- Kontaktzonen von Zeitgeschichte und Sozial-/Kulturanthropologie
- Anthropologie(n): Fachgebiete und Methoden
- Potentiale: Zeitgeschichte und Anthropologie im Austausch
- Anthropologische Zeitgeschichte: Materialitäten, Infrastrukturen, Digitalisierung und künstlerische Praktiken
[Dieses Themenheft ist hervorgegangen aus dem SNF-Projekt »Digital Entanglements: discourses and practices around Sino-Swiss fibre optic infrastructures since the 1970s« mit der Projektnummer 192205. Die Herausgeberinnen danken Simon Eugster, Jenny Furter, Karin Schraner und Leandra Sommaruga für die Unterstützung.]
1. Kontaktzonen von Zeitgeschichte und
Sozial-/Kulturanthropologie
»There is nothing new or eccentric about the suggestion that historians might profit from an acquaintance with anthropology«, schrieb der britische Sozial- und Kulturhistoriker Keith Thomas 1963. Er bezog sich damit seinerseits auf Debatten der 1930er-Jahre, die von dem Wirtschafts- und Sozialhistoriker Richard Henry Tawney angeregt worden waren, der damals an der London School of Economics wirkte. Thomas fügte jedoch sogleich hinzu, dass der Vorschlag einer engeren Verbindung von Geschichte und Anthropologie selten in die Praxis umgesetzt werde.1
Gut 60 Jahre nach dieser Beobachtung lässt sich feststellen, dass zwischen der Geschichte und der Anthropologie einiges passiert ist; es haben sich empirisch und methodisch produktive Kontaktzonen aufgetan. Der Boom lebensgeschichtlicher Erzählungen, die Notwendigkeit und Schwierigkeit von Oral History bei sensiblen Themen, die Hinwendung zur Geschichte der Digitalisierung als Alltagspraxis oder der Umgang mit problematischen Objekten in Museen, Sammlungen und Nachlässen sind bloß einige Hinweise auf gegenseitige methodische und thematische Annäherungen. Diese Verbindung (ja sogar Vermischung, wie Brian Larkin im Gespräch mit Debjani Bhattacharyya in diesem Themenheft betont) von ethnographischen2 und historischen Methoden verdient in beiden Fächern noch mehr Aufmerksamkeit und transdisziplinäre Reflexion.
Seit dem französischen Strukturalisten und Verwandtschaftsanthropologen Claude Lévi-Strauss (1908–2009)3 ließen sich Sozial- und Kulturanthropolog:innen von Marc Blochs (1886–1944) »Apologie der Geschichtswissenschaft«4 inspirieren. Daneben war ein Zeitgenosse Blochs, der französische Soziologe Émile Durkheim (1858–1917), nicht nur ein wichtiger intellektueller Einfluss für Lévi-Strauss, sondern prägte sowohl die Geschichtswissenschaft als auch die Sozial- und Kulturanthropologie.5 Teilweise wurden Anthropolog:innen sogar selbst zu Historiker:innen, wie der britische Anthropologe Jack Goody (1919–2015), der sich für langfristigen soziokulturellen Wandel über verschiedene historische Epochen und Regionen hinweg interessierte,6 und der US-amerikanische Anthropologe Sidney Mintz (1922–2015) mit seiner vielbeachteten globalen Kulturgeschichte des Zuckers.7
Besonders ergiebig waren die 1980er-Jahre, als die Historische Anthropologie aus dem intensiven Austausch zwischen den beiden Disziplinen hervorging und (speziell in Nordamerika) die Grenzen zwischen den entsprechenden Instituten durchlässiger wurden. Zeitgleich erweiterten und verfeinerten Historiker:innen in Auseinandersetzung mit Anthropolog:innen – wie dem für seine »dichte Beschreibung« bekannt gewordenen US-Amerikaner Clifford Geertz (1926–2006),8 der britischen Symbol- und Religionsforscherin Mary Douglas (1921–2007)9 oder der britischen Gender- und Reproduktionsforscherin Marilyn Strathern (geb. 1941)10 – das historische Methodenspektrum. Ihre Werke erlangten in dieser Zeit besonderen Einfluss. Höchst intensiv war der Austausch im Forschungsfeld der Frühen Neuzeit, wo etwa die amerikanisch-kanadische Sozial- und Kulturhistorikerin Natalie Zemon Davis (1928–2023),11 der britische marxistische Sozialhistoriker E.P. Thompson (1924–1993)12 oder der italienische Mikrohistoriker Carlo Ginzburg (geb. 1939)13 (und viele andere mehr) die Methodendebatten der gesamten Geschichtswissenschaft anregten. Sie prägen die Art und Weise, wie Geschichtswissenschaft betrieben und verstanden wird, bis heute.
1993 wurde die deutschsprachige Zeitschrift »Historische Anthropologie« gegründet, die sich im Editorial der ersten Nummer auf einen »umfassenden Kulturbegriff« bezog, für kulturvergleichende Untersuchungen plädierte und sich dabei von einer humanbiologischen Anthropologie abgrenzte.14 Die Herausgeber:innen machten sich für interdisziplinäre Zusammenarbeit stark. Sie wünschten sich problemorientierte Fallstudien, epochenübergreifende Längsschnitte und historische Aufarbeitung unmittelbar aktueller Fragen. Interessanterweise ist die editorische Verantwortung für die Zeitschrift bis heute fest in Händen der Geschichtswissenschaft und der Empirischen Kulturwissenschaft (der früheren Volkskunde). Die Sozial- und Kulturanthropologie (die frühere Völkerkunde) ist bei dieser Zeitschrift nicht beteiligt. Die Gründe dafür liegen wohl in disziplinären Differenzierungen sowie teilweise in der publizistischen Orientierung der Sozial- und Kulturanthropologie auf den englischen Sprachraum. Die bereits 1984 gegründete, mehr auf ethnographische Forschung und Kolonialgeschichte ausgerichtete Zeitschrift »History and Anthropology« hat dagegen bei der Sozial- und Kulturanthropologie mehr Reichweite erzielt.
In den 1980er-Jahren kam auch die Sozial- und Kulturanthropologie nicht mehr umhin, sich mit den Veränderungen und geschichtlichen Hintergründen der erforschten Gesellschaften auseinanderzusetzen. Mit wenigen Ausnahmen (z.B. der an Prozessen und Konflikten interessierten Manchester-Schule um Max Gluckman [1911–1975]15) hatten Sozial- und Kulturanthropolog:innen bis dahin andere Gesellschaften im Zuge der vorherrschenden Ansätze wie Funktionalismus oder Strukturalismus meist als in sich geschlossen, statisch und ahistorisch wahrgenommen und präsentiert. Das Umdenken hin zu einer historischeren Wahrnehmung wurde ausgelöst durch Prozesse der Dekolonisierung und die postkoloniale Kritik an ethnographischer Repräsentation, etwa an dem konventionellen Schreiben im »ethnographischen Präsens«. Zentral war hierfür auch die von dem interdisziplinär tätigen Historiker und Anthropologen James Clifford16 und dem an Elitenforschung interessierten Anthropologen George Marcus 1986 initiierte »Writing-Culture-Debatte«.17 Diese drehte sich um grundlegende Fragen der ethnographischen Praxis und der oft subjektiven Darstellung anderer Gesellschaften. Sie trug entscheidend dazu bei, das ethnographische Handwerk kritisch zu überdenken und zu erneuern.
Eine weitere wichtige Kontaktzone war und ist seit den 1980er-Jahren die Wissenschafts- und Technikforschung. Die Science and Technology Studies (STS) sowie die Wissenschafts- und Technikgeschichte, vereint mit der Wissenschaftsphilosophie, setzten die Analyse nordamerikanischer und westeuropäischer industrieller Wissensgesellschaften und Technikkulturen auf die Agenda der Humanities.18 Dabei bezogen sie ethnographische Methoden wie die »teilnehmende Beobachtung« nicht mehr primär auf Gesellschaften in Afrika, Asien und Südamerika. Stattdessen trugen sie solche Methoden in die hochangesehenen, oft mit Macht (oder zumindest Deutungsmacht) versehenen Zentren Nordamerikas und Westeuropas (im Rahmen eines »Studying up«19 und einer »Anthropology at home«20). Zudem verknüpften sie durch ihre Studien Gesellschaften und Orte in Afrika, Asien und Lateinamerika mit den Zentren naturwissenschaftlicher Forschung im Globalen Norden. So verband etwa Gabrielle Hecht in ihrer Forschung zum globalen Uraniumhandel21 ganz selbstverständlich Archiv- und Feldforschung in verschiedenen afrikanischen Ländern. Ebenso tat dies Joseph Masco, der in seinem Werk zu nuklearen Grenzgebieten die verschiedenen Zeitschichten eines zentralen Ortes im Zeitalter der Katastrophen – des in New Mexico angesiedelten Manhattan-Projekts – historisch und ethnographisch untersuchte.22
Schließlich sind globalhistorische Diskussionen zu nennen, die wiederum maßgeblich von Anthropolog:innen und Historiker:innen angestoßen wurden, etwa durch Jean und John Comaroff23 aus Südafrika, die US-Amerikanerin Ann Laura Stoler,24 den in Saudi-Arabien geborenen Britisch-Pakistaner Talal Asad25 oder den Haitianer Michel-Rolph Trouillot.26 Sie brachten unter anderem Fragen wie die Dekonstruktion von kolonialen Archiven bzw. die Suche nach postkolonialen Archiven aufs Tapet. Doch nicht bloß die Archive und wissenschaftlichen Sammlungen sind in jüngster Zeit dekonstruiert und historisiert worden.27 Auch Säulenheilige der Geschichtswissenschaft wie Fernand Braudel oder zahlreiche Exponenten der französischen Theorie wie Pierre Bourdieu, Michel Foucault, Jacques Rancière sind neu betrachtet worden. Manuel Borutta und Onur Erdur haben gezeigt, dass wissenschaftliche Methoden und Theorien vielfach in engen Bezügen zu kolonialen Kontexten entstanden sind – in der »Schule des Südens«.28 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die von dem Chicagoer Wirtschaftsanthropologen Marshall Sahlins (1930–2021) um 1985 angeregte, aber noch immer in den Kinderschuhen befindliche »Anthropology of History«.29 Diese hinterfragt eine sich universal gebende, im Kern jedoch eurozentrische Geschichtsschreibung.30
Das 2022 gegründete »Network for an Anthropology of History (NAoH)«, inzwischen »Network for an Anthropology of History and Heritage (NAoHH)«,31 der European Association of Social Anthropology knüpft heute an Sahlinsʼ Fragen und die darauf aufbauenden Forschungen an. Noch 2016 argumentierten etwa der in München habilitierte, in Chicago lehrende Religionsanthropologe Stephan Palmié und der am University College London historisch und ethnographisch zu Griechenland forschende Charles Stewart, dass »[a]lthough Sahlins proposed it over thirty years ago, […] a concerted anthropology of history has not yet come into being«.32 Westliche Standardvorstellungen von »Geschichte« sind, wie Stewart mit Eric Hirsch zeigt, nach wie vor kulturspezifisch und nicht unbedingt für interkulturelle Untersuchungen geeignet.33 Die Frage nach dem universalen oder partikularen Geschichtsverständnis, nach den Annahmen, Prinzipien und Praktiken, die den Erkenntnisgewinn über die Vergangenheit und ihre gesellschaftliche Repräsentation prägen, bleibt aktuell.34
2. Anthropologie(n): Fachgebiete und Methoden
Bevor wir auf die konkreten Schwerpunkte und Intentionen dieses Heftes näher eingehen, gilt es zunächst einige Begriffe zu klären, denn die wissenschaftlichen Felder, mit denen wir uns beschäftigen, haben sich in den letzten Dekaden stark hinterfragt. Dabei gibt es bemerkenswerte Unterschiede zwischen der Geschichtswissenschaft und der Anthropologie. Trotz inhaltlicher Abgrenzung kann sich die historische Forschung immer noch auf Hans Rothfelsʼ Periodisierungsmodell von Zeitgeschichte als »Epoche der Mitlebenden« verständigen.35 Neuerdings ist der Begriff der »Gegenwart« als Bezugspunkt eines Forschungs- und Debattenfeldes in den Vordergrund gerückt, welches die Rolle der Geschichte zum Verständnis (oder auch zur Kritik) von Strukturen der Gegenwart betont.36 Diese Perspektivenverschiebung hat allerdings zugleich Kritik an einem »Präsentismus« hervorgerufen, welcher der Andersartigkeit der Vergangenheit nicht gerecht werde.37
Derweil sind die Begriffsklärungen in der Sozial- und Kulturanthropologie immer noch im Gange. Im deutschsprachigen Raum haben sich parallel zwei »Anthropologien« entwickelt, die sich zwar voneinander abgrenzen, aber auch überschneiden.38 Dazu gehört zum einen die »Ethnologie«, die auf die Entdeckungsreisen und die koloniale Expansion europäischer Länder zurückgeht. Im 19. Jahrhundert etablierte sich das Fach, damals auch als »Völkerkunde« bezeichnet, als eigenständige Disziplin. Studien aus dieser Zeit, etwa des britischen Sozialdarwinisten Herbert Spencer (1820–1903) und des ebenfalls evolutionistisch beeinflussten Schotten James George Frazer (1854–1941), waren oft von imperialistischen Motiven geprägt. Sie dienten auch dazu, die kolonisierten Gebiete besser zu verstehen und somit kontrollieren zu können. Die betroffenen Gesellschaften wurden von den frühen Ethnologen (meistens, aber nicht nur Männer) abschätzig als »primitiv« betrachtet. Häufig handelte es sich um orale Gesellschaften mit mündlichen Geschichtsüberlieferungen, die europäische Forscher unter anderem aufgrund ihrer materiellen Kultur als »weniger entwickelt«39 oder »weniger zivilisiert« im Vergleich zu europäischen Gesellschaften charakterisierten.40
Im Zuge des Postcolonial Turn und der Writing-Culture-Debatte, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte, den Methoden und der Repräsentation des Faches führten, etablierte sich eine kritische Ethnologie, die die Auswirkungen von Kolonialismus und Eurozentrismus auf das Fach hinterfragte und dieses als reflexive, kontextbezogene Disziplin weiterentwickelte. Historisch-kritisch erforscht wurde dabei auch die intensive Beteiligung der biologisch-genetisch ausgerichteten »Anthropologie« an der NS-»Rassenlehre« – besonders in Deutschland, aber zugleich mit internationalen Bezügen.41 Darüber hinaus beschäftigte sich die Ethnologie, wie bereits erwähnt, zunehmend mit den eigenen Gesellschaften, seit den 1980er- und 1990er-Jahren verstärkt in ihrer globalen Verflechtung. Ausgelöst wurde dies durch ein besonderes Interesse an der Globalisierung, einschließlich der zunehmenden Mobilität, Migration und Vernetzung durch neue Transport- und Kommunikationstechnologien, der wachsenden wirtschaftlichen Integration und des Aufstiegs multinationaler Unternehmen, der Expansion von Handel und Finanzmärkten, der Entstehung globaler Lieferketten sowie gleichzeitiger politischer Veränderungen wie dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Öffnung Chinas für den Weltmarkt.42
All diese Veränderungen spiegeln sich in der Bezeichnung des Faches wider. Im Zuge der Bologna-Studienreform an deutschsprachigen Universitäten hat sich die Ethnologie vielerorts in »Sozial- und Kulturanthropologie« umbenannt. Dies geschah in Anlehnung an die britische Social Anthropology, die sich unter anderem an den Universitäten Oxford und Cambridge herausgebildet hat, und die US-amerikanische Cultural Anthropology, die ihre Wurzeln etwa an der (in diesem Heft noch häufiger erwähnten) Columbia University und der University of Chicago hat. Thematisch konzentrierte sich die britische Social Anthropology im 20. Jahrhundert unter anderem auf soziale Strukturen, politische Organisationen und Wirtschaftssysteme, während die amerikanische Cultural Anthropology stärker auf kulturelle Artefakte, Symbolsysteme und Praktiken fokussierte – allerdings immer mit Überschneidungen und Wechselwirkungen.
In diesem Zusammenhang gewann der Begriff des »Feldes« noch einmal an Bedeutung, nicht nur als konkrete Forschungssituation vor Ort, sondern zunehmend auch als theoretische Kategorie. Anknüpfend an ältere soziologische Konzepte – etwa in der Chicago School oder bei Pierre Bourdieu – wurde das Feld als ein relationales Gefüge sozialer Kräfte gedacht, das Forschende nicht nur beschreiben, sondern durch ihre Anwesenheit mitkonstituieren. In der Sozial- und Kulturanthropologie verband und verbindet sich die methodische Praxis der teilnehmenden Beobachtung mit der Reflexion über die eigene Position im »(Forschungs-)Feld«.43
Durch die Umbenennung der deutschen »Ethnologie« hat diese nicht nur den zunehmend kritisch betrachteten Begriff »Ethnos«44 aus der Fachbezeichnung verbannt, sondern sich zugleich in eine englischsprachige, vermeintlich globale Forschung eingeschrieben. Entsprechend publiziert die Sozial- und Kulturanthropologie im deutschsprachigen Raum heute vorrangig auf Englisch. Gleichzeitig haben sich infolge postkolonialer Museums- und Restitutionsdebatten zahlreiche ehemalige »Völkerkundemuseen« umbenannt, so etwa das Museum Fünf Kontinente München (2014), das Museum der Kulturen Basel (1996) und das Weltmuseum Wien (2013).
Auf der anderen Seite steht die »Europäische Ethnologie«, die aus der »Volkskunde« hervorgegangen ist und sich auf die eigenen bzw. europäischen Gesellschaften konzentriert.45 Im Zuge der Industrialisierung, der Romantik und des Nationalismus des 19. Jahrhunderts entstand das Interesse, die kulturelle Vielfalt innerhalb Europas zu erforschen und sie in Sammlungen, Archiven, Museen, Forschungseinrichtungen zu dokumentieren. Dies diente nicht zuletzt der Stärkung und Definition nationaler Identitäten, auch in Abgrenzung von »anderen«, als »primitiv« angesehenen Gesellschaften. Im 20. Jahrhundert, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg und einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff »Volk«, stellte sich die Europäische Ethnologie neuen Herausforderungen und Fragen wie Urbanisierung, Migration, Tourismus, Globalisierung und kultureller Wandel – Themen, die in der außereuropäischen Ethnologie/Sozial- und Kulturanthropologie ebenfalls zentral sind. So bezeichnet sich das Fach heute neben »Europäischer Ethnologie« auch als »Empirische Kulturwissenschaft«, »Populäre Kulturen« oder »Kulturanthropologie«.46 Letztere verweist auf die Überschneidungen mit der Sozial- und Kulturanthropologie, auch was zentrale theoretische Konzepte und Methoden angeht, ist aber im deutschsprachigen Raum einer eigenen, meist kulturwissenschaftlichen Forschungstradition verpflichtet und ein eigenständiges akademisches Fach.
Wir verwenden hier den Begriff »Sozial- und Kulturanthropologie«, kurz »Anthropologie«,47 um nicht nur den aktuellen Fachbezeichnungen gerecht zu werden, sondern auch die Überschneidungen beider Anthropologien anzuerkennen, die insbesondere für den Dialog mit der Geschichtswissenschaft wertvoll sind, etwa wenn es um die Auseinandersetzung mit schriftlichen Quellen geht, für die gerade die Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie methodisch bestens gerüstet ist.
Zentral bleibt für beide Anthropologien die ethnographische Feldforschung, d.h. das Eintauchen, Teilnehmen und Beobachten im Alltag der untersuchten Gemeinschaften über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder Jahren. Das Kernstück der ethnographischen Feldforschung ist die »teilnehmende Beobachtung«48 – die für die Geschichtswissenschaft und auch für die Zeitgeschichtsforschung so nicht direkt möglich ist. Die systematische Reflexion dieser Methode geht auf den polnischen Anthropologen Bronisław Malinowski (1884–1942) zurück, der sie Anfang des 20. Jahrhunderts bei seinen Feldforschungen auf den Trobriand-Inseln anwandte und in seinen Schriften erläuterte.49 Eingebettet in die teilnehmende Beobachtung sind qualitativ-ethnographische Interviews; das Spektrum reicht von narrativen oder semi-strukturierten Interviews bis hin zu informellen Gesprächen.50
In dieser methodischen Auseinandersetzung mit Mündlichkeit lag lange auch eine Differenz zur Geschichtswissenschaft. Die Oral History musste noch bis ins frühe 21. Jahrhundert um Anerkennung in dem auf Schriftlichkeit fokussierten Methodenspektrum der Geschichtswissenschaft ringen. Darin zeigte sich eine große Portion Bigotterie, denn auf verschriftlichte Erinnerungen (etwa in Form von Memoiren und Autobiographien) und auf protokollierte Mündlichkeit (beispielsweise Gerichtsprotokolle in der Rechtsgeschichte, Aufsichtsratsprotokolle in der Unternehmensgeschichte, stenographische Protokolle von Parlamentsdebatten in der Politikgeschichte) hat sich die Geschichtswissenschaft seit jeher gestützt, zuweilen mit einer gewissen Nonchalance. Denn auch solche Quellengattungen basieren auf medialen Eigenlogiken, nachträglichen Rekonstruktionen, Verkürzungen, Auslassungen und teils gewagten Konstruktionen von Vergangenheit.51 Inzwischen lässt sich feststellen, dass sich die Geschichtswissenschaft auch in Bezug auf Oral History der Anthropologie genähert hat und nicht mehr ausschließlich dem Ideal des gedächtnistheoretisch untermauerten lebensgeschichtlichen Interviews verpflichtet ist, sondern auch freiere Formen mit Zusicherung von Anonymität praktiziert.
Das ethnographische Methodenspektrum wurde – nicht zuletzt im Rahmen der oben erwähnten Writing-Culture-Debatte – eingehend diskutiert. Es wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder hinterfragt und erweitert, zuletzt etwa im Sinne einer »Digitalen Anthropologie«, die sich verschiedener digitaler Methoden bedient, digitale Felder sowie die Digitalisierung erforscht und kritisch reflektiert.52 Der Beitrag von Monika Dommann und Moritz Ege zu Crowdfunding in diesem Themenheft zeigt etwa, dass eine Perspektivenverschiebung, die lokale Kontexte und spezifische biographische Konstellationen in den Blick bringt, gegenwärtige große Erzählungen um Innovation, Revolution, Disruption oder Netzwerkbildung in Frage stellen kann.
Die »Multimodale Anthropologie« hingegen baut auf der visuellen Anthropologie auf. Sie umfasst nicht nur die Auseinandersetzung mit visuellen Quellen, sondern auch mit Medien, die über andere Sinne erfahrbar sind (z.B. Klangaufnahmen, taktile Installationen, Geruchsproben, performative Formate). Gleichzeitig verschreibt sich die Multimodale Anthropologie kollaborativen Ansätzen, im Sinne einer engen und wertschätzenden Zusammenarbeit mit den Interviewpartner:innen und beforschten Gemeinschaften. Ihr Ziel ist es, nicht allein das Ergebnis zu betonen, sondern auch die Prozesse der Wissensproduktion.53 Die vorliegenden Heftbeiträge von Gesine Krüger und Michaela Oberhofer über den Umgang mit dem Nachlass des deutschen Ethnologen Hans Himmelheber (1908–2003) sowie von Roland Meyer über das Projekt »Digital Benin« lassen sich auch vor diesem Hintergrund einer Multimodalen Anthropologie betrachten.
3. Potentiale: Zeitgeschichte und Anthropologie im Austausch
Das Cover des Themenheftes zeigt das Pressebild eines Treffens der schweizerischen und chinesischen Außenminister mit ihren Delegationen in Peking im Jahr 2018. Dieses offizielle Foto, das beide Nationen vor dem Bild einer Berglandschaft in eine geradezu überperfekte Symmetrie rückt (mit aufgereihten Politikern und Diplomaten, Wasserflaschen, Teetassen, Papierstapeln und Blumenbouquets), wird auch dadurch nicht gestört, dass die Flagge der Schweiz minimal kürzer ist als die chinesische und die sehr asymmetrische Geschlechterverteilung auffällt. Hinter einem solchen diplomatischen Ereignis steht eine bereits Jahrzehnte dauernde ökonomische und politische Verflechtung, an der neben Diplomat:innen und Politiker:innen auch Unternehmen und ihre Mitarbeiter:innen sowie nicht zuletzt Kommunikationsinfrastrukturen beteiligt sind, deren Spuren sich nur teilweise in den überlieferten schriftlichen Quellen finden, wie der Beitrag von Lena Kaufmann und Niklaus Remund über schweizerisch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen seit den 1970er-Jahren zeigt.
Zu solchen Kommunikationsinfrastrukturen gehört die Produktion von Datenkabeln aus farbigen Glasfasern in der Fabrik der Dätwyler IT Infra AG in Altdorf, einer Schweizer Firma, die 1998 im Kabelbereich erstmals nach China expandierte.54 Der Kontrast zum Pressebild der Schweizer Delegation in Peking von 2018 macht die Perspektivenverschiebungen deutlich, die wir mit dem Themenheft anstoßen und reflektieren wollen: Ortsbesuche, Beobachtungen in der Gegenwart und Interviews haben ein großes Potential, um ins Methodenspektrum der Zeitgeschichte aufgenommen zu werden.

in der Fabrik der Dätwyler IT Infra AG in Altdorf, Kanton Uri
(Foto: Marc Latzel, Oktober 2019)

(Foto: Marc Latzel, Oktober 2019)

Die Digitalisierung erfordert weiterhin auch Handarbeit und haptisches Geschick.
(Foto: Marc Latzel, Oktober 2019)
In der Fabrik werden Rohfasern aus Glas in zwölf verschiedenen Farben eingefärbt und die farbigen Faserspulen von Hand auf die im Bild zu sehende Maschine gespannt, von der sie zeitgleich abgespult werden können. Jeweils 12 bzw. 24 farbige Fasern werden mit Fingerspitzengefühl manuell in ein Röhrchen (»Ader« genannt) eingeführt und maschinell zu einer Ader gefertigt. Mehrere rote, grüne und weiße Adern werden anschließend zu einem Kabel verseilt und mit einem Schutzmantel versehen. So entstehen Datenkabel mit bis zu 576 Fasern. Die Farben helfen, beim Verbinden (»Spleißen«) der Kabel über längere Strecken und an Verzweigungen den Überblick zu behalten, damit die Daten (in Form von Lichtsignalen) in die richtige Richtung fließen. Solche Kabel verbinden Häuser, Büros und Rechenzentren, Städte, Länder und Kontinente. Sie bilden die materielle Basis des globalen Internets. Die schriftlichen Aufzeichnungen und die visuelle Dokumentation der Ortsvisite durch den Fotografen Marc Latzel machen nicht bloß den Arbeitsprozess sichtbar (hier die Arbeiterin, deren Identität geschützt wird), sondern zeigen auch anschaulich, wie viel Handarbeit und Geschicklichkeit in der nur teilweise automatisierten Produktion von Komponenten der digitalen Infrastrukturen steckt.
Zeitgeschichte und Anthropologie ergänzen sich dabei hervorragend. Generell kann ein kulturvergleichender Ansatz mit dem Ziel des Selbst- und Fremdverstehens, wie er in der Sozial- und Kulturanthropologie üblich ist, dazu beitragen, die eigenen Perspektiven und Interpretationen der Forschenden zu reflektieren. Konkret kann die Zeitgeschichte, beispielsweise durch Methoden der Oral History, die Lücken und einseitigen Dokumentationen in den Archiven überwinden, wie dies bereits seit längerem praktiziert wird. Sie kann Erfahrungsberichte von Zeitzeug:innen verschiedener soziokultureller und politisch-ökonomischer Hintergründe dazu nutzen, hegemoniale Narrative zu hinterfragen, indem sie etwa die Stimmen und Perspektiven von Kindern, Frauen, ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheiten berücksichtigt. Teilnehmende Beobachtung an und in der Vergangenheit ist zwar nicht direkt möglich, aber teilweise zumindest indirekt in Form von »Reenactments«,55 etwa als Simulation historischer Situationen, die verschiedene Sinne anspricht, zum Beispiel den Tast-, Hör- oder Geruchssinn, und so die Dominanz des Schriftlichen und Visuellen aufbricht.
Darüber hinaus bieten ethnologische Museen und die anthropologische Erfahrung in der Erforschung materieller Kultur – eingebettet in einen breiteren sozialen Kontext – wertvolle Bezugspunkte für den Umgang mit Objekten.56 Gleichzeitig ist ethnologisches Sammeln in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand von Kritik bzw. von gezielter historischer Forschung geworden. Dies betrifft den Bereich der Provenienz- und Restitutionsforschung,57 aber auch weitergehende Debatten etwa zur Kolonialgeschichte ethnologischer Museen58 sowie zur Repräsentation und Kooperation mit den sogenannten Source Communities, d.h. den Herkunftsgesellschaften der in Museen aufbewahrten Objekte.59 Die Objekte selbst sind, ebenso wie schriftliche Dokumente, wertvolle historische Quellen mit eigenen Objektbiographien.60 Auch sie regen zu einer neuen, sinnlichen Auseinandersetzung an, indem sie beispielsweise unausgesprochenes, praktisches Wissen verkörpern und repräsentieren. Letzteres wurde selbst in der Sozial- und Kulturanthropologie noch zu wenig berücksichtigt, erlaubt aber einen neuen Blick auf Menschen als handelnde Akteur:innen und auf Mensch-Ding-Beziehungen.61
Die Sozial- und Kulturanthropologie, die sich lange Zeit vor allem mit schriftlosen, oralen Gesellschaften beschäftigt hat, tut gut daran, ihr Methodenspektrum gerade im Hinblick auf neuere Forschungsfelder wie Gerichtsgebäude, Finanzplätze oder Firmenzentralen62 um die Einbeziehung schriftlicher Quellen zu erweitern. Sie muss sich etwa bei der Erforschung von Institutionen oder Organisationen – nicht zuletzt in politisch brisanten Situationen der Gegenwart – verstärkt mit schriftlicher Überlieferung, digitaler Kommunikation, Zugangsbeschränkungen und der Archivproblematik auseinandersetzen. Auch Anthropolog:innen sind immer wieder mit heiklen Situationen und ethischen Fragen konfrontiert, in denen Interviewpartner:innen aufgrund für sie sensibler Kontexte bestimmte Informationen nicht preisgeben wollen oder können. Dies haben wir im Rahmen des bereits genannten Projekts, das die Verflechtung von schweizerischen und chinesischen Unternehmen im Bereich der digitalen Infrastrukturen untersucht, immer wieder erfahren, zum Beispiel wenn Mitarbeiter:innen von schweizerischen Unternehmen sich nicht zu ihrer Zusammenarbeit mit chinesischen Firmen äußern möchten oder wenn die Kooperation zwischen Hochschulen und chinesischen Netzwerkunternehmen möglichst unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet (siehe den Aufsatz von Lena Kaufmann und Niklaus Remund in diesem Heft). Hier ist die Sozial- und Kulturanthropologie ebenso wie die Zeitgeschichte auf einen Methodenmix angewiesen.
Gemeinsame Interessen zeigen sich auch im Umgang mit der Forderung nach Zugänglichkeit und Langzeitarchivierung von Forschungsdaten. Die Fragen, was »Forschungsdaten« in diesen Fächern sein können, wie Infrastrukturen dafür auf- oder ausgebaut werden können und welche forschungsethischen Standards gelten sollen, treiben beide Disziplinen um.63 Derartige Fragen haben in jüngster Zeit durch die Open-Science-Debatte und die Zugänglichkeit von Interview- und anderen Feldforschungsdaten in der Sozial- und Kulturanthropologie neuen Auftrieb erhalten.64 Müssen Daten aus Forschungsbeziehungen, die auf Vertrauen basieren, zwingend in Archiven aufbewahrt werden? Wie können Persönlichkeitsrechte dabei geschützt werden? Wie kann die Anonymität von Personen gewahrt werden, die in der Gegenwart (oder auch in der Zukunft) Repressionen oder Diskriminierungen ausgesetzt sein könnten? Wie weit dürfen andererseits Anonymisierung und Pseudonymisierung gehen, um dem wissenschaftlichen Ethos der intersubjektiven Überprüfbarkeit von Forschung nicht im Weg zu stehen?
Einige dieser Fragen werden in den Beiträgen des vorliegenden Themenheftes (explizit oder implizit) aufgegriffen. Anhand der Arbeiten unserer Autor:innen-Tandems, die sich auf das Experiment des gemeinsamen Forschens mit ethnographischen und historischen Methoden eingelassen haben, lässt sich feststellen, dass es neben Verbindungen und Vermischungen weiterhin Differenzen gibt, die es ebenfalls zu benennen gilt. Vielleicht spiegeln sich in diesen Unterschieden doch auch unterschiedliche Forschungsinteressen? Während es für die Geschichtswissenschaft in der Tendenz (gerade bei heiklen Themen) um die Herstellung von archivgestützter faktischer Evidenz geht, kann die Anthropologie durch das Zugeständnis von Informalität bisweilen in gesellschaftlichen Situationen forschen, die der Zeitgeschichte verwehrt bleiben. Ein anderer möglicher Unterschied betrifft das Verständnis von Temporalität und historischem Wandel. Auch wenn dies in der Sozial- und Kulturanthropologie erkennbar an Relevanz gewonnen hat, bleibt die Frage nach Periodisierungen und Zäsuren wohl stärker ein Spezifikum der Geschichtswissenschaft.
4. Anthropologische Zeitgeschichte: Materialitäten, Infrastrukturen, Digitalisierung und künstlerische Praktiken
Die vier Hauptbeiträge dieses Themenheftes wurden – als Experiment einer noch intensiveren, fächerübergreifenden Zusammenarbeit – jeweils im Tandem gemeinsam von Historiker:innen und Anthropolog:innen verfasst. Die Aufsätze eröffnen neue Perspektiven auf materielle Kulturen, Sammlungsleidenschaften, Wirtschaftsbeziehungen, digitale Infrastrukturen und künstlerische Praktiken zwischen Afrika, Asien und Europa. Sie reichen von Crowdfunding in der Schweiz (Monika Dommann/Moritz Ege), chinesisch-schweizerischen Verflechtungen im Bereich von Joint Ventures der Telekommunikation (Lena Kaufmann/Niklaus Remund), der Wiederverwendung von Baumaterialien in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg und in der heutigen Kreislaufwirtschaft in Österreich (Madlen Kobi/Adam Przywara) bis hin zum Konnex von Archiv- und Feldforschung im Museum (Gesine Krüger/Michaela Oberhofer). Sie zeigen, dass sich bei solchen Forschungen auch ein grundsätzliches Nachdenken aufdrängt: über die je eigene Fachgeschichte, deren Begriffe und Konzepte, Forschungsethik und Arbeitsformen, Ein- und Ausschlüsse. Nicht zuletzt stehen beide Fachrichtungen vor der Frage, wie sie mit den aktuellen, politisch induzierten Beschränkungen wissenschaftlicher Arbeit und internationaler Forschungskooperation umgehen sollen, die vielfach bis zur offenen Negation von Wissenschaftlichkeit und von intersubjektiven Wahrheitsansprüchen reichen.
Den vier längeren Aufsätzen folgt ein Gespräch von Nils Güttler und Lena Kaufmann mit der Historikerin Debjani Bhattacharyya und dem Anthropologen Brian Larkin zur Kombination von historischen und ethnographischen Methoden im Bereich der Infrastruktur- und Anthropozänforschung. Gerade die Untersuchung von materiellen und immateriellen Infrastrukturen sowie von technischen und sozialen »Störungen« kann für fächerübergreifende Studien ergiebig sein, wie Bhattacharyya und Larkin anhand von Beispielen aus Indien und Nigeria zeigen. Um globalhistorische Eigentums- und Gerechtigkeitsfragen geht es auch im Beitrag des Bild- und Medienwissenschaftlers Roland Meyer, der anhand des Projekts »Digital Benin« Überlegungen zur »virtuellen Resituierung« von verteilten Museumssammlungen präsentiert. Zwei Neu-gelesen-Beiträge von Louis Widmer zu Hans Peter Duerrs Bestseller »Traumzeit« (1978) und von Timo Luks zu Sidney Mintzʼ Klassiker »Die süße Macht. Kulturgeschichte des Zuckers« (1985) schließen dieses Heft ab. Beide Autoren bewegen sich durch ihre eigenen Forschungen fast schon idealtypisch an der Grenze zwischen Geschichtswissenschaft und Anthropologie – einer Grenze, die immer wieder produktiv überschritten werden kann.
Unser Themenheft soll also eine Bresche schlagen für einen Austausch der Zeitgeschichtsforschung mit der Sozial- und Kulturanthropologie, mit dem Ziel eines gegenseitigen Wilderns in der Wahl der Methoden. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass etwa die Entangled History, die Global History oder die Kulturgeschichte des Wirtschaftens eine Neuaushandlung erfordern, was »Kulturreflexion« heute genau sein kann und wer sie wie konkret anstellt. Hier kann der ethnologische Blick auf etablierte Themen der Zeitgeschichte gewinnbringend sein. Gleichzeitig ist auch für Anthropolog:innen ganz allgemein eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Geschichte ethnologischer Forschungsfelder und erforschter Gesellschaften notwendig, um Veränderungen im Feld besser fassen und einordnen zu können.
Das Verhältnis von Distanz und Nähe, von Empathie und Kritik bleibt für beide Disziplinen eine zentrale Herausforderung. Die Beiträge des Themenheftes zeigen, dass die Annahme falsch wäre, Historiker:innen seien allein mit der Vergangenheit und Anthropolog:innen nur mit der Gegenwart beschäftigt. Methoden wie die aus der Sozial- und Kulturanthropologie stammenden Restudies, in denen eine Studie am selben Ort bzw. in derselben Forschungseinheit wiederholt wird, um gesellschaftlichen Wandel zu dokumentieren und/oder theoretische Fragen zu verifizieren, sind auch von einem genuin historischen Erkenntnisinteresse geleitet. In allen Beiträgen wird deutlich, dass die ökonomischen, ökologischen, rechtlichen und soziokulturellen Kontexte durch eine Verbindung der Methoden in ihrer Komplexität anschaulich herausgearbeitet werden können. Nicht zuletzt hat das Forschen in gemischten Teams (wenn die unvermeidlichen Findungs- und Grenzziehungsprozesse überwunden sind) Vorteile, weil solche Teams multiperspektivisch, komparativ und multidirektional vorgehen; sie können verschiedene Orte und Zeitschichten verbinden. Derartige Kooperationen führen dazu, dass durch Reibungen, Irritationen und Missverständnisse auch viel über das sonst meist implizit bleibende Selbstverständnis der eigenen Disziplin erfahren wird.
Anmerkungen:
1 Keith Thomas, History and Anthropology, in: Past and Present 24 (1963), S. 3-24, hier S. 3. Thomas selbst wurde, wie er in diesem Text anmerkt, maßgeblich beeinflusst von einem Vortrag des britischen Sozialanthropologen E.E. Evans-Pritchard (1902–1973) zum Thema »Anthropology and History« (1961 in Manchester).
2 Rein methodisch wird der spezielle Forschungsansatz der Sozial- und Kulturanthropologie als »ethnographisch« bezeichnet. »Ethnographische Methoden« finden auch über die Fachgrenzen hinweg Verwendung in weiteren Sozialwissenschaften, etwa der Soziologie, Humangeographie und Betriebswirtschaftslehre. »Ethnologisch« und »anthropologisch« (synonym verwendet) implizieren hingegen sowohl methodische als auch theoretische Ansätze der Ethnologie/Sozial- und Kulturanthropologie. Für die Fachbezeichnungen und deren historische Kontexte s.u., Kap. 2. Siehe auch Irfan Ahmad (Hg.), Anthropology and Ethnography are not Equivalent. Reorienting Anthropology for the Future, New York 2021.
3 Eines seiner frühen, besonders einflussreichen Bücher ist z.B. Claude Lévi-Strauss, Tristes tropiques, Paris 1955. Unter anderem befasste er sich auch dezidiert mit der Beziehung zwischen Geschichte und Ethnologie, z.B. in Claude Lévi-Strauss, Histoire et ethnologie, in: Annales 38 (1983), S. 1217-1231. Siehe auch Emmanuelle Loyer, Lévi-Strauss. Eine Biographie. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, Berlin 2017.
4 Marc Bloch, Apologie der Geschichtswissenschaft oder der Beruf des Historikers. Nach der von Etienne Bloch edierten frz. Ausg. hg. von Peter Schöttler. Vorwort von Jacques Le Goff. Aus dem Französischen von Wolfram Bayer, Stuttgart 2002 (zuerst 1949 in Paris unter dem Titel »Apologie pour l’histoire ou métier dʼhistorien« erschienen).
5 Siehe John Davis, Social Anthropology and the Consumption of History, in: Theory and Society 9 (1980), S. 519-537.
6 Siehe z.B. Jack Goody, The Domestication of the Savage Mind, Cambridge 1977.
7 Sidney W. Mintz, Sweetness and Power. The Place of Sugar in Modern History, New York 1985. Siehe dazu den Neu-gelesen-Beitrag von Timo Luks in diesem Heft.
8 Siehe dazu Clifford Geertz, The Interpretation of Cultures. Selected Essays, New York 1973. Geertz befasste sich zudem ebenfalls mit dem Verhältnis von Geschichte und Anthropologie; siehe z.B. ders., History and Anthropology, in: New Literary History 21 (1990), S. 321-335. Vgl. auch Volker Gottowik, Konstruktionen des Anderen. Clifford Geertz und die Krise der ethnographischen Repräsentation, Berlin 1997.
9 Mary Douglas, Purity and Danger. An Analysis of Concepts of Pollution and Taboo, London 1966.
10 Marilyn Strathern, The Gender of the Gift. Problems with Women and Problems with Society in Melanesia, Berkeley 1988.
11 Natalie Zemon Davis, The Return of Martin Guerre, Cambridge, Mass. 1983. Vgl. auch dies., Die Möglichkeiten der Vergangenheit. Geschichte und Ethnologie: neue Blicke auf vertraute Landschaften, in: Ulrich Raulff (Hg.), Vom Umschreiben der Geschichte, Berlin 1986, S. 45-53.
12 E.P. Thompson, The Making of the English Working Class, London 1963.
13 Siehe z.B. Carlo Ginzburg, Il Formaggio e i vermi. Il cosmo di un mugnaio del ’500, Torino 1976; dt.: Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600. Aus dem Italienischen von Karl F. Hauber, Frankfurt a.M. 1979.
14 Editorial, in: Historische Anthropologie 1 (1993), S. 1-3. Generell auch Jakob Tanner, Historische Anthropologie zur Einführung, Hamburg 2004; ders., Historische Anthropologie, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 3.1.2012; Beate Binder/Michaela Fenske (Hg.), Historische Anthropologie. Standortbestimmungen im Feld historischer und europäisch ethnologischer Forschungs- und Wissenspraktiken, Berlin 2012; Historische Anthropologie 26 (2018) H. 2: Zwischen den Disziplinen, hg. von Brigitta Schmidt-Lauber und Jens Wietschorke.
15 Siehe z.B. Max Gluckman, Custom and Conflict in Africa, Oxford 1955.
16 James Clifford, The Predicament of Culture. Twentieth-Century Ethnography, Literature, and Art, Cambridge, Mass. 1988.
17 James Clifford/George E. Marcus (Hg.), Writing Culture. The Poetics and Politics of Ethnography, Berkeley 1986.
18 Siehe z.B. Martina Heßler/Kevin Liggieri (Hg.), Technikanthropologie. Handbuch für Wissenschaft und Studium, Baden-Baden 2020.
19 Laura Nader, Up the Anthropologist. Perspectives Gained from Studying Up, in: Dell Hymes (Hg.), Reinventing Anthropology, New York 1972, S. 284-311.
20 Eine prominente Vertreterin der »Anthropology at home« war die US-amerikanische, auf Gender und Sexualität spezialisierte Kulturanthropologin Margaret Mead (1901–1978). Sie war daneben auch eine Verfechterin der Zusammenarbeit von Historiker:innen und Anthropolog:innen. Siehe zu beiden Punkten z.B. Margaret Mead, Anthropologist and Historian. Their Common Problems, in: American Quarterly 3 (1951), S. 3-13.
21 Gabrielle Hecht, Being Nuclear. Africans and the Global Uranium Trade, Cambridge, Mass. 2012.
22 Joseph Masco, The Nuclear Borderlands. The Manhattan Project in Post-Cold War New Mexico, Princeton 2006.
23 Siehe z.B. John und Jean Comaroff, Ethnography and the Historical Imagination, New York 1992.
24 Siehe z.B. Ann Laura Stoler, Along the Archival Grain. Epistemic Anxieties and Colonial Common Sense, Princeton 2009.
25 Talal Asad (Hg.), Anthropology and the Colonial Encounter, New York 1973.
26 Michel-Rolph Trouillot, Silencing the Past. Power and the Production of History, Boston 1995.
27 Vgl. z.B. entsprechende Projekte an der ETH Zürich: Roberta Flora Spano/Stephanie Willi, Dekolonialisierung von Sammlungen und Archiven? – Ein Versuch aus der Praxis, in: ETHeritage, 30.8.2024.
28 Manuel Borutta, Braudel in Algier. Die kolonialen Wurzeln der »Méditerranée« und der »spatial turn«, in: Historische Zeitschrift 303 (2016), S. 1-38; Onur Erdur, Schule des Südens. Die kolonialen Wurzeln der französischen Theorie, Berlin 2024.
29 Marshall David Sahlins, Islands of History, Chicago 1985.
30 Siehe hierzu in der Geschichtswissenschaft Dipesh Chakrabarty, Provincializing Europe. Postcolonial Thought and Historical Difference, Princeton 2000.
32 Stephan Palmié/Charles Stewart, Introduction. For an Anthropology of History, in: HAU. Journal of Ethnographic Theory 6 (2016) H. 1, S. 207-236.
33 Eric Hirsch/Charles Stewart, Introduction. Ethnographies of Historicity, in: History and Anthropology 16 (2005), S. 261-274.
34 Stephan Palmié/Charles Stewart (Hg.), The Varieties of Historical Experience, London 2019.
35 Hans Rothfels, Zeitgeschichte als Aufgabe, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 1-8; Gabriele Metzler, Zeitgeschichte: Begriff – Disziplin – Problem, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 7.4.2014.
36 Vgl. z.B. die 2011 gegründete Zeitschrift »History of the Present«, die 2016 gegründete Plattform »Geschichte der Gegenwart« oder die 2010 begonnene Buchreihe des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam mit gleichem Titel.
37 Zu verschiedenen Positionen jüngst Sven Reichardt, Aktivismus und Geschichtswissenschaft. Eine Einleitung, in: Geschichte und Gesellschaft 50 (2024), S. 8-32, hier S. 15-18.
38 Siehe dazu mit internationaler Perspektive Henrika Kuklick (Hg.), A New History of Anthropology, Malden 2008 (darin ein Aufsatz von H. Glenn Penny über »Traditions in the German Language«). In der DDR entwickelte sich eine eigene Form der Ethnologie. Siehe Ingrid Kreide-Damani u.a. (Hg.), Ethnologie als Ethnographie. Interdisziplinarität, Transnationalität und Netzwerke der Disziplin in der DDR, Münster 2024.
39 Ein ähnliches Bild schwingt zum Teil noch heute in der »Entwicklungshilfe« mit, die man »Entwicklungsländern« zukommen lässt, obgleich Anthropolog:innen und Entwicklungsforscher:innen dies bereits in den 1990er-Jahren kritisierten. Siehe u.a. Arturo Escobar, Encountering Development. The Making and Unmaking of the Third World, Princeton 1995; Hubertus Büschel/Daniel Speich (Hg.), Entwicklungswelten. Globalgeschichte der Entwicklungszusammenarbeit, Frankfurt a.M. 2009.
40 Siehe u.a. Thomas Hylland Eriksen, Small Places, Large Issues. An Introduction to Social and Cultural Anthropology, London 1995, 5. Aufl. 2023; Kuklick, A New History of Anthropology (Anm. 38).
41 Siehe z.B. Hans-Walter Schmuhl, Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, 1927–1945, Göttingen 2005; Christopher M. Hutton, Race and the Third Reich. Linguistics, Racial Anthropology and Genetics in the Dialectic of Volk, Cambridge 2005; Thomas Etzemüller, Auf der Suche nach dem Nordischen Menschen. Die deutsche Rassenanthropologie in der modernen Welt, Bielefeld 2015. Als Überblick zur Bundesrepublik siehe außerdem Dieter Haller, Die Suche nach dem Fremden. Geschichte der Ethnologie in der Bundesrepublik 1945–1990, Frankfurt a.M. 2012.
42 Ein anthropologisches Kernwerk aus dieser Zeit ist Arjun Appadurai, Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization, Minneapolis 1996, 9. Aufl. 2010.
43 Siehe z.B. Steffen Dalsgaard, The Field as a Temporal Entity and the Challenges of the Contemporary, in: Social Anthropology/Anthropologie sociale 21 (2013), S. 213-225; Darryl Stellmach, The Field is Ever Further. In Search of the Elusive Space of Fieldwork, in: Ethnography 23 (2022), S. 3-13. Während der Corona-Pandemie, in der viele Anthropolog:innen temporär ihren Zugang zum Feld verloren, wurde das Thema neu aufgegriffen. Siehe z.B. Anselma Gallinat, I am Anthropologist – But Where is the Field? On Fieldwork, Intimacy, and Home, in: Ethnography, 8.6.2023. Gleichzeitig erhielt die Diskussion über Forschung im digitalen Raum und über das digitale Feld (siehe Anm. 52) neuen Auftrieb. Zur historischen Konstruktion des Feldes im Zusammenhang mit Laborstudien siehe auch Cameron Brinitzer, Generating Fields, in: Isis 113 (2022), S. 144-150.
44 Begriffe wie »ethnische Zugehörigkeit« sind zwar immer noch Teil des anthropologischen Vokabulars, »Ethnos« und »Ethnie« sind jedoch mit kontroversen Debatten über die Konstruktion von Identität, Machtbeziehungen und kultureller Differenz verbunden. Zudem suggerieren diese Begriffe stereotype, homogene und unveränderliche Gruppenmerkmale.
45 Siehe neuerdings etwa Peter Hinrichs/Martina Röthl/Manfred Seifert (Hg.), Theoretische Reflexionen. Perspektiven der Europäischen Ethnologie, Berlin 2022; sowie Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 15 (2004) H. 4: Europäische Ethnologie, hg. von Reinhard Johler und Bernhard Tschofen.
46 Moritz Ege, Ethnologie, in: Thomas Hecken/Marcus S. Kleiner (Hg.), Handbuch Popkultur, Stuttgart 2017, S. 311-315. Zur Populärkulturforschung vgl. auch Moritz Ege, Birmingham – Tübingen. Cultural Studies und Empirische Kulturwissenschaft in den 1970er Jahren, in: Historische Anthropologie 22 (2014), S. 149-181.
47 Wir beziehen uns dabei lediglich auf die Sozial- und Kulturanthropologie, im Gegensatz zur US-amerikanischen Anthropology, die ohne den Zusatz Cultural vier Fachbereiche umfasst: Kulturanthropologie (Cultural Anthropology), Physische Anthropologie (Physical oder Biological Anthropology), Archäologie (Archaeology) und Linguistische Anthropologie (Linguistic Anthropology).
48 Siehe u.a. Kathleen DeWalt/Billie R. DeWalt, Participant Observation. A Guide for Fieldworkers, Walnut Creek 2002, 2. Aufl. Lanham 2011; H. Russell Bernard, Research Methods in Anthropology. Qualitative and Quantitative Approaches, 6. Aufl. Lanham 2018 (Erstausgabe 1988 unter dem Titel »Research Methods in Cultural Anthropology«).
49 Bronisław Malinowski, Argonauts of the Western Pacific. An Account of Native Enterprise and Adventure in the Archipelagoes of Melanesian New Guinea, London 2014 (Erstausgabe 1922).
50 James P. Spradley, The Ethnographic Interview, New York 1979, Neuaufl. Long Grove 2016.
51 Zum Stand der Debatten um Oral History zu Beginn des 21. Jahrhunderts vgl. Christof Dejung, Oral History und kollektives Gedächtnis. Für eine sozialhistorische Erweiterung der Erinnerungsgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 34 (2008), S. 96-115. Für eine allgemeine Übersicht vgl. Andrea Althaus/Linde Apel, Oral History, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 28.3.2023.
52 Siehe z.B. Sarah Pink u.a., Digital Ethnography. Principles and Practice, Los Angeles 2016; Heather A. Horst/Daniel Miller (Hg.), Digital Anthropology, London 2014; Haidy Geismar/Hannah Knox (Hg.), Digital Anthropology, 2. Aufl. London 2021.
53 Siehe z.B. Samuel Gerald Collins/Matthew Durington/Harjant Gill, Multimodality. An Invitation, in: American Anthropologist 119 (2017), S. 142-146. Für den deutschsprachigen Raum und in Bezug auf die Europäische Ethnologie siehe Tomás S. Criado/Ignacio Farías/Julia Valeska Schröder, Multimodale Werte: Zur Institutionalisierung mehr-als-textueller Ethnographie, in: Isabella Kölz/Michaela Fenske (Hg.), Lebenswelten gestalten. Neue Felder & Forschungszugänge einer Designanthropologie, Würzburg 2022, S. 27-43.
55 Siehe etwa Ulrike Jureit, Magie des Authentischen. Das Nachleben von Krieg und Gewalt im Reenactment, Göttingen 2020; Vanessa Agnew/Jonathan Lamb/Juliane Tomann (Hg.), The Routledge Handbook of Reenactment Studies. Key Terms in the Field, London 2020.
56 Kavita Singh, The Future of the Museum Is Ethnographic, Vortrag am Pitt Rivers Museum, Oxford 2013.
57 Siehe z.B. Felwine Sarr/Bénédicte Savoy, The Restitution of African Cultural Heritage. Toward a New Relational Ethics, November 2018; Carolina Gallarini, Museum Object Repatriation as a Strategy for Identity Re-Appropriation. Kanak Objects as Ambassadors, in: Journal of Museum Ethnography 33 (2020), S. 99-112.
58 Siehe z.B. Faye Belsey, Decolonizing the Museum in Practice. Remaining Relevant in the Contemporary Word, in: Journal of Museum Ethnography 32 (2019), S. 11-16; John Giblin/Imma Ramos/Nikki Grout, Dismantling the Master’s House. Thoughts on Representing Empire and Decolonising Museums and Public Spaces in Practice. An Introduction, in: Third Text 33 (2019), S. 471-486; Laura Van Broekhoven, On Decolonizing the Museum in Practice, in: Journal of Museum Ethnography 32 (2019), S. 1-10; Margareta von Oswald, Working Through Colonial Collections, Leuven 2022.
59 Siehe z.B. Clifford, The Predicament of Culture (Anm. 16); Ivan Karp/Steven Lavine (Hg.), Exhibiting Cultures. The Poetics and Politics of Museum Display, Washington 1991; Winani Thebele, Ethnographic Displays. A Problematic Heritage, in: Journal of Museum Ethnography 33 (2020), S. 15-22.
60 Igor Kopytoff, The Cultural Biography of Things. Commoditization as Process, in: Arjun Appadurai (Hg.), The Social Life of Things. Commodities in Cultural Perspective, Cambridge 1986, S. 64-91.
61 Siehe dazu Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 13 (2016) H. 3: Der Wert der Dinge, hg. von Simone Derix, Benno Gammerl, Christiane Reinecke und Nina Verheyen.
62 Siehe exemplarisch Stefan Leins, Stories of Capitalism. Inside the Role of Financial Analysts, Chicago 2018.
63 Siehe aus Sicht der Zeitgeschichte (mit kurzer Erwähnung der Ethnologie) Kathrin Zöller u.a., Sozialwissenschaftliche Forschungsdaten als historische Quellen. Welche Infrastrukturbedarfe hat die zeitgeschichtliche Forschung?, RatSWD Working Paper Series 277, Februar 2022.
64 Siehe z.B. Swiss Anthropological Association, Open Science and Data Management in Anthropological Research. Position Paper of the Swiss Anthropological Association (SAA), Neuchâtel 2021.