- Strategischer Kosmopolitanismus in der Schlossdebatte
- Fallstricke des Eurozentrismus
- Provenienzforschung und Restitutionspolitik
- Jenseits des Eurozentrismus?
Das neu-alte Schloss steht bereits. Die Baugerüste sind Ende 2018 gefallen und haben den Blick auf die rekonstruierten Barockfassaden an der Nord-, West- und Südseite freigegeben. Lediglich die moderne Ostfassade lässt von außen erkennen, dass es sich bei dem Gebäude auf dem Berliner Schlossplatz nicht wirklich um das alte Stadtschloss handelt, sondern um eine Teilrekonstruktion. In deren Innerem soll ab Ende 2019, im 250. Geburtsjahr Alexander von Humboldts, das Humboldt Forum etappenweise eröffnen. Neben Sonderausstellungsflächen, Veranstaltungsräumen und einer Ausstellung zur Geschichte des Ortes im Erdgeschoss sowie Ausstellungen des Landes Berlin und der Humboldt-Universität im ersten Obergeschoss wird es im zweiten und dritten Obergeschoss die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst beherbergen, die beide zu den Staatlichen Museen zu Berlin gehören und damit Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind.1
Wegen dieser Sammlungen außereuropäischer Kunst ist das Humboldt Forum in den letzten Jahren zum Kristallisationspunkt einer bisweilen hitzig geführten Debatte über den richtigen Umgang mit Kulturgütern aus der Kolonialzeit geworden. Diese Debatte hat zugleich die allgemeinere Frage nach dem Umgang der deutschen Gesellschaft mit ihrer im öffentlichen Bewusstsein bis dato kaum präsenten Kolonialvergangenheit auf die Tagesordnung gesetzt. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die Diskussionen um das Humboldt Forum sowohl die rot-rot-grüne Koalition im Land Berlin als auch die schwarz-rote Koalition im Bund mit dazu bewogen haben, sich in ihren Koalitionsverträgen die »Aufarbeitung des Kolonialismus« zur Aufgabe zu machen.2
1. Strategischer Kosmopolitanismus in der Schlossdebatte
Diese geschichtspolitische Wendung ist nicht ohne Ironie. Denn als die Idee des Humboldt Forums um 2000 geboren wurde, hat wohl keiner der Beteiligten an den deutschen Kolonialismus gedacht. Die Idee sollte vielmehr dazu dienen, einen anderen geschichtspolitischen Streit zu befrieden, der sich in den 1990er-Jahren um die Frage der Neugestaltung der Berliner Mitte drehte, konkret um den Abriss des Palasts der Republik (seit 1976 Sitz der Volkskammer und repräsentatives Kulturhaus der DDR) und die Rekonstruktion des Stadtschlosses. Dies war nicht nur eine städtebauliche Kontroverse, sondern zugleich ein Streit um die Neupositionierung Berlins als Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands, um das (architektonische) Erbe der DDR und um den Ort der entstehenden Berliner Republik in der deutschen Nationalgeschichte.3
Im Kontext dieses Streits formulierte Klaus-Dieter Lehmann (damals Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, heute Präsident des Goethe-Instituts und zugleich Mitglied im Programmbeirat des Humboldt Forums) erstmals die Idee, die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin aus ihrer städtischen Randlage in Dahlem in die direkte Nachbarschaft der Museumsinsel zu holen. Damit entstünde, so Lehmann in einem Thesenpapier, das er Ende Mai 2000 dem Berliner Senat und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (damals Michael Naumann) vorlegte, »eine einmalige Konzentration der Kulturen der Welt in der Mitte Berlins – mit der Leitidee beider Brüder Humboldt«: »Während die Museumsinsel [...] mit ihren archäologischen Sammlungen und denen der abendländischen Kultur dem humanistischen Bildungsideal Wilhelm von Humboldts entspricht, könnte der Schlossplatz, im Süden der Museumsinsel gelegen, die außereuropäischen Kulturen des jetzigen Dahlemer Musemsquartiers aufnehmen. Dieses Konzept entspräche dem Denken des Weltbürgers Alexander von Humboldt.«4
Im Humboldt Forum als einer »Werkstatt für den kulturellen Dialog« könne zugleich das »Verhältnis Deutschlands zu den Kulturen der Welt« neu bestimmt werden, weshalb seine Gestaltung »zu einer nationalen Aufgabe« werde – so Lehmann im selben Thesenpapier.5 Damit waren die seitdem immer wieder neu ausbuchstabierten und bis heute tragenden Leitgedanken des Humboldt Forums erstmals formuliert. Indem das Schloss zu einem »Haus der Kulturen der Welt«6 und damit zu einem Ausweis der Weltoffenheit der Berliner Republik erklärt wurde, sollte die Schlossrekonstruktion gleichsam geschichtspolitisch entschärft und vom Ruch des Revisionismus befreit werden. Gleichzeitig wurde das Berliner Schloss als Humboldt Forum zu einem Kulturprojekt von nationaler Bedeutung aufgewertet. Beate Binder sieht darin einen »geplanten Kosmopolitanismus«: »Zentriert um die Begriffe Begegnung, Offenheit und kulturelle Erfahrung wird das Humboldt-Forum als Reflexionsraum entworfen, in dem das Nationale innerhalb einer sich globalisierenden Welt verstetigt werden kann und zugleich von der Toleranz und Offenheit der deutschen Nation spricht.«7
Auf der Grundlage dieses Konzepts fielen in den Jahren 2002 bis 2007 die Entscheidungen des Deutschen Bundestages und des Bundeskabinetts zum Abriss des Palasts der Republik sowie zur Errichtung eines neuen Gebäudes in der Kubatur des Berliner Schlosses mit der Rekonstruktion dreier barocker Außenfassaden und des Schlüterhofs. 2008 gewann Franco Stella den Architekturwettbewerb, 2013 folgte die Grundsteinlegung.8
Auch wenn das Konzept des Humboldt Forums »zunächst unabhängig von der äußeren Bauwerksgestalt« gedacht war, wie Lehmann betonte (»Das kann Schlossgegner und -befürworter versöhnen.«),9 wurde es doch immer wieder in eine historische Kontinuität mit dem Berliner Schloss gestellt. So verwies etwa Horst Bredekamp (2015–2018 gemeinsam mit Neil MacGregor und Hermann Parzinger einer der drei Gründungsintendanten des Humboldt Forums) schon frühzeitig auf die Geschichte der königlichen Kunstkammer, aus der heraus sich die Berliner Museen entwickelt hatten. Mit dem Humboldt Forum, so Bredekamp in einem Zeitungsartikel von 2001, ergebe sich die Chance, »dass die Kunstkammer in zeitgemäßer Form an ihren alten Standort zurückfindet«.10 Neben der Kunstkammer wird als historische Bezugsgröße immer wieder das Erbe der preußischen Aufklärung ins Feld geführt, personifiziert durch die Namensgeber Alexander und Wilhelm von Humboldt. Die geschichtspolitische Funktion dieser historischen Rückbezüge sprachen Thomas Flierl (2002–2006 Berliner Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur) und Hermann Parzinger (seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz) in der Einleitung zu einem Debattenband von 2009 offen an: »Das Humboldt-Forum entwickelt die Idee, die der Schaffung der Museumsinsel im 19. Jahrhundert zugrunde lag, nun zu einer greifbaren Vision von der Gleichberechtigung aller Kulturen in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts weiter. Deutschland schließt nach den historischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts mit diesem ›Grand projet‹ an seine Tradition als Kultur- und Wissenschaftsnation an und will in seiner Hauptstadt einen Ort schaffen, an dem der Dialog der Kulturen auf lebendige Weise erfahrbar sein wird.«11 Das Humboldt Forum soll also eine geschichtspolitische Brücke über die hier etwas euphemistisch so bezeichneten »Verwerfungen des 20. Jahrhunderts« hinweg schlagen, um die deutsche »Tradition als Kultur- und Wissenschaftsnation« aus dem 19. ins 21. Jahrhundert weiterzuführen.12
2. Fallstricke des Eurozentrismus
An diesen Grundgedanken des Humboldt Forums wurde bald von unterschiedlichen Seiten Kritik geübt. Zum einen betraf dies den womöglich doch wieder zum Vorschein kommenden nationalgeschichtlichen Revisionismus, der sich auf die vordemokratische preußisch-deutsche Vergangenheit bezog. Zum anderen – und das ist m.E. das wichtigere Argument – wurde darauf hingewiesen, dass die Idee eines »Dialogs der Kulturen« zwischen der europäischen Kunst auf der Museumsinsel und der außereuropäischen Kunst im Humboldt Forum die Trennung zwischen diesen beiden Konstrukten perpetuiert und dabei weder die Verflechtungen zwischen den Kulturen hinreichend in Rechnung stellt noch die Tatsache, dass es sich bei der »europäischen« und der »außereuropäischen« Kunst nicht um irgendwie klar abgrenzbare und historisch stabile kulturelle Einheiten handelt.
Die Blickrichtung, aus der heraus dieser »Dialog der Kulturen« konzipiert wird, ist zudem eine klar europäische. Wenn Parzinger etwa schreibt, dass das Humboldt Forum durch die dort möglichen »Erfahrungen mit außereuropäischer Kunst und Kultur [...] die Menschen neugierig machen und für andere Welten begeistern« sowie dadurch zu neuen »Formen des Umgangs mit dem Fremden und dem Anderen« anhalten werde,13 dann wird deutlich, dass mit den »Menschen«, die ins Humboldt Forum kommen sollen, in erster Linie Europäerinnen und Europäer gemeint sind, für die die dort anzutreffende Kultur »fremd« und »anders« sei. Völkerkundemuseen haben schon im 19. Jahrhundert maßgeblich zur Konstruktion einer solchen Gegenüberstellung von »fremder« und »eigener« Kultur beigetragen. Die Konzeption des Humboldt Forums erscheint prima facie wenig geeignet, diese Dichotomisierung aufzubrechen.14 Mehr noch, die Grundidee des völkerkundlichen Sammelns im 19. Jahrhundert, dass es in sich geschlossene, regional verankerte Kulturen gebe, deren »ursprüngliche« Gestalt man durch das Aufbewahren kultureller Gegenstände bewahren müsse, bevor sie durch den Kontakt mit dem Westen verändert und letztlich zum Verschwinden gebracht würden, scheint hier implizit fortzuleben.15 Denn obwohl in den programmatischen Verlautbarungen immer davon die Rede ist, das Humboldt Forum müsse auf die Globalisierung der Gegenwart reagieren, werden die Effekte dieser bereits weiter zurückreichenden Globalisierung, zu denen nicht zuletzt Migration und die Verflechtung oder auch Hybridisierung von Kulturen gehören, in der Gegenüberstellung von »eigener« und »fremder« Kultur gerade ignoriert.
Nun gibt es innerhalb der Ethnologie schon seit Jahren ausführliche und kritische Auseinandersetzungen mit dem Erbe des Fachs, der postkolonialen Kritik daran und mit den Fallstricken des Eurozentrismus. Diese Diskussionen wurden und werden auch von den Kuratorinnen und Kuratoren des Ethnologischen Museums Berlin geführt, und sie finden Eingang in die Ausstellungskonzeptionen für das Humboldt Forum. So hat sich etwa das Humboldt Lab Dahlem in den Jahren 2012–2015 ausführlich mit neueren Ansätzen des ethnologischen Sammelns und Ausstellens befasst und sich dabei auch mit den eben genannten Problemen auseinandergesetzt, die in der Ethnologie häufig unter dem Stichwort »Krise der Repräsentation« diskutiert werden.16 Dass es »vornehmliche Aufgabe eines Humboldt-Forums sein müsse, die in den ethnologischen Sammlungen eingelagerte Geschichte der kolonialen Blickverhältnisse grundlegend aufzuarbeiten«, wie der Kulturanthropologe Friedrich von Bose eine der Positionen zu dieser Problematik in seiner Studie über die Planungsprozesse im Humboldt Forum wiedergibt,17 wird dabei allerdings nicht von allen Akteuren geteilt.18
Zudem werden diese Diskussionen auf unterschiedlichen Ebenen im Gesamtgefüge des Humboldt Forums geführt. Auf der politischen Ebene und auf der Ebene der Texte, mit denen das Humboldt Forum als kulturpolitisches Prestigeprojekt beworben wird, war lange Zeit nicht viel von ihnen zu merken. Dies zeigt sich etwa in einem vom Januar 2018 datierten Statement der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Monika Grütters. Die Brüder Humboldt, so heißt es dort in der bekannten Gegenüberstellung von Fremdem und Eigenem, »verdankten ihre umfassende Bildung einer schier unerschöpflichen Neugier auf die Welt. Diese Neugier auf das Andere, das Fremde soll hier [im Humboldt Forum] Gestalt annehmen [...].«19
In der Sprache und damit wohl auch in der Gedankenwelt der für das Humboldt Forum verantwortlichen kulturpolitischen Akteure scheinen sich die Eurozentrismen hartnäckig gehalten zu haben. Das gehört jedenfalls zu den Kritikpunkten der zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich in der Kampagne »No Humboldt 21!« zusammengeschlossen haben. Diese Kampagne wurde im Juni 2013, also im Monat der Grundsteinlegung des Schlossneubaus, ins Leben gerufen. In ihrer Resolution, mit der sie ein »Moratorium« für das Humboldt Forum fordert, heißt es unter anderem: »Die Erkundung der Welt und ihrer Menschen durch europäische ›Forscher‹ war über Jahrhunderte hinweg ein koloniales Projekt und trägt bis heute zur Kontrolle und Ausbeutung des Globalen Südens bei.«20 Daran habe sich auch Alexander von Humboldt beteiligt. Er sei deshalb als Namensgeber für ein Museum mit Kunst und Kulturgütern aus dem Globalen Süden ungeeignet.
Die Kampagne »No Humboldt 21!« nimmt jedoch nicht nur am Namen Humboldt Anstoß. Sie stellt vielmehr die Legitimität des gesamten Vorhabens in Frage, da es sich bei der ethnologischen Sammlung überwiegend um koloniales Raubgut handele: »Der weitaus größte Teil der über 500.000 wertvollen Exponate aus aller Welt kam im Zusammenhang mit kolonialen Eroberungen nach Berlin. [...] Wir fordern die Offenlegung der Erwerbsgeschichte aller Exponate und die Befolgung der unmissverständlichen UN-Beschlüsse zur ›Rückführung von Kunstwerken in Länder, die Opfer von Enteignung wurden‹.«21
3. Provenienzforschung und Restitutionspolitik
Mit ihrem anhaltenden Protest waren es in erster Linie diese zivilgesellschaftlichen Initiativen, die Provenienz und Restitution zum Hauptthema der Debatten um das Humboldt Forum gemacht haben. Dass das koloniale Raubgut zudem hinter den Fassaden des ehemaligen Hohenzollernschlosses und damit am Herrschaftsort der früheren deutschen Kolonialmacht gezeigt werden soll, verschärft aus Sicht der Kritikerinnen und Kritiker die Lage noch und offenbart in ihren Augen den restaurativen Charakter des gesamten Projekts.
2017 gewann die Debatte um Provenienz und Restitution durch zwei weitere Momente an Dynamik. Im Sommer des Jahres trat die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die in Berlin an der Technischen Universität und in Paris am Collège de France lehrt, mit Aplomb aus dem wissenschaftlichen Beirat des Humboldt Forums aus, und zwar genau mit dem Vorwurf, das Humboldt Forum bzw. die Stiftung Preußischer Kulturbesitz beschäftige sich nicht hinreichend mit der kolonialen Provenienz der ethnologischen Sammlungen.22 Im November 2017 erklärte dann der französische Präsident Emmanuel Macron an der Universität von Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, es sei nicht länger akzeptabel, »dass sich ein Großteil des Kulturerbes mehrerer afrikanischer Länder in Frankreich befindet«: »Ich gehöre zu einer Generation von Franzosen, für die die Verbrechen der europäischen Kolonialisierung unbestreitbar und Teil unserer Geschichte sind.« Er wolle deshalb, »dass innerhalb der nächsten fünf Jahre die Voraussetzungen für zeitweilige oder endgültige Restitutionen des afrikanischen Erbes an Afrika geschaffen werden«.23 Wenig später beauftragte er Bénédicte Savoy zusammen mit dem senegalesischen Schriftsteller und Wirtschaftswissenschaftler Felwine Sarr, die Bedingungen zu eruieren, unter denen die Artefakte zurückgegeben werden könnten. Deren Bericht wurde Ende November 2018 veröffentlicht; er empfiehlt weitreichende Restitutionen sowie eine »neue Ethik der Zusammenarbeit« mit afrikanischen Kulturinstitutionen.24
Diese Entwicklung in Frankreich sowie die zivilgesellschaftliche Kritik am Humboldt Forum haben auch die kulturpolitischen Akteure in Deutschland unter Zugzwang gesetzt. Deutlichstes Zeichen davon ist der im März 2018 verabschiedete Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung. Dort heißt es im Abschnitt zur auswärtigen Kulturpolitik: »Wir wollen die kulturelle Zusammenarbeit mit Afrika verstärken und einen stärkeren Kulturaustausch befördern, insbesondere durch die Aufarbeitung des Kolonialismus sowie den Aufbau von Museen und Kultureinrichtungen in Afrika.«25 Im Abschnitt zu »Gedenken und Erinnern« wird die Aufarbeitung der »deutschen Kolonialgeschichte« erstmals neben die »Aufarbeitung der NS-Terrorherrschaft und der SED-Diktatur« gestellt.26 In einem dritten Abschnitt über »Kulturelles Erbe, Kolonialismus, Flucht und Vertreibung« geht es dann schließlich konkret um die »Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen«, die »in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museumsbund« schwerpunktmäßig gefördert werden solle.27
Die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museumsbund hat im Mai 2018 bereits zur öffentlichen Vorstellung eines »Leitfadens zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten« geführt.28 Dieses Dokument geht einerseits sehr weit in der Definition dessen, was als »kolonialer Kontext« zu verstehen sei. So macht der Leitfaden insbesondere deutlich, dass damit nicht nur die formale deutsche Kolonialherrschaft 1884–1919 gemeint ist und dass die ethnologische, aber auch die naturkundliche und archäologische Wissenschaft und Sammlungstätigkeit seit dem 18. Jahrhundert eng mit dem europäischen kolonialen Projekt verbunden waren.29 Andererseits bleibt der Text hinsichtlich möglicher Restitutionen vage und lässt sich in keiner Weise mit den Empfehlungen des Berichts von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr vergleichen. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in den deutschen Reaktionen auf den Savoy-Sarr-Bericht Ende 2018, der etwa von Horst Bredekamp scharf kritisiert wurde.30 Hermann Parzinger erklärte dagegen, dass sich der französische Ansatz vom deutschen gar nicht grundsätzlich unterscheide: »Rückgabe von kolonialem Raubgut einerseits und enge Zusammenarbeit mit Herkunftsländern und Ursprungsgesellschaften bei der Erforschung von Bedeutung und Biographien der Objekte andererseits.«31
4. Jenseits des Eurozentrismus?
Die Fragen von Provenienzforschung und Restitutionspolitik bestimmen seit der Veröffentlichung des Savoy-Sarr-Berichts die Debatte sowohl auf innerwissenschaftlicher wie auch auf publizistischer und politischer Ebene. Die dabei ausgetauschten Argumente können hier nicht in der gebotenen Ausführlichkeit behandelt werden. Es mehren sich jedoch die Stimmen, die daran erinnern, dass – wie auch Parzinger schreibt – die »Aufarbeitung des kolonialen Erbes [...] mit Rückgaben allein nicht erledigt« sei.32 Es handelt sich vielmehr um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich auch jenseits von Museen und ihren Sammlungen stellt, etwa hinsichtlich der Anerkennung des 1904–1907 von den deutschen »Schutztruppen« im heutigen Namibia verübten Völkermords an den Herero und Nama, der gegenwärtig vor einem New Yorker Gericht verhandelt wird.33
Die Fraktion der Grünen im Bundestag hat die unterschiedlichen Dimensionen der Aufarbeitung des Kolonialismus schon in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung vom September 2018 zusammengebracht, indem sie nicht nur detailliert nach dem Humboldt Forum sowie den Themen Provenienzforschung und Restitution fragte, sondern etwa auch nach der Haltung der Bundesregierung zu Forderungen »nach der Errichtung einer zentralen Gedenk- und Dokumentationsstätte zur Erinnerung an die deutsche Kolonialzeit«.34 Während die offizielle Antwort der Bundesregierung noch ausweichend darauf verwies, dass »die Initiative für die Einrichtung national bedeutsamer Denkmale vom Deutschen Bundestag ausgehen sollte«,35 haben die beiden Staatsministerinnen Monika Grütters (Bundeskanzleramt) und Michelle Müntefering (Auswärtiges Amt) in einem gemeinsamen Zeitungsartikel Mitte Dezember 2018 die Debatte über einen solchen »Ort für die Erinnerung an koloniales Unrecht in Deutschland« ausdrücklich befürwortet.36
Dieser in mancher Hinsicht erstaunliche Artikel von Grütters und Müntefering verdeutlicht zwei Dinge: Zum einen hat sich die Debatte über das Humboldt Forum zu einer breiteren Diskussion über den angemessenen Umgang mit der deutschen Kolonialvergangenheit entwickelt. Zum anderen scheinen auch die für das Humboldt Forum verantwortlichen kulturpolitischen Akteure die Zeichen der Zeit nun mehrheitlich erkannt zu haben. Jedenfalls ist das ernsthafte Bemühen um eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Thema Kolonialismus erkennbar, bei der es auch darum geht, »aus der Falle einer eurozentrischen Perspektive herauszukommen«.37 Angesichts dieser Debattenlage erscheint es gleichwohl als etwas zwiespältig, wenn Grütters das Humboldt Forum dafür lobt, schon vor seiner Eröffnung zum »regelrechten Katalysator für das Thema Kolonialismus« geworden zu sein.38 Denn damit verschleiert sie, dass der deutsche Kolonialismus in den Ursprungsplanungen für das Humboldt Forum keine Rolle gespielt hat und erst durch fortgesetzten Druck von außen zum Thema der Debatten geworden ist. Andererseits ist unbestreitbar, dass als nicht intendierte Konsequenz der Entscheidung des Bundestages, die »Kulturen der Welt« zu »Teilhabern des vornehmsten Platzes Deutschlands« zu machen, wie Parzinger es formuliert hat,39 der Kolonialismus nun in einer Art und Weise auf der Agenda der nationalen Geschichtspolitik steht, die in den kommenden Jahren nicht mehr zurückzunehmen sein wird.40
Dabei kann das Humboldt Forum auch nach seiner Eröffnung eine zentrale Rolle spielen. Regina Wonisch plädiert in Bezug auf die ethnologischen Museen allgemein für die »Umwandlung einer kolonialen Einrichtung [des ethnologischen Museums] in einen Raum postkolonialer Auseinandersetzungen über historische und zeitgemäße Konzepte von Kultur, Identität und Differenz, über historische und gegenwärtige Praktiken der Ausbeutung, Ausgrenzung und Aneignung«.41 Thomas Thiemeyer spricht mit Blick auf das Humboldt Forum vom »Wechsel von einer nationalstaatlich grundierten, genealogischen Erinnerungskultur zu einer kosmopolitischen Erinnerungskultur«.42 Es liegt an den Ausstellungs- und Veranstaltungsmacherinnen und -machern des Humboldt Forums, aber auch an dessen unterschiedlichen Kooperationspartnerinnen und -partnern, dem Publikum und dem gesamtgesellschaftlichen Umfeld, diesen doppelten Wandel gelingen zu lassen und über das self-fashioning der deutschen Nation als weltoffen im Sinne des »geplanten Kosmopolitanismus« (Beate Binder)43 hinauszukommen.
Anmerkungen:
1 Vgl. zur nicht unkomplizierten Gemengelage der am Humboldt Forum beteiligten Akteure und Institutionen die Selbstdarstellung der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss auf deren Website: <https://www.humboldtforum.com/de>. Ich selbst bin Mitglied im Kuratorenteam der Berlin-Ausstellung. Im Folgenden äußere ich mich jedoch nicht in dieser Eigenschaft und zu dieser Ausstellung, sondern als freier Wissenschaftler zu der geschichtspolitischen Problem- und Diskurskonstellation, in der das Humboldt Forum als Ganzes zu verorten ist.
2 Vgl. Berlin gemeinsam gestalten. Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen. Koalitionsvereinbarung 2016–2021, u.a. S. 124; Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, u.a. S. 154.
3 Vgl. dazu Beate Binder, Streitfall Stadtmitte. Der Berliner Schlossplatz, Köln 2009; zur Überschreibung der DDR-Geschichte in der urbanen Erinnerungslandschaft siehe auch Carol Anne Costabile-Heming, The Reconstructed City Palace and Humboldt Forum in Berlin. Restoring Architectural Identity or Distorting the Memory of Historic Spaces?, in: Journal of Contemporary European Studies 25 (2017), S. 441-454.
4 Klaus-Dieter Lehmann, Die Kulturen der Welt auf dem Schlossplatz, in: Horst Bredekamp/Peter-Klaus Schuster (Hg.), Das Humboldt Forum. Die Wiedergewinnung der Idee, Berlin 2016, S. 246-249, hier S. 246.
5 Ebd., S. 247, S. 249.
6 Ebd., S. 247. Trotz dieser gelegentlich wiederholten Formulierung gibt es keine direkte Beziehung zu dem in der ehemaligen Kongresshalle in Berlin-Tiergarten 1989 eröffneten Ausstellungshaus dieses Namens (<https://www.hkw.de>).
7 Beate Binder, Vom Preußischen Stadtschloss zum Humboldt-Forum. Der Berliner Schlossplatz als neuer nationaler Identifikationsort, in: Yves Bizeul (Hg.), Rekonstruktion des Nationalmythos? Frankreich, Deutschland und die Ukraine im Vergleich, Göttingen 2013, S. 99-120, hier S. 114.
8 Vgl. zu den einzelnen Entwicklungsschritten die Chronologie der Ereignisse, in: Bredekamp/Schuster, Das Humboldt Forum (Anm. 4), S. 378-385.
9 Lehmann, Die Kulturen der Welt (Anm. 4), S. 248.
10 Horst Bredekamp, Heimkehr auf den Schlossplatz – Rekonstruktion der Kunstkammer, in: ders./Schuster, Das Humboldt Forum (Anm. 4), S. 266-269, hier S. 266. Vgl. dazu auch Horst Bredekamp/Michael Eissenhauer, Keimzelle Kunstkammer, in: Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Hg.), Das Humboldt-Forum im Berliner Schloss. Planungen, Prozesse, Perspektiven, München 2013, S. 50-57.
11 Thomas Flierl/Hermann Parzinger, Humboldt-Forum Berlin. Das Projekt – Ortsbestimmung, in: dies. (Hg.), Die kulturelle Mitte der Hauptstadt. Projekt Humboldt-Forum in Berlin, Bonn 2009, S. 8f., hier S. 8.
12 Dass es dabei auch explizit um eine preußische Tradition geht, machte Parzinger an anderer Stelle deutlich: »Die Verwandlung des einst gesprengten Hohenzollernschlosses in einen Ort der Weltkunst und Weltkultur und ihres Dialoges mit den Wissenschaften hat eine gewisse innere Logik: Hier wird wie in einer verspäteten Verwandlung erneut der Kulturstaat Preußen sichtbar und macht seine Museen sowie Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen für die Zukunft des wiedervereinigten Deutschlands fruchtbar.« Hermann Parzinger, Das Humboldt-Forum. »Soviel Welt mit sich verbinden als möglich«. Aufgabe und Bedeutung des wichtigsten Kulturprojekts in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Berlin 2011, S. 15.
13 Ebd.
14 Hinzu kommt, dass dadurch auch die europäische Kultur essentialisiert und ihre Verflechtung mit Kulturregionen verdeckt wird, die heute politisch eindeutig nicht zu Europa zählen: »Syrische, irakische, ägyptische Kunst wird hier [d.h. auf der Museumsinsel] Europa einverleibt, existiert nicht unabhängig, sondern nur als quasi proto-europäisch, während gleichzeitig Menschen aus genau diesen Regionen gegenwärtig als gefährlichste Bedrohung europäischer Identität definiert werden.« Fatima El-Tayeb, Undeutsch. Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft, Bielefeld 2016, S. 82.
15 Vgl. zur Geschichte der deutschen Ethnologie und ihres Rettungsparadigmas an dieser Stelle nur H. Glenn Penny, Objects of Culture. Ethnology and Ethnographic Museums in Imperial Germany, Chapel Hill 2002; Andrew Zimmerman, Anthropology and Antihumanism in Imperial Germany, Chicago 2001.
16 Vgl. Humboldt Lab Dahlem (Hg.), Prinzip Labor. Museumsexperimente im Humboldt Lab Dahlem, Berlin 2015; zur Selbstproblematisierung der Ethnologie siehe darin besonders den Beitrag von Sharon Macdonald, Probleme mit der Ethnologie, S. 211-228. Vgl. auch das Online-Archiv: <http://www.humboldt-lab.de/projektarchiv/index.html>. Siehe außerdem den Blog »Wie weiter mit Humboldts Erbe? Ethnographische Sammlungen neu denken«: <https://blog.uni-koeln.de/gssc-humboldt/>.
17 Friedrich von Bose, Das Humboldt-Forum. Eine Ethnografie seiner Planung, Berlin 2016, S. 148. Seit 2017 ist von Bose Kurator des Humboldt-Labors, des interdisziplinären Ausstellungsraumes der HU Berlin im Humboldt Forum.
18 Zur Frage, inwieweit die postkoloniale Kritik mittlerweile im Humboldt Forum angekommen ist, vgl. auch Friedrich von Bose, Strategische Reflexivität. Das Berliner Humboldt Forum und die postkoloniale Kritik, in: Historische Anthropologie 25 (2017), S. 409-417.
19 <https://web.archive.org/web/20190623062447/https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/kultur/humboldt-forum/idee-und-konzept>. In diesem aktuellen Statement wird auch die Grundidee von 2000 noch einmal so beschrieben – und damit fortgeschrieben: »Die außereuropäischen Künste sollen sich selbstbewusst darstellen, im stadträumlichen Bezug zu den Zeugnissen unserer [sic!] europäischen Kunst- und Kulturgeschichte, die sich direkt gegenüber auf der Museumsinsel befindet.«
20 Moratorium für das Humboldt-Forum im Berliner Schloss, in: AfricAvenir International (Hg.), No Humboldt 21! Dekoloniale Einwände gegen das Humboldt-Forum, Berlin 2017, S. 16-20, hier S. 19. Vgl. zur Kritik am Humboldt Forum auch Joachim Zeller, Weltkulturmuseum? Koloniale Schatzkammer? Das Berliner Humboldt Forum in der Krise. Plädoyer für eine radikale Ehrlichkeit, in: Marianne Bechhaus-Gerst/Joachim Zeller (Hg.), Deutschland postkolonial? Die Gegenwart der imperialen Vergangenheit, Berlin 2018, S. 547-570.
21 Moratorium (Anm. 20), S. 17. Wolfgang Kaschuba hat die eben skizzierte Kritik an der Idee eines »Dialogs der Kulturen« schon 2009 mit dem Thema Raubkunst zusammengebracht: »Denn mit europäischer ›Beutekunst‹ aus anderen Erdteilen lassen sich schwerlich postkoloniale Aufklärung und eurozentrische Selbstkritik betreiben. Jedenfalls nicht umstandslos und nicht ohne ganz erhebliche Übersetzungsleistungen, in denen die besonderen historischen und kulturellen Bedingungen des beabsichtigten Dialoges reflektiert werden.« Wolfgang Kaschuba, Humboldt-Forum: Europa und der Rest der Welt?, in: Flierl/Parzinger, Die kulturelle Mitte der Hauptstadt (Anm. 11), S. 144f., hier S. 144.
22 Vgl. Bénédicte Savoy, Ein unlösbarer Widerspruch. Interview, in: Süddeutsche Zeitung, 21.7.2017, S. 9.
23 Zit. nach Bénédicte Savoy, Die Zukunft des Kulturbesitzes, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.1.2018, S. 9.
24 Vgl. Felwine Sarr/Bénédicte Savoy, Rapport sur la restitution du patrimoine culturel africain. Vers une nouvelle éthique relationnelle, Paris 2018. In deutscher Übersetzung jetzt dies., Die Rückgabe des afrikanischen Kulturerbes, Berlin 2019.
25 Ein neuer Aufbruch für Europa (Anm. 2), S. 154.
26 Ebd., S. 167.
27 Ebd., S. 169.
28 Deutscher Museumsbund (Hg.), Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, Berlin 2018.
29 Die Mitarbeit von profilierten Kolonialismus-ExpertInnen und KritikerInnen des Humboldt Forums wie Larissa Förster und Jürgen Zimmerer zeugt ebenfalls vom Problembewusstsein des Leitfadens. Vgl. zu deren Haltung in der Debatte etwa Larissa Förster, Nichts gewagt, nichts gewonnen. Die Ausstellung »Anders zur Welt kommen« und das Berliner Humboldt-Forum, in: Paideuma. Zeitschrift für Kulturkunde 56 (2010), S. 241-261; Jürgen Zimmerer, Humboldt Forum: Das koloniale Vergessen, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 60 (2015) H. 7, S. 13-16.
30 Vgl. das Interview mit Bredekamp im Deutschlandfunk, 26.11.2018. Vgl. dazu auch das Streitgespräch zwischen Bredekamp und Zimmerer: War Humboldt Kolonialist?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.1.2019, S. 11.
31 Hermann Parzinger, Zeitenwende oder Ablasshandel?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.11.2018, S. 9.
32 Ebd. Dabei ist allerdings unklar, wer das behauptet haben soll – Savoy und Sarr, gegen die das Argument offenbar gerichtet ist, jedenfalls nicht. Gegen »übereilte und konfuse Restitution« argumentierte auch Bénédicte Savoy, Die Provenienz der Kultur. Von der Trauer des Verlusts zum universalen Menschheitserbe. Aus dem Französischen von Philippa Sissis und Hanns Zischler, Berlin 2018, S. 54. Für eine breitere Perspektive plädieren ebenfalls Rebekka Habermas/Ulrike Lindner, Rückgabe – und mehr!, in: ZEIT, 13.12.2018, S. 19.
33 Vgl. dazu die Dokumentation auf der Website <http://genocide-namibia.net>.
34 Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther u.a. der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kulturpolitische Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit, in: Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/4177, 7.9.2018, S. 2. Vgl. dazu auch den oben schon erwähnten rot-rot-grünen Koalitionsvertrag der Berliner Landesregierung, Berlin gemeinsam gestalten (Anm. 2), S. 124: »Die Koalition setzt sich dafür ein, die Erinnerungskultur durch Projekte zu erweitern, die die Migrationsgeschichte der Stadt thematisieren, sich mit der deutschen Kolonialherrschaft auseinandersetzen und die internationalen Bezüge der Berliner Geschichte hervorheben. […] Eine besondere Verpflichtung sieht die Koalition hinsichtlich der Anerkennung, Aufarbeitung und Erinnerung deutscher Kolonialverbrechen wie dem Völkermord an den Herero und Nama. Die Koalition strebt hier in Zusammenarbeit mit dem Bund eine zentrale Gedenkstätte als Lern- und Erinnerungsort an und wird die Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Windhoek weiter ausbauen.«
35 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Erhard Grundl, Margit Stumpp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/4177 –, in: Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/5130, 18.10.2018, S. 2.
36 Monika Grütters/Michelle Müntefering, Eine Lücke in unserem Gedächtnis, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.12.2018, S. 11. Im Übrigen hat auch Hermann Parzinger in seiner Stellungnahme zum Savoy-Sarr-Bericht deutlich gemacht, dass in seinen Augen zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit ein »sichtbares Zeichen der Trauer um die Opfer kolonialer Verbrechen« gehöre. Er hat dafür einen »Raum der Stille, der Besinnung« im Humboldt Forum vorgeschlagen (Parzinger, Zeitenwende [Anm. 31]).
37 Grütters/Müntefering, Eine Lücke (Anm. 36). Mittlerweile hat sich auch Klaus-Dieter Lehmann der Forderung nach einer »Dekolonialisierung des Denkens« angeschlossen, ohne allerdings seine eigene Rolle bei der eurozentrischen Konzeption des Humboldt Forums zu reflektieren; vgl. Klaus-Dieter Lehmann, Dekolonisiert das Denken!, in: Tagesspiegel, 15.1.2019, S. 24.
38 Interview mit Monika Grütters, »Kultur ist keine Milieu-Frage mehr«, in: RP Online, 31.8.2018.
39 Parzinger, »Soviel Welt mit sich verbinden als möglich« (Anm. 12), S. 15.
40 Vgl. dazu auch – mit polemischen Untertönen – Ulf Morgenstern, Die nächste große Debatte? Über die neue Relevanz der deutschen Kolonialgeschichte, in: Politische Meinung 63 (2018) H. 551, S. 99-103.
41 Regina Wonisch, Reflexion kolonialer Vergangenheit in der musealen Gegenwart? Kuratorische Herausforderungen an der Schnittstelle von ethnologischen Museen und Kunst, Stuttgart 2017, S. 8.
42 Thomas Thiemeyer, Deutschland postkolonial – das Humboldt-Forum und die deutsche Erinnerungskultur, Vortrag am 27.11.2017 an der Technischen Universität Berlin, URL: <https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/deutschland-postkolonial-streit-um-das-humboldt-forum>. Vgl. dazu auch ders., Deutschland postkolonial. Ethnologische und genealogische Erinnerungskultur, in: Merkur 70 (2016) H. 7, S. 33-45.
43 Wie Anm. 7.