs. Da er ein früher Anhänger der NSDAP war, gewährte ihm Hitler ein Staatsbegräbnis, zu dem auch Krukenberg als „letzter Adjutant“ eingeladen war. 1940 wurde die polnische Stadt Łódź in „Litzmannstadt“ umbenannt. (Bis 1964 gab es in Hamburg eine General-Litzmann-Kaserne.)

14 Vgl. Karl Demeter, Das Reichsarchiv. Tatsachen und Personen, Frankfurt a.M. 1969, S. 9ff.; Markus Pöhlmann, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik: Der Erste Weltkrieg. Die amtliche deutsche Militärgeschichtsschreibung 1914–1956, Paderborn 2002, S. 69ff.

15 Vgl. Gustav Krukenberg, Am Rande des Kapp-Putsches, Ms., 24 S. (NL Krukenberg). Gedruckt in: Erwin Könnemann/Gerhard Schulze (Hg.), Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch. Dokumente, München 2002, S. 614-622.

16 In den 1960er-Jahren hat Krukenberg mehrfach in Vorträgen, Interviews und Zeitungsartikeln über die Entstehung des Rapallo-Vertrags zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion berichtet (NL Krukenberg). Allerdings hegte er weder 1922 noch später „nationalbolschewistische“ Sympathien; Hauptziel war lediglich die Durchlöcherung des Versailler Vertrags. Zur Brisanz von „Rapallo“, u.a. im Blick auf die deutsch-französischen Beziehungen, vgl. Carole Fink/Axel Fron/Jürgen Heideking (Hg.), Genoa, Rapallo, and European Reconstruction in 1922, Cambridge 1991.

17 Vgl. ausführlich: L’Huillier, Dialogues (Anm. 4), S. 39ff.; Müller, Europäische Gesellschaftsbeziehungen (Anm. 4), S. 81ff.

18 Vgl. ebd., sowie bes. Sonnabend, Pierre Viénot (Anm. 5), S. 109ff.

19 Obwohl das Komitee offiziell bis 1939 weiterexistierte, führte es ab 1931 nur noch ein Schattendasein. Die beiden Büros in Berlin und Paris wurden aufgelöst.

20 Sonnabend, Pierre Viénot (Anm. 5), S. 132.

21 Friedrich Sieburg, Gott in Frankreich? Ein Versuch, Frankfurt a.M. 1929 (zuletzt: Berlin 1995); frz. Übers.: Dieu est-il français?, Paris 1930 (zuletzt: Paris 1991). Die Parallele zwischen Sieburg und Viénot zog damals bereits Jeanne Alexandre, die Schwester von Maurice Halbwachs, in ihrer Rezension für die Zeitschrift Libres Propos, 1931, H. 5, S. 511ff.

22 Pierre Viénot, Incertitudes Allemandes. La crise de la civilisation bourgeoise en Allemagne, Paris 1931; dt. Übers.: Ungewisses Deutschland. Zur Krise seiner bürgerlichen Kultur, Frankfurt a.M. 1931 (neu ediert von Hans Manfred Bock, Bonn 1999); engl. Übers.: Is Germany finished?, London 1931.

23 Viénot, Ungewisses Deutschland, ediert von Bock (Anm. 22), S. 154f.

24 Ebd., S. 155f.

25 Ebd., S. 222.

26 Als störend empfand der ehemalige Berufsoffizier nicht nur Viénots (kriegsbedingte?) Drogenabhängigkeit, sondern v.a. dessen Homosexualität. In der Tat gehörte Viénot, was in der Fachliteratur meist vornehm verschwiegen wird, schon während seiner Lehrjahre in Marokko (vor 1914) zum homoerotischen Umfeld des späteren Marschall Lyautey (vgl. Sonnabend, Pierre Viénot [Anm. 5], S. 43ff.), und auch in Berlin bewegte er sich, wie u.a. die Briefe von Pierre Bertaux dokumentieren (Un normalien à Berlin. Lettres franco-allemandes [1927–1933], hg. von Hans Manfred Bock/Gilbert Krebs/Hansgerd Schulte, Asnières 2001), in einem intellektuellen Milieu, das homoerotisch geprägt war. Außer Bertaux gehörten dazu u.a. André Gide, Ernst Robert Curtius, Golo Mann und nicht zuletzt der preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker. Für Krukenberg und wohl auch andere Mitglieder des Studienkomitees war das „dekadent“ und skandalös.

27 Vgl. die Studie des Komiteemitglieds Arnold Bergsträsser (1896–1964), Sinn und Grenzen der Verständigung zwischen Nationen, München 1930, worin betont wird, dass die Verständigung nur der Weg, nicht aber das Ziel sein könne (S. 90): „Wie weit auf diesem Weg gegangen werden kann oder – vielleicht unter Opfern – gegangen werden muß, hängt von der konkreten Lage ab.“ Aber „zur Doktrin erhoben, wird der Gedanke der Verständigung zu einer Gefahr der Entkräftung des politischen Willens“ (S. 91). Ziel sei allein die „Erstarkung“ des eigenen Vaterlands.

28 Nach seiner Rückkehr nach Paris näherte sich Viénot in den 1930er-Jahren zunehmend der sozialistischen Linken und wurde schließlich auch Mitglied der SFIO. Seine Frau, Andrée Viénot (geb. Mayrisch, 1901–1976), war schon länger eine engagierte Sozialistin und trug sicher zu dieser Radikalisierung bei. Vgl. Gilles Martin/Justinien Raymond, Art. „Viénot, Andrée“ und „Viénot, Pierre“, in: Jean Maitron (Hg.), Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier français, 4e partie, Bd. 43, Paris 1993, S. 206-211.

29 [Gustav Krukenberg,] Zerstörte Illusionen, in: Berliner Lokal-Anzeiger, 24.1.1931. Dort auch die folgenden Zitate.

30 Ders., Gott in Frankreich?, in: Der Ring 3 (1930) H. 46, S. 805ff.; Christian Reil [d.i. Gustav Krukenberg], Die Wahrheit über Frankreich, in: Die Tat 23 (1931) H. 1, S. 59-62. Zu diesem Thema hielt Krukenberg am 15.12.1930 auch einen Vortrag im Düsseldorfer „Industrie-Club“.

31 André Siegfried, Tableau des partis en France, Paris 1930. Siegfried (1875–1959) war Professor am Institut des Études Politiques in Paris und Mitglied des Mayrisch-Komitees.

32 Krukenberg, Gott in Frankreich? (Anm. 30), S. 807. Krukenbergs Nähe zu Sieburg, dessen höchst ambivalentes Frankreich-Bild er teilte (vgl. Margot Taureck, Friedrich Sieburg in Frankreich. Seine literarisch-publizistischen Stellungnahmen zwischen den Weltkriegen im Vergleich mit Positionen Ernst Jüngers, Heidelberg 1987), wird durch zahlreiche Briefe, Postkarten und Widmungsexemplare im NL Krukenberg dokumentiert.

33 Dr. Krukenberg, der neue Reichsrundfunkkommissar, in: NS-Funk 1 (1933) Nr. 5, S. 4. Vgl. auch Ansgar Diller, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, München 1980, S. 56ff.

34 Krukenberg war u.a. Mitglied der „Deutschen Gesellschaft 1914“, des „Nationalklubs Berlin 1919“ (Vorstand), der „Weltwirtschaftlichen Gesellschaft zu Berlin“ (Vorstand) sowie des „Herrenklubs“.

35 [Gustav Krukenberg,] Wer wird Reichspräsident? Das Wahlverfahren, die Kandidaten und ihre Aussichten, von ***, Oldenburg 1932.

36 Vgl. Daniel Mühlenfeld, Vom Kommissariat zum Ministerium. Zur Gründungsgeschichte des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, in: Rüdiger Hachtmann/Winfried Süß (Hg.), Hitlers Kommissare. Sondergewalten in der nationalsozialistischen Diktatur, Göttingen 2006, S. 72-92; ders., Joseph Goebbels und die Grundlagen der NS-Rundfunkpolitik, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 54 (2006), S. 442-467.

37 Elke Fröhlich (Hg.), Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil 1: Aufzeichnungen 1923–1941, Bd. 2.3: Oktober 1932 – März 1934, München 2006, S. 222. Vgl. auch S. 188: „Krukenberg muß weg“, „Ärger mit Krukenberg“ (18.5.1933); S. 203: „Krukenberg muß gehen“ (10.6.1933); S. 225: „Unselige Erbschaft Krukenbergs“ (11.7.1933). Krukenbergs Nachfolger wurde der langjährige Rundfunk-Experte der NSDAP, Horst Dreßler-Andreß (Diller, Rundfunkpolitik [Anm. 33], S. 98).

38 Vgl. die Firmenfestschrift: 10 Jahre und länger… Standard Lack Werke GmbH, o.O. o.D. [Berlin 1936].

39 Krukenbergs Nähe zu Papen wird für die Nachkriegszeit durch eine umfangreiche Korrespondenz dokumentiert (NL Krukenberg).

40 Vgl. Harald Sandner, Hitlers Herzog. Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha. Die Biographie, Aachen 2010, S. 222ff. Coburg war eine frühe Hochburg der NSDAP; schon 1931 wehte die Hakenkreuzfahne über der Stadt.

41 Coburg war Vorsitzender dieser 1931 gegründeten Gesellschaft, Krukenberg war Gründungsmitglied. Vgl. Manfred Wichmann, Die Gesellschaft zum Studium des Faschismus. Ein antidemokratisches Netzwerk zwischen Rechtskonservativismus und Nationalsozialismus, in: Bulletin für Faschismus- und Weltkriegsforschung 31/32 (2008), S. 1-33; Klaus Gietinger, Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst – eine deutsche Karriere, Hamburg 2008, S. 297ff.

42 Dass Krukenberg zeitweilig bedroht war, geht aus einem nichtsignierten Aktenauszug von 1933 oder 1934 hervor, in dem es heißt: „Die gesamte Rundfunkpolitik der NSDAP wurde im Augenblick des schärfsten Kampfes durch das unmögliche Verhalten des ‚Parteigenossen‘ Krukenberg auf das Empfindlichste gestört. In Parteikreisen war eine derartig verzweifelte Stimmung, daß man ernstlich erwog, Krukenberg gewaltsam zu beseitigen.“ (Bundesarchiv [BA] Berlin-Lichterfelde, SS-Personalakte G. Krukenberg, Bl. 340).

43 Brief Reinhard Heydrichs an Heinrich Himmler, o.D. [Anfang 1937]; SS-Personalakte G. Krukenberg, Bl. 338f. Der gesamte „Vorgang“ umfasst 17 Seiten. Aus Heydrichs Brief auch die folgenden Zitate. Ein Foto dieses Briefs findet man merkwürdigerweise im Internet mit dem Vermerk „this item has been sold“: <http://www.historyinink.com/511801%20Heydrich-Himmler%20TLS.htm>.

44 1937 gründete er z.B. ein HJ-Heim mit dem Namen „General-Litzmann-Heim“ auf dem Grundstück seiner Firma. Vgl. Dankesbrief Baldur von Schirachs an Krukenberg, 8.1.1937; SS-Personalakte Krukenberg, unpaginiert; Völkischer Beobachter, 26.6.1937.

45 Über Krukenbergs Einsätze informieren sowohl seine SS-Personalakte als auch zahlreiche Dokumente und Aufzeichnungen in seinem Nachlass.

46 Zu deren Behandlung vgl. Christian Streit, Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945, Bonn 1997 (zuerst Stuttgart 1978). Zur Rolle von Krukenbergs wichtigstem Vorgesetzten, Eduard Wagner (1894–1944), der eine zentrale Rolle bei der Politik der Ausbeutung und Aushungerung der Sowjetunion spielte, später allerdings auch am Attentat vom 20. Juli beteiligt war, vgl. Christian Gerlach, Militärische „Versorgungszwänge“, Besatzungspolitik und Massenverbrechen. Die Rolle des Generalquartiermeisters des Heeres und seiner Dienststellen im Krieg gegen die Sowjetunion, in: Norbert Frei/Sybille Steinbacher/Bernd C. Wagner (Hg.), Ausbeutung, Vernichtung, Öffentlichkeit. Neue Studien zur nationalsozialistischen Lagerpolitik, München 2000, S. 175-208.

47 Um dies genauer zu prüfen, wären Archivforschungen nötig, die ich bislang noch nicht unternehmen konnte. Vgl. für Weißrussland: Christian Gerlach, Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, Hamburg 1999 (Krukenberg wird marginal erwähnt auf S. 160, S. 316, S. 370); für Lettland: Sven Jungerkes, Deutsche Besatzungsverwaltung in Lettland 1941–1945, Konstanz 2010 (keine Erwähnung). Zum Einsatzort Kroatien (Division „Prinz Eugen“) vgl. Holm Sundhaussen, Zur Geschichte der Waffen-SS in Kroatien 1941–1945, in: Südostforschungen 30 (1971), S. 176-196.

48 Familienmitgliedern gegenüber erwähnte er allenfalls die Kämpfe 1944/45.

49 Ich danke Michael Wildt, der dies in der Ludwigsburger Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen überprüft hat. Auch die DDR-Staatssicherheit konnte bis zuletzt nichts Belastendes finden, wie aus einem Bericht des „Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR“ an das Dokumentationszentrum des DDR-Innenministeriums vom 14.4.1977 hervorgeht (Archiv des Bundesbeauftragen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, AB 1485).

50 Zu den Besonderheiten dieser Truppe, die bekanntlich in Nürnberg zur „verbrecherischen Organisation“ erklärt wurde, während sie sich selbst als Elite begriff, vergleichbar den amerikanischen „Marines“, siehe Bernd Wegner, Hitlers politische Soldaten. Die Waffen-SS 1933–1945, 5. erw. Aufl. Paderborn 1997; René Rohrkamp, „Weltanschaulich gefestigte Kämpfer“. Die Soldaten der Waffen-SS 1933–1945. Organisation – Personal – Sozialstrukturen, Paderborn 2010. Aus frz. Sicht: Jean-Luc Leleu, La Waffen-SS. Soldats politiques en guerre, Paris 2007.

51 Romanhaft und mit apologetischen Zügen der Zyklus von Jean Mabire, La Brigade Frankreich: la tragique aventure des SS français, Paris 1973; ders., La Division Charlemagne. Les combats des SS français en Poméranie, Paris 1974; ders., Mourir à Berlin. Les SS français derniers défenseurs du bunker d’Adolf Hitler, Paris 1975 (dt. Übers.: Berlin im Todeskampf 1945, Preußisch Oldendorf 1977). Dasselbe gilt für einige autobiographisch gefärbte Bücher, die Philippe Carrard mustergültig „dekonstruiert“ hat: The French Who Fought for Hitler. Memories from the Outcasts, Cambridge 2010 (frz. Übers. 2011). Dort auch ein kritischer Kommentar zu den zahllosen Publikationen anglo-amerikanischer Militärhistoriker und Journalisten, wie z.B. Robert Forbes, For Europe. The French Volunteers of the Waffen-SS, Solihull 2006. Vgl. dagegen ohne jede falsche Faszination und Apologetik: Albert Merglen, Soldats français sous uniformes allemands 1941–1945: LVF et „Waffen-SS“ français, in: Revue d’histoire de la deuxième guerre mondiale 27 (1977) H. 108, S. 71-84; Henry Rousso, Pétain et la fin de la collaboration. Sigmaringen 1944–1945, Brüssel 1984, bes. S. 201ff.; Pierre Giolitto, Volontaires français sous l’uniforme allemand, Paris 2007, S. 259ff.

52 Vgl. Dieter Gosewinkel, Die Illusion der europäischen Kollaboration. Marschall Pétain und der Entschluß der Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland 1940, in: Rüdiger Hohls/Iris Schröder/Hannes Siegrist (Hg.), Europa und die Europäer. Quellen und Essays zur modernen europäischen Geschichte, Stuttgart 2005, S. 328-335.

53 Von dieser Rede im besetzten Charkow existiert eine leicht zugängliche Tonaufnahme: <...> [Anm. der Red.: Link nicht mehr verfügbar].

54 Vgl. Otto Gerhard Oexle, Leitbegriffe – Deutungsmuster – Paradigmenkämpfe. Über Vorstellungen vom „Neuen Europa“ in Deutschland 1944, in: Hartmut Lehmann/Otto Gerhard Oexle (Hg.), Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften, Bd. 2, Göttingen 2004, S. 13-40.

55 Franz Alfred Six, Europa. Tradition und Zukunft, Hamburg 1944, S. 115f. Ein Kapitel dieses Buches wurde auch ins Französische übersetzt: Les guerres intestines en Europe et la guerre d’union du présent, Paris 1944. Zu Six, der 1943 als Kulturchef ins Auswärtige Amt wechselte, vgl. Lutz Hachmeister, Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, München 1998.

56 Six, Europa (Anm. 55), S. 117. Zu Europa als „Notgemeinschaft der Völker“ vgl. auch die Kampfschrift des Krukenberg-Nachfolgers im Mayrisch-Komitee, Max Clauss (1901–1988): Tatsache Europa, Prag 1943. Sowohl Six als auch Clauss waren Schüler von Bergsträsser (vgl. oben, Anm. 27).

57 Dies wird jetzt auch durch ein „Lexikon“ aller französischen Waffen-SS-Mitglieder dokumentiert, das von einem Amateurhistoriker (und Adepten?) zusammengestellt wurde: Grégory Bouysse, Waffen-SS Français, 2 Bde., o.O. o.D. [2012]. Eine Art prosopographische Untersuchung von Mannschaften und Offizierskorps, zu denen neben Krukenberg noch andere Deutsche gehörten, wie etwa der spätere Romanist Hans Robert Jauß (1921–1997) oder der spätere Journalist und Politiker Franz Schönhuber (1923–2005), ist ein Desiderat. Anregungen dazu bei Wegner, Hitlers politische Soldaten (Anm. 50), S. 207ff.

58 Vgl. Giolitto, Volontaires (Anm. 51), S. 7ff.

59 Vgl. ebd., S. 389ff. Die Vichy-Regierung hatte die Rekrutierung französischer Staatsangehöriger durch ein Gesetz vom 22.7.1943 legalisiert.

60 Vgl. Rousso, Pétain (Anm. 51), S. 201ff.

61 Gustav Krukenberg, Aufgaben des Inspekteurs der 33. Pz. Gren. Div. der W-SS „Charlemagne“, 1944/45, Typoskript vom Oktober 1958 (NL Krukenberg).

62 Ebd.

63 Entlassungsschein vom 26.4.1956 (NL Krukenberg). Im November 1947 wurde Krukenberg von einem sowjetischen Militärgericht wegen „Schädigung der Roten Armee“ zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. Bis 1950 war er in einem sowjetischen Gefängnis in Bautzen inhaftiert (Einzelhaft), danach in einer DDR-Haftanstalt in Brandenburg; 1952–1956 in einer Gemeinschaftszelle (BA Dahlwitz-Hoppegarten, StVE K227, A 4, Bl. 1003f., 1014f.).

64 Siehe Anhang 3.

65 „Der Heimkehrer“ erschien 14-tägig und hatte zeitweilig eine Auflage von 250.000 Exemplaren. Zur Geschichte des „Verbands der Heimkehrer“ (VdH) und der ehemaligen Kriegsgefangenen im Nachkriegsdeutschland vgl. Birgit Schwelling, Heimkehr – Erinnerung – Integration. Der Verband der Heimkehrer, die ehemaligen Kriegsgefangenen und die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft, Paderborn 2010; Christiane Wienand, Performing Memory. Returned German Prisoners of War in Divided and Reunited Germany, phil. Diss. University College London 2010; Frank Biess, Homecomings. Returning POWs and the Legacies of Defeat in Postwar Germany, Princeton 2006.

66 VdH, Mehlemer Programm (1955); zit. nach: Der Freiwillige 2 (1957) H. 2, S. 10. Vgl. auch Schwelling, Heimkehr (Anm. 65), S. 39ff.

67 Dazu jetzt umfassend: Karsten Wilke, Die „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“ (HIAG) 1950–1990. Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik, Paderborn 2011 (zur Abendland- und Europa-Rhetorik u.a. S. 38, S. 210).

68 Zu Schenck siehe Gine Elsner, Heilkräuter, „Volksernährung“, Menschenversuche. Ernst Günther Schenck (1904–1998): Eine deutsche Arztkarriere, Hamburg 2010; Christoph Kopke, Die „politisch denkende Gesundheitsführung“. Ernst Günther Schenck (1904–1998) und der Nationalsozialismus, phil. Diss. FU Berlin 2008. Schenck und Krukenberg kamen offenbar gut miteinander aus. In sein Buch „Ich sah Berlin sterben. Als Arzt in der Reichskanzlei“, Herford 1970, schrieb Schenck ihm folgende Widmung: „Herrn Dr. G. Krukenberg/gleichen Sinnes/in Krieg,/in Gefangenschaft/und nach der Heimkehr“ (NL Krukenberg).

69 1966 wurde Schenck der „Friedlandpreis“ des VdH zuerkannt. Krukenberg wurde 1972 zum Ehrenmitglied ernannt und erhielt 1978 die „Große Europa-Medaille“ des VdH mit der Aufschrift: „Europa ruft!“ (NL Krukenberg).

70 Der Heimkehrer, 10.1.1957; zit. nach: Der Freiwillige 2 (1957) H. 2, S. 9. Da die Personalverwaltungen von Wehrmacht und Waffen-SS völlig getrennt waren, kam es nach dem Krieg zwangsläufig zum Streit darüber, ob Karrieren in der Waffen-SS als normale Laufbahnen anzuerkennen seien – immerhin war die Waffen-SS in Nürnberg als „verbrecherische Organisation“ eingestuft worden. Auch Krukenberg, der die Wehrmacht 1943 im Rang eines Oberstleutnants verlassen hatte, musste lange um seine Pension als „Generalmajor“ kämpfen.

71 Eine entsprechende Anfrage des Verf. beim Bundesvorstand der CDU blieb unbeantwortet. Krukenberg stand auch mit FDP-Politikern wie Ernst Achenbach in Kontakt (Leiter der Politischen Abteilung in der Pariser Botschaft 1940–1945 und als solcher für die Deportation der Juden verantwortlich), aber seine christlich-europäische Ideologie dürfte einer Mitgliedschaft entgegengestanden haben.

72 Vgl. Gustav Krukenberg, Kampftage in Berlin, 24.4. – 2.5.1945, 48 S., datiert „Anfang 1964“, (NL Krukenberg). Trotz Ermunterungen durch seinen Cousin Werner Conze und eine Anfrage von Hans Rothfels im Namen der „Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte“ konnte sich Krukenberg zum Abfassen von „Erinnerungen“ nie entschließen.

73 Zu diesem Konzept, zur Verdrängung der NS-Geschichte, personellen Kontinuitäten des Beamtenapparats und den damit verbundenen Demokratie-Defiziten seit den 1950er-Jahren vgl. jetzt Dominik Rigoll, Vom inneren Frieden zur inneren Sicherheit. Staatsschutz in Westdeutschland zwischen Entnazifizierung und Extremistenbeschluss, Göttingen 2013.

74 Ernst Krukenberg (1889–1972, Dr. med.) war praktischer Arzt, ab 1920 in Rinteln an der Weser; 1945 rettete er zusammen mit anderen Bürgern die Stadt vor der Zerstörung. Siehe <http://www.rinteln.de/dr-med-ernst-krukenberg/>. Werner Krukenberg (1895–1945, Prof. Dr. phil.) war Pädagoge; nachdem er 1933 als Direktor der Leipziger Volkshochschule entlassen worden war, studierte er Theologie und leitete später das Ev. Jugend- und Wohlfahrtsamt in Düsseldorf. Er fiel wenige Tage vor Kriegsende.

75 Vgl. Gerd R. Ueberschär (Hg.), NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, Darmstadt 2000.

76 Vgl. den Abschlussbericht: Erich Maschke, Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, Bd. 15, München 1974. Interessanterweise kam es zwischen Historikern und VdH zum Bruch, weil in den Augen der Heimkehrer die „Zeitzeugen“ nicht genügend berücksichtigt würden; vgl. Schwelling, Heimkehr (Anm. 65), S. 166ff. Krukenberg berief sich in dieser Frage auf seine Erfahrungen im Reichsarchiv, doch ein entsprechender Artikel zugunsten der Fachhistoriker wurde von der Redaktion des „Heimkehrers“ abgelehnt (Notiz vom 10.10.1963; NL Krukenberg).

77 Krukenberg war Mitglied mehrerer deutsch-französischer Vereine und 1971–1977 Vorsitzender des Kuratoriums des Arbeitskreises Deutsch-Französischer Gesellschaften. Vgl. allg. Beate Gödde-Baumanns, Bürgerschaftliche Basis der Annäherung: Die Deutsch-Französischen Gesellschaften – Einblicke in die Praxis, in: Corine Defrance/Michael Kißener/Pia Nordholm (Hg.), Wege der Verständigung zwischen Deutschen und Franzosen nach 1945, Tübingen 2010, S. 137-157.

78 Vgl. Gerhard Hirschfeld, Fremdherrschaft und Kollaboration. Die Niederlande unter deutscher Besatzung 1940–1945, Stuttgart 1984, S. 167ff., S. 276.

79 Nach meiner Zählung stand Krukenberg in Kontakt mit mindestens 22 ehemaligen „Charlemagne“-Soldaten (NL Krukenberg).

80 NL Krukenberg. Er korrespondierte auch regelmäßig mit Standartenführer Zimmermann (1897–1995), der am 24. April 1945 das Kommando über die Reste der Division „Charlemagne“ übernommen hatte, als Krukenberg zur Division „Nordland“ abkommandiert wurde.

81 Krukenberg an Henri Fenet, 21.10.1974 (NL Krukenberg). Schon 1959 erwog er gegenüber einem ehemaligen Soldaten der „Charlemagne“, ob man nicht einen Gedenkstein für die toten Kameraden aufstellen könnte, denn man könne „mit gutem Gewissen sagen, daß sie für den Gedanken gefallen sind, Europa vor dem kommunistischen Imperialismus, dessen Gefahr heute überall in der Welt bekannt ist, zu bewahren“. Zu diesem Zweck wolle er Kontakt zu dem „mir gut bekannten“ Pater Pire (Friedensnobelpreis 1959) aufnehmen (Brief vom 31.7.1959; NL Krukenberg).

82 Vgl. Fritz Taubert, La mémoire d’une autre réconciliation: le récit des anciens collaborationnistes au lendemain de la Seconde Guerre mondiale, in: Cahiers d’histoire 100 (2007), S. 51-65.

83 Dies geht aus Briefen des HIAG-Vorstandes an ihn hervor (NL Krukenberg). 1976 nahm er auch an einem Kameradschaftstreffen der Divisionen „Horst Wessel“ und „Charlemagne“ in Würzburg teil (Deutsche Volkszeitung, 30.9.1976). Dem Verf. gegenüber betonte er jedoch, nie Mitglied solcher Kameradschaften gewesen zu sein (Brief vom 22.11.1976).

84 Das gilt z.B. für Henri Fenet (1919–2002), der dafür von französischen Gerichten verurteilt wurde (mündl. Auskunft von Henry Rousso, Paris). Nachdem die Ehemaligen der Division „Charlemagne“ in Frankreich lange Zeit keine Möglichkeit der legalen Vereinsbildung hatten, existiert seit 2009 ein „Cercle des descendants et amis des vétérans français du front de l’Est (1941–1945)“ mit einer eigenen Website: <http://www.cdvfe-divisioncharlemagne.com>.

85 Ein besonders deutliches Indiz dafür ist das mittlerweile überall, nicht zuletzt im Internet, anzutreffende pseudo-karolingische „Wappen“ der Division (siehe Abb.), bei dem es sich in Wahrheit um eine Nachkriegserfindung handelt. 1967 entworfen, sollte es für 5 (nouveaux) Francs pro Stück die „Caisse d’entr’aide“  der ehemaligen Mitglieder der „Charlemagne“ aufbessern (vervielfältigter Rundbrief des Initiators, Jean-Pierre Lefèvre, 24.9.1967; NL Krukenberg). Desgleichen wurden für 3 Francs pro Stück Kopien des blau-weiß-roten Abzeichens hergestellt, das 1944/45 tatsächlich auf dem linken Ärmel getragen worden war.

86 Die Veröffentlichung erfolgte auf dem Kongress des Pariser Landesverbands der „Association des anciens prisonniers de guerre“ (ACPG) am 15./16.4.1978. Zur konfliktreichen Geschichte der französischen Kriegsgefangenenverbände im Blick auf die deutsch-französische Wiederannäherung nach 1945 vgl. François Cochet, Le rôle des anciens prisonniers et des anciens déportés français dans le rapprochement franco-allemand (1945–1965), in: Antoine Fleury/Robert Frank (Hg.), Le rôle des guerres dans la mémoire des Européens, Bern 1997, S. 123-135; Andreas Roessner, Les anciens combattants et le rapprochement franco-allemand jusque dans les années 1960, in: Defrance/Kißener/Nordblom, Wege (Anm. 77), S. 73-88.

87 Störfeuer von der Seine, in: Der Heimkehrer, 15.6.1978. Daraus auch die folgenden Zitate.

88 Auf einem der Briefe notierte er hinsichtlich des inkriminierten Banketts, es habe sich lediglich um ein „Mittagessen in [einem] öffentlichen Restaurant“ und um die „private Einladung eines Arzt-Ehepaares aus Grasse“ gehandelt, an dem „insgesamt 6-7 Personen“ teilgenommen hätten (NL Krukenberg).

89 Seit den 1930er-Jahren hat die Stiftung des Hamburger Kaufmanns Alfred Toepfer zahllose Preise und Stipendien ausgelobt, die zunächst an deutsch-nationalistische oder „deutschfreundliche“ Persönlichkeiten vergeben wurden. Nach 1945 verschob sich der Schwerpunkt allmählich zum Europäischen hin, blieb aber weiter streng konservativ (vgl. Jan Zimmermann, Die Kulturpreise der Stiftung F.V.S. [= Freiherr vom Stein] 1935–1945. Darstellung und Dokumentation, hg. von der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., Hamburg 2000; Michael Fahlbusch, Schweizerkreuz und Hakenkreuz. Das Stiftungsvermächtnis der Gebrüder Toepfer in der Schweiz, 31.1.2012, online unter URL: <http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=3078>). Aus dem Kondolenzschreiben Toepfers an Krukenbergs zweite Ehefrau geht hervor, dass der Kontakt zum Mäzen schon etwas älter war: „Ich war glücklich“, schrieb Toepfer am 6.11.1980, „daß ich Herrn Dr. Krukenberg nach der Entlassung aus dem Zuchthaus der DDR längere Zeit als meinem Gast in der Lüneburger Heide neuen Lebensmut und gesundheitliche Frische schenken konnte“ (NL Krukenberg).

90 Brief Krukenbergs an den Präsidenten der „Association Robert Schuman ‚Pour l’Europe‘“, Joseph Schaff, 10.10.1979 (NL Krukenberg). Anstelle von Krukenberg erhielt daraufhin der damalige griechische Premierminister Karamanlis die Medaille.

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