Längst beerdigt und doch quicklebendig

Zur widersprüchlichen Geschichte der »autogerechten Stadt«

  1. Utopie im Wartestand:
    Die »autogerechte Stadt« im Berlin der 1920er-Jahre
  2. Städtische Entwicklungspfade im Wiederaufbau und die
    »autogerechte Stadt« des Hans Bernhard Reichow (1959)
  3. Die »autogerechte Stadt« im Sozialismus?
  4. Automobilität – Exerzierfeld einer »kapsulären« Gesellschaft
  5. Fazit

Anmerkungen

Das Automobil steht gegenwärtig wieder einmal im Brennpunkt breiter gesellschaftlicher Debatten um Themen wie Elektromobilität, Car-Sharing, »autonomes Fahren« und verwandte Fragen. Darin kommt ein tiefer Umbruch der automobilen Kultur zum Ausdruck. Wie Konflikte um Fahrverbote in den Innenstädten, den Abriss automobiler Infrastrukturen oder die Erweiterung autofreier Zonen zeigen, erfasst dieser Umbruch auch und gerade die (großen) Städte. Vor dem Hintergrund eines sich andeutenden Abschieds von der Automobilität der Hochmoderne in den metropolitanen Räumen Europas und Nordamerikas[1] gewinnt auch die retrospektive Reflexion über Entwicklungslinien und Wendepunkte der Raumentwicklung im Zeichen des Automobils in »seinem« 20. Jahrhundert stark an Interesse.[2] Dies gilt umso mehr, als der epochemachende Leitbegriff der »autogerechten Stadt« die Genese und die Probleme städtischer Automobilität mehr verdeckt als freilegt.

Das Ziel des vorliegenden Essays ist es, im Dickicht der zahlreichen, disziplinär gebundenen Forschungsdiskurse rund um das Automobil[3] zum einen den historischen Ort, das Profil und die Reichweite der schillernden Chiffre »autogerechte Stadt« präziser zu bestimmen, und zwar unter Einschluss der sozialistischen Variante. Zum anderen soll eine kulturhistorisch basierte Erklärung des gegenwärtigen Umbruchs städtischer Automobilität in längerfristigen Entwicklungslinien zur Diskussion gestellt werden. Im Rahmen eines solchen Zugriffs – einerseits empirisch interessiert, andererseits theorieorientiert – werden auch einige neuere Forschungskontroversen angesprochen, wie diejenige um die »Amerikanisierung« der Stadtplanung in Deutschland nach 1945,[4] die Frage nach disziplinären und institutionellen Akteure und Frontstellungen im Streit um die »autogerechte Stadt« bzw. den Automobil-orientierten Stadtumbau sowie die Debatte zum scheinbaren Widerspruch zwischen dem Auto und dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

1. Utopie im Wartestand:
Die »autogerechte Stadt« im Berlin der 1920er-Jahre

Im Oktober 1926 wurden fast gleichzeitig zwei später berühmt gewordene Stadträte in den Magistrat von Berlin gewählt, die scheinbar konkurrierende Visionen urbaner Mobilitätspolitik vertraten: Martin Wagner, Städtebauer und Stadtrat für Hochbau und Stadtplanung, focht für einen Automobil-orientierten Stadtumbau, während Ernst Reuter, zunächst Verkehrspolitiker und nach 1945 Regierender Bürgermeister von Berlin,[5] als Protagonist des kommunalen öffentlichen Personennahverkehrs auftrat. Doch die Konfliktlinien verliefen nicht vorrangig zwischen diesen beiden klassischen Polen städtischer Mobilitätspolitik.

Der von Reuter repräsentierte ÖPNV in Gestalt des zwischen 1926 und 1928 begründeten städtischen Riesenunternehmens Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), das später den Umbau Berlins zur »autogerechten Stadt« flankierte und förderte, war die Realität gewordene munizipalsozialistische Utopie des späten 19. Jahrhunderts auf dem historischen Scheitelpunkt ihrer Macht.[6] Vor allem der 1927 eingeführte Einheitstarif von 20 Pfennig mit Umsteigeberechtigung zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln war ein Symbol der hegemonial gewordenen Leitvorstellung einer kommunalsozialen Mobilitätspolitik.[7] Die ehedem erbitterten verkehrspolitischen Gegner der Vorkriegszeit, von den sozialdemokratischen Politikern über die ersten Verkehrs-Fachplaner bis zu den Lobbyisten der großen, früher privaten Verkehrsunternehmen, hatten sich faktisch zu einer Weimarer Koalition im kommunalen Verkehrswesen zusammengeschlossen und trafen sich in den Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaft(en).[8]

Reuters Kollege Wagner konnte sich zwar für seinen sozialen Wohnungsbau auf eine ähnliche Koalition stützen[9] – für seine Zukunftsvision eines Automobil-orientierten Stadtumbaus musste er hingegen erst einmal Pilotprojekte lancieren. Vor allem der 1929 durchgeführte Wettbewerb für den Umbau des Alexanderplatzes zum Kreisverkehrsplatz sowie Wagners Polemik für den Durchbruch des traditionellen städtebaulichen Riegels an den Ministergärten der Wilhelmstraße nahe dem Brandenburger Tor zugunsten eines ungehinderten Ost-West-Autoverkehrs wirkten als Fanale.[10] Zwar blieben sie zunächst ohne größere praktische Folgen, doch wurden während der Amtszeit Wagners noch weitere vorausschauende Projekte angestoßen. So veröffentlichte die Haupttiefbauverwaltung im Dezember 1927 einen detaillierten Straßenausbauplan zugunsten des Autoverkehrs mit den Kernelementen von Ausfall- und Ringstraßen. Die durch Wagner propagierte Idee eines Netzes städtischer »Autohochbahnen« wurde 1931 von einem Planer aus seinem Umfeld zu einer Studie für den Bau von 47 km solcher Hochstraßen sowie von Rampen zur Auffahrt mit einer Länge von ca. 6 km verdichtet.[11]

Martin Wagners Generalplan für die Umgestaltung des Alexanderplatzes (1929) – mit dem Ziel, einen Kreisverkehr einzurichten(aus: Martin Wagner, Das Formproblem eines Weltstadtplatzes. Wettbewerb der Verkehrs-A.G. für die Umbauung des Alexanderplatzes, in: ders./Adolf Behne [Hg.], Das Neue Berlin. Großstadtprobleme, Berlin 1929, S. 34)
Martin Wagners Generalplan
für die Umgestaltung des Alexanderplatzes (1929) –
mit dem Ziel, einen Kreisverkehr einzurichten
(aus: Martin Wagner, Das Formproblem eines Weltstadtplatzes. Wettbewerb der Verkehrs-A.G. für die Umbauung des Alexanderplatzes, in: ders./Adolf Behne [Hg.], Das Neue Berlin. Großstadtprobleme, Berlin 1929, S. 34)

Aus einer längerfristigen historischen Perspektive verfolgte Wagner mit seiner Forderung nach einem Automobil-orientierten Stadtumbau – der »autogerechten Stadt« avant la lettre – auch insofern utopische Vorstellungen, als zu dieser Zeit erst relativ wenige PKW auf Berlins Straßen unterwegs waren.[12] Die zentrale, den Aufstieg der »autogerechten Stadt« bis heute bestimmende Konfliktpartnerschaft bestand dabei nicht zwischen Wagners Hochbaubehörde und Reuters ÖPNV, sondern zwischen den von Wagner geführten Ämtern für Stadtplanung und Hochbau auf der einen und der für die Straßenplanung und -ausführung zuständigen kommunalen Tiefbauverwaltung auf der anderen Seite.[13] Beide waren, in Berlin wie in anderen deutschen Städten, in zwei Verwaltungszweigen institutionell verfestigt und kämpften um die Führungsrolle im Städtebau. Wegen dieser Konstellation konnte Wagner auf Reuter durchaus als Bündnispartner zählen,[14] während zum städtischen Tiefbauamt personell und verwaltungspolitisch starke Konkurrenzen bestanden. Es waren solche administrativen Frontstellungen, disziplinären Kämpfe und die mit ihnen verbundenen Ordnungsideen, die den Aufstieg der städtischen Automobilitätspolitik prägten.[15]

Während diese Frontstellungen und Ordnungsideen in den Folgejahren über die Zeit des Nationalsozialismus hinweg bis in die Bundesrepublik fortbestanden – und tendenziell bis heute fortbestehen –, stagnierten die genannten Konzepte zum Stadtumbau nach 1933 weitgehend. Ohne hier im Einzelnen auf die Entwicklung von Automobilität und Straßenbau im Nationalsozialismus eingehen zu können, bleibt jedoch die Wirkung des Autobahnbaus in die Städte hinein festzuhalten: Die großen Ausfallstraßen von den Innenstädten zu den neu errichteten Autobahnen wurden dominante, teilweise auch tatsächlich gebaute Achsen der Stadtplanung.[16]

2. Städtische Entwicklungspfade im Wiederaufbau und die »autogerechte Stadt« des Hans Bernhard Reichow (1959)

Für die Bewertung des nach 1945 eingeschlagenen Wegs von der Utopie des Leitbilds »autogerechte Stadt« zu dessen Vollzug als Automobil-orientierter Stadtumbau ist die Grundfrage der Raumbezüge von kaum zu überschätzender Bedeutung: Insbesondere die europäischen Alt- bzw. Innenstädte mit ihren engen Straßen wiesen ganz andere Voraussetzungen auf als die amerikanischen Städte, aber auch als der suburbane Raum beiderseits des Atlantiks.[17] Während das Leitbild in den Neubauquartieren der suburbanen Stadterweiterungsgebiete praktisch uneingeschränkt umgesetzt werden konnte, dominierten bei den Planungen für die Innen- bzw. Altstädte im Kontext der Neubegründung des (west)deutschen Staates lokale Konstellationen.[18] In Abhängigkeit von der Persönlichkeit des jeweiligen Stadtbaudirektors und den Diskussionen in den Stadtgesellschaften[19] kam es entweder zu stärker rekonstruktionsorientierten oder konsequent Moderne-affinen Planungen, die die Gunst der Stunde nutzten, um dem Autoverkehr Breschen zu schlagen – in den ersten Nachkriegsjahren immer noch im Zeichen des prognostischen Denkens bei zunächst weiterhin niedrigen PKW-Zahlen.[20]

Im Ergebnis hat die Forschung eine Reihe von Städten als Beispiele für den Entwicklungspfad einer Automobil-affinen Moderne identifiziert, so etwa Berlin, Köln, Dortmund, London, Sheffield. In anderen Städten, wo die Gesellschaften dem überlieferten Bauerbe einen wichtigen symbolischen Wert beimaßen, wie in Warschau, Budapest oder Nürnberg, wurde in größerem Umfang rekonstruiert. Hannover unter seinem Stadtbaudirektor Rudolf Hillebrecht wurde in der öffentlichen Diskussion zum Prototyp autogerechter Stadtstrukturen stilisiert,[21] und das schwedische Vällingby stieg um 1960 zum international ausstrahlenden Wallfahrtsort von Städtebauern, Architekten und Kommunalpolitikern auf.[22]

»Verkehr an der Leine« – SPIEGEL-Cover 23/1959
»Verkehr an der Leine« – SPIEGEL-Cover 23/1959
Ein Modellprojekt modernen Städtebaus: Zentrum von Vällingby im Nordwesten Stockholms, ca. 1950(Wikimedia Commons/Public Domain)
Ein Modellprojekt modernen Städtebaus:
Zentrum von Vällingby im Nordwesten Stockholms, ca. 1950
(Wikimedia Commons/Public Domain)
Räumlich-funktionale Gliederung im modernen Städtebau: Luftbild von Vällingby, ca. 1960(Wikimedia Commons/Public Domain)
Räumlich-funktionale Gliederung im modernen Städtebau:
Luftbild von Vällingby, ca. 1960
(Wikimedia Commons/Public Domain)

Als der Architekt und Stadtplaner Hans Bernhard Reichow[23] 1959 sein Buch mit dem epochemachenden Titel »Die autogerechte Stadt« veröffentlichte, hatten sich die Problemwahrnehmung und der Handlungsdruck in der Stadtentwicklung gegenüber der unmittelbaren Nachkriegszeit stark geändert, und zwar vor allem in zweierlei Hinsicht: Unter anderem dank intensiver Studienreisen europäischer Planer und Politiker in die USA sowie als Ergebnis gezielter Austauschprogramme anglo-amerikanischer Einrichtungen, die in den 1950er-Jahren viele hundert ausländische – vorrangig kontinentaleuropäische – Planer durchliefen,[24] war der moderne, Automobil-orientierte Städtebau als international herrschendes Leitbild etabliert. Und zweitens hatte im ersten Nachkriegsjahrzehnt die Automobilität in den Städten nun tatsächlich so stark zugenommen, »dass das Leben in westlichen Gesellschaften automobile Subjekte quasi voraussetzte«.[25] Planer wie Reichow mussten zu dieser Zeit bereits aus einer Abwehrhaltung gegen den »Verkehrstod« der Städte argumentieren.[26] Reichow prognostizierte eine globale Unausweichlichkeit des automobilen Stadtverkehrs und die existentielle Bedeutung von »Verkehrslösungen einer motorisierten Welt«.[27] Seine Position in der zeitgenössischen Debatte ist jedoch in mehrfacher Hinsicht deutlich anders zu bestimmen, als es in der bisherigen Forschung überwiegend geschieht.

Erstens: Reichow vertrat, ähnlich wie schon Wagner, dezidiert die Sicht des Städtebaus bzw. der allgemeinen Stadtplanung, die im Verlauf der 1950er-Jahre zunehmend in eine Frontstellung gegen die Verkehrsplanung sowie die an den Universitäten aufsteigende Disziplin der Verkehrsforschung geriet. Aus seiner Sicht hatte sich gerade die Verkehrsplanung, und sei der Handlungsdruck noch so groß, als sektoraler Ansatz den übergreifenden Planungen zur städtischen Flächennutzung und Raumentwicklung unterzuordnen. In diesem Sinne polemisierte Reichow als Stadtplaner explizit gegen die »städtischen Verkehrsplanungen«, die nur Stückwerk seien – es bedürfe der Einbeziehung aller verkehrserzeugenden Maßnahmen, also eben der übergreifenden Stadt- und Raumplanung.[28] In dieser Kritik kam nicht zuletzt die schwache Stellung überfachlicher, integrativer Ansätze der Stadtplanung gegenüber der geballten institutionellen Macht sektoraler Zugriffe von Ministerien, Fachplanungen, Disziplinen und (Bau-)Unternehmen zum Ausdruck.

Zweitens: Reichows organizistisches Denken, das in den Planerdiskursen der 1930er-Jahre wurzelte[29] und das er in seinem Vorgängerbuch »Organische Stadtbaukunst« von 1948 entfaltet hatte,[30] ging von ganz anderen anthropologischen und gesellschaftstheoretischen Grundvorstellungen aus als die in den zeitgenössischen Debatten sowie den ministerialen und universitären Apparaten dominierenden behavioristischen, später kybernetischen Konzepte der Verkehrs- und Verhaltenssteuerung. So bestimmte er das »natürliche Verhalten des Menschen und das Wesen des Autos« sowie einen »menschlichen Verkehrsinstinkt« als Angelpunkt seiner Überlegungen. Planerisches Leitkonzept für die Verkehrssteuerung müsse statt Vorfahrtsregeln und Verkehrsschildern eine Flächenerschließung von Räumen nach dem Prinzip der Verästelung sein, wie »etwa im Blatt- und Blutgeäder«.[31] Als Vorbild könne dabei das Straßennetz der mittelalterlichen Stadt dienen, das leider bereits im Stadtgrundriss der Renaissance und des Barock »entartet« sei.[32]

Drittens: Dieser im Grunde radikale Zugriff ließ sich konsequent nur in der Neuplanung von Stadtquartieren und Städten umsetzen, kaum jedoch in den bestehenden Innen- oder gar Altstädten. Dementsprechend konzentrierte sich Reichow in seinem Buch und in seiner praktischen Planertätigkeit auf die »neu zu gestaltende autogerechte Stadt« außerhalb der bereits bebauten Gebiete. Bezüglich der vorhandenen, umzugestaltenden Städte beschränkte er sich hingegen weitgehend darauf, einzelne Maßnahmen wie Stich- und Einbahnstraßen in Wohngebieten oder »Sammeltangenten« zu propagieren. Die als »Sammeltangenten« oder »Tangentialstraßen« bezeichneten innerstädtischen Umgehungsstraßen, wie sie zu dieser Zeit etwa in Hamburg, Kopenhagen oder New York und zahlreichen anderen Städten gebaut wurden,[33] bildeten exakt die Stein (bzw. Asphalt) gewordene Frontlinie, die die Grenze für das Vordringen des Automobil-orientierten Stadtumbaus in die Innenstädte markierte.[34] Reichows »Traumvorstellung« einer Straßenplanung aus der Perspektive des Menschen »am Volant« sowie eines »sicher Fahren[s] in dauerndem Fluß« war in den Innenstädten mit ihren »Todesfallen des Verkehrs« ohnehin kaum erreichbar.[35] Daher richtete er sein planerisches Wirken in der Folgezeit ganz auf Entwürfe für neue Stadtteile und realisierte etwa die Limesstadt im Taunus oder Bielefeld-Sennestadt. Aus der Sicht einer überfälligen kritischen Historisierung Reichows enthielt sein städtebauliches Konzept einer »organischen Moderne« (Uwe Altrock) neben aller Dominanz von Motiven einer Automobil-orientierten Planung doch wichtige Elemente einer Einhegung des Autoverkehrs in den Innenstädten, die auf spätere Konzepte des nachmodernen Städtebaus vorauswiesen.[36]

Bielefeld-Sennestadt, eine um 1960 nach Entwürfen Reichows entstandene Planstadt: Verkehrsplan mit »Farbordnung der Straßenbeleuchtung« und Grünflächen (sog. »grünes Kreuz«) (aus: Hans Bernhard Reichow, Die autogerechte Stadt. Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos, Ravensburg 1959, S. 24)
Bielefeld-Sennestadt, eine um 1960 nach Entwürfen Reichows entstandene Planstadt: Verkehrsplan mit »Farbordnung der Straßenbeleuchtung« und Grünflächen (sog. »grünes Kreuz«)
(aus: Hans Bernhard Reichow, Die autogerechte Stadt.
Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos, Ravensburg 1959, S. 24)

Viertens: Reichows Ansatz war Teil eines vielstimmigen Chors im dynamischen Wandel der Verkehrspolitik der Nachkriegszeit, der zusammen genommen eine europäische Variante des Leitbildes »autogerechte Stadt« und des Automobil-orientierten Stadtumbaus repräsentiert. Eine der transatlantischen Scheidelinien war – in der Diktion Reichows – die Abgrenzung gegenüber »amerikanischen Monster-Verkehrsknoten« mit ihren »niveaufreien Auf- und Abfahrten«. Dagegen seien Schnellstraßen mit getrennten Fahrbahnen für beide Fahrtrichtungen »richtungsweisend« für ein funktionales Stadtstraßensystem.[37] Auch der Hannoveraner Planer Hillebrecht distanzierte sich von den Ergebnissen der amerikanischen Stadtplanung, vor allem weil er und andere einen Niedergang des Central Business District der Innenstädte befürchteten.[38] Die hartnäckige Vorstellung von einer US-amerikanischen Dominanz in der Stadtplanung der Bundesrepublik und Europas während der Zeit des automobilen Take-off nach 1945 ist daher insgesamt nicht haltbar.

Weder solche Differenzierungen in den zeitgenössischen Fachdebatten noch die lokal sehr unterschiedlichen städtebaulichen Lösungen im Wiederaufbau fanden jedoch in einer breiten Öffentlichkeit Beachtung. Zu stark bestimmten die buchstäblich überwältigende Dynamik des rapide zunehmenden Autoverkehrs, die publizistische Dominanz US-amerikanischer Konzepte und der Siegeszug der Automobil-orientierten Planungen für neue Stadtgebiete die öffentliche Wahrnehmung. Teilweise wurden auch und gerade die städtischen »Freeways« nach US-Muster als Inkarnationen der »autogerechten Stadt« Reichows wahrgenommen und kritisiert. Da half es nichts, dass sein Buch in der europäischen Fachdebatte weithin auf positive Resonanz stieß und sich in einer Reihe mit ähnlichen Entwürfen europäischer Planer befand.[39] Ungeachtet Reichows späteren, geradezu verzweifelten Dementis und Verteidigungsversuchen, er habe eben nicht »autogerecht«, sondern »menschengerecht« gedacht, und sein Buch sei »viel falsch gesehen und zitiert« worden,[40] wurde er als Stichwortgeber für alle möglichen Automobil-orientierten städtebaulichen Planungen haftbar gemacht. Das von ihm geprägte Schlagwort wurde zum Signum einer Epoche.

3. Die »autogerechte Stadt« im Sozialismus?

Über die sozialistische Autokultur im Allgemeinen und die Automobilität in sozialistischen Städten im Besonderen ist, trotz einiger neuerer Untersuchungen,[41] jenseits eines überschaubaren Kreises von Verkehrs- und Mobilitätsforschern wenig bekannt. Die Wahrnehmung wird bestimmt von den Bildern einer Latecomer-Entwicklung, technologischen Rückständen und geringer Produktivität in der Automobilindustrie, verquickt mit populären Vorstellungen von langen Wartezeiten der Kunden auf das Sehnsuchtsobjekt »Auto« und einer ideologischen Präferenz der DDR für den ÖPNV. Immerhin hat die Forschung auch die Systemgrenzen überschreitende Verflechtungen und Kooperationen mit westlichen Konzernen wie VW oder Fiat zunehmend ausgeleuchtet.[42] Tatsächlich war die Entwicklung in der sieben Jahrzehnte bestehenden sozialistischen Staatenwelt und Städtelandschaft deutlich dynamischer, vielfältiger und widersprüchlicher, als die gängigen Stereotypen es vermuten lassen.

Zunächst zeigt die Diskussion um die »autogerechte Stadt« in den sozialistischen Ländern – bei spezifischen Abweichungen, nationalen Varianten und Phasenverschiebungen – deutliche Übereinstimmungen mit den Debatten in Westeuropa. Eine in manchem parallele Entwicklungslinie besteht etwa in der Faszination des frühen Stalinismus für die ersten fordistischen Konzepte zur Produktion von Autos und zum Bau von Automobil-orientierten neuen Städten. Diese Faszination zieht sich in der Sowjetunion vom Import von Fabriken und Stadtentwürfen in den frühen 1930er-Jahren aus den USA bis zu den »Autostädten« der Nachkriegszeit wie Togliatti oder Breschnews Modellstadt Naberežnye Čelny in Tatarstan.[43]

Naberežnye Čelny, Foto von 2008(Wikimedia Commons/Public Domain)
Naberežnye Čelny, Foto von 2008
(Wikimedia Commons; GNU Free Documentation License)

In der DDR wurde die Formel der »autogerechten Stadt« in den 1950er-Jahren stark als US-amerikanisches Konzept denunziert. Dies galt besonders in der Periode der »Nationalen Bautradition« (1950–1955), deren breite Magistralen vorrangig Aufmärschen dienen sollten und nicht etwa dem Autoverkehr – auch wenn sie sich später als förderlich für die erst langsam wachsende Zahl an PKWs erwiesen. Die nicht nur im Zeichen einer gedrosselten Automobilproduktion,[44] sondern auch ideologisch begründete Ablehnung manifestierte sich in den berühmten »16 Grundsätzen des Städtebaus« von 1950, dem mitunter zum Gegenstück zur »Charta von Athen« stilisierten Manifest der Stadtplanung in der DDR. In diesen Grundsätzen wurde nicht nur eine Politik der Suburbanisierung zurückgewiesen, sondern unter anderem auch die Fernhaltung des Autoverkehrs aus Wohngebieten propagiert.[45]

Mit der Entwicklung zur sozialistischen Konsumgesellschaft im Verlauf der 1960er-Jahre brachten Staat und Partei, unter Beibehaltung der verbalen Ablehnung »amerikanischer Verhältnisse«, dem massiv zunehmenden Verlangen der Bevölkerung nach PKWs verbal mehr Verständnis entgegen. Zugleich wurden »unsinnige Vorstellungen« und »unerfüllbare Forderungen« noch zurückgewiesen.[46] Um 1970 indes diskutierten Verkehrswissenschaftler wie Günter Jacob, Professor an der Hochschule für Verkehrswesen »Friedrich List« in Dresden, die Probleme und Widersprüche von »Vollmotorisierung« versus »Massenverkehr« sowie die möglichen Konsequenzen für eine Entwicklung hin zu einer »autogerechten Stadt« bereits recht nüchtern.[47] Schon früher hatten selbst die ideologischen Vorgaben aus der Sowjetunion, etwa auf der Moskauer Allunionskonferenz zu Fragen des Städtebaus 1960, signalisiert, dass es sinnvoll sei, die Lösungen der amerikanischen Verkehrsingenieure für den Stadtverkehr »auszuwerten«. Der Bau von »Stadt-Schnellstraßen« wurde durchaus wohlwollend diskutiert.[48]

Die Wirklichkeit des Verkehrsstädtebaus in der DDR sah ohnehin deutlich komplexer aus als die ideologische Programmatik. In bemerkenswerter Parallelität zu Reichow und anderen westdeutschen Planern waren es im Kern einzelne Elemente, wie das Konzept der Verkehrsführung auf mehreren Ebenen sowie die Stadtautobahnen, die mit der »autogerechten Stadt« identifiziert und als Irrweg amerikanischer Stadtplanung abgelehnt wurden. Auch bei der Entwicklung der Innenstädte distanzierten sich die sozialistischen Planer zwar von amerikanischen Entwicklungen und vertraten die Parole »Verflechtung statt Entflechtung« verschiedener Stadtfunktionen (etwa Wohnen und Gewerbe).[49] Hinter der Kulisse dieser beiden Grundpositionen der Abgrenzung gegenüber US-amerikanischen Konzepten und der Priorisierung des ÖPNV realisierte die DDR aber durchaus Kernelemente eines Automobil-orientierten Stadtumbaus, zum Beispiel mehrspurige Straßenbänder in den Innenstädten, große Untertunnelungen sowie »leistungsfähige Hochstraßen«, etwa in Dresden oder Halle-Neustadt.[50] Im Verlauf der 1960er-Jahre vollzog die sozialistische Stadtplanung dann auch einen ideologischen Schwenk von der Ablehnung zur Akzeptanz eines Automobil-orientierten Städtebaus. Als etwa die »Berliner Zeitung« im Mai 1969 den Berliner Chefarchitekten Joachim Nather für eine Reportage zum Stadtspaziergang traf, schlug dieser nicht zufällig den Tunnel an der Grunerstraße vor, den auch das Titelbild der Reportage zeigte.[51]

Die neue Hochstraße zwischen Halle und Halle-Neustadt sowie neue Verwaltungsbauten galten als Ausweis von Modernität.(Bundesarchiv, Bild 183-H1016-0208-005, Foto: Helmut Schaar, Oktober 1969)
Die neue Hochstraße zwischen Halle und Halle-Neustadt sowie neue Verwaltungsbauten galten als Ausweis von Modernität.
(Bundesarchiv, Bild 183-H1016-0208-005,
Foto: Helmut Schaar, Oktober 1969)
Leipzig, Dezember 1980: Friedrich-Engels-Platz mit Fußgängerbrücke(Bundesarchiv, Bild 183-W0512-316, Foto: Waltraud Grubitzsch [geb. Raphael])
Leipzig, Dezember 1980: Friedrich-Engels-Platz mit Fußgängerbrücke (Bundesarchiv, Bild 183-W0512-316,
Foto: Waltraud Grubitzsch [geb. Raphael])

4. Automobilität –
Exerzierfeld einer »kapsulären« Gesellschaft

Ein zentrales Argument neuerer sozial- und kulturwissenschaftlicher Analysen zur Erklärung des globalen Siegeszugs des Automobils ist, dass dieses Vehikel für seine vielen Millionen Nutzer die Alltagskomplexität im Sinne eines scheinbaren »Nutzens ohne nachzudenken« reduziert und zugleich ihren Möglichkeitsraum immens erweitert habe.[52] Diese Überlegung weitergedacht, wäre es eine zentrale Funktion des Autos, das Individuum auch vor den Zumutungen des Lebens in den öffentlichen Räumen der Moderne wenigstens zeitweise zu schützen. Historisch vollzog sich dieser Prozess des »encapsulating«, wie Gijs Mom und andere herausgearbeitet haben, mit der in der Zwischenkriegszeit realisierten Entwicklung eines geschlossenen Fahrgastraumes. Dieser leistete fortan eine Abschottung des Individuums gegenüber den Zumutungen der städtischen Moderne mit ihrer Hektik, ihrem Lärm und Schmutz (und nahm den Insassen zugleich weitgehend die Abenteuer-Erfahrung und den Flair des Draufgängertums aus den frühen Jahren).[53] In einem erweiterten Sinne verkörpert diese »Verkapselung« im Automobil modellhaft eine zentrale Raumerfahrung des modernen Individuums. Theoretiker eines postmodernen »heterotopen Urbanismus« sehen darin ein wichtiges Exerzierfeld der stark individualisierten »kapsulären Gesellschaft« der Moderne.[54]

Eine solche Einbeziehung kulturhistorischer und -soziologischer Ansätze in die Analyse ist für ein vertieftes Verständnis von Metamorphosen der »autogerechten Stadt« bis in die heutige Zeit hinein durchaus hilfreich. Weithin bekannt und im Rahmen dieses Essays nicht noch einmal eigens zu erörtern ist der Niedergang der »autogerechten Stadt« als Leitbild der Stadtplaner. Letztere wandten sich im Ergebnis einer breiten, seit den 1960er-Jahren zunehmenden öffentlichen Kritik[55] der Parole des »stadtverträglichen Verkehrs« als neuem Leitbild zu. Dies galt allerdings nicht in gleichem Maße für die Nachbardisziplin der Verkehrsplaner. Wie nachdrücklich festzuhalten ist, hat der Paradigmenwechsel auch die Dynamik des Automobil-orientierten Stadtumbaus kaum gebremst. Das zeigen sowohl die bis in die jüngste Zeit hinein anhaltende Steigerung des Motorisierungsgrades als auch eine kritisch-raumsensitive Betrachtung: Abgesehen von den Innenstädten nimmt der Autobesitz und -verkehr in den Außenbereichen der Städte und in den wachsenden suburbanen Gebieten weiter zu.[56] Die »autogerechte Stadt« ist eine Untote – als Leitbild längst beerdigt, als gesellschaftliche Realität jedoch quicklebendig.

Im Kontext dieser fundamental ambivalenten Entwicklung sind jedoch der Trend zu neuen Mobilitätsformen und von der Autoindustrie sorgenvoll registrierte Absetzbewegungen von der gesellschaftlichen Norm des individuellen PKW-Eigentums besonders in den Innenbezirken der Metropolen und unter jüngeren Leuten keinesfalls unterzubewerten. Zugleich werfen diese neueren Trends auch ein Licht auf längerfristige Entwicklungslinien. Folgt man der Lesart der Soziologin Katharina Manderscheid in Anlehnung an Foucaults Dispositiv-Theorem, so ist Automobilität zu fassen als ein Vergesellschaftungsmodus, der »auf dem Zusammenspiel von komplexen Technologien und materiellen Landschaften, Wissensformen, Symboliken, sozialen Praktiken und Subjektivierungen« beruht[57] und der sich gegenwärtig stark wandelt. Aus dieser Sicht erscheint das Automobil als der Industriegesellschaft lange Zeit adäquate Antwort auf das »Bewegungsproblem der Moderne« und als »spezifische Form der Regierung von Bewegungen […], die Unordnung und Chaos verhindern«.[58] Im Kern ging es also darum, territoriale Bindungen von Menschen und Gütern zu lockern und diese im Zeichen von Fortschritt und Raumüberwindung kontrolliert zu mobilisieren.

Ohne sich zu tief in die Dispositiv-Theorie zu begeben, lässt sich immerhin sagen, dass wichtige Elemente dieses europäischen und nordamerikanischen Automobilitäts-Dispositivs der Hochmoderne seit ein bis zwei Jahrzehnten grundlegend auf dem Prüfstand stehen, wie gerade auch Kulturgeographen mit Blick auf neue Mobilitätsformen hervorheben. Die Wahrnehmung eines rasant zunehmenden »weltumspannende[n] Strom[s] von Menschen, […] Waren, Strukturen und Informationen« sei inzwischen zu einer »populären Selbstdeutung« der heutigen Gesellschaften geworden, die sich von »Entgrenzung, Verflüssigung, De-Lokalisierung, De-Territorialisierung« bestimmt sehen.[59] Vereinfacht gesagt haben demnach Menschen, Objekte und Informationen in jüngerer Zeit einen weiteren starken Mobilitätsschub durchlaufen. Im Ergebnis haben sich die Mobilitätsbedürfnisse jedenfalls in den Metropolen des Nordens so gravierend verändert und ausdifferenziert, dass Automobile in neue gesellschaftliche Kontexte gestellt sind, denen sie in ihrer überkommenen Form nicht gerecht werden können – sowohl aus ökologischen wie aus kulturellen und sozioökonomischen Gründen.

Manderscheid schlägt zum Verständnis des sich derzeit vollziehenden Wandels im Mobilitätsregime die »Mobilitätsfigur« des »urbanen Nomaden« als neue Subjektivierungsform vor: eine Figur, die zum Beispiel als Manager im Kontext neuer, scheinbar ubiquitär verfügbarer mobiler Informations- und Kommunikationstechnologien teils geographisch »entlokalisiert«, dabei aber physisch hochmobil lebt und als – überwiegend männlicher – »westliche[r] Wissensarbeiter der Mittel- und Oberklasse« neue Mobilitätsbedürfnisse entwickelt. Die neuen Technologien bewirken oder reproduzieren allerdings auch eine scharfe Beschränkung der Zugänge zu diesen Mobilitätsformen »auf digital kompetente und gebildete Bevölkerungsgruppen« und soziale Ausschlüsse im Zeichen des »Digital Divide«.[60]

5. Fazit

Aus heutiger Sicht erscheint die »autogerechte Stadt« im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts als technokratische, monosektorale Vision und Realität der westlichen Hochmoderne. Zugleich hat der vorliegende Essay gezeigt, dass sich diese Vision gegenüber der Persistenz der europäischen Altstädte nicht vollständig durchsetzen konnte. Die innere Widersprüchlichkeit der Chiffre und ihrer transnationalen Zirkulation wurde anhand der Konzepte von Hans Bernhard Reichow, der Frage der »Amerikanisierung« der Stadtplanung in Europa nach 1945 sowie der Rezeption in der DDR deutlich.

Mit Blick auf aktuelle Tendenzen des »Sharing«, Verschiebungen im »Modal Split« der Verkehrsträger und den eingangs angesprochenen technologischen Innovationen scheint das Auto vor allem den Anforderungen einer veränderten Mobilitätskultur in den Zentren der großen Städte nur noch begrenzt zu entsprechen; es ist offensichtlich von einem Treiber zu einem Relikt gesellschaftlicher Verhaltensmuster, zu einem Modul unter mehreren im »Mobilitätsmix« geworden. Die Hegemonie des heute in den Städten Europas und Nordamerikas dominierenden, scheinbar nicht mehr Automobil-orientierten Leitbilds des »stadtgerechten Verkehrs« verdeckt allerdings, dass sich global betrachtet städtische Mobilität und Baukultur nur allmählich und bisher nur in Teilen der genannten metropolitanen Zentren des Nordens auch real verändern. Die »Love Affair« der Amerikaner mit dem Automobil sei eben nicht zu Ende, sondern nur in eine Ehe übergegangen, zitiert Brian Ladd in seinem maßstabssetzenden Buch »Autophobia« (2008) einen Aufsichtsratsvorsitzenden von General Motors.[61] Derweil schreiten die alten Dynamiken einer nach wie vor dramatisch wachsenden Automobilisierung im globalen Maßstab rasant voran, wodurch sich die bestehende räumliche Spaltung in den Mobilitätskulturen noch vertieft. Die »autogerechte Stadt« ist mithin nicht einmal untot, sondern wächst und gedeiht anderswo weiter.

Anmerkungen:

[1] Der Epochenbegriff der Hoch- bzw. organisierten Moderne wird hier im Sinne von Friedrich Lengers Lesart verwandt, die auf europäische und nordamerikanische Metropolen im Zeitraum zwischen ca. 1900 und 1970 fokussiert. Vgl. Friedrich Lenger, Metropolen der Moderne. Eine europäische Stadtgeschichte seit 1850, München 2013, insbes. S. 12ff., S. 494f.; vgl. auch Christof Dipper, Moderne, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.8.2010. Ich danke Lisa Kreft für anregende Diskussionen und Hinweise auf Quellenbestände sowie Christopher Neumaier und Jan-Holger Kirsch für kritische Anmerkungen zur ersten Fassung dieses Essays.

[2] Vgl. als international maßstabsetzende Publikationen etwa Gijs Mom, Atlantic Automobilism. Emergence and Persistence of the Car, 1895–1940, New York 2015; Brian Ladd, Autophobia. Love and Hate in the Automotive Age, Chicago 2008; mit Fokus auf Osteuropa: Lewis H. Siegelbaum (Hg.), The Socialist Car. Automobility in the Eastern Bloc, New York 2011. Vgl. auch die vom Autor 2015 mit Simon Gunn organisierte internationale Konferenz zur »Urban Automobility in Transition«.

[3] Vgl. neben den in Anm. 2 genannten Publikationen aus geschichtswissenschaftlicher Sicht etwa Barbara Schmucki, Der Traum vom Verkehrsfluß. Städtische Verkehrsplanung seit 1945 im deutsch-deutschen Vergleich, Frankfurt a.M. 2001; Anette Schlimm, Ordnungen des Verkehrs. Arbeit an der Moderne – deutsche und britische Verkehrsexpertise im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2011; zur städtischen Mobilität Ueli Haefeli, Verkehrspolitik und urbane Mobilität. Deutsche und Schweizer Städte im Vergleich 1950–1990, Stuttgart 2008; aus sozialwissenschaftlicher Sicht z.B. Weert Canzler, Automobil und moderne Gesellschaft. Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung, Berlin 2016.

[4] Vgl. Christopher Kopper, Why the »Los Angelization« of German Cities Did Not Happen: The German Perception of U.S. Traffic Planning and the Preservation of the German City, in: ders./Massimo Moraglio (Hg.), The Organization of Transport. A History of Users, Industry, and Public Policy, New York 2015, S. 106-117.

[5] Vgl. Heinz Reif/Moritz Feichtinger (Hg.), Ernst Reuter. Kommunalpolitiker und Gesellschaftsreformer, Bonn 2009; Hans Stimmann, Weltstadtplätze und Massenverkehr, in: Jochen Boberg/Tilman Fichter/Eckart Gillen (Hg.), Die Metropole. Industriekultur in Berlin im 20. Jahrhundert, München 1986, S. 134-143, hier S. 138.

[6] Otto Büsch/Wolfgang Haus, Berliner Demokratie 1919–1985, Bd. 1: Berlin als Hauptstadt der Weimarer Republik 1919–1933, Berlin 1987.

[7] Ural Kalender, Die Geschichte der Verkehrsplanung Berlins, Köln 2012, S. 202.

[8] Ebd.

[9] Christoph Bernhardt, Vom Terrainhandel zur Weimarer Städtebaukoalition. Unternehmen und Unternehmer im Berliner Eigenheimbau von 1900 bis 1939, in: Heinz Reif (Hg.), Berliner Villenleben. Die Inszenierung bürgerlicher Wohnwelten am grünen Rand der Stadt um 1900, Berlin 2008, S. 71-92.

[10] Martin Wagner, Verkehr und Tradition, in: ders./Adolf Behne (Hg.), Das Neue Berlin. Großstadtprobleme, Berlin 1929 (zit. nach Reprint Basel 1988, S. 129f.); ders., Das Formproblem eines Weltstadtplatzes. Wettbewerb der Verkehrs-A.G. für die Umbauung des Alexanderplatzes, in: ebd., S. 33-38.

[11] Vgl. Kalender, Geschichte (Anm. 7), S. 203ff., S. 212.

[12] Am 1. Juli 1929 waren in Berlin gerade einmal 42.844 PKW zugelassen (2013: 1,15 Mio.). Stimmann, Weltstadtplätze (Anm. 5), S. 139; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin (Hg.), Berliner Verkehr in Zahlen 2013, Berlin 2014, S. 19.

[13] Vgl. Kalender, Geschichte (Anm. 7), S. 209f.

[14] Stimmann, Weltstadtplätze (Anm. 5), S. 140.

[15] Schmucki, Traum vom Verkehrsfluß (Anm. 3), insbes. S. 83ff.; Schlimm, Ordnungen des Verkehrs (Anm. 3). Vgl. auch Haefeli, Verkehrspolitik (Anm. 3), S. 78, S 82.

[16] Kalender, Geschichte (Anm. 7), S. 258.

[17] Vgl. Ladd, Autophobia (Anm. 2), S. 83.

[18] Georg Wagner-Kyora (Hg.), Wiederaufbau europäischer Städte/Rebuilding European Cities. Rekonstruktionen, die Moderne und die lokale Identitätspolitik seit 1945/Reconstructions, Modernity and the Local Politics of Identity Construction since 1945, Stuttgart 2014.

[19] Ebd. und Klaus von Beyme u.a. (Hg.), Neue Städte aus Ruinen. Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit, München 1992.

[20] Zur Rolle des prognostischen Denkens im Zeichen von »Trendextrapolationen« vgl. Haefeli, Verkehrspolitik (Anm. 3), S. 83; zu den PKW-Zahlen Kopper, German Perception (Anm. 4), S. 110.

[21] Das Wunder von Hannover, in: Spiegel, 3.6.1959, S. 56-69. Als historiographische Einordnung siehe Ralf Dorn, Der Architekt und Stadtplaner Rudolf Hillebrecht. Kontinuitäten und Brüche in der deutschen Planungsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Berlin 2017; ders, Auf dem Weg zur autogerechten Stadt? Zur Verkehrsplanung Hannovers unter Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht, in: Rolf Spilker (Hg.), Richtig in Fahrt kommen. Automobilisierung nach 1945 in der Bundesrepublik Deutschland, Bramsche 2012, S. 204-219. Aufschlussreich ist auch die Entwicklung in Hamburg; siehe dazu Sven Bardua/Gert Kähler, Die Stadt und das Auto. Wie der Verkehr Hamburg veränderte, München 2012.

[22] David Kuchenbuch, Von Vällingby nach Sennestadt. Der deutsche Blick nach Norden, in: Jörn Düwel/Michael Mönninger (Hg.), Zwischen Traum und Trauma. Stadtplanung der Nachkriegsmoderne, Berlin 2011, S. 57-69.

[23] Kathrin Stolzenburg, Hans Bernhard Reichow (1899–1974). Ein Architekt und Städteplaner zwischen der nationalsozialistischen Umgestaltung und der autogerechten Stadt, in: Bernfried Lichtnau (Hg.), Architektur und Städtebau im südlichen Ostseeraum zwischen 1936 und 1980, Berlin 2002, S. 137-152.

[24] Vgl. etwa zu den Stipendienprogrammen der »International Road Federation« für europäische Planer an dem Bureau of Highway Traffic der Yale University: Per Lundin, Mediators of Modernity: Planning Experts and the Making of the »Car-Friendly« City in Europe, in: Mikael Hård/Thomas J. Misa (Hg.), Urban Machinery. Inside Modern European Cities, Cambridge 2008, S. 257-280, hier S. 257f.

[25] Katharina Manderscheid, Automobile Subjekte, in: Joachim Scheiner u.a. (Hg.), Mobilitäten und Immobilitäten. Menschen – Ideen – Dinge – Kulturen – Kapital, Essen 2013, S. 105-120, hier S. 108.

[26] Hans Bernhard Reichow, Die autogerechte Stadt. Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos, Ravensburg 1959, S. 5. Vgl. zum Thema tödlicher Verkehrsunfälle auch den Beitrag von Peter Itzen in diesem Heft.

[27] Reichow, Die autogerechte Stadt (Anm. 26), S. 5.

[28] Ebd., S. 17.

[29] Reichow hatte u.a. auch am »Generalplan Ost« mitgearbeitet. Vgl. Stolzenburg, Hans Bernhard Reichow (Anm. 23), S. 146, sowie Ulrich Herbert, Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, München 2014, S. 792.

[30] Ders., Organische Stadtbaukunst, Braunschweig 1948.

[31] Ders., Die autogerechte Stadt (Anm. 26), S. 12.

[32] Ebd., S. 10. Zu den Kontinuitäten raumplanerischen Denkens zwischen den 1920er- und 1960er-Jahren vgl. Ariane Leendertz, Ordnung, Ausgleich, Harmonie. Koordinaten raumplanerischen Denkens in Deutschland, 1920 bis 1970, in: Thomas Etzemüller (Hg.), Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009, S. 129-152, hier S. 140ff.

[33] Hans Bernhard Reichow, Mensch und Auto im Städtebau, in: Klaus Honnef (Hg.), Verkehrskultur, Recklinghausen 1972, S. 133-146.

[34] Vgl. Kopper, German Perception (Anm. 4), S. 108.

[35] Reichow, Mensch und Auto (Anm. 33), S. 137.

[36] Uwe Altrock, Höhepunkt der Moderne oder Wende zur Nachmoderne? Die »autogerechte Stadt« von Hans Bernhard Reichow – 50 Jahre danach neu gelesen, in: Die alte Stadt 4/2009, S. 476-480, hier S. 480.

[37] Das Vorstehende nach Reichow, Die autogerechte Stadt (Anm. 26), S. 8-12.

[38] Das Wunder von Hannover (Anm. 21).

[39] Vgl. Lundin, Mediators of Modernity (Anm. 24), S. 266.

[40] Reichow, Mensch und Auto (Anm. 33), S. 133.

[41] Vgl. Siegelbaum, The Socialist Car (Anm. 2); Martina Heßler/Günter Riederer, Von Autos und ihren Städten, in: dies. (Hg.), Autostädte im 20. Jahrhundert. Wachstum- und Schrumpfungsprozesse in globaler Perspektive, Stuttgart 2014, S. 7-18; Christoph Bernhardt/Harald Engler, Eisenach – sozialistische Autostadt mit gebremster Entwicklung, in: ebd., S. 109-126; Reinhold Bauer, Die 1970er Jahre als »Sattelzeit« im ostdeutschen Automobilbau, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 51 (2010), S. 161-172; Christopher Kopper, Stadtverkehrs- und Fernverkehrsplanung in der Planwirtschaft der DDR, in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte 36 (2006) H. 2, S. 60-71.

[42] Manfred Grieger, Business with the Socialist Automotive Industry. Volkswagen’s Economic Relations with the Soviet Union and the German Democratic Republic, in: ders./Ulrike Gutzmann/Dirk Schlinkert (Hg.), Towards Mobility. Varieties of Automobilism in East and West, Wolfsburg 2009, S. 101-109; Lewis H. Siegelbaum, Cars for Comrades. The Life of the Soviet Automobile, Ithaca 2008.

[43] Bernhardt/Engler, Eisenach (Anm. 41), S. 110; Esther Meier, Naberežnye Čelny – Brežnevs Boomtown, in: Heßler/Riederer, Autostädte (Anm. 41), S. 127-146.

[44] Bernhardt/Engler, Eisenach (Anm. 41), S. 113ff.; Reinhold Bauer, PKW-Bau in der DDR. Zur Innovationsschwäche von Zentralverwaltungswirtschaften, Frankfurt a.M. 1999.

[45] Vgl. Simone Hain, Reise nach Moskau. Quellenedition zur neueren Planungsgeschichte, Erkner 1995.

[46] Nach Wolfgang Weigel, Verkehr in der modernen Stadt, Berlin (Ost) 1962, S. 23f., S. 85.

[47] Vgl. Berliner Zeitung, 14.8.1970, S. 3.

[48] Weigel, Verkehr (Anm. 46), S. 26.

[49] So der Berliner Chefarchitekt Joachim Nather; zit. in: Die Stadt[,] in der wir leben, in: Berliner Zeitung, 11.5.1969, S. 3.

[50] Vgl. Gerhard Krenz, Architektur zwischen gestern und morgen. Ein Vierteljahrhundert Architekturentwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1974.

[51] Wie Anm. 49.

[52] Canzler, Automobil (Anm. 3), S. 37ff.

[53] Gijs Mom, Encapsulating Culture: European Car Travel, 1900–1940, in: Journal of Tourism History 3 (2011), S. 289-307. Vgl. auch Alexa Geisthövel, Das Auto, in: dies./Habbo Knoch (Hg.), Orte der Moderne. Erfahrungswelten des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2005, S. 37-46, hier S. 41.

[54] Manfred Russo, Die Stadt als Archipel der Kapseln (Teil 2). Kapsel & heterotoper Urbanismus, in: dérive. Zeitschrift für Stadtforschung 54 (2014), S. 53-56.

[55] Massimo Moraglio, Cars as Civilization Threat. A Look at 1960s Counterculture, Policy Makers and Movie Directors, in: Mathieu Flonneau/Léonhard Laborie/Arnaud Passalacqua (Hg.), Les transports de la démocratie. Approche historique des enjeux politiques de la modernité, Rennes 2014, S. 153-165; Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung, Stadt & Auto. Almanach 2014/15, Berlin 2015.

[56] Barbara Lenz, »Die Stadt und das Auto« in der Verkehrswissenschaft, in: Stadt & Auto 2014/15 (Anm. 55), S. 19-32, insbes. S. 20ff.

[57] Manderscheid, Automobile Subjekte (Anm. 25), S. 106.

[58] Ebd., S. 107.

[59] Silke Göttsch-Elten, Mobilitäten – Alltagspraktiken, Deutungshorizonte und Forschungsperspektiven, in: Reinhard Johler/Max Matter/Sabine Zinn-Thomas (Hg.), Mobilitäten. Europa in Bewegung als Herausforderung kulturanalytischer Forschung, Münster 2011, S. 15-29, hier S. 17.

[60] Nach Manderscheid, Automobile Subjekte (Anm. 25), S. 115f.

[61] Ladd, Autophobia (Anm. 2), S. 139.

 

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