- Handel und Gerechtigkeit:
Ideengeschichtliche Kontexte des Alternativen Handels - Weltläden und die Aporien globaler Partnerschaft
- Weltläden und Charity Shops:
Lokale Verkaufskontexte eines transnationalen Handelsmodells - Fazit: Konsum, Moral und politischer Protest
»nach dem Boom«
In den frühen 1970er-Jahren tauchte in den Fußgängerzonen der Bundesrepublik ein neuer Typus von Läden auf, der sich schon optisch deutlich von anderen Verkaufsorten abhob. Mit selbstgemalten Ladenschildern, einer oft improvisierten Einrichtung und einem »exotisch« wirkenden Warensortiment erregten die sich als »Dritte-Welt-Läden« bezeichnenden Geschäfte unmittelbare Aufmerksamkeit.1 Ihre konkrete Ausgestaltung war recht heterogen. Zu Beginn dominierten Ladengründungen aus dem kirchlichen Milieu, die oft Gemeinderäume als Verkaufsorte nutzten. Wenig später gab es aber auch Gründungen aus dem Kontext linker Protestbewegungen und des alternativen Milieus, die die Läden als Ausgangspunkte für weitergehende politische Aktivitäten nutzen wollten. Gemeinsam war den Initiativen, dass sie die »Dritte-Welt«-Solidarität der 1950er- und 1960er-Jahre aufgriffen und in ein eigenständiges Konsumsegment überführten.2
Weltläden entstanden nicht nur in den Metropolen und Universitätsstädten, wo ein urbanes und akademisch geprägtes Milieu die wichtigste Kund*innengruppe bildete, sondern auch in vielen Kleinstädten und im ländlichen Raum. Zudem war der Alternative Handel von Beginn an ein transnationales und (west)europäisches Phänomen. So entstand der erste Weltladen 1969 in den Niederlanden, von wo die deutschen Akteure anfangs sowohl die Idee als auch die Produkte übernahmen.3 Etwa zur selben Zeit etablierten sich auch in Frankreich, der Schweiz und Skandinavien ähnliche Läden, während sich zum Beispiel in Großbritannien andere Verkaufsformen durchsetzten. Obwohl die Handelsinitiativen ökonomisch lange Zeit marginal blieben, entwickelten sich die Weltläden schnell zu Symbolorten linker Politik und eines »alternativen« Lebensstils. Zusammen mit anderen Phänomenen wie den Boykottkampagnen der Menschenrechtsbewegung oder ökologischen Konsumpraktiken stehen diese Formen des »ethischen Konsums« für eine Neuaushandlung des Verhältnisses von Politik, Moral und Wirtschaft, die im vorliegenden Beitrag genauer analysiert werden soll.
Der Alternative Handel – heute meist mit dem erst seit den späten 1990er-Jahren gängigen Begriff »Fairer Handel« bezeichnet – ist in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Thema in einem interdisziplinären Forschungsfeld geworden. Besonders in den Sozialwissenschaften, der Ethnologie und der Humangeographie sind seit etwa einem Jahrzehnt wegweisende Arbeiten entstanden.4 In der Geschichtswissenschaft ist das Thema erst mit etwas Verzögerung aufgegriffen worden, findet nun aber auch hier größere Aufmerksamkeit. So sind in jüngster Zeit für zahlreiche Länder erste Gesamtdarstellungen erschienen.5 Eingebettet sind diese Forschungen in schon länger geführte Debatten über das Verhältnis von Konsum und Moral, wie sie etwa unter dem Konzept des »Citizen Consumer« sowie in Wiederaufnahme des von E.P. Thompson geprägten Begriffs der »Moral Economy« geführt werden.6 Gerade in den Sozialwissenschaften fungiert der Verweis auf die Konjunktur »ethischer« Konsumpraktiken darüber hinaus häufig als Basis weit ausgreifender Gegenwartsdiagnosen, die die Zeit seit den 1960er-Jahren beispielsweise als Epoche einer umfassenden »Moralisierung der Märkte« interpretieren.7
Meine eigenen Forschungen greifen diese Arbeiten auf, wenden sich aber dezidiert gegen die Interpretation des Alternativen Handels als Ausdruck einer umfassenden Markttransformation. Zum einen sind in Abgrenzung von der vorherrschenden Fokussierung auf die 1960er-Jahre die langen Traditionslinien der politischen und moralischen Aufladung des Konsums zu betonen, die von den Boykottkampagnen der Anti-Sklaverei-Bewegung über die Abstinenzbewegung im 19. Jahrhundert bis zu den Sweatshop- und Heimarbeitskampagnen der Zeit um 1900 reichen – und darüber hinaus auch nationalistische und imperialistische Konsumkampagnen einschlossen.8 Zum anderen zeigt eine historische Kontextualisierung sehr deutlich, wie marginal die Initiativen des Alternativen Handels in rein ökonomischer Perspektive über einen langen Zeitraum hinweg blieben. Das Narrativ einer kontinuierlichen Marktexpansion ist somit eher eine Rückprojektion sehr viel jüngerer Entwicklungen, die erst mit der flächendeckenden Etablierung der Produkte im Supermarktverkauf seit den frühen 2000er-Jahren einsetzten.
Die zeithistorische Relevanz des Themas liegt daher nicht primär in der wirtschaftlichen Bedeutung der Handelsmodelle, sondern in ihrer Rolle als Teil einer umfassenderen zivilgesellschaftlichen (Protest-)Bewegung, die Fragen von globaler sozialer Gerechtigkeit auf unterschiedliche Weise in die Öffentlichkeit trug. Aus diesem Grund stehen im Folgenden die Strategien der politischen Kommunikation im Mittelpunkt, die die Akteure mit dem Verkauf der Produkte verbanden. Diese kommunikative Dimension ist auch in anderen Forschungen betont worden. Bislang standen jedoch meist die Produkte im Zentrum, die beispielsweise im Hinblick auf ihre visuelle Inszenierung und semantische Kontextualisierung über Verpackungen und Informationsbroschüren analysiert worden sind.9 Der vorliegende Beitrag ergänzt diesen Zugang durch eine Analyse der konkreten Verkaufsräume, in denen die Produkte angeboten wurden. Nur in diesem zugleich räumlichen und sozialen Kontext, so die These, erhielten die Produkte ihre politische Bedeutung als Medien einer »Bewusstseinsbildung«.10
Für viele Akteure stellten die Läden einen Mikrokosmos dar, in dem die Ideen eines gerechten Welthandels exemplarisch realisiert werden sollten. Die Weltläden wurden auf diese Weise zu »glokalen« Imaginationsräumen,11 in denen sich zeitgenössische Vorstellungen von internationaler Solidarität in konkreten Alltagspraktiken verdichten sollten. Mit Michel Foucault, der diesen Begriff im selben Zeitraum prägte, lassen sich die Weltläden als »Heterotopien« der Konsumgesellschaft interpretieren: als reale Gegenorte, in denen utopische Vorstellungen von globaler Gerechtigkeit und einer postkolonialen Konsumgesellschaft ihren Ausdruck finden und herrschende Diskurse verändern sollten.12
Der Aufsatz hat drei Abschnitte: Der erste Teil skizziert die Entstehungsgeschichte des Alternativen Handels und verdeutlicht zentrale ideengeschichtliche Kontexte. Der zweite Teil analysiert die Inszenierung und Ausgestaltung der Läden; hier werden die Widersprüche und Ambivalenzen betont, die bei der Übersetzung der theoretischen Konzepte in die konkrete Verkaufspraxis hervortraten. Der dritte Teil verdeutlicht dies mit zwei Fallbeispielen, wobei anhand von Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland gerade die Unterschiede aufgezeigt werden. Das Fazit gibt einen Ausblick, welche Erkenntnisse sich aus den dargestellten Entwicklungen für das Verhältnis von Konsum, Moral und politischem Protest in der Zeit »nach dem Boom« gewinnen lassen.
1. Handel und Gerechtigkeit:
Ideengeschichtliche Kontexte des Alternativen Handels
Der Alternative Handel entstand in der Bundesrepublik, wie bereits erwähnt, durch die Übernahme ähnlicher Initiativen aus den Niederlanden. Dort hatten kirchliche und entwicklungspolitische Gruppen in den späten 1960er-Jahren begonnen, Kunsthandwerk aus der »Dritten Welt« zu importieren und in Verbindung mit entwicklungspolitischen Aktionen und Informationsangeboten zu verkaufen. Über das katholische Hilfswerk »Misereor« entstanden in der Folge Kontakte zu den niederländischen Initiativen, und kurz darauf führten katholische und evangelische Jugendgruppen auch in der Bundesrepublik die ersten Verkaufsaktionen durch. 1970 wurde hierfür die »Aktion Dritte Welt Handel« (A3WH) gegründet. Mit »El Puente« (1972/77) und der GEPA (»Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt«, 1975) entstanden wenige Jahre später die beiden wichtigsten Importorganisationen.
Die enge Bindung der ersten Kampagnen an die kirchliche Jugendarbeit verweist schon darauf, dass die Interpretation des Alternativen Handels als Produkt der »68er«-Bewegung zu kurz greift. Zwar spielten die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche der 1960er-Jahre eine wichtige Rolle. Entscheidender war in der Anfangsphase jedoch der Prozess einer Politisierung und globalen Öffnung der beiden christlichen Kirchen in der Bundesrepublik und in Westeuropa.13 Ähnliches gilt für die ideengeschichtlichen Kontexte, in die sich das Handelsmodell einfügte. Der Alternative Handel ging nicht in den Protest- und Solidaritätskampagnen der »68er«-Generation auf, sondern war durch ein komplexeres Geflecht von politischen, ökonomischen und ideengeschichtlichen Entstehungskontexten geprägt.
Vier Zusammenhänge waren hierbei besonders wichtig. Erstens prägte der Prozess der Dekolonisation die politischen Debatten der 1960er-Jahre.14 Der Alternative Handel entstand in einem Zeitraum, in dem die Dekolonisation politisch weitgehend zum Abschluss kam, während das ökonomische Weiterwirken kolonialer Abhängigkeiten immer deutlicher ins Bewusstsein trat.15 So verstand sich der Alternative Handel einerseits als eine Form der Solidarität mit den postkolonialen Gesellschaften, andererseits auch als eine Protestinitiative, mit der die Aktivist*innen auf das Fortbestehen ökonomischer Ungleichheiten aufmerksam machen wollten. In der Bundesrepublik fungierte hier vor allem die »Dritte-Welt-Bewegung« als institutionelle und semantische Klammer. Anders als zu späteren Zeiten evozierte der Begriff »Dritte Welt« dabei noch nicht in erster Linie Assoziationen von Armut und Rückständigkeit, sondern war mit einer positiven Semantik von Aufbruch und Emanzipation verbunden – ganz in dem Sinne, wie der Begriff während der 1950er-Jahre innerhalb der französischen Linken geprägt und in der Folge auch von Akteuren in den postkolonialen Staaten selbst aufgegriffen worden war.16
Diese Einordnung des Alternativen Handels als eine Form der globalen Solidarität verweist auf einen zweiten wichtigen Kontext: die zeitgenössische Entwicklungshilfe.17 Auf der einen Seite teilten die Aktivist*innen des Alternativen Handels das Ziel einer ökonomischen Entwicklung der Länder des Globalen Südens. Auf der anderen Seite entstand der Alternative Handel aber auch im Rahmen einer Desillusionierung gegenüber den Ansätzen der Entwicklungshilfe, die seit den späten 1960er-Jahren in die Kritik geriet. Der Alternative Handel inszenierte sich daher zum Teil bewusst als Gegenmodell zu klassischen Formen des humanitären Spendenwesens und ordnete den eigenen Ansatz in das aus dem postkolonialen Kontext übernommene Schlagwort »Trade not Aid« ein. Auf diese Weise, so der Anspruch, sollten asymmetrische Hilfsbeziehungen überwunden und stattdessen Modelle einer gleichberechtigten Partnerschaft etabliert werden. In Wirklichkeit war diese Gegenüberstellung jedoch weniger eindeutig, zumal in derselben Zeit auch im Feld der Entwicklungshilfe neue Ansätze entstanden, die die zeitgenössische Kritik aufgriffen.18 Der Alternative Handel ist somit eher als Teil der Expansion und Differenzierung des entwicklungspolitischen Feldes in den 1960er- und 1970er-Jahren zu interpretieren, nicht als dezidiertes Gegenmodell zu ihm.
Der dritte Kontext betrifft das Verhältnis des Alternativen Handels zur globalen Ökonomie und den damaligen Globalisierungsprozessen. Auch hier sind sowohl die Abgrenzungen als auch die intellektuellen Schnittmengen von Interesse. Die Kritik an ungleichen Handelsstrukturen gewann in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre an Bedeutung. Das galt sowohl für die wissenschaftlichen Konzepte des Neokolonialismus und der Dependenztheorie19 als auch für konkrete politische Initiativen einer »New International Economic Order«, wie sie vor allem innerhalb der UN, der UNCTAD und der 1964 gebildeten »Gruppe der 77« diskutiert wurden.20 Der Alternative Handel griff dies in unterschiedlicher Weise auf. Dabei waren die Aktivist*innen aber auch Teil genau jener globalen Ökonomie, die sie mit den eigenen Kampagnen kritisierten. Das galt einerseits für die materiellen und infrastrukturellen Voraussetzungen des Handels, der nicht zuletzt auf den neuen Möglichkeiten preiswerterer und schnellerer Transport- und Kommunikationswege beruhte.21 Andererseits galt es für die intellektuelle Einbettung des Handelsmodells, das bei genauerer Betrachtung durchaus Schnittmengen mit liberalen Theorien und Konzepten besaß. So kritisierten die Aktivist*innen zwar die strukturellen Machtasymmetrien der globalen Ökonomie, übernahmen aber die Vorstellung, dass ein (richtig verstandener) Welthandel als wichtigster Motor jeder ökonomischen Entwicklung anzusehen sei – eine Deutung, die nicht nur innerhalb der UNCTAD, sondern auch bei den seit 1947 in mehreren Runden laufenden GATT-Verhandlungen artikuliert wurde.22
Der letzte Punkt betrifft den Kontext der Konsumgesellschaft. Auch hier stand der Alternative Handel in einem Verhältnis von Integration und Abgrenzung. Konsum- und kapitalismuskritische Diskurse spielten innerhalb der Initiativen eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt hierin lag ein wichtiges Bindeglied zur Studentenbewegung der 1960er-Jahre.23 Allerdings war es kein Zufall, dass die Aktivist*innen ausgerechnet ein Konsummodell als Ausgangspunkt für die eigenen Initiativen nutzten. Denn parallel zu den politischen Umbrüchen der 1960er-Jahre etablierten sich in den westlichen Gesellschaften auch neue Konsummuster, die einzelnen Produkten spezifische soziale und kulturelle Bedeutungen zuschrieben. Der Alternative Handel war damit sowohl Teil der zeitgenössischen Konsumkritik als auch ein Produkt der Modernisierung und Pluralisierung der europäischen Konsumgesellschaften.24
Mit diesen vier Kontexten ist ein Diskursraum skizziert, in dem sich der Alternative Handel während der 1960er- und 1970er-Jahre konstituierte. Stärker als zu späteren Zeiten verstanden die Aktivist*innen das Handelsmodell dabei als einen direkten Beitrag zu diesen zeitgenössischen Diskursen. Die Weltläden waren vor allem für die politische Dimension des Alternativen Handels ein wichtiger Referenzraum. Im Kontext der Dekolonisation sollten die Läden als postkoloniale Symbolorte fungieren, in denen koloniale Kontinuitäten aufgedeckt und reflektiert wurden. In den Debatten um die Entwicklungshilfe durchkreuzten die Läden bewusst die Gegenüberstellung von Helfern und Hilfsempfängern und inszenierten den eigenen Handel als Modell einer gleichberechtigten Partnerschaft. Im Zusammenhang einer frühen Globalisierungskritik versuchten die Läden ein Handelsmodell aufzuzeigen, das nicht auf globaler Konkurrenz und Ausbeutung beruhte, sondern auf Formen der Kooperation und des gleichberechtigten Austauschs. Im Kontext der zeitgenössischen Konsumkritik versuchten sich die Aktivist*innen an dem Paradoxon, mit einem Konsummodell eine Gegenposition zum westlichen Konsumismus und den Zwängen der kapitalistischen Gesellschaft zu formulieren. Nicht zuletzt diese Dimension der Weltläden als konsumkritische Konsumorte erwies sich im Ladenalltag als eine wiederkehrende Herausforderung.
2. Weltläden und die Aporien globaler Partnerschaft
Trotz ihrer großen Symbolkraft als sichtbarste Repräsentation des Alternativen Handels in der Öffentlichkeit standen die Weltläden nicht am Anfang der Kampagnen und waren auch nie die einzige Verkaufsform. Die ersten Verkäufe erfolgten über temporäre Aktionen wie Marktstände, Basare oder Gemeindefeste, die meist von kirchlichen Jugendgruppen durchgeführt wurden. Das hatte pragmatische Gründe – solche Aktionen konnten schneller und mit geringeren finanziellen Mitteln umgesetzt werden. Es spiegelte aber auch die Ausgangsidee der Initiativen, die zunächst als einmalige Protestkampagnen und nicht als ein ökonomisch tragfähiges Handelsmodell konzipiert waren.
Erst im Laufe der 1970er-Jahre setzte sich bei einigen Gruppen die Idee durch, den Verkauf in kontinuierliche Ladenstrukturen zu überführen. Auch diese Entwicklung war jedoch zunächst nicht ökonomisch motiviert. Zwar war ein Effekt der Ladengründungen eine gewisse Verstetigung des Umsatzes. Die primäre Intention der Akteur*innen bestand jedoch darin, mit den Läden einen festeren Rahmen für die pädagogischen Ziele der Initiative aufzubauen.25 Unter diesen Vorzeichen kam es Mitte der 1970er-Jahre zu einer regelrechten Welle von Gründungen. Die ersten westdeutschen Läden entstanden 1973 in Stuttgart und Frankfurt am Main. Zwei Jahre später schloss sich eine Gruppe von Läden zur »Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt Läden« (AG3WL) zusammen, die schnell weitere Mitglieder gewann, sodass Ende der 1970er-Jahre in der Bundesrepublik vermutlich schon mehr als 100 Weltläden existierten.26 In den 1980er-Jahren wurden die Weltläden dann zur wichtigsten Verkaufsform des Alternativen Handels, bevor die Produkte mit Beginn der Fairtrade-Zertifizierungen in den frühen 1990er-Jahren Eingang in den konventionellen Handel fanden; nun generierten Supermärkte und Discounter sukzessive den Hauptteil des Umsatzes. Heute machen die Weltläden nur noch etwa 4,5 Prozent des Gesamtumsatzes des Fairen Handels aus, während die Zahl der Läden und deren Gesamtumsatz in absoluten Zahlen relativ konstant geblieben sind.27
Unabhängig von ihrer ökonomischen Bedeutung waren es jedoch vor allem die Weltläden, die das Bild des Alternativen Handels in der westdeutschen Öffentlichkeit prägten – auch und gerade für jenen weitaus größten Teil der Bevölkerung, der einen solchen Laden nie von innen gesehen hatte. Eine genauere Analyse der Läden ist daher von besonderem Interesse, nicht zuletzt deshalb, weil diese Dimension in der Forschung bislang nur wenig Aufmerksamkeit gefunden hat.28 Darüber hinaus kann der Blick auf die Weltläden dazu beitragen, Ansätze des Spatial Turn und der Raumsoziologie für die Analyse des Alternativen Handels fruchtbar zu machen – sowie für die Konsumgeschichte im Ganzen.29 Drei Dimensionen sind hierbei vor allem von Bedeutung: erstens die konkrete materielle Situation der Konsumorte, zweitens deren Inszenierung und symbolische Aufladung sowie drittens die spezifischen Praktiken und Verhaltensweisen, die in diesen Räumen entstanden und eingeübt wurden.
Auf materieller Ebene war das hervorstechendste Merkmal der Weltläden die Heterogenität ihrer Verkaufsorte. Vor allem in den ersten Jahren waren die Läden durch äußerst unterschiedliche Strukturen und Voraussetzungen geprägt. Als 1974 einige Ladenbetreiber*innen erstmals zu einem Austausch zusammenkamen, reichte das Spektrum von etablierten Läden mit 40.000 DM Jahresumsatz bis zu kleinen »Garagenläden« und einem »Tabakwarengeschäft«, das »Dritte-Welt«-Waren als Nebenangebot vertrieb.30 Auch später blieben die Unterschiede signifikant. Eine Mitgliederbefragung aus dem Jahr 1981 ergab zum Beispiel, dass die Verkaufsflächen der Läden von 9 bis 80 Quadratmetern reichten. Auch beim Umsatz gab es fast ausschließlich »Riesen« mit mehr als 100.000 DM Jahresumsatz und »Zwerge« mit weniger als 50.000 DM. Nur die Hälfte der Läden hatte über 20 Kunden pro Tag.31 Eine zweite Befragung aus dem Jahr 1984 (erst 1987 veröffentlicht) bestätigte dieses Bild. Demnach verzeichneten knapp 40 Prozent der Läden einen Jahresumsatz unter 30.000 DM, was bei 300 Ladentagen bedeutete, dass im Schnitt weniger als 100 DM pro Tag umgesetzt wurden.32 Ein Grund hierfür war, dass die Läden aus finanziellen Gründen zunächst meist Gemeinderäume, temporär leerstehende Läden oder Privaträume nutzten, die für den Verkauf umgestaltet wurden. Viele Läden lagen abseits der zentralen Einkaufsstraßen und zogen so kaum Laufkundschaft an. Der Kund*innenstamm, so lässt sich vermuten, bestand eher aus Personen, die mit den Initiator*innen sozial verbunden waren oder zumindest mit deren Absichten sympathisierten.
Ökonomisch blieben die Läden somit weitgehend irrelevant. Unabhängig hiervon wurde ihnen jedoch eine wichtige Symbolwirkung zugeschrieben. Dementsprechend großen Wert legten die Betreiber*innen auf die Gestaltung der Läden. Vielen Gruppen war es vor allem wichtig, schon mit der Einrichtung herauszustellen, dass es sich bei den Läden nicht um kommerzielle Konsumorte handele, sondern um Orte des sozialen und politischen Austauschs. In einem 1980 erschienenen Buch, das als praktischer Leitfaden für neue Ladengruppen diente, hieß es in diesem Sinne: »Dem Kunden sollte bereits durch die äußere Aufmachung das Konzept eines ›Weltladens‹ […] ins Auge springen.«33 Selbstgemalte Ladenschilder und improvisierte Regale aus Bananenkisten und Holzpaletten waren somit einerseits ein Resultat geringer Budgets und der Scheu, beim Aufbau eines Ladens große Investitionen zu tätigen. Andererseits waren sie ein bewusst eingesetztes Stilmittel, um sich von anderen, stärker kommerziell agierenden Läden mit einem ähnlichen Produktsegment abzuheben.
Der dritte Aspekt verweist auf die soziale Dimension der Läden und ihre Rolle als Räume der Interaktion. Nach Maßgabe der Initiatoren sollte in den Läden nicht der möglichst reibungslos abgewickelte Verkauf im Vordergrund stehen, sondern eine über den Konsum initiierte entwicklungspolitische Bewusstseinsbildung. Auch dies kam schon in der Einrichtung zum Ausdruck. Sitzgelegenheiten, eine »Tee-Ecke« oder eine »Bibliothek« sollten zu einem längeren Aufenthalt einladen, und das Verhalten des Verkaufspersonals war darauf gerichtet, einen sozialen Austausch zu initiieren. Auch diese Dimension wurde im »Weltladen-Handbuch« hervorgehoben. Zwar seien die Läden durch den Verkauf der Waren »zu einem bestimmten Grad in ›normale‹ Geschäfts- und Marktstrukturen« eingebunden. Wichtiger sei jedoch ihre kommunikative Funktion: Sie sollten Orte des »aktiven Lernens« darstellen, der »Vermittlung und [dem] Austausch von Informationen« dienen, zur »Änderung von Wertvorstellungen« beitragen und als »Anlaufstelle« für lokale Gruppen und Einzelpersonen fungieren.34 Diese Kombination von ökonomischen, sozialen und politischen Motiven verband die Weltläden mit anderen »alternativen« Konsumorten der 1970er- und 1980er-Jahre wie linken Buchläden, Kneipen und Cafés, Reparaturwerkstätten oder selbstverwalteten Betrieben.35
Die genannte Schwerpunktsetzung spiegelte sich auch in den Zielen, die die Läden selbst formulierten. Dieselben Umfragen, die eine so ernüchternde Einschätzung der ökonomischen Reichweite ergeben hatten, zeichneten zugleich ein erstaunlich lebendiges und vielschichtiges Bild der politischen Motive und Aktivitäten. Befragt nach ihren Intentionen, stimmten fast alle Läden der Aussage zu, »unser Ziel ist eine Bewußtseinsveränderung«, während andere Ziele wie die Generierung von Spendengeldern weit dahinter rangierten.36 Dies zeigte sich auch in der großen Bedeutung, die politische Aktionen und begleitende Veranstaltungen besaßen. Trotz der zum Teil geringen Kund*innenresonanz gaben zum Beispiel zwei Drittel der Läden an, regelmäßig Veranstaltungen durchzuführen. 40 Prozent verwiesen auf Filmvorführungen und Ausstellungen, 45-50 Prozent auf Expert*innendiskussionen und Pressearbeit sowie immerhin 25 Prozent auf eigene Seminar- und Fortbildungsangebote.37
Die Läden sollten also mehr als bloße Verkaufsorte sein, und dies war nicht nur mit bestimmten Strategien der Ladengestaltung verbunden, sondern auch mit relativ hohen Erwartungen an die Konsument*innen. Zwar wurde an vielen Stellen betont, dass in Weltläden keinerlei »Kaufzwang« herrschen solle. Dafür gab es jedoch andere implizite Verhaltenserwartungen, etwa ein Interesse für entwicklungspolitische Themen – bzw. in der zeitgenössischen Terminologie: eine subjektive »Betroffenheit« durch globale Fragen und Probleme. Die Moralisierung des Konsums betraf im Weltladen somit nicht nur die verkauften Produkte selbst. Die Produkte sollten auch anders konsumiert werden.
Es ist wenig überraschend, dass sich diese Idealvorstellungen eines »ethischen Konsums« in der Realität des Ladenalltags nicht immer erfüllten und viele Erfahrungsberichte über die Resonanz eher desillusioniert ausfielen. Viele Läden, vor allem außerhalb der Groß- und Universitätsstädte, hatten schon Probleme, überhaupt genug Menschen für die eigene Initiative zu interessieren. Ladengruppen aus dem Bayerischen Wald oder dem niedersächsischen Hinterland beklagten beispielsweise noch in den 1980er-Jahren, dass die lokale Bevölkerung »wenig aufgeschlossen« sei und eine »Hemmschwelle« empfinde, den Laden zu betreten.38 Man sei zu der Erkenntnis gekommen, so die niedersächsische Gruppe in ihrer Selbstdarstellung, »daß eine Dritte Welt Arbeit in ländlich strukturierten Gebieten […] effektiv nicht läuft«.39
In den größeren Städten war die Resonanz stärker. Dort existierte meist eine kritische Masse an »alternativen« Konsument*innen, die einen gewissen Kund*innenstamm garantierten. Auch hier aber stellte sich die gewünschte Dynamik eines über den Konsum hinausgehenden politischen Austauschs nicht immer ein. Dies lag nach Wahrnehmung der Initiator*innen vorrangig an den Konsument*innen, deren Verhalten oft nicht mit den eigenen Erwartungen an ein entwicklungspolitisch informiertes Konsummodell korrespondierte. Im »Weltladen-Handbuch« von 1989 hieß es dazu beispielsweise: »Die Motivationen von Konsumenten zum Kauf von Produkten des alternativen Handels sind sehr unterschiedlicher Natur: Von alten Missionsvorstellungen, ›Was Gutes für die da unten tun‹, Interesse an der Auffrischung eigener Reiseerinnerungen oder denen von Verwandten und Freunden oder auch an exotischer Lektüre bis hin zum Solidaritätskauf, der sich in nennenswerter Breite allerdings nur bei Nicaragua einstellte. […] Bewusst gleichen Tausch anzustreben, ein Lernziel der Aktion Dritte Welt Handel [...], scheint bisher kein Einkaufsziel zu sein.«40
Dies spiegelte sich auch in anekdotischen Beschreibungen des Verkaufsalltags: Der Anspruch, die Produkte als Ausgangspunkte einer entwicklungspolitischen Bewusstseinsbildung zu nutzen, traf nicht selten auf völlig anders gelagerte Kund*innen-Erwartungen, die von karitativen Motiven über exotische Konsumwünsche bis zu latentem oder manifestem Rassismus reichten. Ein Rollenspiel, in dem ein Kunde auftrat, der im Weltladen nach Elfenbein fragt, nahm diese Erfahrungen ironisch aufs Korn, war aber womöglich nicht allzu weit von der Realität entfernt.41 Dass dies nicht nur anekdotische Hinweise waren, zeigt eine im Auftrag der Aktion Dritte Welt Handel erstellte Liste mit über 60 Fragen und Aussagen, auf die sich Weltladenmitarbeiter*innen in Verkaufsgesprächen vorbereiten sollten – von der skeptischen Nachfrage »Seid ihr sicher, daß das Geld ankommt?« über die Frage »Seid ihr Kommunisten?« bis zu Aussagen wie: »Sie sollen anständig arbeiten« oder »Sie sollen sich nicht wie Kaninchen vermehren«.42
Derartige Reaktionen zeigen, dass sich die Erwartungen gegenüber den Weltläden als soziale Treffpunkte und politische Bildungsorte nur zum Teil erfüllten. Während die Umsätze langsam anstiegen, sind die Effekte der entwicklungspolitischen Pädagogik schwer einzuschätzen. Dennoch lohnt es sich, die utopischen Vorstellungen ernstzunehmen, die die Aktivist*innen mit den Läden verbanden. Die Weltläden hatten innerhalb des Alternativen Handels tatsächlich die Funktion einer »Heterotopie«, die Ideen einer postkolonialen Konsumgesellschaft in einen konkreten räumlichen Kontext überführte.43 Für die Ladengruppen waren dabei vor allem zwei Aspekte von Bedeutung: Erstens spielte die Kritik an der westlichen Konsumgesellschaft und den hiermit verbundenen Lebensstilen eine wichtige Rolle. Daher beharrten viele Aktivist*innen darauf, dass der Verkauf der Waren in den Läden nur ein untergeordneter Aspekt sei, und unternahmen große Anstrengungen, um den eigenen Laden von konventionellen Konsumorten abzugrenzen. Zweitens erhoben die Läden den Anspruch, Orte des globalen Austauschs und der postkolonialen Solidarität darzustellen. Die Weltläden sollten auf diese Weise zu globalen Imaginationsräumen werden, zu »microspaces of intercultural encounter and exchange«.44
Diese Interpretation der Weltläden sollte nicht im Sinne eines tatsächlich gleichberechtigten globalen Austauschs oder einer die postkolonialen Machtasymmetrien transzendierenden Partnerschaft missverstanden werden. Die Weltläden waren zwar Ausdruck einer neuen Vorstellung von globaler Gemeinschaft, Solidarität und Interdependenz, wie sie in der damaligen Zeit unter Begriffen wie »Eine Welt« oder »Global Village« verhandelt wurden.45 Doch blieben die Imaginationen des Globalen, die im Weltladen entwickelt wurden, spezifisch westliche, in den jeweiligen lokalen und nationalen Kontext eingebettete Vorstellungen »der« Welt. Auch koloniale Traditionen und Ikonographien waren weiterhin von Bedeutung, sowohl in der Auswahl der Produkte als auch in der Gestaltung der Läden.46 Am ehesten lassen sich die Weltläden somit als Orte einer lokal hergestellten und imaginierten Globalität deuten, die immer auch mit Dynamiken der Exotisierung und des Othering verbunden waren. Dies ist kaum überraschend, sondern greift die in der Globalgeschichte seit langem etablierte Erkenntnis auf, dass globalhistorische Fragen immer in der Verschränkung mit Lokalisierungsprozessen zu untersuchen sind.47
3. Weltläden und Charity Shops:
Lokale Verkaufskontexte eines transnationalen Handelsmodells
Die Bedeutung der lokalen Verkaufskontexte lässt sich am besten anhand von Fallbeispielen untersuchen. Vor allem für die Bundesrepublik ist dieser Zugang sinnvoll, weil die einzelnen Läden hier sehr autonom agierten und kaum zentrale Vorgaben oder Strukturen existierten. Die Gestaltung der Läden und die individuellen Verkaufspraktiken sind daher nur am Einzelfall wirklich nachzuvollziehen, auch wenn der Quellenzugang hierfür sehr viel schwieriger ist als für die zentralen Institutionen wie GEPA, Misereor oder Weltladen-Dachverband.48 Für die Bundesrepublik wird diese Perspektive anhand des ersten Kölner Weltladens konkretisiert. Das zweite Ziel dieses Abschnitts besteht darin, das westdeutsche Fallbeispiel in einen breiteren Vergleichsrahmen zu stellen. Obwohl der Alternative Handel im Kern eine transnationale Bewegung war, sind Analysen, die den nationalen Zusammenhang überschreiten, weiterhin rar. Im Folgenden werden daher Vergleichsperspektiven zum Alternativen Handel in Großbritannien aufgezeigt und anhand von zwei Läden in Oxford analysiert.
Der erste Kölner Weltladen wurde im Herbst 1976 gegründet und gehört damit zu den ältesten noch existierenden Ladengruppen in der Bundesrepublik. Der Laden entstand aus einer Initiative der evangelischen Kirchengemeinde in Köln-Niehl. Wie in vielen anderen Fällen stellte die Kirche die Verkaufsräume und andere Infrastrukturen zur Verfügung, und auch die Gruppe der Freiwilligen rekrutierte sich zunächst aus der eigenen Gemeinde. Nicht zuletzt bildeten die Gemeindemitglieder die erste Kund*innengruppe. So wurde die Aktion beispielsweise im Gemeindebrief der Kirche angekündigt und vom lokalen Pfarrer unterstützt.49
Der Ladenraum befand sich im Erdgeschoss des Kirchturms, hatte sehr begrenzte Öffnungszeiten und besaß keine Schaufenster, sodass kaum zufällige Kundschaft in den Laden kam. Auch nach der Ladengründung wurde daher ein großer Teil des Umsatzes über temporäre Verkaufsaktionen generiert. Zu diesem Zweck erwarb die Initiative sogar einen VW-Bus, der zu einem »mobilen Laden« umgebaut wurde. Hiermit verkaufte man die Waren nach Gottesdiensten, auf Gemeindefesten und ab Mitte der 1980er-Jahre auch auf dem zentralen Kölner Weihnachtsmarkt, wo jährlich der mit Abstand größte Teil des Jahresumsatzes erzielt wurde.
Der Konflikt zwischen Umsatz und Bewusstseinsbildung, der in den theoretischen Debatten des Alternativen Handels eine so entscheidende Rolle spielte, spiegelte sich auch in den Diskussionen der Kölner Ladengruppe. In ihrer Selbstdarstellung im Gemeindebrief beschrieben die Gruppenmitglieder zunächst die angebotenen Produkte – von Kaffee aus Guatemala über Alpaka-Pullover aus Bolivien bis zu »viele[n] schöne[n] Sachen aus Afrika« –, um im Anschluss die Ziele darzustellen, die sie mit dem Verkauf verfolgten: Es gehe ihnen erstens um die Erschließung von Absatzmärkten und damit verbunden um die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Produktionsländern der »Dritten Welt«; zweitens wollten sie mit dem Warenverkauf »für Sympathie gegenüber Menschen der unterentwickelten Länder werben und dazu beitragen, daß Vorurteile abgebaut werden«; drittens sollten mögliche Gewinne direkt als Spenden in Projekte der Entwicklungshilfe gehen – was schon mit der Finanzierung eines Brunnenbaus in Burkina Faso geschehen sei.50
Diese Trias aus Markterschließung, Bildungsarbeit und karitativer Hilfe war auch für die meisten anderen Läden der 1970er- und 1980er-Jahre charakteristisch. Kontrovers war eher die Prioritätensetzung. In seiner Selbstbeschreibung legte der Kölner Laden – wie die Mehrzahl der damaligen Läden – den Schwerpunkt auf den Bildungsaspekt. In einem Infoblatt erklärte die Ladengruppe potentiellen Kund*innen: »Veränderungen zugunsten der Menschen in der ›3. Welt‹ müssen bei uns beginnen. Deshalb möchten wir:
- über den Handel mit Waren die Zusammenhänge der Einen Welt bewußt machen,
- Einblick in die Lebenssituation und Kultur der Menschen in der ›3. Welt‹ vermitteln,
- anhand von Aktionen, Informationen und Ausstellungen auf die ungerechten Welthandelsbedingungen hinweisen, die Verelendung und Tod von Millionen Menschen in den armen Ländern verursachen,
- Hilfen für die pädagogische Arbeit bereitstellen und vermitteln, wie Plakate, Ausstellungen, Diaserien, Filme und Unterrichtsmaterialien,
- bei der Planung von Veranstaltungen beraten und mitarbeiten.«51
In der lokalen Presse wurde über die Initiative mehrmals berichtet.52 Allerdings spielte der entwicklungspolitische Ansatz der Gruppe in den Artikeln kaum eine Rolle. Stattdessen lag der Schwerpunkt auf dem ungewöhnlichen Produktsortiment und dem äußeren Erscheinungsbild des Ladens, der nach Aussage eines Redakteurs der »Kölnischen Rundschau« »recht exotisch und abenteuerlich« aussah.53 Im Gegensatz zur Ladengruppe selbst, die ihre pädagogischen und politischen Initiativen in den Mittelpunkt gestellt hatte, hob der Zeitungsartikel die ökonomischen Aspekte hervor und betonte etwa, dass der Laden einen möglichst hohen Gewinn erzielen wolle und genauso wie jedes andere Geschäft Steuern und Abgaben entrichten müsse.54
Die Marktexpansion des Alternativen Handels in den frühen 1990er-Jahren sorgte bei dem Kölner Laden anfangs kaum für Veränderungen. Während viele andere Läden sich nun zu professionalisieren begannen und zum Beispiel attraktivere Räume suchten, um der neuen Konkurrenz durch Supermärkte und andere kommerzielle Anbieter gewachsen zu sein, blieb der Kölner Laden zunächst in den Kirchenräumen und zog erst im Jahr 2000 in einen gewerblichen Ladenraum in der Innenstadt. Dieser Umzug bedeutete dann jedoch einen deutlichen Professionalisierungsschub – zum einen musste der Laden die Kosten für Miete und die fest angestellten Mitarbeiter*innen nun über den Umsatz bestreiten, zum anderen löste sich die Initiative dadurch endgültig von dem engen Kontext der eigenen Kirchengemeinde und öffnete sich für eine breiter gefasste Konsument*innengruppe.
Der Kölner Laden steht somit nicht stellvertretend für die Entwicklung der gesamten Weltläden in der Bundesrepublik. Dennoch verdeutlicht er einige zentrale Merkmale. Noch klarer lassen sich die spezifischen Verkaufsstrukturen, die im Alternativen Handel in der Bundesrepublik während der späten 1970er-Jahre entstanden, mit einer internationalen Vergleichsperspektive herausarbeiten. Während sich hierfür etwa an den Niederlanden die Gemeinsamkeiten und transnationalen Austauschprozesse verdeutlichen ließen, werden im Folgenden anhand des britischen Fallbeispiels vor allem die Unterschiede der Verkaufsformen in den Mittelpunkt gestellt. Großbritannien bietet aus mehreren Gründen eine interessante Vergleichsperspektive. Die wichtigste Differenz bestand mit Sicherheit darin, dass die kolonialen Traditionslinien und die hiermit verbundenen politischen Deutungskämpfe eine sehr viel größere Rolle spielten. Die Initiativen des Alternativen Handels entstanden in Großbritannien parallel zur – alles andere als konfliktfreien – »inneren Dekolonisation« des Landes und waren daher sehr viel direkter in die konkreten Erfahrungswelten vieler Aktivist*innen und Konsument*innen eingebunden.55 Ein zweiter wichtiger Unterschied lag in der sehr viel längeren Tradition der Nutzung von Konsumpraktiken im Bereich des karitativen und humanitären Engagements, das in Großbritannien mindestens bis zur Gründung erster Charity Shops im späten 19. Jahrhundert zurückreicht. Während die westdeutschen Weltläden stark von konsumkritischen Deutungsmustern beeinflusst waren, verhielten sich die meisten Aktivist*innen in Großbritannien sehr viel offener gegenüber einer Professionalisierung und Kommerzialisierung der eigenen Initiativen. Sie hatten zum Beispiel deutlich weniger Vorbehalte gegenüber einer Kooperation mit Werbeagenturen oder anderen kommerziellen Akteuren – ein Vorgehen, das im deutschen Kontext regelmäßig heftige Grundsatzdiskussionen auslöste.56
Hinzu kam drittens, dass sich auch die Verkaufskontexte in beiden Ländern stark unterschieden. Weltläden, wie sie in der Bundesrepublik und vielen anderen kontinentaleuropäischen Ländern das Feld dominierten, entstanden in Großbritannien nur sehr vereinzelt. Stattdessen spielten die schon länger etablierten Charity Shops eine entscheidende Rolle. Oxford ist als Fallbeispiel interessant, weil sich hier beide Verkaufskontexte in unmittelbarer räumlicher Nähe untersuchen lassen: An der Broad Street direkt im Zentrum der Stadt befindet sich bis heute der erste von Oxfam gegründete Charity Shop, dessen Gründung auf das Jahr 1947 zurückgeht, während nur einige hundert Meter weiter stadtauswärts mit »Uhuru Wholefoods« ein Laden zu finden ist, der in seinem Ansatz sehr viel stärker dem Modell der Weltläden entsprach.
»Uhuru« wurde im Herbst 1973 gegründet – im selben Jahr, als auch in der Bundesrepublik die ersten Weltläden entstanden. In ihrer Ausgangsmotivation ähnelten sich die beiden Initiativen ebenfalls. Der Impuls für den Oxforder Laden kam von einer Gruppe von Student*innen, die sich schon zuvor mit entwicklungspolitischen Fragen auseinandergesetzt hatten und den Laden als Raum nutzen wollten, um den eigenen Initiativen eine größere Aufmerksamkeit zu verschaffen.57 Ähnlich wie in den Weltläden stand auch hier das Ziel der »Bewusstseinsbildung« im Mittelpunkt, das unter anderem durch die Bereitstellung von Literatur und Informationsmaterial gefördert werden sollte. Die Gruppe veröffentlichte gemeinsame Texte und gab kurzzeitig sogar eine eigene Zeitschrift heraus.
Überregionale Aufmerksamkeit erreichte der Laden vor allem durch den Import von Kaffee aus Tansania, den man landesweit unter dem Namen »Campaign Coffee« vertrieb und gemeinsam mit eigens erstellten Informationsbroschüren über die Strukturen des weltweiten Kaffeehandels verkaufte.58 Im Gegensatz zur Bundesrepublik, wo der überwiegende Teil des Handels von den genannten Importorganisationen durchgeführt wurde, welche die Waren dann an die Weltläden und Handelsinitiativen weiterverkauften, lagen hier also Import, Gestaltung der Produkte sowie der Verkauf im Laden und über den Versandhandel in einer Hand. Am anderen Ende des Handels stand darüber hinaus mit der »Tanganyika Instant Coffee Company« ein Produzent, der wichtige Ziele des Alternativen Handels zu erfüllen schien: Es war unter anderem eine der ersten Fabriken, die mit der Weiterverarbeitung der Kaffeebohnen zu Instantkaffee die Forderung nach einer größeren industriellen Wertschöpfung in den Produktionsländern erfüllte. Ebenso wichtig war der politische Kontext, aus dem das Produkt stammte: Das in Tansania unter Präsident Julius Nyerere umgesetzte »Ujamaa«-Modell war in den 1970er-Jahren ein Fixpunkt der europäischen Solidaritätsbewegungen, und es ist daher kein Zufall, dass der tansanische Kaffee in anderen Ländern ebenfalls zu einem wichtigen Produkt des Alternativen Handels wurde. Direkte Kontakte zwischen Verkäufern und Produktionsgenossenschaften existierten punktuell auch in den Weltläden, machten aber nur einen sehr geringen Teil des Sortiments aus. Oft beruhten diese Handelsbeziehungen auf schon zuvor etablierten persönlichen Beziehungen, beispielsweise über Kontakte der eigenen Kirchengemeinde zu Partnergemeinden in Afrika, Asien oder Lateinamerika.
Uhuru stand mit diesem politischen Ansatz nicht völlig allein da. In Cambridge gab es mit »Arjuna Wholefoods« eine ähnliche Gründung, und auch im »muesli belt« Nord- und Westlondons existierten solche Ladeninitiativen.59 Doch obwohl »Uhuru« bewusst versuchte, bestehende Initiativen miteinander zu vernetzen und weitere Ladengründungen anzuregen, konnte sich das Modell des Weltladens in Großbritannien kaum durchsetzen. Stattdessen waren es dort vor allem zwei Verkaufsformen, die den Hauptteil des Umsatzes des Alternativen Handels ausmachten: einerseits der Versandhandel, der in Großbritannien von Beginn an eine sehr viel größere Bedeutung besaß, sowie andererseits der Verkauf in Charity Shops, wie sie in Großbritannien schon im späten 19. Jahrhundert entstanden waren und nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von Oxfam zu einem äußerst erfolgreichen Geschäftsmodell ausgebaut wurden.60
Als Oxfam ab den frühen 1970er-Jahren stärker in den Handel mit »Dritte-Welt-Waren« einstieg,61 konnte die Organisation also schon auf eine existierende Infrastruktur an Läden und Personal zurückgreifen – und noch wichtiger: auf einen etablierten Kund*innenstamm, den die Läden in den vorangegangenen 25 Jahren aufgebaut hatten. Das erleichterte die schnelle Ausweitung des Handelsmodells. Zugleich produzierten die Überschneidungen aber auch Konflikte und Konkurrenzen: Dies galt ganz konkret in Bezug auf den Raum, der den jeweiligen Produkten zugestanden werden sollte, die moralischen Zuschreibungen, die mit den Waren verbunden wurden, sowie insbesondere die Zielgruppen, die in den Läden angesprochen werden sollten. Während in der Bundesrepublik also eine Ladenform entstand, die explizit für den Alternativen Handel konzipiert worden war, stellten die Oxfam Shops einen hybriden Verkaufskontext dar, in dem sich zwei unterschiedliche Konzepte des »ethischen Konsums« miteinander verschränkten. Dies erwies sich als prekär, weil beide Verkaufsformen unterschiedliche soziale Schichten ansprachen. Die Second-Hand-Angebote der Charity Shops waren schon im 19. Jahrhundert eher auf sozial schwächere Gruppen als Käufer*innen ausgelegt gewesen; dagegen richtete sich der Alternative Handel auch in Großbritannien vor allem an ein bürgerliches Konsumsegment.
Die räumliche und visuelle Gestaltung der Läden spielte jedoch auch bei Oxfam eine zentrale Rolle. Schon der kurz nach Kriegsende gegründete erste Laden in der Broad Street fungierte sowohl als Mittel des Fundraising wie auch als Aushängeschild, mit dem sich Oxfam öffentlich präsentierte.62 Allerdings folgte die Inszenierung der Läden zum Teil anderen Motivationen. Während sich die Weltläden bewusst von herkömmlichen Konsumorten abgrenzten, legte man bei Oxfam von Beginn an großen Wert auf eine professionelle Ladengestaltung. Anders als die Weltläden verfolgte Oxfam darüber hinaus schon früh die Strategie, Läden in möglichst zentraler Lage zu eröffnen, und hatte sehr viel weniger Vorbehalte, den Verkauf streng nach kommerziellen Gesichtspunkten auszurichten. So wurde in der internen Kommunikation immer wieder betont, dass die Läden um jeden Preis das Erscheinungsbild eines Trödelladens vermeiden sollten.63
Dieser Ansatz sorgte selbstverständlich auch für Widerspruch. Nicht zuletzt waren es oft die Protagonist*innen des Alternativen Handels, die beklagten, dass die existierenden Verkaufsräume und die Orientierung der Läden auf möglichst hohe Umsatzzahlen wenig Raum für die eigenen entwicklungspolitischen Ziele ließen. Die Geschäfte, so die Kritik eines Ladenmitarbeiters in einem Leserbrief der hausinternen Zeitung, stellten oft nur noch eine Art »second hand Marks and Spencer« dar, in denen allein die täglichen Umsatzzahlen als Erfolgsmaßstab herangezogen würden.64 Aus diesem Grund entstanden auch schon früh Initiativen, den Alternativen Handel in ein eigenständiges Ladensystem zu überführen und von den Charity Shops abzutrennen. Diese Idee wurde bereits Anfang der 1970er-Jahre verfolgt, als mit der Neustrukturierung des Handels unter dem Namen »Oxfam Bridge« auch die Gründung von »Oxfam Bridge Shops« angekündigt wurde.65 Zwar wurde der Plan nicht umgesetzt, doch blieb das Unbehagen an der räumlichen Verbindung aus Charity Shop und Alternativem Handel auch in den folgenden Jahrzehnten virulent. Als Oxfam in den 1980er-Jahren eine externe Evaluation des eigenen Handelsmodells in Auftrag gab, wurde auch darin die Vermischung von Second-Hand-Shop und Weltladen kritisiert. Die hieraus resultierende Gestaltung von Geschäftsräumen, so das Urteil des Berichts, verhindere den Einsatz der Produkte zur entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.66 Die Frage blieb selbst in den 2000er-Jahren noch aktuell. Als sich Oxfam 2003 relativ überraschend aus dem gesamten Alternativen Handel zurückzog, geschah dies unter anderem deshalb, weil die eigenen Läden für den nun dominierenden Verkauf von Lebensmitteln ungeeignet waren und man das Feld gezwungenermaßen den Supermärkten und anderen kommerziellen Anbietern überlassen musste.67
Die beiden Fallbeispiele verdeutlichen, welche unterschiedlichen Verkaufsformen der Alternative Handel ausprägte. Während das Format des »Dritte-Welt-Ladens« in der Bundesrepublik für lange Zeit beinahe eine Monopolstellung besaß, konnte sich dasselbe Modell in Großbritannien kaum durchsetzen. Dies lag vor allem daran, dass das Konzept hier auf eine länger etablierte Tradition der Charity Shops traf, in deren Kontext die Produkte zum Teil inkorporiert wurden und gegen die sich andere Ladenformate nur schwer durchsetzen konnten. Traidaid, neben Oxfam die zweitwichtigste Initiative des Alternativen Handels in Großbritannien, verzichtete daher völlig auf die Gründung eigener Läden und verkaufte seine Produkte ausschließlich über einen Versandhandel und sogenannte Sales Representatives, die die Produkte vertrieben. Die räumlichen Kontexte, die für die Bundesrepublik einen so entscheidenden Referenzrahmen darstellten, hatten in Großbritannien somit eine geringere Bedeutung. Dies zeigt sich auch an den unterschiedlichen Reaktionen, die die Einführung der Fairtrade-Zertifizierungen in den frühen 1990er-Jahren in beiden Ländern auslöste. Während sich in der Bundesrepublik vor allem die Weltläden lange gegen diese Entwicklungen wehrten und argumentierten, dass die Produkte außerhalb des bisherigen Geschäftsmodells nicht mehr ihre Funktion als entwicklungspolitische Bildungsmedien erfüllen könnten, lassen sich für Großbritannien keine ähnlichen Grundsatzdiskussionen beobachten. Dort fanden die Produkte sehr viel schneller und konfliktfreier Eingang in Supermärkte und andere kommerzielle Verkaufskontexte.
4. Fazit: Konsum, Moral und politischer Protest
»nach dem Boom«
Weltläden wecken heute eher nostalgische Assoziationen. Obwohl mit Imagekampagnen und einer Modernisierung der Läden versucht wurde, das Bild von Jutebeuteln, Alpaka-Pullovern und bitterem Kaffee zu relativieren, scheinen die Läden einer Phase der »alten« Bundesrepublik anzugehören, die im modernen Konsumalltag etwas aus der Zeit gefallen ist. Das springt noch deutlicher ins Auge, weil die Produkte selbst – im nun so genannten Segment des »fairen Handels« – im gleichen Zeitraum eine beeindruckende Marktexpansion erlebt haben und zu einem der größten Wachstumssegmente der Lebensmittelbranche geworden sind. Bezeichnenderweise gelang dieser Durchbruch erst, als die Produkte aus dem Kontext der Weltläden herausgelöst wurden und mit der Einführung der Fairtrade-Zertifizierungen Eingang in den regulären Handel fanden. Hatte der Umsatz des Alternativen Handels in Deutschland 1993 noch bei 29 Millionen Euro gelegen, so stieg er in der Folge von 213 Millionen (2008) auf 650 Millionen (2013) und gut zwei Milliarden im Jahr 2019.68
Ökonomisch erwiesen sich die Weltläden somit ab einem bestimmten Zeitpunkt eher als Hindernis denn als Motor einer Marktausweitung. Dennoch lohnt es sich, sie explizit ins Zentrum einer Analyse des Alternativen Handels zu stellen. Das gilt einerseits für die Geschichte des Alternativen Handels selbst, der nicht als bloße Vorgeschichte aktueller Praktiken des »fairen Handels« interpretiert werden sollte. Mit den Weltläden rücken stattdessen stärker die Diskontinuitäten in den Blick, die zwischen den Motiven der Ladengruppen der 1970er-Jahre und heutigen Konzepten des »fairen Handels« bestehen. Während mit den Zertifizierungen die ökonomischen Motive des Handelsmodells stärker in den Vordergrund getreten sind, hatten die Weltläden lange Zeit vor allem die politische und entwicklungspädagogische Dimension betont und als Kern des Handelsmodells angesehen. Gerade hieraus entstanden die zum Teil heftigen Kontroversen, die in den 1980er- und 1990er-Jahren über Prozesse der Marktexpansion und der Kooperation mit kommerziellen Unternehmen geführt wurden.69
Darüber hinaus liefert eine Historisierung des Alternativen Handels auch generelle Impulse für aktuelle zeitgeschichtliche Fragen. Aus heutiger Sicht können die Handelsinitiativen eine Brückenfunktion zwischen den Narrativen von »1968« und »1973« als vermeintlichen Ausgangspunkten einer »Vorgeschichte der Gegenwart« einnehmen; sie können sozial- und kulturgeschichtliche Perspektiven auf die neuere Zeitgeschichte in Dialog bringen.70 Denn auf der einen Seite waren die Weltläden und die meisten ihrer Protagonist*innen unverkennbar in den Kontext der politischen und kulturellen Umbrüche der 1960er-Jahre eingebunden. Auch wenn eine Interpretation des Alternativen Handels als Generationenprojekt der »68er« zu kurz greift, spielten deren Proteststrategien und Formen der internationalen Solidarität für das Selbstverständnis der Gruppen eine wichtige Rolle. Gemeinsam mit anderen Formen des »ethischen Konsums« kann der Alternative Handel darüber hinaus zu jenen Praktiken gezählt werden, über die die Gegenkultur der 1960er-Jahre sukzessive in den Mainstream der Gesellschaft integriert wurde. Auf der anderen Seite sind die Weltläden aber auch nicht ohne die globalen ökonomischen Umbrüche der 1970er-Jahren zu verstehen. Die beiden Ölpreiskrisen, die Gründung der UNCTAD und die Debatten über eine »New International Economic Order« wurden im Alternativen Handel intensiv verfolgt und regelmäßig als Ausgangspunkte für eigene Kampagnen genutzt. Auch in späteren Jahren spielten die Transformationen der Weltwirtschaft eine zentrale Rolle, etwa im Kontext der Schuldenkrise des Globalen Südens oder bei den Protesten gegen neoliberale Reformen in den Produktionsländern des Alternativen Handels. Ökonomie, Politik und Moral waren im Alternativen Handel also untrennbar miteinander verknüpft.
Drittens schließlich kann der Alternative Handel auch zu der gerade erst beginnenden geschichtswissenschaftlichen Erforschung der »Globalisierung« als politischer Praxis, Diskursformel und gesellschaftlicher Selbstbeschreibung beitragen. Jan Eckel hat in diesem Sinne zuletzt eine »Historisierung des Globalisierungsdiskurses der 1990er- und 2000er-Jahre« gefordert und für eine kritische Reflexion des Begriffs als historischer Analysekategorie plädiert.71 Hierzu kann die Erforschung der Weltläden einen eigenständigen Beitrag leisten. Auf der einen Seite ist der Alternative Handel der 1970er- und 1980er-Jahre als eine Form der »Globalisierungskritik« avant la lettre zu verstehen, die für die Bewegung auch später bedeutsam blieb. Auf der anderen Seite lassen sich die Weltläden als Orte deuten, an denen eine spezifische Form der »Globalisierung« alltagspraktisch eingeübt wurde. Dies geschah in Rückgriff auf zeitgenössische ökonomische Theorien, mehr noch aber in der konkreten Praxis des Konsumierens, bei der die Utopie eines gerechten Welthandels zumindest symbolisch realisiert werden sollte. Die Weltläden verweisen somit auf einen Reflexionsmodus von Globalisierungsdiskursen, der kombiniert mit den akademischen und publizistischen Debatten im individuellen Alltagshandeln zu beobachten ist. In Abwandlung von Michael Billigs Begriff des »banal nationalism« ließe sich hier von einem »banal globalism« sprechen, der in diesen Konsumpraktiken – aber auch in Formen der Unterhaltungsindustrie oder des Tourismus – zum Ausdruck kam und für eine kritische Analyse zeitgenössischer Globalisierungsdiskurse genutzt werden kann.72 Vor allem die Prozesse der Dekolonisation, die auch die europäischen Gesellschaften in den Nachkriegsjahrzehnten grundlegend veränderten, sind hierfür von zentraler Bedeutung – und zwar sowohl für Großbritannien als auch für die Bundesrepublik Deutschland, wo die koloniale Vergangenheit zwar in der Öffentlichkeit sehr viel weniger diskutiert und reflektiert wurde, in den Handelsinitiativen aber dennoch eine wichtige Rolle spielte. Am Beispiel des Alternativen Handels lassen sich die Umbrüche des postkolonialen Zeitalters somit auch in den Fußgängerzonen von Stuttgart und Hildesheim, Oxford und Newcastle untersuchen.
Anmerkungen:
1 Der Begriff »Dritte-Welt-Läden« wurde vor allem bis in die frühen 1980er-Jahre verwendet. Danach wurde eher von »Eine-Welt-Läden« oder »Weltläden« gesprochen. Vgl. explizit zu diesem Begriffswandel: Toni Aulbach/Roland Müller, Weltladen-Handbuch. Ein Wegweiser für MitarbeiterInnen von Weltläden und andere entwicklungspolitisch Interessierte, Wuppertal 1989, S. 9f. In diesem Aufsatz verwende ich im Folgenden die Bezeichnung »Weltläden« für die Verkaufsorte sowie »Alternativer Handel« für das Handelsmodell.
2 Zu den Ursprüngen der internationalen Solidaritätsbewegungen in der Bundesrepublik vgl. noch immer: Claus Leggewie, Kofferträger. Das Algerien-Projekt der Linken im Adenauer-Deutschland, Berlin 1984. Zur »Dritte-Welt«-Solidarität der »68er«: Claudia Olejniczak, Die Dritte-Welt-Bewegung in Deutschland. Konzeptionelle und organisatorische Strukturmerkmale einer neuen sozialen Bewegung, Wiesbaden 1999; Frank Bösch/Caroline Moine/Stefanie Senger (Hg.), Internationale Solidarität. Globales Engagement in der Bundesrepublik und der DDR, Göttingen 2019.
3 Zum niederländischen Fallbeispiel und der von dort ausgehenden transnationalen Vernetzung vgl. insbesondere Peter van Dam, Wereldverbeteraars. Een geschiedenis van fair trade, Amsterdam 2018; ders., Moralizing Postcolonial Consumer Society: Fair Trade in the Netherlands, 1964–1997, in: International Review of Social History 61 (2016), S. 223-250.
4 Siehe nur exemplarisch: Markus Raschke, Fairer Handel. Engagement für eine gerechte Weltwirtschaft, Ostfildern 2009; Meera Warrier (Hg.), The Politics of Fair Trade. A Survey, London 2011; Brigitte Granville/Janet Dine (Hg.), The Processes and Practices of Fair Trade. Trust, Ethics and Governance, New York 2013; Keith R. Brown, Buying into Fair Trade. Culture, Morality, and Consumption, New York 2013; Sarah Besky, The Darjeeling Distinction. Labor and Justice on Fair-Trade Tea Plantations in India, Berkeley 2014; Michael von Hauff/Katja Claus, Fair Trade. Ein Konzept nachhaltigen Handels, Konstanz 2012, 3., vollständig überarb. Aufl. 2018.
5 Ruben Quaas, Fair Trade. Eine global-lokale Geschichte am Beispiel des Kaffees, Köln 2015; Matthew Anderson, A History of Fair Trade in Contemporary Britain. From Civil Society Campaigns to Corporate Compliance, Basingstoke 2015; Dam, Wereldverbeteraars (Anm. 3); Andrea Franc, Von der Makroökonomie zum Kleinbauern. Die Wandlung der Idee eines gerechten Nord-Süd-Handels in der schweizerischen Dritte-Welt-Bewegung, Berlin 2020.
6 Zum Konzept des »Citizen Consumer«: Lizabeth Cohen, A Consumers’ Republic. The Politics of Mass Consumption in Postwar America, New York 2003; Sheryl Kroen, A Political History of the Consumer, in: Historical Journal 47 (2004), S. 709-736. Der Begriff der »Moral Economy« geht zurück auf E.P. Thompson, The Moral Economy of the English Crowd in the Eighteenth Century, in: Past and Present 50 (1971), S. 76-136. Für die neue Konjunktur des Konzeptes vgl. exemplarisch Norbert Götz, »Moral Economy«: Its Conceptual History and Analytical Prospects, in: Journal of Global Ethics 11 (2015), S. 147-162; Jaime Palomera/Theodora Vetta, Moral Economy: Rethinking a Radical Concept, in: Anthropological Theory 16 (2016), S. 413-432; Ute Frevert (Hg.), Moral Economies, Göttingen 2019.
7 Nico Stehr, Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie, Frankfurt a.M. 2007.
8 Über die Anti-Sklaverei-Bewegung als wichtigen Referenzpunkt des »Fairen Handels« siehe Julie Holcomb, Moral Commerce. Quakers and the Transatlantic Boycott of the Slave Labor Economy, Cornell 2017. In konzeptioneller Perspektive mit der Betonung von langen Traditionslinien: Frank Trentmann, Before »Fair Trade«: Empire, Free Trade, and the Moral Economies of Food in the Modern World, in: Environment and Planning D: Society and Space 25 (2007), S. 1079-1102.
9 Siehe z.B. die Arbeit von Ruben Quaas, der diese Dimension am Beispiel des Kaffees eingehend darstellt: Quaas, Fair Trade (Anm. 5).
10 Über »Bewusstseinsbildung« als Ziel des Alternativen Handels siehe schon zeitgenössisch: Franz-Josef Stummann, Aktion Dritte Welt. Eine Fallstudie zur entwicklungspolitischen Bewußtseinsbildung der Jugend, Frankfurt a.M. 1976; Ernst Schmied, Die »Aktion Dritte Welt Handel« als Versuch der Bewußtseinsbildung, Aachen 1977.
11 Zur Begriff der »Glokalisierung« vgl. Roland Robertson, Glocalization. Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity, in: Mike Featherstone/Scott Lash/Roland Robertson (Hg.), Global Modernities, London 1995, S. 25-43; Victor Roudometof, Glocalization. A Critical Introduction, London 2016.
12 Michel Foucault, Andere Räume [1967/73], in: Karlheinz Barck u.a. (Hg.), Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik, Leipzig 1990, S. 34-46.
13 Siehe hierzu u.a. Klaus Fitschen (Hg.), Die Politisierung des Protestantismus. Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland während der 1960er und 70er Jahre, Göttingen 2011; Sebastian Tripp, Fromm und politisch. Christliche Anti-Apartheid-Gruppen und die Transformation des westdeutschen Protestantismus 1970–1990, Göttingen 2015.
14 Jan C. Jansen/Jürgen Osterhammel, Dekolonisation. Das Ende der Imperien, München 2013.
15 Stephanie Decker, Dekolonisation der Wirtschaft? Wirtschaftsnationalismus in Afrika nach 1945, in: Archiv für Sozialgeschichte 48 (2008), S. 461-486.
16 Christoph Kalter, Die Entdeckung der Dritten Welt. Dekolonisierung und neue radikale Linke in Frankreich, Frankfurt a.M. 2011; Jürgen Dinkel, »Dritte Welt« – Geschichte und Semantiken, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 6.10.2014. In kritischer Perspektive auf die Zuschreibungen von Rückständigkeit und Unterentwicklung als Merkmale der »Dritten Welt«: Daniel Speich Chassé, Die »Dritte Welt« als Theorieeffekt. Ökonomisches Wissen und globale Differenz, in: Geschichte und Gesellschaft 41 (2015), S. 580-612.
17 Zur Geschichte der Entwicklungshilfe in internationaler Perspektive: Corinna R. Unger, International Development. A Postwar History, London 2018.
18 Siehe Hubertus Büschel, Hilfe zur Selbsthilfe. Deutsche Entwicklungsarbeit in Afrika 1960–1975, Frankfurt a.M. 2014.
19 Zum Neokolonialismus siehe Robert Young, Postcolonialism. An Historical Introduction, Oxford 2001, S. 46-56; Kwame Nkrumah, Neo-Colonialism. The Last Stage of Imperialism, New York 1965. Zur Dependenztheorie siehe John F.J. Toye/Richard Toye, The Origins and Interpretation of the Prebisch-Singer Thesis, in: History of Political Economy 35 (2003), S. 437-467.
20 Zur UNCTAD und den Diskussionen über eine »New International Economic Order« vgl. u.a. Craig Murphy, The Emergence of the NIEO Ideology, Boulder 1984; Sönke Kunkel, Zwischen Globalisierung, internationalen Organisationen und »global governance«. Eine kurze Geschichte des Nord-Süd-Konflikts in den 1960er und 1970er Jahren, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), S. 555-577.
21 Vgl. hierzu nur exemplarisch Marc Levinson, The Box. How the Shipping Container Made the World Smaller and the World Economy Bigger, Princeton 2008.
22 Für den hier untersuchten Zeitraum waren die GATT-Verhandlungen der Kennedy-Runde (1964–1967) und der Tokio-Runde (1973–1979) von Bedeutung. Vor allem die Tokio-Runde wurde innerhalb des Alternativen Handels kritisch begleitet.
23 Uta G. Poiger, Imperialism and Consumption: Two Tropes in West German Radicalism, in: Axel Schildt/Detlef Siegfried (Hg.), Between Marx and Coca-Cola. Youth Cultures in Changing European Societies, 1960–1980, Oxford 2006, S. 161-172.
24 Für diese Ambivalenz siehe Benjamin Möckel, Consuming Anti-Consumerism: The German Fairtrade Movement and the Ambivalent Legacy of ›1968‹, in: Contemporary European History 28 (2019), S. 550-565.
25 Über die entwicklungspädagogischen Absichten des Alternativen Handels vgl. u.a. Schmied, Aktion (Anm. 10), Stummann, Aktion (Anm. 10).
26 Die Zahlen variieren, vor allem weil die Definitionen nicht immer gleich sind und temporäre oder nur unregelmäßig geöffnete Läden schwer abzugrenzen sind. Ruben Quaas spricht für die Zeit um 1977/78 von knapp 100 Läden, für 1983/84 von rund 200. Das »Weltladen-Handbuch« von 1989 gibt für die Zeit zwischen 1980 und 1989 eine Steigerung der Anzahl der Weltläden von 120 auf 500 an. Vgl. Quaas, Fair Trade (Anm. 5), S. 195; Aulbach/Müller, Weltladen-Handbuch (Anm. 1), S. 9.
27 Für das Jahr 2019 weist der »Faire Handel« einen Gesamtumsatz von 1,85 Milliarden Euro aus, von dem 83 Millionen auf die Weltläden und andere Aktionsgruppen entfielen. Siehe <http://www.forum-fairer-handel.de/fairer-handel/zahlen-fakten>.
28 Matthew Anderson nutzt in seiner Gesamtdarstellung des Fairen Handels in Großbritannien vor allem einen institutionengeschichtlichen Zugang, während Ruben Quaas die Produkte ins Zentrum seiner Analyse stellt: Anderson, A History of Fair Trade (Anm. 5); Quaas, Fair Trade (Anm. 5).
29 Zum Spatial Turn in den Geschichts- und Kulturwissenschaften vgl. u.a. Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt a.M. 2001; Jörg Döring/Tristan Thielmann (Hg.), Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld 2008; Doris Bachmann-Medick, Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek 2006, S. 284-328.
30 Siehe Ladenkonferenzen und Ladenseminare 1974–1975, Misereor Archiv Aachen, Bestand Fairer Handel, 29 (im Folgenden: MAA, FH).
31 Ergebnisse der Umfrage unter den Mitgliedern der AG3WL, in: AG3WL-Rundbrief Nr. 1 (1981), Archivbestand des Weltladen-Dachverbandes, Mainz. Siehe auch Martin Kunz, Dritte-Welt-Läden. Einordnung und Überprüfung eines entwicklungspolitischen Bildungsmodells anhand der Fallbeispiele der Leonberger und Ludwigsburger Ladeninitiativen, Wiesbaden 1987, S. 47f.
32 Ronald Brantl, 3. Welt-Läden in Zahlen, in: AG3WL-Rundbrief Nr. 26 (1987), S. 22-35.
33 Harald Rohr/Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt Läden, Der Dritte Welt Laden, Darmstadt 1980, S. 61.
34 Aulbach/Müller, Weltladen-Handbuch (Anm. 1), S. 58.
35 Zu dieser entstehenden (Konsum-)Kultur des »alternativen Milieus« siehe Sven Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft. Linksalternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Berlin 2014.
36 Brantl, 3. Welt-Läden in Zahlen (Anm. 32).
37 Ebd.
38 Selbstdarstellung »Aktion Eine Welt (Zwiesel)«, in: Aulbach/Müller, Weltladen-Handbuch (Anm. 1), Selbstdarstellung »3. Welt Laden Ölsburg«, in: AG3WL-Rundbrief Nr. 16 (1986).
39 Selbstdarstellung »3. Welt Laden Ölsburg« (Anm. 38).
40 Aulbach/Müller, Weltladen-Handbuch (Anm. 1), S. 15.
41 Rohr/AG3WL, Dritte Welt Laden (Anm. 33), S. 58-61.
42 Siehe in: Fortführung der Arbeit der A3WH, 1977–1980, in: MAA, FH 14.
43 Foucault, Andere Räume (Anm. 12).
44 Laurier Turgeon/Madeleine Pastinelli, »Eat the World«: Postcolonial Encounters in Quebec City’s Ethnic Restaurants, in: Journal of American Folklore 115 (2002), S. 247-268, hier S. 247.
45 David Kuchenbuch, »Eine Welt«. Globales Interdependenzbewusstsein und die Moralisierung des Alltags in den 1970er und 1980er Jahren, in: Geschichte und Gesellschaft 38 (2012), S. 158-184. Zur Ideengeschichte von Konzepten der »Interdependenz« während des Kalten Krieges vgl. zuletzt Martin Deuerlein, Das Zeitalter der Interdependenz. Globales Denken und internationale Politik in den langen 1970er Jahren, Göttingen 2020.
46 Über die kolonialen Traditionslinien der Produkte siehe z.B. Anandi Ramamurthy, Absences and Silences: The Representation of the Tea Picker in Colonial and Fair Trade Advertising, in: Visual Culture in Britain 13 (2012), S. 367-381.
47 Siehe u.a. Robertson, Glocalization (Anm. 11); Arjun Appadurai, Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization, Minneapolis 1996; Angelika Epple, Lokalität und die Dimensionen des Globalen. Eine Frage der Relationen, in: Historische Anthropologie 21 (2013), S. 4-25.
48 Meist lassen sich die einzelnen Läden nur über die vor Ort erhalten gebliebenen Dokumente erschließen. Das gilt auch für das Beispiel des Weltladens in Köln-Niehl. Zusätzlich zu dem erhaltenen Archivmaterial habe ich Gespräche mit drei ehemaligen oder noch aktiven Mitarbeiter*innen des Ladens geführt.
49 Siehe: Wandel durch Handel, in: Wir. Botschaft der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Niehl, Oktober 1976, S. 1-2 (Archivmaterial des Weltladens Köln).
50 Ebd., S. 2.
51 Infozettel: Dritte Welt Laden Niehl: Für eine solidarische Welt – Handel und Information (etwa 1980er-Jahre, Archiv des Weltladens Köln).
52 Siehe u.a.: Bus fährt für die Dritte Welt. Evangelische Kirche Niehl ›handelt‹, in: Kölnische Rundschau, 1.12.1976; Michael Wittschier, Tee aus dem mobilen Laden. Aktionsgruppe hilft Dritter Welt, in: Kölner Stadtanzeiger, 17.11.1976; Verkauf für die Dritte Welt, in: Der Weg, 5.12.1976; Günter Otten, Ein selbstloses Geschäft, in: Kölner Stadtanzeiger, 22.9.1984.
53 Bus fährt für die Dritte Welt (Anm. 52).
54 Ebd.
55 Gerhard Altmann, Abschied vom Empire. Die innere Dekolonisation Großbritanniens 1945–1985, Göttingen 2005. Über das Weiterwirken dieser kolonialen Traditionen in Großbritannien bis in die Gegenwart siehe zuletzt Robert Gildea, Empires of the Mind. The Colonial Past and the Politics of the Present, Cambridge 2019.
56 Siehe hierzu u.a. Matthew Hilton, The Politics of Expertise. How NGOs Shaped Modern Britain, Oxford 2013. Zur konsumkritischen Dimension der deutschen Fairtrade-Bewegung siehe detaillierter Benjamin Möckel, Gegen die »Plastikwelt der Supermärkte«. Konsum- und Kapitalismuskritik in der Entstehungsgeschichte des »fairen Handels«, in: Archiv für Sozialgeschichte 56 (2016), S. 335-352.
57 Siehe hierzu die Selbstdarstellung der Initiative: Uhuru – A Working Alternative (1976), in: National Archives, Oxfordshire History Centre, OXFO 658.8 UHUR.
58 Für das Archivmaterial von »Campaign Coffee« siehe den Privatbestand des damaligen Mitinitiators Jon Danzig (London).
59 Einige Hinweise zu derartigen Läden in London und darüber hinaus finden sich in den alternativen Adressbüchern von Nicholas Saunders, Alternative London, London 1970; ders., Alternative England and Wales, London 1975.
60 Die Verkaufsform der Charity Shops geht zurück auf Ideen des damaligen Leiters der Salvation Army, William Booth, der in seinem 1890 veröffentlichten Buch »In Darkest England and the Way Out« das Konzept eines auf Sachspenden basierenden Ladens skizzierte. Siehe hierzu Suzanne Horne/Avril Maddrell, Charity Shops. Retailing Consumption and Society, London 2002, S. 4.
61 Die ersten Waren aus dem Globalen Süden importierte Oxfam schon 1959. In den frühen 1970er-Jahren entstand hieraus ein eigenständiges Handelsmodell, das unter dem Namen »Oxfam Bridge« Kriterien und Konzepte für einen Alternativen Handel entwickelte. Zu Oxfams Fairtrade-Initiativen siehe zuletzt Anderson, A History of Fair Trade (Anm. 5), S. 23-43.
62 Zur Gründungsgeschichte des ersten Ladens vgl. Maggie Black, A Cause for Our Times. Oxfam: The First 50 Years, Oxford 1992, S. 34f.
63 Als Beispiel für mehrere ähnliche Aussagen: »Everything must be done to avoid the jumble sale image in Oxfam Gift Shops« (The Future Development of Oxfam Gift Shops, October 1969, in: Bodleian Library Oxford, MS Oxfam TRD/4/3/1).
64 J.V. Reid, Just another Chain of Shops?, in: Oxfam News, December 1983, S. 3.
65 Flyer: Why you should shop at Bridge. An explanation for customers (1975), MS Oxfam TRD/3/8/1.
66 Siehe Jonathon Stockland, Bridge – an Evaluation (April 1986), in: MS Oxfam TRD/3/6/3.
67 Siehe hierfür die Evaluation, die Oxfam gemeinsam mit der Beratungsagentur McKinsey über die Zukunft des eigenen Handelsmodells erstellen ließ: Rethinking Fair Trade: Increasing Oxfam’s Impact on Sustainable Livelihoods (Oktober 1998), in: MS Oxfam TRD/3/2/3/1.
68 Für die Zahlen siehe Statista: Umsatz mit Fairtrade-Produkten in Deutschland in den Jahren 1993 bis 2019, URL: <https://de.statista.com/statistik/daten/studie/226517/umfrage/fairtrade-umsatz-in-deutschland>.
69 Siehe hierzu Benjamin Möckel, »Ökonomische Eigenlogiken« und »alternative Sachzwänge«: Ökonomisierungsdiskurse im ethischen Konsum seit den 1960er Jahren, in: Rüdiger Graf (Hg.), Ökonomisierung. Debatten und Praktiken in der Zeitgeschichte, Göttingen 2019, S. 360-382.
70 Zur »Vorgeschichte der Gegenwart« siehe Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael/Thomas Schlemmer (Hg.), Vorgeschichte der Gegenwart. Dimensionen des Strukturbruchs nach dem Boom, Göttingen 2016. Zur Integration von Kultur- und Wirtschaftsgeschichte siehe u.a. Hartmut Berghoff/Jakob Vogel (Hg.), Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspektivenwechsels, Frankfurt a.M. 2004.
71 Jan Eckel, »Alles hängt mit allem zusammen.« Zur Historisierung des Globalisierungsdiskurses der 1990er und 2000er Jahre, in: Historische Zeitschrift 307 (2018), S. 42-78; ders., Politik der Globalisierung. Clinton, Blair, Schröder und die Neuerfindung der Welt in den 1990er und 2000er Jahren, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 68 (2020), S. 451-480. Siehe in begriffsgeschichtlicher Perspektive auch Olaf Bach, Ein Ende der Geschichte? Entstehung, Strukturveränderungen und die Temporalität der Globalisierungssemantik seit dem Zweiten Weltkrieg, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 68 (2020), S. 128-154.
72 Michael Billig, Banal Nationalism, London 1995.