Zeugen eines Austauschs

Denkmäler Vadim Sidurs in Westdeutschland (1974–1993)

[Dieser Beitrag präsentiert Zwischenergebnisse meiner Dissertation mit dem Arbeitstitel »In Sidurs Atelier. Der nonkonformistische Künstler und Bildhauer zwischen sowjetischer Kulturpolitik und transnationaler Vernetzung«, gefördert durch das Freiburger Graduiertenkolleg 1956 (Kulturtransfer und »kulturelle Identität« – Deutsch-russische Kontakte im europäischen Kontext) und das Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz. Danken möchte ich der Redaktion dieser Zeitschrift sowie den Gutachter:innen für ihr wertvolles Feedback.]

Ab 1974 »reisten« mehrere Kleinplastiken des sowjetischen Bildhauers Vadim Sidur (1924–1986) über den Eisernen Vorhang nach Westdeutschland. Es handelte sich dabei um Modelle für Denkmäler, die er im Großformat an öffentlichen Plätzen aufgestellt sehen wollte. Während Sidur als nonkonformistischer Künstler in der UdSSR keine Möglichkeit hatte, seine Werke öffentlich zu präsentieren, waren seine westdeutschen Freund:innen und Bekannten bereit, sich für die Aufstellung der Werke in ihrem Land einzusetzen. Dank dieser Kontakte und lokaler Initiativen konnten bis 1993 sechs Denkmäler Sidurs in verschiedenen Städten der Bundesrepublik und in West-Berlin eingeweiht werden.1

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Vadim Sidur, Der Mahner, Bronze, 4,8 Meter, seit 1985 im Düsseldorfer Hofgarten 
(Foto: Dietmar Neutatz, Oktober 2024)
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Menschenmenge bei der Enthüllung des Denkmals Der Mahner in Düsseldorf, 15. Oktober 1985 
(Foto: Alexander Allardt, Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 64 (1)) 
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Inschrift-Tafel zum Denkmal Der Mahner 
(Foto: Dietmar Neutatz, Oktober 2024)

Während viele dieser Denkmäler Sidurs noch heute dort stehen, wo sie einst aufgestellt wurden, sind sie weitgehend in Vergessenheit geraten und fallen »nur Ortsfremden« auf, wie es 2005 in der Lokalpresse über Sidurs Plastik in Kassel hieß.2 Dies ist für Denkmäler und Kunstwerke im öffentlichen Raum nicht ungewöhnlich – häufig verschmelzen sie nach einiger Zeit mit dem Stadtbild. Einer oft zitierten Aussage Robert Musils zufolge ist »das Auffallendste an Denkmälern […], daß man sie nicht bemerkt«.3 Kaum ein:e Betrachter:in ahnt demnach – womöglich auch aufgrund der abstrakteren Gestaltungsform und einer fehlenden historischen Kontextualisierung –, dass die Werke Sidurs in der Bundesrepublik Überreste eines inoffiziellen Kulturaustauschs zwischen westdeutschen und sowjetischen Akteuren im Kalten Krieg darstellen.

Wie kamen die Plastiken nach Westdeutschland? Welche Personen und Initiativen ermöglichten dies? Welche Rolle spielte die Neue Ostpolitik dabei? Wie wurden die Werke in Westdeutschland rezipiert und erinnerungspolitisch verhandelt? Diesen Fragen gehe ich anhand von drei ausgewählten Denkmälern Sidurs nach, die zwischen 1974 und 1993 in der Bundesrepublik und in West-Berlin aufgestellt wurden: Denkmal für die Opfer der Gewalt (Kassel), Treblinka (West-Berlin) und Tod durch Bomben (Würzburg). Mit einem mikrohistorischen und transkulturellen Ansatz, basierend auf Archivmaterial, Egodokumenten und Interviews, wird gezeigt, wie Sidurs Kontakte den Weg seiner Werke in den Westen ermöglichten. In Anlehnung an die Kulturtransferforschung wird untersucht, wie seine Werke geographische und ideologische Grenzen überschritten, ein Re-Framing erlebten4 sowie in lokale Diskurse zu Kunst und Erinnerungspolitik eingebunden wurden.5

Die Analyse dieser Begegnungen und Transfers hilft, die starre binäre Logik des Kalten Krieges aufzubrechen, indem kulturellen Austauschprozessen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daher wird das Thema im Folgenden zunächst in die Forschungen zur Verflechtungsgeschichte des Kalten Krieges eingeordnet, um eine Grundlage für die Fallstudien zu schaffen. Anschließend werden die Entstehungsgeschichten von Sidurs Werken im Kontext der sowjetischen Kultur- und Erinnerungspolitik analysiert und die Wege von der Genese als Kleinplastiken in der Sowjetunion bis zur Aufstellung als Denkmäler in der Bundesrepublik und in West-Berlin untersucht.

1. Kulturelle Verflechtungen im Kalten Krieg

Während klassische politikgeschichtliche Perspektiven die Forschung zum Kalten Krieg lange dominierten, sind in den letzten Jahren vermehrt Studien zur Verflechtungsgeschichte erschienen, die mit transnationalen Ansätzen eine bipolare Sichtweise aufbrechen.6 Im Vordergrund stehen nun nicht-staatliche Akteure wie Journalist:innen, Dolmetscher:innen, Unternehmer:innen und Handelsvertreter:innen, Student:innen oder Kunstschaffende als Mittlerfiguren für kulturellen Austausch und grenzüberschreitende Verständigung.7 Hier bietet sich der Begriff des Nylon Curtain an.8 Jüngere kulturgeschichtliche wie kunsthistorische Studien zum Kalten Krieg haben gezeigt, dass Kunst, Künstler:innen und kulturelle Ideen trotz politischer Barrieren und ideologischer Unterschiede zwischen den kommunistischen Staaten sowie über die Ost-West-Grenze hinweg zirkulierten. Für diesen inoffiziellen Austausch waren grenzüberschreitende Netzwerke und Freundschaften entscheidend. Über solche Netzwerke traten nonkonformistische Künstler:innen mit Gleichgesinnten in Kontakt und konnten etwa die eigenen Arbeiten einem breiteren Publikum präsentieren.9 Doch auch intellektuelle und kulturelle Institutionen sowie offizielle Akteure beider Machtblöcke standen miteinander im Austausch.10

Ein weiterer Schwerpunkt der aktuellen Forschung liegt auf den Verflechtungen zwischen dem Kalten Krieg und der Holocaust-Erinnerung.11 Auch dabei werden insbesondere Kulturtransfers über den Eisernen Vorhang hinweg sichtbar.12 Wie Anna Koch und Stephan Stach argumentieren, folgte die Erinnerung an den Holocaust im Kalten Krieg oft geschichtspolitischen Zwecken.13 Arkadi Zeltser betont zudem, dass der Kalte Krieg die Holocaust-Erinnerung in der UdSSR verstärkt habe, da man diese als Mittel gegen den Westen nutzen konnte.14

Generell diente die Kultur im Kalten Krieg mitunter als Waffe, was zu der Bezeichnung Cultural Cold War geführt hat.15 Kunst, Literatur und Bildung wurden gezielt als Instrumente der Cultural Diplomacy16 und Soft Power17 eingesetzt. Politische Akteure beider Machtblöcke nutzten diese Mittel zur Beeinflussung und Propaganda, um durch kulturelle Veranstaltungen ein positives Bild der eigenen Gesellschaft im Ausland zu prägen. Ein Beispiel für sowjetische Cultural Diplomacy war die Entsendung des Bolʼšoj-Balletts in die Vereinigten Staaten im Jahr 1959, um das dortige Publikum von der künstlerischen Exzellenz der UdSSR zu überzeugen. Ebenso dienten die sogenannten Freundschaftsgesellschaften mit der Sowjetunion im Westen dazu, Kontakte zu knüpfen und den kulturellen Austausch zu fördern.18

Auch die Unterstützung von Dissident:innen oder nonkonformistischen Künst­ler:innen durch Mitarbeiter der bundesdeutschen Botschaft in Moskau fügt sich in das Konzept der Cultural Diplomacy ein. So bemühten sich westliche Regierungen gezielt, Künstler:innen zu fördern, die sich entweder gegen die offizielle Linie der sowjetischen Kulturpolitik stellten oder nicht dem sowjetischen Künstlerverband angehörten – häufig als »inoffizielle Künstler« bezeichnet.19 Diese Unterstützung unterstrich nicht nur das Engagement der Bundesrepublik für Freiheit und Demokratie im eigenen Land, sondern demonstrierte auch Solidarität mit jenen Kunstschaffenden, die im sowjetischen System unterdrückt wurden. Auf diese Weise sollte indirekt die moralische Überlegenheit der Bundesrepublik betont und die repressive Kulturpolitik der Sowjetunion offengelegt werden. So engagierte sich etwa Hans-Georg Wieck, der von 1977 bis 1980 als Botschafter der Bundesrepublik in der Sowjetunion amtierte, für Schriftsteller:innen, Musiker:innen und Künstler:innen wie Vadim Sidur. Durch Treffen mit Dissident:innen und Vertreter:innen der inoffiziellen Kunstszene bemühte er sich, über Soft Power »ein Zeichen zu setzen«, wo offizielle diplomatische Aktionen nicht möglich waren.20

Die CIA (Central Intelligence Agency), der zentrale Nachrichten- und Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten, organisierte wiederum umfangreiche Geheimoperationen und finanzierte Schriftsteller:innen, Intellektuelle und Künstler:innen, um den Einfluss des Westens zu stärken. Dazu gehörte unter anderem die Förderung der abstrakten Kunst durch seitens der CIA verdeckt finanzierte Ausstellungen von Künstlern wie Mark Rothko – mit dem Ziel, eine kulturelle Hegemonie der USA gegenüber der UdSSR zu behaupten und einen antikommunistischen Liberalismus zu stärken.21 Ein weiteres Beispiel ist die klandestine Finanzierung des internationalen Skulpturenwettbewerbs »Der unbekannte politische Gefangene«, der 1952 durch das Londoner Institute of Contemporary Arts (ICA) organisiert wurde. Ziel war es, politische Gefangene zu ehren und die Menschenrechte zu betonen, wobei eine abstrakte Gestaltung der Werke gefördert wurde. Somit wurde der Wettbewerb instrumentalisiert, um die Freiheit und Individualität westlicher Künstler:innen hervorzuheben – und zugleich die gegensätzliche, staatlich kontrollierte sowjetische Kunst abzuwerten. Die Sowjetunion und die weiteren realsozialistischen Staaten boykottierten deshalb den Wettbewerb.22

Die Betonung von Freiheit und Individualismus prägte das westliche Kunstverständnis nachhaltig und beeinflusste Künstler:innen wie Kunstinteressierte, sei es bewusst oder unbewusst. So wurden auch in den 1970er- bis 1990er-Jahren Ausstellungen sowjetischer Kunst in der Bundesrepublik organisiert, die als Werkzeuge der Cultural Diplomacy dienten. Die Rezeption dieser Kunstausstellungen in der Presse war häufig schematisch, wobei zwischen »guter« Avantgardekunst und »schlechter« Staatskunst unterschieden wurde.23 Matteo Bertelé vertritt jedoch die These, dass der Cultural Cold War trotzdem als Katalysator für künstlerische Praxis und kritische Diskussion im geteilten Europa fungierte. Internationale Publikationen und Ausstellungen hätten eine Plattform für den Austausch von Künstler:innen und Kunstexpert:innen beider Blöcke geboten.24

2. Vadim Sidurs westdeutsche Kontakte
im Zeichen der Neuen Ostpolitik

Entscheidend für den Transfer von Sidurs Werken nach Westdeutschland war die Neue Ostpolitik der sozialliberalen Regierung unter Willy Brandt und Walter Scheel. Diese markierte ab den späten 1960er-Jahren einen Wendepunkt in den Beziehungen zur UdSSR, da bilaterale Verträge eine kulturelle Annäherung und neuen Austausch ermöglichten. So war auch die Unterzeichnung des Moskauer Vertrags im August 1970 durch Vertreter der Bundesrepublik und der UdSSR mit der Absicht verbunden, neben einer wirtschaftlichen und technischen Annäherung zugleich einen Ausbau der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zu erreichen.25 Infolgedessen zog es bundesdeutsche Stipendiat:innen, Wissenschaftler:innen, Journalist:innen, Unternehmer:innen (oft gleichzeitig Kunstsammler:innen), diplomatisches Personal sowie Kulturinteressierte ab 1970 nach Moskau, um von der gewissen Öffnung der Sowjetunion zu profitieren.

Wie Julia Metger gezeigt hat, lockten die Moskau-Studios von ARD und ZDF »mutige Journalisten und Abenteurer« an,26 die sich nun eine spannende Karriere erhofften. Deren Berichterstattung prägte das Bild der Sowjetunion in der Bundesrepublik und weckte Interesse an dissidentischer Kultur, die sich gegen staatliche Vorgaben stellte oder alternative Ausdrucksformen jenseits des sozialistischen Realismus bot. Die Aufbruchstimmung des Ungarnaufstands 1956 und des Prager Frühlings 1968 hatten im Westen bereits zu einem Interesse an regimekritischer oder experimenteller Kunst und Literatur aus den sozialistischen Staaten geführt, das sich nun auf die Sowjetunion richtete.27 Vadim Sidur profitierte davon und fand ab etwa 1970 die Aufmerksamkeit westdeutscher Akteur:innen.28 Sein Atelier mit dem zentralen Standort im Keller eines Wohnhauses am Komsomol’skij Prospekt 5 wurde bald als »Geheimtipp« für westliche Moskau-Besucher:innen gehandelt.

Sidur, geboren in Jekaterinoslav (heute Dnipro) in der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik als Sohn eines russisch-jüdischen Vaters und einer russischen Mutter, verstand sich zeitlebens als »sowjetischer« Bildhauer. Mit dieser Selbstbeschreibung betonte er seine Herkunft als Sowjetbürger und seine antikapitalistische Haltung.29 Trotz mancher Konflikte blieb er der Sowjetunion verbunden, distanzierte sich jedoch von den Vorgaben des Sozialistischen Realismus. In seiner Kunst behandelte er tabuisierte Themen wie Krieg, Religion und Sexualität in einer reduzierten Formensprache. Aufgrund dieser unkonventionellen Arbeiten erhielt er keine öffentlichen Aufträge oder Ausstellungen und zog sich in sein Atelier zurück, wo er von Privataufträgen und der Arbeit als Illustrator lebte.

Ermöglicht durch das neue Wissenschaftsabkommen zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR lernte Sidur 1970 den deutschen Slawisten Karl Eimermacher (geb. 1938) kennen, der zu Forschungszwecken nach Moskau gekommen war. Nach eigenen Angaben hatte dieser während eines Forschungsaufenthalts in Prag im Sommer 1969 von Sidur erfahren, als ihm der slowakische Literaturwissenschaftler Zdeněk Eis eine Reihe von Fotos mit Werken Sidurs gezeigt hatte.30 Eis hatte bereits 1964 Fotografien von Sidurs Arbeiten sowie einen kurzen Beitrag über den Bildhauer in der tschechoslowakischen Literaturzeitschrift »Plamen« (»Die Flamme«) publiziert,31 in der Texte von Akteur:innen wie Václav Havel erschienen, die den reformorientierten Zeitgeist widerspiegelten. Die Werke Sidurs faszinierten Eimermacher, da sie seine »Ansichten über die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst in Rußland«32 herausforderten. In den folgenden Jahren wurde er zu einem guten Freund Sidurs und zum wichtigsten Vermittler seiner Kunst nach Westdeutschland.

Wie aus Schilderungen von Zeitzeugen hervorgeht,33 schickte Sidur ab den 1970er-Jahren bis zu seinem Tod 1986 Briefe auf inoffiziellen Wegen mit Hilfe von westdeutschen Kontakten und dank der Botschaft der Bundesrepublik über den Eisernen Vorhang. Zudem verschenkte er oft Zeichnungen und Skulpturen an seine westdeutschen Besucher:innen, die diese bei ihrer Heimkehr (etwa heimlich im Auto) mitnahmen. Er hoffte, dass er mit seinen Werken eine Ausstellung im Ausland erhalten könnte, die ihm in Moskau verwehrt blieb. Besonders Eimermacher setzte sich mit Publikationen sowie der Organisation und Unterstützung zahlreicher Ausstellungen für Sidur ein, sodass in der Bundesrepublik eine Plattform für dessen künstlerisches Schaffen entstehen konnte. Die Denkmalsentwürfe hatte Sidur nicht von vornherein für spezifische Orte konzipiert. Er wünschte die Aufstellung seiner Arbeiten an einem auf die Aussage der jeweiligen Plastik abgestimmten Ort im öffentlichen Raum und erhoffte eine Sichtbarkeit in der Bundesrepublik. Soweit möglich, kommentierte und steuerte Sidur die Präsentation im Ausland über Korrespondenzen mit Organisatoren, bei denen Eimermacher als Vermittler diente. Sidur verließ selbst nie die Sowjetunion und sah seine in Westdeutschland aufgestellten Denkmäler deshalb lediglich auf Fotografien, die ihm zur Verfügung gestellt wurden.

3. Denkmäler gegen die sowjetische Erinnerungspolitik

Den im Zweiten Weltkrieg an der Front schwer verwundeten Sidur begleiteten seine Kriegserfahrungen und Traumata ein Leben lang und prägten sein Werk. Er wurde 1942 in die Rote Armee eingezogen, als Maschinengewehrschütze ausgebildet und diente ab 1943 als Unterleutnant an der 3. Ukrainischen Front, wo er einen Maschinengewehrzug kommandierte.34 Im März 1944 wurde er bei Kämpfen im Gebiet Dnjepropetrovsk schwer verwundet. Er war von einem deutschen Geschoss getroffen worden und erlitt eine Kieferverletzung, die sein Gesicht dauerhaft entstellte.35

Wie er später betonte, handelte es sich für ihn bei seiner künstlerischen Auseinandersetzung nicht lediglich um ein »brennendes Interesse an Krieg, Gewalt, unmenschlicher Grausamkeit«, sondern um eine »lebende Notwendigkeit«, da er jahrelang ohne Erfolg versucht habe, sich von dem im Weltkrieg Erlittenen zu befreien.36 Sidur, der nach dem Krieg ein Bildhauerstudium in Moskau absolviert hatte, arbeitete ab 1954 in einem Bildhauerkollektiv und schuf einige Arbeiten zum Thema des Kriegsinvalidentums, das die Nachkriegsgesellschaft prägte und doch als Tabu galt.37 Daneben experimentierte er mit verschiedenen Stilformen und Themen, die nicht den konservativen Vorstellungen des Moskauer Künstlerverbandes und der Akademie entsprachen und somit nicht ausgestellt wurden. Er blieb jedoch Mitglied des Verbandes und hatte somit Zugriff auf einen Atelierraum und die nötigsten Arbeitsmaterialien. Diese konnten bei Verfügbarkeit nur mit dem Mitgliedsausweis in einem kleinen spezialisierten Kunsthandel erworben werden.38

Nach einem Herzinfarkt im Jahr 1961 – d.h. im Alter von 37 Jahren – setzte sich Sidur, erneut mit dem drohenden Tod konfrontiert, in seiner Kunst verstärkt mit den Folgen von Krieg und Gewalt auseinander. Ab 1965 entstanden zahlreiche Entwürfe für Denkmäler, die gegen den Krieg mahnten oder den Holocaust zum Thema hatten. Die Modelle, die allesamt nur etwa 30 bis 40 cm groß waren, warteten nach Sidurs Vision – der in der Tradition der Monumentalplastik ausgebildet worden war – auf ihre Vergrößerung und Aufstellung für die Öffentlichkeit. Seine Motivation für diese als Denkmäler konzipierten Plastiken erklärte er 1983 in einem Interview mit Karl Eimermacher so: »Hunderte, Tausende, Millionen von Menschen wurden durch Gewalt getötet, die ihnen von anderen in den abscheulichsten und sogar fantastischsten Formen zugefügt wurde. Kugeln, Galgen, Bomben, Gaskammern, Konzentrationslager, Folter, Todesstrafen – die Liste ist endlos. […] Mich bedrückte und bedrückt immer noch das körperliche Gefühl der Verantwortung für diejenigen, die gestern gestorben sind, heute sterben und morgen unweigerlich sterben werden. Vielleicht waren es diese Gefühle, die mir den moralischen Anstoß gaben, um die Reihe von Denkmälern zu schaffen, nach denen Sie fragen.«39

Diese Arbeitsperiode Sidurs fiel in eine Phase des Wandels der sowjetischen Politik. 1964 wurde Nikita Chruščëv als Partei- und Regierungschef durch das Zentralkomitee der KPdSU gestürzt und von Leonid Brežnev abgelöst. Es folgten Jahre, die durch Brežnevs erinnerungspolitisches Programm des Kriegskultes geprägt waren – angetrieben durch die Notwendigkeit, die Sowjetunion außen- und innenpolitisch neu zu legitimieren und die Bevölkerung zum Patriotismus zu bewegen.40 Für die staatsnahen Bildhauer:innen der Sowjetunion begann eine Phase der intensiven Arbeit an Kriegsdenkmälern und Stätten des Kriegskultes. Sidur widersetzte sich diesem Kult, denn für ihn gab es »keine Helden, keinen Sieg, nur eine leidende Menschheit«.41 Nach Sidurs eigenen Kriegserfahrungen und Traumata empfand er die bildhauerische und grafische Darstellung der Schrecken des Krieges als »einzig mögliche und wirksamste Form von Protest«.42

Neben dem aufkommenden Heldenkult wurde in den 1960er-Jahren in sowjetischen Intellektuellenkreisen auch der Holocaust zum Thema. In der offiziellen Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg war bis dahin nicht die Rede von jüdischen, sondern lediglich von sowjetischen Opfern gewesen. Dies galt etwa für den Ort des Massakers von Babyn Jar (1941), an dem viele Jahre nach dem Krieg noch kein Denkmal errichtet worden war.43 Chruščëv hatte ab 1960 an der Stelle sogar einen Staudamm errichten lassen, der im März 1961 brach und nicht nur die umliegenden Gebiete zerstörte, sondern auch 145 Menschenleben kostete. Nach dieser Katastrophe veröffentlichte der Dichter Evgenij Evtušenko 1961 in der Wochenzeitung »Literaturnaja Gazeta« ein Gedicht, das so begann (später eindringlich ins Deutsche übertragen von Paul Celan):

Über Babij Jar, da steht keinerlei Denkmal.
Ein schroffer Hang – der eine unbehauene Grabstein.
Mir ist angst.
Ich bin alt heute,
so alt wie das jüdische Volk.44

Die Erinnerungspolitik der sowjetischen Staatsführung anprangernd, wies Evtušenko in zuvor undenkbarer Weise darauf hin, dass der sowjetische Antisemitismus die Ursache für das Fehlen eines Denkmals sei.45 Der Komponist Dmitrij Šostakovič nahm das Gedicht Evtušenkos in seine 13. Sinfonie (op. 113) von 1961/62 auf und positionierte sich somit ebenfalls gegen den Antisemitismus in der Sowjetunion.46

Befeuert durch die Diskussionen und Kundgebungen, die auf Evtušenkos Gedicht gefolgt waren, wurde 1965 ein Wettbewerb zur Gestaltung eines Denkmals für die Opfer von Babyn Jar angekündigt. Das Werk sollte »das Heldentum und den unerschütterlichen Willen unseres Volkes im Kampf für den Sieg der großen Ideen des Kommunismus künstlerisch darstellen« sowie »den Mut und die Furchtlosigkeit der Sowjetbürger im Angesicht des Todes durch deutsche Henker« hervorheben.47 Diese Zielformulierung entsprach nicht den Vorstellungen vieler Intellektueller, die sich für ein Denkmal der Opfer von Babyn Jar eingesetzt hatten. Der Schriftsteller Viktor Nekrasov betonte etwa, dass man kein heroisierendes Monument brauche, sondern eines, das die »Tragödie der Wehrlosen und Schwachen« zeige.48 Obwohl Sidur nicht an dem Wettbewerb beteiligt war, spiegelte diese Aussage seine grundlegende Einstellung zu Denkmälern wider. So setzte er sich 1966 – in dem Jahr, als auch der sowjetische Schriftsteller Anatolij Kuznecov seinen dokumentarischen Roman »Babyj Jar« veröffentlichte49 – in einem eigenen Werk mit dem historischen Ereignis auseinander.

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Vadim Sidur, Babyn Jar, 1966 
(aus: Pavel Poljan, Babij Jar. Refleksija [Babyn Jar. Reflexion], Moskau 2022, Anhang 2)

Es handelt sich dabei um eine skulpturale Komposition aus sechs Holzfiguren, die zusammengekauert auf einem Podium mit zwei Stufen verteilt sind. Fünf der Figuren bilden Erwachsene ab, während es sich bei der sechsten um ein Kleinkind handelt. Die Maße dieser Arbeit betragen 160 x 117 x 70 cm mit einem Podest, sodass sich die erwachsenen Figuren etwa auf Augenhöhe der betrachtenden Person befinden. Das Werk stellt eine Szene dar, die sich so in Babyn Jar abgespielt haben könnte. Am Rande der Schlucht, auf dem hohen Podium, stehen drei weibliche Figuren – eine davon schwanger – und eine männliche, die nackt auf ihre Hinrichtung warten. Auf dem niedrigeren Podium daneben warten ein abgemagerter bärtiger alter Mann und ein Kleinkind. Während das Kind einen aufgezeichneten traurigen Gesichtsausdruck trägt, sind die Gesichter der Erwachsenen entweder nur angedeutet oder gar nicht vorhanden. Eine der Figuren trägt ihren gesichtslosen Kopf mit den Händen. Bei zwei anderen Figuren klaffen an Gesicht, Brust und Bauch Löcher, und das Kleinkind ist von oben bis unten von einem Riss gezeichnet – hier hat Sidur die ursprüngliche Beschaffenheit des Holzes genutzt, um die Darstellung der Schreckensszene zu verstärken.50 Insgesamt verdeutlicht das Werk die von Nekrasov betonte Schwäche und Wehrlosigkeit der Opfer. Es wirkt wie eine kontrastierende Anspielung auf offizielle sowjetische Denkmäler, die oft eine Gruppe heroischer Kämpfer abbildeten. Auch in der Wahl von Holz statt Bronze zeigt sich, dass Sidur hier einen Gegenentwurf zu den heroisierenden Denkmälern der damaligen Zeit schuf.

Arbeiten wie diese hinterließen bei seinen Atelierbesucher:innen und Freund:innen aus der Bundesrepublik – darunter Wissenschaftler:innen, Botschaftsmitarbeiter:innen und Unternehmer:innen – einen bleibenden Eindruck, da sie erkannten, dass hier Themen behandelt wurden, die auch für die deutsche Vergangenheit relevant und neu waren. Seit den späten 1960er-Jahren, mit dem Heranwachsen der Nachkriegsgeneration und besonders seit dem Wechsel im Kanzleramt von Kiesinger zu Brandt, zeichnete sich ein verstärkter Wandel in der westdeutschen Wahrnehmung der nationalsozialistischen Diktatur ab, der das Interesse an Sidurs expressiver, ungeschönter Auseinandersetzung mit seinen Kriegserfahrungen und mit dem Holocaust begründet. Sidur erklärte sich dieses Interesse durch die »Schuldgefühle« der Deutschen für das im Zweiten Weltkrieg Geschehene und zeigte Verständnis dafür. Er sei sich gewiss, »dass eine Nation, die […] Schuldgefühle hat, tiefen Respekt verdient. Dies gilt umso mehr, wenn dieses Gefühl von einer Generation von Menschen empfunden wird, die selbst keine Verbrechen begangen haben und offensichtlich nicht für das verantwortlich gemacht werden sollten, was diejenigen getan haben, die vor ihnen lebten.«51

So verschickte Sidur mehrere Denkmalentwürfe mithilfe seiner Besucher:innen in die Bundesrepublik, wo sie in neue Kontexte eingebunden wurden und sich Möglichkeiten zur Aufstellung ergaben. Hinzu kam, dass es in den 1970er-Jahren in der Bundesrepublik nur wenige Denkmäler zur NS-Vergangenheit gab. Dies änderte sich vor allem ab den 1980er-Jahren, in Reaktion auf die Geschichtspolitik Helmut Kohls und den »Historikerstreit«, als eine breitere Diskussion um die Realisierung von Erinnerungszeichen zum Nationalsozialismus aufkam. Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten, die Alltagsgeschichte und die Geschichtswerkstätten-Bewegung brachten viele Forschungen in Gang; sie setzten in der lokalen und regionalen Erinnerungskultur wichtige neue Akzente.52

4. Denkmal für die Opfer der Gewalt, Kassel 1974

Als erstes Denkmal Sidurs in der Bundesrepublik wurde 1974 in Kassel die 1965 als Modell entstandene Plastik Denkmal für die Opfer der Gewalt im vergrößerten Format auf einem Sockel aufgestellt. Die Plastik zeigt eine knieende Gestalt mit gebogenem Rücken, deren Hände auf dem Rücken gefesselt und nach oben gestreckt sind. Die Füße der Figur sind in der Form eines Rings nach hinten gerichtet und zusammengeschlossen. Es ist nicht ersichtlich, um welche Opfer es sich genau handelt – Sidur schuf mit diesem Denkmal laut eigener Aussage ein Werk für all diejenigen, »die aufgrund von Gewaltanwendung ihr Leben lassen mussten«,53 was sowohl für die NS-Vergangenheit als auch für die Gegenwart unter sowjetischer bzw. staatssozialistischer Herrschaft stehen konnte. Diese Ambiguität mag die Rezeption des Werks in der Bundesrepublik erleichtert haben.

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Erich Herzog (vorn links mit Hut in den Händen) und Gottfried Büttner (mittig) bei der Einweihung des Denkmals für die Opfer der Gewalt, 13. Oktober 1974 in Kassel 
(Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 57 (1))

Dass diese Arbeit Sidurs aus Moskau nach Kassel gelangte, ist dem Besuch des Kasseler Arztes, Schriftstellers und Anthroposophen Gottfried Büttner in Sidurs Atelier zu verdanken. Bei einer Begegnung im Rahmen einer touristischen Moskau-Reise bot Sidur seinem Gast die kleine Plastik Der Gefesselte an – Büttner dürfe sie behalten, wenn er dafür sorge, dass sie 1,80 Meter groß in Metall gegossen und in Kassel aufgestellt würde.54 Im Juli 1971 schmuggelte Büttner die Plastik sowie 35 farbige Zeichnungen in seinem Auto aus der Sowjetunion.55 Für den Grenzübergang sollte Sidur ein Schreiben verfassen, in dem er erklärte, dass es sich bei den Werken um Geschenke handelte. Riskant war dabei einerseits, dass einzigartige Arbeiten Sidurs mit großer Wahrscheinlichkeit beschlagnahmt worden wären, wenn man sie bei Kontrollen gefunden hätte. Andererseits befürchteten Vadim Sidur und seine Frau Julia Nel’skaja-Sidur, dass sie aufgrund dieser Aktion in Schwierigkeiten geraten könnten. Sie waren sicher, dass der KGB ihre Kontakte zu Personen aus dem Westen überwachte und besonders aufmerksam Büttner und seine Familie verfolgte, die mit zwei auffälligen westlichen Autos unterwegs waren.56

In der Hoffnung, seine Plastik als Denkmal in Kassel realisieren zu können, war Sidur bereit, dieses Risiko einzugehen. Kassel war nicht nur durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges bedeutend, sondern auch als ein künstlerisches Zentrum der Bundesrepublik seit der Gründung der documenta 1955. Mehrfach schrieb Sidur an Eimermacher, dass er eine Ausstellung seiner Werke (oder zumindest von Fotografien) während der documenta befürworten würde, um sein Schaffen bekannt zu machen, wenn er selbst nicht teilnehmen konnte.57 Tatsächlich gelang es Büttner – einem angesehenen Kasseler Bürger mit einem umfangreichen kulturellen Netzwerk –, eine kleine Ausstellung mit Werken Sidurs zu organisieren, die sich mit der documenta 5 im Jahr 1972 (30. Juni bis 8. Oktober) überschnitt. Zwischen dem 19. Juni und dem 28. Juli waren in der Kreissparkasse Kassel unter anderem Werke Sidurs zu sehen, die Büttner selbst dorthin gebracht hatte.58

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Plakat der Ausstellung »Vadim Sidur. Moskau«
in der Kreissparkasse Kassel, Sommer 1972 
(Stadtarchiv Kassel, P 1 Nr. 667, Grafiker:in unbekannt)

Von den beteiligten Kasseler Persönlichkeiten und Intellektuellen wurde Sidur als idealer Vertreter einer potentiell »freien russischen Kunst« wahrgenommen. Bei seiner Eröffnungsansprache sagte Erich Herzog, Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, dass er hier eine Möglichkeit erblicke, »wie etwa russische Kunst sein könnte, wenn sie frei wäre[,] und ich glaube, daß diese Ausstellung hier in Kassel während der Documenta zu zeigen, wo vielleicht die offizielle Kunst Rußlands vertreten sein wird, von hoher Notwendigkeit sein wird«.59 Herzogs Verwendung der Begriffe »russisch« und »Kunst Russlands« mag darauf abgezielt haben, Sidurs Distanz zur staatlich kontrollierten sowjetischen Kunst zu betonen und seine ideelle Freiheit hervorzuheben. Es könnte sich jedoch auch um eine pragmatische Wortwahl gehandelt haben – für ein breiteres Publikum, das mit »russisch« mehr anfangen konnte als mit »sowjetisch«, zumal in dieser Zeit nicht klar zwischen beiden Begriffen unterschieden wurde.

Die documenta 5 stand unter dem Motto »Befragung der Realität – Bildwelten heute«. Sie thematisierte die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst im gesellschaftlichen Kontext, von Werbung und Kitsch bis zur politischen Propaganda.60 Ursprünglich sollte auch sowjetischer Sozrealismus gezeigt werden. So galten in diesem Kontext inoffizielle Positionen wie Sidurs Werke als besonders relevant. Sie entsprachen dem westlichen Kunstverständnis, wonach »nur Kunst als wertvoll gelten könne, die jenseits des offiziellen Kulturbetriebs der Diktaturen positioniert« war.61 Im Frühjahr 1972 zog die Sowjetunion ihre Teilnahme zurück – vermutlich, um einer Instrumentalisierung ihrer Werke als »politische Propaganda« entgegenzuwirken.62

Nach der Präsentation in Kassel bemühte sich Sidur darum, seine Plastik Denkmal für die Opfer der Gewalt dort dauerhaft aufstellen zu lassen. Büttner engagierte sich für das Vorhaben und nahm Verhandlungen mit der Stadt Kassel auf. Sidur war bereit, das Denkmal der Stadt zu schenken, unter der Bedingung, dass es einen permanenten Platz in der Fußgängerzone erhalten müsse.63 Als zentrales Argument für die Aufstellung wurde angeführt, dass es in Kassel an »zeitgemäßen Skulpturen« fehle und man der Stadt daher Sidurs Werk als Geschenk überlassen wolle.64 Laut Büttner war die Stadt Kassel zunächst begeistert.65

Er rief eine Bürgerinitiative ins Leben, die über Spenden die Aufstellung des Werks in der Innenstadt ermöglichen sollte.66 Das Modell wurde schließlich kostenfrei im Atelier Harry Kramer mit Hilfe von Student:innen der Hochschule für bildende Künste auf eine Höhe von 1,92 Meter vergrößert, bevor es kostengünstig durch die Firma Rincker in Aluminium gegossen und dunkel eingefärbt wurde, um einem Eisenguss zu gleichen.67 Als das Denkmal angefertigt worden war, stellte sich laut Büttner die SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung quer, mit der Sorge, das Werk könne »die deutsch-sowjetische Freundschaft beeinträchtigen«.68 Am 13. Oktober 1974 wurde es trotz der Einwände in der Kasseler Königsstraße feierlich enthüllt.69 Anwesend waren die an der Aufstellung beteiligten Persönlichkeiten aus Kassel und aus Sidurs Netzwerk. Über die Einweihung wurde in der bundesdeutschen und britischen Presse berichtet.70

Nach der Aufstellung wurde das Denkmal bald zu einem gewohnten Teil der Kasseler Fußgängerzone, wobei die Vorgeschichte in Vergessenheit geriet. 2017 – mehr als 40 Jahre nach der Einweihung – wurde die Plastik im Rahmen der documenta 14 (8. April bis 16. Juli) ausgestellt. In der lokalen Presse hieß es, das Werk sei »posthum […] geadelt« worden.71 Somit ging Sidurs Wunsch, Teil der documenta zu sein, nach vielen Jahren doch in Erfüllung. Die Absicht einer Nobilitierung stand aber nicht im Vordergrund. Mit der Begründung, dass sich ein lokales Restaurant ausgebreitet habe und die Fußgängerzone Sidurs Ansprüche eines öffentlichen Standorts für die Plastik nicht mehr erfülle, hatte sich die Stadt Kassel mit der Leitung der documenta darüber verständigt, dass Der Gefesselte als Übergangslösung für die Dauer der Kunstschau auf dem Friedrichsplatz »abgestellt« werden dürfe.72 Das Werk passte zum Motto der documenta 14 (»Von Athen lernen«), bei der die Themen Demokratie, politische und künstlerische Repression sowie die mobilisierende Kraft der Kunst zentral waren. Es wurde somit als Teil der documenta akzeptiert und neben dem Partenón de libros (Der Parthenon der Bücher, Replik 2017, ursprünglich 1983) der argentinischen Konzeptkünstlerin Marta Minujín platziert.73

Nach der documenta 14 kehrte die Plastik nicht an ihren anfänglichen Standort zurück, sondern wurde 2020 an der Weinbergstraße unterhalb des Ehrenmals zum Gedenken an die Opfer des Faschismus neu aufgestellt – außerhalb des Stadtzentrums und entgegen Sidurs ursprünglichem Wunsch.74 Die Initiative dazu ging auf den Kasseler Kunsthistoriker Harald Kimpel zurück, der das Werk vor allem als Denkmal mit erinnerungskultureller Funktion verstand. Am innerstädtischen Standort sei es, so Kimpel, in der lauten, kommerziell geprägten Umgebung weitgehend übersehen worden – »zur Unsichtbarkeit verurteilt«.75 Die Verlagerung zielte daher auf eine bessere Wahrnehmbarkeit in einer ruhigeren Umgebung.76 Es lässt sich argumentieren, dass die Plastik hier dennoch an Sichtbarkeit verloren hat. Zugleich grenzt die Verlagerung das Werk vom Kanon westlicher Nachkriegskunst ab, der das Kasseler Zentrum prägt. Viele der dort dauerhaft präsentierten Arbeiten entstanden im Rahmen der documenta und sind fest in der Stadt verankert.77 Vor diesem Hintergrund wurde Sidurs Plastik mit ihrer expressiv-figürlichen Form und sowjetischen Herkunft von manchen als stilistisch wie thematisch randständig wahrgenommen.

In Kasseler Kunstkreisen deutet sich auch die Kritik an, das Werk habe sich seinerzeit nicht organisch einen Platz im Zentrum verdient, sondern habe sich durch persönliche Kontakte an den Gestaltungsplänen der Stadt Kassel sowie am Kanon der westlichen Nachkriegsmoderne »vorbeigemogelt«.78 Diese Sicht lässt sich zwar nicht ganz von der Hand weisen, verdeutlicht jedoch auch die Grenzen eines westlich geprägten Kunstbegriffs, der wenig Platz für Arbeiten aus dem sowjetischen Kontext vorsieht. Gerade deshalb verdient das Werk besondere Aufmerksamkeit: Es zeugt von einem Austausch über Systemgrenzen hinweg sowie vom Ringen darum, im Rahmen der documenta sichtbar werden zu wollen – beides Themen, die fest zur Kasseler Stadtgeschichte gehören.

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Sidurs Denkmal für die Opfer der Gewalt/Der Gefesselte an seinem neuen Standort am Weinberg neben einer Reihe geparkter Autos
(Foto: Charlotte Adèle Murphy, 13. Juni 2023)

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Inschrift-Tafel am Sockel von Sidurs Denkmal für die Opfer der Gewalt/Der Gefesselte 
(Foto: Charlotte Adèle Murphy, 13. Juni 2023)

5. Treblinka, Berlin-Charlottenburg 1979

Fünf Jahre, nachdem Sidurs erstes Denkmal in der Bundesrepublik realisiert worden war, wurde im September 1979 im West-Berliner Stadtteil Charlottenburg vor dem Amtsgericht Sidurs Plastik Treblinka aufgestellt. Das Werk sollte, wie es Traudbert Erbe formulierte, der beteiligte Leiter des Charlottenburger Kunstamts, an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, aber als Geschenk Sidurs auch »die Hoffnung auf einen Brückenschlag zwischen Deutschen und Russen für die Zukunft« symbolisieren.79 Die »Russen« standen hier wiederum synonym für die Bevölkerung der Sowjetunion.

Das Denkmal wurde in West-Berlin zu einer Zeit aufgestellt, als die NS-Vergangenheit offener diskutiert wurde: Die Ermordung der Juden wurde mit der US-amerikanischen Serie »Holocaust: The Story of the Family Weiss« (1978) des Regisseurs Marvin J. Chomsky, die im Januar 1979 auf Deutsch in den Dritten Programmen der ARD ausgestrahlt wurde und ein großes Publikum erreichte, zu einem breit diskutierten Thema.80 Wie es der Medienhistoriker Jürgen Wilke 2005 ausgedrückt hat, »schienen die öffentlichen Reaktionen [erst jetzt] für die Bereitschaft zu sprechen, sich der deutschen Schuld an der Vernichtung der europäischen Juden zu stellen«.81 Somit lässt sich die Aufstellung des Denkmals sowohl in die Zeit der Ost-West-Annäherung als auch in die Phase des aufkommenden Holocaust-Gedenkens in der Bundesrepublik einordnen. Mit der Fernsehserie etablierte sich der Begriff »Holocaust«. Während sich das Denkmal im deutschen Kontext in einen erst beginnenden Diskurs einfügte, war die Plastik bei ihrer Entstehung 1966 Teil einer sowjetischen Auseinandersetzung um Antisemitismus und Judenvernichtung gewesen.

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Vadim Sidur, Treblinka, 1979 am Amtsgerichtsplatz in Berlin-Charlottenburg aufgestellt 
(Foto: Charlotte Murphy, 27. Juni 2024)

Beim Betrachten der Plastik von der Vorderseite erinnert die Form an einen Totenkopf. Beim genaueren Hinsehen erkennt man vier abstrahierte, kreuzförmig übereinander gestapelte Körper. Bei den drei oberen Körpern hängen Arme, Beine und Kopf leblos nach unten, während die untere Figur die Arme nach oben zu strecken und die Knie aufzustellen scheint. Das Motiv weckt Erinnerungen an Fotografien und Filme der Alliierten aus NS-Vernichtungslagern kurz nach der Befreiung, auf denen die gestapelten Leichen der Ermordeten zu sehen sind. Der Totenkopf – neben seiner allgemeinen Symbolisierung des Todes – könnte auch auf das Truppenkennzeichen der SS-Totenkopfverbände hinweisen, die als bewaffnete Wachmannschaften und »Wegbereiter der Shoah« für den Betrieb und das Bewachen der NS-Konzentrationslager zuständig waren.82 Somit verbirgt sich hinter dem Motiv sowohl die Erinnerung an die Opfer als auch an die Täter des Vernichtungslagers Treblinka.

Sidur beschäftigte sich mit der Literatur seiner russischsprachigen Zeitgenossen, die Gewalt und Krieg thematisierte; er verarbeitete diese in seiner Kunst und seinen Buch­illustrationen.83 Dazu zählte auch der erstmals 1945 erschienene Essay »Treblinskij ad« (»Die Hölle von Treblinka«) von Vasilij Grossman, der nicht nur die weltweite Kenntnis über Treblinka förderte, sondern auch als Inspiration für die Plastik Treblinka diente.84 Sidur soll 1964 von Grossman das Foto eines Massengrabs geschenkt bekommen haben, das ihn zu dem Werk bewegte.85 Es ist möglich, dass es sich dabei um eine Aufnahme aus Treblinka handelte, hatte Grossman doch als Kriegsbericht­erstatter für die Rote Armee Zeugnisse über die Vernichtung der sowjetischen Juden gesammelt.86

In Grossmans Essay findet sich der Überlebende Lewit, der an die unterste menschliche Figur in Sidurs Treblinka-Denkmal erinnert. Grossman rekonstruiert in seinem Text eine Chronologie der Ereignisse, die sich in Treblinka abgespielt haben könnten. Er beschreibt, wie das Lager im Sommer 1944 »liquidiert« wurde: »Am Abend waren sämtliche Gefangenen ermordet – ermordet und verscharrt. Der Warschauer Schreiner Max Lewit konnte sich retten, weil er, verwundet unter den Leichen seiner Genossen liegend, die Dunkelheit abgewartet hatte und in den Wald gekrochen war.«87

Ab den 1960er-Jahren rückte Treblinka zunehmend auch in das öffentliche Bewusstsein westlicher Länder. Ein entscheidender Impuls dafür war die mediale Aufmerksamkeit rund um den Eichmann-Prozess ab 1961. Die Prozesse gegen deutsche Täter in Treblinka, die 1964/65 und 1969/70 in Düsseldorf stattfanden, trugen ebenfalls dazu bei.88 1966 – in dem Jahr, als Sidur Treblinka schuf – veröffentlichte der französische Journalist Jean-François Steiner einen Roman über Treblinka, der den Ort und seine Geschichte international bekannt machte.89 Auch in der Sowjetunion rückte Treblinka in den Fokus, als ab 1960 dort Prozesse gegen die Trawniki-Männer geführt wurden, die überwiegend unter sowjetischen Kriegsgefangenen rekrutierten »Handlanger der SS«.90 Dabei wurden alle Angeklagten für schuldig befunden; die meisten von ihnen erhielten die Todesstrafe.91 1964 entstand in der Volksrepublik Polen auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Treblinka ein Gedenkkomplex, der die Erinnerung an die Verbrechen bewahren sollte.92

Dank einer Ausstellung mit Werken Sidurs, die 1978 in der »Galerie im Gang« im Rathaus Charlottenburg veranstaltet worden war, kam Sidurs Treblinka nach Berlin-Charlottenburg. Eimermacher war mit dem Kunstamtsleiter Erbe im Austausch gewesen, und dabei war die Idee entstanden, die Plastik in vergrößerter Form als Mahnmal in Berlin aufzustellen.93 Eimermacher schlug vor, dass man die Ausstellung »zum Anlaß« nehmen könne, ein solches Vorhaben stärker ins Gespräch zu bringen.94 Sidur übergab dem Bezirk Charlottenburg, der bereit war, die Kosten für die Vergrößerung und Aufstellung zu tragen, das Werk als Geschenk.95 Charlottenburg bot sich an, da hier eines der Zentren jüdischen Lebens in Berlin gewesen war.96 Als genauer Ort wurde laut Erbe der Platz vor dem Amtsgericht gewählt, da in dem Gebäude Juden registriert worden seien, die in die NS-Vernichtungslager deportiert werden sollten.97 Das Modell des Werks Treblinka wurde von Dieter Paffrath (1936–2002), einem in der Schweiz tätigen deutschen Bildhauermeister, auf die gewünschten Maße vergrößert und von der Berliner Bildgießerei Kraas wie schon bei der Kasseler Plastik in Aluminium gegossen und getönt.98

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Bearbeitung der vergrößerten Plastik bei der Gießerei Kraas in Berlin, August 1979 
(Foto: Traudbert Erbe, Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 61 (2))
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Bodenplatte vor dem Treblinka-Denkmal 
(Foto: Charlotte Adèle Murphy, 27. Juni 2024)
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Eine 1986 ergänzte Bodenplatte mit historischer Kurzinformation und einem (nicht gekennzeichneten) Zitat aus Richard von Weizsäckers Gedenkrede zum 8. Mai 1985 
(Foto: Charlotte Adèle Murphy, 27. Juni 2024)

Seit der Aufstellung wird das Denkmal sporadisch in lokale memoriale Praktiken wie Spaziergänge oder andere Veranstaltungen zum Holocaust-Gedenken eingebunden.99 2020 wurde in einer Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, dass das Denkmal eine historische Kontextualisierung benötige, um neue Aufmerksamkeit zu finden.100 Als Resultat wurde im Juli 2022 zum 80. Jahrestag des Beginns der Ermordungen in Treblinka die digitale Ausstellung »Treblinka Gedenken in Berlin« freigeschaltet, die Student:innen des Touro College Berlin in Kooperation mit dem Museum Charlottenburg-Wilmersdorf erarbeitet hatten.101 Außerdem wurde im Juni 2024 zum 100. Geburtstag Sidurs eine Informationstafel neben dem Denkmal eingeweiht, die das Werk hoffentlich verständlicher macht.102

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Informationstafel neben Sidurs Treblinka zur Erläuterung des Denkmals und seiner Vorgeschichte 
(Wikimedia Commons, OTFW, Berlin, Gedenktafel Amtsgerichtsplatz (Charl) Treblinka3, CC BY-SA 3.0;
Foto vom 16. Juli 2024)

Trotz seiner scheinbar eindeutigen Thematik blieb Treblinka lange wenig sichtbar. Vielen Passant:innen erschloss sich die Bedeutung aufgrund der abstrahierten Form nicht. In Gesprächen – sowohl mit älteren als auch mit jüngeren Personen – erhielt ich gemischte Rückmeldungen: Einige kannten das Mahnmal, andere hielten es für eine abstrakte Plastik oder sahen in der Form gar einen Elefanten.103 Die gestapelten Körper wurden meist erst beim genaueren Hinsehen erkannt. Der sowjetische Entstehungskontext blieb erst recht unsichtbar. Diese Leerstelle verweist auf die Grenzen eines westlich geprägten Gedenkrahmens, der transnationale Perspektiven – wie die sowjetische Auseinandersetzung mit dem Holocaust – lange ausgeblendet hat. Die jüngere Kontextualisierung eröffnet die Möglichkeit, das Werk als mehrschichtigen Erinnerungsort zu etablieren.

6. Tod durch Bomben, Würzburg 1993

Am 9. Mai 1993, sieben Jahre nach Sidurs Tod, wurde vor der St.-Johannis-Kirche in Würzburg die Plastik Tod durch Bomben aufgestellt, die Sidur 1965 in kleinem Format angefertigt hatte. Es war das erste Werk des Künstlers, das nach dem Ende der UdSSR und dem Mauerfall im Ausland aufgestellt wurde, und gleichzeitig das letzte Denkmal, das über seine Kontakte in Deutschland realisiert wurde. Nach Sidurs Tod im Jahr 1986 hatte zunächst Unsicherheit geherrscht, wie mit seinem Moskauer Atelier und seinem künstlerischen Nachlass umgegangen werden würde. Familie, Freund:in­nen und Wegbegleiter:innen setzten sich für den Erhalt seines Werks ein – darunter auch der mit Sidur befreundete Physiknobelpreisträger Vitalij Ginzburg, der in einem vielbeachteten Artikel in der »Literaturnaja Gazeta« auf die Bedeutung von Sidurs Kunst hinwies.104 Im Zuge der kulturpolitischen Wende ab 1988, einer Phase, in der zuvor marginalisierte »inoffizielle« Positionen zunehmend Anerkennung fanden, wurden Sidurs Person und Werk rehabilitiert. 1989 eröffnete das Moskauer Sidur-Museum, das sein Schaffen würdigt und bis heute besteht. Wie Waltraud M. Bayer gezeigt hat, wurde in dieser Phase die vormals marginalisierte »andere« Kunst in den offiziellen Kulturbetrieb integriert und avancierte zur neuen zeitgenössischen Kunst. Diese stand nun repräsentativ für die »›gewendete‹ späte UdSSR«.105

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Vadim Sidurs Tod durch Bomben vor der St.-Johannis-Kirche in Würzburg
(Wikimedia Commons, Roland.h.bueb, Würzburg-st-johannis-kirche-würzburg-mahnmal-tod-durch-bomben, CC BY-SA 4.0;
Foto vom 22. April 2018) 
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Widmungstafel vor dem Denkmal Tod durch Bomben 
(Foto: Charlotte Adèle Murphy, 12. Juli 2022)

Die Idee für die Aufstellung des Denkmals Tod durch Bomben entstand noch zu Lebzeiten Sidurs und ging zurück auf seine Bekanntschaft mit Josef Heindl, einem aus Würzburg stammenden Lehrer, der zwischen 1980 und 1985 für fünf Jahre als Leiter der Deutschen Schule Moskau tätig gewesen war. Kurz nach Heindls Ankunft stellte ihm der in der inoffiziellen Kunstszene Moskaus gut vernetzte Kulturattaché der Botschaft Sidur vor. Beeindruckt »von den Werken und der Person des Künstlers« wurde Heindl nach eigener Auskunft zu einem häufigen Besucher des Ateliers und freundete sich mit Sidur an.106 Als seine Zeit in Moskau im Sommer 1985 zu Ende ging, traf er Sidur noch einmal, um Abschied zu nehmen. Wie Heindl beschreibt, bot Sidur ihm nun die Plastik Tod durch Bomben an: »[…] da ich nach Würzburg zurückkehre, er aber wisse, daß diese schöne Stadt im Krieg größtenteils zerstört worden sei, möchte er über mich dieser Stadt seine Plastik ›Tod durch Bomben‹ schenken.«107 Ähnlich wie in Kassel ergab sich der Aufstellungsort der Plastik in Würzburg also recht zufällig. Das Werk zeigt eine stark abstrahierte, nach vorn gebeugte menschliche Figur, deren Rumpf von einer Bombe durchbohrt wird; Mensch und Bombe bilden eine visuelle Einheit.

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Luftaufnahme der zerstörten Stadt Würzburg im Herbst 1945
(Wikimedia Commons, United States Army Forces [USAAF],
Us-luftbild 1945 wuerzburg stadtmitte no.7065, Public Domain)

Würzburg war am 16. März 1945 bei einem Bombenangriff der British Royal Air Force zu 89 Prozent zerstört worden, wobei etwa 5.000 Menschen ihr Leben verloren.108 Heindl sah das Geschenk an die Stadt Würzburg als »Beitrag zur Versöhnung, als Beitrag zur Überwindung von Haß und Vorurteilen zwischen den Völkern und als Beitrag zur Bewältigung des Leids, das man sich gegenseitig angetan hat«.109 Während die Geste Sidurs zur Aussage der Plastik passte, hatte der Künstler das Denkmal zuerst der Stadt Belgrad schenken wollen, die 1941 im Rahmen des deutschen Balkanfeldzugs bombardiert worden war.110 Die Bombardierung Belgrads habe für ihn als damals 16-Jährigen eine besondere Bedeutung gehabt, da ihm klar geworden sei, dass »die Bomben bald auch auf uns fallen würden«. Nachdem der Plan eines Denkmals für Belgrad nicht realisiert werden konnte,111 ergriff Sidur die Gelegenheit, es in Würzburg aufstellen zu lassen, obwohl dies eine Veränderung in der Aussage des Werks mit sich brachte.

Im Sommer 1985 kehrte Heindl nach Würzburg zurück und organisierte mit Eimermacher und der Evangelischen Studentengemeinde eine Ausstellung über Sidur und die inoffizielle sowjetische Kunst. Während dieser Ausstellung sammelte der Studentenpfarrer Richard Weißkopf in einem Gästebuch Meinungen zur Aufstellung der Plastik.112 Daneben engagierte sich Heindl bei der Stadt Würzburg für das Denkmal. Sidur war bereit, auf ein Honorar für das Werk zu verzichten, wobei die Stadt die Kosten für die Vergrößerung auf etwa vier Meter und den Guss der Plastik übernehmen müsse. Als möglicher Standort wurde der Berliner Ring vorgeschlagen, der zum Würzburger Ringpark gehört und am 16. März 1945 als Fluchtweg gedient hatte.113 Bei den Diskussionen um die Aufstellung fragte der Oberbürgermeister Klaus Zeitler im Kulturausschuss, ob die Stadt noch ein Denkmal für die Opfer des Bombenangriffs brauche »und ob es die Sache wert sei«.114 Dabei äußerte Zeitler seine Bedenken über »Art und Qualität« des Werks, da die örtliche Bevölkerung zuvor über eine 1981 aufgestellte sechs Meter hohe abstrakte Metallskulptur115 stark verärgert gewesen war, deren Kostenübernahme er damals unterstützt hatte.116 Andere Stimmen aus dem Stadtrat waren der Meinung, dass man keine »Denkmäler von dieser grausamen Zeit« aufstellen solle oder dass ein lokaler Wettbewerb für diesen Zweck besser sei.117 Trotz aller Bemühungen verfolgte die Stadt Würzburg das Vorhaben nicht weiter.118

Nachdem bekannt geworden war, dass die Aufstellung des Denkmals über die städtischen Gremien nicht erfolgreich sein würde, ergab sich die Möglichkeit, es mit Hilfe der Evangelischen Kirche in Würzburg zu realisieren. Der Studentenpfarrer Weißkopf hatte sich an den Kirchendekan Martin Elze gewandt, und dieser hatte die Idee begrüßt.119 Die Beteiligten gründeten einen Verein, der sich mit einem Spendenaufruf an die Stadtöffentlichkeit wandte.120 Elze bemühte sich darum, dass das Denkmal vor der St.-Johannis-Kirche auf dem Grundstück der Kirchengemeinde aufgestellt werden würde.121 Seinen Plan begründete er mit der Tatsache, dass die Kirche nach der architektonischen Konzeption ihres Neubaus selbst ein Mahnmal für die Zerstörung der Stadt Würzburg durch Bomben darstelle und »sie als Hintergrund […] dem bildhauerischen Werk eine zusätzliche religiöse Dimension geben« könne.122

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Würzburger St. Johannis-Kirche mit dem Denkmal Tod durch Bomben im Vordergrund 
(Stadtarchiv Würzburg, Sammlung Sidur – Dokumentation, Mappe 5, undatiert)

Obwohl es Probleme bei der Finanzierung gab, konnte das Denkmal im Mai 1993 aufgestellt werden.123 Der Bildhauer Paffrath, der auch weitere Denkmäler Sidurs ausgeführt hatte, übernahm die Vergrößerung des Modells auf eine Höhe von 3,81 Meter, und der übliche dunkle Aluminiumguss wurde von der Firma Kunstguss in Eschenburg angefertigt.124 Sidurs Witwe Julia Nel’skaja-Sidur reiste zur Einweihung an.

Im Vorfeld hatte es einige Stimmen aus der Kirchengemeinde gegeben, die mit Form, Ästhetik und Motiv des Denkmals nicht einverstanden waren.125 Andere lehnten das Denkmal mit der Begründung ab, »es sei endlich Zeit für einen Schlußstrich unter 1945«.126 Eine Beschwerde aus der Lokalpresse stach besonders heraus. Ende 1993 erschien ein Artikel, der auf die angebliche »fatale Ähnlichkeit« des Sidur-Denkmals mit der Plastik einer Fliegerbombe hinwies, die während des Zweiten Weltkrieges in Würzburg gestanden und zur Kriegsagitation beigetragen hatte. Unter dem Motto »Luftschutz tut not« hatte die NS-Kampagne die Bevölkerung vor Luftangriffen der Alliierten schützen sollen. Wegen der angeblichen Ähnlichkeit zweifelte der Verfasser des Artikels die Aussage von Tod durch Bomben als »Mahnmal für die Versöhnung« an.127 Neben der Tatsache, dass sich hier ein Unbehagen bezüglich des lange »gemie­dene[n] Thema[s]« Bombenkrieg zeigt,128 verdeutlicht diese Reaktion Unverständnis für die künstlerische Gestaltung des Denkmals, die sich zwischen figürlich und abstrakt bewegte, sowie Misstrauen gegenüber dem Werk eines »sowjetischen Bildhauers« im Kalten Krieg.

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Paradeplatz in Würzburg mit nationalsozialistischer »Luftschutz tut not«-Installation 
(Stadtarchiv Würzburg, Städtische Lichtbildstelle I, SW Paradeplatz, vor 1945)

Letztlich wurde das neue Denkmal von 1993 jedoch positiv aufgenommen und in den lokalen Diskurs um die eigene Erinnerungskultur eingebracht. Oberbürgermeister Zeitler verband die Plastik mit der Erinnerung an die »fast völlige Zerstörung der Stadt Würzburg im Bombenhagel« am 16. März 1945.129 Ein Mitglied des Vereins zur Aufstellung des Denkmals meinte, dass Sidur die Plastik gerade in Würzburg aufstellen wollte, »weil er hier auf offene Ohren für seine Mahnungen« hoffte. Außerdem kritisierte dieser Autor die Tendenz zum Vergessenwollen in der Bevölkerung, sprach aber nicht die deutsche Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg an.130 Auch der Studentenpfarrer nannte das Denkmal eine »ausgestreckte Versöhnungshand« und hob hervor, dass nicht »russische Kampfflugzeuge« Würzburg 1945 zerstört hätten.131 In diesem Sinne beschrieb eine weitere Person das Denkmal als »einmalige Chance […] zum Andenken der Zerstörung Würzburgs durch westliche Alliierte«.132 So wurde das Denkmal insbesondere auf das lokale Opfergedenken bezogen, ohne die deutsche Kriegsführung zu thematisieren, die den Bombenangriff auf Würzburg provoziert hatte. Unter dem Motto einer »deutsch-russischen Völkerverständigung« wurde in diesem Fall primär der lokale Opferdiskurs bestätigt. Dies entsprach dem westdeutschen Trend seit etwa 1990, vermehrt der »eigenen« deutschen Opfer des Krieges zu gedenken – etwa der Vertriebenen und eben der Opfer bombardierter Städte.133

7. Fazit

Die in diesem Beitrag betrachteten blocküberschreitenden Begegnungen sowie die Denkmäler, die aus ihnen hervorgingen, sind im Laufe der Zeit weitgehend in Vergessenheit geraten. Erst 2015 erlangte Vadim Sidurs Werk infolge der Zerstörung einiger seiner Skulpturen in Moskau durch ultraorthodoxe Extremisten wieder internationale Aufmerksamkeit.134 Trotz vereinzelter Initiativen zur Auseinandersetzung mit den Sidur-Denkmälern in Deutschland bleiben diese so vor allem Zeugnisse eines informellen westdeutsch-sowjetischen Austauschs im Kalten Krieg, hinter denen sich die Begegnungen und Interessen jener Menschen verbergen, die die Entstehung und Aufstellung der Werke ermöglichten.

Die hier präsentierten Fallstudien haben Dialoge und Freundschaften zwischen Sidur und seinen westdeutschen Kontaktpersonen im Kalten Krieg sowie deren Ergebnisse sichtbar gemacht. Im Rahmen der Entspannungspolitik boten Sidurs Werke und seine Persönlichkeit Anknüpfungspunkte für Gespräche über Biographien, Kriegserfahrungen und den Zustand der Welt, wodurch Erzählräume jenseits ideologischer Gegensätze entstanden. Besonders Sidurs in den 1960er-Jahren geschaffene Modelle für Denkmäler, die sowohl seine eigene Biographie als auch seine Kritik an der sowjetischen Erinnerungspolitik zum Zweiten Weltkrieg reflektierten, fanden in den 1970er-Jahren Anerkennung bei westdeutschen Kontakten – im Kontext eines veränderten Bewusstseins für Nationalsozialismus und Holocaust. So zeigt sich, dass blockübergreifende, inoffizielle Kommunikation über den Eisernen Vorhang möglich war, was neue Handlungsspielräume für Künstler wie Sidur eröffnete. Zudem belegen diese Interaktionen das Potential der Kunst für gesellschaftliche Annäherung; sie beleuchten sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte inoffizieller Unterstützung für Andersdenkende und Dissident:innen in autoritären Staaten.

Sidur war in der Sowjetunion als Monumentalbildhauer ausgebildet worden, konnte dort aber kaum entsprechende Werke realisieren. Ressourcenmangel und Platzprobleme in seinem Moskauer Atelier zwangen ihn, sich auf Kleinplastiken zu beschränken. Erst in Westdeutschland wurden seine Entwürfe für Denkmäler im öffentlichen Raum umgesetzt, wobei er den Vergrößerungs- und Aufstellungsprozess nur aus der Ferne begleiten konnte. Dies führte dazu, dass die Denkmäler seinen Vorstellungen nicht vollständig entsprachen, da er auf seine Kontaktpersonen in der Bundesrepublik und deren Initiative angewiesen war. Die Umsetzung der Denkmäler im Westen war somit weniger Ausdruck künstlerischer Vollendung als insbesondere ein Zeichen von Sidurs schwieriger Lage und der Unterstützung durch sein Netzwerk, was die damaligen Herausforderungen für einen nonkonformistischen Künstler in der Sowjetunion unterstreicht.

Hinzu kam, dass Sidur als Unangepasster vermeintlich dem im Westen während des Kalten Krieges propagierten Bild »freier Kunst« entsprach. Seine Werke wurden als ein Protest gegen die sowjetische Unterdrückung aufgefasst, den er nicht offen artikulieren konnte. Die Förderung solcher Kunst wurde im Westen als moralisch richtig angesehen, denn man wollte für politische und künstlerische Freiheit und Menschenrechte einstehen. Dies hat das Denkmal in Kassel gezeigt, wo Sidurs Werk in die binäre Rhetorik des Kalten Krieges eingebunden wurde. Ausgeblendet wurden jedoch Sidurs eigene politische Ansichten, da er sich nie ausdrücklich als antikommunistisch positioniert hatte. So diente seine Kunst im Westen als Projektionsfläche für politische Zwecke, die nicht zwingend mit seinen persönlichen Überzeugungen übereinstimmten.

Die betrachteten Denkmäler gingen jeweils auf private Initiativen »von unten« zurück, getragen von Personen, die Sidur in seinem Moskauer Atelier kennengelernt hatten. Sidur verzichtete bewusst auf Honorare, was einerseits als Strategie zur Umgehung sowjetischer Behörden und zur leichteren Aufstellung in Westdeutschland angesehen werden kann. Andererseits deutet dies auf Widerstände hin, die von kommunalen Entscheidungsträgern in Westdeutschland gegen die Aufstellung seiner Plastiken erhoben wurden – die Zahlungsbereitschaft für adäquate Honorare dürfte gegenüber weniger bekannten Künstler:innen wie Sidur nicht hoch gewesen sein. Die Widerstände resultierten zum einen aus Sidurs sowjetischer Herkunft und der Furcht lokaler Politiker vor möglichen politischen Konsequenzen einer Unterstützung. Zum anderen stießen auch die Motive und der Stil seiner Werke auf Vorbehalte. Sidurs bildhauerische Sprache, zwischen figürlicher und abstrakter Kunst, widersetzte sich klaren Zuordnungen: Seine Denkmäler passten weder in den Kanon des Sozialistischen Realismus der Sowjetunion noch folgten sie den abstrakten und konzeptuellen Strömungen der zeitgenössischen westlichen Kunst. Gerade diese »uneindeutige« Formensprache, kombiniert mit universellen Themen wie Krieg und Gewalt, ermöglichte es Sidur jedoch, mit seinen Plastiken als Brückenbauer zu wirken, Gespräche anzuregen und Raum für individuelle Assoziationen zu schaffen. Allerdings fehlte seinen Werken im westlichen Kontext die formale Radikalität oder stilistische Eindeutigkeit, um dort noch breiter rezipiert zu werden und ihm internationalen Erfolg einzubringen.

Zudem wurden Sidurs Denkmäler in westdeutsche erinnerungspolitische Kontexte übertragen, die sich von ihrem ursprünglichen Entstehungshintergrund unterschieden. Die Transfer- und Aufstellungsgeschichten der Plastiken in den drei Fallbeispielen geben Einblicke in die (lokale) westdeutsche Erinnerungspolitik zum Nationalsozialismus – zeitlich überwiegend vor den breiteren Debatten um Gedenkzeichen im öffentlichen Raum und um die Geschichtspolitik Helmut Kohls seit der deutschen Einheit. Ein besonders deutliches Re-Framing erlebte das Werk Tod durch Bomben in Würzburg: Ursprünglich als Mahnmal zur Erinnerung an die nationalsozialistische Kriegsführung in Belgrad konzipiert, wurde die Plastik in Würzburg in Debatten über den (west-)alliierten Bombenkrieg und dessen lokale Opfer integriert. Die unterschiedlichen Reaktionen darauf offenbaren Spannungen innerhalb der lokalen Erinnerungskultur: Während einige Bürger das Denkmal als allgemeines Mahnmal gegen Krieg und als Symbol für die westdeutsch-sowjetische Versöhnung interpretierten, nutzten andere es zur Betonung eines deutschen Opferdiskurses.

Heute, fast 40 Jahre nach seinem Tod, erhalten Sidurs Person und Werk im Zuge des offenen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wieder neue Bezüge. Dabei wird nun die ukrainische Herkunft Sidurs in den Vordergrund gerückt und in den Kontext des gegenwärtigen Krieges gestellt.135 Ein besonders markantes Beispiel dafür ist die Aufstellung einer vergrößerten Version von Tod durch Bomben in Dnipro, wo das Werk seit Juni 2024 an die Opfer eines russischen Raketenangriffs auf ein Wohngebäude im Januar 2023 erinnert.136 Die ästhetische Polysemie solcher Kunstwerke erlaubt ihre Aktualisierung und Neuaneignung. So zeigt sich, dass Vadim Sidur sowohl von russischer als auch von westlicher und ukrainischer Seite in Anspruch genommen wird.

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Kopie von Vadim Sidurs Tod durch Bomben in Dnipro,
aufgestellt zum 100. Geburtstag des Künstlers. Auf dem Plakat im Hintergrund ist sein Werk Der Gefesselte zu sehen. 
(Wikimedia Commons, Nikola Skuridin,
Sidur Пам’ятник загиблим від бомб, CC0 1.0)

Anmerkungen:

1 Denkmal für die Opfer der Gewalt/Der Gefesselte in Kassel (1974), Treblinka in West-Berlin (1979), Die heutige Situation in Konstanz (1981/82), Tod durch Liebe in Offenburg (1984), Der Mahner in Düsseldorf (1985), Tod durch Bomben in Würzburg (1993). Neben diesen Denkmälern wurden weitere Werke aufgestellt: Frau und Stahl in Hagen auf dem Gelände der Friedrich-Gustav-Theis-Kaltwalzwerke (1978), Porträt Albert Einsteins im Max-Planck-Institut für Astrophysik in München-Garching (1980), Sitzende in Lindau am Bodensee (1983) sowie Antlitz in der St. Matthäus-Kirche in Berlin (2001).

2 Heidi Rühlmann, Bildungsreise mit großen Folgen. Mutige Kasseler Familie setzte sich 1971 für Moskauer Künstlerin [sic] ein, in: Kassel Extra-Tip, 5.6.2005.

3 Robert Musil, Denkmale, in: Prager Presse, 10.12.1927, S. 4-5.

4 Mit Re-Framing beschreibt Alan Radley basierend auf Erving Goffmans Frame Analysis die veränderte Bewertung und neue Kontextualisierung eines Objekts. Vgl. Alan Radley, Artefacts, Memory and a Sense of the Past, in: David Middleton/Derek Edwards (Hg.), Collective Remembering, London 1990, S. 46-59; Erving Goffman, Frame Analysis. An Essay on the Organization of Experience, Cambridge 1974.

5 Vgl. Thomas Keller, Kulturtransferforschung. Grenzgänge zwischen den Kulturen, in: Stephan Moebius/Dirk Quadflieg (Hg.), Kultur. Theorien der Gegenwart, Wiesbaden 2006, S. 101-114.

6 Vgl. Kirsten Bönker, Den Kalten Krieg neu denken? Neue Studien zum Kalten Krieg, in: Neue Politische Literatur 67 (2022), S. 168-204.

7 Vgl. Benedikt Tondera, Reisen auf Sowjetisch. Auslandstourismus unter Chruschtschow und Breschnew 1953–1982, Wiesbaden 2019; Simo Mikkonen/Jari Parkkinen/Giles Scott-Smith (Hg.), Entangled East and West. Cultural Diplomacy and Artistic Interaction during the Cold War, Berlin 2019; Philippe Vonnard/Nicola Sbetti/Grégory Quin (Hg.), Beyond Boycotts. Sport during the Cold War in Europe, Berlin 2018; Julia Metger, Studio Moskau. Westdeutsche Korrespondenten im Kalten Krieg, Paderborn 2014.

9 Klara Kemp-Welch, Networking the Bloc. Experimental Art in Eastern Europe, 1965–1981, Cambridge 2018; Jérôme Bazin/Pascal Dubourg Glatigny/Piotr Piotrowski (Hg.), Art beyond Borders. Artistic Exchange in Communist Europe (1945–1989), Budapest 2016.

10 Simo Mikkonen/Jari Parkkinen/Giles Scott-Smith, Exploring Culture in and of the Cold War, in: dies., Entangled East and West (Anm. 7), S. 1-11; Kirill Chunikhin, Shared Images. A History of American Art in the Soviet Union during the Cold War, Berlin 2025.

11 Siehe Ella Falldorf/Katharina Langolf/Galina Lochekhina, Tagungsbericht: Art of the Holocaust until 1989. Beyond an East/West Divide, in: H-Soz-Kult, 26.10.2022, URL: <https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-130431>; Sara Berger/Jasmin Söhner/Markus Wegewitz, Tagungsbericht: The Holocaust and the Cold War. Culture and Justice, in: H-Soz-Kult, 16.10.2021, URL: <https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-127647>.

13 Koch/Stach, Holocaust Memory and the Cold War (Anm. 12).

14 Arkadi Zeltser, The Cold War and Holocaust Memorialization in Soviet Publications of the 1960s, in: Koch/Stach, Holocaust Memory and the Cold War (Anm. 12), S. 93-117.

15 Frances Stonor Saunders, The Cultural Cold War. The CIA and the World of Arts and Letters, New York 1999 (in Großbritannien unter dem Titel: Who Paid the Piper? The CIA and the Cultural Cold War, London 1999).

16 Cultural Diplomacy beschreibt die Praxis einer Regierung, ihr Land gegenüber der Bevölkerung eines anderen Landes auf eine bestimmte Weise darzustellen, um außenpolitische Ziele zu erreichen. Vgl. Manuela Aguilar, Cultural Diplomacy and Foreign Policy. German-American Relations, 1955–1968, New York 1996, S. 8.

17 Soft Power bezeichnet die Ausübung politischer Macht und diplomatischen Einflusses durch kulturelle oder ideologische Attraktivität oder die Nutzung internationaler Institutionen. Vgl. Joseph Nye, Soft Power, in: Foreign Policy 80 (1990), S. 153-171.

18 Cadra Peterson McDaniel, American-Soviet Cultural Diplomacy. The Bolshoi Balletʼs American Premiere, Lanham 2014; Sonja Großmann, Falsche Freunde im Kalten Krieg? Sowjetische Freundschaftsgesellschaften in Westeuropa als Instrumente und Akteure der Cultural Diplomacy, Berlin 2019.

19 Vgl. dazu etwa Anna K. Florkovskaja (Hg.), Neoficialʼnoe iskusstvo v SSSR. 1950–1980-e gody [Inoffizielle Kunst in der UdSSR. 1950er–1980er Jahre], Moskau 2014.

20 Nicole Glocke/Peter Winters, Im geheimen Krieg der Spionage. Hans-Georg Wieck (BND) und Markus Wolf (MfS). Zwei biografische Porträts, Halle (Saale) 2014, S. 126.

21 Saunders, The Cultural Cold War (Anm. 15).

22 Petra Gördüren/Dorothea Schöne (Hg.), Der unbekannte politische Gefangene. Ein internationaler Skulpturenwettbewerb zu Zeiten des Kalten Krieges, Berlin 2020 (Begleitband zu einer Ausstellung im Kunsthaus Dahlem).

23 Elena Korowin, Der Russen-Boom. Sowjetische Ausstellungen als Mittel der Diplomatie in der BRD, Köln 2015.

24 Matteo Bertelé, Vortrag »Unblocking the Blocs. Intertwined Art Practices in Divided Europe (1956–1972)«, gehalten am 12. Dezember 2023 am Kunsthistorischen Institut in Florenz, URL: <https://www.khi.fi.it/en/aktuelles/veranstaltungen/2023/12/matteo-bertele-unblocking-the-blocs.php>.

25 Vgl. Stefan Creuzberger, Westintegration und Neue Ostpolitik. Die Außenpolitik der Bonner Republik, Berlin 2009.

26 Metger, Studio Moskau (Anm. 7), S. 225.

27 Kemp-Welch, Networking the Bloc (Anm. 9); Korowin, Der Russen-Boom (Anm. 23).

28 Sidurs Position ist vergleichbar mit sowjetischen Künstlern wie Boris Birger oder Ilya Glazunov, mit denen er Ende der 1970er-Jahre häufig als »dissidentischer Künstler« auf der Gästeliste der Botschaft der Bundesrepublik stand.

29 Vgl. Julia Sidur/Karl Eimermacher/Vladimir Volovnikov, »Vremja novych nadežd …«. Perepiska 1986–1992 [»Zeit neuer Hoffnungen …«. Briefwechsel 1986–1992], Moskau 2014, S. 620, S. 900.

30 Interview mit Prof. Dr. Karl Eimermacher am 23.8.2021.

31 Zdeněk Eis, Vadim Sidur, in: Plamen. Mešíčník pro literaturu, umění a život [Die Flamme. Monatsschrift für Literatur, Kunst und Leben] 11 (1964), S. 79.

32 Karl Eimermacher, Vadim Sidur. Skulpturen – Graphik, Konstanz 1978, S. 9.

33 Interview mit Prof. Dr. Klaus Gestwa, der heute Osteuropäische Geschichte an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen lehrt, am 27.11.2023. Er war nach Sidurs Tod 1988 als DAAD-Stipendiat in Moskau und gehörte zu einer Reihe von Student:innen, die als »Briefkuriere« über den Kurierdienst der Botschaft der Bundesrepublik Briefe für das Ehepaar Sidur weitergaben.

34 Vgl. Natalʼja Nolʼde-Lurʼe, Drama čeloveka v tvorčestve Vadima Sidura [Das menschliche Drama im Werk Vadim Sidurs], Moskau 2014, S. 12f.

35 Vgl. Gisela Riff/Karl Eimermacher (Hg.), Vadim Sidur. Kunst im Zeitalter des Schreckens, Bremen 1992, S. 12-15.

36 Vadim Sidur, in: A-Ja. Unofficial Russian Art Review 5 (1983), S. 46-52, hier S. 47 (Interview von Karl Eimermacher). Eigene Übersetzung.

37 Vgl. Mark Edele, Soviet Veterans of the Second World War. A Popular Movement in an Authoritarian Society 1941–1991, Oxford 2008; Erica Fraser, Military Masculinity and Postwar Recovery in the Soviet Union, Toronto 2019; Beate Fieseler, Arme Sieger. Die Invaliden des »Großen Vaterländischen Krieges«, in: Osteuropa 55 (2005) H. 4-6, S. 207-217.

38 Vgl. Boris Groys, Am Rande. Die nonkonformistische Kunst der fünfziger bis siebziger Jahre in Russland, in: Matthias Frehner (Hg.), Avantgarde im Untergrund. Russische Nonkonformisten aus der Sammlung Bar-Gera, Wabern 2005, S. 11-17, hier S. 13; Michail Sidur, Vadim Sidur. Očerk tvorčestva na fone sobytij žizni [Vadim Sidur. Eine Darstellung der künstlerischen Tätigkeit vor dem Hintergrund der Ereignisse seines Lebens], Moskau 2004, S. 232; Vadim Sidur/Karl Eimermacher/Vladimir Volovnikov, »O detaljach pogovorim pri svidanii …«. Perepiska [»Die Einzelheiten besprechen wir persönlich …«. Briefwechsel], Moskau 2004, S. 345.

39 Vadim Sidur (Anm. 36), S. 47. Eigene Übersetzung.

40 Vgl. Mischa Gabowitsch, Victory Day before the Cult. War Commemoration in the USSR, 1945–1965, in: David L. Hoffman (Hg.), The Memory of the Second World War in Soviet and Post-Soviet Russia, New York 2022, S. 64-85; Susanne Schattenberg, Leonid Breschnew. Staatsmann und Schauspieler im Schatten Stalins. Eine Biographie, Köln 2017, S. 440-443.

41 Zit. nach Sasha Grishin, Vadim Sidur. A Study in Modern Soviet Sculpture, Adelaide 1972, S. 19. Eigene Übersetzung.

42 Ein Gespräch mit Vadim Sidur. Fragen von Karl Eimermacher an Vadim Sidur (Februar 1980), in: Karl Eimermacher/Gisela Riff (Hg.), Vadim Sidur. Skulpturen, Bochum 1984, S. XXXV-XL, hier S. XXXV.

43 Zur Einordnung der Erinnerungsprozesse von der Sowjetzeit bis in die Gegenwart siehe Pavel Poljan, Babij Jar. Realii [Babyn Jar. Realien], Chişinău 2024, und Manfred Sapper/Volker Weichsel (Hg.), Babyn Jar. Der Ort, die Tat und die Erinnerung, Berlin 2021 (Themenheft der Zeitschrift »Osteuropa«).

44 Erste Strophe des Gedichts »Babij Jar« von Evtušenko in deutscher Übertragung von Celan. Siehe Paul Celan, Gesammelte Werke in sieben Bänden, Bd. 5: Übertragungen II. Zweisprachig, hg. von Beda Allemann und Stefan Reichert unter Mitwirkung von Rolf Bücher, Frankfurt a.M. 2000, S. 288.

45 Vgl. Pavel Poljan, Babij Jar. Refleksija [Babyn Jar. Reflexion], Moskau 2022, S. 565.

46 Dmitrij Šostakovič/Solomon Volkov, Testimony. The Memoirs of Dmitri Shostakovich, New York 1995, S. 158f. Diese »Memoiren« sind aus quellenkritischer Sicht allerdings nur sehr eingeschränkt brauchbar. Siehe außerdem z.B. auch Andreas Wehrmeyer, »Mir scheint, ich bin ein Jude«. Zum »Jüdischen« im Werk von Šostakovič, in: Osteuropa 56 (2006) H. 8, S. 75-92.

47 Viktor Nekrasov, Novye Pamjatniki [Neue Denkmäler], in: Dekorativnoe iskusstvo SSSR [Dekorative Kunst der UdSSR] 12 (1966), S. 23-27, hier S. 23.

48 Ebd., S. 24-27.

49 Der Roman erschien zunächst in drei Teilen mit starken Eingriffen in den Text in der sowjetischen Literaturzeitschrift Junostʼ [Jugend]. Siehe Anatolij Kuznecov, Babyj Jar, in: Junostʼ 8 (1966), S. 6-42; Junostʼ 9 (1966), S. 15-46; Junostʼ 10 (1966), S. 23-65. Kuznecov floh nach England, und 1970 wurde die erste unzensierte russische Ausgabe im Westen publiziert. Als deutsche Neuübersetzung mit historischer Einordnung siehe in Kürze ders., Babyn Jar. Roman eines Augenzeugen. Aus dem Russischen von Christiane Körner. Mit einem Nachwort von Bert Hoppe und Kateryna Mishchenko, Berlin 2026.

50 Vgl. Jurij Markin, Vadim Sidur. 1924–1986. Skulʼptura, Grafika [Vadim Sidur. 1924–1986. Skulptur, Grafik], Moskau 2021, S. 76-79.

51 Vadim Sidur (Anm. 36), S. 47. Eigene Übersetzung.

52 Vgl. etwa Etta Grotrian, Barfuß oder Lackschuh? Geschichtswerkstätten und »neue Geschichtsbewegung« in den 1980er Jahren, Berlin 2023.

53 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 57 (1). Schreiben Vadim Sidurs anlässlich der Errichtung des Denkmals für die Opfer der Gewalt, ins Deutsche übersetzt durch Karl Eimermacher.

54 Vgl. Gottfried Büttner, Unterwegs im 20. Jahrhundert. Erinnerungen. Begegnungen. Anekdoten, Dornach 1997, S. 282.

55 Vgl. Julia Sidur/Vladimir Volovnikov, »Vremja, kogda ne pišut dnevnikov i pisem …«. Chronika odnogo podvala. Dnevniki 1968–1973 [»Eine Zeit, in der man keine Tagebücher und Briefe schreibt …«. Die Chronik eines Kellers. Tagebücher 1968–1973], Moskau 2015, S. 671.

56 Vgl. ebd.

57 Vgl. Sidur/Eimermacher/Volovnikov, »O detaljach pogovorim pri svidanii …« (Anm. 38), S. 8, S. 13.

58 Vgl. Büttner, Unterwegs im 20. Jahrhundert (Anm. 54), S. 282.

59 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 57 (1). Eröffnungsansprache von Prof. Erich Herzog, Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, zur Vadim-Sidur-Ausstellung. Kassel, den 18.6.1972.

60 Museum Fridericianum (Hg.), Documenta 5. Befragung der Realität, Bildwelten heute. Kassel 30. Juni bis 8. Oktober 1972, Neue Galerie Schöne Aussicht, Museum Fridericianum Friedrichsplatz, Kassel 1972.

61 Edit Sasvári, Eastern Europe Under Western Eyes. The »Dissident Biennale«, Venice, 1977, in: Comparativ 24 (2014) H. 4, S. 12-22, hier S. 12 (deutsches Abstract).

62 Vgl. Sebastian Lindner, Zwischen Öffnung und Abgrenzung. Die Geschichte des innerdeutschen Kulturabkommens 1973–1986, Berlin 2015, S. 83.

63 Bürgerinitiative zur Errichtung einer Skulptur von V. Sidur in Kassel, abgedruckt in: Karl Eimermacher (Hg.), Verdeckte Dialoge im Kalten Krieg. Materialien zur Rezeption des Moskauer Bildhauers Vadim Sidur im Westen, Bd. 1, Bochum 1997, S. 60.

64 Ebd.

65 Büttner, Unterwegs im 20. Jahrhundert (Anm. 54), S. 285.

66 Undatierte Pressemitteilung der Kurhessischen Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft Kassel e.V., in: Eimermacher, Verdeckte Dialoge im Kalten Krieg (Anm. 63), S. 65.

67 Stadtarchiv Kassel, Bestand S1, Nr. 3100 »Vadim Sidur«, Brief von Gottfried Büttner an die Träger der Bürgerinitiative zur Errichtung einer Skulptur von Vadim Sidur, 12.6.1974; Sidur/Eimermacher/Volovnikov, »O detaljach pogovorim pri svidanii …« (Anm. 38), S. 35f.; Bürger möchten der Stadt moderne Plastik schenken. Spenden für Werk des sowjetischen Bildhauers Sidur, in: Hessische Allgemeine, 28.6.1974.

68 Büttner, Unterwegs im 20. Jahrhundert (Anm. 54), S. 285.

69 »Der Gefesselte« am Friedrichsplatz, in: Frankfurter Rundschau, 16.10.1974.

70 Ein Denkmal gegen die Unfreiheit, in: Hessische Allgemeine, 14.10.1974; Jonathan Steele, The Surfacing of an Underground Sculptor, in: Guardian, 25.10.1974.

71 Christina Hein, Gefesselt zur d14-Kunst. Die Kasseler Plastik von Vadim Sidur wurde posthum zur documenta-Arbeit geadelt, in: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, 14.7.2017, S. 2.

72 Auskunft der Kasseler Kulturdezernentin Dr. Susanne Völker, 9.11.2022.

73 Quinn Latimer/Adam Szymczyk (Hg.), Der documenta 14 Reader, München 2017.

74 Der Kunstbeirat der Stadt Kassel erklärte im November 2018, dass Der Gefesselte an diesem Platz »sinnstiftend« in eine erinnerungskulturelle Landschaft eingebunden werden könne. Neue Heimat für Kunstwerk. Skulptur »Der Gefesselte« steht nun auf Weinberg, in: Kassel Extra-Tip, 4.3.2020, S. 15.

75 E-Mail-Korrespondenz mit Dr. Harald Kimpel, 1.8.2025.

76 Ebd.

77 Im Kasseler Stadtzentrum befinden sich Werke von documenta-Künstlern wie Joseph Beuys’ 7000 Eichen (documenta 7, 1982) und Walter De Marias Vertical Earth Kilometer (documenta 6, 1977).

78 Dies geht aus einem Gespräch mit Dr. Harald Kimpel am 27.6.2023 hervor.

79 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 61 (1). Moskauer Bildhauer verschenkt Kunstwerk nach Berlin. Pressemitteilung des Landespressediensts Berlin, 20.9.1979.

80 Zur Rezeption siehe zeitgenössisch u.a. Friedrich Knilli/Siegfried Zielinski (Hg.), Betrifft »Holocaust«. Zuschauer schreiben an den WDR, Berlin 1982; Julius H. Schoeps, Kein Ausweg aus der Schuld? Ein Medienereignis als Lehrstück. Die »Holocaust«-Serie und ihre Wirkung auf die Deutschen, in: ZEIT, 19.11.1982, S. 15; Tilman Ernst, »HOLOCAUST«. Impulse – Reaktionen – Konsequenzen. Das Fernseh­ereignis aus der Sicht politischer Bildung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 31 (1981) H. 34, S. 3-22. Ein umfangreiches Dossier findet sich unter <https://www.bpb.de/themen/holocaust/517864/die-serie-holocaust/>.

81 Jürgen Wilke, Die Fernsehserie »Holocaust« als Medienereignis, in: Historical Social Research/Historische Sozialforschung 30 (2005) H. 4, S. 9-17, hier S. 9.

82 Martin Cüppers, Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939–1945, Darmstadt 2011.

83 Natalʼja Nolʼde-Lurʼe, Vadim Sidurʼs Book Illustrations, in: Karl Eimermacher (Hg.), Vadim Sidur. Grafika. Skulʼptura, Dnipro 2019, S. 75-78.

84 Außerdem fertigte Sidur 1965 einen Entwurf für den Grabstein des 1964 verstorbenen Grossman an, der sich in der Sammlung der Erbin Tatjana Žogličeva befindet. Bild des Grabsteins ganz unten in dieser Übersicht (dort Bild 3 von 4): Anna Grositskaya, Vadim Sidur: A Sculptor Fixated on Death, in: Art Focus Now, 16.11.2019.

85 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 61 (1). Rede Karl Eimermachers zur Aufstellung der Sidur-Plastik »Treblinka« am 14.9.1979 in Berlin.

86 Irina L. Ščerbakova, Nachbemerkungen zum Werk Wassili Grossmans, in: Wassili Grossman, Die Hölle von Treblinka, hg. vom Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien, Wien 2020, S. 77-93, hier S. 84. Siehe zu Grossman auch den Beitrag von Matthias Schwartz in diesem Heft.

87 Vasilij Grossman, Die Hölle von Treblinka. Übersetzt von Lilly Becher, in: ders., Die Hölle von Treblinka (Anm. 86), S. 27-76, hier S. 30.

88 Vgl. Dieter Pohl, Einleitung, in: Grossman, Die Hölle von Treblinka (Anm. 86), S. 9-25, hier S. 24f.

89 Jean-François Steiner, Treblinka. La révolte dʼun camp dʼextermination [Treblinka. Die Revolte eines Vernichtungslagers], Paris 1966. Vgl. Pohl, Einleitung (Anm. 88), S. 24f.

90 Angelika Benz, Handlanger der SS. Die Rolle der Trawniki-Männer im Holocaust, Berlin 2015.

91 Vgl. David Alan Rich, The Foot Soldiersʼ Final Justice: »Aktion Reinhard« Camp Guards’ Soviet Trials, 1960–1970, in: Katharina Rauschenberger/Joachim von Puttkamer/Sybille Steinbacher (Hg.), Investigating, Punishing, Agitating. Nazi Perpetrator Trials in the Eastern Bloc, Göttingen 2023, S. 246-262, hier S. 260.

92 Vgl. Pohl, Einleitung (Anm. 88), S. 24f.; James E. Young, Formen des Erinnerns. Gedenkstätten des Holocaust. Aus dem Englischen von Meta Gartner, Margit Ozvalda und Susanna Rupprecht, Wien 1997, S. 260-267.

93 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 61 (1). Brief von Karl Eimermacher an Traudbert Erbe vom 14.5.1978.

94 Ebd. Brief von Karl Eimermacher an Traudbert Erbe vom 16.10.1978.

95 Archiv des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf, Bestand: C5721_Treblinka, S. 5. Brief von Vadim Sidur an Traudbert Erbe, 20.6.1978.

96 Vgl. Verein zur Förderung des Gedenkbuches für die Charlottenburger Juden (Hg.), Juden in Charlottenburg. Ein Gedenkbuch, Berlin 2009.

97 Nikolaus Ehlert, Bericht über die Aufstellung von »Treblinka«, Deutsche Welle, 26.9.1978, in: Eimermacher, Verdeckte Dialoge im Kalten Krieg (Anm. 63), S. 234-235.

98 Vgl. Sidur/Eimermacher/Volovnikov, »O detaljach pogovorim pri svidanii …« (Anm. 38), S. 273.

99 Siehe etwa eine Gedenkveranstaltung der SPD zum 27. Januar 2022, URL: <https://www.spd-lietzensee.de/gedenken-treblinka-mahnmal/>. Im Mai 2024 war das Denkmal Treffpunkt für den Spaziergang »Spuren des Gedenkens in Charlottenburg« der Koordinierungsstelle Stolpersteine in Berlin, URL: <https://www.stolpersteine-berlin.de/de/aktuelles/4-mai-2024-erinnerungskultur-gedenken-zum-tag-der-befreiung-851945-charlottenburg>. 2009 stellte das Denkmal eine Station bei einem Kiezspaziergang des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf dar, in dem es um NS-Verbrechen in dem Stadtteil ging. URL: <https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/spazieren-und-wandern/kiezspaziergaenge/artikel.162258.php>.

100 Beschlussempfehlung »Erläuternde Infotafel für Bronzeskulptur [sic] ›Treblinka‹«, Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf vom 27.8.2020.

101 Digitale Ausstellung »Treblinka Gedenken in Berlin. Vadim Sidurs Skulptur am Amtsgerichtsplatz«, URL: <https://treblinka-gedenken-in-berlin.de/ueber/>.

102 Pressemitteilung des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf vom 27.6.2024, URL: <https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/aktuelles/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1460586.php>.

103 Gespräche mit Passant:innen am Charlottenburger Amtsgerichtsplatz im August 2021.

104 Vitalij L. Ginzburg, Skulʼptury, kotorych my ne vidim [Skulpturen, die wir nicht sehen], in: Literaturnaja Gazeta, 29.4.1986, S. 8.

105 Waltraud M. Bayer, Moscow Contemporary. Museen zeitgenössischer Kunst im postsowjetischen Russland, Wien 2016, S. 19-24.

106 Telefoninterview mit Dr. Josef Heindl, 3.5.2024.

107 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 66. Inoffizielle Veröffentlichung des Vereins zur Förderung der Aufstellung der Sidur-Plastik »Tod durch Bomben«. Darin enthalten: Josef Heindl, Die Plastik »Tod durch Bomben«. Geschenk eines russischen Künstlers an die Stadt Würzburg vom 3.11.1986.

108 Hermann Knell, Untergang in Flammen. Strategische Bombenangriffe und ihre Folgen im Zweiten Weltkrieg, Würzburg 2006, S. 3.

109 Heindl, Die Plastik »Tod durch Bomben« (Anm. 107).

110 Eimermacher/Riff, Vadim Sidur (Anm. 42), S. XXXV.

111 Sidur/Eimermacher/Volovnikov, »O detaljach pogovorim pri svidanii …« (Anm. 38), S. 301.

112 Russischer Künstler macht ein Geschenk. »Tod durch Bomben« von Sidur, in: Main-Post, 13.11.1985; Neue Plastik vor Johanniskirche. Ein Mahnmal gegen den Bombenkrieg, in: Fränkisches Volksblatt, 21.4.1993.

113 Stadtarchiv Würzburg (StadtAW), Ratsprotokolle, Nr. 731, S. 15. Protokoll der Sitzung des Kultur- und Schulausschusses am 3.6.1986.

114 Seit 1954 steht ein Mahnmal von Fried Heuler am Würzburger Hauptfriedhof. Vgl. Viviane Bogumil, Das Würzburger Mahnmal für die Opfer des Luftangriffs am 16. März 1945. Symbol der Trauer, Ort des Erinnerns, in: Stadtarchiv Würzburg (Hg.), »Dreitausend Männer, Frauen und Kinder haben wir hier zur letzten Ruhe bestattet«. Eine Dokumentation zu den Toten des Massengrabs vor dem Würzburger Hauptfriedhof und den Kriegstoten in Würzburg während der Endphase des Zweiten Weltkriegs, Neustadt an der Aisch 2020, S. 167-184.

115 Die Kiliansplastik von Claus Frenz Claussen wurde am 8. August 1981 in Würzburg installiert. Siehe dazu <https://www.buergerverein-heuchelhof.de/geschichtl-entwickl/>.

116 StadtAW, Ratsprotokolle, Nr. 731, S. 15. Protokoll der Sitzung des Kultur- und Schulausschusses am 3.6.1986.

117 Ebd.

118 StadtAW, Ratsprotokolle, Nr. 731, S. 26. Protokoll der Sitzung des Kultur- und Schulausschusses am 15.7.1986.

119 Vgl. Sidur/Eimermacher/Volovnikov, »Vremja novych nadežd …« (Anm. 29), S. 35.

120 Staatsarchiv Würzburg, 2021_008 Nr. 52-2, Vereinsakte des »Vereins zur Aufstellung der Sidur-Plastik ›Tod durch Bomben‹«, Vereinsgründungsakt und Wahl der Vorstandsmitglieder.

121 Ebd.

122 StadtAW, Dokumentation Vadim Sidur, Nr. 2, Brief von Martin Elze an das Landeskirchenamt München, Betreff: »Aufstellung eines Kunstwerks vor der Johanniskirche in Würzburg«, 15.7.1987.

123 Vgl. Sidur/Eimermacher/Volovnikov, »Vremja novych nadežd …« (Anm. 29), S. 34.

124 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 66. Brief von Martin Elze an die Firma Kunstguss Eschenburg vom 8.9.1992; Ein Mahnmal gegen den Bombenkrieg. Sidur-Skulptur aus Moskauer Atelier wird am 9. Mai nach Gedenkgottesdienst enthüllt, in: Fränkisches Volksblatt, 21.4.1993.

125 StadtAW, Dokumentation Vadim Sidur, Nr. 4, Beschwerdebriefe an Martin Elze vom 9.7.1987, 28.7.1989 und 1.8.1989.

126 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 66. Inoffizielle Veröffentlichung des Vereins zur Förderung der Aufstellung der Sidur-Plastik »Tod durch Bomben«. Darin enthalten: Guntram Beckel, Sidur, der Mahner. Plastiken in deutschen Städten.

127 Günther Flierl, Eine Bombe im Ensemble. Kritische Anmerkungen zur Plastik vor der Johanniskirche, in: Main-Post, 30.12.1993.

128 Volker Hage, Verschüttete Gefühle. Wie die deutschen Schriftsteller den Bombenkrieg bewältigten, in: Osteuropa 55 (2005) H. 4-6, S. 265-280, hier S. 279. Hage zitiert Günter Grassʼ Novelle »Im Krebsgang« von 2002.

129 Russischer Künstler macht ein Geschenk. »Tod durch Bomben« von Sidur, in: Main-Post, 13.11.1985.

130 Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, FSO 01-210/Abt.4/1, Nr. 66. Inoffizielle Veröffentlichung des Vereins zur Förderung der Aufstellung der Sidur-Plastik »Tod durch Bomben«. Darin enthalten: Guntram Beckel, Sidur, der Mahner. Plastiken in deutschen Städten.

131 Ebd. Darin enthalten: Richard Weißkopf, Die Plastik »Tod durch Bomben«: Sidurs ausgestreckte Versöhnungshand, 20.1.1987.

132 Gästebuchkommentare zur Würzburger Sidur-Ausstellung 1985, abgedruckt in: Eimermacher, Verdeckte Dialoge im Kalten Krieg (Anm. 63), S. 388f. (Zwischenblatt).

133 Vgl. Ruth Wittlinger, Taboo or Tradition? The ›Germans as Victims‹ Theme in West Germany until the early 1990s, in: William John (Bill) Niven (Hg.), Germans as Victims. Remembering the Past in Contemporary Germany, Basingstoke 2006, S. 62-75.

134 Vom 14. August bis 6. September 2015 zeigte die Moskauer Manege die Ausstellung »Skulpturen, die wir nicht sehen« unter anderem mit Werken von Sidur. Ultraorthodoxe Extremisten stürmten die Ausstellung und zerstörten »anstößige« Werke Sidurs, was die anhaltende Kontroverse um künstlerische Darstellungen von Sexualität, Religion und Gewalt in der russischen Gesellschaft belegte. Vgl. Lorena Muñoz-Alonso, Sculptures by Renowned Russian Avant-Garde Artist Vadim Sidur Destroyed by Orthodox Protesters, in: Artnet News, 17.8.2015.

135 Siehe z.B. »Vadim Sidur – Krieg und Frieden« in der Mürsbacher »THEgallery« von Thomas Eller im April 2023: <https://thegallery.art/node/96>.

136 Vgl. Alexej Alexandrov, K 100-letiju Vadima Sidura: v Dnepre na Troickoj otkryli pamjatnik »Pogibšim ot bomb« [Zum 100. Geburtstag Vadim Sidurs: In Dnipro wurde in der Troickaja-Straße ein Denkmal für die »Opfer der Bomben« enthüllt], 28.6.2024, URL: <https://dp.informator.ua/ru/k-100-letiyu-vadima-sidura-v-dnepre-na-troickoy-otkryli-pamyatnik-pogibshim-ot-bomb>.

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