Ausweisungsgrund: »Außereuropäisch«

People of Color und die Entstehung des bundesdeutschen Abschieberegimes


  1. (Post-)Koloniale Verortungen: Abschieberegime und People of Color
  2. Die Rolle der Wohlfahrtsverbände: Helfen und Abschieben
  3. Die Lokalisierung der Willkür: People of Color zwischen erratischem Ermessen und pauschalem Politisierungsverdacht
  4. Das Entwicklungsparadigma und die Verrechtlichung »moralischer« Abschiebungen
  5. Fazit

Anmerkungen

An einem Sommertag im Jahr 1984 begannen zwei Frauen in der Wartehalle der Hamburger Ausländerbehörde zu tanzen. Die Tanzenden waren Susan Mildred Tallungan Alviola und ihre Tochter Clarizze. Susan Alviola war Filipina und ihrem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland gefolgt, der sich dort nach deutschem Recht aufhalten durfte, weil er als philippinischer Seemann unter deutscher Flagge fuhr. Obwohl das Seemannsrecht einen Familiennachzug der »Seemannsfrau« und der Kinder grundsätzlich ermöglichte, sollte Alviola nach dreijährigem Aufenthalt in Hamburg mit ihren beiden minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Ihre Tanzperformance war ein Protest in eigener Sache, richtete sich aber auch gegen die Unmenschlichkeit von Abschiebungen im Allgemeinen.

Susan Alviola und ihre Tochter Clarizze bei der Vorführung des Tanzes Tinikling, hier im Kirchenasyl der St. Stephanus-Gemeinde in Hamburg. Der Tanz wurde zunächst in der Hamburger Ausländer­behörde aufgeführt. (Württembergische Landesbibliothek, Bibliothek für Zeitgeschichte, Graue Literatur D 03182, Komitee Susan Alviola [Hg.], Die Angst vor dem aufrechten Gang einer Frau – Der Kampf der Familie Alviola. Eine Dokumentation, Hamburg 1984, S. 4; Fotograf*in unbekannt)
Susan Alviola und ihre Tochter Clarizze bei der Vorführung des Tanzes Tinikling,
hier im Kirchenasyl der St. Stephanus-Gemeinde in Hamburg.
Der Tanz wurde zunächst in der Hamburger Ausländer­behörde aufgeführt.
(Württembergische Landesbibliothek, Bibliothek für Zeitgeschichte,
Graue Literatur D 03182, Komitee Susan Alviola [Hg.],
Die Angst vor dem aufrechten Gang einer Frau – Der Kampf der Familie Alviola.
Eine Dokumentation, Hamburg 1984, S. 4; Fotograf*in unbekannt)

Die Choreographie, bei der Tänzer*innen über rhythmisch bewegte Bambusstöcke hinwegsprangen, war vom philippinischen Freiheits- und Nationaltanz Tinikling inspiriert. Dieser sollte zeigen, dass es ausweglos sei, freiheitsliebende Vögel mit Bambusstöcken auf Reisfeldern einzufangen, und war aus dem Widerstand indigener Land­arbeiter*innen auf spanischen Kolonialplantagen in den Philippinen entstanden.1 Für Alviola war der Tinikling zudem eine Hommage an Familienmitglieder, die im philippinischen Freiheitskampf ihr Leben gelassen hatten.2 So setzte sie den Widerstand gegen Kolonialismus mit den Protesten gegen Abschiebungen in Beziehung. Ihr kreativer Auftritt forderte den Leiter des Hamburger Einwohnerzentralamtes heraus – und überforderte ihn sichtlich. Er stürmte aus seinem Büro und brüllte: »Frau Alviola, was sollen diese Bewegungen?«3

Im Angesicht ihrer drohenden Abschiebung brachte Alviola tatsächlich viel in Bewegung. Sie prangerte öffentlich an, dass das liberale Einreiserecht, welches sich die Bundesrepublik seit 1949 auf die Fahnen geschrieben hatte, keineswegs ein liberales Aufenthaltsrecht zur Folge hatte. Das vielzitierte liberale Einreiserecht beruhte auf dem verfassungsmäßigen und bedingungslosen Asylrecht für politisch Verfolgte (seit 1949), der Aussicht, als »Gastarbeiter*in« oder durch Familiennachzug ins Land zu kommen (seit 1955), und der visumsfreien Einreisemöglichkeit für Menschen aus 85 Ländern (seit 1953), insbesondere der »Dritten Welt«.4

Es ist bekannt, dass die bundesdeutschen Regierungen spätestens seit 1980 für den sukzessiven Rückbau der liberalen Einreisebestimmungen sorgten und dies mit der wiederkehrenden Floskel begründeten, Deutschland sei kein Einwanderungsland.5 Längerfristige Aufenthalte von Migrant*innen sollten verhindert werden.6 Die angeblich liberale und migrationsfreundliche Hamburgische Bürgerschaft tat sich dabei besonders hervor; sie wollte Alviolas Abschiebung mit allen Mitteln durchsetzen, obwohl andere »Seemannsfrauen« eine längerfristige Aufenthaltsberechtigung erhalten hatten. Forciert wurde die Abschiebung von den Innensenatoren Rolf Lange und Alfons Pawelcyk, den Bürgermeistern Hans-Ulrich Klose und Klaus von Dohnanyi (alle SPD) sowie vom Leiter des Einwohnermeldeamtes. Jeden einzelnen stellte Alviola gemeinsam mit einem bundesweiten Unterstützungskomitee zur Rede. In diesem Komitee versammelten sich bekannte Abschiebegegner*innen und Menschenrecht­ler*innen, wie der aus der DDR ausgewiesene Wolf Biermann, die früheren NS-Verfolgten Inge Meysel und Peggy Parnass, deren Eltern deportiert und ermordet worden waren, sowie einzelne Kirchengemeinden und Mitglieder der Alternativen Liste/Die Grünen. Doch die hanseatischen Vorzeigedemokraten, die meist Sozialdemokraten waren, blieben bei ihrem harten Kurs. Eine Petition für ein Bleiberecht der Familie Alviola lehnte die Hamburgische Bürgerschaft mit Stimmen der SPD und der CDU ab. Um daraufhin das Schlimmste zu verhindern, gewährte die evangelische Hamburger Stephanus-Gemeinde Susan Alviola und ihren Kindern Kirchenasyl.7

Das Schlimmste trat ein paar Wochen später ein. Am 15. November 1984 wurden Susan Alviola sowie ihre 12 und 14 Jahre alten Kinder von 60 Polizeibeamt*innen mit außergewöhnlicher Gewalt nach Manila abgeschoben. Am genannten Tag täuschte Innensenator Lange Alviola und ihre Unterstützer*innen mit einem Gesprächs­angebot, während Zivilpolizist*innen den Zugriff vorbereiteten.8 Sie sperrten einen ganzen Straßenabschnitt vor dem Gemeindehaus und verhängten ein Ausgangsverbot. Bewaffnete Polizist*innen drangen in die Kirche ein, zerrten Mutter und Kinder vom Altar weg, schleiften sie nach draußen, rissen die Familie auseinander und brachten sie in getrennten Einsatzwagen zum Abschiebeflug in Richtung Manila. Um ein Exempel zu statuieren, stand Susan Alviola nach der Abschiebung 30 Jahre lang auf einer schwarzen Liste, die ihr eine Einreise nach Deutschland verbot.9 Abgesehen von der geplanten Auslieferung des Türken Kemal Altun und dessen Suizid in West-Berlin ein Jahr zuvor erregte kein Fall so viel Aufsehen wie die Abschiebung der Familie Alviola.

Diese Abschiebung bestätigt die These von der Entliberalisierung des bundesdeutschen Migrationsregimes in den 1980er-Jahren, doch der Ausweisungsbescheid lässt auch weiter zurückliegende und tiefergehende Strukturen erkennen. In dem Bescheid informierten die Behörden Alviola, ihr Aufenthalt widerspreche dem »Belang der Bundesrepublik Deutschland, grundsätzlich Staatsangehörigen außereuropäischer Staaten keine Aufenthaltsgenehmigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu erteilen«. Da die Erwerbstätigkeit aber die Bedingung für einen dauerhaften Aufenthalt war, bedeutete diese Ausweisungsbegründung eine grundsätzliche Absage an die Präsenz von Menschen aus nichteuropäischen Staaten in der Bundesrepublik.10 Diese rechtskonforme Begründung ging auf die konstitutive Phase der bundesdeutschen Ausländerpolitik zwischen 1949 und 1980 zurück, welche von Zeitgenoss*innen zunächst als »liberale« Periode bezeichnet wurde. So verstanden schon 1949 die Verfassungsväter und -mütter den Asylparagraphen Art. 16, Abs. 2, Satz 2 im Grundgesetz als besonders »liberal« im Sinne eines »generösen« Asylrechts, dessen Liberalität forthin gegenüber der kommunistischen Welt betont wurde. Noch 1985 beschrieb es der Hamburger Innensenator als »eines der liberalsten, wenn nicht das liberalste Asylrecht« der Welt. In Bezug auf das erste westdeutsche Ausländergesetz von 1965 verkündeten Politiker*innen und Ausländerbehörden in ihrem autoritativen Kommentar ebenfalls, die Bundesrepublik habe nun »das liberalste Ausländergesetz der Welt«, und das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlingsfragen bescheinigte der bundesdeutschen Ausländerpolitik im selben Jahr, ein »Musterbeispiel internationaler Flüchtlingsgesetzgebung« zu sein.11 In großen Teilen folgte die Historiographie dieser Vorstellung von der »liberalen« Phase des westdeutschen Migrationsregimes zwischen 1949 und 1980.12

Im vorliegenden Aufsatz untersuche ich die westdeutsche Abschiebepolitik zwischen 1949 und 1989. Dabei möchte ich zeigen, dass die Ablehnung »außereuropäischer« Migrant*innen und insbesondere migrantischer People of Color, die während der Dekolonisierungsperiode in die frühe Bundesrepublik kamen, konstitutiv für die Entstehung eines bundesdeutschen »Abschieberegimes« war. Dieses Abschieberegime, so das Argument, neutralisierte das als liberal und weltoffen konzipierte Migrationsregime der frühen Bundesrepublik schon seit den 1950er-Jahren.13 Maßnahmen zur Verhinderung eines langfristigen Aufenthalts »afro-asiatischer« Migrant*innen aus dieser Zeit schrieben sich in das erste bundesdeutsche Ausländergesetz von 1965 ein, in dem sich das Abschieberegime manifestierte, aber nicht erschöpfte.

Die Bedeutung migrantischer People of Color (PoC) für die Entstehung des westdeutschen Abschieberegimes wird nach einer Einführung dieser Konzepte und ihrer Verortung zwischen (post-)kolonialen Kontinuitäten und (post-)migrantischen Interventionen (1.) am Beispiel der postfaschistischen Wohlfahrtsverbände dargestellt, welche in der frühen Bundesrepublik PoC betreuten, überwachten, zentral erfassten und rückführten (2.). Zudem wird untersucht, wie »Außereuropäer*innen« aus sich dekolonisierenden Ländern in der behördlichen Ausweisungspraxis sowohl durch lokale Willkürentscheidungen der Kommunen als auch durch verallgemeinernde Vorannahmen über eine angeblich außergewöhnliche Politisierung und Hinterlistigkeit abschiebbar gemacht wurden (3.). Schließlich wird gezeigt, wie sich bundesdeutsche Behörden bei Dekolonisationsdebatten, Entwicklungsdiskursen und tradierten Geschlechterrollen bedienten, um Abschiebungen von »Außereuropäer*innen« pseudo-moralisch zu rechtfertigen und so natürlich erscheinen zu lassen, dass sie als belastbare Begründungen Eingang in das erste deutsche Ausländergesetz von 1965 finden konnten, ja sogar von PoC selbst angeeignet werden und zu deren »freiwilliger« Rückkehr führen konnten (4.).

1. (Post-)Koloniale Verortungen:
Abschieberegime und People of Color

Das von den soziologischen Deportation Studies inspirierte Konzept des Abschieberegimes weist über das verschriftlichte Ausländer- und Ausweisungsrecht hinaus.14 Das Abschieberegime wirkte auf drei Ebenen: Erstens basierte es auf einer diskursiven und praxeologischen Herstellung von Abschiebbarkeit, die Abschiebungen als normal und gerechtfertigt erscheinen ließ und auch dann wirksam wurde, wenn Abschiebungen aufgrund ihrer Kosten gar nicht durchgeführt werden konnten.15 Alltagsrassismus bildete den Kern dieser diskursiven Praxis, selbst wenn im Nachkriegsdeutschland kolportiert wurde, Rassismus sei mit den Nazis verschwunden.16 Heide Fehrenbachs These, dass nach 1945 insbesondere Schwarze Menschen weiterhin offen rassistisch diskriminiert werden konnten, weil sie nicht als typische Opfergruppe von NS-Verfolgungen galten, könnte deren spezifische Rückführbarkeit erklären.17 Allerdings betraf die diskursiv-praxeologische Herstellung von Rückführbarkeit genauso die Opfergruppen der Sinti*zze und Rom*nja oder Homosexuelle, deren Mobilität oder Sexualität auch in der Bundesrepublik pathologisiert wurde, um ihre Abschiebung »plausibel« zu machen.18 Während also rassistische Muster fortwirkten, möchte ich zeigen, dass das westdeutsche Abschieberegime nach 1945 zur Moralisierung, Rationalisierung und Normalisierung von Rückführungen tendierte. Indem suggeriert wurde, dass Abschiebungen weder rassistisch noch nationalistisch motiviert seien, sondern vielmehr die Heimkehr eine weltweit akzeptierte Norm sei und einem Naturgesetz gleichkomme, sollten »Rückführungen« gerecht erscheinen. Vor dem Hintergrund dieser Herstellung von »Rückführbarkeit« konnte auch die »freiwillige« Rückkehr von Migrant*innen gefördert und gefordert werden.19 Rassismus tauchte in diesem Abschieberegime seltener explizit im Diskurs auf, bestimmte es aber weiterhin in der Praxis.

Zweitens schufen Ausländerbehörden, Wohlfahrtsverbände und kirchliche Organisationen auf dieser Grundlage ein institutionalisiertes Abschieberegime. Kirchliche Träger, Stiftungen und Wohlfahrtsverbände betreuten üblicherweise »afro-asiatische« Migrant*innen. Dabei kombinierten sie Praktiken der Wohlfahrtspolitik gegenüber »Vagabundierenden« und »Arbeitsscheuen« aus dem 19. Jahrhundert, der NS-Paranoia gegenüber undisziplinierten Jugendlichen und der Entwicklungshilfe gegenüber Ländern der »Dritten Welt«.20 Durch die Verbindung von Hilfs- und Rückführungsangeboten, die sich auch in Programmen »freiwilliger« Rückkehr manifestierten, gaben Wohlfahrtsverbände den Abschiebungen einen humanitären Anschein. Dabei waren solche Angebote meist nur ein Mittel, um hohe Kosten für Abschiebungen einzusparen.

Drittens beschränkte sich die rechtliche Dimension des Abschieberegimes zunächst auf Ermessensentscheidungen, die den kommunalen Ausländerbehörden überlassen blieben. Im Stile eines Maßnahmenstaates begründeten Behörden Ausweisungen und Abschiebungen üblicherweise mit der apodiktischen Floskel aus dem 19. Jahrhundert, die Anwesenheit des oder der Auszuweisenden widerspreche den »Interessen« oder »Belangen« der deutschen Gesellschaft.21 Mit der Möglichkeit des Rechtswegs zur Korrektur solcher Ermessensentscheidungen und in Reaktion auf die kriteriengeleitete Zentralisierung von Asylentscheidungen differenzierten Behörden aber ihre Ausweisungsbegründungen. In diesem Kontext bildete sich eine selbst für Jurist*in­nen schwer durchschaubare, ständig wandelbare Gesetzeslage in Form von Asyl- und Ausländergesetz, Durchführungsvereinbarungen, Verwaltungsvorschriften, Zusatzverordnungen, polizei- und behördenrechtlichen Routinen, konsularischen Lageberichten über die Herkunftsländer sowie Revisions- und Präzedenzurteilen der Verwaltungsgerichte.22 Willkürmaßnahmen blieben dabei aus migrantischer Sicht der Alltag, während Behörden vermehrt darauf achteten, ihre Entscheidungen als rechtskonform und moralisch integer darzustellen. Dieser Verrechtlichungs- und Moralisierungsprozess wird im vorliegenden Beitrag dargestellt.

Das Abschieberegime der Bundesrepublik bildete sich an und gegen Migrant*innen aus »afro-asiatischen« Ländern, die sich oft im Prozess der Dekolonisierung befanden. Die historiographischen Standardwerke zur deutschen Ausländerpolitik heben einstimmig deren spezifische Abschiebbarkeit hervor.23 Denn im Gegensatz zu Asylsuchenden aus dem kommunistischen »Ostblock« und »Gastarbeiter*innen« wurden in der frühen Bundesrepublik vor allem »afro-asiatische« Migrant*innen konsequent ausgewiesen und häufig auch abgeschoben.24

Diese vom Abschieberegime besonders betroffenen Menschen werden hier als (immer migrantische) People of Color (PoC) bezeichnet. Gerade weil der Ausdruck zeitgenössisch noch nicht existierte, eignet er sich als Analysebegriff. Er beschreibt sehr treffend Migrant*innen, die aus sich dekolonisierenden Ländern bzw. der »Dritten Welt« nach Europa kamen und aufgrund ihrer kollektiven Diskriminierungserfahrung durch Versklavungsdeportation, Kolonisierung, Rassismus oder postkoloniale Unterdrückungsdiktaturen oft einen besonderen Gerechtigkeitssinn, eine antikoloniale Agency und deshalb eine emanzipative Politisierung entwickelten.25 Wie im Folgenden gezeigt wird, waren diese Eigenschaften teils auch Zuschreibungen durch Europäer*in­nen und damit einschlägig für die Herstellung ihrer Abschiebbarkeit. Durch die zusätzliche Kategorisierung von PoC als »nicht-weiß« und Racial Profiling wurde ihre Abschiebbarkeit weiter erhöht, für deren Umsetzung auch (Polizei-)Gewalt als legitim betrachtet wurde.26 Wie Miltiadis Oulios in seiner wegweisenden Studie zum deutschen Abschieberegime betont hat, ließen sich PoC aber trotz Entrechtung und Gewaltanwendung nicht auf einen passiven Körper reduzieren, sondern konnten sogar während der gewaltsamen Abschiebung eben diesen stigmatisierten Körper zum Medium des politisierten Widerstandes machen.27

Auch Susan Alviola erklärte rückblickend mit den Worten »I am a Person of Color. That is obvious and definite« die außergewöhnliche Gewalt bei ihrer Abschiebung.28 Ihr Widerstand wurde nicht nur durch einen (post-)migrantischen, sondern zugleich durch einen (post-)kolonialen Kontext geprägt, der den Beteiligten nur partiell bewusst war und sich nicht allein im geschilderten Tinikling ausdrückte. Susan Alviolas Ehemann Emilio arbeitete seit 1971 als Seemann für die Reederei Laeisz,29 deren Vorstände im 19. Jahrhundert die deutsche Kolonialbewegung mitbegründet hatten und an verschiedenen kolonialen Schifffahrtsunternehmen beteiligt waren. Weit bis ins 20. Jahrhundert warb Laeisz für die »Förderung deutscher kolonialer Tätigkeit im Auslande« und heuerte »Eingeborene« als Besatzung für seine »Bananenfahrten« zu Plantagen in Kamerun und Südamerika an.30 In der Kolonialzeit wurde solchen »farbigen Seeleuten«, die bis zu 18 Prozent der Besatzungen ausmachten, in deutschen Häfen aus »rassenhygienischen« Gründen meist der Landgang verweigert, was zu großen psychischen Belastungen und Selbstmordserien unter ihnen führte.31

Nach 1945 setzte sich die Ausbeutung fort und richtete sich vorrangig gegen philippinische Seeleute. Mitte der 1980er-Jahre standen rund 200.000 Filipinos in Diensten westlicher Schifffahrtsnationen, für die sie von dubiosen und ausbeuterischen Agenturen rekrutiert wurden. In Westdeutschland erkämpften sie eine temporäre Aufenthaltserlaubnis, ihr Leben blieb aber durch außertarifliche Drückerlöhne und eine permanente Ausweisungsdrohung prekarisiert.32 Wie viele Seeleute war Emilio Alviola zunächst »als ausländisches Besatzungsmitglied eines die Bundesflagge führenden Seeschiffes« und Inhaber eines Seefahrtsbuches von der Notwendigkeit einer Aufenthaltserlaubnis befreit, »sofern er sich in Ausübung oder im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Besatzungsmitglied eines Schiffes im Geltungsbereich des Ausländergesetzes aufhält«.33 Sobald sein Arbeitsverhältnis erlosch oder die Flagge des Schiffes wechselte, verwirkte er aber jegliche Aufenthaltserlaubnis. Dies passierte Seeleuten häufig und plötzlich, da ihr Heuerverhältnis auf Leiharbeit und Werkverträgen basierte. Bei Krankheit wurden sie zudem gekündigt und umgehend ausgewiesen. Im Fall Emilio Alviola beendete eine unverschuldete Kündigung sein Arbeitsverhältnis mit der Reederei Laeisz. Als »Seemannsfrau« wurde Susan Alviola lediglich in Abhängigkeit zu ihrem Ehemann gesehen und nicht als eigenständige juristische Person. Ihre Ausweisung hatten die Hamburger Behörden trotzdem schon früher in die Wege geleitet. Ein Familiennachzug wurde einigen Seeleuten zwar gestattet, blieb aufgrund widersprüchlicher Regelungen und einer unklaren Rechtslage jedoch ein Vabanquespiel. Die bundesdeutsche Botschaft in Manila hatte Susan Alviola versichert, ihr Nachzug sei rechtmäßig. Die Hamburger Behörden sahen dies aber nicht so und ordneten ihre Abschiebung an.34

Die Rechtsgrundlage dafür war also bestenfalls undurchsichtig – das Seemannsgesetz hätte man auch im Sinne einer dauerhaften Aufenthaltsberechtigung auslegen können. Vor diesem Hintergrund verdeutlicht der Fall Alviola, warum hier eher von einem Abschieberegime als von einem Ausweisungsregime die Rede ist. Denn behördliche Ausweisungen (Anordnung der Ausreise) waren als Ermessensentscheide meist unberechenbar und selten nachvollziehbar, sodass Migrant*innen oft lange auf deren gerichtliche oder gesellschaftspolitische Revision hofften, bis die gewaltsame Abschiebung (Erzwingung der Ausreise) unausweichlich war. Da Gerichtsverfahren zunächst keine aufschiebende Wirkung hatten, fanden Abschiebungen oft statt, bevor überhaupt klar war, ob die Ausweisung rechtskonform war.

Insgesamt wirkten koloniale Muster in der Konzeption und Praxis deutscher Ausländerpolitik epochenübergreifend und damit diachron fort, doch war der synchrone Kontext weitaus bedeutender für die Entstehung des postkolonialen Abschieberegimes der Bundesrepublik. Während die Ablehnung von PoC auf koloniale und rassistische Praktiken zurückzuführen ist, war es vor allem der konkrete Zusammenhang der Dekolonisation, der sich im Abschieberegime abbildete. Dies zeigte sich schon in den 1950er-Jahren.

2. Die Rolle der Wohlfahrtsverbände:
Helfen und Abschieben

In den späten 1950er-Jahren wurden PoC aus sich dekolonisierenden Ländern in der Bundesrepublik als spezielle Problemgruppe identifiziert. Diese kamen aus Afrika und Asien meist visumsfrei als Studierende und Auszubildende in die Bundesrepublik.35 Sie reisten selbstständig ein oder wurden von Firmen, Stiftungen, Gewerkschaften, Genossenschaften, Bundesländern sowie von supranationalen Organisationen wie der EWG oder der OECD eingeladen.36 Auch der DAAD und die Hochschulen rekrutierten spätestens seit 1956 vermehrt in Afrika und Asien. Die staatlich bezuschusste Afrika-Gesellschaft und die Carl-Duisberg-Gesellschaft übernahmen oft die Betreuung. Ende der 1960er-Jahre waren rund 12.000 PoC an westdeutschen Universitäten eingeschrieben. Sie machten die Hälfte aller ausländischen Studierenden aus – und fast vier Prozent der Gesamtstudierendenzahl.37 Dazu kamen tausende Auszubildende. So begann der Internationale Bund für Sozialarbeit, Jugendsozialwerk e.V. im selben Jahr wie der DAAD mit der Rekrutierung von Auszubildenden aus dem Globalen Süden. 1964 hieß es in einem Protokoll: »Seitens des [Internationalen] Bundes habe man 1956 mit der Ausbildung von ca. 300 ägyptischen Praktikanten begonnen. Diese Zahl habe sich bis 1963 auf 2.713 aus 69 verschiedenen Entwicklungsländern erhöht.«38

Auszubildende und studierende PoC gerieten allerdings oft in finanzielle Schwierigkeiten und wurden hilfsbedürftig. Anfang der 1960er-Jahre warnte deshalb das Diakonische Werk in Frankfurt am Main vor dem Problem der »Afro-Asiaten in ihrer zum Teil erschütternden Lage«. Diakonie-Vertreter*innen klagten: »Zu unseren schwierigsten Aufgaben gehört die Arbeit an den Studienbewerbern aus den Entwicklungsländern. Ihre Lage und ihre Not hat vielerlei und vielfältige Komponenten. Man muß sich schon sehr intensiv einsetzen, um diese Menschen, die in ihrem Kern gewiß nicht asozial oder krank sind, vor dem Abgleiten in Bezirke unserer Gesellschaft zu bewahren, in denen sie verkommen.«39 Die oberflächliche Ablehnung von Kategorien aus der NS-Wohlfahrtspolitik, wie diejenige der »Asozialen«, konnte kaum über die anhaltende sozial­darwinistische und antiliberale Denkweise hinwegtäuschen. Westdeutsche Wohlfahrtsverbände stimmten auch darin überein, dass die dramatische Lage der Afrikaner*innen und Asiat*innen eine Folge der »liberalen« Visumspolitik in der Bundesrepublik sei: »Man preist die Freiheit in unserem Lande und gewährt den von ihr aus Unverständnis und Not angezogenen jungen Menschen das Privileg, in Freiheit zu verhungern, kriminell oder entehrt zu werden.«40

Die politisch Verantwortlichen fühlten sich lange nicht zuständig, stellten 1967 aber mit etwas Verspätung fest: »Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich in einigen deutschen Großstädten eine erhebliche Anzahl von jungen Leuten aus außereuropäischen Entwicklungsländern aufhält, die in das Bundesgebiet eingereist sind in der Hoffnung, hier eine gehobene Ausbildung zu erhalten, nach dem Scheitern ihrer Pläne zu einer Rückkehr in ihre Heimat aus eigenem Antrieb nicht Willens oder aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht in der Lage sind und bei ihrem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet oft menschenunwürdigen Lebensverhältnissen ausgesetzt sind.«41 Dabei verschwieg die Regierung die nicht unbedeutende Tatsache, dass sie nichteuropäischen Ausländer*innen eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich verwehrte, was paradoxerweise gleichzeitig als Ausweisungsgrund angeführt wurde – wie im Fall Susan Alviolas.42 PoC waren von einer (Gast-)Arbeit im Niedriglohnsektor genauso ausgeschlossen wie von einkommensstarken Berufen, selbst wenn sie entgegen aller Diskriminierung einen universitären Abschluss erreichten. Berufsverbote galten seit der frühen Bundesrepublik unter anderem für außereuropäische Ärzt*innen, Apotheker*innen, Notar*innen, Anwält*innen, bestimmte Ingenieur*innen oder Pilot*innen.43 Selbst mit einer abgeschlossenen Ausbildung landeten deshalb laut den Wohlfahrtsverbänden viele in illegalisierten Parallelwirtschaften oder gar auf der Straße.44

Der kolportierte Zusammenhang von Fremdheit, Arbeitslosigkeit, Armut, Wohnungslosigkeit und Delinquenz ging auf die Pauperismus- und Vagabundismusbekämpfung des 19. Jahrhunderts zurück und veranlasste Wohlfahrtsverbände, wie damals Ausweisungen und Abschiebungen zur Problemlösung anzubieten.45 Beim Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1965 spiegelte sich diese Tradition im § 10, Abs. 8 wider, welcher die Ausweisung eines Ausländers vorschrieb, wenn »er bettelt, der Erwerbsunzucht nachgeht oder als Landstreicher und Landfahrer umherzieht«.46 Die Diskussion um die Wohnungslosigkeit vieler PoC in den frühen 1960er-Jahren lieferte dafür Argumente. Im Allgemeinen waren PoC von der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt weitaus mehr betroffen als »Gastarbeiter*innen« oder Asylbewerber*innen, da sie weder in »Ghettos« noch in Aufnahmelagern ein Dach über dem Kopf bekamen.47 So lebten 1962 zwei Drittel der »Gastarbeiter*innen« in Wohnheimen, die vom Arbeitgeber gestellt wurden.48 Im Gegensatz zu ihnen migrierten PoC meist individuell, wodurch sich keine diasporische Infrastruktur ausbildete, welche sie auf einem spezifisch migrantischen Wohnungsmarkt hätte auffangen können. Schließlich kamen PoC zwar oft mit einem Geldvorschuss ihrer Familie oder Community nach Deutschland, waren aber mittellos, sobald dieser aufgebraucht war.49 Da Universitäten und Ausbildungsstätten selten Sprach- oder Integrationskurse anboten und ein struktureller color bar erfolgreiche Abschlüsse oft verhinderte, brachen viele PoC ihre Ausbildung ab. Sie verwirkten damit das Anrecht auf eine Unterkunft in Universitäts- oder Ausbildungswohnheimen.50

10. April 1963, Bad Godesberg-Mehlem, afrikanische Studenten der Technischen Hochschule Hannover in den Ringsdorff-Werken. Damalige Bildbeschreibung: »Ausländische Praktikanten in der Bundes­republik Deutschland: Die Bundesregierung, Länder und Kommunen haben in den letzten Monaten zunehmend Programme für die Fortbildung von Praktikanten aufgestellt oder sonstige finanzielle Förderung gewährt. Praktikanten kamen aus Asien, Afrika und Südamerika. Um den Erfolg der Fort­bildung zu erhöhen, werden schon möglichst gut vorgebildete Praktikanten ausgewählt. Die Ausbildungsprogramme werden verbessert, indem zweckvoll abgestimmte Praktika in mehreren Lehrgängen ergänzt werden. Im Jahre 1962 wurden in Zusammenarbeit mit den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern 2.613 Praktikanten vermittelt.« (Bundesarchiv, B 145 Bild-F015277-0002, Foto: Simon Müller)
10. April 1963, Bad Godesberg-Mehlem, afrikanische Studenten der Technischen Hochschule Hannover in den Ringsdorff-Werken. Damalige Bildbeschreibung: »Ausländische Praktikanten in der Bundes­republik Deutschland: Die Bundesregierung, Länder und Kommunen haben in den letzten Monaten zunehmend Programme für die Fortbildung von Praktikanten aufgestellt oder sonstige finanzielle Förderung gewährt. Praktikanten kamen aus Asien, Afrika und Südamerika. Um den Erfolg der Fort­bildung zu erhöhen, werden schon möglichst gut vorgebildete Praktikanten ausgewählt. Die Ausbildungsprogramme werden verbessert, indem zweckvoll abgestimmte Praktika in mehreren Lehrgängen ergänzt werden. Im Jahre 1962 wurden in Zusammenarbeit mit den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern 2.613 Praktikanten vermittelt.«
(Bundesarchiv, B 145 Bild-F015277-0002, Foto: Simon Müller)

Die aus der Wohlfahrtslogik des 19. Jahrhunderts überkommene Pathologisierung und Kriminalisierung des »mobilen Anderen« wurde mit NS-Phobien und Nachkriegs­ängsten vor einer führungslosen Jugend angereichert und bezogen auf PoC aktualisiert. Da die meisten Personen dieser Gruppe sehr junge Erwachsene und aufgrund ihrer antikolonialen Haltung potentiell antiautoritär waren, »migrantisierten« Wohlfahrtsverbände ihre Diskurse über die »Verwahrlosung« und die Jugenddelinquenz. Verbände wie der aus der Hitlerjugend hervorgegangene Internationale Bund für Sozialarbeit, aber auch kirchliche Träger der Wohlfahrtsarbeit erklärten den »Notstand« der jungen PoC zur Bedrohung für die »Volksgesundheit«.51 Sie organisierten sich Anfang der 1960er-Jahre in Frankfurt am Main, wo das Problem auch wegen der Nähe des internationalen Flughafens besonders drängend erschien, um die jugendlichen PoC von der Straße zu holen und auf eine »Rückführung« vorzubereiten.52

Aus der Initiative der Wohlfahrtsverbände entstand 1963 der »Arbeitskreis für Ausbildungssuchende aus Übersee« (AKAÜ); zu ihm gehörten unter anderem der Internationale Bund für Sozialarbeit, Diakonie und Caritas, das Kirchliche Außenamt der EKD und Entwicklungshilfeorganisationen wie die »Weltweite Partnerschaft Hessen e.V.«. Bezeichnenderweise waren im AKAÜ auch diejenigen Organisationen vertreten, welche PoC überhaupt erst zur Ausbildung in die Bundesrepublik geholt hatten und danach die Kontrolle über sie verloren. Zu ihnen zählten neben der Carl-Duisberg-Gesellschaft auch die Technische Universität München und der bereits genannte Internationale Bund. Vertreter*innen von Ministerien, Behörden und Ausländerpolizei kamen zu einzelnen Sitzungen des AKAÜ hinzu. Der oft als »Frankfurter Modell« bezeichnete AKAÜ ging bald weit über den Frankfurter Einzugsbereich hinaus.53

Eine Schlüsselrolle spielten also die Wohlfahrtsverbände, an welche die Bundesregierung die Betreuung der »afro-asiatischen« Migrant*innen delegierte und ihnen damit die Verantwortung zuschob. In den 1960er-Jahren unterhielten Caritas, Diakonie und das Deutsche Rote Kreuz 39 der insgesamt 49 Beratungsstellen für Migrant*innen in westdeutschen Städten.54 Auf regelmäßigen Tagungen koordinierten Regierungen und Verbände ihre Tätigkeit, zum Beispiel in der Evangelischen Akademie im Kloster Loccum. Bei einer Tagung von 1966 betonte der Ministerialdirektor Gerhard Heuer, welcher im Innenministerium für Migrationsfragen zuständig war, die Versorgung afrikanischer und asiatischer Migrant*innen liege nicht im Aufgabenbereich seines Hauses. Im Protokoll des AKAÜ hieß es dazu: »[…] es wurde über die Tagung in Loccum berichtet, auf der auch Herr Dr. Heuer vom Bundesministerium des Innern zu Rechtsfragen Stellung genommen hat.« Zur Betreuung der Migrant*innen habe er auf dieser Tagung verlauten lassen: »Das ist nicht my Baby!« Und der AKAÜ resümierte: »Gemäß Kloster Loccum ist der neue Ausspruch ›Jedem Sozialverband sein Neger!‹ Unsere Arbeit an diesem Problem ist ja dadurch entstanden, daß wir nicht jedem Sozialverband einen Neger zuordnen möchten. Die Starrheit der Haltung der Bundesbehörden ist ja die Veranlassung dazu, daß die Verbände überhaupt tätig geworden sind.«55 Die abwertende Sprache und Verdinglichung Schwarzer Menschen zeigen, dass die Wohlfahrts- und Sozialverbände den Rassismus der Regierungs­vertreter*innen teilten. Die Verbände sprangen schließlich für den Staat ein, um »Rückführungen« vorzubereiten. Der AKAÜ kooperierte dafür eng mit den Behörden in Frankfurt, mit den Innenministerien in Hessen und Bonn sowie mit dem Doyen des bundesdeutschen Ausländerrechts Werner Kanein, der als Staatsminister im bayerischen Innenministerium erheblichen Einfluss auf die Ausländergesetzgebung hatte.

Seit den frühen 1960er-Jahren forderten die AKAÜ-Wohlfahrtsverbände, die eigentlich für die »Eingliederungshilfe« und Wohnungssuche von Migrant*innen verantwortlich sein sollten, eine »zentrale Referenzkartei« – vor allem um PoC zu kontrollieren, zu registrieren und letztlich rückzuführen.56 Eine zentralisierte Registrierung war in der Bundesrepublik der 1950er-Jahre zwar bei den Displaced Persons und bei den frühen »Gastarbeiter*innen« üblich, nicht aber bei den visumsfrei eingereisten außereuropäischen Studierenden und Auszubildenden.57 Dementsprechend beklagte sich der AKAÜ 1964, dass bei einer rudimentären Erfassung in Frankfurt unter den »›illegalen‹ Ausbildungsbewerbern aus Übersee allein 22 Nigerianer registriert wurden, die keine Sicherung ihres Lebensunterhalts besitzen. Die Zahl der unkontrolliert und ohne Sicherung durch irgendwelche Stipendien oder Ausbildungsprogramme sich bereits in Frankfurt aufhaltenden Nigerianer muss erheblich grösser sein. Alle mit den Fragen der ausländischen Studenten und Praktikanten befassten Stellen sind über die ›Nigerianer-Schwemme‹ besorgt.«58 Unter solchen rassistischen Vorzeichen entstand die Forderung nach einer systematischen und zentralen Registrierung, die seit dem Ersten Weltkrieg weltweit zur Grundbedingung jeglicher Migrationssteuerung erklärt worden war. Sie produzierte unweigerlich Illegalität und Abschiebbarkeit.59

Mit ihrer Initiative rannten die nominell migrationsfreundlichen Wohlfahrtsverbände offene Türen bei den migrationsskeptischen Behörden und der Ausländerpolizei ein. Um die Kooperation zu stärken, nahm der AKAÜ Kontakt zum Landesarbeitsamt in Hessen auf. Schließlich lobte der Arbeitskreis im Dezember 1964 die »vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Fremdenpolizei, die durchaus bereit und in der Lage ist, den Einrichtungen und Verbänden, die im Arbeitskreis zusammengeschlossen sind, […] zu helfen«.60 Kanein, der gegenüber dem AKAÜ regelmäßig sein Interesse an der bundesweiten »Auffangkartei« und an persönlichen Daten der Migrant*innen betonte, regte dazu eine eigene Arbeitsgemeinschaft an. In seinem Zuständigkeitsbereich in München-Pasing gab es schon einen Modellversuch für ein Ausländerzentralregister, welches dem Arbeitsamt zugeordnet war.61

Wohlfahrts- und Sozialverbände schienen den Behörden die idealen Partner bei der Erfassung und Rückführung von Migrant*innen zu sein, weil diese als Hilfsorganisationen eine positive Kontrolle ausüben konnten. Ganz im Sinne von Gérard Noiriels These der Korrelation zwischen Helfen und Überwachen im Umgang mit »Fremden« boten die Wohlfahrtsverbände Wohnmöglichkeiten, Clubs und Essensausgaben an.62 Zudem stellten sie Rechtshilfen mitsamt einer »Vertretung vor Gericht gegenüber der Fremdenpolizei« in Aussicht und brachten sogar eine Arbeitserlaubnis in Spiel, die zwar theoretisch möglich war, aber praktisch kaum erteilt wurde.63 Durch solche Angebote sollten die Migrant*innen regelrecht geködert und erfasst werden.

Der AKAÜ stellte den staatlichen Institutionen damit einen Zugriff auf migrantische PoC zur Verfügung, welche die Ausländerbehörden selbst weder quantitativ noch qualitativ erreichen konnten: Das Diakonische Werk allein offerierte »dreißig Beratungsstellen von uns in Hessen-Nassau«, die durch ihre materiellen und beratenden Hilfsangebote oft direkten und vertrauensvollen Zugang zu den PoC hatten.64 Die Wohlfahrtsverbände leiteten die Daten der PoC an die Behörden weiter, wie zum Beispiel in Frankfurt: »Es war uns immer klar, daß die Stadt an Namen und Adressen des von uns betreuten Personenkreises interessiert ist. Ich wiederhole nochmals schriftlich meine Versicherung, daß alle Mitglieder des Frankfurter Arbeitskreises stets dafür Sorge tragen, daß die Anmeldung erfolgt und damit eine geordnete Arbeit der Ausländerbehörden ermöglicht wird.«65

Als oberstes Ziel des Ausländerzentralregisters formulierten der AKAÜ und die Ausländerbehörden die »Rückführung« von Migrant*innen. Auch dieses Ziel nahm die Form eines Hilfsangebots an, indem man Migrant*innen versprach, ihren »Abtransport in die Heimat – ohne Polizei« zu organisieren.66 Intern beschloss man: »In Fällen, in denen alle Bemühungen um einen Ausbildungssuchenden scheitern und ein sinnvolles Verbleiben in der BRD keinesfalls mehr möglich ist, soll durch ein ›kollegiales‹ Übereinkommen zwischen den Teilnehmern des Arbeitskreises eine Rückführung in die Heimat veranlasst werden.« Der Internationale Bund für Sozialarbeit und die Carl-Duisberg-Gesellschaft sollten diese Fälle der »Ausländerzentralkartei bei der Arbeitsamtsnebenstelle München-Pasing« bekannt machen und auch »im Zusammenhang mit Asylsuchenden […] in großer Eigenverantwortung« handeln.67 De facto hatten die Wohlfahrtsverbände keine finanziellen und infrastrukturellen Mittel zur Durchführung von nicht-staatlichen Abschiebungen, sodass letztendlich doch die Polizei involviert werden musste. Im Rahmen der Kodifizierung des Ausländergesetzes beschloss die Innenministerkonferenz 1965, Ausgewiesene tatsächlich abzuschieben und sie nicht wie zuvor teilweise zu legalisieren.68

So etablierte sich langsam eine Registrierungsroutine, die dann schrittweise gesetzlich verankert wurde und in der Aufhebung sichtvermerksfreier Einreise für PoC kulminierte. Spätestens seit 1980 wurden diese dann schon bei der Einreise vollständig registriert. Als das Ausländerzentralregister 1973 erste bundesweite Aussagen erlaubte, wurde klar, dass offiziell nur 1,7 Prozent der vier Millionen Ausländer*innen in Westdeutschland aus Afrika und 2,8 Prozent aus Asien stammten. In absoluten Zahlen kamen in diesem Jahr 69.300 Menschen aus Afrika und 113.900 aus Asien. 1982 hielten sich offiziell schon 124.000 Menschen aus Afrika und 254.500 aus Asien in Westdeutschland auf.69

Es ist aber anzunehmen, dass durch das Ausländerzentralregister eine verlässliche Zählung der PoC eher verhindert wurde und diese nicht erschöpfend erfasst werden konnten. Denn die Kontroll- und Erfassungsinitiative sprach sich unter den PoC herum, sodass sie die Hilfsangebote der Wohlfahrtsverbände nicht mehr in Anspruch nahmen. Der AKAÜ berichtete, es seien viele »Fälle Ausbildungssuchender« bekannt, »die weder abgeschoben noch legalisiert werden, weil sie verschwinden, untertauchen, nun auch nicht länger zu den Hilfsorganisationen kommen, da sie keine Hoffnung mehr haben, daß es außer der Schande einer Heimschaffung noch eine menschenwürdige Lösung für sie gibt«.70 Schätzungen zufolge lebten deshalb zum Beispiel 1974 nicht nur die vom Register erfassten vier Millionen, sondern sechs Millionen Aus­länder*innen in der Bundesrepublik.71

Schon 1973 ließen sich aus dem offiziellen bundesweiten Ausländerzentralregister aber weitergehende statistische Aussagen hinsichtlich der Abschiebbarkeit von PoC gewinnen. Denn im Ausländerzentralregister wurden sie nicht nur nach nationaler Herkunft, sondern auch nach Geschlecht, Alter, Umverteilung und Aufenthaltsdauer erfasst. Demnach hatten Afrikaner*innen und Asiat*innen eine weitaus kürzere Aufenthaltsdauer als der Durchschnitt aller Ausländer*innen in der Bundesrepublik. 55 Prozent der Afrikaner*innen und 67,6 Prozent der Asiat*innen blieben weniger als sechs Jahre, gegenüber 32,2 Prozent aller Ausländer*innen insgesamt. Somit bildeten Menschen aus Afrika und Asien mitunter die Ausländer*innengruppe, die am kürzesten in der Bundesrepublik blieb oder bleiben durfte.72 Dabei sollte beachtet werden, dass Asylverfahren nach der Schließung des Sammellagers der Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf 1974 wegen Überfüllung mehrere Jahre dauerten. So verlängerten die (allerdings wenigen) PoC, welche Asyl beantragten, die statistische Aufenthaltsdauer der Gesamtgruppe, obwohl ihre Abschiebung beschlossene Sache war.73 Der Aufenthalt von PoC blieb in den 1970er- und 1980er-Jahren weiterhin kurz, sodass die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz von 1978 festgelegte Fünfjahresfrist nicht griff, nach der »bei der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (besonders Arbeitserlaubnis nach § 2 Arbeitserlaubnis VO, Sprachkenntnisse, angemessene Wohnung) eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wird«.74 Bei den meisten PoC war deshalb klar, dass sie das Land schnell wieder verlassen mussten und überproportional häufig abgeschoben wurden. Allein in der Stadt Frankfurt, wo PoC durch den AKAÜ zur besonderen Zielgruppe geworden waren, wurden zum Beispiel 1967 »etwa 20-60 Personen im Monat abgeschoben«.75

Dafür vereinbarte der AKAÜ mit der Ausländerpolizei 1965 das folgende Vorgehen, welches Helfen und Überwachen verband: Der AKAÜ verkündete, »im Falle Ausweisungsreifer [sic] zu erklären, daß der Frankfurter Arbeitskreis [AKAÜ] seine schützenden Hände von einem Ausbildungssuchenden zurückzieht«. Der AKAÜ würde dann mit der auszuweisenden Person zur Ausländerpolizei gehen, wo der Betroffene »eine klare und energische Belehrung über seine legale Situation erhalten [solle], ohne jedoch sofortigen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. […] Wenn er sich nicht an die Belehrung der Ausländerpolizei hält, wird diese die Ausweisung einleiten. Der Ausbildungssuchende kann sich dann nicht darüber beschweren, daß er willkürlich behandelt worden ist. […] Wir sind uns darüber einig, daß die Möglichkeit einer Rückführung auf freiwilliger Basis besteht. In diesem Falle wird der Rückzuführende eine Erklärung abgeben, die von der Polizei angenommen wird. Die Polizei würde seine Passage besorgen und bezahlen und einen reibungslosen Abflug gewährleisten.«76

3. Die Lokalisierung der Willkür:
People of Color zwischen erratischem Ermessen und
pauschalem Politisierungsverdacht

Durch seine Vernetzung mit den politisch-juristischen Schaltstellen der Ausländergesetzgebung entwickelte sich der AKAÜ zu einer effizienten Lobbygruppe, deren Empfehlungen die Entstehung des Ausländergesetzes von 1965 und dessen Durchführungsvorschriften maßgeblich beeinflussten. Die kirchliche Prägung und die sozialstaatliche Rolle der Sozialverbände sicherten gute Beziehungen in beide Großparteien CDU/CSU und SPD. Bis in die 1980er-Jahre bestimmten Wohlfahrtsverbände die Ausländerpolitik mit, wie im Initiativkreis für die Reform des Ausländerrechts (1972), der die Rückführungspolitik nach dem Anwerbestopp 1973 konzipieren sollte.77

Vor allem Werner Kanein war in der Bundesrepublik neben dem Würzburger Verwaltungsgerichtspräsidenten Rolf Schiedermair (einem früheren hochrangigen NS-Juristen) ein wichtiger Partner, zumal er der bedeutendste Architekt und Kommentator des Ausländerrechts wurde. Nachdem das Ausländergesetz 1965 in Kraft getreten war, gelang es Kanein, mit ergänzenden Durchführungsverordnungen und Auslegungen in seinem einschlägigen Kommentar die ausländerrechtliche Praxis zu beeinflussen. Bei seiner Zusammenarbeit mit dem AKAÜ legte er diese Strategie offen dar: »Es ist sicher nicht nötig, auf eine Gesetzesänderung hinzuarbeiten, wenn Erleichterung [d.h. Änderung] durch bessere Durchführungsbestimmungen geschaffen werden könnte.«78 Zusammen mit Kanein setzte der AKAÜ das Programm um, mit »gutem Willen durch eine bloße Änderung der […] ›Allgemeinen Verwaltungs­vorschrift‹ und ohne Gesetzesänderung« Adjustierungen vorzunehmen.79 Kanein stand in engem Austausch mit dem AKAÜ und nahm mehrfach an dessen Sitzungen in Frankfurt teil. Dort war man beeindruckt, »mit welcher Bereitschaft und welchem Interesse Herr Dr. Kanein sich unsere[r] Fragen und Sorgen annahm«.80

Die spezifische Abschiebbarkeit von PoC in den frühen 1960er-Jahren führte zu dem bereits zitierten Passus im Ausländergesetz von 1965, der festlegte, es sei »grundsätzlich Staatsangehörigen außereuropäischer Staaten keine Aufenthaltsgenehmigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu erteilen«.81 In dieser Form schien das grundsätzliche Bleibeverbot auch auf weiße Außereuropäer*innen zuzutreffen, nicht nur auf PoC aus ehemaligen Kolonien oder der »Dritten Welt«. Das Bleibeverbot für Außereuropäer*innen richtete sich jedoch ausschließlich gegen PoC aus ehemaligen Kolonien, wie die ausländerpolizeilichen Grundsätze der deutschen Innenminister von 1966 nachdrücklich betonten: Das grundsätzliche Erwerbs- und Bleibeverbot für Außereuropäer*innen traf nämlich auf »Staatsangehörige der USA, Kanadas, Israels, Australiens und Neuseelands« nicht zu – also auf diejenigen außereuropäischen Staaten mit einer siedlerkolonialistischen Geschichte und einer weißen Bevölkerungsmehrheit.82 Auch für »semi-außereuropäische« Länder wie die Türkei galt das grundsätzliche Bleibeverbot nicht, da Türk*innen nach dem Europäischen Niederlassungs-Abkommen (ENA) von 1955 ein erleichtertes Aufenthaltsrecht mitsamt einem Schutz vor Ausweisungen und im EWG-Assoziationsabkommen von 1963 sogar Freizügigkeit gewährt wurde.83 Umgekehrt waren die seit 1957 an die EWG assoziierten afrikanischen Gebiete, wie Belgisch-Kongo oder die französischen Kolonien, explizit von den Erwerbs- und Niederlassungserleichterungen für EWG- und ENA-Bürger*innen ausgeschlossen.84 Die grundsätzliche Ablehnung von PoC beruhte also auf einem segregationistischen color bar, der in erster Linie rassistisch begründet war.

1966 legte Kanein in seinem einschlägigen Kommentar zum Ausländergesetz den Hintergrund der Außereuropa-Regelung offen. Die Diskussion um PoC im AKAÜ in Frankfurt war dafür wohl maßgeblich: »Als beispielsweise Ausländer aus dem außereuropäischen Raum in auffallender und zunehmender Zahl sich im Gebiet der Bundesrepublik niederzulassen begannen […] und an den neuralgischen Orten ihren gewöhnlichen Aufenthalt nahmen, ergab sich im allgemeinen und staatlichen und im staatssicherheitlichen Interesse die Notwendigkeit, dieser Entwicklung dadurch entgegenzutreten, daß ausnahmslos für Angehörige des in Betracht kommenden Personenkreises Aufenthaltsgenehmigungen versagt, bestehende nicht verlängert und bei gegebenem Anlaß widerrufen wurden. Auf Grund dieses Sachverhalts war die Aufenthaltnahme eines jeden Angehörigen dieses Personenkreises unerwünscht, auch wenn er möglicherweise persönlich und nach seinem Aufenthaltszweck keinen Anlaß zur Beanstandung bot und sich strikt an Vorschriften des Arbeits-, Paß-, Melde- und Ausländerrechts hielt.«85 Ein rechtskonformes Verhalten von Individuen wurde also durch eine kollektive Diskriminierung des »Personenkreises« der PoC für irrelevant erklärt. Das lag nach Kanein auch am »wachsende[n] Unbehagen weiter Bevölkerungskreise, die sich im Hinblick auf die andersartige Mentalität der aus außereuropäischen Ländern stammenden« Menschen »bedroht fühlen«.86 Andere Ausländerrechtsexpert*innen bestätigten: »Was bei den Ostblockflüchtlingen zuvor kaum jemanden gestört hatte, wurde bei den ›Asiaten und Afrikanern‹ nunmehr zusehends kritisch hervorgehoben.«87 Dieses strukturell-rassistische Motiv bedingte die explizite Ablehnung von PoC.

Was ebenfalls zur juristischen Ausgrenzung von PoC beitrug, war die Unterscheidung im Ausländergesetz zwischen »nicht-privilegierten Ausländern« (in der Praxis Außereuropäer*innen) und »privilegierten Ausländern« (Gastarbeiter*innen, Asylsuchende, EWG- und ENA-Ausländer*innen).88 Kanein zufolge zielte das gesamte Ausländergesetz von 1965 darauf ab, »unmißverständlich klarzustellen, daß – von privilegierten Gruppen abgesehen – kein Ausländer ein Recht zu Einreise oder Aufenthalt in der Bundesrepublik hat«. Die »nicht-privilegierten Ausländer« ohne solchen Anspruch waren in der Regel PoC.89

Subtiler, aber nicht unbedingt weniger pauschalisierend wirkte die Argumentation, dass PoC aus sich dekolonisierenden Ländern besonders politisiert seien, was auf ihr Bewusstsein für die kollektive und historische Diskriminierung durch Versklavung und Kolonialismus zurückgeführt werden könne. Ihre Nähe zu antikolonialen oder oppositionellen Organisationen, welche ihnen teils die Ausbildung in Europa finanzierten, stellte sie zudem unter einen besonderen Verdacht der politischen Umtriebigkeit.90 Spätestens seit den 1960er-Jahren warfen Behörden ihnen »terroristische Methoden« vor.91 Dass viele PoC als junge Studierende an Universitäten eine zweite Politisierung durchmachten, war ein weiterer Hintergrund für die Neueinführung des faktischen Verbots politischer Betätigung im Ausländergesetz von 1965. Insbesondere »Demonstrationen, Sitzstreiks ausländischer Studenten u. dgl.« waren den westdeutschen Staatsrechtler*innen ein Anlass, das Verbot in das Ausländergesetz aufzunehmen.92

Dieses Verbot machte eine Kriminalisierung und Abschiebung von PoC wahrscheinlicher. Der § 6 Abs. 2 des Ausländergesetzes besagte, dass die »politische Betätigung von Ausländern […] eingeschränkt oder untersagt werden« könne, wenn »erhebliche Belange der Bundesrepublik es erfordern«. Mit den »erheblichen Belangen« waren zunächst »Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung« und »Beeinträchtigungen der politischen Willensbildung« gemeint, zudem Aktivitäten, die freiheitlich-demokratischen Idealen entgegenstanden. Es reichte dabei aus, wenn die Behörden eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung antizipierten, vermuteten oder gar nur kolportierten. Denn, so hieß es im Ausländerrechtskommentar, »eine rechtskräftige Verurteilung ist in diesen Fällen nicht erforderlich«.93 Zwar sicherte man Ausländer*innen theoretisch ein minimales Demonstrations- und Versammlungsrecht zu, doch die Behörden nutzten alle gesetzlichen und administrativen Möglichkeiten, um die Versammlungs-, Vereins- und Meinungsfreiheit präventiv einzuschränken.94 Dazu gehörten auch verwaltungstechnische Vorschriften, etwa die ausländerrechtliche Möglichkeit, die Freizügigkeit von Migrant*innen zu begrenzen und zu kriminalisieren.

Größere Bekanntheit erreichten solche Maßnahmen während der antikolonialen Proteste der 1960er-Jahre und beim Schah-Besuch von 1967. Für den Besuch des Schahs wurde das Versammlungsrecht zeitweise aufgehoben.95 Zur Einschränkung der Versammlungs- und Bewegungsfreiheit der Migrant*innen erließen Städte und Bundesländer eine »Ordnungsverfügung«, wie zum Beispiel in Düsseldorf. Dort erhielten Migrant*innen unter Berufung auf § 6 Abs. 2 und § 7 Abs. 4 AuslG die Mitteilung, ihre Aufenthaltserlaubnis werde für die Zeit des Schah-Besuchs »auf das Gebiet des Stadtkreises Düsseldorf beschränkt. Darüber hinaus wird Ihnen für diese Zeit jegliche politische Betätigung, hierunter fällt auch politische Demonstration, verboten. Während des obengenannten Zeitraumes haben Sie sich täglich um 10 und 16 Uhr bei der Kreispolizeibehörde Düsseldorf […] zu melden.« Ähnliche Regelungen gab es in Bayern. Eine Nichtbeachtung führte zur »sofortigen Ausweisung«. Begründet wurde dies mit dem »Interesse der Bundesrepublik« an Recht und Sicherheit.96 Ein nigerianischer Student wurde 1967 zum Beispiel abgeschoben, weil er an einer Protestkundgebung gegen den Vietnamkrieg teilgenommen hatte. Seine Abschiebung ging zügig vonstatten, ohne dass er die vorgeschriebene Belehrung über Rechtsbehelfe erhielt.97

Wegen ihrer angeblichen Politisierung wurden PoC im Vergleich zu anderen Migrant*in­nen schneller abgeschoben oder ausgeliefert. So wurde in das diktatorische Griechenland nicht ausgeliefert, nach Iran hingegen schon.98 Ausweisungen wurden zu einer Art Kollektivstrafe, wie bei der pauschalen Abschiebung von Muslim*innen und Araber*innen nach dem Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympiamannschaft von 1972.99

Die eingangs erläuterte Abschiebung von Susan Alviola zeigt, wie der pauschale Politisierungsvorwurf PoC treffen konnte, die keineswegs radikal waren. Alviola berief sich als gläubige Christin beim Protest gegen ihre Abschiebung immer auf Mitmenschlichkeit und stand jeglicher Oppositionspolitik fern. Behörden und Politik in Hamburg scheinen in ihr aber eine Gefahr für die Ordnung gesehen zu haben. Alviolas »antikolonialer« Tanz, ihre »Heimsuchung« von politisch Verantwortlichen und ihr Unterstützungskomitee aus dem linksalternativen Milieu reichten aus, sie in die Nähe von Linksterrorist*innen zu rücken. Die übermäßige Gewalt bei Alviolas Abschiebung von 1984 glich dementsprechend dem Umgang mit Hausbesetzer*innen aus der Hamburger Hafenstraße. Der Terrorverdacht bei Alviola und ihren minderjährigen Kindern erscheint absurd, war aufgrund der pauschalen Kategorisierung von PoC jedoch durchaus konsequent.

Verstärkt wurden solche Kategorisierungen durch das sogenannte Subsidiaritätsprinzip bei Abschiebungsentscheidungen. PoC wurden auch deshalb häufiger abgeschoben, weil ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik unmittelbar von kommunalen Ausländerbehörden abhing, für welche lokale Eigeninteressen vor humanitären und konstitutionellen Rechten der Migrant*innen standen. Denn »örtlich zuständig« war für sie nach dem Ausländergesetz »die Ausländerbehörde, in deren Bezirk der Ausländer sich aufhält […]. Funktionell zuständig ist die Behörde der inneren Verwaltung auf der Kreisebene.«100 Mit dem aus dem Subsidiaritätsgedanken entstehenden »Lokalismus«, d.h. den lokalen Eigeninteressen kommunaler Behörden, bekamen es vor allem PoC zu tun, weil sie meist visumsfrei einreisten und sich dann erst bei den lokalen Ausländerbehörden ihres Aufenthaltsorts registrieren lassen mussten. Die Entscheidung über einen Aufenthalt war von diesem Zeitpunkt an »allein der örtlich zuständigen Ausländerbehörde überlassen«. Eine solche Prozedur galt laut Durchführungsverordnung des Ausländergesetzes für Menschen aus 40 ehemaligen Kolonien und aus ca. 20 weiteren Ländern der »Dritten Welt«.101

Damit lagen Ausweisungs- und Abschiebungsbegründungen für PoC meist in den lokalen Gegebenheiten der Bundesrepublik, unter Missachtung der humanitären Lage in den Herkunftsgesellschaften.102 In dieser Hinsicht unterschied sich die Situation von PoC, die zu Ausbildungszwecken eingereist waren, von derjenigen der Asylsuchenden, von denen bis in die 1970er-Jahre an die 94 Prozent aus dem »Ostblock« kamen.103 Über die Asylberechtigung entschied nämlich seit 1965 meist das Bundesamt (zuvor Bundesdienststelle) für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zentral in Zirndorf und legte dafür Kriterien fest, die sich auf die individuellen, politischen und humanitären Verhältnisse in den Herkunftsgesellschaften bezogen. Die Kriterien zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Asylsuchende stammten aus der Genfer Flüchtlingskonvention und aus dem verfassungsmäßigen Recht auf Asyl.104 Die lokalen Behörden konnten dagegen kaum »die eventuell zu berücksichtigenden politischen und sozialen Verhältnisse im Heimatstaat des Antragstellers beurteilen«, wie es bei der Erarbeitung des Entwurfs des Ausländergesetzes hieß.105 Sie entschieden vorrangig nach lokalen Eigeninteressen.

Der Lokalismus kulminierte in der den kommunalen Polizei- und Ausländerbehörden vom Ausländergesetz zugestandenen »Ermessensentscheidung« über eine Aufenthaltserlaubnis. Diese ebnete den Weg für Willkür. Selbst Kanein beklagte sich, »der Rahmen des Ermessens« sei »weitgezogen, so daß er sich dem Gnadenakt nähert. Das ist die Folge des das Ausländerrecht beherrschenden Grundsatzes, wonach kein Ausländer Anspruch auf Einreise oder Aufenthalt hat«.106 Theoretisch konnten dabei Ermessensentscheidungen auch zu Gunsten von PoC ausfallen, denn es gab »keine Ausweisungspflicht der Behörde«.107 Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Nach Ermessensentscheidungen erhielten von den formal anspruchsfähigen Ausländer*innen in der Bundesrepublik nur 0,5 Prozent eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung.108

Kritiker*innen des Ausländergesetzes von 1965 sahen hier nicht ohne Grund eine verfahrenstechnische Kontinuität zum NS-Maßnahmenstaat. Ermessensentscheidungen der lokalen Polizei- und Ausländerbehörden, so der Vorwurf, seien praktisch unabhängig vom Recht und von der Verfassung. Gestützt wurde diese Kritik dadurch, dass Ausweisungsverfahren rechtssystematisch in Kontinuität zur Ausländerpolizeiverordnung von 1938 standen, da sie auch im Ausländergesetz von 1965 vorrangig eine »polizeiliche Angelegenheit« blieben und die Abschiebungen ein exekutiv-bürokratischer Akt waren.109 Vor diesem Hintergrund bezeichneten kritische Jurist*innen das Ausländergesetz als »Absage an den Rechtsstaat«. Die Ämter, so der Vorwurf, würden im Ergebnis nach einer »Naziverordnung« entscheiden. Durch die Ermessensregelung seien sie mit den »gleichen Blankettvollmachten« wie NS-Bürokrat*innen ausgestattet und übten als Verwaltung eine »schrankenlose Herrschaft« nach rassistischen Vorstellungen vom öffentlichen Wohl aus.110

Ermessensentscheidungen für Ausweisungen und Abschiebungen wurden nach dem Ausländergesetz von 1965 mit dem »Wohl«, den »Belangen« oder dem »Interesse« der Bundesrepublik begründet. Schon seit dem Staatsbürgergesetz von 1913 konnten Ausweisungen damit legitimiert werden, dass Ausgewiesene dem »Wohl« der Deutschen schadeten. Dabei definierte man »die Deutschen« als ethnisch homogene Gemeinschaft, in welche »Andersrassige« selbst dann nicht passten, wenn sie nominell die deutsche Staatsbürgerschaft hatten. Schon 1913 beriefen sich die lokalen Behörden in Form der ausweisungsbefugten Bundesstaaten auf diese ethnonationalistische Begründung, um Jüd*innen auszuweisen.111 Die Ausländerpolizeiverordnung (APVO) von 1938 machte die ethnisch definierte »Volksgemeinschaft« explizit und begründete Ausweisungen damit, dass die Auszuweisenden »wichtige Belange des Reichs oder der Volksgemeinschaft […] gefährden«.112 Zwar wurde diese Passage im Ausländergesetz von 1965 oberflächlich »entethnisiert«, indem man nicht mehr das Wohl der »Volksgemeinschaft« anführte, sondern dasjenige der Bevölkerung der Bundesrepublik. Kritiker*innen bemerkten aber, dass das Ausländergesetz von 1965 dennoch hinter die APVO von 1938 zurückfiel. Denn letztere erlaubte Einreisenden grundsätzlich einen Aufenthalt im deutschen Staatsgebiet, es sei denn, sie erwiesen sich »unwürdig«. Das bundesdeutsche Ausländergesetz ging dagegen im § 2 Abs. 1 Satz 2 davon aus, dass »grundsätzlich kein Ausländer einen Rechtsanspruch auf die Aufenthaltserlaubnis haben soll«, außer er konnte das Gegenteil beweisen.113 Diese Umkehr der Beweislast brachte dem Ausländergesetz von 1965 die Kritik ein, verfassungswidrig zu sein.114 Deshalb legten Jurist*innen aus dem Umfeld der »68er«-Bewegung 1970 einen Alternativentwurf vor, der auch etablierte Ausländerrechtsexpert*innen zum Nachdenken, allerdings nicht zum Umdenken bewegte.115

Die Umformulierung der Ausweisungsbegründung von »Belangen der Volksgemeinschaft« in der APVO von 1938 zu »Belangen der Bundesrepublik« im Ausländergesetz von 1965 bedeutet nicht, dass bundesdeutsche Abschiebungen rechtlich auf NS-Deportationen zurückgingen und gleichermaßen rassistisch begründet waren. NS-Deportationen in Vernichtungslager betrafen nämlich oft »eigene« deutsche Staats­bürger*innen, die nicht unter die APVO fielen. Zudem führte das Ausländergesetz von 1965 die Möglichkeit des Rechtswegs zur Revision behördlicher Ausweisungsmaßnahmen ein. Gerade diese Option und das Hinzuziehen einer zweiten Instanz zeigten aber das Misstrauen gegenüber dem exekutiven Charakter der lokalen Ermessensentscheide. Es war nämlich klar, dass die »Belange« eine Floskel waren, welche Willkürmaßnahmen legitimieren konnte. Zudem wurden exekutiv entschiedene Abschiebungen durch ein laufendes Rechtsverfahren nicht ausgesetzt, sodass die gerichtliche Korrektur einer Entscheidung oft zu spät kam. PoC hatten unter Migrant*innen in der Bundesrepublik die geringsten Ressourcen und Netzwerke, um sich Anwält*innen für den Rechtsweg zu leisten. Diese Tatsache spielte der Strategie in die Hände, den PoC Immoralität und Täuschung vorzuwerfen. Schon solche Argumente reichten aus, um Abschiebungen juristisch oder gar moralisch zu rechtfertigen.

Die von Geflüchteten in Tübingen herausgegebene »Lager-Zeitung« karikiert die unter Deutschen verbreitete Vorstellung von »Hilfe« für Migrant*innen, welche diesen aber als Diskriminierung erscheint. (Internationale Freundschaft: Zeitschrift für die politischen Flüchtlinge in den Lagern der Bundes­republik Deutschland und West-Berlin 11 [1984] H. 1, S. 1, hg. von Rahim Shirmhad im Lager der Thiepval-Kaserne; Evangelisches Zentralarchiv, ELAB 167, 112, 1984–1986)
Die von Geflüchteten in Tübingen herausgegebene »Lager-Zeitung«
karikiert die unter Deutschen verbreitete Vorstellung von »Hilfe« für
Migrant*innen, welche diesen aber als Diskriminierung erscheint.
(Internationale Freundschaft: Zeitschrift für die politischen Flüchtlinge
in den Lagern der Bundes­republik Deutschland und West-Berlin 11 [1984] H. 1, S. 1,
hg. von Rahim Shirmhad im Lager der Thiepval-Kaserne;
Evangelisches Zentralarchiv, ELAB 167, 112, 1984–1986)

4. Das Entwicklungsparadigma und die
Verrechtlichung »moralischer« Abschiebungen

Die Anschuldigung, PoC würden aufgrund ihrer Politisierung auch in Aufenthaltsfragen besonders strategisch vorgehen, verband sich mit dem allgemeinen Vorwurf der Täuschungsabsicht, der meist eine Abschiebung nach sich zog. Wenn PoC etwa bei der visumsfreien Einreise für ein Studium oder eine Ausbildung kein Asylbegehren deutlich machten, später aber doch Asyl beantragten – oder andersherum –, konnten die Ausländerbehörden rückwirkend den Einreisegrund als Täuschungsmanöver darstellen. Unter Berufung auf das Ausländergesetz von 1965 begründeten Behörden die Ausweisungen und Abschiebungen deshalb regelmäßig mit solch rückwirkend unterstellten »Falschaussagen«. Die angebliche Täuschung blieb auch nach Beginn der Visumspflicht ein häufig angeführter »Ausweisungstatbestand«.116

Der Täuschungsvorwurf war so verbreitet, dass Ausländer*innen ihm schnell zuvorkommen wollten. PoC beantragten darum bis in die 1980er-Jahre kaum Asyl, weil ihnen dies nach dem Ausländergesetz negativ ausgelegt werden konnte, ja als Ausweisungs- bzw. Abschiebegrund gegen sie verwendet werden konnte. Das migrantische Wissen um diese Täuschungsunterstellung war auch maßgeblich dafür, dass Susan Alviola in den frühen 1980er-Jahren kein Asyl beantragte. Wie beschrieben, war sie zunächst als Ehefrau eines Seemanns eingereist und nicht als Asylbewerberin. Obwohl mit der Marcos-Regierung in den Philippinen ein diktatorisches Regime herrschte, wollte Alviola sich nicht des Asylbetrugs verdächtig machen.117 Täuschungsabsichten unterstellten die Behörden vor allem den PoC, selten dagegen den asylberechtigten Flüchtlingen aus sozialistischen Staaten Europas oder den ins Land gerufenen »Gast­arbeiter*innen«.

Noch absurder wurde der Täuschungsvorwurf in Bezug auf Praktikant*innen, die oft im Rahmen von Entwicklungshilfeprojekten in die Bundesrepublik kamen. PoC waren sich bewusst, dass sie keine Arbeit aufnehmen durften, wenn sie nicht schon vor der Einreise ein Arbeitsvisum besaßen. Falls sie visumsfrei ins Land kamen und später erwerbstätig wurden, griff die folgende Regelung: »Bei sichtvermerkfreier Einreise wird [illegaler Aufenthalt] unterstellt, falls nachträglich AE [Aufenthaltserlaubnis] mit Gestattung der Erwerbstätigkeit beantragt wird.«118 Ein nachträglicher Antrag zur Erwerbsarbeit reichte also aus, um Migrant*innen zu illegalisieren und abzuschieben. Es war allerdings zunächst selbst unter Ausländerrechtsexpert*innen und im gut informierten AKAÜ umstritten, ob ein Praktikum im Falle einer Bezahlung oder Aufwandsentschädigung als Erwerbsarbeit galt. In der Tat brauchte es ergänzende Durchführungsvereinbarungen, um zu diesen Sachverhalt Stellung zu beziehen.119 Nach langer Diskussion kam man im AKAÜ zum Schluss, dass »der praktische Teil der Ausbildungsperiode […] weiterhin als Erwerbstätigkeit bezeichnet« werde.120 Mit einiger Verspätung schrieb die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz ebenfalls fest: »[…] erwerbstätig sind auch Praktikanten, Volontäre oder Lehrlinge, die für ihre Arbeitsleistung ein Entgelt erhalten.«121 Falls diese Regelung den Studierenden und Auszubildenden bei der Einreise nicht klar war (und den wenigsten deutschen Botschaften und Jurist*innen war sie geläufig) und sie zunächst nur als Tourist*innen oder Auszubildende ins Land kamen, machten sie sich mit dem Beginn einer bezahlten Ausbildung oder eines Praktikums rückwirkend zu Betrüger*innen. In dem Sinne stellte der AKAÜ fest: »Wenn der Ausländer mit der Absicht, in der BRD eine Ausbildung im obigen Sinne zu erhalten, hier einreist, ist er kein Tourist und hätte sich vor seiner Einreise den entsprechenden Sichtvermerk beschaffen müssen. Er kann nach Hause zurückkehren.«122 Diese Regelung widersprach in eklatanter Weise der Grundidee der visumsfreien Einreise zur Ausbildung im Namen der bundesdeutschen Entwicklungspolitik.

Die Entwicklungspolitik wurde in den 1960er-Jahren sogar zu einer der wichtigsten Ausweisungsbegründungen für PoC in der Bundesrepublik. Die neokoloniale Vorstellung, die Dekolonisierung habe nichts als defizitäre Entwicklungsländer hervorgebracht, wirkte sich auch auf die Ausländerpolitik der Bundesrepublik aus.123 Diese sah sich gegenüber Afrika und Asien als überlegen an und verlangte von PoC, sich während eines befristeten Aufenthalts auf den neuesten zivilisatorischen und technischen Stand zu bringen, bevor sie schnellstmöglich als zivilisierungsmissionarische Agent*innen und technokratische Aufbauhelfer*innen zur »Entwicklung« ihrer (unabhängigen) Länder zurückkehren sollten.

Um eine permanente Aufenthaltsberechtigung zu verhindern, stand in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (§ 8) zur Durchführung des Ausländergesetzes von 1965 der Passus: »Eine Aufenthaltsberechtigung ist nicht zu erteilen, wenn Belange der deutschen Entwicklungspolitik oder zwischenstaatlicher Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland dem dauernden Verbleib des Ausländers entgegenstehen.« Diese Regelung machte die Entwicklungspolitik zum Ausweisungs- und Abschiebungsgrund und damit eine Abschiebung von PoC in die sogenannten Entwicklungsländer wahrscheinlicher. Später mussten sich viele bei Antritt einer Ausbildung zur Rückkehr verpflichten und dafür oft sogar eine Kaution bei den Ausländerbehörden hinterlegen.124 Nur unter dem Vorbehalt der Rückkehr erteilten bundesdeutsche Behörden den PoC also eine temporäre Aufenthaltserlaubnis.

Indem deutsche Ausländerrechtsexpert*innen die Modernisierung und ökonomische Entwicklung von ehemaligen Kolonien zur moralischen Pflicht erklärten, konnten sie Ausweisungen und Abschiebungen nicht nur als rechtskonform, sondern auch als gerecht darstellen. Den PoC warfen sie die Nichteinhaltung der angeblichen moralischen Selbstverpflichtung zur Rückkehr mit dem Ziel der »Entwicklung« ihrer Herkunftsländer vor. Die PoC sahen sich allerdings kaum zur Rückkehr verpflichtet, nicht einmal dann, wenn ihre Ausbildung von Befreiungsbewegungen finanziert worden war. Zum Beispiel sollte 1975 der im bayerischen Weißenburg wohnhafte 43-jährige Arzt Brandfort Edward Amon Neequaye nach Ghana ausgewiesen werden, da sein Studium beendet war. Neequaye, der schon 19 Jahre lang in der Bundesrepublik gelebt hatte, beschwerte sich beim Ausländerreferat der bayerischen Regierung über seine Ausweisung. Dessen Leiter, Hermann Heusinger, scherte sich zunächst nicht um eine gesetzeskonforme Antwort und setzte stattdessen sofort zum pseudo-moralischen und polemischen Gegenangriff an: Neequaye habe deutsche Steuergelder veruntreut, indem er Stipendien angenommen habe, übermäßig lange studiert habe und trotzdem nicht nach Ghana zurückgekehrt sei. Als Neequaye bewies, dass er sein Studium ausschließlich »über Mittel seiner Familie in Ghana, durch Verdienst aus Ferienarbeit und mit Unterstützung des Gold-Coast-Cacao-Marketing Board in Ghana finanziert« hatte, widersprach sich Heusinger selbst; er behauptete plötzlich, weder Studienfinanzierung noch Studiendauer seien für Neequayes Ausweisung gesetzlich relevant. Vielmehr sei es die moralische Pflicht des Arztes, zur Entwicklung seines Landes zurückzukehren: »Ihre Fähigkeiten sollen den Ghanesen zugute kommen. Allein deshalb wird Ihnen nach der Facharztanerkennung keine neue Aufenthaltserlaubnis erteilt werden […]. Es wäre [zudem] Unsinn, trotz des Ärztemangels in Ghana einen bereits ausgebildeten ghanesischen Arzt in Deutschland zu lassen […]. Ghana wolle weiterhin Medizinstudenten auch in die Bundesrepublik entsenden. Sie erhielten dann im Interesse der Entwicklungshilfe Studienplätze an deutschen Universitäten. Dies sei nur sinnvoll, wenn ein bereits ausgebildeter ghanesischer Arzt nach Abschluß seiner Ausbildung in die Heimat zurückkehre.«125 Heusinger maßte sich hier an, für die Regierung und die Menschen Ghanas zu sprechen, und legte fest, wie deren Entwicklungspolitik gedacht war. Nach einer für Ausländerbehörden typischen Willkürbegründung (des angeblichen Steuermissbrauchs) argumentierte Heusinger schließlich im Sinne von »Interessen der deutschen Entwicklungspolitik«, die in der Ausländergesetzgebung verankert waren und Abschiebungen als moralisch gerechtfertigt darstellten. Das Argument der intersubjektiv als notwendig anerkannten Entwicklungspolitik diente somit der Legitimation staatlicher Rückführungspraktiken und der Herstellung einer moralisierten Returnability.

Im Sinne einer solchen Moralisierung des Abschieberegimes wirkte schließlich die Definition von Abschiebungen im Unterschied zu Ausweisungen als Ultima Ratio. Oft wurde dabei von Politiker*innen und Medien kolportiert, die Ausweisung sei ein Angebot freiwilliger Rückkehr, und erst dessen Ablehnung ziehe eine zwangsweise Abschiebung nach sich. Eine Verweigerung konnte demnach als unmoralisch dargestellt und eine erzwungene Rückführung als letzter Ausweg für die Behörden präsentiert werden. Laut Gesetz war aber immer die Zwangsandrohung zuerst da. Danach konnte man sich »freiwillig« entscheiden, wie man die beschlossene Zwangsrückführung individuell gestaltete – ohne allerdings die Rückführung selbst ablehnen zu können. In einigen Fällen wurden Ausländer*innen sogar »widerrechtlich in Abschiebehaft genommen, um damit ihre ›freiwillige Ausreise‹ […] zu erzwingen«. Solch eine »reine Beugehaft« mit »freiwilliger Rückkehr« in Verbindung zu bringen war zynisch, aber nicht unüblich.126

Abschiebehäftlinge in einem »Polizeigewahrsam« in Frankfurt am Main, Klapperfeldstraße, Januar 1984. Das dortige Polizeigefängnis wurde von 1886 bis 2003 in den verschiedenen politischen Systemen genutzt, während der NS-Zeit auch als Gestapo-Gefängnis. In der Bundesrepublik diente es unter anderem als Abschiebehaftanstalt. Nach der Schließung des Gefängnisses sind dort seit 2009 Ausstellungen zur Geschichte des Ortes zu sehen; dokumentiert werden auch die Inschriften von Abschiebegefangenen (https://klapperfeld.de). Fotos wie das hier gezeigte verlangen eine bild­ethische Einordnung. Das Bild reproduziert den »weißen« und stigmatisierenden Blick auf Menschen in einer entwürdigenden Situation, die vermutlich dem Foto nicht zugestimmt haben. Es trug zu ihrer Entrechtung und Entwürdigung bei, dass deutsche (Bild-)Medien ihnen keinen Persönlichkeitsschutz zugestanden und sie meist mit Klarbild und -namen bloßstellten. Weniger zu ihrem Schutz als zu ihrer Entmündigung nannten Medien sogar oft nur ihre Vornamen. Teils konnten von der Abschiebung bedrohte Menschen aber Medien und Fotos auch nutzen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen sowie Deutungs- und Handlungshoheit zurückzugewinnen. Hier wird die Fotografie als historische Quelle verwendet, welche eben solche Problematiken aufzeigen soll und gleichzeitig eines der seltenen Bilddokumente der Zustände in der Abschiebehaft aus den 1980er-Jahren darstellt. 1984 waren Einzelzellen in dem Frankfurter Gefängnis 1,45 x 3,70 m klein und bloß mit einem Eisenbett ausgestattet. Statt Toiletten gab es oft nur Eimer. Die Gemeinschaftszellen für sieben bis acht Personen hatten lediglich Holzbänke. Es gab weder die Möglichkeit zum Hofgang noch Spiele, Fernsehen oder Radio für Menschen, die bis zu acht Monate lang in den spärlich beleuchteten Zellen saßen. Das Foto wurde von der »ZEIT« in einem ausführlichen Dossier über »die inhumane Praxis der Abschiebehaft« veröffentlicht (Hans Schueler u.a., Abgeschoben, in: ZEIT, 13.1.1984, S. 9f., hier S. 9). Laut dortiger Angabe zeigt es links im Bild einen 32-jährigen libanesisch-palästinensischen Familienvater, der seit zwei Monaten in dem Gefängnis einsaß. (Foto: Abisag Tüllmann [1935–1996], bpk-Mediennummer 70243277, Lizenz: CC BY-NC-ND)
Abschiebehäftlinge in einem »Polizeigewahrsam« in Frankfurt am Main, Klapperfeldstraße, Januar 1984. Das dortige Polizeigefängnis wurde von 1886 bis 2003 in den verschiedenen politischen Systemen genutzt, während der NS-Zeit auch als Gestapo-Gefängnis. In der Bundesrepublik diente es unter anderem als Abschiebehaftanstalt. Nach der Schließung des Gefängnisses sind dort seit 2009 Ausstellungen zur Geschichte des Ortes zu sehen; dokumentiert werden auch die Inschriften von Abschiebegefangenen (<https://klapperfeld.de>). Fotos wie das hier gezeigte verlangen eine bild­ethische Einordnung. Das Bild reproduziert den »weißen« und stigmatisierenden Blick auf Menschen in einer entwürdigenden Situation, die vermutlich dem Foto nicht zugestimmt haben. Es trug zu ihrer Entrechtung und Entwürdigung bei, dass deutsche (Bild-)Medien ihnen keinen Persönlichkeitsschutz zugestanden und sie meist mit Klarbild und -namen bloßstellten. Weniger zu ihrem Schutz als zu ihrer Entmündigung nannten Medien sogar oft nur ihre Vornamen. Teils konnten von der Abschiebung bedrohte Menschen aber Medien und Fotos auch nutzen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen sowie Deutungs- und Handlungshoheit zurückzugewinnen. Hier wird die Fotografie als historische Quelle verwendet, welche eben solche Problematiken aufzeigen soll und gleichzeitig eines der seltenen Bilddokumente der Zustände in der Abschiebehaft aus den 1980er-Jahren darstellt. 1984 waren Einzelzellen in dem Frankfurter Gefängnis 1,45 x 3,70 m klein und bloß mit einem Eisenbett ausgestattet. Statt Toiletten gab es oft nur Eimer. Die Gemeinschaftszellen für sieben bis acht Personen hatten lediglich Holzbänke. Es gab weder die Möglichkeit zum Hofgang noch Spiele, Fernsehen oder Radio für Menschen, die bis zu acht Monate lang in den spärlich beleuchteten Zellen saßen. Das Foto wurde von der »ZEIT« in einem ausführlichen Dossier über »die inhumane Praxis der Abschiebehaft« veröffentlicht (Hans Schueler u.a., Abgeschoben, in: ZEIT, 13.1.1984, S. 9f., hier S. 9). Laut dortiger Angabe zeigt es links im Bild einen 32-jährigen libanesisch-palästinensischen Familienvater, der seit zwei Monaten in dem Gefängnis einsaß.
(Foto: Abisag Tüllmann [1935–1996], bpk-Mediennummer 70243277,
Lizenz: CC BY-NC-ND)

Daraus entwickelte sich eine Routine der als freiwillig deklarierten Zwangsrückführung, die zum Beispiel in sogenannten »Integrationszentren« des Deutschen Roten Kreuzes während der 1970er-Jahre auch auf Asylbewerber*innen aus ehemaligen Kolonien Anwendung fand. Solche Programme »freiwilliger Rückkehr« existierten in der Praxis schon lange, bevor sie 1979 offiziell von der Bundesregierung eingeführt wurden.127 So informierte das Integrationszentrum Blumeshof des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin den AKAÜ, es kläre Pakistaner*innen und Inder*innen in der Einrichtung auf, dass sie »wenig Aussicht auf Asylgewährung« hätten. Diese »gestanden, nachdem durch das Klima im Hause ein gewisses Vertrauen entstanden war, ein, vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen zu sein und erklärten sich bereit, lieber freiwillig in die Heimat zurückzukehren, als es auf eine Abschiebung durch die Ausländerpolizei ankommen zu lassen«. Sie bekamen theoretisch ein kurzes handwerkliches Training und eine Starthilfe von 200 DM und wurden »ohne den sie im Heimatland diskriminierenden Abschiebevermerk im Paß« von der Polizei rückgeführt. Es war dem Leiter des Programms jedoch klar: »[…] die so zustande gekommenen Meldungen zur freiwilligen Rückkehr waren dann auch keine echten Willensentscheidungen […]. Wegen der kurzen Zeit zwischen Überstellung in die Unterkunft des DRK und der Rückführung konnte von einer Trainingsmaßnahme überhaupt nicht mehr die Rede sein. Die Folge blieb denn auch nicht aus. Immer wieder versuchten sich so zur Rückkehr Bewegte dem Rückflug zu entziehen. Sie tauchten entweder in Berlin unter oder entfernten sich beim Zwischenaufenthalt in Frankfurt am Main während des Rückflugs von der Gruppe.«128 Letztlich wurden sie dann doch abgeschoben.

Die erzwungene »Freiwilligkeit« zeigte sich auch in der verbreiteten Annahme, dass deutsche Frauen, die mit einem ausgewiesenen Ausländer liiert waren, das Land mit ihm zusammen verlassen sollten. Falls sie das nicht freiwillig taten, gab es rechtliche Möglichkeiten, ihre Ko-Abschiebung durchzusetzen. Diese war seit dem späten 19. Jahrhundert üblich, da Frauen bei der Ehelichung von Ausländern automatisch deren Staatsbürgerschaft annahmen und gegebenenfalls mit ihrem Ehemann abgeschoben wurden.129

Im Gegensatz zu EWG-Bürger*innen und »Gastarbeiter*innen«, welche ab den 1970er-Jahren die Möglichkeit zum Familiennachzug hatten, traf die Ko-Rückführbarkeit vorrangig PoC. So entschied das West-Berliner Oberverwaltungsgericht 1971, dass »das innere Gefüge des deutschen Staatsvolks bedroht« sei, wenn es einem »Farbigen gestattet würde, mit seiner deutschen Ehefrau in der BRD zu leben«.130 Ein von Jurist*in­nen oft zitierter Präzedenzfall war die Ausweisung des Kameruners Jacques Toko.131 Toko reiste 1970 visumsfrei in die Bundesrepublik ein und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausbildung, aber keine Arbeitserlaubnis. 1967 hatte er eine Lübeckerin geheiratet und 1968 ein Kind mit ihr bekommen. Die Lübeckerin war Erbin einer Drogeriekette, bei der auch Jacques Toko angestellt werden sollte. Doch ein Arbeitsvisum wurde ihm mit der Begründung verweigert, »er sei während seines früheren Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Entwicklungshilfe zum Linotype-Schriftsetzer ausgebildet worden. Diese Fachkenntnisse müsse er seinem Heimatland zu Gute kommen lassen.« Angesichts des bevorstehenden Einstiegs in das Drogeriegeschäft seines Schwiegervaters erklärten die Behörden seine ursprüngliche visumsfreie Einreise rückwirkend zum Täuschungsakt: »Der Sachlage nach habe der Kläger von Anfang an nicht beabsichtigt, sich lediglich besuchsweise in Lübeck aufzuhalten […]. Die Einreise stelle sonach einen Verstoß gegen § 5 Abs. I Nr. I DV-Ausländergesetz dar; sie sei als illegal anzusehen und ein hinreichender Grund, jeden weiteren Aufenthalt zu verbieten.« Da seine Anwesenheit den »Belangen der Bundesrepublik« widerspreche und »Deutschland kein Einwanderungsland ist«, wurde er abgeschoben. Wie die Richter anführten, habe »seine Ehefrau von vornherein mit der Möglichkeit rechnen müssen, ihm in das Ausland zu folgen. Dies sei ihr auch zuzumuten.« Auch über ihr Kind aus erster Ehe urteilte das Gericht: »Es sei bisher noch nicht festgestellt worden, dass die Übersiedlung des Kindes in das Ausland seine Gesundheit und spätere Ausbildung benachteiligen könnte.« Zudem sei es dem Ehemann möglich, der gesamten Familie »eine angemessene soziale Stellung in Kamerun zu schaffen«. Darum sollte die Ehefrau ihrem Mann folgen – und tat dies schließlich auch.132

Ein Urteil von 1970 bekräftigte diese Praxis und postulierte, es sei »weder unmenschlich oder unzumutbar noch mit Art. 6 GG, Art. 8 MRK [Europäische Menschenrechtskonvention] unvereinbar, von der Ehefrau zu verlangen, daß sie dem ausgewiesenen Ehemann […] nachfolge«, wenn in dessen Herkunftsland eine demokratische Rechtsordnung herrsche.133 Angesichts solcher Fälle hatten Beobachter*innen den Eindruck, dass »die indirekte Ausweisung deutscher Frauen (über ihren ausländischen Ehemann) als Verwaltungs- und Spruchpraxis […] gang und gäbe« sei.134 Kanein bestätigte schließlich in seinem einschlägigen Kommentar zum Ausländergesetz, es sei üblich, dass die »deutsche Ehefrau grundsätzlich einem Ausländer in dessen Heimat folgen müsse«. Dieser Grundsatz wurde erst vom Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 3. Mai 1973 aufgegeben.135 Dass solche Fälle in der Praxis weiter vorkamen, lag daran, dass die Abhängigkeit von Frauen gegenüber Männern im Kontext der Migration nicht nur rechtlich, sondern auch gesellschaftlich als selbstverständlich angesehen wurde. Wie die durchgängig nur als »Seemannsfrau« bezeichnete Susan Alviola galten Ehefrauen von Migranten juristisch und gesellschaftlich nicht als gleichberechtigte Persönlichkeiten. Dementsprechend klagten Anwälte in den oben genannten Fällen auch nicht gegen die Ausweisung an sich, sondern betonten den Gleichheitsgrundsatz und den Schutz der Ehe im Grundgesetz.136 Die Ko-Abschiebbarkeit macht einmal mehr deutlich, wie sehr das rechtliche Abschieberegime der »liberalen« Bundesrepublik auf sozialen Routinen intersektionaler Diskriminierung beruhte, welche bei aller Willkür doch ein konsequenter Faktor für Abschiebungen war und ist.

5. Fazit

Dieser Beitrag hat gezeigt, wie die Problematisierung migrantischer People of Color aus sich dekolonisierenden Ländern in der Bundesrepublik die Entstehung eines Abschieberegimes prägte, welches sich in der Genese und Anwendung des Ausländergesetzes von 1965 manifestierte, aber nicht erschöpfte. Durch Hilfsinitiativen der Wohlfahrtsverbände, Ermessensentscheidungen lokaler Behörden, Täuschungsvorwürfe von Jurist*innen, Politisierungsvermutungen durch die Ausländerpolizei, Immoralisierung des Bleibens, Moralisierung des Entwicklungsauftrags, erzwungene Freiwilligkeit, überdauernde Geschlechterrollen und strukturellen Rassismus wurden PoC aus der »Dritten Welt« einer spezifischen Rückführbarkeit und Abschiebbarkeit ausgesetzt. Im Abschieberegime manifestierte sich, dass Verrechtlichungsprozesse eine interessengeleitete Praxis waren, bei der herrschende Diskurse bestimmend wirkten, aber selbst Gegendiskurse im Sinne der Herrschenden appropriiert, manipuliert und modifiziert werden konnten. Das Abschieberegime zielte dabei darauf ab, Willkürentscheidungen zu moralisieren, sie jedoch weiterhin zu ermöglichen und damit die »Liberalität« des bundesdeutschen Einreiserechts zu relativieren. Der Fokus auf den synchronen Kontext der Dekolonisierung erlaubt es, diachrone Erklärungen zur Entstehung des Abschieberegimes zu präzisieren, ohne eine simplifizierte lineare Kontinuität zu kolonialen und nationalsozialistischen Deportationsregimen zu unterstellen. So achteten Behörden vermehrt darauf, ihre Entscheidungen nicht nur als rechtskonform, sondern in Abgrenzung zu NS-Deportationen und in Aneignung von Dekolonisierungsdiskursen auch als moralisch integer und generell wünschenswert darzustellen. Indem sie vorgaben, im Sinne der Abzuschiebenden zu handeln, eigneten sie sich zugleich deren Moralvorstellungen an, deuteten sie um, instrumentalisierten und universalisierten sie. Dennoch blieb ihr Moralisierungsversuch höchst eurozentrisch und verkehrte migrantische Anliegen, wie die Entwicklung der Herkunftsländer, ins Gegenteil.

Das Abschieberegime der Bundesrepublik etablierte sich also mitsamt seiner Legitimationsstrategien und Rückführungspraktiken seit den 1960er-Jahren im Hinblick auf PoC. Erst später wurde es sukzessive auf andere Ausländer*innen erweitert, darunter seit den 1970er-Jahren arbeitslose »Gastarbeiter*innen« und seit den 1980er-Jahren abgelehnte Asylbewerber*innen. Neuen Auftrieb bekam es 1990, als sowohl Osteuropäer*innen wie auch PoC aus ehemals kommunistischen Ländern wieder als rückführbar galten und zudem PoC-Vertragsarbeiter*innen aus der DDR abgeschoben wurden.

Um 1980 vollzog sich eine Wende hin zum explizit rassistischen Abschiebe­regime, welches die Regierungen auf Bundes- und Landesebene zur Abschreckung von Migrant*innen billigten und förderten. Die Inkaufnahme des Selbstmords von Kemal Altun 1983 und die Abschiebung von Susan Alviola 1984 waren erste Manifestationen dieses offenen Rassismus. Nach 1990, als die afrodeutsche Schriftstellerin May Ayim sich von der fallenden Mauer erschlagen fühlte und von der »Sch-Einheit« für PoC und andere Migrant*innen sprach, verschärfte sich die Situation; die Abschiebezahlen verdreifachten sich gegenüber 1989.137 In den Abschiebungsbescheiden hieß es weiterhin, dass Migrant*innen den »Belangen« und »Interessen« der deutschen Gesellschaft schadeten. Dies nahm auch May Ayim wahr. Seit 1990 standen nach ihrem Eindruck die Interessen des »gesamtdeutschen«, d.h. weißen Volkes über allem, und die ohnehin geringe Solidarität mit Geflüchteten, Migrant*innen und PoC verschwand.138

Durch den expliziten Rassismus der 1980er-Jahre und der »Baseballschlägerjahre« nach 1990 bekam der implizitere Rassismus des Abschieberegimes der 1960er-Jahre weniger Aufmerksamkeit, obwohl er weiterhin wirkmächtig war und sogar wiederauflebte. Die um 1960 kolportierte moralische Pflicht für PoC, zur Entwicklungshilfe in ihre nun unabhängigen postkolonialen Länder zurückzukehren, wurde nach 1990 auf Osteuropäer*innen und PoC angewandt, die zum Wiederaufbau »ihrer« postkommunistischen Heimatländer remigrieren sollten. Die damit verbundenen Programme zur »freiwilligen Repatriierung« erlebten mehrere Neuauflagen und waren genauso wie in den 1960er-Jahren moralisch verklärte Zwangsmaßnahmen, die auch den impliziten Rassismus der Helfenden in den Fokus rückten. Solche Helfenden hatten während der 1960er-Jahre unter anderem das Ausländerzentralregister veranlasst, welches der systematischen Erfassung, Kontrolle und Rückführung von Migrant*in­nen diente. Die Ausländererfassung fand in der intensivierten Computerisierung und Einrichtung von internationalen biometrischen Datenbanken seit den 1990er-Jahren ihre Fortsetzung. Die Europäisierung des Abschieberegimes im Rahmen des »Asylkompromisses« von 1993 brachte zudem neue Regelungen wie das »Dublin-Verfahren«, Drittstaatenregelungen und die Festlegung »sicherer Herkunftsländer« mit sich. Daraus entstanden schier unendliche Möglichkeiten, den Migrierenden Täuschungsabsichten zu unterstellen und sie auf dieser Grundlage abzuschieben. Schließlich boten die Terroranschläge der frühen 2000er-Jahre Anlass, Menschen pauschal unter Politisierungsverdacht zu stellen und abzuschieben. Somit wurden die 1960er-Jahre zu einer Geschichte der Gegenwart. Die Anschlussfähigkeit, Abrufbarkeit und Anwendbarkeit der damals entwickelten Ausweisungs- und Abschiebungslegitimationen rührte auch von ihrer Tendenz zur Verschleierung expliziter rassistischer Motive her. Die implizite, aber nicht minder rassifizierende Wirkung des Abschieberegimes war somit in dieser frühen Entstehungsgeschichte angelegt. Während die Bundesrepublik ihre jahrzehntelange Selbstbezeichnung als Nichteinwanderungsland mittlerweile vermeidet, bestätigt die Reaktivierung des Abschieberegimes der 1960er-Jahre doch ihr ungebrochenes Selbstverständnis als Abschiebestaat.


Anmerkungen:

1 Declan Patrick, National Identity in Philippine Folk Dance. Changing Focus from the Cariñosa to Tinikling, in: Clare Parfitt (Hg.), Cultural Memory and Popular Dance. Dancing to Remember, Dancing to Forget, Cham 2021, S. 177-192, hier S. 189.

2 E-Mail Susan Joop (ehem. Alviola), 12.3.2022. Ich danke Susan Mildred Joop und Arnim Joop für zahlreiche Gespräche und Hinweise.

3 Württembergische Landesbibliothek, Bibliothek für Zeitgeschichte, Graue Literatur D 03182, Komitee Susan Alviola (Hg.), Die Angst vor dem aufrechten Gang einer Frau – Der Kampf der Familie Alviola. Eine Dokumentation, Hamburg 1984, S. 1f. Zum Kontext: Arnim Joop, Freie und Hansestadt Hamburg, in: Albertaner, 1.4.2022, S. 10-12.

4 Die Visumsfreiheit galt zunächst für drei Monate: Bundesarchiv (BArch), B 136/4952 040: § 2 Entwurf Ausländergesetz 1965; BArch, B 136/4952 082, Chef BKA Koester an BND vom 9.7.1965: AL1; BArch, B 136/4952 085, Schreiben vom 11.6.1965.

5 Christian Joppke, Immigration and the Nation-State. The United States, Germany, and Great Britain, Oxford 1999, S. 62-99.

6 Lisa-Katharina Weimar, Bundesdeutsche Presseberichterstattung um Flucht und Asyl. Selbstverständnis und visuelle Inszenierung von den späten 1950er bis zu den frühen 1990er Jahren, Wiesbaden 2021, S. 173; Knuth Dohse/Klaus Groth, Ausländerverdrängung. Zur Verschärfung des Ausländerrechts, in: Kritische Justiz 16 (1983), S. 231-249.

7 Komitee Susan Alviola, Angst (Anm. 3).

8 [O.A.,] Empörung über Abschiebung der philippinischen Familie, in: Süddeutsche Zeitung, 18.11.1984, S. 9.

9 Privatarchiv Familie Joop, Antwort Einwohner-Zentralamt Hamburg, 5.11.2019, auf die Frage zur Wiedereinreise.

10 Privatarchiv Familie Joop, Behörde für Inneres der Hansestadt Hamburg, Abschiebebescheid, 28.4.1982.

11 Patrice Poutrus, Asylsuchende, in: Inken Bartels u.a. (Hg.), Inventar der Migrationsbegriffe, 14.3.2023, URL: <https://www.migrationsbegriffe.de/asylsuchende>; »Hunger ist keine Eintrittskarte«. Der Hamburger Innensenator Rolf Lange (SPD) über seine Ausländerpolitik, in: Spiegel, 18.2.1985, S. 83-92, hier S. 89; Fritz Franz, Die Rechtsstellung der ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland, in: Ernst Klee (Hg.), Gastarbeiter. Analysen und Berichte, Frankfurt a.M. 1972, S. 36-57, hier S. 39; [o.A.,] Dank für Flüchtlingshilfe, in: Süddeutsche Zeitung, 10.6.1965, S. 9; Karen Schönwälder, Einwanderung und ethnische Pluralität. Politische Entscheidungen und öffentliche Debatten in Großbritannien und der Bundesrepublik von den 1950er bis zu den 1970er Jahren, Essen 2001, S. 233f.

12 Antje Ellermann, States Against Migrants. Deportation in Germany and the United States, Cambridge 2009, S. 19; Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, München 2001, S. 290; Dieter Gosewinkel, Schutz und Freiheit? Staatsbürgerschaft in Europa im 20. und 21. Jahrhundert, Berlin 2016, S. 440. Kritisch: Patrice G. Poutrus, Umkämpftes Asyl. Vom Nachkriegsdeutschland bis in die Gegenwart, Berlin 2019, S. 12; Lauren Stokes, Fear of the Family. Guest Workers and Family Migration in the Federal Republic of Germany, Oxford 2022, S. 12.

13 Andreas Pott/Christoph Rass/Frank Wolff (Hg.), Was ist ein Migrationsregime? What Is a Migration Regime?, Wiesbaden 2018, S. 1-16.

14 Nicholas De Genova/Nathalie Peutz (Hg.), The Deportation Regime. Sovereignty, Space, and the Freedom of Movement, Durham 2010.

15 Nicholas De Genova, Migrant »Illegality« and Deportability in Everyday Life, in: Annual Review of Anthropology 31 (2002), S. 419-447; Inken Bartels, »Rückführbarkeit fördern«. Das Zusammenwirken von freiwilliger Rückkehr und Abschiebungen in Nordafrika, in: PERIPHERIE 39 (2019), S. 343-368, hier S. 345.

16 Maria Alexopoulou, Ignoring Racism in the History of the German Immigration Society. Some Reflections on Comparison as an Epistemic Practice, in: Journal for the History of Knowledge 2 (2021), Art. 7.

17 Heide Fehrenbach, Black Occupation Children and the Devolution of the Nazi Racial State, in: Rita Chin u.a. (Hg.), After the Nazi Racial State. Difference and Democracy in Germany and Europe, Ann Arbor 2009, S. 30-54, hier S. 42.

18 Sebastian Lotto-Kusche, Der Völkermord an den Sinti und Roma und die Bundesrepublik. Der lange Weg zur Anerkennung 1949–1990, Berlin 2022; Werner Kanein, Ausländergesetz. Mit den übrigen Vorschriften des Fremdenrechts, 2., neubearb. Aufl. München 1974, S. 7f.

19 Bartels, »Rückführbarkeit fördern« (Anm. 15); Marcia C. Schenck, Remembering African Labor Migration to the Second World. Socialist Mobilities between Angola, Mozambique, and East Germany, Cham 2023, S. 215-231.

20 Beate Althammer, Vagabunden. Eine Geschichte von Armut, Bettel und Mobilität im Zeitalter der Industrialisierung, Essen 2017; Marion Reinhardt, Gründungsgeschichte des Internationalen Bundes. Themen – Akteure – Strukturen, Schwalbach 2017.

21 Dohse/Groth, Ausländerverdrängung (Anm. 6), S. 233; Jochen Oltmer, Migration und Politik in der Weimarer Republik, Göttingen 2005, S. 66.

22 Oltmer, Migration und Politik (Anm. 21), S. 66.

23 Schönwälder, Einwanderung (Anm. 11), S. 257-276; Poutrus, Umkämpftes Asyl (Anm. 12), S. 64; Serhat Karakayali, Gespenster der Migration. Zur Genealogie illegaler Einwanderung in der Bundesrepublik Deutschland, Bielefeld 2008, S. 122; Quinn Slobodian, Foreign Front. Third World Politics in Sixties West Germany, Durham 2012, S. 33-37, S. 45-49, S. 105f.; Ulrich Herbert/Karin Hunn, Beschäftigung, Soziale Sicherung und soziale Integration von Ausländern, in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Hans Günter Hockerts (Hg.), Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 5: Bundesrepublik Deutschland 1966–1974. Eine Zeit vielfältigen Aufbruchs, Baden-Baden 2006, S. 781-810, hier S. 787f.; Maria Alexopoulou, Rassismus als Kontinuitätslinie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 68 (2018) H. 38-39, S. 18-24; Marcel Berlinghoff, Die Bundesrepublik und die Europäisierung der Migrationspolitik seit den späten 1960er Jahren, in: Jochen Oltmer (Hg.), Handbuch Staat und Migration in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert, Berlin 2016, S. 931-966, hier S. 941, S. 952f.

24 Jochen Oltmer, ›2015‹ einordnen: Geschichte und Gegenwart der Bundesrepublik als Asylland, in: Katja Jepkens/Lisa Scholten/Anne van Rießen (Hg.), Integration im Sozialraum. Theoretische Konzepte und empirische Bewertungen, Wiesbaden 2020, S. 21-37, hier S. 21-24; Ellermann, States Against Migrants (Anm. 12), S. 19; Lauren Stokes, The Permanent Refugee Crisis in the Federal Republic of Germany, 1949–, in: Central European History 52 (2019), S. 19-44, hier S. 32.

25 Slobodian, Foreign Front (Anm. 23), S. 33-37, S. 45-49, S. 105f.; Tiffany N. Florvil, Black Germany. Schwarz, deutsch, feministisch – die Geschichte einer Bewegung. Aus dem Englischen von Stephan Pauli, Berlin 2023.

26 Lauren Stokes, Racial Profiling on the U-Bahn. Policing the Berlin Gap in the Schönefeld Airport Refugee Crisis, in: Central European History 56 (2023), S. 236-254.

27 Miltiadis Oulios, Blackbox Abschiebung. Geschichte, Theorie und Praxis der deutschen Migrationspolitik, Berlin 2015, S. 54-84.

28 E-Mail Susan Joop, 12.3.2022.

29 Rolf Geffken, Einspruch im Namen der Arbeit. Geschichten aus dem Anwaltsleben eines 1968ers, Arnstadt 2021, S. 94.

30 BArch, R2/18671,1: Laeisz an Reichsverkehrsministerium, 4.4.1933, auch Anlage 1 und Laeisz an Auswärtiges Amt, 17.5.1933.

31 Sibylle Küttner, Farbige Seeleute im Kaiserreich. Asiaten und Afrikaner im Dienst der deutschen Handelsmarine, Erfurt 2000, S. 27-29, S. 86.

32 Geffken, Einspruch (Anm. 29), S. 75-85.

33 Behörde für Inneres, Abschiebebescheid (Anm. 10). Siehe auch § 1 DVAuslG, in: Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. 5f.

34 Geffken, Einspruch (Anm. 29), S. 75f.

35 BArch, B 136/4952 040: § 2 Entwurf Ausländergesetz 1965.

36 Evangelisches Zentralarchiv in Berlin (EZA), 6/8991, 9.64-12.64, Protokoll Arbeitskreis für Ausbildungssuchende aus Übersee (AKAÜ), 13.10.1964.

37 Slobodian, Foreign Front (Anm. 23), S. 28; [o.A.,] Afrikaner sollen in Afrika studieren, in: Süddeutsche Zeitung, 14.1.1974.

38 Wie Anm. 36.

39 EZA, 6/8991, 9.64-12.64, Diakonisches Werk Hessen-Nassau, Innere Mission und Hilfswerk, o.D.

40 EZA, 6/8995, 04.1967-07.1968, Protokoll 18. Sitzung AKAÜ, 28.2.1967.

41 Ebd., Diakonisches Werk, Ökumenische Abteilung an Oberkirchenrat Krüger, 21.6.1967.

42 [O.A.,] »Eigentlich müßte Deutschland ein Paradies sein«, in: Süddeutsche Zeitung, 29.1.1960.

43 BArch, B 136/4952: BMI IB3 – 13903 – B – 77, Bonn 9.8.1963. Diese Verbote konnten aber später aufgehoben werden, wenn Mangel herrschte; präziser dazu: Werner Kanein, Das Ausländergesetz und die wesentlichen fremdenrechtlichen Vorschriften. Kommentar, München 1966, S. 51.

44 [O.A.,] Stiefkinder der Alma Mater, in: Süddeutsche Zeitung, 30.1.1974; [o.A.,] Schwarzen glaubt man die weiße Weste weniger, in: Süddeutsche Zeitung, 11.2.1978; [o.A.,] Wenn der Ehemann ein Ausländer ist…, in: Süddeutsche Zeitung, 8.2.1978.

45 Althammer, Vagabunden (Anm. 20).

46 Zit. nach Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 354.

47 Herbert/Hunn, Beschäftigung (Anm. 23), S. 787, S. 790.

48 Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik (Anm. 12), S. 202.

49 »Eigentlich müßte Deutschland ein Paradies sein« (Anm. 42).

50 Herbert, Geschichte der Ausländerpolitik (Anm. 12), S. 208.

51 EZA 6/8994, 11.1966-04.1967, Schreiben AKAÜ (Dr. Claus), o.D.

52 Siehe den Beitrag von Carolin Liebisch-Gümüş in diesem Heft.

53 EZA, 6/8993, 9.65-8.66, Presseberichte.

54 Herbert/Hunn, Beschäftigung (Anm. 23), S. 784, S. 797; Klee, Gastarbeiter (Anm. 11), S. 3.

55 EZA, 6/8995, 04.1967-07.1968, Protokoll 21. Sitzung AKAÜ, 3.10.1967. Das N-Wort wurde hier im Original belassen, um den rassistischen Sprachgebrauch zu verdeutlichen.

56 EZA, 6/8991, 9.64-12.64, Protokoll AKAÜ, 13.10.1964.

57 Ebd.

58 EZA, 6/8991, 9.64-12.64, Vermerk Kirchliches Außenamt, 21.5.1965.

59 Christiane Reinecke, Producing the ›Undocumented Migrant‹. Registration and Deportation in Early Twentieth Century London and Berlin, in: Hilde Greefs/Anne Winter (Hg.), Migration Policies and Materialities of Identification in European Cities. Papers and Gates, 1500–1930s, New York 2019, S. 243-264, hier S. 249.

60 EZA, 6/8991, 9.64-12.64, Themenblatt IB und Protokoll AKAÜ, 22.12.1964.

61 Wie Anm. 39.

62 Gérard Noiriel, Die Tyrannei des Nationalen. Sozialgeschichte des Asylrechts in Europa. Aus dem Französischen von Jutta Lossos und Rolf Johannes, Lüneburg 1994, 2. Aufl. Springe 2016.

63 EZA, 6/8991, 9.64-12.64, Themenblatt IB und Protokoll AKAÜ, 13.10.1964 und 22.12.1964.

64 Wie Anm. 39.

65 EZA, 6/8995, 04.1967-07.1968, Abschrift Schmude (Jugendsozialwerk e.V.) an OB Meier, 25.10.1967.

66 Wie Anm. 39.

67 EZA, 6/8991, 9.64-12.64, Protokoll AKAÜ, 22.12.1964.

68 Oulios, Blackbox Abschiebung (Anm. 27), S. 206f.

69 Statistisches Bundesamt (Hg.), Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Ausländer 1982, Stuttgart 1983, S. 7.

70 EZA 6/8995, 04.1967-07.1968, Protokoll 18. Sitzung AKAÜ, 28.2.1967; Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 24.

71 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. VII.

72 Statistisches Bundesamt, Ausländer 1982 (Anm. 69), S. 60.

73 Dohse/Groth, Ausländerverdrängung (Anm. 6), S. 234.

74 Ebd., S. 233; Kanein, Ausländerrecht (Anm. 43), S. 8.

75 Wie Anm. 40.

76 EZA, 6/8991, 9.64-12.64, Protokoll 4. Sitzung AKAÜ, 26.1.1965.

77 [O.A.,] Der Initiativkreis für die Reform des Ausländerrechts, in: Georg Albrecht (Hg.), Das Düsseldorfer Reformprogramm zum Ausländerrecht, Bonn 1976, S. 30-45.

78 EZA, 6/8995, 04.1967-07.1968, Caritas Frankfurt an Außenamt der Ev. Kirche, 21.4.1967.

79 Der Initiativkreis (Anm. 77), S. 31.

80 Wie Anm. 39.

81 Siehe auch: Der Initiativkreis (Anm. 77), S. 41.

82 II, I (d) – 125 4040, GütL 29/141: Richtlinien der Ausländeraufsicht; zit. nach Klee, Gastarbeiter (Anm. 11), S. 227-234.

83 Sie wurde aber schrittweise wieder abgebaut, bevor sie sich praktisch durchsetzen konnte: Berlinghoff, Europäisierung der Migrationspolitik (Anm. 23), S. 962.

84 Bundesgesetzblatt (BGBl.), Teil II, Nr. 15, 17.4.1959, S. 389-396. Siehe auch Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 44, S. 528-543.

85 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 42.

86 Ebd., S. 26.

87 Jürgen Dittberner, Asylpolitik und Parlament: Der Fall Berlin, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 17 (1986), S. 167-181, hier S. 168f.

88 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 7f.

89 Ebd., S. 29.

90 Marcia Schenck, A Different Class of Refugee. University Scholarships and Developmentalism in Late 1960s Africa, in: Africa Today 69 (2022/23) H. 1-2, S. 134-161.

91 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 76.

92 Ebd., S. 72.

93 Hans Heinz Heldmann, Zum neuen Ausländergesetz [1965], in: ders., Verwaltung versus Verfassung. Ausländerrecht 1965–1988, Frankfurt a.M. 1989, S 1-4, hier S. 3.

94 Ausländergesetz, in: Klee, Gastarbeiter (Anm. 11), S. 218-220, hier S. 219.

95 Hans Heinz Heldmann (Hg.), Ausländerrecht. Textsammlung, Schrobenhausen 1974, S. 21; Eckard Michels, Schahbesuch 1967. Fanal für die Studentenbewegung, Berlin 2017.

96 Hans Heinz Heldmann, Neuigkeit aus unserer Fremdenrechtspraxis [1967], in: ders, Verwaltung (Anm. 93), S. 11-16, hier S. 11.

97 Ders., Das Ausländergesetz 1965 – Ein kritischer Rückblick auf zwei Jahre Gesetzesanwendung [1968], in: ders., Verwaltung (Anm. 93), S. 17-24, hier S. 19.

98 Oulios, Blackbox Abschiebung (Anm. 27), S. 208.

99 Poutrus, Umkämpftes Asyl (Anm. 12), S. 63.

100 Heldmann, Das Ausländergesetz 1965 (Anm. 97), S. 20; Oltmer, Migration und Politik (Anm. 21), S. 66f.

101 BArch, B 136/4952 040: § 2 Entwurf Ausländergesetz 1965. Diese Regelung traf nicht auf Ost­europäer*innen zu: BArch, B 136/4952 251: Anlage zum Schreiben des BMI, 16.9.1966.

102 BArch, B 136/4952 040: § 2 Entwurf Ausländergesetz 1965.

103 Stokes, The Permanent Refugee Crisis (Anm. 24), S. 32.

104 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 9.

105 Wie Anm. 102.

106 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 19.

107 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. 55.

108 Heldmann, Ausländerrecht (Anm. 95), S. 13.

109 Rudolf Schiedermair, Handbuch des Ausländerrechts der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a.M. 1968, S. 83.

110 Peter Wirtz, Brauchen wir ein neues Ausländergesetz? Anmerkungen zum »Alternativentwurf 70«, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 3 (1970), S. 247-250, hier S. 249.

111 § 2 AuslG, in: Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. 3; Christiane Kuller, Bürokratie und Verbrechen. Antisemitische Finanzpolitik und Verwaltungspraxis im nationalsozialistischen Deutschland, München 2013, S. 335.

112 § 5 der Ausländerpolizeiverordnung vom 22.8.1938, in: Reichsgesetzblatt (RGBl.), Teil I, Nr. 132, 25.8.1938, S. 1053-1056, hier S. 1054.

113 Wirtz, Brauchen wir ein neues Ausländergesetz? (Anm. 110), S. 247.

114 Ebd.; Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. VII.

115 Wirtz, Brauchen wir ein neues Ausländergesetz? (Anm. 110), S. 247; Fritz Franz, Alternativentwurf ʼ70 zum Ausländergesetz ʼ65, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 3 (1970), S. 229-237.

116 Zur »Obsession der Täuschung«: Alexis Spire, La politique des guichets au service de la police des étrangers, in: Savoir/Agir 36 (2016) H. 2, S. 27-31.

117 Geffken, Einspruch (Anm. 29), S. 96f.; Kanein, Ausländergesetz (Anm. 43), S. 48.

118 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. 31.

119 Heldmann, Ausländerrecht (Anm. 95), S. 39.

120 Wie Anm. 40.

121 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. 9f.

122 Wie Anm. 40.

123 Zur Kolonialität des Entwicklungsdenkens: Hubertus Büschel, Hilfe zur Selbsthilfe. Deutsche Entwicklungsarbeit in Afrika 1960–1975, Frankfurt a.M. 2014; Eric Burton, In Diensten des Afrikanischen Sozialismus. Tansania und die globale Entwicklungsarbeit der beiden deutschen Staaten, 1961–1990, Berlin 2021.

124 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. 38.

125 [O.A.,] Ein Afrikaner hängt an Weißenburg, in: Süddeutsche Zeitung, 10.9.1975.

126 Heiko von Schrenk, Behörden sollen Kosovo-Albaner zur Ausreise gezwungen haben, in: Frankfurter Rundschau, 21.6.1995, S. 4.

127 Berlinghoff, Europäisierung der Migrationspolitik (Anm. 23), S. 952-956.

128 EZA, 6/8999, 05.1979-01.1981, Internationaler Sozialdienst an AKAÜ, 15.1.1980: Gabel über DRK-Heim Blumeshof.

129 Gosewinkel, Schutz und Freiheit? (Anm. 12), S. 128, S. 187-193.

130 Zit. nach Franz, Die Rechtsstellung (Anm. 11), S. 49.

131 Der Initiativkreis (Anm. 77), S. 38.

132 II OVG A 42/70, 3A 99/69-Schleswig; zit. nach Klee, Gastarbeiter (Anm. 11), S. 241-256.

133 Franz, Alternativentwurf ʼ70 (Anm. 115), S. 232.

134 Hans Heinz Heldmann, Alternativentwurf 1970 zum Ausländergesetz 1965 [1970], in: ders., Verwaltung (Anm. 93), S. 25-47, hier S. 41-43.

135 Kanein, Ausländergesetz (Anm. 18), S. 11.

136 Heldmann, Alternativentwurf 1970 (Anm. 134), S. 43.

137 May Ayim, Das Jahr 1990. Heimat und Einheit aus afro-deutscher Perspektive, in: Ika Hügel u.a. (Hg.), Entfernte Verbindungen. Rassismus, Antisemitismus, Klassenunterdrückung, Berlin 1993, S. 206-220; Ellermann, States Against Migrants (Anm. 12), S. 19.

138 Siehe auch den Dokumentarfilm »Die Mauer ist uns auf den Kopf gefallen« von 2018, Regie: Diane Izabiliza, über die Erfahrungen von fünf weiblichen PoC aus Ost- und Westdeutschland.

 

 

 

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