»Wir füttern halb Afrika«

Sowjetische Lebensmittelhilfe: Geschichte – Propaganda – Kritik


  1. Die Sowjetunion zwischen Hunger, Getreidekult und Exporten
  2. Sowjetische Diskurse über Hilfsleistungen
    in Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft
  3. Über andere sprechen und die Sowjetunion meinen –
    Äsopische Sprache
  4. Fazit

Anmerkungen

Ein Kolchos berichtete dem Rayonkomitee, er habe zwei Schweine produziert. Auf Rayon­ebene fanden sie, dass zwei Schweine wenig seien, und korrigierten den Bericht. Sie schrieben vier Schweine hinein und schickten ihn nach oben, zur Distriktverwaltung (Oblast’). Hier wiederholte sich die Geschichte, im Bericht standen jetzt sechs Schweine. So ging es weiter, bis der Bericht am Ende mit zehn Schweinen beim Ministerium ankam. Dort freuten sie sich über die zehn Schweine und sagten: »Wunderbar! Wir schicken
zwei Schweine unseren hungernden Freunden ins Ausland, uns bleiben dann noch acht!«

(Anekdote aus den 1960er-Jahren)1

Während des Kalten Krieges wurden humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe2 zu Werkzeugen, um die ehemaligen Kolonialstaaten auf die Seite einer der Großmächte zu ziehen. In der historischen Forschung hat das sowjetische Engagement bei der internationalen Hungerhilfe allerdings bislang wenig Beachtung gefunden.3 Ökonomische Forschungen befassten sich vorwiegend mit Planwirtschaft, Wirtschaftsentwicklung und Handelsbeziehungen, und auch die sowjetische Agrarproduktion ist gut untersucht.4 Erst vor wenigen Jahren entstanden historische Studien zur Systemkonkurrenz in der Entwicklungshilfe, etwa am Beispiel Afghanistans,5 während die sowjetische Entwicklungspolitik nun im Rahmen der Globalgeschichte analysiert wird.6 Ein neuerer russischer Sammelband präsentiert aktuelle Forschungen zu den sowjetisch-afrikanischen Beziehungen und greift auch afrikanische Perspektiven auf.7 In der westlichen Forschungsliteratur zur Lebensmittelhilfe stehen dagegen nach wie vor die USA als wichtigstes Geberland im Mittelpunkt.8

Der vorliegende Beitrag untersucht sowjetische Diskurse zur Welternährung und Hungerhilfe im »Zeitalter der Ideologien«. Konkret geht es um internationale Hilfe und Hungerhilfe der Sowjetunion in den 1950er- bis 1980er-Jahren.9 Die wirtschaftlichen Aspekte der sowjetischen Entwicklungspolitik wurden eng von auf internationale Beziehungen spezialisierten Ökonominnen und Ökonomen (sog. ėkonomisty-meždunarodniki) begleitet. Als Materialgrundlage dienen hier die Veröffentlichungen des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Akademie der Wissenschaften (IMĖMO). Die renommierte Fachzeitschrift »Mirovaja ėkonomika i meždunarodnye otnošenija« (»Weltwirtschaft und internationale Beziehungen«, MĖMO) war auch Basis für die Berichterstattung in der sowjetischen Presse. Der Hauptredakteur Jakov S. Chavinson kam von der »Pravda«, hatte Erfahrungen in der Stalinzeit gesammelt und steuerte die Zeitschrift über drei Jahrzehnte durch die Untiefen zwischen »Orthodoxen« im Zentralkomitee der KP und »Liberalen« am Institut.10

Eine Reihe zeitgenössischer Anekdoten sowie 14 Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen beleuchten die Rezeption der Themen Hungerhilfe und Entwicklungspolitik und ihrer Vermittlung in den Medien. Als wichtigen analytischen Zugriff auf das Thema betrachten wir das Konzept der Performanz.11 Alexei Yurchak hat in seiner einflussreichen Studie auf die »performative Verschiebung«12 der späten Sowjetzeit hingewiesen, in der viele Menschen ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nur noch der Form halber nachkamen und Institutionen wie der Komsomol zu Hülsen mutiert waren, in denen eigene Interessen verfolgt werden konnten. Diese »performative Verschiebung« betraf auch den »autoritativen Diskurs«, wie Yurchak unter Bezugnahme auf Michail Bachtin die offizielle und unanfechtbare Sprache der Verlautbarung nennt:13 Die Nachrichten wurden zu Geräuschkulissen, deren Inhalte nicht mehr als verlässliche Realitätsbeschreibungen gelesen werden konnten.

Eine Form des Sprechens über sich selbst sind Anekdoten. Populärkultur bewegt sich im Spannungsfeld der Interessen von »oben« und »unten« einer Gesellschaft. Die kleinen Siege, die die Subalternen dabei erringen, sind Motor der populären Unterhaltung und immer auch politisch.14 Die Kulturanthropologen Dennis G. Ioffe und Serguei A. Oushakine weisen auf die besondere Relevanz der Witze und der ironischen Kunst für das Verständnis der späten Sowjetunion hin.15 In der Chruščev- und der Brežnev-Zeit zirkulierten die gewagteren Witze in Teilöffentlichkeiten zu Hause und unter Freunden. Es gab aber auch offizielle Plattformen, etwa die Satirezeitschrift »Krokodil«, das Fernsehen und öffentliche Anlässe. Hier lachten die Oberen und die »Massen« gemeinsam über zensierte Varianten. Die Anekdote erlaubte Äußerungen der Unzufriedenheit, schrieb aber Missstände oft einzelnen Personen oder Gruppen zu und hegte sie somit ein. Witzeerzählen war ein Akt der Mikro-Opposition.16 Lachen oder das »wissende Lächeln«17 erzeugte ein Gefühl der Zusammengehörigkeit,18 entlarvte Mängel und bestätigte die Kompetenz, mit der alltäglichen Mehrdeutigkeit umgehen zu können.19 In diese Arena des Eigen-Sinns gehörte auch die bereits während der Zensur der Zarenzeit kultivierte russische Kunst der äsopischen Sprache, des Sprechens in Fabeln, das Verhältnisse auf andere Akteure, Orte oder Zeiten überträgt, um sie kommentieren zu können.20 Das ironiefreie Gegenstück war die abendliche Aufführung der Nachrichtensendung »Vremja« (»Zeit«) um 21 Uhr Moskauer Zeit auf allen Kanälen. Diese Sendung erreichte Mitte der 1980er-Jahre 90 Prozent der Bevölkerung. »Vremja« wurde von den Führungseliten rezipiert, der Nachrichtensprecher war der Verkünder des »autoritativen Diskurses« im Land. Das Erscheinungsbild, das Aussehen der Darsteller, ihre Kleidung und Haltung waren genau vorgeschrieben.21 Die Fernsehnachrichten, Anekdoten und Fabeln waren ritualisierte Aufführungen: Indem sie die Mythen und Ideologeme auf das aktuelle Geschehen übertrugen, gaben sie diesem eine narrative Form und leisteten Hilfe bei dessen Interpretation.

Unser Beitrag schildert, wie in der Sowjetunion trotz Erfahrungen von Hunger und Versorgungsengpässen der Export von Getreide und Hilfsgütern dargestellt und in populärwissenschaftlichen Diskursen der 1950er- bis 1980er-Jahre gerechtfertigt wurde, wie die Bürgerinnen und Bürger die Informationen durch die Medien wahrnahmen und kommentierten und wie sich der Eindruck festigte, die Sowjetunion »füttere halb Afrika«.

1. Die Sowjetunion zwischen Hunger, Getreidekult und Exporten

Die letzte einer Reihe von Hungerkatastrophen, die zwischen 1921 und 1923 bis zu fünf Millionen Tote und während der durch die Zwangskollektivierung ausgelösten Hungerkrise von 1932/33 fünf bis sieben Millionen Tote forderten,22 reichte zwischen 1946 und 1948 mit einer weiteren Million Toten23 in die Nachkriegsjahre hinein. Daher stellt sich die grundsätzliche Frage, wie das sowjetische Engagement in der Hungerhilfe ausgesehen hat. Immerhin war die Sowjetunion einer der größten Getreideproduzenten.24 Seit Mitte der 1920er-Jahre wurden keine Ertragszahlen mehr veröffentlicht. Erst ab 1957 unter Nikita Chruščev erschienen regelmäßig Statistiken zur Getreideproduktion.25 Dem Mangel an Zahlen, den Hungersnöten und Versorgungskrisen stand ein ausgeprägter Kult um Getreide und Brot gegenüber, der sich auf alle Medien erstreckte – vom Staatswappen über Gemälde bis hin zur 1939 eröffneten märchenhaften Allunions-Landwirtschaftsausstellung und populären Filmen wie dem Mähdrescher-Musical »Kubanskie Kazaki« (»Kuban-Kosaken«, Ivan Pyr’ev, 1949). Brot war Symbol der kommunistischen Verheißung für alle, etwa im Gemälde »Sowjetische Brote« von Il’ja Maškov aus dem Jahr 1936. Es zeigt ein triumphales Arrangement von Broten rund um das sowjetische Staatswappen, ebenfalls aus Brot, und der Künstler malte es gleich in mehreren Varianten. Während Brot an sich für das Leben steht, verweist die Vielfalt der Sorten auf Überfluss.26

Il’ja Maškov (1881–1944), »Sowjetische Brote«, Öl auf Leinwand, 1936, Regionalmuseum Vol’sk  (<https://www.wikiart.org/de/ilja-iwanowitsch-maschkow/soviet-breads-1936>; Public Domain)
Il’ja Maškov (1881–1944), »Sowjetische Brote«, Öl auf Leinwand, 1936, Regionalmuseum Vol’sk
(<https://www.wikiart.org/de/ilja-iwanowitsch-maschkow/soviet-breads-1936>; Public Domain)

Die Getreide-Exporte wurden nur selten eingestellt – aus politischen wie performativen Gründen. Bereits 1922 sollten Lieferungen ins Ausland die erfolgreiche Überwindung der Hungerkrise durch die Bolschewiki demonstrieren.27 Nicht einmal 1932/33 hörte der Export ganz auf.28 Zwischen Dezember 1939 und Mai 1941 lieferte die Sowjetunion diverse Rohstoffe und 1,6 Millionen Tonnen Getreide an das nationalsozialistische Deutschland – nicht zuletzt, um einen Angriff abzuwehren.29 In der Nachkriegszeit spielten Getreideausfuhren eine Rolle in der Großmachtpolitik. Auch 1946 exportierte die Sowjetunion Getreide,30 eine Million Tonnen gegen Devisen nach Deutschland und eine halbe Million Tonnen nach Frankreich, um die Kommunistische Partei bei den Wahlen zu unterstützen.31 Lieferungen nach Bulgarien, Polen, Rumänien und in die Tschechoslowakei festigten die Beziehungen innerhalb des entstehenden Ostblocks.32 Die Bauern beschwerten sich über die Exporte, aber das sowjetische Publikum wurde mit Bildern wohlgenährt lächelnder Weiblichkeit im Kornbad beruhigt, die traditionelle Fruchtbarkeitsmythen aufgriffen.33

Das populäre Wochenmagazin »Ogonëk« (»Feuerchen«) brachte im September 1951 ein Titelbild zur Getreideernte: »Kolchoznica Anastasija Nikolaevna Prilepina s zernom novogo urožaja« (»Die Kolchosbäuerin Anastasija Prilepina mit Getreide aus der neuen Ernte«), Fotograf: Jakov Rjumkin.
Das populäre Wochenmagazin »Ogonëk« (»Feuerchen«) brachte im September 1951 ein Titelbild zur Getreideernte: »Kolchoznica Anastasija Nikolaevna Prilepina s zernom novogo urožaja« (»Die Kolchosbäuerin Anastasija Prilepina mit Getreide aus der neuen Ernte«), Fotograf: Jakov Rjumkin.

Die Tatsache, dass in den Jahren 1951 und 1952 ein wesentlicher Teil des Futtergetreides und 10 Prozent des westeuropäischen Bedarfs an Brotgetreide aus der UdSSR stammten, erschwerte im einsetzenden Kalten Krieg Handelsembargos gegen die Sowjetunion.34 Eine sowjetische Lieferung von 7.000 Tonnen Weizen an das junge, von Hunger geplagte Indien diente 1951 dem Prestige der UdSSR. Die Fahrt des Frachters wurde von der Presse enthusiastisch begleitet. Die Zeitung »Izvestija« (»Nachrichten«) beschrieb unter dem Titel »Die Dankbarkeit des indischen Volkes«,35 wie vom Hunger ermattete indische Arbeiter und Bauern angesichts des Weizens, den die Sowjetunion ihnen schickte, mit einem dankbaren Leuchten in den Augen vom Boden aufstanden und neue Hoffnung schöpften. Allerdings dementierten indische Medien diese Schilderungen, und bald stellten amerikanische Lieferungen die sowjetische Hilfe in den Schatten.36 Stalin verfolgte keine systematische »Drittweltpolitik«, denn er hielt die Entwicklungsländer für Marionetten der ehemaligen Kolonialmächte.37

Erst Chruščev leitete 1955 mit einer vielbeachteten Reise nach Indien eine breitere sowjetische Entwicklungspolitik ein. Voraussetzung dafür war eine höhere Produktion. Die 1954 lancierte »Neulandkampagne« sollte 40 Millionen Hektar Anbauflächen in den Steppen östlich des Unterlaufs der Wolga, in Westsibirien und im Norden Kasachstans gewinnen. Spätfröste, Dürrejahre und ungeeignete Anbaumethoden ließen jedoch den Anbau von Futtermais scheitern.38 Die Milch- und Fleischproduktion stagnierte 1959/60. Wegen einer Anpassung der Lebensmittelpreise an die Entstehungskosten kam es im Juni 1962 zu Massenunruhen in einigen Provinzstädten.39 Nach einer Missernte wurde 1963 Brot rationiert, Panik und Hamsterkäufe waren die Folge.40 Die Sowjetunion musste Getreide von den USA und von Kanada kaufen. Das Fiasko der Neulandkampagne war ein wesentlicher Faktor bei Chruščevs Sturz 1964.

1954 produzierte die UdSSR 85,6 Millionen Tonnen Getreide. 1958, im besten Jahr der Kampagne, waren es 141,2 Millionen Tonnen, 1959 und 1960 jedoch nur gut 125 Millionen Tonnen, 1961 etwa 130 Millionen Tonnen, 1962 rund 140 Millionen Tonnen und 1963 nur 107 Millionen Tonnen, 1964 wiederum 152 Millionen Tonnen und 1965 dann 121 Millionen Tonnen.41 Die erste Phase der Brežnev-Zeit zwischen 1965 und 1975 gilt als die erfolgreichste der sowjetischen Landwirtschaft – dank Investitionen, neuen Düngemitteln und Maschinen, verbessertem Saatgut und Anbaumethoden. Trotzdem war die Sowjetunion nach wetterbedingten Missernten 1972 und 197542 auf massive Importe angewiesen.43 Die »New York Times« berichtete am 18. März 1973 über Versorgungsengpässe, und der »Spiegel« ätzte am 30. April unter dem Titel »Ernste Krise. Jeder sechste Sowjetbürger wird mit Brot und Butter aus dem Westen ernährt«: »Mit Kartoffeln und Gemüse leisten die sozialistischen Länder Polen, ČSSR und DDR der Sowjet-Union brüderliche Hilfe. Weizen und Futtermittel aber sind nur aus nichtsozialistischen Ländern zu bekommen […]. In den USA, in Kanada und Westeuropa kaufte Moskau Ende vorigen Jahres 28 Millionen Tonnen, in diesem Jahr sind bereits weitere Lieferungen geordert.«44 Die Großmacht mit dem Ährenkranz im Staatswappen wurde zum weltweit größten Importeur von Lebens­mitteln,45 vor allem von Futtergetreide für den Aufbau einer modernen Viehzucht. Die Importe wurden zur Falle.46 Selbst die Rekordernte 1973 von 225,5 Millionen Tonnen Getreide konnte den Bedarf und die Exportverpflichtungen an die sozialistischen Länder nicht mehr decken.47

Die Sowjetführung beschwor derweil das Bild der UdSSR als großer Getreideproduzentin. Die Ernte war ein jährlich wiederkehrendes Spektakel in den Wochenschauen der 1960er-Jahre.48 In den 1970er-Jahren inszenierte das Fernsehen die »Ernteschlacht« für die sowjetischen Wohnzimmer.49 Unterlegt mit dramatischer Orchestermusik fuhren die Helden ihre Mähdrescher in Kolonnen zum »Angriff«, der Kommentator sprach von der taktischen Aufstellung der »Truppen«, »gekämpft« wurde rund um die Uhr. Über Wochen war ein Themenblock in der Nachrichtensendung »Vremja« dem »Kampf um die Ernte« gewidmet. Doch zumindest ein Teil der Bürgerinnen und Bürger durchschaute den offiziellen Pomp und goss die Diskrepanz zwischen Erntepropaganda und Importen in eine Anekdote: »Brežnev hat einen Preis für Landwirtschaft bekommen – dafür, dass er in Rjazan’ aussät und in Kanada erntet.«50

Die Schlacht war nicht zu gewinnen. Drei Missernten 1979–1981 bewirkten einen Mangel an Futtergetreide. Trotz massiver Importe gab es in zahlreichen sowjetischen Städten 1982 wochenlang weder Milch noch Fleisch.51 Diese Krisen führten in der Sowjetunion zu einem Umdenken. Zwar sprach Brežnevs Führungsriege von einer vom westlich dominierten Welthandel unabhängigen Wirtschaftsgemeinschaft der sozialistischen Länder.52 Zugleich machten jedoch 1973/74 weltweite Lebensmittel­engpässe sowie Hungersnöte in Äthiopien und der Sahelzone deutlich, dass sich die Industrieländer nicht auf günstige Getreideimporte verlassen konnten, sondern das Problem auf globaler Ebene angehen mussten.53 Lebensmittel wurden zum Gegenstand außenpolitischer Verhandlungen, was eine Debatte über Food Power auslöste, d.h. über die Ausübung politischen Drucks durch das Zurückhalten von Lebensmittel­lieferungen,54 und die UN-Charta für eine Neue Internationale Wirtschaftsordnung (NIEO) zur Folge hatte.

2. Sowjetische Diskurse über Hilfsleistungen in
Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft

In der Sowjetunion war das Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen (IMĖMO) die führende wissenschaftliche Einrichtung für die Erforschung aktueller Fragen globaler Entwicklungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter publizierten in der bereits erwähnten Zeitschrift »Mirovaja ėkonomika i meždunarodnye otnošenija« (»Weltwirtschaft und internationale Beziehungen«, MĖMO).55 Die 1957 gegründete Zeitschrift widmete sich laut Editorial aktuellen Fragen der Politik und Wirtschaft der kapitalistischen Länder, dem »weiteren Zerfall des Kolonialsystems«, den »nationalen Befreiungsbewegungen«, der Analyse der ausländischen Wirtschaftswissenschaft und der Systemkonkurrenz.56 Die Autorinnen und Autoren, alle meždunarodniki, verfügten infolge des politischen Kurses der Öffnung unter Chruščev und internationaler Kontakte über ausgezeichnete Kenntnisse der westlichen Forschungsliteratur.

Sowjetische wissenschaftliche Institute hatten einen doppelten Auftrag: Zum einen sollten sie auf internationalem Niveau Spitzenforschung betreiben. Zum anderen sollten sie ihre Ergebnisse für die Politik und ein breites Publikum ideologisch aufbereiten. So waren auch die Beiträge in der Zeitschrift »MĖMO« zweigeteilt, wenngleich die Grenzen zwischen fachwissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Texten weniger scharf gezogen waren als im Westen.57 Die populärwissenschaftlichen Artikel folgten einer ideologischen, moralisierenden Linie und verharrten in der Rhetorik des Kalten Krieges. Es dominierten Grundannahmen über den »wölfischen« Charakter des kapitalistischen Systems, der von Eigennutz, Imperialismus, Neokolonialismus und Ausbeutung geprägt sei. Weit weniger durch Stereotype bestimmt waren die Positionen in den fachwissenschaftlichen Beiträgen: Während der 1970er- und 1980er-Jahre wurden die Analysen zunehmend differenzierter und kritischer.58 Die meždunarodniki hinterfragten die Axiome aufgrund der Erfahrungen der sowjetischen Entwicklungspolitik sowie der konkreten Situation der Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Im Folgenden werden zunächst zentrale Argumentationsfiguren des sowjetischen »autoritativen Diskurses« vorgestellt.

Chruščev verkündete 1955: »Diese Hilfe, die die kapitalistischen Länder den neuerdings unabhängigen Staaten gewähren wollen, muss man auch als eine Art Hilfe der Sowjetunion für diese Länder betrachten. Wenn es die Sowjetunion nicht gäbe, würden die monopolistischen Kreise und die imperialistischen Staaten den schwach entwickelten Ländern helfen? Natürlich nicht. Früher gab es so etwas niemals.«59 Mit der Behauptung, die Strahlkraft der Sowjetunion zwinge die Konkurrenten zu immer größeren Hilfsleistungen, knüpfte Chruščev an das utopisch-revolutionäre Missionsbewusstsein von 1917 an. Denn das auf dem Marxismus-Leninismus beruhende sowjetische Weltbild ging von der Existenz naturgegebener »Systemcharaktere« aus, die das Handeln im kapitalistischen und im sozialistischen System jeweils leiteten. Der Kapitalismus sei nicht nur räuberisch, sondern auch alt und hässlich, er verfaule, er leide an einer unheilbaren Krankheit, er sterbe. Der solchermaßen anthropologisierte Systemcharakter ließ sich gut vermitteln und seine »Fratze« in Karikaturen darstellen (s.u., nächste Abb.).60 Die sowjetische Hilfsbereitschaft folge aus dem selbstlosen und humanistischen sozialistischen Systemcharakter.61 Die meždunarodniki Ruben Andreasjan, David Čertkov und Jurij Možaev schrieben 1966, Lenin habe die Hilfspolitik folgendermaßen begründet: »Wir werden uns bemühen, den Mongolen, Persern, Indern und Ägyptern näherzukommen und mit ihnen zu verschmelzen [...]. Wir werden versuchen, diesen rückständigen und mehr als wir unterdrückten Völkern eine ›uneigennützige kulturelle Hilfe‹ zu leisten [...], d.h. ihnen zu helfen, zum Gebrauch von Maschinen, zur Arbeitserleichterung, zur Demokratie, zum Sozialismus überzugehen.«62

Aus der Überzeugung, die Sowjetunion sei auf dem Weg zum Sozialismus bereits fortgeschritten, folgte das vermeintliche Recht zur Belehrung. Um die jungen Länder Afrikas und Asiens zu unterstützen, gründete Chruščev 1960 in Moskau die Universität der Völkerfreundschaft (ab 1961 Patrice-Lumumba-Universität). Auch hier spielte der Missionsgedanke eine tragende Rolle: Die Studenten »kommen von weit her, um in unserem Land zu studieren. Sie kommen aus Asien und Europa, aus Afrika und Amerika in das Land der Raumschiffe und Atomkraftwerke, um aus der unerschöpflichen Quelle des Wissens zu trinken, die das sowjetische Volk angesammelt hat«, schwärmte die »Izvestija« am 21. August 1963.63 Tatsächlich waren zahlreiche Entscheidungsträger dieser Länder fasziniert vom sowjetischen Modell, das nicht nur in wenigen Jahren den Sprung vom Agrarland in die industrialisierte Moderne geschafft zu haben schien, sondern siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen war und mit dem Sputnik 1957 und dem ersten bemannten Weltraumflug 1961 sogar die USA das Fürchten lehrte.64 Viele Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion begeisterten sich ebenfalls für die globale Charmeoffensive Chruščevs, die mit einer kulturellen Öffnung einherging.65 So weckte die kubanische Revolution Enthusiasmus, lateinamerikanische Revolutionslieder wurden zu populären Schlagern, und die Menschen in der Sowjetunion schwärmten für indisches Kino, während an Afrika eher die Exotik faszinierte – der Blick auf die »Neger« war deutlich von rassistischen Klischees geprägt.66 Die Ausbildung von Fachleuten und die Funktion der Sowjetunion als Gegengewicht zu den USA werden von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in Afrika bis heute positiv eingeschätzt, während die Hilfe vor Ort vor allem von Bürgerinnen und Bürgern aus ehemals sozialistisch orientierten Ländern als relevant erinnert wird. Das zeigte eine 2006–2009 vom Moskauer Afrika-Institut durchgeführte Studie mit Befragten aus 44 afrikanischen Ländern.67

Die sowjetischen Ökonominnen und Ökonomen unterschieden nicht zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, sondern zwischen kapitalistischen und sozialistischen Staaten. Im Parteiprogramm der KPdSU von 1961 hieß es: »Die neuen unabhängigen Länder gehören weder zum System der imperialistischen Staaten noch zum System der sozialistischen Staaten. Doch die überwiegende Mehrheit konnte sich noch nicht vom weltweiten Kapitalismus befreien, obwohl sie eine Sonderrolle darin einnehmen.«68 Für die wirtschaftliche Einordnung dienten Begriffe wie »schwach entwickelte« oder »sich entwickelnde Länder«, am häufigsten waren jedoch regionale Bezeichnungen wie arabische, afrikanische oder lateinamerikanische Länder.69

Die Sowjetunion leitete die Pflicht zur Hilfe aus dem kolonialen Erbe des Westens ab. Die Bolschewiki hingegen hätten nach der Oktoberrevolution sofort alle »imperialistischen« Verträge des Russländischen Reiches annulliert.70 Das sowjetische Engagement sei somit freiwillig, während für die USA und die europäischen Staaten eine Bringschuld bestehe. Der meždunarodnik Lev V. Stepanov schrieb 1961: »Die uneigennützige Hilfe der sozialistischen Staaten gegenüber den Ländern, die sich vom kolonialen Joch befreit haben, folgt aus dem Wesen des sozialistischen Systems.«71 Die Politik der kapitalistischen Länder sei systembedingt von »Eigennutz, Profitgier und Hinterlist« geleitet. In diesem Sinne formulierte Viktor V. Rymalov, leitender Wissenschaftler am IMĖMO, 1960: »Die gnadenlose Unterdrückung, die grausame Ausbeutung der Schwachen durch die Starken waren und bleiben immer das wölfische Gesetz des Kapitalismus.« Wirkliche Hilfe sei »der Natur des Kapitalismus organisch fremd«.72 In »MĖMO« wollten die meždunarodniki mithilfe von Prozenten und Zahlen den »Raubcharakter« (chiščničeskij charakter) belegen, der die »kapitalistische, imperialistische« Hilfe präge. Diese »Hilfe« bereite den Weg für die neokolonialistische Ausbeutung der Entwicklungsländer als Rohstoffquellen und Absatzmärkte – vor allem durch die USA.73 Das Dilemma, über die kapitalistische »Hilfe« zu sprechen und gleichzeitig deren Hilfscharakter abzustreiten, wurde elegant und recht konsequent durch Anführungszeichen gelöst.74 Die Hilfe der sozialistischen Länder wurde dagegen nicht so markiert. Nur wenige Ausnahmen in fachwissenschaftlichen Beiträgen beschrieben die kapitalistische Hilfe ohne Anführungszeichen.75

Krokodil 25/1960, S. 5: Der koloniale Wolf mit Pistole, Peitsche und dem typischen Tropenhelm wird von der revolutionären Faust des schwarzen Arbeiters hinausgeworfen, während sich ein anderer, neokolonialer Wolf im Schaffell mit der Aufschrift »Wirtschaftshilfe für die schwach entwickelten Länder« einschleicht. Um die Peitsche hat er eine Geschenkschleife gebunden. Legende: »Mein Kollege hat sich nur ungeschickt angezogen…« Gezeichnet von Boris E. Efimov, geb. 1900 in Kiev, gest. 2008 in Moskau, geehrt mit zwei Stalinpreisen (1950, 1951) und dem Staatspreis der UdSSR (1972), »Meister der politischen Karikatur« und auf internationale Themen spezialisiert.
Krokodil 25/1960, S. 5: Der koloniale Wolf mit Pistole, Peitsche und dem typischen Tropenhelm wird von der revolutionären Faust des schwarzen Arbeiters hinausgeworfen, während sich ein anderer, neokolonialer Wolf im Schaffell mit der Aufschrift »Wirtschaftshilfe für die schwach entwickelten Länder« einschleicht. Um die Peitsche hat er eine Geschenkschleife gebunden. Legende: »Mein Kollege hat sich nur ungeschickt angezogen…« Gezeichnet von Boris E. Efimov, geb. 1900 in Kiev, gest. 2008 in Moskau, geehrt mit zwei Stalinpreisen (1950, 1951) und dem Staatspreis der UdSSR (1972), »Meister der politischen Karikatur« und auf internationale Themen spezialisiert.

Die sowjetischen Artikel brachten keine Statistiken und selten konkrete Zahlen. Die Autorinnen und Autoren begründeten dies mit dem freiwilligen, uneigennützigen Charakter sowjetischer Hilfsleistungen, angesichts dessen der Umfang nebensächlich sei.76 Zahlen erschienen nur dort, wo sie im Vergleich zu westlichen Werten besser aussahen. Dies kam selten vor, etwa bei konkreten Industrie-Projekten.77 Dann war Geberstolz im Spiel: Die internationale Hilfe galt als Beweis der Stärke der UdSSR.78 Die Angaben waren immer relativ, nicht absolut.79 In den Beiträgen wurde die sowjetische Hilfe rhetorisch geschickt jeweils am Ende beschrieben, nach den Ausführungen zur amerikanischen »Hilfe« – als Gegenbeispiel, das positiv in Erinnerung bleiben sollte.80

Zum Hunger in den Entwicklungsländern nahmen die sowjetischen Beiträge die Pose des Ratgebers ein: Das Problem betraf die UdSSR gemäß ihrer Logik nicht, da sie nicht zu den ehemaligen Kolonialmächten gehöre und keine Eigeninteressen verfolge. Und doch machte die Lebensmittelkrise 1973/74 die globalen Verflechtungen bewusst. In »MĖMO« mehrten sich Beiträge über den Hunger, seine Ursachen und seine Bekämpfung. Für die Definition des Hungers orientierten sich die fachwissenschaftlichen Texte an westlichen Diskursen. Sie rezipierten die Erkenntnisse der internationalen Organisationen (in erster Linie der Food and Agriculture Organization, FAO) und differenzierten zwischen »Unterernährung« (nedoedanie) und »Fehlernährung« (nepravitel’noe pitanie). »Unter ersterer versteht man einen chronischen Mangel an Kalorien bei den Mahlzeiten, unter letzterer den Mangel an bestimmten wichtigen Elementen der Ernährung wie Eiweiß oder Vitamine.«81 Die Autoren schilderten die Folgen einer Unter- oder Fehlernährung und analysierten die Ernährungsstrukturen verschiedener Länder.82 Die Texte für das breitere Publikum enthielten anklagende Untertöne. Pëtr I. Markov schrieb in seinem Buch »Das Geschäft mit dem Hunger« 1975: Da solche Missstände in der UdSSR nicht existierten, müsse man den Leserinnen und Lesern zuerst erklären, was Hunger sei.83 Hunger gebe es nur in Ländern, die noch nicht im Sozialismus lebten. Doch die Sowjetbürger spöttelten nach der Missernte von 1963 und den Getreidekäufen beim »Klassenfeind«: »Wenn die ganze Welt kommunistisch ist – wo sollen wir dann das Brot kaufen?«84 Markov sah da keinen Widerspruch: »Imperialismus und Hunger sind untrennbar. Die Hungersnot von Millionen Werktätigen ist eine unmittelbare Widerspiegelung des Charakters des kapitalistischen Systems, ein Ausdruck seiner reaktionärsten Seiten.«85

Krokodil 27/1961, S. 1: »Wir reißen die Maske herunter!« (vom Gesicht des Kapitalismus). Das Portrait des »Kapitalismus« stammt vom Grafiker und Maler Julij A. Ganf (1898–1973), der seit 1927 als Karikaturist für die Zeitschrift »Krokodil« tätig war. Die Herkunft der Fotos ist nicht ausgewiesen, es dürfte sich jedoch um Aufnahmen aus internationalen Bildagenturen handeln. Afrika erscheint als Ort des Hungers und Inbegriff aller Entwicklungsländer. Weitere Motive sind Polizeigewalt gegen schwarze Demonstranten, von den »Kapitalisten« entfesselter Krieg und das Leid der Zivilbevölkerung.
Krokodil 27/1961, S. 1: »Wir reißen die Maske herunter!« (vom Gesicht des Kapitalismus). Das Portrait des »Kapitalismus« stammt vom Grafiker und Maler Julij A. Ganf (1898–1973), der seit 1927 als Karikaturist für die Zeitschrift »Krokodil« tätig war. Die Herkunft der Fotos ist nicht ausgewiesen, es dürfte sich jedoch um Aufnahmen aus internationalen Bildagenturen handeln. Afrika erscheint als Ort des Hungers und Inbegriff aller Entwicklungsländer. Weitere Motive sind Polizeigewalt gegen schwarze Demonstranten, von den »Kapitalisten« entfesselter Krieg und das Leid der Zivilbevölkerung.

1980 schrieben die meždunarodniki Natalija S. Mirovickaja und Jurij V. Šiškov, wegen des kapitalistischen Systemcharakters gebe es auch Hunger in den Industrieländern selbst: »Mindestens 40 Prozent der Bevölkerung der nichtsozialistischen Welt leiden zurzeit an verschiedenen Formen von Unterernährung. Es ist das Los der ärmsten Teile der Gesellschaften […], selbst der reichsten kapitalistischen Länder.«86 Der Hunger in den Entwicklungsländern ergebe sich dagegen aus dem physischen Mangel an Lebensmitteln und sei eine Folge des Kolonialismus.87 Der meždunarodnik Genrich L. Faktor argumentierte 1964, Hunger sei paradox: »In unserem Jahrhundert – dem Zeitalter des Atoms und der Erforschung des Kosmos – erscheint die Existenz von massenhaften Hungersnöten auf dem Planeten als erstaunliche Barbarei. Man sollte meinen, dass das erreichte Niveau der Entwicklung von Wissenschaft und Technologie das Problem der Nahrungsmittelknappheit vollständig beseitigt hätte.«88 Dieses Argument war auch 20 Jahre später noch aktuell.89

Die populärwissenschaftlichen Beiträge bezeichneten die Hungerhilfe der kapitalistischen Länder als ein »Trojanisches Pferd«,90 das letztlich dem Geber nütze. Die Unterstützung bekämpfe die Symptome, nicht die Ursachen, die in den sozialen Verhältnissen und der kapitalistischen Produktionsweise lägen.91 Die Lebensmittellieferungen »versickerten einfach und leisteten keinerlei Beitrag zur Lösung der grundsätzlichen Probleme der jungen Länder«.92 Zentral war das Motiv des Eigennutzes: Detailliert wurde das amerikanische Food for Peace Program diskutiert (Public Law 480),93 das die Rahmenbedingungen für die Lebensmittelhilfe der USA schuf.94 Es solle die Überproduktionskrise in der kapitalistischen Landwirtschaft auffangen.95 Scharf kritisierten Experten die staatlich subventionierten Lieferungen unter dem Weltmarktpreis: Das Dumping diene der Eroberung neuer Märkte.96 Der Volksmund witzelte: »Radio Eriwan: ›Was veranlasst die Sowjetunion dazu, so viel Getreide im Westen zu kaufen?‹ – ›Einer der grundlegenden Fehler des kapitalistischen Systems: die chronische Überproduktion von Massenbedarfsgütern.‹«97 Die Anekdote zeigt das sowjetische Dilemma: Um die kapitalistische Praxis zu kritisieren, musste man auch von deren Überschüssen sprechen und offenbarte dabei den Wohlstandsvorsprung des Klassenfeindes.

Mit dem Motiv des »Trojanischen Pferdes« waren marktpolitische, ernährungspolitische und kulturelle Argumente verbunden: Die Abgabe der Weizenüberschüsse an die Entwicklungsländer verdränge traditionelle Kulturen wie Reis und untergrabe dessen Anbau in den Empfängerländern.98 Die neuen Essgewohnheiten führten zu veränderter Nachfrage. Die Amerikaner wüssten: »Die Länder, denen wir heute helfen, werden morgen unsere Kunden sein.«99 In diesen Kontext spielte eine währungspolitische Argumentation hinein, die auch die USA der Sowjetunion gegenüber anführten: Die USA erhielten für ihre »Hilfe« hohe Summen in den nicht konvertierbaren Währungen der Länder, die sie diesen wiederum als Kredite gäben. Somit hätten sie ohne den Einsatz von Dollars die Möglichkeit, auf die politische, ökonomische und soziale Situation einzuwirken und günstig Rohstoffe einzukaufen.100 »Gebundene Importe« (privjazannaja pomošč’) verpflichteten die Empfänger, bei den Kreditgebern Industriegüter zu kaufen – zu überhöhten Preisen.101 Als in den 1970er-Jahren die Weltmarktpreise für Lebensmittel stiegen, sank die amerikanische Bereitschaft zur Hilfe durch das Food for Peace Program.102 Das galt als weiterer Beweis für die Eigennützigkeit der Lieferungen, die sich auch darin zeige, dass sie durch Aufkleber und Beschriftungen auf den Säcken für Propagandazwecke genutzt würden.103 Die Darstellung der kapitalistischen Lebensmittelhilfe als »palliatives Mittel«104 war Teil einer Metaphorik der (unheilbaren) Krankheit des Kapitalismus und des Imperialismus.105 »Hilfe« mit Lebensmitteln löse die komplexen sozioökonomischen Probleme der Entwicklungsländer nicht, sondern führe zur Konservierung von ungerechten sozialen Verhältnissen.106

Die sowjetische Kritik wurde aus zwei Richtungen zurückgespiegelt: Die westliche wissenschaftliche Literatur betonte die Strukturanalogie sowjetischer und westlicher Wirtschaftshilfe, etwa die Kooperation mit staatlichen Akteuren und die zentrale Planung der Projekte, und argumentierte, dass die Sowjetunion ähnliche Vorteile aus den Handelskontakten ziehe.107 Diese Literatur verwendete ebenfalls die Metapher des »Trojanischen Pferdes«.108 Aber auch aus dem »Osten« verlautete Kritik, denn die Sowjetunion war im Rennen um die Gunst der Entwicklungsländer unversehens zwischen die Fronten geraten: Die chinesische Führung unter Mao warf der UdSSR nicht nur vor, mit ihrer Entspannungspolitik den Sozialismus verraten zu haben, sondern wie die »imperialistischen« Staaten neue Abhängigkeiten zu schaffen. China reagierte Anfang der 1960er-Jahre auf die Kritik aus den Empfängerländern an sowjetischen Projekten und reklamierte die wahre, brüderliche sozialistische Hilfe für sich. Chinesische Entwicklungshilfe sei Hilfe zur Selbsthilfe, beruhe auf Gegenseitigkeit und Gleichheit, Anerkennung der Souveränität, zinslosen Krediten, Ausbildung lokaler Kader und Anpassung der Helfer an den lokalen Lebensstandard.109 Der letzte Punkt nahm Bezug auf den Unwillen, den der luxuriöse Lebensstil der sowjetischen Ingenieure und Planer beim lokalen Personal in den Entwicklungsländern auslöste. Westliche Beobachter äußerten hingegen die Annahme, sowjetische Helfer lebten wegen der »Rückständigkeit« der UdSSR näher an den Erfahrungen und am Alltag in den Entwicklungsländern,110 und kritisierten westliche Expats wegen ihres ostentativen Luxus.

Sowjetische Darstellungen unterstrichen jeweils, die negativen Aspekte kapitalistischer Hilfe gälten nicht für die UdSSR.111 Dass der Hunger nur im Sozialismus besiegt werden könne, zeige das sowjetische Zentralasien.112 Notwendig seien Reformen in der Landwirtschaft, Modernisierung von Infrastruktur und Industrie.113 Der Aufbau von Industrie und Energiewirtschaft umfasse 70 Prozent114 aller Hilfe durch die UdSSR.115

Lebensmittelhilfe kam in der wissenschaftlichen Literatur nur selten vor. Konkrete Beispiele betrafen etwa die Hilfe bei Naturkatastrophen.116 So berichtete die Zeitschrift »Sovetskij Krasnyj Krest« (»Sowjetisches Rotes Kreuz«) 1975: »Große Hilfe leisten das Sowjetische Rote Kreuz und der Rote Halbmond auch den Völkern der Entwicklungsländer, die Opfer von Naturkatastrophen und bewaffneten Konflikten sind. 1974 wurde solche Hilfe in 23 Ländern bei 32 Einsätzen mit einer Gesamtsumme von 2,7 Millionen Rubel geleistet.«117 Ein Transferrubel, außerhalb des RGW nicht konvertierbar, hatte 1980 ein Äquivalent von 5 DDR-Mark. Auf 23 Länder verteilt, war die Summe also relativ gering.

Links: Flugzeug und Fahrzeuge des Sowjetischen Roten Kreuzes. Es gibt weder Angaben zur Urheberschaft der Fotos noch zum Ort; erwähnt sind im Artikel die Einsatzorte Algerien, Iran und Äthiopien. Rechts: Frau mit Mais in den Händen  (aus: B. Morgunov, Sotrudničestvo vo imja mira [Zusammenarbeit im Namen des Friedens], in: Sovetskij Krasnyj Krest [Sowjetisches Rotes Kreuz] 9/1975, S. 30-31, hier S. 30, sowie der darauf folgende Bildbeitrag: Rasizm – ėto nasilie [Rassismus – das ist Gewalt] unter dem Kürzel JuAR, S. 33-35, hier S. 35; Fotos: TASS, ohne weitere Angaben)
Links: Flugzeug und Fahrzeuge des Sowjetischen Roten Kreuzes.
Es gibt weder Angaben zur Urheberschaft der Fotos noch zum Ort;
erwähnt sind im Artikel die Einsatzorte Algerien, Iran und Äthiopien.
Rechts: Frau mit Mais in den Händen
(aus: B. Morgunov, Sotrudničestvo vo imja mira
[Zusammenarbeit im Namen des Friedens], in:
Sovetskij Krasnyj Krest [Sowjetisches Rotes Kreuz]
9/1975, S. 30-31, hier S. 30,
sowie der darauf folgende Bildbeitrag:
Rasizm – ėto nasilie [Rassismus – das ist Gewalt]
unter dem Kürzel JuAR, S. 33-35, hier S. 35;
Fotos: TASS, ohne weitere Angaben)

Das Foto einer barfüßigen Frau ist ohne Beschriftung abgebildet. Deutlich aufgerufen wird der Kontrast zum sowjetischen Überfluss und zu den Bildern sowjetischer Frauen bei der Ernte. Auf einer anderen Seite mit der Überschrift »Rassismus – das ist Gewalt« heißt es zu diesem Bild: »Schau! Sei erstaunt! Empöre dich! – lautet der stumme Appell der Afrikanerin. In ihren Händen – eine Handvoll Mais, die Tagesration der Mehrheit der schwarzen Arbeiter in der Südafrikanischen Republik. Fast zehn Mal weniger als ein weißer Arbeiter bekommt ein afrikanischer Arbeiter in Süd­rhodesien.«118 Die Zeitschrift prangerte die Ausbeutung der schwarzen Arbeitskräfte an.

Die orthodoxe Linie, derzufolge die Probleme der Entwicklungsländer nur durch die Implosion oder revolutionäre Überwindung des kapitalistischen Systems gelöst werden könnten, bestimmte das Denken der dogmentreuen meždunarodniki bis in die 1980er-Jahre.119 Dem stand seit den 1960er-Jahren eine wachsende Vielfalt abweichender Positionen gegenüber. 1963 erschien ein kritischer Artikel von Leongard Gončarov, Vize-Direktor des Afrika-Instituts der Akademie der Wissenschaften, der darlegte, dass sich das kapitalistische System angesichts der neuen »nationalen Demokratien« nicht aufgelöst, sondern erfolgreich angepasst habe.120 Ab 1964 organisierte das IMĖMO mehrere Konferenzen mit Expertinnen und Experten, die zuvor nur vereinzelt für flexiblere Ansätze zur Industrialisierung und zum Lebensmittelproblem plädiert hatten.121 Der Einfluss der Orientstudien nahm zu. Eine Tagung des Instituts der Völker Asiens und Afrikas der Moskauer Staatsuniversität im Juni 1966 kreiste um das Nahrungsproblem. Der Landwirtschaftsexperte Viktor G. Rastjannikov sprach in der Eröffnungsrede über die katastrophale Lebensmittelsituation in den Entwicklungsländern. Er warnte vor hastigen antikapitalistischen Maßnahmen, da diese die Produktion weiter senken würden.122 Die Forschung erkannte zunehmend die Vielschichtigkeit der lokalen ökonomischen und kulturellen Verhältnisse und kam zur Überzeugung, dass eine wirtschaftliche Entwicklung ohne Anreize und Märkte nicht möglich sei. Empfohlen wurden privates Unternehmertum, private Landwirtschaft und ausländische Investitionen, also eine gemischte Ökonomie.123 Das Bevölkerungswachstum wurde als Teil des Problems gesehen. Außerdem gestanden die sowjetischen Expertinnen und Experten der westlichen Lebensmittelhilfe Erfolge zu, etwa in Indien.124

Die Entspannungspolitik veränderte ab 1971 die internationalen Beziehungen. Der Süden erschien als Handelspartner für Geschäfte zum gegenseitigen Vorteil. Die Entwicklungspolitik wurde zu einer Plattform für Ost-West-Kooperationen.125 Die Sowjetunion nahm die Berichte des Club of Rome über die »Grenzen des Wachstums« zur Kenntnis und begrüßte die Verbindung zwischen Entwicklungspolitik und Abrüstung, kritisierte aber die NIEO, deren Maßnahmen in ihren Augen allein auf den Handel und die Stabilisierung der Märkte zielten.126 Mitte der 1970er-Jahre galt der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, COMECON) als Alternative zur NIEO.127 Doch die Skepsis gegenüber der Durchführbarkeit von Entwicklungsprojekten nahm zu. Vorbild waren nun die rasch wachsenden Ökonomien von Schwellenländern in Asien und Südamerika.128

Margarita Maksimova vom IMĖMO stellte fest, dass sich die beiden konkurrierenden Märkte im Austausch befänden, gemeinsame Tendenzen zeigten und in einem globalen System funktionierten.129 Die Schriften ihres Fachkollegen Leon Zevin dokumentieren den Wandel der Positionen im Verlauf der 1970er-Jahre: Anfangs betonte er gemeinsame Interessen von Sowjetunion und Entwicklungsländern, dann befürwortete er deren Integration in den RGW, kritisierte die NIEO, und schließlich vollzog er die Kehrtwende hin zur Möglichkeit einer weltweiten Arbeitsteilung, in der auch die westliche Entwicklungspolitik eine positive Rolle spielen könne.130 Der wissenschaftliche Diskurs wurde angesichts globaler Krisen zunehmend von pessimistischen Untertönen bestimmt.131 Als sehr ernst wurde die ökologische Lage eingeschätzt. Das menschliche Verhalten führe zu Klimawandel, Bodenerschöpfung und Erosion.132 Die unsachgemäße Verwendung von Pestiziden und die Missachtung lokaler Bedingungen verschärften den Hunger in den Entwicklungsländern.133 Die »Grüne Revolution«, die in den 1960er-Jahren einsetzende Entwicklung von Hochertragssorten und deren Einsatz in Entwicklungsländern, habe enttäuscht: Da nur große Landbesitzer von ihr profitierten, fördere sie die soziale Ungerechtigkeit.

Die sowjetischen Beiträge der 1980er-Jahre sahen den Hunger als eines der wichtigsten Probleme der Menschheit und werteten die Rolle der internationalen Organisationen im Kampf dagegen insgesamt positiv.134 Die UdSSR befürwortete die Gründung der FAO, wurde dann aber niemals Mitglied (die russländische Forschung meint, wegen »grundlegender Differenzen über Funktionen und Prinzipien«)135 und hatte ab 1987 Beobachterstatus.136 Die populärwissenschaftlichen Beiträge in »MĖMO« übten bis in die 1980er-Jahre hinein Kritik an allen Lösungsversuchen ohne radikale soziale Änderungen. Darüber hinaus stellten sie einen direkten Zusammenhang zwischen der Hungerproblematik und der sowjetischen Abrüstungspolitik her: In ihrem Artikel »Das Nahrungsmittelproblem des Kapitalismus« rechnete die Ökonomin Galina N. Prochorova 1981 vor, dass der Bau eines amerikanischen Atom-U-Bootes die Summe aller Kosten, die der FAO seit 1945 entstanden seien (1 Milliarde US-Dollar), bei weitem übertreffe. Auch die Entwicklungsländer selbst gäben mehr für Rüstung aus als für die Bekämpfung des Hungers. Da die UdSSR eine zentrale Rolle bei der Abrüstungspolitik spiele, sei sie führend bei der Bekämpfung des Hungers in der Welt.137

3. Über andere sprechen und die Sowjetunion meinen –
Äsopische Sprache

Nachdem in den 1970er-Jahren mehrere Länder den Weg der »sozialistischen Orientierung« gewählt hatten, äußerten meždunarodniki schon bald Zweifel an der Effektivität der autoritären und zentralistischen Strukturen. Diese förderten Misswirtschaft und Korruption. Solche Kritik hatte einen deutlichen Subtext: Auch in der Sowjetunion gab es einen erdrückenden Parteiapparat, Schattenwirtschaft und eine exzessive Bürokratie.138 Aber nachdem Brežnev in Abgrenzung zum radikalmarxistischen Weg Chinas unter Mao den »entwickelten« oder »real existierenden« Sozialismus ausgerufen hatte, durfte Kritik noch weniger als zuvor geäußert werden. Am Beispiel der Entwicklungsländer bot sich jedoch die Möglichkeit, die Probleme des sowjetischen Wirtschaftsmodells indirekt zu diskutieren.139

Krokodil 24/1979, S. 16: Die Bildunterschrift nachlebniki verweist auf »Schmarotzer«, die anderer Leute Brot (chleb) essen. Die USA »ernähren« die reaktionären Regime, und die armen Amerikaner hungern deswegen. Der Zeichner Boris E. Efimov war linientreu, aber das kritische Publikum bezog die Darstellung auf die UdSSR selbst. Solche äsopischen »Umkehrungen« zeigen den Aushandlungscharakter des Humors als Arena von Zustimmung und Widerständigkeit: Bedeutungsüberschüsse und Rezeption lassen sich nicht kontrollieren. Sie finden ihren Ausdruck häufig auch in Anekdoten.
Krokodil 24/1979, S. 16: Die Bildunterschrift nachlebniki verweist auf »Schmarotzer«, die anderer Leute Brot (chleb) essen. Die USA »ernähren« die reaktionären Regime, und die armen Amerikaner hungern deswegen. Der Zeichner Boris E. Efimov war linientreu, aber das kritische Publikum bezog die Darstellung auf die UdSSR selbst. Solche äsopischen »Umkehrungen« zeigen den Aushandlungscharakter des Humors als Arena von Zustimmung und Widerständigkeit: Bedeutungsüberschüsse und Rezeption lassen sich nicht kontrollieren. Sie finden ihren Ausdruck häufig auch in Anekdoten.

Zunächst listeten die kritischen meždunarodniki die Probleme der Entwicklungsländer nur auf. Das änderte sich ab 1979: Aufgrund der Erfahrungen in Afrika, in Afghanistan und Iran folgerten sie, dass nicht allein die Produktionsverhältnisse den Lauf der Geschichte bestimmten, sondern auch Religion, Tradition und Kultur. Das Institut für Orientstudien arbeitete schon 1979 in einer 1984 veröffentlichten Studie drei zivilisatorische Entwicklungsmodelle heraus: das westliche, das russische und das östliche. Brisant war die Thematisierung des vorrevolutionären Russlands. So wurde in Fachkreisen und intellektuellen Nischen darüber diskutiert, dass ein peripheres und bäuerliches Land wie Russland mit dem Kommunismus, der aufgrund industriell entwickelter westeuropäischer Gesellschaften entworfen worden war, überfordert gewesen sein könnte. Das erkläre, warum statt der Utopie eine »asiatische Despotie« entstanden sei, die in ihren Strukturen den Ländern der »Dritten Welt« gleiche.140 Solche Überlegungen knüpften an die systemkritischen, im Kern nationalkonservativen Stimmungen an, die sich ab den 1970er-Jahren unter sowjetischen Intellektuellen verbreiteten.

In den populärwissenschaftlichen Artikeln blieb die Imperialismuskritik bis zum Beginn der Perestrojka prägend. Erst dann schlugen die meždunarodniki vor, westliche Vorgehensweisen und Erfahrungen teilweise zu übernehmen. Das Schema kapitalistischen, interessengeleiteten Handelns existiere zwar weiterhin, habe sich aber verändert. Der Diskurs befreite sich von den Formeln der Uneigennützigkeit und Brüderlichkeit. Auch die sowjetische Wirtschaft könne von den materiellen und finan­ziellen Ressourcen sowie den Arbeitskräften der Entwicklungsländer profitieren.141 »Objektiv gesehen gibt es nichts Verwerfliches im gegenseitigen Wunsch der entwickelten kapitalistischen und befreiten Länder, die kommerzielle Rentabilität der abzuschließenden Geschäfte zu erhöhen.«142

Schon eine Anekdote aus den 1970er-Jahren thematisierte ein zentrales Dilemma: »Auf einem Porträt ist Brežnev mit zwei weiblichen Brüsten dargestellt. Eine Brust nährt die sozialistischen Länder, an der anderen saugen die Entwicklungsländer. Frage: ›Und woran lutscht das sowjetische Volk?‹ Antwort: ›Das ist nicht mehr im Bild, da es sich um ein Porträt handelt.‹«143 Die Anekdote entlarvte die im »autoritativen Diskurs« verbreiteten Versprechen vom fürsorgenden Sowjetstaat als Trugbilder. Die Rolle des Ernährers (kormilec) wurde auf die Beziehung zu den »jungen« Nationen übertragen, das eigene Volk ging leer aus.

»Über die Lebensmittelhilfe schrieb man nicht. Wenn die Zeitungen in den 1950er- bis 1970er-Jahren darüber berichtet hätten, wären die Leute (narod) unzufrieden gewesen, weil damals Lebensmitteldefizit herrschte. Wir mussten Schlange stehen, um etwas zu kaufen. […] In meinem Umfeld war die Einstellung dazu negativ: Es war ungerecht. Wie kann man anderen Ländern helfen, wenn es hier schlecht ist?«, berichtet Semën Grigor’evič.144 Einen Eindruck von der retrospektiven Wahrnehmung sowjetischer Hilfspolitik geben 14 Interviews mit ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern des europäischen Teils der Sowjetunion, die Marianna Zhevakina im August und September 2020 teils telefonisch, teils persönlich führte, aufnahm und protokollierte. Die Auswahl erfolgte nach dem Schneeballprinzip; sie umfasste Männer und Frauen, die zwischen 1938 und 1974 geboren wurden. Die Befragten weisen typisch sowjetische Erfahrungen im Sinne von Bildungs- und Berufsbiographien auf, die sie an verschiedenen Orten der Union leben und arbeiten ließen. Ihre politischen Ansichten deckten das Spektrum von überzeugten Kommunisten über politisch Uninteressierte bis hin zu Systemkritikern ab. Sie wurden mit einem offenen Fragenkatalog sowohl biographisch als auch zu den Themen Hunger, Hungerhilfe, Entwicklungspolitik und deren Darstellung in den Medien und der Politinformation interviewt.145

Die meisten beteuern, es habe keine Stimmung gegen die Hilfsleistungen geherrscht, »auch nicht in den Schlangen«.146 Man habe helfen müssen, nicht zuletzt, weil die Sowjetunion ein »starkes und mächtiges Land« gewesen sei.147 Es sei eine Frage der moralischen Erziehung gewesen: »Wir wurden alle im Geiste des Internationalismus erzogen. Es war immer die Rede von den unterdrückten Ländern und früheren Kolonien. Wir haben es so wahrgenommen: Diese Länder möchten sich entwickeln, wir müssen ihnen dabei helfen.«148

Das galt insbesondere für die ausgemergelten afrikanischen Kinder, an deren Bilder die Befragten sich erinnern.149 Diese Bilder prägten die Hilfspropaganda in Ost und West:150 Eine Gesprächspartnerin berichtet, ihr Mann habe 1971 die Tochter bei jedem Löffel ermahnt, ihren Teller leerzuessen, da die armen Kinder in Namibia nichts hätten.151 Trotzdem fanden manche die Hilfssendungen an Entwicklungsländer übertrieben. Einige »durchschauten« den politischen Aspekt dahinter oder meinten, die neuen Länder hätten die Sowjetunion mit dem falschen Versprechen, sich sozialistisch zu orientieren, ausgenutzt.152

Die sowjetischen Medien informierten über die Hilfsleistungen nicht im Detail. Aber Tamara Nikolaevna, geb. 1943, erinnert sich: »Alle sozialistischen Staaten entwickelten sich auf Rechnung (za sčet) der UdSSR, das wussten wir.« Sie sah in den Beziehungen durchaus Vorteile: »Es gab gute Produkte aus den Entwicklungsländern: Baumwoll-Waren aus Ägypten, Trikotagen aus China – gute Qualität!«153 Auch der Wandel der Diskurse über die Wirtschaftsbeziehungen zu den Entwicklungsländern wurde rezipiert, wie Boris Fedotovič bezeugt: »Früher dachten wir, die sowjetische Hilfe sei uneigennützige, brüderliche Hilfe. Danach haben wir verstanden, dass da auch Eigennutz war, wenn auch nur in geringem Umfang. […] Aber dann wurden die Schulden doch uneigennützig erlassen.«

Die einstündige Nachrichtensendung »Vremja« gehörte zum abendlichen Ritual vieler Familien. Raisa Samuilovna (geb. 1948) erinnert sich: »Da gab es die Rubriken ›Sozialistische Baustellen‹, ›Ernteschlacht‹ etc. Es war immer positiv, nicht wie heute.« Die Befragten der jüngeren Generation fühlten sich nicht von den Nachrichten betroffen. Nelja K., geb. 1963, beschreibt es so: »Das Thema ›Hilfe für die Entwicklungsländer‹ war immer im Fernseher im Hintergrund, bei den Nachrichten, so wie zum Beispiel die Nachrichten über die Ernte. Es war da, aber ich habe nicht zugehört, es war eben wie ein Hintergrundgeräusch (fon). Ich habe mich nicht mit Einzelheiten beschäftigt.« Ähnlich war die Erfahrung von Oleg R., ebenfalls 1963 geboren und in Belarus zuhause: »Die Propaganda war immer im Hintergrund, hat uns aber nicht betroffen. Die Informationen kamen aus dem Fernseher, dem Radio, Zeitungen. Im Fernseher gab es das Programm ›Vremja‹, da gab es den Block über das Ausland. Da kam ständig etwas über die Hilfe. Es war nicht interessant. Niemand hatte Mitleid mit diesen Ländern.«154 Das ostentative Ignorieren der offiziellen Nachrichtenkanäle war eine »Geste«, die in den 1960er-Jahren aufkam und sich in den 1970er-Jahren unter den Jugendlichen der »letzten sowjetischen Generation« verbreitete.155 Der Kulturanthropologe Alexei Yurchak zitiert Informanten, die angeben, sich einfach nicht für das System und seine Politik interessiert, kein Fernsehen geschaut und keine Zeitungen gelesen zu haben. Man war weder dafür noch dagegen, sondern »anderswo«.156 Ältere Zeitgenossen wie Semën Grigor’evič, geb. 1938, schauten zwar aufmerksam hin, einige glaubten jedoch nichts mehr: »Es war die übliche Lüge über die Hilfe, die aus dem Fernseher und dem Radio kam, wie all die anderen Lügen. Es war klar für diejenigen, die verstanden hatten, dass alles gelogen war. Ich hatte es seit den 1960er-Jahren verstanden.«

Über Hunger sprachen die Befragten nicht von sich aus, aber auf Nachfrage hin bezogen sie das Problem immer auch auf die Sowjetunion selbst. Einige der Älteren konnten sich noch an den Hunger in der Nachkriegszeit erinnern. Später war »richtiger« Hunger (gar kein Essen) kein sowjetisches Problem, sondern herrschte in Afrika. »Ich habe in meinem Kopf Bilder von kleinen abgemagerten schwarzen Kindern. Ich weiß nicht mehr, ob uns die Lehrerin die Bilder zeigte [...]. Ich wusste, dass die UdSSR den afrikanischen Ländern mit Getreide und Wasser half«, erinnert sich Maksim Borisovič (geb. 1971).

Die Erzählungen ergeben eine hybride Mischung aus Elementen des »autoritativen Diskurses« und Gegenerzählungen. Es gab keine verlässlichen Zahlen zu Hilfsleistungen, dafür umso mehr Gerüchte und Vermutungen. Die sowjetische Meistererzählung entwarf die Sowjetunion als ein großes und mächtiges Land mit einer Mission und einem Systemcharakter, der ihren Bürgern moralische Überlegenheit verlieh. Sie befand sich im Aufbau des Kommunismus und im andauernden Belagerungszustand, sei es gegen Feinde oder die widrigen Elemente. Daher war ständiger Kampf und der Einsatz aller nötig, im Krieg wie bei der »Ernteschlacht«. Das Ziel schien allabendlich näherzurücken: »Seht her, welch fantastische Mengen Getreide wir produzieren und wie großzügig wir sind! Die Welt hingegen ist bevölkert von Wölfen im Schafspelz und Trojanischen Pferden.«

Während der Versorgungskrise Ende der 1980er-Jahre ergriff die sowjetischen Menschen angesichts leerer Brotregale die Angst vor dem »richtigen« Hunger. In diesem Kontext erklangen Forderungen nach einer »nackten Kommerzialisierung« der Beziehungen mit den Entwicklungsländern.157 Immer mehr Menschen lehnten die Hilfe rundweg ab: »Wir füttern halb Afrika, obwohl wir selber nichts zu essen haben«, hieß es damals.158 Somit wurde die Schuld am Lebensmittelmangel in der Sowjetunion teilweise den Entwicklungsländern zugewiesen. Leon Zevin versuchte noch 1990 erfolglos aufzuzeigen, dass die Zusammenarbeit viele Vorteile für die UdSSR mit sich bringe und die Öffentlichkeit einseitig informiert sei. Nicht einmal die Parlamentarier verfügten über verlässliche Angaben zu Wirtschaftshilfe und Auslandskrediten. Zevin wies darauf hin, dass Propaganda und Geheimhaltung das Bild doppelt verzerrten und die Hilfsleistungen um das Vier- bis Fünffache übertrieben seien: »Wenn allgemein zugängliche, authentische außenwirtschaftliche Statistiken fehlen, entsteht ein Nährboden für Hirngespinste und böswillige Speku­lationen.«159

Als der Staat pleiteging, glaubten sich die stolzen Bürgerinnen und Bürger einer Weltmacht auf einer Stufe mit Afrika wiederzufinden. Die Bevölkerung bekam nun Gelegenheit, die Thesen über die »palliative Behandlung« und die »Trojanischen Pferde« anhand amerikanischer Lebensmittellieferungen am eigenen Leib zu überprüfen. Zum kollektiven Trauma wurden die Hühnerkeulchen, die 1990/91 im Rahmen von Hilfskrediten geliefert wurden.160 Sie galten als hormonverseucht, aber auch als Überschüsse, die, von den Amerikanern verschmäht, nun gewinnbringend an die Sowjetunion verhökert wurden.161

4. Fazit

Der Überblick zum sowjetischen Diskurs der 1950er- bis 1980er-Jahre hat gezeigt, wie trotz Versorgungsengpässen der Export von Getreide und Hilfsgütern als moralische Pflicht des überlegenen sozialistischen Systems gerechtfertigt wurde. Hunger sei die logische Folge von Kolonialherrschaft und kapitalistischer Ausbeutung. Die Hilfspropaganda betonte die Notwendigkeit, die ehemaligen Kolonien aus den Klauen des Kapitalismus zu befreien und ihnen zu sozialer Gerechtigkeit zu verhelfen. Die sozialistische Hilfe sei uneigennützig, im Gegensatz zur bloß scheinbaren »Hilfe« der westlichen Länder. Metaphern wie diejenige des »Trojanischen Pferdes« wurden von allen Parteien bemüht, die um die Gunst der ehemaligen Kolonialländer wetteiferten. Ab Mitte der 1970er-Jahre näherten sich die Positionen der Fachleute in Ost und West angesichts globaler Probleme an. Sowjetische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hinterfragten ideologische Dogmen, wiesen auf die Vorteile der Handelsbeziehungen für die UdSSR hin und gingen von einer interdependenten globalen Ökonomie aus.

Zeitzeugengespräche und Anekdoten geben Auskunft darüber, wie die Informationen zur Entwicklungshilfe wahrgenommen und kommentiert wurden. Die sowjetischen Öffentlichkeiten waren zersplittert. Das betraf die Inhalte der Witze und der wissenschaftlichen Diskurse wie auch ihre Deutungen. Die Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion waren mit der Hilfe für die »armen Länder« grundsätzlich einverstanden, denn das eigene Land galt als groß und stark. Aber die Menschen fühlten sich auch betrogen: Im Fernsehen wurde viel geerntet, trotzdem kam es zu Versorgungsengpässen. Die »oben« rechneten mit zehn Schweinen und verschenkten das Wenige, das es gab, ins Ausland. Desinformation festigte den Eindruck, man »füttere Afrika«. In der Zote um Brežnevs Brüste war die UdSSR zumindest noch in der Geberposition, selbst wenn die eigenen Bürger unter die Gürtellinie gerutscht waren. Doch während der Perestrojka wurde man selbst zum »Drittweltland« und war auf Hilfe angewiesen.

Diese Prägungen wirken fort. Der russische Oppositionelle Aleksej Nawalny (geb. 1976), der sich gern populistischer Losungen bedient und mit Stereotypen spielt, äußerte sich 2017 bei einer Kundgebung in der Stadt Perm’ über die verschwenderische Außenpolitik der Regierung Putins: »Wie zu Sowjetzeiten haben wir angefangen, nach allen Seiten Geld zu verteilen. Daran ging die Sowjetunion zugrunde. Wir fütterten sie alle. Wir fütterten Afrika und das halbe Lateinamerika. Wir fütterten die asiatischen Länder und so weiter und so fort. Wir verteilten diese Gelder, und selbst lebten wir, seien wir ehrlich, nicht so gut.«162 Mit dem Begriff kormit’, füttern, wird die gesamte Wirtschaftshilfe metaphorisch in Lebensmittelhilfe umgewandelt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung in Perm’ waren sich mit Nawalny einig, dass eine derartige Verschwendung der eigenen Ressourcen schädlich für Russland und seine Menschen sei und gestoppt werden müsse. Der Diskurs über die Uneigennützigkeit der Sowjetunion hat deren Zusammenbruch überdauert, allerdings negativ konnotiert als sinnlose Hilfe für die fernen Anderen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der eigenen Bevölkerung. Die Zeit scheint sich im Kreis zu bewegen wie die Floskeln.


Anmerkungen:

1 Die Anekdote erzählte Raisa Samuilovna im August 2020. Raisa Samuilovna, geb. 1948 in der Stadt Novotroick, Oblast’ Orenburg, 1967–1970 Studium in Moskau, Masch.-Ingenieurin, lebt seit 1993 in den USA. – Alle Übersetzungen im vorliegenden Aufsatz erfolgten durch die Autorinnen. Die Familiennamen der Befragten sind zur Anonymisierung weggelassen.

2 Unter humanitärer Hilfe verstehen wir Hilfsaktionen zur Linderung menschlicher Not aufgrund konkreter Ereignisse wie Naturkatastrophen oder Krieg. Entwicklungshilfe (Entwicklungszusammenarbeit) bezeichnet hingegen längerfristige Beziehungen zwischen Ländern unterschiedlichen Entwicklungsgrades in Form vertraglich vereinbarter Leistungen.

3 Zur Vernachlässigung der Außenbeziehungen in den großen Gesamtdarstellungen zur Geschichte der Sowjetunion vgl. Tobias Rupprecht, Die sowjetische Gesellschaft in der Welt des Kalten Kriegs. Neue Forschungsperspektiven, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 58 (2010), S. 381-399, hier S. 381f.

4 Brigitta Young, Prospects for Soviet Grain Production, Boulder 1983; Edward G. Bellinger/Nikolai M. Dronin, Climate Dependence and Food Problems in Russia, 1900–1990. The Interaction of Climate and Agricultural Policy and Their Effect on Food Problems, Budapest 2005.

5 Timothy Nunan, Humanitarian Invasion. Global Development in Cold War Afghanistan, New York 2016; Jay Dixon/Paul Robinson, Aiding Afghanistan. A History of Soviet Assistance to a Developing Country, London 2013, S. 148-152.

6 Leslie James/Elisabeth Leake (Hg.), Decolonization and the Cold War. Negotiating Independence, London 2015; Tobias Rupprecht, Soviet Internationalism After Stalin. Interaction and Exchange Between the USSR and Latin America During the Cold War, Cambridge 2015; Martin Aust (Hg.), Globalisierung imperial und sozialistisch. Russland und die Sowjetunion in der Globalgeschichte 1851–1991, Frankfurt a.M. 2013; Julia Obertreis, Sowjetunion global. Exportmodell – Drehscheibe – Aggressor, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 71 (2021) H. 16, S. 10-17.

7 Aleksandr S. Balezin/Apollon B. Davidson (Hg.), Afrika v sud’be Rossii, Rossija v sud’be Afriki [Afrika im Schicksal Russlands, Russland im Schicksal Afrikas], Moskau 2019.

8 Raymond F. Hopkins, Reform in the International Food Aid Regime: The Role of Consensual Knowl­edge, in: International Organization 46 (1992), S. 225-264; Henry R. Nau, The Diplomacy of World Food: Goals, Capabilities, Issues and Arenas, in: International Organization 32 (1978), S. 775-809; Jacqueline McGlade, More a Plowshare than a Sword: The Legacy of US Cold War Agricultural Diplomacy, in: Agricultural History 83 (2009), S. 79-102.

9 Die sowjetische Lebensmittelhilfe an die Länder des Ostblocks ist nicht das Thema dieses Beitrags.

10 Pëtr Čerkasov, IMĖMO. Očerk istorii [IMĖMO. Essay zur Geschichte], Moskau 2016, S. 129. Die Abteilungen Wissenschaft, Propaganda und Information sowie Internationale Beziehungen des ZK der KPSS spielten alle eine Rolle bei der Aufsicht über die Zeitschrift.

11 Vincent P. Pecora, Culture as Theater / Culture as Belief, in: Criticism 49 (2007), S. 505-534.

12 Alexei Yurchak, Everything Was Forever, Until It Was No More. The Last Soviet Generation, Princeton 2006, S. 24-26, S. 108-121.

13 Ebd., S. 14f.; Michael Holquist (Hg.), The Dialogical Imagination. Four Essays by Mikhail Bakhtin, Austin 1994, S. 342f.

14 John Fiske, Reading the Popular, London 1989, S. 2.

15 Dennis G. Ioffe/Serguei A. Oushakine, Introduction: The Amusing Disturbance of Soviet Laughter, in: Russian Literature 74 (2013), S. 1-10.

16 Serguei A. Oushakine, Introduction: Jokes of Repression, in: East European Politics and Societies 25 (2011), S. 655-657.

17 Alena Ledeneva, Open Secrets and Knowing Smiles, in: East European Politics and Societies 25 (2011), S. 720-736.

18 Zum Konzept svoi, der »eigenen« Leute oder Gleichgesinnten, vgl. Yurchak, Everything (Anm. 12), S. 102-122.

19 Oushakine, Jokes of Repression (Anm. 16), S. 656.

20 Lev Loseff, On the Beneficence of Censorship. Aesopian Language in Modern Russian Literature, München 1984.

21 Reino Paasilinna, Glasnost and Soviet Television. A Study of the Soviet Mass Media and its Role in Society from 1985–1991, Helsinki 1995, S. 113.

22 Alfred Eisfeld/Guido Hausmann/Dietmar Neutatz (Hg.), Hungersnöte in Russland und in der Sowjetunion 1891–1947. Regionale, ethnische und konfessionelle Aspekte, Essen 2017; Bellinger/Dronin, Climate Dependence (Anm. 4), S. 116, S. 152; Robert Kindler, Stalins Nomaden. Herrschaft und Hunger in Kasachstan, Hamburg 2014.

23 Michael Ellman, The 1947 Soviet Famine and the Entitlement Approach to Famines, in: Cambridge Journal of Economics 24 (2000), S. 603-630, hier S. 611f.

24 Nau, Diplomacy (Anm. 8), S. 780.

25 Zu Problemen sowjetischer Statistiken vgl. Bellinger/Dronin, Climate Dependence (Anm. 4), S. 15-30; R.W. Davies, A Note on Grain Statistics, in: Soviet Studies 21 (1969/70), S. 314-329.

26 Helena Goscilo, Luxuriating in Lack: Plentitude and Consuming Happiness in Soviet Paintings and Posters, 1920s–1953, in: Marina Balina/Evgeny Dobrenko (Hg.), Petrified Utopia. Happiness Soviet Style, London 2009, S. 53-78, hier S. 58f.

27 Charles M. Edmondson, An Inquiry into the Termination of Soviet Famine Relief Programmes and the Renewal of Grain Export, 1922–23, in: Soviet Studies 33 (1981), S. 370-385.

28 1930 konnten 5,8 Mio. Tonnen Getreide exportiert werden, 1931 trotz schlechter Ernte 5,2 Mio. Tonnen, 1932 brach der Export auf 1,8 Mio. Tonnen ein und schrumpfte 1933 auf 0,8 Mio. Tonnen. Vgl. Bellinger/Dronin, Climate Dependence (Anm. 4), S. 117f.

29 Vgl. Andrej Kolesnikov, Erinnerung als Waffe. Die Geschichtspolitik des Putin-Regimes, in: Osteuropa 70 (2020) H. 6, S. 3-28, hier S. 14.

30 Bellinger/Dronin, Climate Dependence (Anm. 4), S. 158; 1947 wurden 9,9 Mio. Tonnen Getreide den staatlichen Reserven hinzugefügt. Vgl. Ellman, The 1947 Soviet Famine (Anm. 23), S. 606.

31 Vasilij P. Popov, Gosudarstvennyj rezerv chleba v SSSR i social’naja politika [Staatliche Getreidereserve in der UdSSR und Sozialpolitik], in: Issledovanija [Soziologische Forschungen] 5 (1998), S. 24-31, hier S. 29.

32 Ebd.

33 Susanne Ramm-Weber, Mit der Sichel in der Hand. Mythos und Weiblichkeit in der sowjetischen Kunst der dreißiger Jahre, Köln 2006, S. 29-33.

34 McGlade, Plowshare (Anm. 8), S. 87.

35 Priznatelnost’ indijskogo naroda [Die Dankbarkeit des indischen Volkes], in: Izvestija, 20.6.1951, S. 3; zit. auch bei Benjamin Siegel, Fantastic Quantities of Food Grains: Cold War Visions and Agricultural Fantasies in Independent India, in: James/Leake, Decolonization (Anm. 6), S. 21-42, hier S. 21.

36 Nau, Diplomacy (Anm. 8), S. 778.

37 F. Stephen Larrabee, The Soviet Union and the Non-Aligned, in: The World Today 32 (1976), S. 467-475, hier S. 468; Roger E. Kanet (Hg.), The Soviet Union and the Developing Nations, Baltimore 1974.

38 Bellinger/Dronin, Climate Dependence (Anm. 4), S. 186-189.

39 Ebd., S. 210f.

40 Die Informationen zu Lebensmittelkrisen in der Sowjetunion zwischen 1954 und 1965 sind spärlich, Statistiken oder Presseberichte fehlen. Vgl. ebd., S. 207, S. 212.

41 Zu den Erträgen 1954–1965: ebd., S. 195, Tabelle 7.8. Zur Produktion zwischen 1949 und 1965 ebd., S. 175, Tabelle 7.2.

42 Christian Gerlach, Die Welternährungskrise 1972–1975, in: Geschichte und Gesellschaft 31 (2005), S. 546-585.

43 Nau, Diplomacy (Anm. 8), S. 794f.

45 Bellinger/Dronin, Climate Dependence (Anm. 4), S. 229. Zu Getreide-und Fleischimporten 1966–1977 ebd., S. 257, Tabelle 8.9.4; zur sowjetischen Getreideproduktion und Importen in den 1970er-Jahren ebd., S. 291, Tabelle 9.8.

46 Ebd., S. 265f.

47 Ebd., S. 249.

48 Zum Beispiel die Dokumentation: Nižnee Povolž’e N 30, Avgust 1962, Podvig volgogradcev [Untere Wolgaregion N 30, August 1962. Die Heldentat der Wolgograder], Regie: V. Tjuchmenev, URL: <https://www.youtube.com/watch?v=qFoRD3H8fEw>.

49 Zum Beispiel die Dokumentation aus der Reihe »Kampf um die Ernte« von 1972 in den »Neuigkeiten des Tages N 39« vom Oktober 1972, Regie: V. Katanjan, URL: <...> [Anm. der Red., 22.1.2022: Der YouTube-Link ist leider nicht mehr abrufbar].

50 Michail A. Mel’ničenko, Sovetskij Anekdot [Sowjetische Anekdote], Moskau 2014, S. 484, Nr. 2258.

51 Bellinger/Dronin, Climate Dependence (Anm. 4), S. 330, Tabelle 9.4; zu Getreide-, Fleisch-, Butterimporten in den Jahren 1985–1990 ebd., S. 278.

52 Roger E. Kanet, Four Decades of Soviet Economic Assistance: Superpower Economic Competition in the Developing World, ACDIS Occasional Paper, University of Illinois at Urbana-Champaign, July 2010, S. 7; Gu Guan-Fu, Soviet Aid to the Third World: An Analysis of Its Strategy, in: Soviet Studies 35 (1983), S. 71-89, hier S. 84.

53 Niall Ferguson (Hg.), The Shock of the Global. The 1970s in Perspective, Cambridge 2010.

54 Nau, Diplomacy (Anm. 8), S. 775.

55 Zur Geschichte des Instituts ausführlich Čerkasov, IMĖMO (Anm. 10), und zur Zeitschrift dort S. 117; eine gute Übersicht der sowjetischen Forschung zur Entwicklungspolitik geben die Beiträge von Eliza­beth Kridl Valkenier, Recent Trends in Soviet Research on the Developing Countries, in: World Politics 20 (1967/68), S. 644-659; dies., Development Issues in Recent Soviet Scholarship, in: World Politics 32 (1979/80), S. 485-508; dies., Soviet-Third World Relations: Ideology, Realities and New Thinking, in: Russian History 29 (2002), S. 499-510; Sara Lorenzini, Comecon and the South in the Years of Détente: A Study on East–South Economic Relations, in: European Review of History 21 (2014), S. 183-199.

56 Naši zadači [Unsere Aufgaben], in: Mirovaja ėkonomika i meždunarodnye otnošenija, Akademija nauk SSSR, Institut mirovoj ėkonomiki i meždunarodnych otnošenij [Weltwirtschaft und internationale Beziehungen, Akademie der Wissenschaften der UdSSR] 1/1957, S. 5-6, hier S. 6; im Folgenden abgekürzt als MĖMO.

57 David Morison, African Studies in the Soviet Union, in: Russian Review 22 (1963), S. 301-314, hier S. 302f.

58 Čerkasov, IMĖMO (Anm. 10), S. 118.

59 Pravda, 30.12.1955. Zit. nach V. Rymalov, Ėkonomičeskoe sorevnovanie dvuch sistem i problema pomošči slaborazvitym stranam [Ökonomischer Wettbewerb zweier Systeme und das Problem der Hilfe für Entwicklungsländer], in: MĖMO 2/1960, S. 30-42, hier S. 33f.

60 Im »autoritativen Diskurs« wurde die »Vermenschlichung« gezielt für ideologische Zwecke eingesetzt. Zur (nicht reflektierten) Übertragung »naturgegebener Charaktere« auf Gruppen in der Geschichtsschreibung vgl. Maren Lorenz, Wozu Anthropologisierung der Geschichte? Einige Anmerkungen zur kontraproduktiven Polarisierung der Erkenntnisinteressen in den Geisteswissenschaften, in: Historische Anthropologie 11 (2003), S. 415-434. Zur Metaphorik des »kranken« Kapitalismus vgl. Konstantin Bogdanov, O čistote i nečisti. Sovpolitgigiena [Über Reinheit und Teufelspack. Sowjet-politische Hygiene], in: Žurnal’nyj zal. Neprikosnovennyj zapas [Magazin Notreserve] 65 (2009) H. 3.

61 Rymalov, Ėkonomičeskoe sorevnovanie (Anm. 59), S. 39.

62 Zit. nach Ruben Andreasjan/David Čertkov/Jurij Možaev, SSSR i razvivajuščiesja strany. Sotrudničestvo v razvitii ėkonomiki i kul’tury [Die UdSSR und die Entwicklungsländer. Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Wirtschaft und Kultur], Moskau 1966, S. 3.

63 Zit. nach Tobias Rupprecht, Gestrandetes Flaggschiff. Die Moskauer Universität der Völkerfreundschaft, in: Osteuropa 60 (2010) H. 1, S. 95-114, hier S. 96.

64 Ders., Die sowjetische Gesellschaft (Anm. 3), S. 388.

65 Ebd., S. 381.

66 Ebd., S. 389.

67 D.M. Bondarenko, Obraz SSSR v stranach Afriki: Vzgljad iz 2000-ch [Die Wahrnehmung der UdSSR in den Ländern Afrikas: Rückblick aus den 2000er-Jahren], in: Balezin/Davidson, Afrika (Anm. 7), S. 557-572.

68 Zit. nach Valkenier, Development Issues (Anm. 55), S. 485.

69 Lorenzini, Comecon (Anm. 55), S. 183.

70 Andreasjan/Čertkov/Možaev, SSSR (Anm. 62), S. 11f.; D.F. Fokin, Vnešnjaja torgovlja SSSR 1946–1963 [Außenhandel der UdSSR 1946–1963], Moskau 1964, S. 117f.

71 L. Stepanov, »Pomošč’« slaborazvitym stranam v strategii amerikanskogo imperializma [»Hilfe« für die schwach entwickelten Länder in der Strategie des amerikanischen Imperialismus], in: MĖMO 8/1961, S. 15-30, hier S. 16.

72 Rymalov, Ėkonomičeskoe sorevnovanie (Anm. 59), S. 31, S. 35.

73 V. Rjazancev, Amerikanskaja ėkspansija pod vidom »pomošči« [Amerikanische Expansion unter dem Vorwand der »Hilfe«], in: MĖMO 4/1957, S. 160-162, hier S. 160.

74 Einige Beispiele: V.G. Kur’erov/M.I. Zachmatov, »Pomošč’« razvivajuščimsja stranam – orudie vnešnetorgovoj ėkspansii SŠA [»Hilfe« für Entwicklungsländer – eine Waffe in der Expansion des US-Außenhandels], Moskau 1965; Rjazancev, Amerikanskaja ėkspansija (Anm. 73); Stepanov, »Pomošč’« (Anm. 71); I. Farizov, Istinnye celi »pomošči« SŠA Pakistanu [Die wahren Absichten der amerikanischen »Hilfe« in Pakistan], in: MĖMO 1/1958, S. 111-113.

75 Etwa V.G. Rastjannikov, Razvivajuščiesja strany: prodovol’stvie i politika [Entwicklungsländer: Ernährung und Politik], Moskau 1968; M.A. Aleksandrov/A.E. Granovskij, Ėkonomičeskaja pomošč’ kapitalističeskich gosudarstv stranam Južnoj Azii [Wirtschaftshilfe der kapitalistischen Staaten für die Länder Südasiens 1960–1970], Moskau 1973; L. Bagramov, Prodovol’stvennaja problema v razvivajuščichsja stranach. (Vnešnie aspekty rešenija) [Ernährungsproblem in Entwicklungsländern. (Äußere Aspekte der Lösung)], in: MĖMO 12/1984, S. 63-77; N.I. Černjachovskaja, Problemy ėkonomičeskoj pomošči razvivajuščimsja stranam Azii i Afriki. »Oficial’naja pomošč’« veduščich kapitalističeskich gosudarstv. Naučno-analitičeskij obzor [Probleme der Wirtschaftshilfe für Entwicklungsländer in Asien und Afrika. »Offizielle Hilfe« der führenden kapitalistischen Staaten. Wissenschaftlich-analytischer Überblick], Moskau 1987.

76 G.M. Prochorov, Problemy sotrudničestva socialističeskich i razvivajuščichsja stran. Ėkonomičeskie otnošenija [Probleme der Zusammenarbeit zwischen sozialistischen und Entwicklungsländern. Wirtschaftsbeziehungen], Moskau 1966, S. 7.

77 Zum Beispiel Ė. Nuchovič/A. Poljak, Dva podchoda k pomošči [Zwei Ansätze zur Hilfe], in: MĖMO 2/1960, S. 88-90.

78 Andreasjan/Čertkov/Možaev, SSSR (Anm. 62), S. 12.

79 Zum Beispiel L. Zevin, Ėkonomičeskoe sotrudničestvo stran SĖV s razvivajuščimisja gosudarstvami – vymysly i dejstvitel’nost’ [Wirtschaftliche Zusammenarbeit der SEV-Länder mit Entwicklungsländern – Fiktionen und Realität], in: MĖMO 7/1985, S. 60-72, hier S. 65f.

80 Zum Beispiel E. Kovalev/I. Svanidze, Prodovol’stvennaja problema v Afrike [Das Ernährungsproblem in Afrika], in: MĖMO 5/1986, S. 137-142, hier S. 141.

81 V.A. Puljarkin, Geografičeskie problemy sel’skogo chozjajstva i prodovol’stvennych resursov v razvivajuščichsja stranach [Geographische Probleme der Agrarwirtschaft und Lebensmittelressourcen in Entwicklungsländern], Moskau 1981, S. 105.

82 Ebd., S. 92-110.

83 Z.B. das Kapitel »Die Wahrheit über den Hunger« in P.I. Markov, Biznes na golode. Prodovol’stvennaja problema v razvivajuščichsja stranach i strategija imperializma [Das Geschäft mit dem Hunger. Das Ernährungsproblem in Entwicklungsländern und die Strategie des Imperialismus], Moskau 1975, S. 8-43.

84 Mel’ničenko, Anekdot (Anm. 50), S. 483, Nr. 2255.

85 Markov, Biznes (Anm. 83), S. 19.

86 N. Mirovickaja/Ju. Šiškov, Problema goloda v kapitalističeskom mire [Das Problem des Hungers in der kapitalistischen Welt], in: MĖMO 6/1980, S. 38-51, hier S. 39.

87 G. Faktor, Geografija goloda [Die Geographie des Hungers], in: MĖMO 9/1964, S. 132-136, hier S. 136. Vgl. dazu auch Elizabeth Kridl Valkenier, New Trends in Soviet Economic Relations with the Third World, in: World Politics 22 (1969/70), S. 415-432, hier S. 424.

88 Faktor, Geografija (Anm. 87), S. 132.

89 Bagramov, Prodovol’stvennaja problema (Anm. 75), S. 63.

90 Markov, Biznes (Anm. 83), S. 82.

91 Mirovickaja/Šiškov, Problema (Anm. 86), S. 48.

92 Prochorov, Problemy (Anm. 76), S. 125.

93 Ausführlich zu diesem Programm siehe McGlade, Plowshare (Anm. 8).

94 Kur’erov/Zachmatov, »Pomošč’« (Anm. 74), S. 7f.; V.I. Puz’, Prodovol’stvennaja strategija SŠA v razvivajuščichsja stranach na primere prodovol‘stvennoj pomošči stranam Vostoka [Lebensmittelstrategie der USA in Entwicklungsländern. Am Beispiel der Nahrungsmittelhilfe für die Länder des Ostens], in: V.G. Rastjannikov (Hg.), Prodovol’stvennaja problema v razvivajuščichsja stranach Azii i Severnoj Afriki [Das Ernährungsproblem in Entwicklungsländern Asiens und Nordafrikas], Moskau 1982, S. 65-82, hier S. 73.

95 M.A. Aleksandrov, Rasčëtlivaja rastočitel’nost’. Nekotorye aspekty ėkonomičeskoj pomošči SŠA razvivajuščimsja stranam [Eine berechnende Verschwendung. Einige Aspekte der US-Wirtschaftshilfe für Entwicklungsländer], Moskau 1965, S. 50; Kur’erov/Zachmatov, »Pomošč’« (Anm. 74), S. 8.

96 Aleksandrov, Rasčëtlivaja (Anm. 95), S. 40, S. 50; Markov, Biznes (Anm. 83), S. 85; M. Petrov, Za vyveskoj programmy »Prodovol’stvie radi mira« [Hinter der Fassade des Programms »Lebensmittel für den Frieden«], in: MĖMO 3/1966, S. 128-131, hier S. 128f.

97 Mel’ničenko, Anekdot (Anm. 50), S. 483, Nr. 2256A.

98 V. Kollontaj, Organizacija amerikanskoj »pomošči« [Organisation amerikanischer »Hilfe«], in: MĖMO 1/1958, S. 101-105, hier S. 104; Kur’erov/Zachmatov, »Pomošč’« (Anm. 74), S. 17, S. 25f.; V. Tolstikov, Posledstvija ėkonomočeskoj »pomošči« SŠA Južnoj Koree [Folgen der wirtschaftlichen »Hilfe« der USA für Südkorea], in: MĖMO 6/1960, S. 124-129, hier S. 127; Puz’, Prodovol’stvennaja strategija (Anm. 94), S. 77.

99 Puz’, Prodovol’stvennaja strategija (Anm. 94), S. 68.

100 Markov, Biznes (Anm. 83), S. 81; Petrov, Za vyveskoj (Anm. 96), S. 131. Kur’erov/Zachmatov, »Pomošč’« (Anm. 74), S. 8. Das Problem der Zahlungen in Landeswährung diskutiert aus umgekehrter Perspektive auch Joseph S. Berliner, Soviet Economic Aid. The New Aid and Trade Policy in Underdeveloped Countries, New York 1958, S. 161-163, für die sowjetische Wirtschaftshilfe.

101 Markov, Biznes (Anm. 83), S. 84.

102 Bagramov, Prodovol’stvennaja problema (Anm. 75), S. 74.

103 Kollontaj, Organizacija (Anm. 98), S. 105.

104 Aleksandrov, Rasčëtlivaja (Anm. 95), S. 53.

105 Bogdanov, O čistote i nečisti (Anm. 60).

106 Rastjannikov, Razvivajuščiesja strany (Anm. 75), S. 55; Markov, Biznes (Anm. 83), S. 72.

107 Vgl. etwa die Beiträge von Simon Toner und Benjamin Siegel in: James/Leake, Decolonization (Anm. 6), S. 21-42 bzw. S. 43-62, hier S. 43f.; Roger E. Kanet, Soviet and American Behaviour Toward the Devel­oping Countries: A Comparison, in: Canadian Slavonic Papers 15 (1973), S. 439-461, hier S. 453; Santosh K. Mehrotra/Patrick Clawson, Soviet Economic Relations with India and Other Third World Countries, in: Economic and Political Weekly 14 (1979), S. 1367-1392.

108 Berliner, Soviet Economic Aid (Anm. 100), Kapitel »Greeks bearing gifts«, S. 137-139.

109 Jeremy Friedman, Shadow Cold War. The Sino-Soviet Competition for the Third World, Chapel Hill 2015, S. 117f.

110 Berliner, Soviet Economic Aid (Anm. 100), S. 173.

111 Als Beispiel eines solchen Vergleichs: Kovalev/Svanidze, Prodovol’stvennaja problema (Anm. 80), S. 141.

112 Markov, Biznes (Anm. 83), S. 164.

113 M. Avsenev, Možno li pobedit’ golod na Zemle? [Ist es möglich, den Hunger auf der Erde zu besiegen?], in: MĖMO 11/1964, S. 149-151, hier S. 150.

114 G. Prochorov/L. Zevin, Ėkonomičeskoe sotrudničestvo socialističeskich i razvivajuščichsja stran: novye tendencii [Wirtschaftliche Zusammenarbeit der sozialistischen und der Entwicklungsländer. Neue Tendenzen], in: MĖMO 3/1977, S. 37-46, hier S. 40.

115 Dazu detailliert: Kanet, Soviet and American Behaviour (Anm. 107), S. 451. Die UdSSR behaupte, durch langfristige Engagements stabile Absatzmärkte für die Waren der Least Developed Countries (LDC) zu schaffen. Die Verträge legten jedoch weder Mengen noch Preise fest. Statistiken zeigten, dass ungefähr dieselben Waren, Lebensmittel und Rohstoffe wie von westlichen Ländern gehandelt würden und dass auch die Preise dieselben seien. Siehe auch Valkenier, New Trends (Anm. 87), S. 416f., S. 420.

116 Andreasjan/Čertkov/Možaev, SSSR (Anm. 62), S. 77.

117 B. Morgunov, Sotrudničestvo vo imja mira [Zusammenarbeit im Namen des Friedens], in: Sovetskij Krasnyj Krest [Sowjetisches Rotes Kreuz] 9/1975, S. 30-31, hier S. 31.

118 Ebd., S. 33.

119 Vgl. Valkenier, Development Issues (Anm. 55), S. 485.

120 Vgl. Lorenzini, Comecon (Anm. 55), S. 187.

121 Vgl. Valkenier, Recent Trends (Anm. 55), S. 646.

122 Vgl. ebd., S. 650.

123 Vgl. Valkenier, Soviet-Third World Relations (Anm. 55), S. 502.

124 Aleksandrov/Granovskij, Ėkonomičeskaja pomošč’ (Anm. 75), S. 215.

125 Lorenzini, Comecon (Anm. 55), S. 184.

126 Vgl. ebd., S. 193.

127 Ebd., S. 189.

128 Valkenier, Soviet-Third World Relations (Anm. 55), S. 503.

129 Vgl. ebd., S. 505; Lorenzini, Comecon (Anm. 55), S. 193.

130 Vgl. Lorenzini, Comecon (Anm. 55), S. 193.

131 Stephen Kotkin, The Kiss of Debt. The East Bloc Goes Borrowing, in: Ferguson, Shock (Anm. 53), S. 80-93.

132 Kovalev/Svanidze, Prodovol’stvennaja problema (Anm. 80), S. 138.

133 G. Prochorova, Prodovol’stvennaja problema kapitalizma [Das Nahrungsmittelproblem des Kapitalismus], in: MĖMO 9/1981, S. 81-91, hier S. 86; Ju. Kimak, Prodovol’stvennaja problema v razvivajuščemsja mire i OON [Das Ernährungsproblem in den Entwicklungsländern und den Vereinten Nationen], in: MĖMO 5/1983, S. 117-123, hier S. 120; Markov, Biznes (Anm. 83), S. 104-107.

134 Ju. Kobiščanov, FAO i prodovol’stvennaja problema v razvivajuščichsja stranach [FAO und das Ernährungsproblem in Entwicklungsländern], in: MĖMO 11/1988, S. 120-122.

135 I.V. Antonova, FAO – Specializirovannoe učreždenie OON [FAO – Sonderorganisation der Vereinten Nationen], in: Vestnik Rossijskogo universiteta družby narodov, Serija Juridičeskie nauki [Bote Russischer Universität der Völkerfreundschaft, Reihe Rechtswissenschaften] 1/2008, S. 86-94, hier S. 87.

136 Vgl. Prodovol’stvennaja i sel’skochozjajstvennaja organizacija OON [Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen], URL: <https://rusfao.mid.ru/11>.

137 Prochorova, Prodovol’stvennaja problema (Anm. 133), S. 89.

138 Valkenier, Soviet-Third World Relations (Anm. 55), S. 507.

139 Vgl. ebd., S. 503.

140 Ebd., S. 509f.

141 N.V. Volkov, 1200 milliardov s procentami (o dolgach razvivajuščichsja stran Zapadu) [1200 Milliarden mit Prozenten (Über die Schulden der Entwicklungsländer im Westen)], Moskau 1989, S. 64, S. 72.

142 Ebd., S. 9.

143 Mel’ničenko, Anekdot (Anm. 50), S. 276, Nr. 1116.

144 Semën Grigor’evič, geb. 1938 in der Ukraine, im Krieg in den Kaukasus evakuiert, lebte nach dem Krieg in Grozny; er war zunächst Elektromonteur, später Ingenieur.

145 Die sowjetischen Erfahrungen wurden von mehreren Betroffenen im Licht der 1990er-Jahre, in denen sie Mangel- und Hungererfahrungen machten, kommentiert. Diesen Aspekt müssen wir aus Platzgründen hier ausklammern.

146 Elizaveta Michajlovna, geb. 1956 in Kiev, Lehramtsstudium, Arbeit als Lehrerin, 1992 Emigration nach Deutschland; Raisa Samuilovna, geb. 1948 (Anm. 1).

147 Boris Fedotovič, geb. 1938 im Gebiet Chabarovsk, lebt seit 1961 in Riga, Abendstudium an der Kaliningrader Technischen Hochschule, Ingenieur-Navigator, Seefahrer; Semën Grigor’evič (Anm. 144).

148 Valerij Michailovič, geb. 1946 in der Stadt Nižnij Tagil, Ural, Betriebsingenieur, lebt seit 1972 in Riga.

149 Semën Grigor’evič (Anm. 144); Maksim Borisovič, Journalist und Jurist, geb. 1971 in Rostow am Don.

150 Zur Entstehung des »global poster child« im 20. Jahrhundert vgl. Karen Dubinsky, Children, Ideol­ogy, and Iconography: How Babies Rule the World, in: Journal of the History of Childhood and Youth 5 (2012), S. 5-13.

151 Larisa Semënovna, geb. 1947, stammt aus einer Offiziersfamilie, lebte lange in Dnepropetrovsk.

152 Boris Fedotovič (Anm. 147); Semën Grigor’evič (Anm. 144).

153 Tamara Nikolaevna, geb. 1943 im Gebiet Smolensk, Kleinstadt Syčevka, besetztes Gebiet; ihre Mutter arbeitete nach dem Krieg unionsweit auf verschiedenen sowjetischen Großbaustellen, ab 1952 in Grozny.

154 Oleg R., geb. 1963 in der Siedlung Mir, Belarussische SSR. Die Familie führte eine große private Landwirtschaft im Nebenberuf. 1972–1981 Schulbesuch in der Siedlung Mir. 1981–1987 Medizin-Studium in der Stadt Grodno, Belarussische SSR, Arzt.

155 Yurchak, Everything (Anm. 12), S. 127.

156 Ebd., S. 132.

157 E. Simonov/L. Zevin, Pomošč’ i ėkonomičeskoe sotrudničestvo SSSR s razvivajuščimisja stranami. Uroki, problemy i perspektivy [Hilfe und wirtschaftliche Zusammenarbeit der UdSSR mit Entwicklungsländern. Lektionen, Herausforderungen und Perspektiven], in: Narody Azii i Afriki [Völker Afrikas und Asiens] 2/1990, S. 5-17, hier S. 6. Deutsche Fassung: L. Sewin/J. Simonow, Die UdSSR und die Entwicklungsländer, in: Gesellschaftswissenschaften. Vierteljahresschrift 3/1991, S. 213-231, hier S. 215.

158 Über diese Stimmungen z.B.: Ramil’ Gataullin, Čёrnaja dyra ili kontinent buduščego [Schwarzes Loch oder der Kontinent der Zukunft], o.D. (ca. 2013), URL: <http://www.odnako.org/almanac/material/chernaya-dira-ili-kontinent-budushchego/>.

159 Simonov/Zevin, Pomošč’ (Anm. 157), S. 16, bzw. Sewin/Simonow, UdSSR (Anm. 157), S. 231.

160 Monica Rüthers, Essen als Politik. Weltoffenheit und Patriotismus im russischen Supermarkt, in: Osteuropa 65 (2015) H. 11-12, S. 89-102, hier S. 91-93; dies., Nutella Divide, Chicken Angst, and Ice-Cream Nostalgia: Fending Off Impurity in Post-Soviet Food Discourse, in: Food, Fatness and Fitness. Critical Perspectives, 1.4.2018.

161 Jennifer Patico, Consuming the West but becoming Third World: Food Imports and the Experience of Russianness, in: Anthropology of East Europe Review 21 (2003) H. 1, S. 31-36.

162 Nawalny in Perm’ bei einer Kundgebung am 24.11.2017, Privatvideo, URL: <https://www.youtube.com/watch?v=mkaOaKUz290>, Min. 40:05 – 40:25.

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Copyright © Monica Rüthers, Marianna Zhevakina | CC BY-SA 4.0

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