- Sprachkritische Interventionen
- Sprachwechsel und Sprachmischungen
- Lexikalische Sprachprojekte
- Die »Agentivität« der Sprache – methodologischer Ausblick
1. Sprachkritische Interventionen
In den ersten Wochen der Kanzlerschaft Hitlers begann der Dresdner Romanist Victor Klemperer in seinem Tagebuch öffentliche Sprachereignisse und eigene Spracherlebnisse festzuhalten, die anzeigen, wie schnell und konsequent sich die Nazifizierung der deutschen Gesellschaft vollzog. Radikal erfolgte die sprachliche »Annullierung einer Welt«, deren Grundbegriffe kurz zuvor noch Geltung gehabt hatten.1 Der aus seinem Amt verjagte Gelehrte hielt beinahe täglich Beobachtungen über die Art und Weise fest, wie die staatliche Propaganda den Alltag durchsetzte: In allen Schichten und Lebensbereichen sprachen die Menschen nun »nazistisch«, grüßten anders, unterhielten sich anders, schimpften anders – und schrieben auch eine andere Wissenschaftsprosa, wie Klemperer teils ungläubig, teils verzweifelt an den Veröffentlichungen in seinem Fach konstatieren musste. Seine Notizen zur »LTI« (»Lingua Tertii Imperii«, »Sprache des Dritten Reiches«) führte er bis Mai 1945 fort (und später auch darüber hinaus). In einem Eintrag vom April 1937 hielt Klemperer das methodologische Credo der von ihm geplanten Sprachstudie fest, wenn er mit Blick auf den öffentlich zelebrierten Bekenntnisrausch der NS-Paraden, der Parteifahnen, Lieder und Schlagworte, das lateinische Sprichwort über Wein und Wahrheit zum Motto seiner Sprachkritik abwandelte: »In lingua veritas«.2 Diese Sentenz bündelte die Überzeugung Klemperers, der seine Sprachbeobachtungen zeitgleich auch in einem Brief an seinen Schwager Martin Sußmann erläuterte, der sich mit seiner Familie ins schwedische Exil retten konnte: »Die Arbeit bekommt eine psychologische und eine damit zusammenhängende historische Seite. […] Es ist nämlich nur zum kleiner[e]n und oberflächlichen Teile wahr, dass die Sprache dem Menschen zum Verbergen seiner Gedanken gegeben ist, vielmehr: sie verrät ihn.«3
Die andere Seite der von Klemperer beobachteten Bekenntnishaftigkeit der »neuen Zeit« hat der Philosoph Ernst Bloch 1939 im amerikanischen Exil festgehalten. »Die deutsche Sprache ist des Teufels geworden«, alles verkehre sich in sein Gegenteil: »Worte verlieren ihren Sinn, Krieg heißt Frieden, Pogrom Notwehr […].«4 Damit nahm Bloch die »Linguistik der Lüge« in den Blick.5 Er prangerte Desinformation und Verschleierung, die Euphemismen und die sprachlichen Wertumkehrungen an, die der englische Schriftsteller George Orwell in seinem Roman »1984« nur wenige Jahre später so treffend »Newspeak« genannt hat.6
Eine dritte wirkmächtige These zur Charakteristik der Nazisprache formulierte der Literaturwissenschaftler George Steiner. In seinem Essay »The Hollow Miracle« von 19607 betrachtete er die Sprache der Täter nicht als ein vereinnahmtes Werkzeug, sondern vertrat umgekehrt die These, dass das »Nazitum in dieser Sprache genau vor[fand], was es brauchte, um seiner Grausamkeit Stimme und Nachdruck zu verleihen«, einen »Erguß von präzisen, zweckdienlichen Ausdrücken«.8 Steiner kritisierte also nicht den »Mißbrauch der Sprache«,9 die giftige »Sakralisierung des Wortschatzes«10 durch die NS-Propaganda, auch wenn er dies nicht infrage stellte; es ging ihm auch nicht um die »Gleichschaltung der Wörter«11 oder um die allgemeine »Sprachlenkung im Nationalsozialismus«12 und nicht einmal primär um die Frage nach der Wirkung all dieser Phänomene über die Zäsur von 1945 hinaus. Die Besonderheit seines Essays lag vielmehr darin, dass er eine Art Empfänglichkeit gerade des Deutschen für seine Verwendung in der Diktatur und für den Zweck, jüdisches Leben in Europa zu zerstören, zum Thema machte. Diese These provozierte deutschsprachige Autorinnen und Autoren – jüdische wie nichtjüdische − und führte in den frühen 1960er-Jahren zu einer erhitzten Debatte (siehe den Beitrag von Nicolas Berg/Stephan Braese in diesem Heft).
Sicher war Steiners sprachkritische Intervention besonders zugespitzt. Klemperers Aufmerksamkeit für die freigesetzten, vom neuen Regime geförderten Bekenntnisse der Vox populi sowie Blochs Wut auf die ideologische Indoktrination und sprachpolitische Manipulation durch die Machthaber bezeichnen demgegenüber zwei klassische Positionen der späteren Forschung zur Sprache des Nationalsozialismus. Im Rückblick auf diese Stimmen jüdischer Sprachkritik fällt aber auf, dass sie nicht für sich allein stehen; stattdessen verweisen die drei exemplarisch genannten Zeugnisse auf ein ganzes Quellenkorpus, auf eine Art Genre der historischen Reflexion über die NS-Zeit und ihre Verbrechen. Es handelt sich um eine große Gruppe von Texten und Büchern, in der die Analyse des Vokabulars der Täter zur historischen Erkenntnismethode wurde. Dieser dezidiert sprachkritischen Perspektive auf die geschichtlichen Ereigniszusammenhänge vonseiten jüdischer Autorinnen und Autoren, die ganz unterschiedliche Akzente setzten, gilt das Erkenntnisinteresse des vorliegenden Heftes.
2. Sprachwechsel und Sprachmischungen
Dieses Nachdenken über die deutsche Sprache erfolgte im individuellen Mikromilieu einer fast existentiellen Entscheidung über den eigenen Sprachgebrauch und vollzog sich häufig im Prozess eines durch die Umstände erzwungenen Sprachwechsels. Es hat aber auch eine kollektive Dimension. In einem Essay über Sprache im Exil hat der Literaturwissenschaftler Dieter Lamping – teils mit Blick auf die Literatur überhaupt, teils mit Bezug auf die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert und auf die gewaltsame Vertreibung von Intellektuellen durch die Nazis – diese Sprachentscheidungen genauer betrachtet. Lamping betonte, wie universell die erkenntnistheoretische Bedeutung der Phänomene von Sprachverlust und Sprachwechsel, von Zwei- oder Mehrsprachigkeit und von Sprachmischung ist.13 Alle diese Reaktionen auf den Akt einer gewaltvoll vorgenommenen Expatriierung durch einen Staat, so sein zentrales Argument, bildeten ihren Inhalt bereits in der Form ab – in der Sprache selbst. Das galt für jüdische wie für nichtjüdische Verbannte und Vertriebene gleichermaßen. Nach dem Exodus aus Nazideutschland standen die einen wie die anderen vor der Entscheidung, das Deutsche durch eine neue Sprache zu ersetzen oder aber, eine häufig eingenommene Haltung von Exilanten der 1930er-Jahre, ihre Muttersprache auch in einem fremdsprachigen neuen Alltag beizubehalten. Ernst Bloch wäre hierfür als Beispiel zu nennen. Er begründete den Entschluss, selbst kein Englisch lernen zu wollen, mit einer besonderen Zuständigkeit für die Bewahrung, ja den Schutz des Deutschen fern der eigenen Heimat.14
Andere wiederum, etwa Hannah Arendt15 oder Siegfried Kracauer,16 entschieden sich programmatisch für einen Sprachwechsel und schrieben bald in der neu erworbenen Sprache des Exillandes. Oder sie wechselten zwischen beiden Sprachen und adressierten somit zwei Öffentlichkeiten – eine, die ihrem Lebensalltag im Asylland entsprach; eine andere, mit der sie primäre Erinnerungen verbanden. Und es gab noch eine dritte Variante: Sowohl in Briefen als auch in publizierten Texten wurden die vertraute Erst- und die neu gelernte Zweitsprache eng miteinander verflochten. Für diese letztere Gruppe ist an das Werk von Georges-Arthur Goldschmidt zu erinnern, der nach 1945 vor allem auf Französisch schrieb, dabei aber seine Texte mit deutschen Wörtern durchsetzte (wie auch umgekehrt).17 Ähnlich verfuhren die Lyrikerin Mascha Kaléko, der Historiker Raul Hilberg oder der Schriftsteller Jean Améry, der die Lager Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt hatte und nach der Befreiung im französischsprachigen Brüssel lebte. Dort schrieb Améry seine Arbeiten in der Regel auf Deutsch. Aber sie tragen sprachlich nicht nur das entfernte dialektale Echo seiner österreichischen Jugendjahre in sich, sondern vor allem die von Améry absichtsvoll implementierte Klangfarbe französischer Vokabeln.18 Marc Volovici bringt in seinem Beitrag zur Rolle der deutschen Sprache im Jerusalemer Prozess gegen Adolf Eichmann eine wesentliche Facette dieser Fragen von Sprachwandel und Ringen mit der deutschen Sprache im Rahmen dieses besonderen Settings pointiert zum Ausdruck.
Der universalhistorische Ansatz von Lampings Überlegungen legte es für ihn nahe, nicht zwischen jüdischen und nichtjüdischen Autorinnen und Autoren zu unterscheiden. Doch fällt beim Lesen seines Textes auf, dass von den bei ihm genannten Exilautoren, die nach ihrer Rettung einen Sprachwechsel vornahmen, über diesen reflektierten, in zwei Sprachen weiterschrieben oder thematisch über das Deutsche und seine Verrohung publizierten, sehr viele Jüdinnen und Juden waren. Lamping nennt neben Ernst Bloch auch Elias Canetti, Arthur Koestler, Peter Weiss, Lion Feuchtwanger, F.C. Weisskopf, Michael Hamburger, Günther Anders, George Steiner und Guy Stern.19 Und auch diese Namensreihe prominenter Schriftsteller, Wissenschaftler und Philosophen ließe sich wiederum leicht fortführen – verwiesen sei nur auf Paul Celan, Hilde Domin, Hermann Kesten, Ilse Aichinger, Anna Seghers, Ludwig Marcuse, Hilde Spiel, Stefan Zweig, Hans Keilson, Ludwig Strauss, Schalom Ben-Chorin und Werner Kraft, in deren Briefen, Tagebüchern, Gedichten, Romanen oder Essays das Nachdenken über die deutsche Sprache konstitutiv ist.
Die Beiträge unseres Heftes widmen sich diesem Nachdenken jüdischer Intellektueller über die Versehrung und Korruption der deutschen Sprache in der NS-Zeit. Es rückt Autorinnen und Autoren in den Blick, die grundsätzlich und über viele Jahre hinweg die linguistische Nazifizierung des Deutschen reflektierten. Alle hier versammelten Beiträge gehen dem Phänomen nach, dass die durch Artikel, Bücher und Wörterlisten sowohl dicht überlieferte als auch grundlegend formulierte Sprachkritik, die in den Jahren der Vertreibung und des Exils beginnt, dann aber vor allem nach dem Holocaust mit Blick auf diesen erfolgt, eng mit den zentralen Erfahrungen der Überlebenden verknüpft ist, ja nicht selten den Kern dieser Erfahrung in und mit Deutschland darstellt.20 Die deutsche Sprache war für diese Autorinnen und Autoren nach 1945 so gänzlich neu und anders zu betrachten und zu bewerten als vor 1933, als es ja gerade die Sprache gewesen war, die die Selbstbeheimatung jüdischer Intellektueller in besonderem Maße ermöglicht und befördert hatte, eine mit Stolz erworbene Zugehörigkeit zu Staat, Land, Kultur, Geschichte und Wissenschaft Deutschlands, die in erster Linie mit der eigenen Muttersprache begründet wurde.21 Die daraus resultierende Spannung wird in besonderer Weise etwa an Theodor W. Adorno sichtbar, der sich – wie Hans-Joachim Hahn diskutiert – von der eigenen Mutter- und Denksprache nicht abwendete und mit oder in dieser die in der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit typische Rhetorik des Umgehens und Zudeckens der NS-Vergangenheit beschreibbar machte. Auch die Entstehungsgeschichte von Klemperers »LTI. Notizbuch eines Philologen«, dem 1947 erschienenen Standardwerk zum Thema, ist Ausdruck dieser Spannung; das zeigt Nicolas Berg in seiner Re-Lektüre. Wie Adorno verteidigte Klemperer (s)ein anderes Deutsch, mit dem er das Nazi-Idiom zum Thema machte.
3. Lexikalische Sprachprojekte
Das Thema der jüdischen Sprachkritik betrifft keineswegs nur muttersprachliche Autorinnen und Autoren, sondern jede und jeden, für die oder den die hetzerischen Tiraden von Hitler, Goebbels und Himmler zu einer existenziellen Bedrohung geworden waren.22 Alle Überlebenden hatten nach 1945 auf eine völlig veränderte Welt zu reagieren: Zum einen war ihre individuelle sprachliche Zugehörigkeit durch die Nazifizierung der deutschen Sprache infrage gestellt worden und hatte sich folglich in vielen Fällen dann auch wirklich gelockert, gelöst oder wurde sogar tabuisiert. Zum anderen war das jüdische Welt-, Geschichts- und Selbstverständnis grundlegend erschüttert worden. Viele europäische Autorinnen und Autoren, deren Erstsprache Französisch, Italienisch, Tschechisch, Polnisch, Jiddisch oder Hebräisch war, hatten nicht selten zwar ebenfalls Deutsch gelernt, schrieben meist aber in ihrer Muttersprache über die realen und symbolischen Verwüstungen, die das Deutsch der 1930er- und 1940er-Jahre verursacht hatte.
Aus dieser Vielfalt von Stimmen mit unterschiedlichen sprachkritischen Motiven und Ansätzen entwickelten sich zahlreiche lexikalische Großprojekte, um die eigentliche Bedeutung von politischen Termini der NS-Herrschaft zu dokumentieren. Die in den 1930er-Jahren begonnene Studie von Eugen Seidel und Ingeborg Seidel-Slotty mit dem Titel »Sprachwandel im Dritten Reich« wäre hierfür zu nennen,23 oder das Begriffsnachschlagewerk von Cornelia Berning, das die Autorin 1960 mit einer Artikelserie in einer Zeitschrift begann und an dem sie bis ins Jahr 2007 arbeitete.24 Wiederholt gab es Versuche, einen Thesaurus lexikalisch zu zähmen, der im Laufe der Zeit als immer idiosynkratischer, ja rätselhafter betrachtet wurde, sodass Handreichungen für Übersetzerinnen und Übersetzer (aus dem Deutschen) nötig wurden, weil diese beklagten – zum Beispiel bei der dänischen Übersetzung von Ralph Giordanos Überlebensbericht »Die Bertinis« –, dass einen »die greifbaren deutschen Wörterbücher im Stich ließen«.25 Alle diese Autorinnen und Autoren widmeten sich, ob nun eher philologisch-lexikalisch oder allgemein geschichts- und kulturwissenschaftlich, Wörtern wie »Rädelsführer«, »Volksgemeinschaft«, »reinrassig« oder Wendungen wie »Blut und Boden« und »Neuordnung Europas«, deren spezifische Bedeutungen historisch aufwendig erläutert werden mussten.
Viele dieser Arbeiten wurden nicht in deutscher Sprache begonnen, sondern auf Englisch, Polnisch oder Jiddisch, also in den Erst- oder Exilsprachen der Überlebenden. Manche Projekte aus der Entstehungszeit des Genres hatten entweder einen satirischen Charakter, wie die Flugschrift »Nazi-German in 22 Lessons« des Zeichners Walter Trier und des irischen Journalisten Frank Dowling,26 oder sie waren zunächst nicht mehr als ein pragmatisches Hilfsmittel. Das allererste lexikalische Kompendium des NS-Wortschatzes diente 1944 etwa dem konkreten Verständnis der deutschen Dokumente und vor allem der bürokratischen, parteiinternen und militärischen Hierarchien und Institutionen. Das Nachschlagewerk »Nazi Deutsch. A Glossary of Contemporary German Usage«, das der in die Vereinigte Staaten geflohene Historiker und Politologe Heinz Pächter (er änderte seinen Namen später in Henry Maximilian Pachter) zusammenstellte, der nach dem Krieg Geschichte an der New School for Social Research in New York lehrte, war als praktische Handreichung für Diplomaten, Politiker und Journalisten entstanden.27 In der unmittelbaren Konfrontation mit der Verwaltungssprache des Holocaust verschärfte sich die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Sprache noch einmal, denn diese Terminologie war eine einzige große Variation auf das Thema Mord: »Sonderbehandlung« oder abgekürzt »S.B.«, »Sonderaktion« oder lediglich »Aktion«, und nicht zuletzt die abgründige Wortkombination »Endlösung der Judenfrage« aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz.
Das prägnanteste Beispiel für eine ambitionierte Deutung der NS-Sprache ist das Werk des in Borszczów, heute Borschtschiw (Ukraine) geborenen Philologen und Historikers Nachman Blumental (1902–1983), der den Holocaust als Flüchtling in der Sowjetunion überlebt hatte. Sein Projekt »Słowa Niewinne« (»Unschuldige Wörter«), in Deutschland bis heute kaum bekannt, ist nicht nur das aufwendigste und systematischste Vorhaben, das über die NS-Vernichtungssprache überhaupt begonnen wurde, sondern auch eines der frühesten.28 Blumental verfasste sein Lexikon auf Polnisch; es entstand im Rahmen seiner Tätigkeit für die Jüdische Historische Kommission und war eine geradezu enzyklopädische Arbeit, die das gesamte Universum der Euphemismen und der verschleiernden Sprache abzubilden und zu dekodieren versuchte. Das Material war so umfangreich, dass Blumental die Studie auf zwei Bände verteilen musste. 1947 erschien der erste Band, mit Einträgen von A (»Abbruch«) bis I (»Israel«); der zweite, weit fortgeschrittene Band ist aus ungeklärten Gründen nicht mehr zum Druck gelangt, und auch das Manuskript ist bis heute verschollen geblieben.29
Die verschleiernde Dimension des todbringenden NS-Vokabulars hat Blumental prägnant dokumentiert. Er geht genau diesem Deckvokabular der Vernichtung nach und zeigt etwa am Begriff »Aktion« und seinen vielen Ableitungen die eigentlichen Bedeutungen des ganzen Wortfeldes. In der Einleitung des Buches von 1947 heißt es programmatisch: »Unschuldige Wörter wurden – Ausdrücke für Verbrechen. Wer […] kennt jetzt nicht das Wort ›Aktion‹ in seiner zweiten, deutsch-hitlerischen Bedeutung? Und wie unschuldig klingen die Wörter ›Aussiedlung‹, ›Säuberungsaktion‹, ›Kranken-Lager‹ und tausende andere. Und was soll man erst von Wörtern sagen, die eigentlich für das Gefühl positiv gefärbt sind: ›Erholungsblock‹, ›Badeanstalt‹, ›Himmelfahrt‹, ›Hasenjagd‹ und viele, viele andere, die aber in der hitlerischen Praxis eine ungeheuerliche Bedeutung bekommen haben?« Aus Blumentals Sprachkritik wird deutlich, wie der Gedanke der Vernichtung in Wort und Tat nahezu performativ verwandelt wurde und zwischen den in den östlichen Gebieten und vor allem in den Ghettos verwendeten Sprachen zirkulierte: Von den polnischen Wörtern »Akcja A« (»Menschenerfassung«) und »Akcja B« (»Werterfassung«)30 bis zu den Wörtern »Judenaktion« oder »Aktion Meeresschaum« liegt allen das deutsche Wort »Aktion« zugrunde, definiert als »massenweise Vernichtung von Menschen«.31 Blumental gibt folgende Erklärung: »Was die Geschichte dieses Wortes in neuer Bedeutung betrifft: es reicht in die ersten Tage der Hitlerherrschaft zurück. So wird z.B. die Liquidation der Röhm-Gruppe als ›Säuberungsaktion‹ (siehe dort) bezeichnet, die Demolierung von Lokalredaktionen sozialistischer Zeitungen und linker Gewerkschaften als ›Aktion gegen die roten Gewerkschaften‹[,] und diese Aktionen führt das ›Aktionskomitee zum Schutze der deutschen Arbeit‹ durch.«32 »Aktionen« nehmen verschiedene Epitheta an, so Blumental weiter, »seiʼs vom Namen einer Person, die die Aktion durchführt, seiʼs von anderen Umständen (siehe ›Aktion Meeresschaum‹, ›Aktion Schwarz‹). Unter Aktion versteht das Volk meistens einen organisierten Pogrom, wobei die Deutschen die Menschen entweder an Ort und Stelle ermordeten oder an einen eigens dafür bestimmten Platz wegbrachten (z.B. einen Friedhof). Eine Aktion begann und endete zu einer genau bestimmten Zeit und – wie Zeugen berichten – auf ein von den Oberen gegebenes Signal hin.«33
Später lieferte Blumental mit Aufsätzen wie »On the Nazi Vocabulary« im ersten, auch auf Englisch übersetzten Jahrgangsband der »Yad Vashem Studies« eine Interpretation der NS-Terminologie und ihrer Bedeutung für das Vorgehen der Täter. Darin betonte er, dass die von den Nazis initiierte »Entwicklung und Ausbeutung [der Sprache] sie selbst zu einem kriminellen Instrument« gemacht habe.34 Einen Folgebeitrag, dessen Ein-Wort-Titel »Action« eine Ahnung von der Grundsätzlichkeit gibt, mit der Überlebende methodologische Fragen bei der Erforschung der Sprache der Vernichtung reflektierten, begann Blumental wie folgt: »The word ›Action‹ (Aktion in German) is probably the most cruel word the Jewish people remembers from the period of the Catastrophy.«35
Sein Kollege Joseph Wulf, mit dem Blumental in der Nachkriegszeit zusammen in der Jüdischen Historischen Kommission in Polen tätig war und der später als einer der wenigen Überlebenden in Deutschland mit vielen Dokumentationsbänden die historische Aufklärung über die Massenvernichtung begann,36 hat sich ebenfalls dem unmittelbaren Thesaurus des Massenmordes zugewandt, vor allem in seiner Studie »Aus dem Lexikon der Mörder«, in der er an Quellen aus der NS-Bürokratie minutiös vorführte, welche (Tarn-)Bedeutung der Begriff »Sonderbehandlung« im NS-Staat einnahm: Wie »Aktion« war auch diese zutiefst zynische Wendung ein bloßes Stellvertreterwort für Mord.37 Nur Deutschland, so schrieb Wulf einleitend, »schuf in seiner Sprache so viele Worte, Ableitungen oder Zusammensetzungen für den Begriff Mord. Die nationalsozialistische Amtssprache ist in dieser Hinsicht einmalig. Deshalb hinterließen die zwölf Jahre des Dritten Reichs der neuen deutschen Wortforschung, der Beziehungs- und Bedeutungslehre, eine Unmenge Worte, die alle nichts anderes als Mord bezeichnen.«38 Im Gegensatz zu Blumental erarbeitete Wulf seine Geschichte des Holocaust einige Jahre später, nachdem er aus Polen über Frankreich nach Deutschland gegangen war, nicht in polnischer oder jiddischer Sprache, sondern »in Deutsch für die Deutschen«,39 denn er wollte den Tätern und deren Nachkommen die historischen Ereignisse in der Sprache präsentieren, in der sie erdacht, organisiert und exekutiert worden waren.
Das Bewusstsein für die Aporie aller historischen Arbeiten zum Sprachthema, von dem auch Wulfs und Blumentals Vorgehen zeugt, hat der Prager Wissenschaftler und Schriftsteller H.G. Adler 1955 im Vorwort seiner Studie »Theresienstadt. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft« festgehalten: Schon die bloße Darstellung der Ereignisse konfrontiere jede historische Analyse oder Dokumentation mit der unmenschlichen Terminologie der Nazis, die man im Grunde genommen Wort für Wort, Satz für Satz, Gedanke für Gedanke zu korrigieren und zu dekonstruieren habe.40 Lynn L. Wolffs Beitrag zeigt anhand der Studie und insbesondere des ihr vorangestellten Wörterverzeichnisses, das auch als Cover-Abbildung unseres Heftes dient, wie die sprachkritische Perspektive bei Adler zum Fundament der historisch-soziologischen Analyse der Lagerwelt wurde. Prägnant führte solche Arbeit an der Übersetzung von NS-Quellen in unsere heutigen Sprachen auch der Holocaust-Forscher Raul Hilberg vor, der wie kaum ein anderer die »Grammatik der Behörden« des Nationalsozialismus aufzuschlüsseln in der Lage war und sie zu einer Grundfrage seines Lebenswerks gemacht hat.41 Fokussiert man auf die historische Erfahrung der Opfer, zeigt sich, wie sehr die Realitäten der Verfolgung auch ihre eigene Sprache prägten, ein Phänomen, das man in der Linguistik als »Kontaminierung« bezeichnet oder auch als Form der Adaption verstehen kann. Deshalb ging es diesen Gelehrten, die selbst Überlebende waren, darum, die Veränderungen in den Sprachen – nicht nur im Deutschen, sondern in allen von den Opfern gesprochenen Sprachen – durch ihre Arbeiten zu dokumentieren, zu analysieren und zu interpretieren. Daneben beleuchteten sie auch die Art und Weise, wie die Verfolgten bzw. die Überlebenden die Ereignisse in ihrer Erfahrung versprachlichten und was dies für die eigene Sprachwelt bedeuten konnte. Diesen Zusammenhang führt Hannah Pollin-Galay in ihrem Aufsatz exemplarisch vor, wenn sie entlang der Verwendungsweisen eines einzelnen jiddischen Begriffs zeigt, wie stark die Sprache von der Umwälzung der Realität durch die Nationalsozialisten affiziert war und welche Bedeutungsverschiebungen und Neuschöpfungen sich aufgrund der entrechteten jüdischen Existenz in Polen vollzogen.
So gelang es auch, in der und durch die Sprache eine Form des Gegenhandelns, sogar des Widerstandes zu leisten, etwa durch Witze und Wortspiele, die sogar eine Sprache für sich, eine khurbn-shprakh (jidd. »Vernichtungssprache«), zu bilden vermochten.42 Einen Aspekt solchen Gegenhandelns zeigt der Aufsatz von Miriam Chorley-Schulz, die anhand von Hannah Arendts weitgehend unbekannt gebliebenen Jiddisch-sprachigen Essays der 1940er-Jahre eine neue Perspektive auf das (viel-)sprachliche Selbstverständnis und den politischen Standort der Theoretikerin wirft.43 Hierbei wird ein bisher kaum beleuchteter Zugang Arendts zur Sprache als Instrument universeller, grenzüberschreitender Verbindung und Solidarität sichtbar, der sich in Abgrenzung von dem durch Exklusion und Gewalt beherrschten NS-Deutsch entwickelte – freilich nur für eine relativ kurze Periode ihres Lebens. Eine nochmals andere, subtilere, aber nicht weniger wirksame Form des Gegenredens ist die des satirischen Zitats, die Joseph Wulf in seinem gesamten Werk als »Archivar« des »Dritten Reiches« praktizierte – in den späten 1950er-Jahren zusammen mit seinem französischen Kollegen Léon Poliakov, später dann allein bei der Buchreihe »Kultur im Dritten Reich«. Sein dokumentarischer Stil war bewusst gewählt und beruhte auf einem Verfahren, das darin bestand, eine Fülle von Material vor allem aus den Hetzreden der Ideologen und den Verwaltungsarchiven der Vollstrecker im »Rohzustand« des Originals zu präsentieren,44 aber jeden Auszug mit einer von ihm gewählten Überschrift zu konfrontieren, die stets dem Dokument selbst entnommen ist. Das Zitat wird hier zu einem satirischen Verfahren, das an die »klassische« Sprachkritik des frühen 20. Jahrhunderts erinnert, wie sie von Karl Kraus vorgeführt und publiziert wurde.
4. Die »Agentivität« der Sprache – methodologischer Ausblick
Die hier zu vermessende Sprachkritik, das Nachdenken über Sprache aus jüdischer Perspektive im Bewusstsein des Holocaust, brachte einen philologisch grundierten historiographischen Ansatz hervor, den insbesondere H.G. Adler, Nachman Blumental, Raul Hilberg und Joseph Wulf verfolgten – neben diesen Autoren wären aber noch zahlreiche Zeitgenossen zu nennen, die Derartiges begannen.45 Vor über einem halben Jahrhundert schrieb Hans-Georg Gadamer: »In der philosophischen Diskussion der Gegenwart hat das Problem der Sprache eine ähnlich zentrale Stellung erworben wie vor etwa einhundertfünfzig Jahren der Begriff des Denkens.«46 Die methodologische Perspektive des Linguistic Turn, die man früh mit Gadamer oder später mit den Arbeiten von Hayden White ansetzen kann und die die erkenntnistheoretische Bedeutung von Kommunikation und Sprache für die Geschichtswissenschaft betont, wurde von den in diesem Heft vorgestellten Protagonisten schon sehr früh und radikal eingenommen, Jahre vor den Genannten.
Hier geht es auch um eine historische Wiedergewinnung von vernachlässigten oder sogar überschriebenen methodologischen und erkenntnistheoretischen Ansätzen, mit denen Überlebende des Holocaust deutsche Begriffe als einen Teil der Tat verstanden. Stärker als etwa in klassisch begriffsgeschichtlich orientierten Ansätzen wird in dieser Argumentation ein aktives, ein gleichsam handelndes Element der Sprache hervorgehoben. Dabei wird das inhärente Potential von Sprache sichtbar gemacht, Instrument von Macht und Gewalt zu sein, beschrieben aus der Perspektive jener, die sich dieser feindseligen Sprache ausgesetzt fanden, später dann die mit ihr begründeten Gewaltakte in Deportationszügen, Zwangsghettos, Arbeits- und auch in Vernichtungslagern überlebten – im Gegensatz zur ganz überwiegenden Mehrheit der Verfolgten.
Dieser Ansatz lässt die paradigmatische Bedeutung von Sprache für das hermeneutische Verstehen und für die historische Rekonstruktion des Nationalsozialismus erkennbar werden. Der Holocaust-Historiker Amos Goldberg hat den Gedanken von Oskar Rosenfeld aus dessen im Ghetto Łódz geführten Tagebuch zitiert: »In einer späteren Epoche, in derjenigen, die der Erforschung des Gettos angehört, wird solch eine Sammlung [von Wörtern], solch eine Enzyklopädie dort Aufklärungen geben können, wo die bloße Schilderung der Zustände nicht ausreicht. Das Wort, die Sprache ist in der Geschichte der Menschheit […] ein zuverlässigerer Zeuge und Wahrheitsquell als andere, materielle Denkmale.«47 Mit dieser Einschätzung sprach Rosenfeld eine Überzeugung aus, die von allen hier diskutierten Autoren – und von vielen weiteren – geteilt wurde.
Ein wesentliches Merkmal dieser frühen Holocaust-Forschung ist zudem die ihr intrinsische Interdisziplinarität. Die Wissenspraxis vieler Survivor Scholars erscheint uns heute als ein Vorgriff auf einige der Jahrzehnte später dann auch in der allgemeinen Geschichtswissenschaft eingeführten historiographischen Ansätze; sie integrierten kultur- und wissensgeschichtliche Methoden bereits vor allen »Turns«, an erster Stelle philologisch-sprachkritische Zugänge. Wenn etwa Victor Klemperer immer wieder über den antisemitisch motivierten Wechsel vom vormaligen »Sie« zum »Du« reflektierte, mit dem er sich seit der Verordnung über das Tragen des gelben Sterns konfrontiert sah, formulierte er die Idee der linguistischen Sprechakttheorie bereits in den 1940er-Jahren, einer Theorie, die auf die Vorlesung »How to Do Things with Words« des britischen Philosophen John Langshaw Austin von 1955 zurückgeführt wird.48 Die Überlegungen zum Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit, Sprache und Tat, Sprache und Gewalt, die in diesem Heft diskutiert werden, gehen also zugleich der Frage oder These einer im negativen Sinne weltkreierenden Dimension des Sprechens nach.
Auch wenn dieser Aspekt der »Agentivität« der Sprache von den Survivor Scholars, die sich mit den Besonderheiten der NS-Sprache beschäftigten, nicht auf theoretischer Ebene analysiert wurde, so war er in ihren Ansätzen doch präsent. Das ergab sich aus der Analyse der NS-Sprache selbst, wie das kleine Kapitel »Sprache« zeigt, das Joseph Wulf dieser Frage in der Dokumentation »Literatur und Dichtung im Dritten Reich« widmete. Wie in allen seinen Arbeiten präsentierte Wulf hier vor allem ausgewählte Quellenausschnitte – zumeist Texte, die während des »Dritten Reiches« entstanden waren. Die Form dieses kurzen Kapitels folgt einer thematischen Chiasmusstruktur, es wird durch zwei Zitate eingerahmt, die diesen Aspekt von Sprache als Waffe und Handlungsweise veranschaulichen. Der Abschnitt beginnt mit einem Zitat aus dem Artikel »Die Sprache, ein Kampfmittel unserer Zeit«, der 1941 von dem Juristen Rudolf Hermann Buttmann, Gründungsmitglied der Akademie für Deutsches Recht, Vorsitzender des Deutschen Sprachvereins und des Sprachpflegeamtes sowie Mitglied der Forschungsabteilung Judenfrage im Reichsinstitut zur Geschichte des neuen Deutschlands, veröffentlicht wurde.49 Das Kapitel schließt mit einem Zitat aus einem Aufsatz von 1943 von Georg Kuhn mit dem Titel »Der Befehl – Eine sprachkundliche Betrachtung«, in dem es heißt, dass die gemeinsame Sprache nicht nur eine geistige Gemeinschaft garantiere, sondern auch eine »Tatgemeinschaft von Führer und Gefolgschaft«. Diese »Tatgemeinschaft« sei untrennbar mit einer »Sprachgemeinschaft« verbunden, in der die »Muttersprache« mehr sei als nur der geistige und kulturelle Kitt einer Gesellschaft: »Sie schweißt uns zu einer unlöslichen Willenseinheit zusammen. Der Befehl des Führers ruft das Volk zu geschichtlicher Tat: ›Führer befiehl, wir folgen Dir.‹«50
Es könnte kein deutlicheres Indiz für die Notwendigkeit geben, diese Dimension der Sprache in ihrer eigenen Agentivität zu erforschen, die unter bestimmten Umständen in der Lage ist, »geschichtliche Taten« hervorzubringen. Über das spezifische Feld der Holocaust-Forschung hinaus, so hat Amos Goldberg oft betont, könne die Forschung von einer Erweiterung auf den zentralen Gegenstand des im Nationalsozialismus beobachteten Sprachwandels profitieren.51 So gilt es, den Sprachgebrauch als Untersuchungsgegenstand in der Geschichtswissenschaft immer wieder neu zu profilieren und die Sprachanalyse damit auch für dieses Thema als historische und historiographische Methode sichtbar zu machen. Dies, so meinen wir, ist in die geschichtswissenschaftliche Reflexion des 20. und frühen 21. Jahrhunderts als ein konstitutives Element zu integrieren. Immer deutlicher wird auch in der Gegenwart, wie Manipulationen an und mit Sprache zu Gewaltakten oder gar Mord-Instrumenten werden. Diese Phänomene deuten weit über die von George Steiner formulierte Prädisposition des Deutschen hinaus, denn so kann das Potential einer jeden Sprache für Gewalt ausgelotet werden. In dieser Perspektive werden Sprachhandlungen als solche zu »unumgänglichen Themen« (Monika Schmitz-Emans), sowohl in der Geschichte selbst wie im Nachdenken über sie, in Theorie und Methodologie, also in jenem Bereich, in dem sich die Wissenschaft über das »Wie« und »Warum« ihrer Praxis Rechenschaft ablegt.52
Die übergeordnete Frage der folgenden Beiträge ist in der Formulierung Hannah Arendts zur Sentenz geworden: »Jede Epoche, der ihre eigene Vergangenheit in einem solchen Maße zum Problem geworden ist wie der unseren«, so schrieb sie 1968 in ihrem Essay über Walter Benjamin, müsse »schließlich auf das Phänomen der Sprache stoßen: denn in der Sprache sitzt das Vergangene unausrottbar, an ihr scheitern alle Versuche, es endgültig loszuwerden.«53 Diese Referenz auf Sprache, die hier als besondere Form des Archivs zum Thema gemacht wird, hat den Akzent für unser Nachdenken gesetzt. Betrachtet werden an erster Stelle das Deutsche als Tätersprache sowie auch das andere Deutsch, jenes, das für die meisten in den Fokus gerückten jüdischen Sprachkritiker:innen (einst) die eigene Muttersprache darstellt(e) und das ihnen im Rückblick auf die Ereignisse häufig verdächtig, unheimlich und kontaminiert erschien. Die Beiträge sind durch das Bewusstsein für die mögliche Komplizenschaft von Sprache und Tat miteinander verbunden. Dies verstehen zu wollen hat besonders erkenntnisträchtige Auseinandersetzungen mit der Geschichte und Nachgeschichte des Holocaust hervorgebracht, die neue Perspektiven auf die Zeitgeschichte eröffnen. In einer Zeit, in der rechtsextreme Bewegungen auf dem Vormarsch sind und die Kultur des demokratischen Dialogs vermeintlich machtlos ist, zu verhindern, dass die Rhetorik des Hasses und die Sprache der Ausgrenzung, der Entmenschlichung und des Aufrufs zur Gewalt immer lauter wird, ist das Thema dieses Heftes auf bedrückende Weise aktuell. Wir stehen unter dem täglichen Eindruck der Bilder und Nachrichten über die Kriege und Gewaltverbrechen in Europa, im Nahen Osten und in weiteren Weltregionen, die sich vor unseren Augen abspielen und jeweils auch von einem Krieg der Worte und Wörter begleitet werden.
Anmerkungen:
1 Steven E. Aschheim, Scholem, Arendt, Klemperer. Deutsch-jüdische Identität in Krisenzeiten. Aus dem Englischen von Jan Eike Dunkhase, Frankfurt a.M. 2023, S. 86; Paola Traverso, Victor Klemperers Deutschlandbild – Ein jüdisches Tagebuch, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 26 (1997), S. 307-344.
2 Victor Klemperer, Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933–1945, 2 Bde., hg. von Walter Nowojski unter Mitarbeit von Hadwig Klemperer, Berlin 1995, Bd. 1, S. 345 (Eintrag vom 25. April 1937), oder Bd. 2, S. 58 (Eintrag vom 31. März 1942); ähnlich auch in LTI. Notizbuch eines Philologen, 24., völlig neu bearbeitete Auflage. Nach der Ausgabe letzter Hand hg. u. kommentiert von Elke Fröhlich, Stuttgart 2010, S. 20: »[...] die Sprache bringt es an den Tag.«
3 Victor Klemperer, Brief an Martin Sußmann vom 24. April 1937, in: Victor Klemperer, Warum soll man nicht auf bessere Zeiten hoffen. Ein Leben in Briefen, hg. von Walter Nowojski und Nele Holdack unter Mitarbeit von Christian Löser, Berlin 2017, S. 175-178, hier S. 178.
4 Ernst Bloch, Zerstörte Sprache – zerstörte Kultur, in: ders., Gesamtausgabe in 16 Bänden, Bd. 11: Politische Messungen, Pestzeit, Vormärz, Frankfurt a.M. 1985, S. 277-299, hier S. 287, S. 292.
5 Heidrun Kämper, Sprachgeschichte – Zeitgeschichte. Die Tagebücher Victor Klemperers, in: Deutsche Sprache 28 (2000), S. 25-41, hier S. 28.
6 Zum Sprachthema in Orwells Roman vgl. John Wesley Young, Totalitarian Language. Orwell’s Newspeak and its Nazi and Communist Antecedents, Charlottesville 1991; Michael Rademacher, Orwell and Hitler: »Mein Kampf« as a Source for »Nineteen Eighty-Four«, in: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik 47 (1999), S. 38-53.
7 George Steiner, The Hollow Miracle. Notes on the German Language, in: Reporter, 18.2.1960, S. 36-41.
8 Ders., Das hohle Wunder, in: ders., Sprache und Schweigen. Essays über Sprache, Literatur und das Unmenschliche. Deutsch von Axel Kaun, Frankfurt a.M. 1973, S. 155-176, hier S. 161f.
9 Siegfried Bork, Mißbrauch der Sprache. Tendenzen nationalsozialistischer Sprachregelung, München 1970.
10 Jacek Makowski, Manipulierte Sprache. Religiöser, kultischer und mystischer Wortschatz in der Sprache des Nationalsozialismus, Łódź 2008.
11 Waltraud Sennebogen, Die Gleichschaltung der Wörter. Sprache im Nationalsozialismus, in: Dietmar Süß/Winfried Süß (Hg.), Das »Dritte Reich«. Eine Einführung, München 2008, S. 165-184.
12 Rolf Glunk, Erfolg und Mißerfolg der nationalsozialistischen Sprachlenkung, in: Zeitschrift für deutsche Sprache 22 (1966), S. 57-73 u. S. 146-153 bis ebd. 27 (1971), S. 113-123 u. S. 177-187; Wolfgang Bergsdorf, Sprachlenkung im Nationalsozialismus, in: Martin Greiffenhagen (Hg.), Kampf um Wörter? Politische Begriffe im Meinungsstreit, München 1980, S. 65-74.
13 Dieter Lamping, Haben Schriftsteller nur eine Sprache? Über den Sprachwechsel in der Exilliteratur, in: ders., Literatur und Theorie. Poetologische Probleme der Moderne, Göttingen 1996, S. 33-48, S. 123-125. Zum Nachfolgenden auch Hinrich C. Seeba, »Disrupted Language«. Zur Heimat der Sprache unter Emigranten, in: Stephan Braese/Daniel Weidner (Hg.), Meine Sprache ist Deutsch. Deutsche Sprachkultur von Juden und die Geisteswissenschaften 1870–1970, Berlin 2015, S. 233-251; Hans-Joachim Hahn, Sprache und Nation. Deutschsprachig-jüdische Reflexionen zwischen Mehrsprachigkeit, Sprachwechsel und Zukünftigkeit, in: Carmen Reichert/Bettina Bannasch/Alfred Wildfeuer (Hg.), Zukunft der Sprache – Zukunft der Nation? Verhandlungen des Jiddischen und Jüdischen im Kontext der Czernowitzer Sprachenkonferenz, Berlin 2022, S. 155-175.
14 Vgl. Richard Albrecht, »Zerstörte Sprache – Zerstörte Kultur« – Ernst Blochs Exil-Vortrag vor siebzig Jahren: Geschichtliches und Aktuelles, in: Bloch-Jahrbuch 13 (2009), S. 223-240.
15 Barbara Hahn, »… dass es viele Sprachen gibt«. Hannah Arendts Wanderungen zwischen Englisch und Deutsch, in: Arndt Engelhardt/Susanne Zepp (Hg.), Sprache, Erkenntnis und Bedeutung – Deutsch in der jüdischen Wissenskultur, Leipzig 2015, S. 207-219.
16 Felix Hempe, »Das nicht Transformierbare zu transferieren«. Zur Bedeutung von Sprachwechsel und Exterritorialität im (Exil-)Werk Siegfried Kracauers, in: Max Beck/Nicholas Coomann (Hg.), Historische Erfahrung und begriffliche Transformation. Deutschsprachige Philosophie im Exil in den USA 1933–1945, Wien 2018, S. 317-334; Dorothee Kimmich, Schreiben in der Fremde. Siegfried Kracauers Traum vom guten Englisch, in: Jörn Ahrens u.a. (Hg.), »Doch ist das Wirkliche auch vergessen, so ist es darum nicht getilgt«. Beiträge zum Werk Siegfried Kracauers, Wiesbaden 2017, S. 99-116. Jörg Später nennt auch die hohen persönlichen Kosten des Sprachwechsels, wenn er schreibt, dass die englischen Texte Kracauers »in Sachen Esprit nicht an die Weimarer Texte« herangekommen seien; vgl. Jörg Später, Siegfried Kracauer. Eine Biographie, Berlin 2016, S. 466.
17 Lamping, Haben Schriftsteller nur eine Sprache? (Anm. 13), S. 45f. Lamping nennt als markante Beispiele die beiden Erinnerungsbücher Goldschmidts, der seine Kindheitsjahre u.d.T. »Un jardin en Allemagne« (1986) auf Französisch beschrieben hat, seine Jugendjahre in Frankreich u.d.T. »Die Absonderung« (1991) aber auf Deutsch; dieser Entscheidung liege, so Lamping, »auch ein Mittel der kulturellen Distanzierung« zugrunde. Vgl. zudem Jenny Willner, Sprache, Sexualität, Nazismus. Georges-Arthur Goldschmidt und die deutsche Sprache, in: Exilforschung 32 (2014), S. 293-309.
18 Jean Améry, Das Leben zwischen den Sprachen, in: ZEIT, 3.9.1976; zu seinem Leben und Schreiben »zwischen den Sprachen« vgl. auch Nicolas Berg, Aus Brüssel. Jean Amérys Blick auf die Bundesrepublik, in: Monika Boll/Raphael Gross (Hg.), »Ich staune, dass Sie in dieser Luft atmen können«. Jüdische Intellektuelle in Deutschland nach 1945, Frankfurt a.M. 2013, S. 264-298.
19 Lamping, Haben Schriftsteller nur eine Sprache? (Anm. 13), S. 34f. Für jüdische Literatur sei, so Lamping, ganz unabhängig von Vertreibung und Exil nicht nur Zwei-, sondern oft eine generelle Mehrsprachigkeit typisch.
20 Martin A. Hainz, Die Shoah in der Literatur der Überlebenden, in: Hans Otto Horch (Hg.), Handbuch der deutsch-jüdischen Literatur, Berlin 2016, S. 221-243, v.a. S. 224-226 (»Sprachkritik als Teil der Memoralistik«; mit Verweisen auf Victor Klemperer, Paul Celan, Elias Canetti, Hannah Arendt, Hermann Broch und Albert Drach).
21 Karl E. Grözinger (Hg.), Sprache und Identität im Judentum, Wiesbaden 1998; Stephan Braese, Eine europäische Sprache. Deutsche Sprachkultur von Juden 1760–1930, Göttingen 2010; ders./Weidner, Meine Sprache ist Deutsch (Anm. 13); Gerald Hartung, Sprach-Kritik. Sprach- und kulturtheoretische Reflexionen im deutsch-jüdischen Kontext, Weilerswist 2012; Engelhardt/Zepp, Sprache, Erkenntnis und Bedeutung (Anm. 15).
22 Die Sprache Hitlers hat einen ganzen Forschungszweig ausgebildet, der neben der Rhetorik des Hasses und den durchgängigen antisemitischen Diffamierungen die Prinzipien der Wiederholung und Übertreibung, der Apodiktik, des Nominalismus, des obsessiven Gebrauchs von Superlativen sowie biologistischer und militaristischer Metaphorik herausgearbeitet hat. Vgl. einführend: Christian Hartmann u.a., Einleitung, in: dies. (Hg.), Hitler. Mein Kampf. Eine kritische Edition, 2 Bde., im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin, München 2016, Bd. 1, S. 21-24 (dort Verweise auf die einschlägige Forschungsliteratur).
23 Eugen Seidel/Ingeborg Seidel-Slotty, Sprachwandel im Dritten Reich. Eine kritische Untersuchung faschistischer Einflüsse, Halle (Saale) 1961. Diese Studie, die in der DDR erschien, basierte auf Erhebungen, die in den frühen 1930er-Jahren vorgenommen und in Grundzügen 1938 abgeschlossen worden waren.
24 Cornelia Berning, Vom »Abstammungsnachweis« zum »Zuchtwart«. Vokabular des Nationalsozialismus. Mit einem Vorwort von Werner Betz, Berlin 1964 (entstanden aus einer Artikelserie in der »Zeitschrift für deutsche Wortforschung«, die zwischen Bd. 16 [1960] und Bd. 19 [1963] veröffentlicht wurde); wieder u.d.T. Cornelia Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin 1998; 2., durchges. u. erweiterte Aufl. Berlin 2007.
25 Karl-Heinz Brackmann/Renate Birkenhauer, NS-Deutsch. »Selbstverständliche« Begriffe und Schlagwörter aus der Zeit des Nationalsozialismus, Streelen 1988, hier S. 5.
26 [Walter Trier,] Nazi-German in 22 Lessons. Including useful information for Führers, Fifth Columnists, Gauleiters and Quislings, London 1942; Nazi-Deutsch in 22 Lektionen. Mit hilfreichen Informationen für Führer, Saboteure, Gauleiter und Quislinge. Nachdruck einer Flugschrift aus dem Jahr 1942. Mit einem Vorwort von Max Czollek. Nachwort und Anmerkungen von Antje M. Warthorst, Berlin 2022.
27 Heinz Paechter (in Association with Bertha Hellmann, Hedwig Paechter, Karl O. Paetel), Nazi Deutsch. A Glossary of Contemporary German Usage (With Appendices on Government, Military and Economic Institutions), New York 1944; zu Paechter: William J. Dodd, National Socialism and German Discourse. Unquiet Voices, Cham 2018, S. 71-111.
28 Nachman Blumental, Słowa Niewinne, Kraków 1947. Das Buch erschien in der Publikationsreihe der Zentralen Jüdischen Historischen Kommission in Polen (Centralna Żydowska Komisja Historyczna w Polsce, CŻKH).
29 Von diesem geplanten zweiten Band (J−Z) existieren noch ein Inhaltsverzeichnis sowie einige Karteikarten und Begriffslisten in Blumentals Nachlass, der im Rahmen eines von Aurélia Kalisky und Judith Lyon-Caen geleiteten Projekts von der Historikerin Katrin Stoll gesichert und an das Archiv des YIVO Institute for Jewish Research in New York übergeben wurde. Parallel zu seiner Arbeit an der deutschen Sprache führte Blumental zwei weitere umfangreiche Studien durch, von denen sich die eine – noch unpublizierte – direkt mit dem während der NS-Besatzung gesprochenen Polnisch und die andere mit dem Jiddischen befasste: Verter un vertlekh fun der khurbn-tkufe [Wörter und Sprüche aus der Katastrophe], Tel Aviv 1981. Katrin Stoll bereitet derzeit eine Monographie zum Leben und Werk Blumentals vor, während Miriam Chorley-Schulz und Aurélia Kalisky im Metropol-Verlag an einem Band mit sprachkritischen Texten Blumentals arbeiten, der u.a. die Einleitung und eine Auswahl von Worterklärungen aus »Unschuldige Wörter« enthält, übersetzt von Almut Seiffert. Zu Blumental vgl. Hannah Pollin-Galays Beitrag in diesem Heft sowie Karolina Szymaniak, »No Innocent Words«. Nachman Blumental’s Metaphorology Project and the Cultural History of the Holocaust, in: East European Jewish Affairs 51 (2021), S. 106-126.
30 Blumental, Słowa Niewinne (Anm. 28), S. 33 (aus dem Polnischen übersetzt von Almut Seiffert).
31 Ebd., S. 40.
32 Ebd., S. 36.
33 Ebd.
34 Nachman Blumental, On the Nazi Vocabulary, in: Yad Vashem Studies 1 (1957), S. 49-66, hier S. 50.
35 Ders., Action, in: Yad Vashem Studies 4 (1960), S. 57-96.
36 Klaus Kempter, Joseph Wulf. Ein Historikerschicksal in Deutschland, Göttingen 2012; Aurélia Kalisky/Judith Lyon-Caen, One stays, the other leaves… The itineraries of two historians and Holocaust survivors in Paris (1947–1953), in: Archives Juives 54 (2021) H. 1, S. 89-115; Nicolas Berg, Ein Außenseiter der Holocaustforschung. Joseph Wulf (1912–1974) im Historikerdiskurs der Bundesrepublik, in: Leipziger Beiträge für jüdische Geschichte und Kultur 1 (2003), S. 311-346; Mark L. Smith, Joseph Wulf and the Path Not Taken. The Turn from Writing Jewish History in Yiddish to Writing Nazi History in German, in: Holocaust and Genocide Studies 37 (2023), S. 125-139.
37 Joseph Wulf, Aus dem Lexikon der Mörder. »Sonderbehandlung« und verwandte Worte in nationalsozialistischen Dokumenten, Gütersloh 1963.
38 Ebd., S. 9; vgl. auch Raphael Utz, Die Sprache der Shoah. Verschleierung – Pragmatismus – Euphemismus, in: Jörg Ganzenmüller/Raphael Utz (Hg.), Orte der Shoah in Polen. Gedenkstätten zwischen Mahnmal und Museum, Köln 2016, S. 25-48; Peter Davies/Andrea Hammel (Hg.), New Literary and Linguistic Perspectives on the German Language, National Socialism, and the Shoah, Rochester 2014.
39 Ulla Böhme über Joseph Wulf, für den sie arbeitete; zit. nach Henryk M. Broder, Portrait eines Gerechten: Wer war Joseph Wulf?, in: Frankfurter Rundschau, 24.10.1981.
40 H.G. Adler, Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft. Mit einem Nachwort von Jeremy Adler, Göttingen 2005; diese Neuausgabe im Wallstein-Verlag basiert auf der 2. Aufl. des bei Mohr Siebeck publizierten Originals (Tübingen 1960); die Erstausgabe war dort 1955 erschienen. Vgl. auch H.G. Adler, Wörter der Gewalt, in: Muttersprache 75 (1965), S. 213-230.
41 Nicolas Berg, Das Innere der Dokumente – Zur Lakonie von Raul Hilberg, in: Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 35 (2019): Raul Hilberg und die Holocaust-Historiographie, hg. von René Schlott, S. 161-182.
42 Miriam Chorley-Schulz, »Gornisht oyser verter?!«. Khurbn-shprakh as a Mirror of the Dynamics of Violence in German-occupied Eastern Europe, in: Gaëlle Fischer/Caroline Mezger (Hg.), The Holocaust in the Borderlands: Interethnic Relations and the Dynamics of Violence in Occupied Eastern Europe, Göttingen 2019, S. 185-207.
43 Zum jüdischen Kontext der 1940er-Jahre sei auf die neue Biographie Arendts verwiesen: Thomas Meyer, Hannah Arendt. Die Biografie, München 2023. Zur Frage des Jiddischen für Hannah Arendt einführend: Naʼama Rokem, Hannah Arendt and Yiddish, in: Amor Mundi, 18.2.2023.
44 Joseph Wulf, Geständnisse eines Autors, in: Deutsche Rundschau 84 (1958), S. 825-828, hier S. 825.
45 Vgl. etwa Philip Friedmans sprachkritische Analysen, zusammengetragen in: Laura Jockusch (Hg.), Khurbn-Forshung. Documents on Early Holocaust Research in Postwar Poland, Göttingen 2022; zu Friedman: Elisabeth Gallas, Zwei ungleiche Väter. Raul Hilberg, Philip Friedman und die frühe Holocaustforschung, in: Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 35 (2019), S. 91-115. Neben Friedman wären etwa auch Shaul Esh und Alex Bein zu nennen; vgl. Shaul Esh, Words and their Meaning. 25 Examples of Nazi-Idiom, in: Yad Vashem Studies 5 (1963), S. 133-167; Alexander Bein, »Der jüdische Parasit«. Bemerkungen zur Semantik der Judenfrage, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 13 (1965), S. 121-149.
46 Hans-Georg Gadamer, Die Universalität des hermeneutischen Problems, in: ders., Kleinere Schriften, Bd. 1: Philosophie, Hermeneutik, Tübingen 1967, S. 101-112, hier S. 101; zit. nach Monika Schmitz-Emans, Sprachreflexion und Ethik. Etappen einer Allianz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Reinhard Kacianka/Peter V. Zima (Hg.), Krise und Kritik der Sprache. Literatur zwischen Spätmoderne und Postmoderne, Tübingen 2004, S. 43-66, hier S. 48. Zur Einführung in die Geschichte der Sprachkritik: Jürgen Schiewe, Die Macht der Sprache. Eine Geschichte der Sprachkritik von der Antike bis zur Gegenwart, München 1998; Thomas Niehr/Jörg Kilian/Jürgen Schiewe (Hg.), Handbuch Sprachkritik, Stuttgart 2020.
47 Amos Goldberg, The History of the Jews in the Ghettos. A Cultural Perspective, in: Dan Stone (Hg.), The Holocaust and Historical Methodology, New York 2012, S. 79-100, hier S. 94; Oskar Rosenfeld, Wozu noch Welt. Aufzeichnungen aus dem Getto Lodz, hg. von Hanno Loewy, Frankfurt a.M. 1994, S. 248 (Eintrag vom 1. Dezember 1943). Das Zitat gehört in den Kontext von Überlegungen zu einer »Enzyklopädie des Gettos« (ebd., S. 246-249).
48 Klemperer, Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten (Anm. 2), Bd. 2, S. 86, S. 120, S. 125, S. 359, S. 371, S. 449; ders., LTI (Anm. 2), S. 194, ausführlich auch S. 207 u.ö.; John Langshaw Austin, How to Do Things with Words. The William James Lectures delivered at Harvard University in 1955, postum hg. von James Opie Urmson und Marina Sbisà, 2., verb. Aufl. Oxford 1975 (zuerst 1962; dt. Übersetzung: Zur Theorie der Sprechakte. Deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny, Stuttgart 2002).
49 Joseph Wulf, Literatur und Dichtung im Dritten Reich. Eine Dokumentation (Bd. 2 der Reihe »Kultur im Dritten Reich«), Frankfurt a.M. 1989 (zuerst 1963), S. 372.
50 Ebd., S. 378.
51 Vgl. v.a. Goldberg, The History of the Jews in the Ghettos (Anm. 47), S. 87, S. 93f.; vgl. auch Stefan Scholl, Für eine Sprach- und Kommunikationsgeschichte des Nationalsozialismus. Ein programmatischer Forschungsüberblick, in: Archiv für Sozialgeschichte 59 (2019), S. 409-444.
52 Schmitz-Emans, Sprachreflexion und Ethik (Anm. 46), S. 50; vgl. auch Frank R. Ankersmit, Sprache und historische Erfahrung, in: Klaus E. Müller/Jörn Rüsen (Hg.), Historische Sinnbildung. Problemstellungen, Zeitkonzepte, Wahrnehmungshorizonte, Darstellungsstrategien, Reinbek bei Hamburg 1997, S. 388-407.
53 Hannah Arendt, Menschen in finsteren Zeiten, hg. von Ursula Ludz, München 1989, S. 241.