»Faschistische Grundstruktur«

Lutz Niethammers Analyse der extremen Rechten (1969)

Anmerkungen

Lutz Niethammer, Angepaßter Faschismus.
Politische Praxis der NPD, Frankfurt a.M.: S. Fischer 1969.
Zitate und Verweise aus diesem Buch sind im Folgenden mit Seitenzahlen im Haupttext genannt.

Der junge Historiker Lutz Niethammer (geb. 1939) wollte kein »68er« sein. Viele seiner Altersgenossen fanden den Weg in die Außerparlamentarische Opposition, doch Niethammer blieb distanziert – er wollte teilhaben, nicht teilnehmen.1 Zwar rezipierte er die marxistisch wie psychoanalytisch inspirierten Faschismustheorien, doch blieb es bei einem grundlegenden Wissenschaftsinteresse.2 Während sich viele andere der Studentenbewegung anschlossen und ihr Augenmerk auf den Antiimperialismus und Internationalismus legten, brachte Niethammer die Gefahr von rechts in den Blick. Schon früh wandte er sich gegen den Geschichtsrevisionismus: Seine Kritik an David L. Hoggans Buch »Der erzwungene Krieg« von 1961 bildete den Anfang einer längeren Auseinandersetzung.3 »Ich glaubte, wir sollten etwas gegen den Aufstieg des Neofaschismus tun«, erklärte Niethammer retrospektiv in seiner fragmentarisch-autobiographischen Essaysammlung »Ego-Histoire?«. Dies erschien ihm »näherliegender« (sic) als der hilflose Antikapitalismus der Linken.4

Während die Zeit der Studentenrevolte(n) in der Zeitgeschichte meist als Chiffre für die kulturellen und politischen Transformationen vor allem der nachfolgenden Dekade gelesen wird,5 legt Niethammers Buch »Angepaßter Faschismus« Zeugnis darüber ab, wie sich gleichzeitig eine extrem rechte Bewegung zu etablieren suchte. Die damals junge, erst 1964 gegründete Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) schickte sich an, in den Bundestag einzuziehen, und erregte mediale Aufmerksamkeit. Auch die Politikwissenschaft wandte sich dem Phänomen des organisierten »Rechts­extremismus«6 zu und entdeckte die neuartige Parteiformation als Forschungsobjekt. Der Marburger Faschismusforscher Reinhard Kühnl widmete sich zusammen mit Rainer Rilling und Christine Sager der NPD. Dieses Autorenteam war nicht allein.7

Niethammer wollte ebenfalls intervenieren, sein Buch war als »aufklärerischer Schnellschuss« gedacht. Das Manuskript sei »innerhalb weniger Monate entstanden, um in laufende öffentliche Debatten einzugreifen«.8 Schon in seiner Einleitung wies der Autor auf den Zeitdruck hin, denn »zu Recht« hatte der S. Fischer Verlag wegen der bevorstehenden Bundestagswahl darauf gedrängt, »noch im Sommer 1969 das Ergebnis zu veröffentlichen« (S. 11). Anderes, insbesondere Niethammers Dissertationsschrift über die »Entnazifizierung in Bayern«,9 musste hingegen warten. Zwei Jahre später wurde er bei Werner Conze in Heidelberg promoviert, einem der frühen Impulsgeber der Sozialgeschichte.10

So gehörte Niethammer einer neuen Generation von Historikerinnen und Historikern an, die ein praktischeres Verständnis ihrer Disziplin hatten. Er hatte gerade erst als Wissenschaftlicher Assistent am neu geschaffenen Lehrstuhl von Hans Mommsen (»meinem freundschaftlichen Chef«, S. 11) an der 1962 gegründeten Ruhr-Universität Bochum angefangen. Mommsen selbst war zuvor in Heidelberg Assistent bei Conze gewesen und hatte Niethammer von dort an die Reformuniversität geholt – nicht ohne Folgen.11 Ein Verharren im historistischen Denken ihrer Vorgänger lag Niethammer und seinen Altersgenossen nicht. Ihr geschichtswissenschaftliches Interesse war auf neue und andere Weise gegenwartsorientiert.

Heidelberg, 4. April 1968: »Spaziergangs-Demonstration«
von Studentinnen und Studenten, Schülerinnen und Schülern
im Vorfeld der baden-württembergischen Landtagswahl
vom 28. April 1968. Die NPD erreichte bei dieser Wahl
9,8 Prozent der Stimmen.
(Stadtarchiv Heidelberg; Foto: Hans Speck)

Bei Niethammer zeigt sich dies in dem Vorstoß von 1967 – noch war er als Student an der Heidelberger Universität eingeschrieben –, einen Aufsatz zur NPD in den »Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte« (VfZ) publizieren zu wollen. Das Manuskript stieß auf grundsätzlich positiven Widerhall. Hans Rothfels, der die Zeitschrift seit 1953 zusammen mit dem Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg herausgab, war »von diesem Aufsatz sehr angetan«, doch mahnte der damalige VfZ-Redakteur Hellmuth Auerbach eine Kürzung an. Zudem seien einige »Schlußfolgerungen etwas voreilig«.12 Die Sache zog sich offenbar hin, eine Überarbeitung und erneute Einreichung scheint nicht mehr stattgefunden zu haben. Allerdings veröffentlichte Niethammer einige Artikel in der seit Anfang 1967 vom S. Fischer Verlag herausgegebenen Zeitschrift »Der Monat«, für die auch der Schriftsteller (und damalige Mitherausgeber) Peter Härtling schrieb.13 Besonders der im April 1967 erschienene Artikel über »Führer, Anhänger, Wähler« der NPD machte Eindruck. Härtling gehörte auch der Geschäftsführung des S. Fischer Verlags an, und so wurde eine Zusammenarbeit mit dem renommierten Haus vereinbart. Offenbar hatte Härtling bei Niethammer angeregt, »aus dem aufgeschwollenen NPD-Artikel ein Taschenbuch zu machen«.14 Der Verlagslektor Hans Jürgen Koch sah das Buchprojekt in einem nicht einzuhaltenden »Wettlauf« mit anderen Veröffentlichungen. Da eine zeitnahe Publikation kaum möglich sei, nahm der Verlag zunächst Abstand von der Idee.15 Im Sommer 1969 konnte das Taschenbuch dann doch erscheinen. »Freilich kam unser Buch zu spät«, so Niethammer.16 Die Bundestagswahl war am 28. September 1969, wenige Wochen nach der Veröffentlichung. Knapp verpasste die NPD mit 4,3 Prozent der Wählerstimmen den Einzug ins Parlament. Die zeitgenössische Resonanz auf das Buch blieb denn auch verhaltener, als es aus heutiger Perspektive zu erwarten wäre. Dies mag an dem Wahlergebnis und dem folgenden Niedergang der Partei gelegen haben. Wohl auch aufgrund des wenig journalistischen Stils wurde das Buch kein Bestseller. Die für damalige Verhältnisse eher kleine Auflage von 5.000 Exemplaren deutet auf einen begrenzten Rezipientenkreis hin.17

Das Buch wollte »keine Wählersoziologie der NPD, keine Kompilation einer NPD-Ideologie und auch keine entsprechende Ideologiekritik« sein, sondern über die politische Praxis und Rhetorik »jene Motive erkennbar machen, von denen die Masse der NPD-Wähler bestimmt wird« (S. 8). Empirische Grundlagen boten »die Literatur, parteiamtliche Veröffentlichungen und eine Reihe anderer Materialien« (S. 10), darunter offenbar auch Quellen, die Niethammer direkt vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bekam.18 Die Studie ist in fünf Abschnitte gegliedert: I. Nationalistische Propaganda, II. Organisierter Nationalismus, III. Die NPD in den Landtagen, IV. Führungsschicht und Flügel der NPD, V. 25 Thesen. Mit gut 130 Seiten bildet das mittlere Kapitel den Schwerpunkt: Anhand der Landtagsprotokolle analysierte Niethammer die Arbeit der damals 61 NPD-Abgeordneten in sieben Landesparlamenten. »[D]ie große Verschiedenheit der einzelnen Fraktionen vor allem in ihrer Zusammensetzung und ihrem politischen Verhalten, aber auch in ihrer Aussage« (S. 97) bedingte eine detailreiche Einzeldarstellung. Gleichzeitig bemühte sich Niethammer um eine Beschreibung der Parteielite: Die Führungsschicht hatte für ihn hinsichtlich Bildungs- und Berufsstruktur den »Charakter des Halbfertigen« (S. 233). Die NPD war mehr als jede der demokratischen Parteien eine Partei des Mittelstands, des Kleinbürgertums.

Niethammer argumentierte, dass die NPD (wie bereits ihre Vorgängerin, die Deutsche Reichspartei [DRP]) einen integral ausgerichteten »organisierten Nationalismus« repräsentiere. Dieser Begriff weist erstens auf Niethammers Nationalismus-Analyse hin: Zu einem Zeitpunkt, als eine neue Nationalismus-Forschung noch längst nicht etabliert war, verstand der Autor die Nation bereits als eine »gedachte Ordnung« (M. Rainer Lepsius).19 Zweitens betrachtete Niethammer die NPD nicht als das rechtsextreme Andere, sondern wollte ihre »faschistische Grundstruktur« in der Wechselwirkung mit »der Funktion der Partei in der Gesellschaft« der damaligen Bundesrepublik ergründen. Es nütze wenig, in der Argumentation »nur auf eine glatte NS-Kontinuität« abzuheben; stattdessen müssten »die komplizierten Bedingungen eines faschistischen Ansatzes« in einer postfaschistischen Gesellschaft berücksichtigt werden (S. 260). Dabei knüpfte Niethammer an eine wegweisende Arbeit des 1933 in die USA emigrierten Politologen Kurt P. Tauber an, der in einem Buch von 1967 den radikalen Nationalismus im westlichen Teil Nachkriegsdeutschlands untersucht hatte.20 Auch Niethammer sah den »Nährboden einer den bundesrepublikanischen Voraussetzungen angepaßten faschistischen Organisation« in den Strukturveränderungen der Nachkriegsgesellschaft, in der die Immobilität bestimmter Schichten mit einem befürchteten Prestigeverlust einhergehe. Hier zeige sich die Bündnisfähigkeit dieses »angepaßten Faschismus«, der sich zwar als Modernisierungsopfer geriere, mit der »Parole ›Leistung, Ordnung, Sicherheit‹« in den Technokraten – »an sich der geborene Feind« – aber Verbündete finden könne (S. 95). In einer solchen »Front ohne Alternative zur technischen Entwicklung« (ebd.) sah der Autor die große Gefahr. So seien es nicht nur die ehemaligen unteren und mittleren NS-Funktionäre, die »Friedhofsgärtner des Dritten Reiches« (S. 71), die den relativen Erfolg der NPD ausmachten. Gerade der aus »Unpolitischen« zusammengesetzte neofaschistische Flügel versuche seinen Einfluss gegen das aus »den alten Nazis« bestehende postfaschistische Lager geltend zu machen (S. 245-250).

Die Arbeit von Kühnl, Rilling und Sager bestimmte indes den wissenschaftlichen Diskurs. Niethammers Buch, das dieser als Ergänzung der Kühnl-Studie verstanden wissen wollte (S. 11), wurde vom politik- wie vom geschichtswissenschaftlich informierten Publikum weitgehend ignoriert, zumindest wenn man das Ausbleiben von Rezensionen in einschlägigen Zeitschriften zugrunde legt: Fehlanzeige in den »Blättern für deutsche und internationale Politik« und den »Frankfurter Heften« ebenso wie in »Das Argument« und den »Marxistischen Blättern«. Ein in der »Politischen Vierteljahresschrift« abgedruckter Bericht von Jürgen Dittberner zum Stand der Parteienforschung in der Bundesrepublik nannte zwar die Veröffentlichungen von Kühnl et al. sowie Noll et al., nicht jedoch Niethammers Arbeit.21 Besprochen wurde das Buch hingegen in der Nullnummer der »Zeitschrift für Parlamentsfragen«, wo der Politikwissenschaftler Udo Bermbach es 1969 zur »Pflichtlektüre für unsere demokratischen Politiker« erklärte.22 Einige Jahre darauf fand die Historikerin Paula Sutter Fichtner positive Worte in einer Sammelbesprechung für »The Review of Politics«. Zwar hätte dem Band ein Index gut zu Gesicht gestanden, das kommentierte Literaturverzeichnis sei aber »excellent«.23

Tatsächlich gelang Niethammer auf 288 eng bedruckten Seiten eine akribische, theoretisch fundierte und analytisch versierte Grundlagenstudie zu Ideologie und Wirken der NPD am Ende der 1960er-Jahre – trotz der von ihm selbst eingeräumten »unvermeidbaren stilistischen Mängel der Schrift« (S. 11). Auch die im Anhang zu findende prosopographische Auflistung der Parteielite unterstützt den Eindruck einer überaus gründlichen Arbeit. Einzelne Fehler wie »Habsburger Front« (S. 56) erklären sich wohl dadurch, dass »die eigentliche Niederschrift des Textes auf einige Wochen zusammengedrängt werden [mußte]« (S. 11).

Später streifte der Zeithistoriker Niethammer das Phänomen »Rechtsextremismus« in zwei Aufsätzen,24 bevor er sich der Alltagsgeschichte des Ruhrgebiets in Nationalsozialismus und Nachkriegszeit, der Oral History sowie seit der deutschen Einheit besonders auch der DDR-Geschichte zuwandte. Eine zeithistorische Rechtsextremismusforschung begründete er nicht. Und trotzdem leistete Niethammer Pionierarbeit. Referieren politologische Arbeiten den Werdegang des »Rechtsextremismus« in der Bundesrepublik, führen die Verweise stets auch zu Niethammers Buch »Angepaßter Faschismus«. Die seit den 1980er-Jahren entstandene politikwissenschaftliche Rechtsextremismusforschung berief und beruft sich in ihren Analysen zur NPD bis heute immer wieder auf die Studie.25 Wer sich für die Geschichte der zeitweise sehr erfolgreichen extrem rechten Partei interessiert, kommt an Niethammer kaum vorbei. Es erstaunt allerdings, dass sein Buch vor allem als Wissensreservoir genutzt wird, während die beigegebene Analyse in den Hintergrund rückt. Dabei kann die Studie helfen, extrem rechte Parteiformationen auch im historischen Vergleich zu betrachten.

Frappierend sind die Analogien in der krisenhaften Konsolidierung dieser Parteien. Schon die phänomenologischen Parallelen der Entstehung und des Aufbaus der NPD seit 1964 und der Alternative für Deutschland (AfD) 50 Jahre später sind evident. So etablierte sich die AfD spätestens seit 2015 bei gleichzeitigem Hegemoniegewinn der extrem rechten Parteiflügel und Bedeutungsverlust beziehungsweise Herausdrängen der wirtschaftsliberalen Teile. Die AfD hat sich von ihrem Anti-Euro-Kurs verabschiedet und setzt auf das Monothema »Migration«. Gegen die von ihren Anhängerinnen und Anhängern diffamierte »Lügenpresse« baut sie ein Netzwerk von »Alternativmedien« auf. Schon die NPD der 1960er-Jahre versuchte »um jeden Preis […], die ›Schallmauer‹ der Öffentlichkeit zu durchbrechen« (S. 79), und schuf selbst einen publizistischen Apparat. Auch bei einem anderen hochaktuellen Aspekt der Konsolidierung extrem rechter Parteien lohnt ein Blick in das vor 50 Jahren veröffentlichte Buch: Niethammer bezweifelte damals, dass die Unterteilung der NPD in ein »konservatives« und ein »radikales Lager« sinnvoll sei. »Flügelkämpfe« habe es bei der NPD wohl gegeben, »nur streitet man nicht über programmatische Fragen, weil die innerparteiliche Zusammenarbeit überhaupt nur durch deren Ausklammerung möglich wurde« (S. 69). An anderer Stelle differenzierte Niethammer zwischen einem aus »alten Nazis« und DRP-Funktionären bestehenden postfaschistischen sowie einem aus »Unpolitischen« zusammengesetzten neofaschistischen Flügel (S. 245-250). Zentral erschien ihm aber die Verbindung beider in einer Partei.

Aufschlussreich sind zudem Niethammers Bemerkungen zum Umgang der anderen Parteien mit der NPD, die mit Blick auf die aktuelle Situation fast prophetisch wirken. Damals »glaubte man in den großen Parteien, durch die häufigere Verwendung nationaler Formen und Begriffe der neuen Partei den Donner stehlen zu können« (S. 31). Gegen Ende des Buches erklärte der Autor, dass »Parteien, die mit einer faschistischen Partei durch Angebotsangleichung in Wettbewerb treten, langfristig das faschistische Potential verbreitern und sich dadurch ihr eigenes Grab graben« (S. 261).

Ein historisch vergleichender Zugang kann sich also lohnen. Bisher jedoch hat die Zeitgeschichtsforschung das Phänomen des »Rechtsextremismus« nicht als »Normalfall« in die eigene Forschung integriert.26 Infolge der »fehlenden fachlichen Kompetenz« habe »die Geschichtswissenschaft […] sehr wenig zur Analyse rechtsextremer Bewegungen nach 1945 beigetragen«, so Axel Schildt.27 Dabei könnten Historikerinnen und Historiker durchaus einen fachspezifischen Beitrag leisten, wenn es darum geht, die Geschichtspolitik der extremen Rechten zu bewerten. Ebenso böte sich eine Wissenschaftsgeschichte der Rechtsextremismusforschung an, hätte diese doch »den Vorteil, dass längere Entwicklungstrends und -tendenzen in den Forschungen besser in den Blick« genommen werden könnten.28 Der positive Effekt einer stärkeren zeithistorischen Fokussierung bei der Erforschung von Kontinuitäten, Brüchen und Wandlungen der extremen Rechten liegt auf der Hand – nicht zuletzt auch für die Zusammenarbeit zwischen Geschichts- und Politikwissenschaft. Der Rückgriff auf Lutz Niethammers Buch eröffnet produktive Perspektiven für derartige Forschungen. So ist »Angepaßter Faschismus« nicht nur ein Fundus zur Parteigeschichte der NPD, sondern bietet darüber hinaus einen theoretisch anregenden Zugang zur Entwicklung der postnationalsozialistischen Rechten in der Geschichte der Bundesrepublik. Während die NPD für sich genommen kaum mehr relevant ist, bleibt die Frage nach der historischen Genese und politischen Gegenwart der extremen Rechten in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen weiter aktuell.


Anmerkungen:

1 Tanja Brügel, Nachdenken über Lutz N., der kein »68er« sein will, in: Jürgen John/Dirk van Laak/Joachim von Puttkamer (Hg.), Zeit-Geschichten. Miniaturen in Lutz Niethammers Manier, Essen 2005, S. 50-56. Diese beobachtende Distanz zeichnet auch die Gruppe der »43er« aus, denen die Sprache und politische Praxis der »68er« nicht lag. Barbara Stambolis, Leben mit und in der Geschichte. Deutsche Historiker Jahrgang 1943, Essen 2010, S. 143-156. Für nützliche Hinweise danke ich Dominik Rigoll und Jan-Holger Kirsch. Mein besonderer Dank gilt Lutz Niethammer für seine Auskünfte.

2 Lutz Niethammer, Ego-Histoire? und andere Erinnerungs-Versuche, Wien 2002, S. 117f.

3 David L. Hoggan, Der erzwungene Krieg. Die Ursachen und Urheber des 2. Weltkriegs, Tübingen 1961 (erschienen im extrem rechten Verlag der Deutschen Hochschullehrer-Zeitung, dem späteren Grabert Verlag); dazu Lutz Niethammer, Hoggan auf Deutschlandfahrt, in: Der Monat, Juli 1964, H. 190, S. 81-90. Mündliche Auskunft Niethammers vom 12.11.2018.

4 Niethammer, Ego-Histoire? (Anm. 2), S. 124. Ausführlich auch Wolfgang Kraushaar, 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur, Hamburg 2000, bes. S. 130-138.

5 Friedrich Stadler, Das Jahr 1968 als Ereignis, Symbol und Chiffre gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Konfliktzonen, in: Oliver Rathkolb/Friedrich Stadler (Hg.), Das Jahr 1968 – Ereignis, Symbol, Chiffre, Göttingen 2010, S. 9-19, hier S. 12f.

6 Ich versuche den Rechtsextremismus-Begriff zu vermeiden, um eine kritische Haltung zu extremismus- und totalitarismustheoretischen Ansätzen zu signalisieren. Stattdessen spreche ich allgemein von der »extremen Rechten« oder benenne konkret Neonazismus, Rechtspopulismus, Rechtsterrorismus usw. Für eine fundierte Kritik am Extremismus-Konzept siehe Forum kritische Rechtsextremismusforschung (Hg.), Ordnung.Macht.Extremismus. Effekte und Alternativen des Extremismus-Modells, Wiesbaden 2011.

7 Reinhard Kühnl/Rainer Rilling/Christine Sager, Die NPD. Struktur, Ideologie und Funktion einer neofaschistischen Partei, Frankfurt a.M. 1969; Rudolf H. Brandt, Die Militärpolitik der NPD. Rückendeckung für die UdSSR? Dokumentation und Analyse, Stuttgart 1969; John David Nagle, The National Democratic Party. Right Radicalism in the Federal Republic of Germany, Berkeley 1970; Fred H. Richards, Die NPD – Alternative oder Wiederkehr?, München 1967; Werner Smoydzin, NPD. Geschichte und Umwelt einer Partei, Pfaffenhofen a.d. Ilm 1967; Adolf Noll/Werner Plitt/Winfried Ridder, Die NPD. Programmatik und politisches Verhalten, hg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1970.

8 Niethammer, Ego-Histoire? (Anm. 2), S. 110, S. 124.

9 Ders., Entnazifizierung in Bayern. Säuberung und Rehabilitierung unter amerikanischer Besatzung, Frankfurt a.M. 1972; ders., Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung am Beispiel Bayerns, 2. Aufl. Berlin 1982.

10 Thomas Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte. Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, München 2001, bes. S. 335-338.

11 Tatsächlich bestimmte das Erleben der Universitäten der 1960er-Jahre den Erfahrungshorizont der »43er«. Stambolis, Leben mit und in der Geschichte (Anm. 1), S. 143-156. Wenn man die »43er« nicht eng als Geburtsjahrgang fasst, sondern als (Historiker/innen-)Generation, lässt sich Niethammer hier einbeziehen.

12 Schreiben von Hellmuth Auerbach an Lutz Niethammer, 12.9. sowie 21.12.1967, Archiv des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), ID 90/43 (Hausarchiv). Ich danke Christian Mentel für den Hinweis.

13 Lutz Niethammer, Wider eine Große Koalition, in: Der Monat, Juli 1966, H. 214, S. 24-36; ders., Die NPD. Führer, Anhänger, Wähler, in: Der Monat, April 1967, H. 223, S. 21-35; ders., Koalition ohne Konzept – Protest ohne Praxis, in: Der Monat, August 1968, H. 239, S. 47-61. Zur Zeitschrift siehe Joachim Gmehling, Totalitarismustheorien in der jungen BRD. Zur Kritik des Nationalsozialismus und Sowjetkommunismus in der Zeitschrift »Der Monat«, Bielefeld 2019 (angekündigt für Oktober); Marko Martin, »Eine Zeitschrift gegen das Vergessen«. Bundesrepublikanische Traditionen und Umbrüche im Spiegel der Kulturzeitschrift Der Monat, Frankfurt a.M. 2003. [Anm. der Red., 18.2.2022: Das hier genannte Buch von Joachim Gmehling ist erst jetzt erschienen, Bielefeld 2022.]

14 Schreiben von Lutz Niethammer an Peter Härtling, 22.1.1967, Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA), S.-Fischer-Verlagsarchiv, Autorenkonvolut Lutz Niethammer. Ich danke Corinna Fiedler und Mirjam Hoyler für die Unterstützung bei der Einsicht in das Material.

15 Schreiben von Hans Jürgen Koch an Lutz Niethammer vom 24.2.1967, DLA, S.-Fischer-Verlagsarchiv, Autorenkonvolut Lutz Niethammer. Zum weiteren Vorgang ist laut Auskunft des DLA kein Material vorhanden.

16 Niethammer, Ego-Histoire? (Anm. 2), S. 124f.

17 Eine Nachauflage ist nicht erschienen. Auskunft der S. Fischer Verlage vom 9.10.2018.

18 Niethammer, Ego-Histoire? (Anm. 2), S. 125. In der Einleitung des Buches selbst verzichtete Niethammer allerdings auf die Nennung des BfV als Quelle.

19 M. Rainer Lepsius, Nation und Nationalismus in Deutschland, in: Heinrich August Winkler (Hg.), Nationalismus in der Welt von heute, Göttingen 1982, S. 12-27, hier S. 13. Ausführlich ders., Extremer Nationalismus. Strukturbedingungen vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, Stuttgart 1966.

20 Kurt P. Tauber, Beyond Eagle and Swastika. German Nationalism Since 1945, 2 Bde., Middletown 1967. Niethammer folgte in seiner eigenen Studie Taubers »Phaseneinteilung des organisierten Nationalismus« (S. 11). Weitere wegweisende und von Niethammer genutzte Publikationen: Manfred Jenke, Verschwörung von rechts? Ein Bericht über den Rechtsradikalismus in Deutschland nach 1945, Berlin 1961; ders., Die nationale Rechte. Parteien, Politiker, Publizisten, Berlin 1967; Fritz Richert, Die nationale Welle. Masche, Mythos und Misere einer neuen Rebellion von rechts, Stuttgart 1966.

21 Jürgen Dittberner, Neuere deutschsprachige Parteienliteratur, in: Politische Vierteljahresschrift 13 (1972), S. 130-147.

22 Udo Bermbach, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 0 (1969), S. 94.

23 Paula Sutter Fichtner, in: The Review of Politics 35 (1973), S. 133-136.

24 Lutz Niethammer, Integration und »Widerstand«. Die NPD und die Umgruppierung der Rechten, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 22 (1971), S. 136-153; ders., Nach dem Dritten Reich ein neuer Faschismus? Zum Wandel der rechtsextremen Szene in der Geschichte der Bundesrepublik, in: Paul Lersch (Hg.), Die verkannte Gefahr, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 105-127.

25 Beispielhaft Wolfgang Kowalsky/Wolfgang Schroeder (Hg.), Rechtsextremismus. Einführung und Forschungsbilanz, Opladen 1994, sowie Fabian Virchow/Martin Langebach/Alexander Häusler (Hg.), Handbuch Rechtsextremismus, Wiesbaden 2016. Fundierte Literatur zur NPD und ihrer Geschichte gibt es erstaunlich wenig; siehe v.a. Horst W. Schmollinger, Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, in: Richard Stöss (Hg.), Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980, Bd. 4: NPD bis WAV, Opladen 1983, Sonderausgabe 1986, S. 1922-1994; neuerdings Gideon Botsch, Parteipolitische Kontinuitäten der »Nationalen Opposition«. Von der Deutschen Reichspartei zur Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59 (2011), S. 113-137.

26 So Gideon Botsch während eines Vortrags bei der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) am 1. Dezember 2016. Dabei müsse, so Botsch an anderer Stelle, die Bedeutung der extremen Rechten als »Teil der Geschichte der Demokratie in Deutschland« hervorgehoben werden. Gideon Botsch, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1945 bis heute, Bonn 2012, S. 140.

27 Axel Schildt, Faschismustheoretische Ansätze in der deutschen Geschichtswissenschaft. Sieben Thesen, in: Claudia Globisch/Agnieszka Pufelska/Volker Weiß (Hg.), Die Dynamik der europäischen Rechten. Geschichte, Kontinuitäten und Wandel, Wiesbaden 2011, S. 267-279, hier S. 275.

28 Reiner Fenske, Vom ›Randphänomen‹ zum ›Verdichtungsraum‹. Geschichte der ›Rechtsextremismus‹-Forschungen seit 1945, Münster 2013, S. 22.

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