»Dr. Jekyll und Mr. Hyde«?

Robert Jay Liftons Psychohistorie »Ärzte im Dritten Reich« (1986/88)

Anmerkungen

Robert Jay Lifton, The Nazi Doctors.
Medical Killing and the Psychology of Genocide, New York: Basic Books 1986;
dt.: Ärzte im Dritten Reich. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Annegrete Lösch, Sebastian Fetscher und Matthias K. Scheer, Stuttgart: Klett-Cotta 1988, 2. Aufl. 1996.
Die Zitate im Text folgen der deutschen Ausgabe.

Bereits während des Zweiten Weltkrieges erstellten Psychiater im Auftrag des amerikanischen Nachrichtendienstes OSS Ferndiagnosen zu Adolf Hitlers Persönlichkeit. Mit dem Sieg über Deutschland und der Gefangennahme seiner Führungsriege eröffnete sich Medizinern nach 1945 die für sie faszinierende Möglichkeit, die Initiatoren der Judenverfolgung wie Hermann Göring aus nächster Nähe zu studieren. Im Zentrum diverser Untersuchungen im Zellentrakt des Nürnberger Justizpalasts stand dabei die Frage, ob sich die Verantwortlichen für den Tod von Millionen Menschen durch eine abnorme Psyche auszeichneten.

Vier Dekaden später erschien mit Robert Jay Liftons Monographie »The Nazi Doctors« 1986 eine international vielbeachtete Studie, die die Frage nach den mentalen Dispositionen von Ärzten, die in nationalsozialistischen Vernichtungsstätten Verbrechen begangen hatten, entschieden ins Zentrum rückte. Lifton, 1926 in New York geboren, hatte in den 1950er-Jahren als Nervenarzt für die United States Air Force in Japan und Korea gearbeitet. Seitdem widmete er sich dem Thema Genozid und studierte den Umgang von Überlebenden mit erlittenen Kriegsgräueln. Dieses Mal fokussierte Lifton allerdings auf die Gewalttäter. Dazu nutzte er Methoden der Psychohistorie, deren Möglichkeiten und Grenzen Historiker/innen in der Bundesrepublik seinerzeit kontrovers diskutierten.1

Hier musste Liftons Publikation, die 1988 unter dem Titel »Ärzte im Dritten Reich« in deutscher Übersetzung erschien, aber auch noch mit weiteren Vorbehalten rechnen, denn Teile der Gesellschaft versuchten nach wie vor, die NS-Vergangenheit zu tabuisieren. So sperrte sich die Bundesärztekammer hartnäckig gegen einen Diskurs über die Verbrechen ihrer Profession nach 1933, und einzelnen Historiker/innen, die die nationalsozialistische Rassenhygiene erforschen wollten, wurden Steine in den Weg gelegt.2 Gleichzeitig war das »Dritte Reich« aufgrund von Gedenktagen (30. Januar 1983, 8. Mai 1985, 9. November 1988), im Kontext der »Wiedergutmachung« für »vergessene« Opfer und wegen des »Historikerstreits« so präsent wie nie zuvor. 1979 hatte zudem die TV-Serie »Holocaust« die Bundesbürger/innen mit der Vernichtung der europäischen Juden konfrontiert und viele emotionalisiert.3

Lifton ließ sich von möglichen Widerständen keineswegs beirren. Seit Ende der 1970er-Jahre war er zu Opfern und Tätern der NS-Medizin gereist, um mit ihnen Interviews zu führen; diese Methode hatte der Psychiater schon in seinen Studien über Hiroshima und Vietnam angewandt.4 Schließlich legte er ein voluminöses Manuskript mit drei Hauptkapiteln vor: Der ereignishistorische erste Teil thematisierte die Genese von Zwangssterilisation und Krankenmord, wobei der Autor Exekutoren der »Euthanasie« zu Wort kommen ließ. Ihm zufolge stellten diese Massenverbrechen bedeutende Meilensteine auf dem Weg einer sich radikalisierenden Gewalt dar, die in den Holocaust mündete. Der zweite Teil fokussierte auf Auschwitz und schilderte aus Sicht von Tätern und Überlebenden Formen und Abläufe des »medikalisierten« Mordens zum vermeintlichen Wohl des »Volkskörpers«. Außerdem führte Lifton bereits an dieser Stelle psychologische Konzepte ein, die er im dritten Teil als Funktionsmechanismen einer »Psychologie des Genozids« ausführlich diskutierte, um die »Teilhabe der Ärzte am Bösen« (S. 490) zu erklären.

»Ärzte im Dritten Reich« ist bis heute eine bemerkenswerte Studie. Verantwortlich dafür ist erstens die Materialgrundlage des Buches: Um zu erfahren, wie aus »Heilern« »Mörder« wurden, hatte Lifton getan, was vor ihm noch kein deutscher Historiker bzw. keine deutsche Historikerin versucht hatte: persönliche Interviews zu führen mit 28 Ärzten, die am Krankenmord, dem Holocaust oder tödlichen Humanexperimenten in Auschwitz beteiligt gewesen waren. Dabei war ihm Ende der 1970er-Jahre Paul Matussek behilflich. In einem Schreiben, das der Leiter der Forschungsstelle für Psychopathologie und Psychotherapie in der Max-Planck-Gesellschaft in München an jene Ärzte ver­schickte, die Lifton ausfindig gemacht hatte, stellte Matussek ihn als Gastwissenschaftler vor, der eine Untersuchung über »Belastungen und Konflikte« deutscher Mediziner während der NS-Zeit durchführe und die Namen seiner Interviewpartner anonymisiere. Daraufhin erklärte sich die Mehrheit bereit, mit Lifton zu sprechen – obwohl dies für manche riskant war: Zwei Mediziner standen wegen ihrer NS-Verbrechen damals vor Gericht, ein anderer hatte gerade erst eine Haftstrafe verbüßt. Infolgedessen äußerten sich nicht alle Befragten explizit über ihre Beteiligung an Mordaktionen im »Osten«. Dass sie grundsätzlich zustimmten, einem Unbekannten über ihre Zeit im Vernichtungslager Auskunft zu geben, führte Lifton auf die Loyalität gegenüber einem ausländischen Kollegen zurück sowie auf den Wunsch, in einem fortgeschrittenen Alter über die eigenen Taten Rechenschaft abzulegen.

Diese Interviews bildeten die Basis für eine verstörende Dokumentation. Wer Liftons Buch las, sah sich mit den Aussagen von Massenmördern konfrontiert, die der Psychiater wörtlich wiedergab und analysierte. So wundert es kaum, dass Holocaustforscher nach Veröffentlichung des Werkes immer wieder auf diese außergewöhnlichen Selbstzeugnisse zurückgriffen. Harald Welzer beispielsweise zitierte 1993 aus Liftons Studie eine Aussage des Arztes Ernst B., um den Wunsch der NS-Täter nach einer »sachgerechten Durchführung des Massenmordes« zu belegen.5 Ernst B. hatte sich bei Lifton über »Probleme« im Vernichtungslager ausgelassen: »Was ist besser, die Mütter nachher nochmal abzuselektieren von den Kindern, oder die Mütter mit den Kindern in das Gas gehen zu lassen. Verstehen Sie?« (S. 206)

Ein zweites besonderes Merkmal offenbart sich erst in der Rückschau. Denn mit Blick auf die deutsche Forschung zur NS-Medizin zeigt sich, dass Liftons Werk den bis dahin profundesten Versuch einer Interpretation der »Nazi-Ärzte« im Sinne dessen darstellte, was man heute »Neuere Täterforschung« nennt.6 Tatsächlich interessierte sich die Zeitgeschichtsforschung Mitte der 1980er-Jahre noch kaum für die Akteure des »medizinischen« Tötens. Forschungsleitende sozial-, struktur- und ideengeschichtliche Perspektiven versperrten die Sicht auf den individuellen Gewalttäter, und auch in den Reihen jener Ärzt/innen und Historiker/innen um Gerhard Baader, die sich seit Anfang der 1980er-Jahre der NS-Medizin widmeten, dominierte die Frage nach den Implikationen des »Dritten Reiches« für die aktuelle Medizin.7 Mit »Ärzte im Dritten Reich« legte Lifton die erste Monographie in Westdeutschland vor, die ein komplexes Modell präsentierte, um die mörderischen Handlungen von NS-Medizinern als Gruppe zu erklären.8 Zwar hatte bereits 1985 der Medizinhistoriker Fridolf Kudlien den Sammelband »Ärzte im Nationalsozialismus« veröffentlicht. Hierbei handelte es sich jedoch um eine Ereignis- und Institutionengeschichte; die Beweggründe für konkrete Gewalthandlungen von Ärzten standen nicht im Zentrum.9

Drittens fiel das Erklärungsangebot von Liftons Studie umfassender aus, als es ihre Rezipient/innen seinerzeit wahrnahmen. Die damalige Diskussion über »Ärzte im Dritten Reich« beschränkte sich weitgehend auf zwei Aspekte: die »Heilen-Töten-Paradoxie«, eine Denkfigur, wonach Mediziner annahmen, bestimmte Gruppen wie Juden, »Zigeuner« und chronisch Kranke töten zu müssen, um den »Volkskörper« zu heilen;10 sowie das Prinzip der »Dopplung«. Dieses postulierte die Teilung des Arztes in zwei unabhängig voneinander funktionierende psychische Entitäten, die das Morden erleichtert habe. Damit waren die Interpretationsangebote des Buches jedoch mitnichten erschöpft. Tatsächlich finden sich in der Arbeit Forschungsperspektiven, die Wissenschaftler/innen nach Lifton ins Zentrum eigener Überlegungen stellten. So diskutierte der Psychiater die Rolle von »Routinen«, »Bürokratie« und »Arbeitsteilung« für den Vernichtungsprozess – Aspekte, die Zygmunt Bauman 1989 in »Modernity and the Holocaust« hervorhob.11 Mit »Experten« der NS-Zeit setzten sich etwa 1991 Götz Aly und Susanne Heim in »Vordenker der Vernichtung« auseinander.12 Die Wirkmacht von Gruppendynamiken – Lifton hatte sie in Gestalt von Initiationsriten in Auschwitz thematisiert – untersuchte 1992 Christopher Browning in seiner Studie »Ordinary Men«.13 Überdies entwickelte Lifton eine frühe Vorstellung davon, was heute – auch kritisch diskutiert – unter dem Begriff »Gewalträume« firmiert.14 Er beobachtete, dass NS-Verfolgte im Konzentrations- und Vernichtungslager schon aufgrund ihrer »Umgebung« (S. 277) Gewalt gegen Mitgefangene ausgeübt hätten. Und schließlich weist die Zusammenführung der Stimmen von Peinigern und Opfern auf Saul Friedländers Konzept einer »integrierten Geschichte« des Holocaust voraus.15

Mit Blick auf diese Entwicklungen lässt sich die Relevanz von Liftons Untersuchung für die nachfolgende Gewalt- und Täterforschung kaum bestreiten. Doch selbst heute lohnt sich die Lektüre der Studie. Dadurch, dass sie eine wahre Fundgrube an einprägsamen Interpretamenten bereitstellt (»Heilen-Töten-Paradoxie«, »faustischer Pakt«, »Dopplung«), lädt sie geradewegs dazu ein, über die Herkunft und gesellschaftliche Funktion solcher Sprachbilder nachzudenken – und über deren Grenzen.16 Unweigerlich richtet sich dabei der Blick auf die Gegenwart. Denn mindestens eines dieser Bilder kursiert noch immer in Wissenschaft und breiterer Öffentlichkeit: Gemeint ist die bereits erwähnte »Dopplung«. »Der Nazi-Arzt«, erläuterte Lifton, »brauchte sein Auschwitz-Selbst, um in einer Umgebung funktionieren zu können, die seinen vormaligen ethischen Maßstäben so zuwiderlief. Zur gleichen Zeit bedurfte er aber seines früheren Selbst, um sich weiterhin als humanen Arzt, Ehemann und Vater ansehen zu können.« (S. 492)

Dieses »Dr. Jekyll und Mr. Hyde«-Motiv erfährt in der zeithistorischen Forschung und der Geschichtskultur unterschiedliche Bewertungen. Bis vor wenigen Jahren attestierten Historiker/innen Liftons »Dopplung«, ebenso wie es Expert/innen für die NS-Gesundheitspolitik kurz nach der Veröffentlichung von »Ärzte im Dritten Reich« getan hatten, durchaus Erklärungspotential.17 Inzwischen jedoch stellt die Täterforschung Liftons dichotom angelegtes Interpretament infrage.18 Anstatt voneinander getrennte Entitäten (»Auschwitz-Selbst« versus »Selbst«; »dienstlich« versus »privat«) zu konstatieren, wird auf Interdependenzen und deren Implikationen fokussiert. Dahinter steht die Annahme – um es mit den Worten Zygmunt Baumans auszudrücken –, dass in einer auf dem »Treibsand der Kontingenz« gebauten, »flüchtigen« Moderne historiographische Schwarz-Weiß-Zeichnungen den komplexen historischen Vorgängen nicht gerecht werden können.19

Ganz anders greift die außerwissenschaftliche Geschichtskultur die »Dopplung« auf: Im Gegensatz zu zeithistorischen Anstrengungen, Liftons Ansatz zu überwinden, hat erst kürzlich eine TV-Produktion seine Vorstellung von einer gespaltenen Täterpsyche fortgeschrieben. Aufmerksamen Zuschauer/innen begegnete diese Denkfigur Anfang 2019 in der zweiten Staffel der ARD-Erfolgsserie »Charité«, die Geschichten über die Berliner Klinik und ihre Ärzte wie Max de Crinis und Ferdinand Sauerbruch in der NS-Zeit erzählt.20 An zwei Stellen der Produktion, die holzschnittartig NS-Mediziner und Widerständler gegenüberstellt, findet das »Dr. Jekyll und Mr. Hyde«-Bild Anwendung: Zum einen kontrastiert Sauerbruch den Verweis seines Kollegen Adolphe Jung auf die »Aktion Gnadentod« während eines Mittagessens in seiner Villa mit klassischer Musik. Nachdem der berühmte Chirurg Johann Sebastian Bachs »Aria« (»Air«) der Orchestersuite Nr. 3 in D-Dur aus dem Grammophon hat erklingen lassen, fragt er Jung: »Ein Volk, das solche Musik hervorbringt, kann nicht ganz verloren sein, oder?« Zum anderen spiegelt das Verhalten des (fiktiven) Kinderarztes Artur Waldhausen geradezu mustergültig Liftons »Dopplung«. Während der Arzt tagsüber in der Berliner Nervenklinik Wiesengrund tödliche Tuberkulose-Experimente an Kleinkindern durchführt, kümmert er sich abends liebevoll um sein Neugeborenes, das ausgerechnet einen Hydrocephalus entwickelt – und somit selbst ein potentielles Opfer der »Kindereuthanasie« darstellt. In einer Begleitbroschüre der Universitätsmedizin Berlin wird deren Vorstandsvorsitzender Karl Max Einhäupl mit dem Satz zitiert, die Serie »Charité« führe vor Augen, wie Mediziner/innen, die den Hippokratischen Eid geschworen hatten, »unter Bedingungen des Rassenwahns und der Diktatur entgleisen können«.21 Wenngleich an dieser Stelle nicht direkt auf die »Dopplung« rekurriert wird, so zeigt sich hier wiederum die Vorstellung, dass extrinsische Faktoren das Handeln der Ärzt/innen maßgeblich beeinflusst hätten. Unklar bleibt, wie es im Nationalsozialismus zu den »Bedingungen« des angeblichen »Entgleisens« kam – ein Sprachbild, das im Kontext des Holocaust zudem sehr ambivalente Assoziationen auslöst.

Wie notwendig eine kritische Auseinandersetzung mit etablierten Deutungen der frühen Medizintäterforschung sein kann bzw. wie problematisch ihre heutige Verwendung ist, belegt die Entstehungsgeschichte der »Dopplung«. Denn ihren Ausgang nahm die faustische »Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust«-Vorstellung während der Nürnberger Prozesse, wo es die Angeklagten waren, die während der Haft von einer gespaltenen Persönlichkeit berichteten. So erklärte der ehemalige Generalgouverneur Hans Frank seinem Gefängnispsychologen, er habe im »Dritten Reich« zwei Persönlichkeiten entwickelt: »Ich, ich selbst, Frank hier – und der andere Frank, der Nazi-Leiter.«22 Durch Lifton erfuhr dieses ausgerechnet von den Delinquenten entwickelte Täterbild Jahrzehnte später neuen Auftrieb.23 Zwar basierte es nun nicht auf deren Aussagen, sondern auf Beobachtungen von Holocaust-Überlebenden, die die Ärzte in Auschwitz als »schizoid« (S. 244) bezeichnet hatten. Das Prinzip der »Dopplung« legten die Überlebenden dem Psychiater, der ihre Aussagen nicht hinterfragte, gleichsam in den Mund. Nicht weniger problematisch war, dass Lifton die »Dopplung« als ein Phänomen in »Extremsituationen« (S. XV) kommunizierte, wodurch sie ein nicht unbeträchtliches Exkulpationspotential besaß.24 Er postulierte, dass die Handelnden zunächst gar nicht wollten, was sie taten: »Die Nazi-Ärzte lebten in einem psychologischen Klima, das wie in jeder anderen Grausamkeit erzeugenden Konstellation fast mit Gewißheit dafür sorgte, daß sie sich für das Böse entschieden: Sie wurden, mit anderen Worten, zum Morden getrieben.« (S. 503)

Vielleicht ist es noch zu früh, um die bemerkenswerte Persistenz des »Dr. Jekyll und Mr. Hyde«-Täterbildes im 21. Jahrhundert und seine gesellschaftliche Funktion auszudeuten. Während es in der unmittelbaren Nachkriegszeit angeklagten Funktionseliten helfen sollte, Strafmilderung zu erlangen, wurde es während der Entstehungszeit des Buches »Ärzte im Dritten Reich« von Opfern des NS-Terrors artikuliert, um die Verbrechen von Ärzten zu verstehen – auch aus Mangel an wissenschaftlichen Analysen. Zu erklären bleibt, weshalb der »Dopplung« auch heute noch von bestimmten Gruppen Plausibilität zugesprochen wird, wenn es darum geht, die Genese von Gewalt zu entschlüsseln. Dass hierfür nicht allein die Logiken des Geschichtsfernsehens ursächlich sind, legen entsprechende Äußerungen jenseits seiner Formate nahe.


Anmerkungen:

1 Siehe Dirk Blasius, Psychohistorie und Sozialgeschichte, in: Archiv für Sozialgeschichte 17 (1977), S. 383-403.

2 Siehe Monika Daum/Hans-Ulrich Deppe, Zwangssterilisation in Frankfurt am Main 1933–1945, Frankfurt a.M. 1991, S. 11-13.

3 Siehe Frank Bösch, Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann, München 2019, S. 363-395.

4 Robert Jay Lifton, Death in Life. Survivors of Hiroshima, New York 1967; ders., Home from the War. Vietnam Veterans – Neither Victims nor Executioners, New York 1973.

5 Harald Welzer, Männer der Praxis. Zur Sozialpsychologie des Verwaltungsmassenmordes, in: ders. (Hg.), Nationalsozialismus und Moderne, Tübingen 1993, S. 105-127, hier S. 117.

6 Als Überblick siehe Frank Bajohr, Neuere Täterforschung, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 18.6.2013.

7 Siehe Gerhard Baader/Ulrich Schultz (Hg.), Medizin und Nationalsozialismus. Tabuisierte Vergangenheit – ungebrochene Tradition?, Berlin 1980.

8 Einen solchen Ansatz hatten bis dahin allein Mitscherlich und Mielke vorgelegt, die die Verbrechen von Medizinern aufgrund einer »Personalunion von Arzt, Forscher und Soldat« interpretiert hatten. Siehe Alexander Mitscherlich/Fred Mielke, Wissenschaft ohne Menschlichkeit. Medizinische und eugenische Irrwege unter Diktatur, Bürokratie und Krieg, Heidelberg 1949, S. 299. Vgl. dazu auch Tobias Freimüller, Wie eine Flaschenpost. Alexander Mitscherlichs Dokumentation des Nürnberger Ärzteprozesses, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010), S. 145-151.

9 Fridolf Kudlien, Ärzte im Nationalsozialismus, unter Mitarbeit von G. Baader, M. Gaspar, A. Haug, M.H. Kater, W.F. Kümmel, G. Lilienthal, K.-H. Roth, R. Winau, Köln 1985.

10 Den möglichen Zusammenhang zwischen Heilen und Töten hatten bereits zuvor Vertreter anderer Wissenschaftsdisziplinen herausgestellt, beispielsweise eine Projektgruppe am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen im Rahmen ihrer Ausstellung »Volk und Gesundheit. Heilen und Vernichten im Nationalsozialismus« 1982 (mit Begleitband unter demselben Titel).

11 Siehe dazu Thomas Etzemüller, Ambivalente Metaphorik. Ein kritischer Rückblick auf Zygmunt Baumans »Dialektik der Ordnung« (1989), in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 14 (2017), S. 177-183.

12 Dazu Tatjana Tönsmeyer, Deutsche Experten und der Holocaust. Ein Versuch zur historisch-rationalen Erklärung des Nationalsozialismus, in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen 2007, S. 213-216.

14 Siehe etwa Jörg Baberowski, Einleitung: Ermöglichungsräume exzessiver Gewalt, in: ders./Gabriele Metzler (Hg.), Gewalträume. Soziale Ordnungen im Ausnahmezustand, Frankfurt a.M. 2012, S. 7-27.

15 Saul Friedländer, Den Holocaust beschreiben. Auf dem Weg zu einer integrierten Geschichte, Göttingen 2007.

16 Gerade in letzter Zeit sind Studien erschienen, die die Prägekraft von Narrativen verfolgen. Siehe Anselm Doering-Manteuffel, Deutschlands 20. Jahrhundert im Wandel zeithistorischer Narrative, in: Historische Zeitschrift 306 (2018), S. 97-120. Daneben fragen Norbert Frei und andere nach Persistenzen im affinen Bereich der »Parolen«: Norbert Frei/Franka Maubach/Christina Morina/Maik Tändler, Zur rechten Zeit. Wider die Rückkehr des Nationalismus, Berlin 2019.

17 Siehe zur frühen Rezeption: Hans-Walter Schmuhl, Die Selbstverständlichkeit des Tötens. Psychiater im Nationalsozialismus, in: Geschichte und Gesellschaft 16 (1990), S. 411-439, hier S. 418; Christian Pross, Liftons große Beichte der Nazi-Ärzte, in: Wolfgang Ayaß u.a., Feinderklärung und Prävention. Kriminalbiologie, Zigeunerforschung und Asozialenpolitik, Berlin 1988, S. 188-193, hier S. 190. Zum neueren Umgang mit der »Dopplung«: Jacques Sémelin, Säubern und Vernichten. Die Politik der Massaker und Völkermorde. Aus dem Französischen von Thomas Laugstien, Hamburg 2007, S. 309f.; Stefan Kühl, Ganz normale Organisationen. Zur Soziologie des Holocaust, Berlin 2014, S. 297f.

18 Siehe Anna-Raphaela Schmitz, »Meine Familie hatte es gut in Auschwitz«. Das Leben der Lager-SS in Auschwitz-Birkenau nach Dienstschluss, in: S:I.M.O.N. – Shoah: Intervention. Methods. Documentation 5 (2018) H. 2, S. 26-38. Die Studie durchbricht den Gegensatz von Dienst- und Privatleben der Akteure.

19 Zygmunt Bauman, Flüchtige Zeiten. Leben in der Ungewissheit. Aus dem Englischen von Richard Barth, Hamburg 2008, S. 7, S. 88; siehe ferner Katharina Trittel, Hermann Rein und die Flugmedizin. Erkenntnis­streben und Entgrenzung, Paderborn 2018, S. 13.

21 Charité – Universitätsmedizin Berlin, Geschäftsbereich Unternehmenskommunikation, Medizin in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Charité stellt sich ihrer historischen Verantwortung, Berlin 2019, S. 7.

22 Gustave Mark Gilbert, Nürnberger Tagebuch, Frankfurt a.M. 1962, S. 118. Das Buch erschien 2014 in 15. Auflage, war und ist also über Jahrzehnte hinweg einflussreich.

23 Die vierteilige »Spiegel«-Serie »Die Mörder sind noch unter uns« verbreitete als Vorabdruck im Juni/Juli 1988 die Ergebnisse von Liftons Studie, ebenso wie später (2009) der Dokumentarfilm »Wenn Ärzte töten« mit dem bezeichnenden Untertitel »Über Wahn und Ethik in der Medizin«.

24 Siehe dazu Darjosh Sedghi, Dopplung als Leugnung. Zur Theorie von Robert J. Lifton, in: Welzer, Nationalsozialismus und Moderne (Anm. 5), S. 184-207.

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