Welt – Hunger – Hilfe

Zur Zeitgeschichte eines Menschheitsproblems


  1. Schwerpunkte bisheriger Forschungen
  2. Praktiken, Kampagnen und Akteur:innen
  3. Wissensordnungen
  4. Ausblick

Anmerkungen

[Die Herausgeberinnen danken der VolkswagenStiftung für die großzügige Unterstützung der Tagung »Hunger, (Mal-)Nutrition, and the Self in the 20th and 21st Century« und der vorliegenden Publikation, die auf diese Tagung zurückgeht. Der jetzige Titel des Themenhefts folgt einem Vorschlag von Axel Schildt, der bis zu seinem frühen Tod im April 2019 Beiratsmitglied der »Zeithistorischen Forschungen« war.]

Nichts, jenseits der Luft zum Atmen und dem Wasser zum Trinken, ist für die menschliche Existenz so grundlegend wie die Ernährung, kaum etwas so essentiell wie die regelmäßige Nahrungsaufnahme. Doch während Empfehlungen für Ernährungsumstellungen zum Veganismus oder zu vermeintlich »natürlichen« Paleo-Diäten in Teilen der westlichen Öffentlichkeiten auf fruchtbaren Boden fallen1 und der Wunsch nach Selbstoptimierung das Alltagsverhalten vieler Menschen beein­flusst,2 berichten Ärzt:innen und Gesundheitsexpert:innen in aller Welt über wachsende Probleme mit Fettleibigkeit und damit verbundenen Krankheiten. Nach Daten der OECD von 2017 hat Übergewicht in der Altersgruppe der 15- bis 74-Jährigen in allen Mitgliedsländern während der letzten drei Dekaden kontinuierlich zugenommen. Während in Frankreich und Italien im Jahr 2017 etwa 40 Prozent der Bevölkerung als übergewichtig galten, erreichten die Werte in den USA und Mexiko fast 70 Prozent. Im OECD-Durchschnitt gilt zudem eine von fünf Personen nicht nur als übergewichtig, sondern als fettleibig.3

Gleichzeitig ist die notwendige Grundernährung in vielen Ländern nach wie vor nicht gesichert. Ungeachtet der Tatsache, dass der Zugang zu ausreichend Nahrung seit 1948 als Menschenrecht gilt,4 zeigen aktuelle Daten der Food and Agriculture Organization (FAO), dass im Jahr 2020 weltweit zwischen 720 und 811 Millionen Menschen an Hunger, Unter- und Mangelernährung litten – ein Anstieg um mehr als 100 Millionen im Vergleich zu 2019. Über 2,3 Milliarden Menschen hatten im Jahr 2021 keinen dauerhaft gesicherten Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln in ausreichender Menge und Qualität.5 Die COVID-19-Pandemie hat diesen Trend – so zeigen aktuelle Studien Internationaler Organisationen und zivilgesellschaftlicher Akteur:innen – weiter gesteigert: Sowohl Hunger und Nahrungsunsicherheit als auch Mangelernährung und Übergewicht haben in vielen Regionen der Welt seit Beginn der Pandemie deutlich zugenommen.6 Damit hat sich die Situation auf dem Feld der »Ernährungssicherheit« – ein auf die Welternährungskonferenz 1974 zurückgehendes Konzept, das heute als »dauerhafter physischer und ökonomischer Zugang zu ausreichenden, sicheren und nahrhaften Lebensmitteln« definiert wird – in den letzten zwei Jahren deutlich verschlechtert.7 Daten des globalen Hungerindex zeigen zudem, dass angesichts des Klimawandels bis auf Weiteres nicht mit einer Trendumkehr zu rechnen ist.8

Gerade das Nebeneinander von Unter-, Mangel- und Fehlernährung macht eine Schätzung der daraus resultierenden Todeszahlen zu einem komplizierten Unterfangen. Die meisten Internationalen Organisationen nehmen daher inzwischen von der Veröffentlichung konkreter Zahlen Abstand. Noch im Jahr 2015 schätzte die FAO jedoch, dass etwa 24.000 Menschen täglich an den Folgen des Hungers sterben. Insbesondere die Sterblichkeit von Kindern sticht dabei hervor – etwa 45 Prozent aller Todesfälle bei unter 5-Jährigen weltweit gelten als ernährungsbedingt.9 In der Regel sterben jedoch nur wenige dieser Kinder an akuter Hungersnot; sie werden vor allem von armutsbedingter Unter- oder Mangelernährung dahingerafft. Deren bittere Folgen müssen sogar diejenigen tragen, die das Erwachsenenalter erreichen, da sie häufig an Entwicklungsstörungen leiden, die in der Kindheit entstanden sind.10

Der über Jahre entstandene öffentliche Eindruck, dass es sich beim Hunger um eine Nord-Süd-Dichotomie handle, ist dabei zunehmend falsch. Vielmehr verweisen vorhandene Zahlen auf das scheinbar paradoxe Bild, dass es in vielen Ländern des Globalen Südens eine wachsende Zahl von Haushalten mit übergewichtigen Müttern und mindestens einem untergewichtigen Kind gibt. Gleichzeitig hat etwa das Internationale Rote Kreuz auf die Tatsache hingewiesen, dass nach der Finanzkrise der Jahre ab 2007/08 bis zu 43 Millionen Menschen in Europa von Hunger bedroht waren, unter anderem in Griechenland.11 Zudem hat auch die Corona-Pandemie zum Teil gravierende Konsequenzen für die Versorgung. So ist etwa in den USA aktuell eine wachsende Zahl von Menschen auf Unterstützung durch Tafeln und andere wohltätige Organisationen angewiesen. Gegenläufige Tendenzen, ein Nebeneinander verschiedener Prozesse, Wandel und Widersprüche sowie das Fehlen offensichtlicher Zäsuren kennzeichnen also das in diesem Themenheft betrachtete Forschungsfeld.

Blickt man auf die inzwischen recht umfangreiche Historiographie, dann fällt auf, dass die Geschichte der Versorgung mit Nahrungsmitteln dennoch die längste Zeit überwiegend als eine Geschichte des Mangels und der Hungerkrisen geschrieben wurde. Fehlender Zugang zu Lebensmitteln wurde dabei oft unter Rückgriff auf Konzepte wie Rückständigkeit oder ökonomische Unterentwicklung erklärt. Hunger und Hungerkrisen galten in diesem Sinne einerseits als Ausweis akuten Staatsversagens,12 andererseits als Effekt eng verwobener struktureller Faktoren, die oft ebenso abstrakt wie unpräzise miteinander in Beziehung gesetzt wurden: »exponentielles« Bevölkerungswachstum, landwirtschaftliche Strukturkrisen, ökologische Extremereignisse wie Dürren oder Flutkatastrophen,13 Marktversagen oder (je nach Perspektive) übermäßige Eingriffe in die Lebensmittelmärkte sowie nicht zuletzt politische »menschengemachte« Faktoren wie Kriege oder Vertreibungen.14

Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes beim Beladen eines Containers mit Hilfsgütern, die im Juli 1986 aus dem Münsterland nach Äthiopien geschickt wurden. Die westdeutsche Hilfe erscheint hier als ein wohlorganisierter Akt mit eingespielter Logistik.  (picture-alliance/dpa/Franz-Peter Tschauner)
Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes beim Beladen eines Containers mit Hilfsgütern, die im Juli 1986 aus dem Münsterland nach Äthiopien geschickt wurden. Die westdeutsche Hilfe erscheint hier als ein
wohlorganisierter Akt mit eingespielter Logistik.
(picture-alliance/dpa/Franz-Peter Tschauner)

Auch wenn die derart skizzierten Geschichten nicht falsch sind, basiert die Rahmung der aufgezählten Elemente oft auf kaum überwundenem kolonialem Denken und impliziten (oder gar expliziten) Modernisierungserzählungen. Die jüngere – auch interdisziplinäre – Forschung hat dagegen zu Recht auf ein produktives und viel zur Ernährungssicherheit beitragendes Nebeneinander von Subsistenzackerbau, bäuerlicher wie industrialisierter Landwirtschaft in vielen Teilen der Welt verwiesen.15 Auch die Entstehung zunehmend ausdifferenzierter (teils globalisierter, teils hochgradig protektionierter) Märkte für Konsumgüter und zahlreiche sich (global betrachtet) höchst ungleich entwickelnde Konsument:innen-Gruppen wurden herausgestellt.16 Es gibt nicht nur einen Hunger, und keinesfalls lassen sich stets dieselben Gründe für Nahrungsmangel und Ernährungsprobleme finden. Dazu passt, dass Medien, NGOs und Internationale Organisationen zunehmend öffentlichkeitswirksam eine ganze Reihe verschiedener (doch miteinander verflochtener) Ernährungskrisen thematisieren: von überwiegend humanitär und entwicklungspolitisch präformierten Debatten über »Fair Trade«17 und öffentlichen Versprechen, den Hunger in der Welt zu been­den,18 über die (ernährungswissenschaftlich getriebene) Akzentverschiebung auf den »versteckten Hunger« durch Mangel- oder Fehlernährung19 bis hin zu Diskussionen über die in einen globalen Problemstatus erhobene »obesity crisis« und den daran anschließenden Kampf um das fitte und gesunde (aber auch politisch-performative) Selbst in der (Post-)Moderne.20

Solche Debatten stützen sich bis heute auf sich rapide wandelnde Wissens­bestände über »gute«, »ausreichende« und »gesunde« Ernährung sowie auf das im Kontext des internationalen Menschenrechtsdiskurses formulierte »Right to Food«.21 Im Zuge dieser Debatten um Nahrung als Menschenrecht, die sich bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zurückverfolgen lassen, wurde eine ausreichende Versorgung »aller Menschen« mit Nahrung von zahlreichen Akteur:innen zumindest als impliziter Anspruch einer humanen und »gerechten« Welt formuliert.22 Dabei war – wie die Beiträge von Monica Rüthers und Marianna Zhevakina sowie von Christiane Berth und Heike Wieters in diesem Heft zeigen – gerade im Zeitalter der Ideologien der Zugang zu ausreichend Nahrung als politisches Ziel mindestens ebenso umkämpft wie die Frage, welche Art der Ernährung für den modernen Menschen am sinnvollsten sei.23

Auch Gemüse hilft siegen: »GROW VICTORY GARDENS«. Grafik von Charles Henry Alston, USA 1943 (National Archives and Records Administration, Public Domain)
Auch Gemüse hilft siegen:
»GROW VICTORY GARDENS«.
Grafik von Charles Henry Alston, USA 1943
(National Archives and Records Administration, Public Domain)
»OUR FOOD IS FIGHTING«. US-amerikanisches Poster aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges  (National Archives and Records Administration, Public Domain)
»OUR FOOD IS FIGHTING«.
US-amerikanisches Poster
aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges
(National Archives and Records Administration, Public Domain)
»U.S. NEEDS US STRONG / EAT THE BASIS 7 EVERY DAY«. Ernährungsberatung war gerade in Zeiten des Mangels ein wichtiges Thema. Infografiken wie dieses US-amerikanische Poster aus dem Zweiten Weltkrieg zeigen in ihrer Gestaltung seit dem frühen 20. Jahrhundert eine hohe Kontinuität.  (National Archives and Records Administration, Public Domain)
»U.S. NEEDS US STRONG /
EAT THE BASIS 7 EVERY DAY«. Ernährungsberatung war gerade in Zeiten des Mangels ein wichtiges Thema. Infografiken wie dieses US-amerikanische Poster aus dem Zweiten Weltkrieg zeigen in ihrer Gestaltung seit dem frühen 20. Jahrhundert
eine hohe Kontinuität.
(National Archives and Records Administration, Public Domain)

Das vorliegende Themenheft betrachtet genau diese Auseinandersetzungen und Debatten; es stellt zeitgenössische Wissensordnungen, Konzepte und Lernprozesse der Versorgung, Hungerhilfe und -prävention ins Zentrum. Die Beschäftigung mit Internationalen Organisationen, transnational vernetzten NGOs, nationalen Regierungen und lokalen Akteur:innen erlaubt dabei einen differenzierten Blick auf jene Orte und politischen Bühnen, wo Wissen akkumuliert, Konzepte ausgehandelt und Lernprozesse reflektiert wurden, um neue Maßnahmen internationaler Versorgung, Hungerhilfe und -prävention im 20. Jahrhundert zu entwickeln.

Damit adressieren die in diesem Heft versammelten Beiträge drei große geschichtswissenschaftliche Forschungsfelder und verschränken zentrale Themen der Zeitgeschichte miteinander: die Geschichte des Humanitarismus, die Geschichte der Internationalen Organisationen und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen sowie die Geschichte der Wissensordnungen von Ernährung und Versorgung im Zeitalter der Ideologien. Das Heft diskutiert somit den Einfluss staatlicher und nichtstaatlicher Akteur:innen auf »die« globale Politik (oder neue Formen globaler Governance), auf Nahrungsmittelmärkte und internationale Standardisierungsprozesse sowie auf Best-Practice-Modelle im Gesundheits-, Entwicklungs- und Ernährungsbereich. Eingegangen wird zudem auf Modi der medialen Darstellung,24 die im Bemühen um Spenden und öffentliche Reaktionen von Empathie, Hilfsbereitschaft und Solidarität sehr ausgefeilte Techniken entwickelten und nicht selten auch skandalisierende und gar herabwürdigende Darstellungen von Hungernden und Leidenden nutzten.25

Unsere Einleitung versucht einige Schneisen in die extrem vielfältige Forschungslandschaft zu schlagen. Wir möchten zentrale Debatten, Kontroversen und Perspektiven systematisieren und sie im Hinblick auf ihr Potential für weitere Forschungen diskutieren.

1. Schwerpunkte bisheriger Forschungen

Wie bereits erwähnt, sind die Themen Hunger und Ernährung durch eine Vielzahl an Forschungszugängen und divergierenden Rahmungen gekennzeichnet, die im Folgenden nur kursorisch und exemplarisch Erwähnung finden können. Insbesondere für die deutschsprachige Historiographie lässt sich auf eine ganze Reihe sozial- und kulturhistorischer Arbeiten verweisen, die den Fokus vor allem auf Fragen der Versorgung im Kontext staatlicher Umbruchssituationen legen. Hervorzuheben sind insbesondere Arbeiten über (die Bewältigung von) Hungerkrisen im Kontext von Krieg und Zusammenbruch26 – wobei sowohl staatliche Versorgungsanstrengungen als auch der Beitrag individueller Akteur:innen (Händler auf Schwarzmärkten, »Trümmerfrauen«, nachbarschaftliche Netzwerke27 ) und zivilgesellschaftlicher Organisationen (Kirchen oder NGOs) näher beleuchtet werden.28 Neben Arbeiten, die Hunger als Mittel der Herrschaftsausübung ins Zentrum stellen – etwa Robert Kindlers 2014 erschienene Studie über Herrschaft und Hunger in Kasachstan29 –, lassen sich zudem etliche Publikationen über Hunger als Kriegsstrategie während des Nationalsozialismus finden.30

Die sozial- und wirtschaftshistorische Beschäftigung mit exemplarischen Hungersnöten ist breit,31 etwa mit der »Irish Famine« oder den Hungersnöten in der Sahelzone. Ebenfalls Tradition hat die Frage nach den Triebkräften spezifischer Hungerunruhen – hervorzuheben ist hier bis heute E.P. Thompsons Aufsatz »The Moral Economy of the English Crowd«.32 In den letzten Jahren sind etliche Studien erschienen, die sich mit der Politisierung und Moralisierung von Nahrung im Kontext internationaler Beziehungen beschäftigen. Die Arbeiten von Tatjana Tönsmeyer33 oder auch Lizzie Collinghams Monographie »The Taste of War«34 stehen dabei exemplarisch für jene Untersuchungen, die Versorgungs- und Rationierungspraktiken sowie konkrete Hunger-Bewältigungsstrategien ins Zentrum stellen. Ein solcher Fokus ermöglicht es auch, Forschungsthemen neue Facetten abzugewinnen, die bislang eher unter politik- oder herrschaftsgeschichtlichen Perspektiven betrachtet worden sind. Neben der Besatzungsgeschichte (nicht nur) des Zweiten Weltkrieges kann man dabei etwa an die Geschichte der sowjetischen Zwangskollektivierung und des Holodomors denken.35 Hier lässt sich – wenngleich auf anderer Ebene – auch der Beitrag von Chunjie Zhang in der Rubrik »Neu gelesen« aus diesem Heft einordnen. Die Autorin verfolgt die moralische Dimension lokaler Nahrungsproduktion und korrespondierender Erbpraktiken in der chinesischen Landwirtschaft im Kontext von Pearl S. Bucks zeitgenössischem Bestseller »The Good Earth« aus dem Jahr 1931. Für diesen Roman erhielt Buck 1932 den Pulitzer-Preis (und gewann 1938 auch den Literaturnobelpreis), aber die Besonderheit ihres literarischen Werks und ihrer transkulturellen Biographie wurde lange Zeit trotzdem nicht hinreichend anerkannt. Mit der literarischen Produktion rücken zudem Fragen der erinnerungspolitischen Relevanz von Hunger und Mangelernährung in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit, wie sie etwa in dem Verbundprojekt »Heritages of Hunger« adressiert werden.36

Neben einer in den letzten Jahren zunehmenden Zahl an Publikationen, die die Moralisierung und Politisierung von Nahrung im Zusammenhang lokaler und nationaler gesellschaftlicher »Modernisierungsprozesse« untersuchen – genannt seien etwa Helen Veits Buch »Modern Food, Moral Food«,37 aber auch die Arbeiten von James Vernon38 –, sind in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Arbeiten entstanden, die vor allem die internationale Dimension von Hunger und Hungerhilfe ins Zentrum stellen. Hier seien insbesondere jüngere Forschungen erwähnt, die (Quantifizierungs-)Praktiken sowie die Entwicklung von internationalen humanitären Objekten, Orten und Techniken näher betrachten.39

Nicht zufällig trifft dies mit dem generellen Aufstieg transnationaler und globaler Perspektiven in der Historiographie zusammen. Neben Studien, die besonders staatliches humanitäres Engagement herausstellen, lassen sich zahlreiche Publikationen finden, die den Aspekt zivilgesellschaftlichen Engagements betonen.40 Viele Arbeiten fokussieren daher auf die vor allem im Kontext der beiden Weltkriege entstandenen humanitären Organisationen und Netzwerke – seien es die nationalen Ableger der Rot-Kreuz-Bewegung,41 die transnational organisierten Quäker42 oder andere NGOs und Kampagnen-Netzwerke,43 die sich – so die These – im Verlauf des 20. Jahrhunderts zum »zentralen Nervensystem« humanitären Engagements im Bereich der Hungerhilfe entwickelt haben.44 Ähnliches gilt für das sich im 20. Jahrhundert extrem ausdifferenzierende Feld Internationaler Organisationen. Im Kontext der Vereinten Nationen verfestigte sich so der Menschenrechtsdiskurs einschließlich des Rechts auf Nahrung und anderer grundlegender sozialer Rechte, wie etwa Samuel Moyn argumentiert hat.45 Zudem wurde mit der Food and Agriculture Organization (FAO) schon 1945 eine UN-Sonderorganisation gegründet, die sowohl globale Nahrungssysteme als auch globale Hungerbekämpfung ganz explizit zu ihrem Programm erklärte.46

Indische Briefmarke von 1963 mit Verweis auf die Welternährungsorganisation (FAO) (Wikimedia Commons, Post of India, Stamp_of_India_-_1963_-_Colnect_142033_-_Hands_reaching_for_-_FAO,
Government Open Data License – India)

Die zunächst vor allem humanitäre Perspektive auf Hungerhilfe ist in den vergangenen Jahren zunehmend um weitere Dimensionen ergänzt worden. So haben zahlreiche Untersuchungen das Ineinandergreifen entwicklungspolitischer und humanitärer Ideen und Programme herausgearbeitet und dabei vor allem internationale Machtasymmetrien und die zentrale Rolle des Kalten Krieges für den Fortgang bestimmter Interpretationen und Praktiken im Zusammenhang mit Hungerkrisen und staatlicher wie internationaler Entwicklungshilfe betont.47 Die bereits erwähnte Wahrnehmung des Hungers als eines zwar globalen Problems, das sich jedoch vor allem im Globalen Süden manifestiere, resultiert in gewisser Weise aus einem (auch epistemologisch fundierten) Fokus auf lineare Entwicklungskonzepte, die Hunger oder Mangelernährung primär als Phänomen der sogenannten Entwicklungsländer betrachteten.

Paradoxer Weise lassen sich gewisse Brüche in dieser Perspektive bereits sehr früh vor allem in Arbeiten zur Nahrungsmittelhilfe erkennen: Nicht nur Mitchel B. Wallersteins Buch »Food for War – Food for Peace« von 1980 über das US-amerikanische Nahrungsmittelhilfe-Programm,48 sondern auch eine Reihe anderer Arbeiten zu US-amerikanischer und europäischer Nahrungsmittelhilfe im internationalen Kontext stellten einen Zusammenhang her zwischen agrarischer Überproduktion (EG-»Butter­bergen«) und der schon von den Zeitgenoss:innen beklagten »Überschwemmung« ausländischer lokaler Märkte mit billigen Lebensmitteln.49

Im Kontext der Forschungen über Nahrungsmittelhilfe – die zunehmend auch Programme innerhalb der Industrieländer selbst untersuchen (so etwa die Geschichte subventionierter Schulverpflegungsprojekte oder die Verteilung von Lebensmittel­marken)50 – lässt sich eine weitere perspektivische Verschiebung aufzeigen: Neben den bereits erwähnten Studien, die den Wandel und das Ineinandergreifen internationaler Nahrungshilfesysteme betrachten, sind zuletzt Arbeiten erschienen, die in wachsendem Maße lokale Konsumpräferenzen von Individuen und Gruppen thematisieren und die Frage nach »guten« Nahrungsmitteln und qualitativen Ernährungsfragen untersuchen.51 Diesen Aspekt – exemplarisch in der Arbeit der humanitären NGO CARE und des zentralamerikanischen Ernährungsinstituts INCAP – beleuchtet etwa auch der Aufsatz von Berth und Wieters im vorliegenden Heft.

2. Praktiken, Kampagnen und Akteur:innen

Die Frage, wie und mittels welcher Transmissionsriemen Hunger und Ernährung im Verlauf des 20. Jahrhunderts zu zentralen Gegenständen internationaler Politik geworden sind, motiviert zahlreiche aktuelle Arbeiten – auch wenn hier weiter große Forschungslücken bestehen. Dabei lassen sich Untersuchungen hervorheben, die völkerrechtliche Fragen, internationale Konventionen und bei Kongressen entwickelte Begriffe ins Zentrum stellen. So kann man das »Right to Food« zweifellos als travelling concept bezeichnen, dessen Karriere und Omnipräsenz wohl nur innerhalb des zunehmend ausdifferenzierten UN-Systems erklärbar ist.52 In diesem Zusammenhang ist auch Florian Hannigs Beschäftigung mit Amartya Sens Klassiker »Poverty and Famine« von besonderem Interesse: Sen hat seit dem ersten Erscheinen des Buches im Jahr 1981 nicht nur die Debatte um Zugangsrechte zu Nahrung geprägt, er hat auch das Konzept von »basic needs« mit eingebracht und es zu einem zentralen Moment der Diskussion um Hunger und Armut im globalen Kontext gemacht.

Ein weiterer sehr aktueller Untersuchungsgegenstand betrifft das »Global Campaigning« – die Erforschung von Akteur:innen, Kommunikationskanälen und medialen Dynamiken globaler Kampagnen gegen den Hunger. Während für die unmittelbare Kriegs- und Nachkriegszeit bereits seit einigen Jahren Studien vorliegen,53 sind Arbeiten etwa über die Freedom from Hunger Campaign,54 die Biafra-Krise, die Hungersnot in Äthiopien oder Kampagnen wie Live Aid noch recht neu.55 Eine originelle Blick­umkehrung bietet hier insbesondere der Beitrag von Rüthers und Zhevakina im vorliegenden Heft. »Global Campaigning« bezieht sich darin auf die – durchaus intensive – Auseinandersetzung mit Hunger und Hungerhilfe in der Sowjetunion. Dabei entwarfen staatliche Akteur:innen ein sehr anderes Bild des internationalen Engagements der Sowjetunion in der Hungerhilfe, als es – an volkstümlichen Geschichten und Anekdoten ablesbar – in der (post-)sowjetischen Bevölkerung verbreitet war (und zum Teil bis heute ist).

Die Genderdimensionen von Konzepten und Praktiken der Hungerhilfe spielen auch und gerade in interdisziplinär angelegten Sammelbänden schon länger eine wichtige Rolle56 – was auch unser Coverbild widerspiegelt. Der Blick in das Gewächshaus einer Mütter-Selbsthilfegruppe, die im nördlichen Kenia für den Eigenbedarf und für den Verkauf Tomaten anbaut, liefert ein Beispiel aus dem Jahr 2011, wie die Arbeit für Ernährungssicherheit ganz praktisch aussehen kann: UNICEF und die International Organization for Migration (IOM) fördern solche Gewächshausprojekte, aber die Hauptakteur:innen sind die (oft weiblichen) lokalen Beteiligten. Gleichwohl gibt es bisher nur wenige historische Arbeiten, die diese Dimension explizit ins Zentrum der Untersuchung stellen. Der Beitrag von Claudia Prinz hier im Heft ist auch vor diesem Hintergrund hervorzuheben, zeigt er doch, wie Frauen – und insbesondere stillende Mütter – im Verlauf der 1970er- und 1980er-Jahre gleichermaßen zu Subjekten und Objekten internationaler Hungerpräventionsprogramme wurden. Auch unser Interview mit Tom Scott-Smith markiert blinde Flecken der Forschung. Es hinterfragt etwa weibliche Erwerbsquoten und sich wandelnde Rollenbilder von Frauen in humanitären Hilfsorganisationen.

Schon diese Ausführungen zeigen, dass die Akteur:innen – Institutionen und Personen(gruppen) – ebenso vielfältig waren wie die Problemlagen, Herausforderungen und lokalen Bedingungen. Ob als staatliche Akteur:innen oder in Internationalen Organisationen, ob in NGOs oder in wissenschaftlichen Expert:innengruppen: Sie reklamierten Kompetenzen, erklärten sich zuständig (oder wiesen Zuständigkeit von sich57) und entwickelten Agenden.58 Nicht zu vergessen sind zudem Wirtschaftsunternehmen und Lobbyverbände, aber auch all jene, die Rezipient:innen der verschiedenen Programme und Maßnahmen sein sollten, sowie schließlich diejenigen, die in Bild und Text über Hunger und Mangel berichteten.

Dem Leiden Gesichter geben: Ein Kameramann fotografiert Anfang 1983 Hungernde in Äthiopien, die sich in der Hoffnung auf Hilfe am Ende einer Straße versammelt haben. In den folgenden Jahren spitzten sich die Ernteausfälle und ihre Folgen für die Bevölkerung noch mehr zu, und Fotos aus Äthiopien zirkulierten weltweit. Für Journalist:innen (und Historiker:innen) stellt sich damit die grundsätzliche Frage, wie mit Bildern solcher Notsituationen ethisch umzugehen ist. Als gültiger Standard haben sich Dokumentation und Analyse der Entstehungsbedingungen herauskristallisiert. (picture-alliance/dpa)
Dem Leiden Gesichter geben: Ein Kameramann fotografiert Anfang 1983 Hungernde in Äthiopien, die sich in der Hoffnung auf Hilfe am Ende einer Straße versammelt haben. In den folgenden Jahren spitzten sich die Ernteausfälle und ihre Folgen für die Bevölkerung noch mehr zu, und Fotos aus Äthiopien zirkulierten weltweit.
Für Journalist:innen (und Historiker:innen) stellt sich damit die grundsätzliche Frage, wie mit Bildern solcher Notsituationen ethisch umzugehen ist.
Als gültiger Standard haben sich Dokumentation und Analyse der Entstehungsbedingungen herauskristallisiert.
(picture-alliance/dpa)

Folgerichtig thematisiert das vorliegende Themenheft eine Vielzahl von Akteur:in­nen. Auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit ergibt sich eine lange Liste: Staaten und Regierungen, ihre Parlamente, Ministerien, Behörden und Forschungseinrichtungen, aber auch Internationale Organisationen wie die WHO mit den Mitarbeiter:innen ihrer diversen Programme und Regionalbüros, daneben UNICEF, die FAO, die Weltbank sowie das Welternährungsprogramm, Nichtregierungsorganisationen und karitative Einrichtungen – in den Ländern des Globalen Südens wie des Nordens, von Ernährungsexpert:innen in Zentralamerika über indische Frauenorganisationen bis hin zu nordamerikanischen und europäischen Hilfsorganisationen. Auch große Stiftungen sind zu nennen, traditionell etwa die Rockefeller und die Ford Foundation,59 sowie in der Gegenwart immer häufiger auch Stiftungen wie die Bill and Melinda Gates Foundation. In all diesen Institutionen waren (und sind) wissenschaftliche Expert:innen vielfältiger Disziplinen involviert, darunter Ernährungswissenschaft­ler:innen, Mediziner:innen und andere Angehörige der Gesundheitsberufe bzw. Gesundheitsfürsorge, Lebensmittelchemiker:innen, Infrastrukturexpert:innen, aber auch Ökonom:innen, Sozialwissenschaftler:innen, Ethnolog:innen sowie viele Vertre­ter:innen weiterer Sparten, national wie transnational. Beteiligte finden sich zudem in Privatunternehmen und internationalen Konzernen, etwa unter landwirtschaftlichen Produzenten (die Überschüsse qua Lebensmittelhilfe absetzen wollten oder ebendiese Hilfen als sie benachteiligende Markteingriffe fürchteten).60 Hinzu traten Theaterleute, Filmschaffende, Schriftsteller:innen und andere Künstler:innen, Journa­list:innen und Fotograf:innen, die Diskurse und Bildgedächtnis (mit-)prägten, wie etwa Joanna Simonow in diesem Heft anhand der Pressedarstellung des Hungers in Bengalen von 1943 eindrücklich zeigt. Schließlich ist die Gruppe der Rezipient:innen überaus breit, reicht sie doch von den Konsument:innen der sogenannten »wonder foods« über die Mütter, die sich entschieden, entweder zu stillen oder Babynahrung zu füttern, bis hin zu jenen, die in Zeitungen, Romanen, Filmen oder Theaterproduktionen mit dem Leid und der Not von Hungernden konfrontiert wurden (und sich ggf. zu Spenden motiviert sahen).

»Weltmarkt« in Herne, Dezember 1974, mit Spendenplakaten von »Brot für die Welt« im Schaufenster. Das evangelische Hilfswerk entstand ab Ende 1959 mit ersten Spendenaktionen und existiert bis heute. Eine unabhängige geschichtswissenschaftliche Studie über die Tätigkeit dieser Organisation fehlt bisher noch. (Foto: Peter Monschau [1945–2013]/Archiv Ralf Piorr)
»Weltmarkt« in Herne, Dezember 1974,
mit Spendenplakaten von »Brot für die Welt« im Schaufenster.
Das evangelische Hilfswerk entstand ab Ende 1959
mit ersten Spendenaktionen und existiert bis heute.
Eine unabhängige geschichtswissenschaftliche Studie über
die Tätigkeit dieser Organisation fehlt bisher noch.
(Foto: Peter Monschau [1945–2013]/Archiv Ralf Piorr)

Ist schon die Liste der Akteur:innen kaum überschaubar und nur schwer zu systematisieren, gilt dies zugespitzt für die Interaktionen, Aushandlungsprozesse und Deutungskämpfe in ihren je spezifischen (Teil-)Öffentlichkeiten. So zeigen, um zwei Beispiele aus dem Heft herauszugreifen, zum einen Berth und Wieters das US-amerikanische Agrarministerium in den 1950er-Jahren als wichtigen Verhandlungspartner von NGOs und Agrarindustrie, von Kongress und Senat, von Nehmerländern und Internationalen Organisationen. Das Ministerium hatte zunächst die Interesse der einheimischen Produzenten im Blick, bevor die Lebensmittelindustrie zu einem immer bedeutenderen, aber keinesfalls unumstrittenen Akteur der internationalen Nahrungsmittelhilfe wurde (man denke etwa an den Nestlé-Boykott in den späten 1970er- und den 1980er-Jahren61). Als zweites Beispiel mag das Bestreben der USA seit den 1960er-Jahren gelten, nicht zuletzt aus geopolitischen Gründen die erneute Verbreitung der Cholera durch Unterstützung von Forschung in Indien und Ostpakistan/Bangladesch stoppen zu wollen, wie Prinz erläutert. In der Folge etablierte sich seit den 1970er-Jahren auch in den Ländern des Globalen Südens eine Gesundheitserziehung, die die Prävention von Mangelernährung mit der Armutsbekämpfung verband.

Anschließend an Forschungen zur United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRAA),62 zur Weltbank63 oder demnächst zu John Boyd Orr, dem ersten Generaldirektor der FAO,64 beleuchten die Beiträge nicht zuletzt die auf diesen Bühnen ausgetragenen Konflikte zwischen erst kurz zuvor dekolonisierten Ländern des Globalen Südens, deren Gesundheitssysteme vielfach noch im Aufbau waren, und den Geberstaaten des Globalen Nordens, die oftmals auf eine Vergangenheit als Kolonialmächte zurückblickten.65 Gleichwohl griffe ein Narrativ, das vor allem in den Kategorien des Nord-Süd-Gegensatzes denkt, zu kurz. Stets mitzudenken sind die Dimensionen der Blockkonfrontation, in der es den Ländern der sogenannten westlichen Hemisphäre auch und besonders darum ging, die Überlegenheit ihres Systems gegenüber der Moskauer Konkurrenz in Szene zu setzen. Doch während Studien zur sowjetischen Entwicklungspolitik mittlerweile vorliegen,66 ist die Hungerhilfe bisher weitgehend ein Desiderat der Forschung geblieben – obwohl, wie Rüthers und Zhevakina in ihrem Beitrag zeigen, die politische Führung des Landes schon früh den Export von Getreide und Hilfsgütern betrieb, allen Versorgungsengpässen in der eigenen Bevölkerung zum Trotz.

3. Wissensordnungen

Einer der roten Fäden, die sich durch unser Heft ziehen, ist die Frage nach Wissensbeständen und nach den Akteur:innen, die diese generierten und kommunizierten. Damit rücken auch Wissensordnungen als sich wandelnde Deutungen von Wirklichkeit und die Vielzahl der beteiligten Expert:innen in den Vordergrund.67 Wissen und der darauf aufbauende Wahrheitsanspruch, so hat die Forschung der letzten Jahre herausgearbeitet, lassen sich als Ergebnisse sozialer Praktiken verstehen, die an einen bestimmten historischen Kontext gebunden sind.68 Dies zeigen die Beiträge in vielfältiger Weise. Auf den Text von Hannig zu Amartya Sen ist weiter oben bereits verwiesen worden. Berth und Wieters thematisieren zudem die Generierung von »caloric knowledge«, während Prinz die Mühen der Erzeugung verlässlicher Daten anspricht – war ein wachsendes »Vertrauen in Zahlen« doch Teil der wissensbasierten Prozesse moderner Staatlichkeit seit dem späten 19. Jahrhundert.69 In der Sowjetunion war es dagegen nicht zuletzt der Mangel an (veröffentlichten) Zahlen, der die Bevölkerung über das Ausmaß der Hilfsleistungen spekulieren und Überzeugungen entstehen ließ, man habe »halb Afrika gefüttert«.

Wissensgenerierung erfolgte somit an Schnittstellen – etwa von Ernährungswissenschaften, Lebensmittelchemie und dem Input von Praktiker:innen und Konsu­ment:innen vor Ort. Sie konnte sich in je eigenen Angeboten niederschlagen, nachdem etwa die Hilfsorganisation CARE schon früh gelernt hatte, dass westliche Lebensmittelspenden nicht unbedingt den diätetischen Notwendigkeiten – und oft noch viel weniger dem Geschmack – derer entsprachen, denen damit geholfen werden sollte. Die Generierung von Wissen zur Bekämpfung von Durchfall-Erkrankungen wiederum erfolgte im Zusammenklang von Gesundheitspolitik, Studien zur Kindersterblichkeit, Fragen der Demographie und einem sich vertiefenden Menschenrechtsdiskurs. Bei der Vermittlung von Wissen kam den Massenmedien, aber auch kulturellen Produkten eine hohe Bedeutung zu. Gerade die Bildberichterstattung vermittelte den Medienkonsument:innen im Globalen Norden weit entfernte Geschehnisse, formulierte moralische Verpflichtungen und verband diese über die Hungerhilfe hinaus auch mit politischen Forderungen. Verschiedene Wissensformen standen dabei nicht selten in einem Spannungsverhältnis – am offensichtlichsten, wenn wissenschaftlich generiertes Wissen auf lokales, erfahrungsbasiertes Wissen traf.

Stärker auf die Metropolen geblickt, reflektiert Wissen als Ergebnis spezifischer sozialer Praktiken auch die ideologischen Prämissen der sogenannten Supermächte im Kalten Krieg, die beide bestrebt waren, mittels Hungerhilfe die Überlegenheit des eigenen Regimes und dessen Modernität zu beweisen sowie geopolitische Positionen zu verteidigen oder zu erobern. Wachstumsorientierte US-amerikanische Sozial­wissenschaftler:innen konnten sich dabei in ihrer Betonung einer zunehmenden Relevanz von Technik und wissenschaftlichem Wissen als Ressourcen gesellschaftlicher Veränderungen durchaus mit nicht weniger modernisierungsorientierten Positionen sowjetischer Sozialwissenschaftler:innen und Planungsexpert:innen treffen – und doch blieben beide Seiten meist zutiefst überzeugt von der Vorrangstellung des eigenen Systems.70 Verhandelt wurden somit, auch dies spiegelte sich in den Wissensbeständen wider, konkurrierende Entwürfe von Moderne. Dabei erschien Protago­nist:innen in den Ländern des Globalen Südens das sowjetische Angebot gerade in den 1960er-Jahren häufig als ein »erreichbares«, was für die US-amerikanischen Entwürfe nicht unbedingt galt.

Zudem waren die Voraussetzungen der Wissensgenerierung keineswegs frei von moralischen Argumenten, wie sie sich in den ethischen Implikationen von Menschenrechtsdiskursen abbilde(te)n, aber auch von paternalistischen Perspektiven. Fragen nach Prägungen von Fortschritts-, Modernisierungs- und Wachstumsdenken sowie daraus sich ergebenden Kategorien der Rückständigkeit, Überbevölkerungsängsten71 und möglichen rassistischen Mustern sind daher wichtiger Bestandteil einer Wissensgeschichte, wie Scott-Smith im vorliegenden Interview am Beispiel von John Boyd Orr verdeutlicht. So lassen sich schließlich auch biographische Zugriffe als weitere Möglichkeit der historiographischen Erforschung des internationalen Kampfes gegen den Hunger herausstellen. Scott-Smith betrachtet den Ernährungswissenschaftler Boyd Orr als jemanden, der sich vom konservativen Nationalisten und Imperialisten durch Kriegserfahrung zu einem ambivalenten Friedensaktivisten wandelte, der 1949 mit dem Nobelpreis geehrt wurde und als erster Direktor der FAO engagiert den Hunger in der Welt bekämpfte. So eröffnen einzel-, aber auch gruppenbiographische Ansätze die Chance, sich ändernde soziale Rollen, Entwicklungslinien, Brüche und Ambivalenzen im Denken und Handeln prominenter »Kämpfer:innen gegen den Welthunger« herauszustellen.72 Während eine ausführliche biographische Untersuchung der Rolle Amartya Sens in diesem Kontext noch aussteht, zeigt die Vergabe des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an ihn im Herbst 2020,73 aber auch der Friedensnobelpreis für das Welternährungsprogramm im gleichen Jahr,74 dass die Debatten über ein Ende des Hungers auch in der Gegenwart nichts an Aktualität eingebüßt haben.

4. Ausblick

Trotz aller öffentlicher Anerkennung der Relevanz politischer Diskussionen um den Hunger in der Welt und die Hilfe für Betroffene: Die Frage der Umsetzung effektiver Maßnahmen bleibt strittig. Multi-Milliardär Elon Musk legte im Herbst 2021 den Finger in alte Wunden, als er via Twitter anbot, umgehend Unternehmensaktien im Wert von 6 Milliarden Dollar zu verkaufen und den Erlös zu spenden, wenn das Welternährungsprogramm überzeugend darlegen könne, dass das Geld den Hunger auch wirklich ein für alle Mal beende.75

Den Welthunger mit einem Tweet (und viel Geld) beseitigen? Elon Musk fand im Oktober 2021 mit seinem Vorstoß zumindest große Resonanz.
Den Welthunger mit einem Tweet
(und viel Geld) beseitigen?
Elon Musk fand im Oktober 2021 mit seinem Vorstoß zumindest große Resonanz.

Die Debatte um Machbarkeit und Möglichkeit globaler Strategien und »Strukturen« gegen den Hunger, die die Geschichte internationaler Ernährungspolitik und Hungerbekämpfung im gesamten 20. Jahrhundert flankierte, bekommt damit einen weiteren zynischen Twist: Ausreichend Nahrung ist rein rechnerisch auf dem Planeten vorhanden, und auch Geld wäre da (sofern die Staatengemeinschaft hohe Vermögen besteuerte oder die »Superreichen« etwas von ihren immensen Vermögen abzutreten bereit wären), aber es bleibt die Frage, ob die Forderung, den Hunger kurzfristig mit einer einmaligen »Finanzspritze« (und sei der Betrag auch noch so hoch) zu beenden, nicht vor allem auf einer irrwitzigen globalen Steuerungsfiktion beruht76 – und dies vor dem Hintergrund, dass die Geschichtswissenschaft den teleologischen Charakter von Entwicklungs- und Modernisierungstheorien längst herausgestellt hat. Können Welternährungsprogramm, FAO und NGOs, ja selbst die Regierungen durch »mehr Geld« wirklich dafür sorgen, dass die globalen Ernährungsprobleme »Geschichte« werden? Anders gewendet: Auch bei der Untersuchung der Zeit­geschichte eines Menschheitsproblems stellt sich die alte Frage nach structure und agency; nur ist sie hier nicht (rein) akademisch.

Es ist nicht zuletzt diese Frage, der die hier im Heft versammelten Beiträge aus der Perspektive ganz verschiedener Akteur:innen in ihren jeweiligen historischen Kontexten, Ideen- und Handlungshorizonten nachgehen. Wie wir alle diese Frage für die Gegenwart und Zukunft beantworten, bleibt offen – und ein Politikum. Unbestreitbar ist, dass Ernährungsunsicherheit, Kriege und sonstige bewaffnete Konflikte, Marktungleichgewichte, sich rapide wandelnde Konsumgewohnheiten und nicht zuletzt Armut ein (wie auch immer geartetes) »Management« von Nahrungsmangel und -überfluss erschweren.


Anmerkungen:

1 Loren Cordain,The Paleo Diet Revised. Lose Weight and Get Healthy by Eating the Foods You Were Designed to Eat, Boston 2010; Kim-Julie Hansen, Vegan Reset. The 28-Day Plan to Kickstart Your Healthy Lifestyle, Boston 2019.

2 Jürgen Martschukat, Das Zeitalter der Fitness. Wie der Körper zum Zeichen für Erfolg und Leistung wurde, Frankfurt a.M. 2019.

3 OECD, Obesity Update 2017, Paris 2017, S. 2-4.

4 Dieses Recht enthalten bereits die Artikel 3 (Recht auf Leben) und Artikel 25 (Recht auf einen die Gesundheit und das Wohl gewährleistenden Lebensstandard) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, wobei Artikel 25 in diesem Zusammenhang Nahrung explizit anspricht. Vgl. Universal Declaration of Human Rights.

6 World Obesity Federation, COVID-19 and Obesity: The 2021 Atlas. The Cost of Not Addressing the Global Obesity Crisis; United Nations, Policy Brief: The Impact of COVID-19 on Food Security and Nutrition, June 2020; siehe auch Dipa Sinha, Hunger and Food Security in the Times of Covid-19, in: Journal of Social and Economic Development 23 (2021), S. S320-S331.

7 Eine erste Definition von Ernährungssicherheit wurde 1974 auf der World Food Conference entwickelt und in der Folge immer wieder überarbeitet. Das übersetzte Zitat ist ein Ausschnitt aus der Definition vom World Food Summit des Jahres 1996; siehe FAO, Policy Brief 2/2006; zur philosophischen Debatte etwa Julia Müller, Globaler Hunger als Verletzung der menschlichen Würde. Zu den normativen Grundlagen einer moralischen Herausforderung, Berlin 2020.

8 Rupa Mukerji, Klimawandel und Hunger, Oktober 2019, URL: <https://www.globalhungerindex.org/de/issues-in-focus/2019.html>.

9 Robert E. Black u.a., Maternal and Child Undernutrition and Overweight in Low-Income and Middle-Income Countries, in: Lancet 382, 9890 (2013), S. 427-451.

11 International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (IFRC), Think Differently. Humanitarian Impacts of the Economic Crisis in Europe, Genf 2013.

12 Rhoda E. Howard-Hassmann, State Food Crimes, Cambridge 2016.

13 Mike Davis, Late Victorian Holocausts. El Niño Famines and the Making of the Third World, London 2001.

14 David B. Grigg, The World Food Problem. 1950–1980, Oxford 1985; Josué de Castro, Geography of Hunger, London 1952. Zu den deutschen Debatten um das »Welternährungsproblem« seit den 1950er-Jahren siehe z.B. Heike Wieters, Vom eigenen Hunger zum Hunger der Anderen. Die Debatten über das Welternährungsproblem in der Bundesrepublik Deutschland, 1950–1975, in: Dominik Collet/Thore Lassen/Ansgar Schanbacher (Hg.), Handeln in Hungerkrisen. Neue Perspektiven auf soziale und klimatische Vulnerabilität, Göttingen 2012, S. 215-245.

15 Kristin Phillips, An Ethnography of Hunger. Politics, Subsistence, and the Unpredictable Grace of the Sun, New York 2018; M.N. Baiphethi/P.T. Jacobs, The Contribution of Subsistence Farming to Food Security in South Africa, in: Agrekon 48 (2009), S. 459-482; Giovanni Federico, Feeding the World. An Economic History of Agriculture, 1800–2000, Princeton 2005.

16 Alexander Nützenadel/Frank Trentmann, Mapping Food and Globalization, in: dies. (Hg.), Food and Globalization. Consumption, Markets and Politics in the Modern World, Oxford 2008, S. 1-18; Marion Nestle/Michael Pollan, Food Politics. How the Food Industry Influences Nutrition and Health, Berkeley 2013; Uwe Spiekermann, Science, Fruits, and Vegetables. A Case Study on the Interaction of Knowledge and Consumption in Nineteenth- and Twentieth-Century Germany, in: Hartmut Berghoff/Uwe Spiekermann (Hg.), Decoding Modern Consumer Societies, New York 2012, S. 229-247; Heike Wieters, Hungerbekämpfung und Konsumgesellschaft. Das CARE-Paket im Kontext von Massenkonsum und »new charity«-Konzepten der Nachkriegszeit, in: Angela Müller/Felix Rauh (Hg.), Wahrnehmung und mediale Inszenierung von Hunger im 20. Jahrhundert, Basel 2014, S. 113-131.

17 Dazu etwa Matthew Hilton, The Organized Consumer Movement since 1945, in: Alain Chatriot/Marie-Emmanuelle Chessel/Matthew Hilton (Hg.), The Expert Consumer. Associations and Professionals in Consumer Society, Aldershot 2006, S. 187-203; Ruben Quaas, Fair Trade. Eine global-lokale Geschichte am Beispiel des Kaffees, Köln 2015; Benjamin Möckel, Postkolonialwaren. »Dritte-Welt-Läden« – Utopie und Heterotopie eines gerechten Handels, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 17 (2020), S. 503-529.

18 Siehe etwa Corinna Unger, Agrarwissenschaftliche Expertise und ländliche Modernisierungsstrategien in der internationalen Entwicklungspolitik, 1920er bis 1980er Jahre, in: Geschichte und Gesellschaft 41 (2015), S. 552-579; Benjamin Robert Siegel, Hungry Nation. Food, Famine, and the Making of Modern India, Cambridge 2018; sowie allgemein auch Kevin O’Sullivan, The NGO Moment. The Globalisation of Compassion from Biafra to Live Aid, Cambridge 2021.

19 Aya Hirata Kimura, Hidden Hunger. Gender and the Politics of Smarter Foods, Ithaca 2013; Hans Konrad Biesalski/Berthold Koletzko (Hg.), Hidden Hunger and the Transformation of Food Systems. How to Combat the Double Burden of Malnutrition?, Basel 2020.

20 Dazu erhellend etwa Jürgen Martschukat, Fitness und Fatness. Über Körper und Ausnahmezustände in der Zeitgeschichte, in: Hannah Ahlheim (Hg.), Gewalt, Zurichtung, Befreiung? Individuelle »Ausnahmezustände« im 20. Jahrhundert, Göttingen 2017, S. 186-200; Nina Mackert, Making Food Matter. »Scientific Eating« and the Struggle for the Healthy Selves, in: Jürgen Martschukat/Bryant Simon (Hg.), Food, Power, and Agency, London 2017, S. 105-128. Zur politischen Dimension des »Nicht-Essens« etwa Norman Aselmeyer/Veronika Settele (Hg.), Geschichte des Nicht-Essens. Verzicht, Vermeidung und Verweigerung in der Moderne, Berlin 2018.

21 Francis Adams, The Right to Food. The Global Campaign to End Hunger and Malnutrition, London 2021; Bart Wernaart, The Plural Wells of the Right to Food, in: Otto Hospes/Irene Hadiprayitno (Hg.), Governing Food Security. Law, Politics, and the Right to Food, Wageningen 2010, S. 43-80.

22 Atina Grossmann, Grams, Calories, and Food. Languages of Victimization, Entitlement, and Human Rights in Occupied Germany, 1945–1949, in: Central European History 44 (2011), S. 118-148.

23 Nick Cullather, The Foreign Policy of the Calorie, in: American Historical Review 112 (2007), S. 337-364.

24 Michelle Jurkovich, Feeding the Hungry. Advocacy and Blame in the Global Fight against Hunger, Ithaca 2020; Peter Redfield, A Less Modest Witness. Collective Advocacy and Motivated Truth in a Medical Humanitarian Movement, in: American Ethnologist 33 (2006), S. 3-26; Johannes Paulmann (Hg.), Humanitarianism & Media. 1900 to the Present, New York 2019.

25 Dazu bereits früh Luc Boltanski, Distant Suffering. Morality, Media and Politics, Cambridge 1999.

26 Exemplarisch hier Paul Erker, Hunger und sozialer Konflikt in der Nachkriegszeit, in: Manfred Gailus/Heinrich Volkmann (Hg.), Der Kampf um das tägliche Brot. Nahrungsmangel, Versorgungspolitik und Protest 1770–1990, Opladen 1994, S. 392-408; klarer auf den Wandel von Konsummustern in der Nachkriegszeit zugeschnitten auch Michael Wildt, Plurality of Taste. Food and Consumption in West Germany during the 1950s, in: History Workshop Journal 39 (1995), S. 22-41; und Wolfgang Protzner (Hg.), Vom Hungerwinter zum kulinarischen Schlaraffenland. Aspekte einer Kulturgeschichte des Essens in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1987.

27 Malte Zierenberg, Stadt der Schieber. Der Berliner Schwarzmarkt 1939–1950, Göttingen 2008; Mark Roodhouse, Black Market Britain, 1939–1955, Oxford 2013; Leonie Treber, Mythos Trümmerfrauen. Von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes, Essen 2014.

28 Karl-Ludwig Sommer, Humanitäre Auslandshilfe als Brücke zur atlantischen Partnerschaft. CARE, CRALOG und die Entwicklung der deutsch-amerikanischen Beziehungen nach Ende des Zweiten Weltkrieges, Bremen 1999; Alexander Nützenadel, »A World without Famine«? Internationale Ernährungspolitik im Zeitalter der Weltkriege, in: Comparativ 17 (2007) H. 3, S. 12-27.

29 Robert Kindler, Stalins Nomaden. Herrschaft und Hunger in Kasachstan, Hamburg 2014.

30 Christian Gerlach, Krieg, Ernährung, Völkermord. Forschungen zur deutschen Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, Hamburg 1998; Christoph Dieckmann/Babette Quinkert (Hg.), Kriegführung und Hunger 1939–1945. Zum Verhältnis von militärischen, wirtschaftlichen und politischen Interessen, Göttingen 2015.

31 Cormac Ó Gráda, Famine. A Short History, Princeton 2009; Miguel Ángel del Arco Blanco, Franco’s Famine. Malnutrition, Disease and Starvation in Post-Civil War Spain, London 2021; ders., Famine in Spain During Franco’s Dictatorship, 1939–52, in: Journal of Contemporary History 56 (2021), S. 3-27; Pierre Fuller, Famine Relief in Warlord China, Cambridge 2019; Gregg Huff, Causes and Consequences of the Great Vietnam Famine, 1944–5, in: Economic History Review 72 (2019), S. 286-316.

32 E.P. Thompson, The Moral Economy of the English Crowd in the Eighteenth Century, in: Past & Present 50 (1971), S. 76-136; Marianne Kamp, Hunger and Potatoes. The 1933 Famine in Uzbekistan and Changing Foodways, in: Kritika. Explorations in Russian and Eurasian History 20 (2019), S. 237-267; aktuell dazu auch Edward Newman, Hungry, or Hungry for Change? Food Riots and Political Conflict, 2005–2015, in: Studies in Conflict & Terrorism 43 (2020), S. 300-324.

33 Tatjana Tönsmeyer, Supply Situations. National Socialist Policies of Exploitation and Economies of Shortage in Occupied Societies During World War II, in: dies./Peter Haslinger/Agnes Laba (Hg.), Coping with Hunger and Shortage under German Occupation in World War II, Basingstoke 2019, S. 3-26. Siehe außerdem Tatjana Tönsmeyer u.a. (Hg.), Fighting Hunger, Dealing with Shortage. Everyday Life under German Occupation in World War II Europe, 2 Bde., Leiden 2021.

34 Lizzie Collingham, The Taste of War. World War Two and the Battle for Food, London 2011; siehe auch Alice A. Weinreb, Modern Hungers. Food and Power in Twentieth-Century Germany, Oxford 2017.

35 Siehe dazu etwa die beiden im Entstehen begriffenen Studien von Laura Eckl zu »Hunger in der Charkiver und Sumy Oblast. Erfahrungsräume und Konfliktlinien im Umgang mit Mangel während der deutschen Besatzung 1941–1943« sowie von Sibel Koç mit dem Titel »Alliierte Besatzung Istanbuls 1918–1923. Begegnungen innerhalb der Besatzungsgesellschaft« (beide an der Bergischen Universität Wuppertal).

36 Heritages of Hunger, Radboud Institute for Culture & History, Nijmegen.

37 Helen Zoe Veit, Modern Food, Moral Food. Self-Control, Science, and the Rise of Modern American Eating in the Early Twentieth Century, Chapel Hill 2013.

38 James Vernon, Hunger. A Modern History, Cambridge 2007; ders., The Ethics of Hunger and the Assembly of Society. The Techno-Politics of the School Meal in Modern Britain, in: American Historical Review 110 (2005), S. 693-725.

39 Joël Glasman, Humanitarianism and the Quantification of Human Needs. Minimal Humanity, Abingdon 2020; Tom Scott-Smith, On an Empty Stomach. Two Hundred Years of Hunger Relief, Ithaca 2020.

40 Michael N. Barnett, Empire of Humanity. A History of Humanitarianism, Ithaca 2011; Florian Hannig, Am Anfang war Biafra. Humanitäre Hilfe in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a.M. 2021; Emily S. Rosenberg, Missions to the World. Philanthropy Abroad, in: Lawrence Jacob Friedman/Mark Douglas McGarvie (Hg.), Charity, Philanthropy, and Civility in American History, Cambridge 2004, S. 241-257.

41 Julia Irwin, Making the World Safe. The American Red Cross and a Nation’s Humanitarian Awakening, Oxford 2013.

42 Daniel Roger Maul, »Silent Army of Representatives« – Amerikanische NGOs und die Entstehung internationaler Mechanismen humanitärer Hilfe 1917–1939, in: Christoph Meyer/Sönke Kunkel (Hg.), Aufbruch ins postkoloniale Zeitalter. Globalisierung und die außereuropäische Welt in den 1920er und 1930er Jahren, Frankfurt a.M. 2012, S. 105-122; Farah Mendlesohn, Quaker Relief Work in the Spanish Civil War, Lewiston 2002; Rebecca Gill, Networks of Concern, Boundaries of Compassion. British Relief in the South African War, in: Journal of Imperial and Commonwealth History 40 (2012), S. 827-844.

43 Rachel M. McCleary, Global Compassion. Private Voluntary Organizations and U.S. Foreign Policy since 1939, Oxford 2009; Heike Wieters, The NGO CARE and Food Aid from America, 1945–80. ›Showered with Kindness‹?, Manchester 2017; Christopher J. Kauffman, Politics, Programs, and Protests. Catholic Relief Services in Vietnam, 1954–1975, in: Catholic Historical Review 91 (2005), S. 223-250.

44 Kevin O’Sullivan, »A Global Nervous System«. The Rise and Rise of European Humanitarian NGOs, 1945–1985, in: Marc Frey/Sönke Kunkel/Corinna R. Unger (Hg.), International Organizations and Development, 1945–1990, Basingstoke 2014, S. 196-219.

45 Samuel Moyn, Not Enough. Human Rights in an Unequal World, Cambridge 2018; dazu jedoch auch Benjamin Möckel, Endtimes of Human Rights? Neue Forschungen zur Geschichte der Menschenrechte, in: Neue Politische Literatur 65 (2020), S. 473-501.

46 Ruth Jachertz/Alexander Nützenadel, Coping with Hunger? Visions of a Global Food System, 1930–1960, in: Journal of Global History 6 (2011), S. 99-119; Corinne A. Pernet/Amalia Ribi Forclaz, Revisiting the Food and Agriculture Organization (FAO). International Histories of Agriculture, Nutrition, and Development, in: International History Review 41 (2019), S. 345-350; Amy L.S. Staples, The Birth of Development. How the World Bank, Food and Agriculture Organization, and World Health Organization Changed the World, 1945–1965, Kent 2007; Amalia Ribi Forclaz, From Reconstruction to Development. The Early Years of the Food and Agriculture Organization (FAO) and the Conceptualization of Rural Welfare, 1945–1955, in: International History Review 41 (2019), S. 351-371.

47 Odd Arne Westad, The Global Cold War. Third World Interventions and the Making of Our Times, Cambridge 2008; Nick Cullather, The Hungry World. America’s Cold War Battle against Poverty in Asia, Cambridge 2010.

48 Mitchel B. Wallerstein, Food for War – Food for Peace. United States Food Aid in a Global Context, Cambridge 1980.

49 Sumanta Banerjee, Food Aid. Charity or Profitable Business?, in: Economic and Political Weekly 16 (1981), S. 176-178; John Cathie, European Food Aid Policy, Aldershot 1997; Kristin L. Ahlberg, Transplanting the Great Society. Lyndon Johnson and Food for Peace, Columbia 2008; Kiran Klaus Patel, Europäisierung wider Willen. Die Bundesrepublik Deutschland in der Agrarintegration der EWG 1955–1973, München 2009.

50 Janet Poppendieck, Breadlines Knee-deep in Wheat. Food Assistance in the Great Depression, New Brunswick 1986, updated and expanded edition Berkeley 2014; Susan Levine, School Lunch Politics. The Surprising History of America’s Favorite Welfare Program, Princeton 2008; Christine Meyer, Hunger und Soziale Arbeit. Eine Einführung, Wiesbaden 2021.

51 Christiane Berth, Food and Revolution. Fighting Hunger in Nicaragua, 1960–1993, Pittsburgh 2020; Christina Sathyamala, Nutritionalizing Food. A Framework for Capital Accumulation, in: Development and Change 47 (2016), S. 818-839; Uwe Spiekermann, Künstliche Kost. Ernährung in Deutschland, 1840 bis heute, Göttingen 2018; Ulrike Thoms, The Technopolitics of Food. The Case of German Prison Food from the Late Eighteenth to the Early Twentieth Centuries, in: Osiris 35 (2020), S. 162-182; Corinna Treitel, Nutritional Modernity. The German Case, in: Osiris 35 (2020), S. 183-203.

52 Wernaart, The Plural Wells of the Right to Food (Anm. 21).

53 Tammy M. Proctor, An American Enterprise? British Participation in US Food Relief Programmes (1914–1923), in: First World War Studies 5 (2014), S. 29-42; Jessica Reinisch, Internationalism in Relief. The Birth (and Death) of UNRRA, in: Mark Mazower/Jessica Reinisch/David Feldman (Hg.), Post-War Reconstruction in Europe. International Perspectives, 1945–1949, Oxford 2011, S. 258-289; Matthew Lloyd Adams, Herbert Hoover and the Organization of the American Relief Effort in Poland (1919–1923), in: European Journal of American Studies 4 (2009) H. 2, Document 2.

54 Matthew James Bunch, All Roads Lead to Rome. Canada, the Freedom from Hunger Campaign, and the Rise of NGOs, 1960–1980, Waterloo 2007; Heike Wieters, On Fishing in other Peoples Ponds. The Freedom from Hunger Campaign, International Fundraising and the Ethics of NGO Publicity, in: Paulmann, Humanitarianism & Media (Anm. 24), S. 185-200.

55 O’Sullivan, The NGO Moment (Anm. 18); Hannig, Am Anfang war Biafra (Anm. 40); Lasse Heerten, The Biafran War and Postcolonial Humanitarianism. Spectacles of Suffering, Cambridge 2018; Tobias Hof, Die Medien und die Hungerkrisen in Äthiopien in den 1970er und 80er Jahren, in: Agnes Bresselau von Bressensdorf (Hg.), Über Grenzen. Migration und Flucht in globaler Perspektive seit 1945, Göttingen 2019, S. 293-312; Ken Waters, Influencing the Message. The Role of Catholic Missionaries in Media Coverage of the Nigerian Civil War, in: Catholic Historical Review 90 (2004), S. 697-718; Christopher Einolf/Deborah Philbrick/Kelly Slay, National Giving Campaigns in the United States. Entertainment, Empathy, and the National Peer Group, in: Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly 42 (2013), S. 241-261; Benjamin Möckel, Empathie als Fernsehereignis. Bilder des Hungers und das Live Aid Festival 1985, in: Nebulosa 8 (2015), S. 83-93.

56 Yan Chen/Ming Jiang/Erin L. Krupka, Hunger and the Gender Gap, in: Experimental Economics 22 (2019), S. 885-917; historisch etwa Mary Elizabeth Cox, Hunger in War and Peace. Women and Children in Germany, 1914–1924, Oxford 2019.

57 Gregory Mann, From Empires to NGOs in the West African Sahel. The Road to Nongovernmentality, Cambridge 2015.

58 Akira Iriye, Global Community. The Role of International Organizations in the Making of the Contemporary World, Berkeley 2002; Madeleine Herren, Internationale Organisationen seit 1865. Eine Globalgeschichte der internationalen Ordnung, Darmstadt 2009.

59 Edward H. Berman, The Ideology of Philanthropy. The Influence of the Carnegie, Ford, and Rockefeller Foundations on American Foreign Policy, Albany 1983; Corinna Unger, Investieren in die Moderne. Amerikanische Stiftungen in der Dritten Welt seit 1945, in: Thomas Adam/Simone Lässig/Gabriele Lingelbach (Hg.), Stifter, Spender und Mäzene. USA und Deutschland im historischen Vergleich, Stuttgart 2009, S. 253-286; Corinna Unger, Towards Global Equilibrium. American Foundations and Indian Modernization, 1950s to 1970s, in: Journal of Global History 6 (2011), S. 121-142.

60 Aaron D. Rietkerk, ›The Constructive Use of Abundance‹. The UN World Food Programme and the Evolution of the International Food-Aid System during the Post-War Decades, in: International History Review 38 (2016), S. 788-813; James Wright/Amy Donley/Sara Strickhouser Vega, Hunger in the Land of Plenty. A Critical Look at Food Insecurity, Boulder 2019.

61 Tehila Sasson, Milking the Third World? Humanitarianism, Capitalism, and the Moral Economy of the Nestlé Boycott, in: American Historical Review 121 (2016), S. 1196-1224; Deborah M. Valenze, Milk. A Local and Global History, New Haven 2011; Nestle/Pollan, Food Politics (Anm. 16).

62 Silvia Salvatici, Professionals of Humanitarianism. UNRRA Relief Officers in Post-War Europe, in: Johannes Paulmann (Hg.), Dilemmas of Humanitarian Aid in the Twentieth Century, Oxford 2016, S. 235-259; Reinisch, Internationalism in Relief (Anm. 53).

63 Michele Alacevich, The Political Economy of the World Bank. The Early Years, Stanford 2009; David L. Brown/David C. Korten, Working More Effectively with Nongovernmental Organizations, in: Samuel Paul/Arturo Israel (Hg.), Nongovernmental Organizations and the World Bank. Cooperation for Development, Washington, D.C. 1991, S. 44-93; Staples, Birth of Development (Anm. 46).

64 Siehe dazu das Interview mit Tom Scott-Smith in diesem Heft sowie Amy L.S. Staples, Norris E. Dodd and the Connections between Domestic and International Agricultural Policy, in: Agricultural History 74 (2000), S. 393-403.

65 Marc Frey, Control, Legitimacy, and the Securing of Interests. European Development Policy in South-East Asia from the Late Colonial Period to the Early 1960s, in: Contemporary European History 12 (2003), S. 395-412; Martin Rempe, From Development Business to Civil Society? Societal Actors in EEC Development Cooperation, in: Wolfram Kaiser/Jan-Henrik Meyer (Hg.), Societal Actors in European Integration. Polity-Building and Policy-Making, 1958–1992, Basingstoke 2013, S. 129-150; Heerten, Biafran War (Anm. 55).

66 Paul Robinson, Aiding Afghanistan. A History of Soviet Assistance to a Developing Country, London 2013; Elizabeth Bishop, Assuan, 1959. Sowjetische Entwicklungspolitik – die Perspektive der »Gender-History«, in: Andreas Hilger (Hg.), Die Sowjetunion und die Dritte Welt. UdSSR, Staatssozialismus und Antikolonialismus im Kalten Krieg 1945–1991, München 2009, S. 67-82. Siehe auch Ragna Boden, Die Grenzen der Weltmacht. Sowjetische Indonesienpolitik von Stalin bis Brežnev, Stuttgart 2006, S. 176-196.

67 Hier sei auf das ERC-Projekt »Humanitarianism and Mediterranean Europe: A Transnational and Comparative History (1945–1990)« von Silvia Salvatici verwiesen: <https://www.unifimagazine.it/erc-unifi-silvia-salvatici/>.

68 Zusammenfassend Christiane Reinecke, Wissensgesellschaft und Informationsgesellschaft, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.2.2010.

69 Theodore M. Porter, Trust in Numbers. The Pursuit of Objectivity in Science and Public Life, Princeton 1995; Peter Collin/Thomas Horstmann (Hg.), Das Wissen des Staates. Geschichte, Theorie und Praxis, Baden-Baden 2004; Adam J. Tooze, Statistics and the German State, 1900–1945. The Making of Modern Economic Knowledge, Cambridge 2001.

70 Greg Whitesides, Science and American Foreign Relations since World War II, Cambridge 2019; Elena Aronova/Simone Turchetti (Hg.), Science Studies during the Cold War and Beyond. Paradigms Defected, New York 2016.

71 Petra Overath, Bevölkerungsforschung transnational. Eine Skizze zu Interaktion zwischen Wissenschaft und Politik am Beispiel der International Union for the Scientific Study of Population, in: dies. (Hg.), Die vergangene Zukunft Europas. Bevölkerungsforschung und -prognosen im 20. und 21. Jahrhundert, Köln 2011, S. 57-83; Matthew Connelly, Population Control Is History. New Perspectives on the International Campaign to Limit Population Growth, in: Comparative Studies in Society and History 45 (2003), S. 122-147.

72 Thomas Etzemüller, Biographien. Lesen – erforschen – erzählen, Frankfurt a.M. 2012; Simone Lässig, Biography in Modern History – Modern Historiography in Biography, in: Volker Berghahn/Simone Lässig (Hg.), Biography between Structure and Agency. Central European Lives in International Historiography, Oxford 2008, S. 1-27.

75 Vgl. Caroline Fetscher, Mit Essen spielt man nicht, in: Tagesspiegel, 3.11.2021, S. 6.

76 James C. Scott, Seeing like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed, New Haven 1998.

 

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