Anfang 2014 konnte der rund 50.000 Aufnahmen umfassende Nachlass des Fotografen Wolfgang G. Schröter (1928–2012) zusammen mit zahlreichen Arbeitsabzügen, Belegexemplaren, der Handbibliothek und biographischen Dokumenten von der Deutschen Fotothek für das »Archiv der Fotografen« übernommen werden. Schröter gehörte zu den paradigmatischen Ausnahmefotografen der frühen DDR. Unter Nutzung der Methoden von Wissenschafts- und experimenteller Fotografie entwickelte er eine eigene Bildsprache, die avantgardistische internationale Fotografie-Entwicklungen aufgriff, ohne diese zu imitieren. Schröters frühe farbfotografische Experimente wurden 1977 im Zuge der Nobilitierung der Fotografie als künstlerisches Medium in der Hallenser Ausstellung »Medium Fotografie« gewürdigt. Bis heute werden seine Aufnahmen in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.[1]
Bereits wenige Wochen nach der Übernahme dieses Fotografenarchivs konnte die Deutsche Fotothek im Rahmen des interdisziplinären, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts »Farbe als Akteur und Speicher« eine Kooperation mit dem Institut für Kunst- und Musikwissenschaft der Technischen Universität Dresden zur Erschließung des Nachlasses eingehen. Eine erste repräsentative Auswahl von 700 Aufnahmen mit den wichtigsten Themenkomplexen in Schröters Werk ist in der Bilddatenbank der Deutschen Fotothek abrufbar.[2] Auf Basis eines flankierenden, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten TU-Projekts entsteht derzeit innerhalb des Forschungsvorhabens »Die Farbe der Dinge. Farbfotografie und kulturelles Gedächtnis« eine kunsthistorische Dissertation von Katharina Arlt zum Thema »Frühe und experimentelle Farbfotografie am Werkbeispiel Wolfgang G. Schröters«, die wesentlich von der Vollständigkeit des vorhandenen Materials sowie der Verfügbarkeit auch des schriftlichen Nachlasses profitiert.
Dieser geradezu ideale Verlauf einer Archiverwerbung und -erschließung ist allerdings alles andere als typisch. An der Wende von der analogen zur digitalen Fotografie droht vielmehr immer wieder die Vernichtung bedeutender Zeugnisse aus der 175-jährigen Geschichte des Mediums. Das klassische Archiv, in dem Negative, Diapositive und fotografische Abzüge auf Abruf bereitstehen, verliert vielerorts seine Funktion. Festplatten und Datenbanken treten an seine Stelle, das Pixel ersetzt das Korn. Angesichts dieses weitreichenden Medienwandels gehört die Sicherung von Fotografenarchiven derzeit zu den wichtigsten Aufgaben von Bildarchiven. Mehr denn je besteht heute der dringende Bedarf an einer Institution, die sich für die Erhaltung, die fachgerechte Archivierung sowie die Präsentation der Lebenswerke und Nachlässe deutscher Fotografen einsetzt und diese als substantielle Bestandteile unseres kulturellen Gedächtnisses bewahrt. Nachdem sich Bemühungen um ein »Deutsches Centrum für Photographie« oder eine »Deutsche Stiftung Photographie« in den letzten Jahren und Jahrzehnten unter anderem aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland als nicht durchsetzbar erwiesen haben, der Handlungsdruck aber gleichwohl stetig wächst, war es dringend erforderlich, eine Perspektive für eine verlässliche Zukunft von Fotografenarchiven jenseits der Neugründung einer optimal budgetierten, auf Bundesebene angesiedelten Großinstitution zu suchen. Dieser Herausforderung haben sich die Deutsche Fotothek und die Stiftung F.C. Gundlach gemeinsam mit weiteren Partnern gestellt. Mit dem »Archiv der Fotografen« in der Deutschen Fotothek haben sie eine Institution geschaffen, welche – als strategischer Partner von Gedächtnisinstitutionen und Verbünden wie dem Netzwerk Fotoarchive – die Erhaltung, fachgerechte Archivierung und Präsentation fotografischer Werke und Nachlässe koordiniert.[3]
Die Deutsche Fotothek kann und will jedoch nicht den Anspruch erheben, eine flächendeckende Lösung für den Umgang mit Fotografenarchiven in Deutschland zu etablieren. Vielmehr geht es darum, dort den Nukleus einer ausbaufähigen, dem Prinzip des verteilten Sammelns folgenden Infrastruktur zu schaffen. In Kooperation mit einschlägigen Partnern vermittelt die Deutsche Fotothek fotografische Archive in geeignete Institutionen, berät bei der Unterbringung und Konservierung, akquiriert Fördermittel für die Erschließung und initiiert – unterstützt durch ihre Partner – Ausstellungen und Buchpublikationen. Schließlich wird das in Form von Fotografien überlieferte visuelle Erbe virtuell im Bildportal Deutsche Fotothek zusammengeführt, so dass das fotografische Schaffen für Forschung und Lehre sowie für eine breite Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich wird. Begleitet von einem Fachgremium, das Ausrichtung, Qualitätssicherung und Transparenz gewährleistet, werden die Bestände der Deutschen Fotothek durch Übernahme fotografischer Nachlässe und Archive zu einer Sammlung ausgebaut, die insbesondere das Werk deutscher und in Deutschland lebender Fotografen von den Anfängen bis zur Gegenwart repräsentiert. So entsteht ein Kompetenzzentrum, dessen zentrale und dezentrale Sammlungstätigkeit unter einem virtuellen Dach gebündelt wird. Nach einem knappen Einblick in das Profil und die Tätigkeit der Deutschen Fotothek soll hier skizziert werden, welche Perspektiven die Digitalisierung für die fotografischen Bestände und ihre Nutzung mit sich bringt.
Die Deutsche Fotothek sammelt, bewahrt und publiziert fotografische Bilddokumente, insbesondere Nachlässe und Archive von Fotografen als Quellen bildwissenschaftlicher Forschung verschiedenster Disziplinen. Inhaltliche Schwerpunkte sind neben der Geschichte der Fotografie als Hauptgegenstand die Kunst- und Architekturgeschichte sowie die Technikgeschichte. Mit einem autoren- und provenienzorientierten Sammlungskonzept wird dem mehrschichtigen Bildbegriff der Visual History Rechnung getragen: Im Mittelpunkt steht das fotografische Bild – nicht nur als bildlicher Beleg architektonischer, bildkünstlerischer oder technischer Artefakte und historischer Ereignisse, sondern auch und vor allem als eigenständiger Gegenstand eines interdisziplinär ausgerichteten Forschungsfelds, das Fragen und Methoden der Kunstgeschichte, Geschichte, Soziologie und Ethnologie umfasst. Das Sammlungsinteresse richtet sich auf die Fotografie als Medium und auf die daran beteiligten Akteure.
Dementsprechend zielt sowohl der physische als auch der digitale Bestandsaufbau primär auf die aktive Akquise fotografischer Nachlässe und Archive. Für die Erwerbung aller dem Sammlungsprofil der Deutschen Fotothek entsprechenden Fotografien gelten die folgenden Kriterien:
- erschließende Metadaten sind in ausreichender Qualität vorhanden;
- Nutzungsrechte werden an die Deutsche Fotothek übertragen, oder Urheber- bzw. Leistungsschutzrechte erlöschen spätestens fünf Jahre nach Erwerbung;
- Deposita sind im Ausnahmefall möglich, sofern Eigentum und Rechte an daraus produzierten Digitalisaten und Metadaten auch nach einer Rückgabe der Originale bei der Deutschen Fotothek verbleiben.
Viele einer Entscheidung für oder gegen die Übernahme eines fotografischen Nachlasses zugrundeliegende Kriterien sind naturgemäß weich; sie unterliegen stetiger Veränderung. Bedeutung und Qualität eines Bestands können nur durch den vergleichenden Blick auf Geschichte und Gegenwart beurteilt werden. Die Relevanz eines Nachlasses für künftige Forschungen kann in Kenntnis oder Prognose kurz- oder mittelfristig wirksamer Trends abgeschätzt werden, doch objektivierbare Aussagen über den langfristigen Stellenwert fotografischer Konvolute sind oft nicht zu leisten.
Während sich der eingangs beispielhaft angeführte Nachlass Wolfgang G. Schröters schon unmittelbar als forschungsrelevant erwiesen hat, zeigt die Praxis, dass konkretes Interesse für fotografische Bestände auch aktiv durch die Bildarchive geweckt werden muss, ja dass Archive einzelner Fotografen sogar erst Jahrzehnte nach ihrer Erwerbung in den Fokus wissenschaftlicher Aufmerksamkeit rücken können. Beispielhaft genannt seien hier die in den 1980er-Jahren aufgrund politischer Vorgaben von der Deutschen Fotothek erworbenen, damals jedoch nicht erschlossenen Nachlässe von Arbeiterfotografen wie Kurt Beck (1909–1983), Hans Bresler (1902–1994) und Erich Meinhold (1908–2004).[4] Die in der KPD-nahen »Vereinigung der Arbeiter-Fotografen Deutschlands« aktiven Amateurfotografen hielten im Aufbruch der Medienmoderne während der 1920er-Jahre erstmals ihr beengtes Lebensumfeld, den Kampf der Arbeiterbewegung sowie die Theatralität des Alltags fest. Erst im Rahmen eines dreijährigen DFG-Projekts des Instituts für Sächsische Geschichte und Volkskunde in Dresden wurden diese und weitere Bestände zur Arbeiterfotografie in Sachsen unter Beteiligung der Deutschen Fotothek von 2009 bis 2012 digitalisiert, erschlossen sowie unter fotohistorischen und sozialgeschichtlichen Leitfragen erforscht. Neben zwei Tagungen und einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen[5] mündete das Projekt in die Wanderausstellung »Das Auge des Arbeiters«, die 2015 im Stadtmuseum Dresden zu sehen war.[6]
Obwohl Erwerbung und wissenschaftliche Rezeption selten synchron erfolgen, braucht jeder Sammlungsaufbau langfristige Perspektiven. Ausschlaggebend für Erwerbungsentscheidungen kann jedoch nicht nur die individuelle, an den oben genannten Qualitätsmaßstäben sowie an aktuellen Forschungsinteressen ausgerichtete Bewertung sein; ebenso wichtig ist die Anschlussfähigkeit an bestehende – historisch gewachsene und sich organisch weiterentwickelnde – Sammlungsprofile und -schwerpunkte. Die Entwicklung einer Sammlung erfolgt zwangsläufig immer auch in die Breite, sollte aber, im Sinne der Stärkung von Kernthemen, primär in die Tiefe gerichtet sein. An den erwähnten Beispielen lässt sich zudem ablesen, dass die Rezeption fotografischer Nachlässe durch die Forschung nicht nur von der zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebenen Bedeutung eines Bestands abhängig ist, sondern wesentlich auch von dessen Sichtbarkeit, Zugänglichkeit und Verwendbarkeit. Wichtig ist dabei nicht zuletzt die durch die systematische Digitalisierung eröffnete Möglichkeit, auf verschiedenen Ebenen korrespondierende Bestände gewissermaßen »miteinander sprechen« zu lassen. Die Mehrdimensionalität der digitalen Präsentation eröffnet hochdifferenziert zu strukturierende Zugänge nach Personen, Orten, Zeiten, Themen usw. und ist nicht mehr an den monothematischen Zugriff über die klassische Magazinaufstellung nach Provenienz oder Pertinenz gebunden.
Das Interesse der Forschung durch Publikationen und andere öffentlichkeitswirksame Maßnahmen ebenso zu wecken wie die Wertschätzung eines breiten Publikums, gehört zu den zentralen Aufgaben eines Bildarchivs. Für die allgemeine Wahrnehmung wie für die wissenschaftliche Rezeption von Bildbeständen, insbesondere in den Geisteswissenschaften, spielen klassische Publikationsformen neben Online-Medien dabei noch immer und wohl auch auf längere Sicht eine zentrale Rolle. Die »Aktivierung« historischer Fotografie durch Printpublikationen ist daher wesentlicher Bestandteil der Distributionsstrategie im Archiv der Fotografen. Die Deutsche Fotothek hat den Anspruch und die Aufgabe, einerseits – in Kooperation mit Partnern – selbst sehr aktiv an der Erforschung und – im besten Sinne – der Popularisierung der eigenen Bestände mitzuwirken sowie andererseits Forschungs- und Publikationsvorhaben Dritter zu unterstützen: durch die Lieferung, Ausleihe oder Erschließung von Bildmedien. Die resultierenden Formate reichen vom Coffee Table Book bis zum wissenschaftlichen Katalog.[7]
Das gleiche Ziel verfolgen Ausstellungsprojekte, die zunehmend in Kooperation mit Museen und Galerien sowie mit Universitäten realisiert werden. Gemeinsam mit der Kustodie der Technischen Universität Dresden konnten in den letzten Jahren zwei Ausstellungen verwirklicht werden: »Bilder machen – Fotografie als Praxis« zeigte 2010 pars pro toto für das Spektrum des Bildarchivs unter anderem Aufnahmen von Karl Blossfeldt, Christian Borchert, Hugo Erfurth, Fritz Eschen, Oswald Lübeck, Eugen Nosko, Richard Peter sen., Evelyn Richter sowie Roger und Renate Rössing. Dabei wurden sowohl Prozesse der Bilderzeugung als auch Formen des Bildgebrauchs in den Blick genommen. Die Ausstellung »SportBilder. Fotografien der Bewegung« bot 2014 einen Überblick zu mehr als 100 Jahren Sportfotografie und ihrer Ästhetik. Zu beiden Ausstellungen entstanden Katalogbücher unter Beteiligung der Deutschen Fotothek.[8]
Von besonderem Interesse für die Popularisierung der Bestände sind Ausstellungen mit überregionaler Wirkung wie die 2011 bei C/O Berlin gezeigte, im Anschluss an den erfolgreichen Bildband kuratierte Schau »Berlin unterm Notdach« mit Fotografien von Fritz Eschen. Im Frühjahr 2015 zeigte das LVR-LandesMuseum Bonn in Kooperation mit der Deutschen Fotothek und der Stiftung F.C. Gundlach in einer Doppelausstellung[9] Fotografien von Richard Peter sen. und Hermann Claasen, die aus den berühmten Fotobüchern »Dresden – eine Kamera klagt an« und »Gesang im Feuerofen« über die Zerstörung der Städte Dresden und Köln am Ende des Zweiten Weltkriegs stammen. Diese Ausstellung begründet die dauerhafte Zusammenarbeit dieser der Fotografie verpflichteten Institutionen aus Bonn, Dresden und Hamburg. Mit der Ausstellungs-Reihe »Aus den Archiven«, in der nun jährlich eine von einem wissenschaftlichen Katalog begleitete Präsentation von Fotografien und Archivmaterialien stattfinden wird, gehen die Kooperationspartner im Rahmen des Archivs der Fotografen nach dem Bewahren und dem Erschließen konsequent den dritten Schritt: die Präsentation im Museum.
Die zentrale Rolle bei der Distribution von Bildmedien spielt für das Archiv der Fotografen jedoch die Bilddatenbank der Deutschen Fotothek als Schaufenster und Suchinstrument für die Werke bedeutender Fotografen – aus eigenem Bestand und aus den Sammlungen zahlreicher Partner. Die Präsentation der Bestände in der digitalen Welt verfolgt neben dem Ziel optimaler Recherchemöglichkeiten immer auch den Zweck, einzelne Nachlässe oder Konvolute – den klassischen Distributionsmedien Buch und Ausstellung vergleichbar – zu beschreiben, sie zumindest in repräsentativer Auswahl zu zeigen und somit gezielt Interesse zu wecken.
Das Forschungspotential der in der Deutschen Fotothek bewahrten Nachlässe gründet neben ihrem jeweiligen dokumentarischen oder künstlerischen Rang wesentlich auch darauf, dass diese in aller Regel nicht nur ausgewählte, bereits publizierte Fotografien enthalten, sondern – anders als bei streng nach kommerzieller Verwertbarkeit von Einzelmotiven auswählenden Bildagenturen – das Gesamtwerk eines Fotografen im Prozess zugänglich machen können. Ob oder inwieweit fotografische Archive tatsächlich nicht nur in repräsentativer Auswahl, sondern vollständig bearbeitet werden können, hängt dabei leider oft weniger von inhaltlichen Entscheidungen der verwaltenden Einrichtung ab, sondern mehr noch von der Verfügbarkeit bzw. Einwerbung von Drittmitteln im Rahmen einschlägiger Infrastrukturmaßnahmen (z.B. finanziert von DFG, BMBF, EU) oder – wie oben beschrieben – eingebettet in Forschungsprojekte. Diese Fördermittel sind im Normalfall privatwirtschaftlich agierenden Bildanbietern nur eingeschränkt oder gar nicht zugänglich. Allerdings bieten sie nicht nur erhebliche Chancen, sondern stellen gleichermaßen ein Problem dar, indem sie inhaltliche Prozesse bestimmen, denn die eigenen finanziellen und personellen Ressourcen gewährleisten oft lediglich die Inventarisierung von Beständen, nicht aber deren flächendeckende wissenschaftliche Erschließung.
Gelingt jedoch die Einwerbung von Drittmitteln, lassen sich aufgrund von häufig ebenfalls ins Archiv der Fotografen aufgenommenen Schriftwechseln, Manuskripten, Kontaktbögen, redaktionellen und bildbezogenen Notizen auch Produktions- und Reproduktionsprozesse nachvollziehen. Entsprechend werden in der Regel auch die Rückseiten der Fotografien mit Verwendungsnachweisen oder Provenienzangaben digitalisiert, einzelne Aufnahmen im Kontext gescannter Kontaktbögen präsentiert sowie historische Findmittel, zum Beispiel Bildkarteikarten, als Hintergrundinformationen online zugänglich gemacht.[10] Nicht zuletzt werden durch die datensatzbezogene Kommentarfunktion der Bilddatenbank regelmäßig auch valide Hinweise und Anmerkungen von Datenbanknutzern in den Aufbereitungsprozess der Deutschen Fotothek integriert.
Dem kooperativen Ansatz des Archivs der Fotografen folgend werden in der Bilddatenbank neben eigenen Beständen in wachsender Zahl auch ausgewählte Archive von Partnern angeboten – insgesamt bietet die Datenbank Zugriff auf derzeit 1.677.000 Bilder aus 77 Institutionen (Stand: August 2015). Eine noch größere Sichtbarkeit und Reichweite – und damit verbunden eine bessere Zugänglichkeit für die Forschung – erlangen die Bildbestände durch die Integration in einschlägige Fachportale sowie in übergeordnete Portale wie Europeana oder die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB), deren Ziel es ist – motiviert durch demokratische Grundprinzipien –, jedermann über das Internet freien und zentralen Zugang zum kulturellen und wissenschaftlichen Erbe zu eröffnen sowie Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen miteinander zu vernetzen. Als eine von sechs spartenspezifischen Fachstellen (Archiv, Bibliothek, Denkmalpflege, Forschung, Museum) begleitet die in der Deutschen Fotothek angesiedelte Fachstelle Mediathek-Fotografie der DDB Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen auf dem Weg, ihre digitalisierten Kunst- und Kulturgüter in das nationale Portal einzubringen. Grundlage für die Interoperabilität von Datenbeständen und für deren Nachnutzung in Fachportalen oder virtuellen Forschungsumgebungen ist die Verständigung auf das standardisierte, auch in den DFG-Praxisregeln »Digitalisierung« geforderte Metadatenaustauschformat LIDO.
Von gleicher Bedeutung ist die Verständigung auf ein Speicherformat für die digitalisierten Objekte selbst, im Bildbereich üblicherweise TIF unkomprimiert. Während die reine Speicherung digitaler Objekte angesichts sinkender Kosten für Speichermedien heute in der Regel kein Problem mehr darstellt, gehört die digitale Langzeitarchivierung nach wie vor zu den wichtigsten, insbesondere an die Unterhaltsträger von Wissenschaftseinrichtungen zu vermittelnden Herausforderungen für die Zukunft. Die Deutsche Fotothek ist als Einrichtung der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) an das auf Basis des Digital Preservation System »Ex Libris Rosetta« im Aufbau befindliche SLUBArchiv angebunden, das aktuelle Konzepte und Kriterien für die digitale Langzeitarchivierung berücksichtigt. Dies umfasst technische, organisatorische und bibliothekarische Maßnahmen zum langfristigen Erhalt der Korrektheit (Bitstream Preservation) und der Interpretierbarkeit (Content Preservation) digitaler Dokumente.
Die SLUB ist Mitglied im nationalen Koordinierungs- und Kompetenzgremium nestor und hat sich an einschlägigen, von der DFG geförderten Entwicklungen beteiligt. Als Archivbibliothek des Freistaates Sachsen und der Technischen Universität Dresden baut sie mit EFRE-Mitteln (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung), mit Mitteln des Freistaates Sachsen und in Kooperation mit dem Zentrum für Hochleistungsrechnen der TU Dresden derzeit ein leistungsstarkes Archivierungssystem auf, das im Rahmen des Verbundes mit den Hochschulbibliotheken allen wissenschaftlichen Bibliotheken im Freistaat Sachsen zur Verfügung stehen wird. Für die Bibliothekslandschaft in Sachsen zeichnet sich damit eine praktikable und zuverlässige Lösung ab. Auch in anderen Bundesländern sind vergleichbare Initiativen von Staatsbibliotheken oder Staatsarchiven zu verzeichnen; nicht zuletzt bieten auch die Max-Planck-Gesellschaft für ihre Mitglieder oder das Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften entsprechende Dienste an. Ob bzw. zu welchen Konditionen diese Services angesichts der erheblichen Kosten auch kleineren, beispielsweise kommunalen Einrichtungen zur Verfügung stehen werden, gehört jedoch nach wie vor zu den offenen Fragen.
Als Bildfundus für die Wissenschaft kann das Archiv der Fotografen vielfältige Forschungsinteressen aus den Bereichen Alltags-, Architektur-, Kunst-, Sozial- oder Technikgeschichte, Ethnologie oder Archäologie bedienen und einen wesentlichen Beitrag sowohl zur text- und bildbasierten Forschung und Lehre als auch zu den methoden- und technikorientierten Digital Humanities leisten. Das Archiv der Fotografen in der Deutschen Fotothek möge die Unterhaltsträger öffentlicher Einrichtungen als ein Beispiel guter Praxis dazu animieren, in Deutschland flächendeckend gleichermaßen in den Erhalt analoger Fotografie und in den Ausbau digitaler Infrastrukturen zu investieren, insbesondere in die digitale Langzeitarchivierung. Nur durch die Gewährleistung der strukturellen Grundvoraussetzungen lässt sich das wachsende Bedürfnis – nicht nur der Visual History – nach Bildmaterial effektiv, komfortabel und vor allem nachhaltig erfüllen.
Anmerkungen:
[2] Vgl. <http://www.deutschefotothek.de/cms/adf.xml>.
[3] Vgl. Jens Bove/Sebastian Lux, Zukunft für Fotografenarchive. Das Archiv der Fotografen in der Deutschen Fotothek, in: Christiane E. Fricke (Hg.), Der Gang der Dinge. Welche Zukunft haben photographische Archive und Nachlässe?, Oldenburg 2014, S. 15-23.
[4] <http://www.deutschefotothek.de/documents/kue/70915002>, <http://www.deutschefotothek.de/documents/kue/70915000>, <http://www.deutschefotothek.de/documents/kue/70915001>.
[5] Vgl. z.B. Wolfgang Hesse (Hg.), Die Eroberung der beobachtenden Maschinen. Zur Arbeiterfotografie der Weimarer Republik, Leipzig 2012; ders. (Hg.), Das Auge des Arbeiters. Arbeiterfotografie und Kunst um 1930 (Ausstellungskatalog), Leipzig 2014.
[6] Die Ausstellung wanderte von Zwickau (Kunstsammlungen, 23.5. bis 3.8.2014) über Köln (Käthe Kollwitz Museum, 14.8. bis 12.10.2014) nach Dresden (Stadtmuseum, 22.3. bis 28.6.2015).
[7] Z.B. Mathias Bertram/Jens Bove (Hg. im Auftrag der Deutschen Fotothek), Fritz Eschen. Berlin unterm Notdach. Fotografien 1945–1955, Leipzig 2010; dies. (Hg. im Auftrag der Deutschen Fotothek), Fritz Eschen. Köpfe des Jahrhunderts. Fotografien 1930–1964, Leipzig 2011; Mathias Bertram/Mark Lehmstedt (Hg. im Auftrag der Deutschen Fotothek), Roger & Renate Rössing. Leipziger Impressionen. Fotografien 1946–1989, Leipzig 2013; Jens Bove (Hg. im Auftrag der Deutschen Fotothek), Walter Hahn. Über den Dächern von Dresden. Luftbildfotografien 1919–1943, Leipzig 2008; ders. (Hg. im Auftrag der Deutschen Fotothek), Walter Hahn. Die Sächsische Schweiz. Fotografien 1911–1938, Leipzig 2009; ders. (Hg.), Eugen Nosko. Industriefotografie 1972–1983, Dresden 2010.
[8] Ulrike Keppler-Sieber/Jens Bove, Bilder des Fremden. Fotografien von Oswald Lübeck, Franz Grasser und Hans Schomburgk, in: Bertram Kaschek (Hg.), Bilder machen. Fotografie als Praxis (Ausstellungskatalog), Dresden 2010, S. 69-82; Karolin Schmahl, Sport frei? Sport zwischen Freiheit und ideologischer Überformung, in: Jürgen Müller/Felicitas Rhan/Josefine Kroll (Hg.), SportBilder. Fotografien der Bewegung (Ausstellungskatalog), Dresden 2014, S. 78-89.
[9] Die Ausstellung »1945 – Köln und Dresden. Fotografien von Hermann Claasen und Richard Peter sen.« wurde anschließend im Stadtmuseum Dresden gezeigt. Begleitpublikation: LVR-LandesMuseum Bonn/Deutsche Fotothek (Hg.), Aus den Archiven I. 1945 – Köln und Dresden. Fotografien von Hermann Claasen und Richard Peter sen., Bonn 2015.