Fritz Bauer und das Radio

  1. Es geht uns alle an:
    Fritz Bauer im Interview
  2. Juristische Fragen öffentlich vorstellen:
    Fritz Bauer als Verfasser von Rundfunkbeiträgen
  3. Öffentliche Auftritte:
    Fritz Bauers Reden werden vom Rundfunk übertragen
  4. Streitlust:
    Diskussionsveranstaltungen mit Fritz Bauer
  5. Fritz Bauers Radiostimme und die Stimmkultur der 1960er-Jahre
  6. Eine Mission erfüllen

Anmerkungen

»Bauer ging nicht gerne in die Öffentlichkeit«, meinte Detlev Claussen rückblickend. Claussen, in den späten 1960er-Jahren Student in Frankfurt am Main, fügte seiner Charakterisierung des hessischen Generalstaatsanwalts jedoch sofort hinzu: »[…] aber die Verfolgung seiner Pflichten nötigte ihn dazu, öffentlich über die von ihm angeregten spektakulären Prozesse zu sprechen und in Hörfunk und Fernsehen, mit Aufsätzen und Vorträgen für eine Reformierung des Strafrechts zu kämpfen.«1 Der Soziologe Claussen ging noch weiter und urteilte: »Fritz Bauer musste contre cœur aus dem schützenden Schatten der Privatheit eines entre nous heraustreten, um seinen Auftrag zu erfüllen, nämlich Licht auf das Fortleben der Mörder unter uns zu werfen.«2 Die biographische Forschung unterstreicht das öffentliche Wirken des Juristen mittlerweile durch vielfältige Publikationen. Zu den Editionen von Vorträgen und kleineren Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften gesellen sich seit 2014 die Ausgaben der »Gespräche, Interviews und Reden« aus den Fernseharchiven und seit 2017 ein Hörbuch mit Tondokumenten unter dem Titel »Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken«.3

Doch gerade mit der zuletzt genannten Veröffentlichung stellt sich die Frage nach der Bedeutung, die speziell das Radio für Fritz Bauer hatte.4 Wie nutzte er als Jurist das akustische Medium? Im kleinen Booklet von David Johst zum Hörbuch mit den Radioauftritten Bauers wird diese Frage nicht gestellt. Im Booklet von Bettina Schulte Strathaus zur Edition der Fernsehaufnahmen wird 2014 zwar konstatiert, »dass Bauer im Fernsehauftritt ein Terrain gefunden hatte, auf dem er die Wirkmacht der Bilder […] geltend machen konnte«, aber interessanterweise besonders auf Bauers »oratische Begabung und Fähigkeit« verwiesen.5 Der ein Jahr später veröffentlichte und stark beachtete Spielfilm »Der Staat gegen Fritz Bauer«, der die Ermittlungen Bauers gegen den früheren SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann am Ende der 1950er-Jahre ins Zentrum rückt, zeigt den Generalstaatsanwalt (gespielt von Burghart Klaußner) als geschickten, leidenschaftlichen, die Öffentlichkeit suchenden Diskutanten. Überraschenderweise thematisiert der Film jedoch nicht das zu dieser Zeit noch immer als Leitmedium anzusehende Radio. Er konzentriert sich auf das Fernsehen, rückt mehrfach die Fernsehgeräte in den Mittelpunkt, die Bauer in seinem Arbeitszimmer und zu Hause hatte. Ein Auftritt Bauers in einer Fernseh-Talkrunde – in »Heute Abend Kellerklub«, im Dezember 1964 vom Hessischen Rundfunk (HR) ausgestrahlt – wird als doku-fiktionales Spiel zu einer Schlüsselszene. Der Film betont die vermeintliche Wirkung, die von Bauers Fernsehpräsenz bereits 1957 ausgegangen sein soll.6 Doch abgesehen von einer Ausnahme sind Radioauftritte und -beiträge Bauers erst ab 1959 nachweisbar.

Fritz Bauer beim Internationalen
Frankfurter Forum für Literatur, November 1967
(ap/dpa/picture alliance/Süddeutsche Zeitung Photo)

Der Jurist Fritz Bauer (1903–1968) nutzte beide Medien – sowohl das Radio als auch das Fernsehen – und begriff sie als einen erweiterten Handlungsraum. Im Folgenden werden die erhaltenen Radiodokumente vorgestellt und auf ihre zeitgeschichtliche Bedeutung hin befragt. Dies verspricht Aufschluss über das Handeln von nicht-journalistischen Akteuren in einer zunehmend kritischen Medienöffentlichkeit der Bundesrepublik, wie sie beispielsweise Christina von Hodenberg beschrieben hat.7 Mit Bauer rücken darüber hinaus speziell das mediale Wirken von Juristen und Rechtswissenschaftlern sowie die öffentliche Verhandlung juristischer Themen in den Blickpunkt – eine Perspektive, die abgesehen von den Berichten über spektakuläre Prozesse bislang ein Stiefkind der Forschung ist.

Fritz Bauer und das Radio: Spontan drängt sich der Vergleich mit einer Persönlichkeit auf, die unterschiedlicher kaum sein könnte, nämlich die seines Frankfurter Kollegen Theodor W. Adorno. Von ihm, dem Philosophie-Professor, sind über 300 Rundfunk-Aufnahmen nachweisbar. »Man konnte Adorno also fast jede Woche irgendwo hören«, hat Michael Schwarz in seinem Beitrag über die »Rede- und Dialogpraxis« dieses öffentlich wirkenden Intellektuellen betont.8 Ein Ausmaß wie Adornos Radio-Präsenz erreichte Bauers Hörfunk-Tätigkeit bei weitem nicht. Das in den Archiven erhaltene Audiomaterial umfasst gerade einmal 40 Beiträge im Umfang von zirka 20 Stunden.9 Weitere, vor allem kürzere Beiträge dürften zwar entstanden sein, sind jedoch nicht als Tondokumente archiviert.

Die erhaltenen Radioaufnahmen mit Fritz Bauer fallen nahezu vollständig in die Zeit seiner Tätigkeit als Generalstaatsanwalt in Hessen (ab 1956). Lediglich im Schallarchiv des Norddeutschen Rundfunks (NDR) haben sich zwei Aufnahmen erhalten, die zu einer Zusammenfassung in der Reihe »Prozeß der Strafkammer Braunschweig gegen Otto Ernst Remer« vom 16. März 1952 gehören. Der Journalist Gerhart Hermann Mostar bilanzierte darin einen Tag nach der Urteilsverkündigung den spektakulären Prozess gegen Remer, den ehemaligen Kommandeur des Wachbataillons »Großdeutschland«, der Anfang der 1950er-Jahre ein bekannter rechtsextremistischer Redner war. Der damals knapp 50-jährige Bauer, der als Generalstaatsanwalt in Braunschweig die Anklage führte, ist im Bericht des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) vor allem mit einem Ausschnitt aus seinem Plädoyer zu hören. Bauer fand im Gerichtssaal deutliche Worte gegen die »illegale Staatskonstruktion« des »Dritten Reichs« und setzte sich vehement für eine Rehabilitierung der Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 ein. Die Qualität der Aufnahme aus dem Gerichtssaal wurde damals offenbar als so mangelhaft erachtet, dass man sich entschloss, dem Plädoyer Bauers eine Voice-Over-Stimme hinzuzufügen. Nur gelegentlich und am Ende des Plädoyers steht Bauers Stimme frei.10

Gegen die Verunglimpfung der Widerstandskämpfer –
Bauers Plädoyer im Braunschweiger Gerichtssaal, März 1952.
Die NDR-Datenbank verzeichnet keine näheren Informationen zum Voice-Over von Bauers Plädoyer, dessen eigene Stimme nur am Schluss dieser Sequenz kurz zu hören ist.
(NDR. F831866 001)

Alle weiteren in den Archiven der Rundfunkanstalten erhaltenen Aufnahmen umfassen den Zeitraum von Juli 1959 bis zu Bauers Tod am 1. Juli 1968. Während dieser knapp zehn Jahre trat Bauer in unterschiedlicher Weise im Radio auf. Vier Bereiche lassen sich ausmachen, die im Folgenden jeweils mit Beispielen vorgestellt werden. Abschließend wird versucht, Bauers spezifisch stimmliche Präsenz zu interpretieren.

1. Es geht uns alle an: Fritz Bauer im Interview

Der hessische Generalstaatsanwalt wurde in den 1960er-Jahren vielfach von Journalisten interviewt. Schnell entwickelte er einen äußerst souveränen Umgang mit dem Mikrophon, das ihm von den Medienvertretern entgegengehalten wurde. Dies zeigt bereits ein Beispiel aus dem Jahr 1960, ein knapp 15-minütiges Interview des Zeitfunks von Studio Karlsruhe im Süddeutschen Rundfunk (SDR, 12.2.1960). Bauer wies darin den damals gerade von einer Kommission vorgelegten Entwurf einer Strafrechtsreform als nicht weitreichend genug zurück. Er kritisierte, dass die »Beratungen über den neuen Entwurf wiederum in einem geschlossenen Kreis von reinen Strafjuristen stattgefunden« hätten, dass keine Pädagogen, Soziologen und Psychologen hinzugezogen wurden und so keine »breite Basis natur- und sozialwissenschaftlichen Denkens« erarbeitet worden sei. Bemerkenswert ist an diesem Beispiel, wie Bauer auf die etwas langatmig gestellte Frage des Journalisten reagierte. Er leitete seine Antwort zunächst mit einer grundsätzlichen Feststellung ein und unterstrich die gesellschaftliche Bedeutung des juristischen Problems – Bauers Kernaussage lautete: »Das Strafrecht geht im Grunde genommen uns alle als Staatsbürger an.« In dieser Antwort blitzt auf, welcher Mission Bauer sich verpflichtet fühlte. Er wollte die bundesrepublikanische Gesellschaft direkt ansprechen und ihr die Relevanz der rechtlichen Frage aufzeigen. Bereits der Einstieg machte den Zuhörern deutlich, dass es mitnichten um ein bloß innerjuristisches Thema ging. Wie das kurze Tondokument zeigt, nutzte Bauer die alltägliche Interview-Situation, um sein gesamtgesellschaftliches Anliegen mit Hilfe der Medien zu erfüllen.

Appell an das Radio-Publikum
als demokratische Öffentlichkeit, Februar 1960
(SWR. W0108169; auch enthalten in:
Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken,
hg. von David Johst im Auftrag des Fritz Bauer Instituts,
Berlin 2017, CD 3, Track 25)

Daneben haben sich einige O-Ton-Aussagen Bauers erhalten, die in Reportagen und Features eingebaut wurden. Dies sind kürzere Statements wie beispielsweise in einem Bericht über Auschwitz. Verfasser war Thomas Gnielka (1928–1965), ein Journalist, der sich vielfach mit den Kontinuitäten des Nationalsozialismus beschäftigte und für die Ermittlungen zu Auschwitz Dokumente an Bauer übergeben hatte. In Gnielkas Reportage für den Sender Freies Berlin (SFB) vom 25. Juli 1963 waren O-Töne von Auschwitz-Überlebenden sowie von Bauer als hessischem Generalstaatsanwalt zu hören. In dieser Eigenschaft ermittelte er für den in Frankfurt anberaumten Prozess, der fünf Monate später eröffnet wurde.

Neben Aussagen im Zusammenhang mit dem Auschwitz-Prozess finden sich weitere Themenfelder des Juristen. Bauer beteiligte sich an Sendungen zur Situation des Strafvollzugs in der Bundesrepublik (HR, 14.4.1966) sowie zur Diagnose und Therapie von Sexualverbrechern (NDR, 23.9. und 3.11.1966). Eine Sendung des HR-»Abendstudios« versammelte am 1. Mai 1968 Gesprächsbeiträge von Prominenten zur Frage »Warum sie Gewerkschaftler geworden sind«. Es kamen fast ausschließlich Politiker zu Wort. Fritz Bauer zählte mit dem Politologen Wolfgang Abendroth und dem Offizier Wolf Graf von Baudissin zu den Ausnahmen.

2. Juristische Fragen öffentlich vorstellen:
Fritz Bauer als Verfasser von Rundfunkbeiträgen

»Ich möchte nun, sehr verehrter Herr Generalstaatsanwalt, auf Ihre freundliche Bereitschaft zurückkommen, mit der Sie eine weitere Teilnahme an diesem Unternehmen bekundet haben.«11 Einladungen wie diese von Burghard Freudenfeld vom Bayerischen Rundfunk (BR) im Juni 1959 dürfte Bauer des Öfteren erhalten haben. Wie sich die Zusammenarbeit zwischen ihm und den Redakteuren der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gestaltete, ist jedoch nur wenigen Korrespondenzen zu entnehmen.12 Das Beispiel der im Historischen Archiv des BR aufgefundenen Briefe zeigt, wie Medienvertreter auf Bauer zugingen, ihn zur Mitarbeit einluden – und wie sehr sie seine für den Rundfunk verfassten Beiträge schätzten.

Burghard Freudenfeld (1918–1998), der Jura und Evangelische Theologie studiert hatte und seit 1958 als politischer Redakteur beim BR arbeitete, gewann Bauer für die Redaktion »Sondersendungen«. Nach Bauers Teilnahme an einem Rundfunkgespräch im Dezember 1958 zum Thema »Schuld und Sühne« lud Freudenfeld ihn ein, sich an einer weiteren Sendung zu beteiligen, dieses Mal, um »den Weg nachzuzeichnen, den der Angeklagte vom Urteil über die verschiedenen Formen des Strafvollzugs bis zur Rückkehr in das bürgerliche Leben bestreitet«. Freudenfeld machte einen konkreten Vorschlag: »Das Thema, um dessen Behandlung ich gerade Sie bitten möchte, sollte ›Die Rückkehr‹ heissen. Die Rückkehr in der Fülle der Probleme der Resozialisierung zwischen Strafvollzug und Wiedereintritt in die Gesellschaft.«13 Bauer nahm das Angebot an und schickte pünktlich das Manuskript für die abschließende Folge der insgesamt siebenteiligen Reihe »Schuld und Sühne – Vorträge und Diskussionen über Strafvollzug und Resozialisierung«. Bauers Text, den er in Frankfurt im Studio des HR einsprach, setzte sich mit der »Rückkehr in die bürgerliche Freiheit« auseinander (BR, 2.4.1960).

An diesem Rundfunkvortrag kann sehr gut gezeigt werden, wie Bauer sein Thema für das Radiopublikum aufbereitete. Er führte viele literarische Beispiele von entlassenen Gefangenen an: Friedrich Schillers »Verbrecher aus verlorener Ehre«, der vor den sich schließenden Gefängnistoren stehende Franz Biberkopf in Alfred Döblins »Berlin Alexanderplatz«, Hans Falladas »Wer einmal aus dem Blechnapf frisst« und der »Gaunerstreich« des »Hauptmanns von Köpenick«. Hinzu kamen Fallbeispiele aus der juristischen Praxis und einleitend ein autobiographisches Erlebnis, wie Bauer nach seiner Entlassung aus der nationalsozialistischen Haft (Ende 1933) zu Hause schwer gestürzt war. Mit Hilfe des ausgewählten Materials umkreiste Bauer sein Ziel der »Resozialisierung des Täters« und stellte dieses »Gebot« des »soziale[n] Rechts­staat[s]« den Hörerinnen und Hörern als einzig sinnvolle Konsequenz vor.14 Den Erfolg dieser Sendereihe unterstrich das Angebot des Verlags C.H. Beck, die Radiomanuskripte als Buch zu veröffentlichen. Freudenfeld war Herausgeber des 1960 erschienenen Bandes, Bauers Ausführungen wurden darin veröffentlicht.15

Beim BR kam es 1966 zu zwei weiteren Beiträgen: Für »Recht und Gesellschaft. Eine Sendereihe über das deutsche Strafrecht und seine Reform«, betreut von Leonhard Reinisch, schrieb Bauer die beiden eröffnenden Folgen zu den Themen »Das Strafrecht und das heutige Bild vom Menschen« sowie »Wertordnung und pluralistische Gesellschaft« (BR, 23.2.1966 und 2.3.1966). Reinisch (1924–2001) hatte Bauer nach zwei Telefonaten angeboten: »Wenn ich Sie recht verstehe, führen Sie doch Ihren Kampf um eine Reform des Strafrechts vor allem gegen eine konservative, ja reaktionäre Schicht in unserer Gesellschaft. Und deshalb habe ich gemeint, dass die beiden Themen Ihnen ermöglichen, Ihre Kritik an der politischen sowie moralischen Grundeinstellung im Strafrecht auszuführen.«16 Auch in diesen Beiträgen sezierte Bauer rechtsphilosophische Argumente für Strafe, Rache und Sühne, um dem Publikum nahezulegen, einer »Menschenbehandlung« den Vorzug zu geben, die »von den Ursachen der Kriminalität ausgeht und sich bemühen will, ihnen vorzubeugen oder, sofern die Vorbeugung misslang, sie im Rahmen des Möglichen zu beseitigen«.

Sieben weitere Beiträge, die Bauer für die Radioprogramme verfasste, zeigen das Spektrum der juristischen bzw. rechtswissenschaftlichen Fragen, zu denen er Stellung nahm. In ihnen verdeutlichte er dem Publikum, welche gesellschaftlichen Aufgaben mit diesen Themen verbunden waren und welche Reformen er anstrebte. Für 1959 ist Bauers erster Bericht nachweisbar. In der Reihe »Funkuniversität« beim Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS) setzte er sich mit »Ergebnissen moderner Kriminalstatistik« auseinander (RIAS, 21.7.1959). Den prominenten Programmplatz, auf dem seit 1949 wissenschaftliche Vortragsreihen angeboten wurde, bespielte Bauer 1964 noch einmal, als er den von ihm seit Studientagen geschätzten Rechtswissenschaftler und ehemaligen Reichs­justizminister Gustav Radbruch (1878–1949) in einer zweiteiligen Sendung würdigte. Die Strafrechts-Diskussionen um das Verstehen von Unrechtstaten, um das Primat der Prävention und um den Nutzen des Strafens für die Gesellschaft, die in der Weimarer Republik geführt worden waren, sollten in den Nachkriegsjahren fortgesetzt werden.

Darüber hinaus befasste sich Bauer mit dem Widerstand gegen die Staatsgewalt, der strafrechtlichen Sanktionierung von Schwangerschaftsabbrüchen sowie der Wirtschaftskriminalität. Hinzu kam ein rechtshistorischer Exkurs, als Bauer für den HR das Feature »Der Prozeß Jesu« schrieb (HR, 31.8.1965). Viele solcher für den Rundfunk verfassten Texte sind auch in gedruckter Form erschienen, als Zeitschriftenartikel oder Buchkapitel. Der Rundfunk hatte wohl eine initiative Funktion für diese Beiträge, indem er Bauer einlud, zu aktuellen Themen Stellung zu beziehen. Für Bauer wiederum eröffnete der Auftritt im Rundfunk immer auch die Möglichkeit, ein Thema über die innerjuristische Debatte hinaus einem interessierten Publikum darzulegen und die Spanne der behandelten Rechtsfragen in ihrer gesamtgesellschaftlichen Relevanz vorzustellen.

Eine thematisch zunächst einmal überraschende Sendung ist in diesem Zusammenhang die Folge der Reihe »Favoriten im Bücherschrank«. Sie wurde am 15. Mai 1966 vom SFB ausgestrahlt. Der viel belesene Jurist war eingeladen, sein »Lieblingsbuch« vorzustellen. Bauer entschied sich für Kafkas unvollendeten Roman »Amerika«. Der kleine Rundfunkessay offenbart sehr schnell, warum Bauer gerade diesen Text wählte. Seine Wiedergabe der Ereignisse um den Protagonisten Karl Rossmann geriet zu einem engagierten Plädoyer für »einen der großen Kämpfer für die Sache der Gerechtigkeit«. Rossmann, so Bauer, sei – im Gegensatz zu Karl Moor und Michael Kohlhaas – ein »unschuldiger« Streiter: »Ohnmacht und Untergang des guten Menschen, der Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Liebe sucht und nicht findet, ist […] nirgends ergreifender geschildert worden.«

»Kämpfer für die Sache der Gerechtigkeit« –
Bauers Kafka-Lektüre, Mai 1966
(Audioarchiv Digital [RBB]. D030824; auch enthalten in:
Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken,
hg. von David Johst im Auftrag des Fritz Bauer Instituts,
Berlin 2017, CD 4, Track 27)

3. Öffentliche Auftritte:
Fritz Bauers Reden werden vom Rundfunk übertragen

Mitunter erfüllte der Rundfunk eine vermittelnde Rolle, indem er öffentliche Reden Bauers übertrug. Nur wenige derartige Aufnahmen sind erhalten – darunter ein Vortrag auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen im Ratskeller Schöneberg zum Thema »Das Sexualverbrechen«, den der SFB am 28. Juni 1967 ausstrahlte. Am 28. Juli und am 4. August 1968 sendete der Südwestfunk (SWF) in zwei aufeinander folgenden Teilen der Reihe »Die Aula« Bauers Vortrag »Ungehorsam und Widerstand in Geschichte und Gegenwart«. Bauer hatte diese Rede am 21. Juni 1968 als Vorstandsmitglied der Humanistischen Union in der Münchener Universität gehalten, wenige Tage vor seinem plötzlichen Tod.

Am 12. April 1964 sendete der RIAS in seiner Reihe »Im Blickpunkt« die zwei Tage zuvor aufgezeichnete Gedenkstunde der Jüdischen Gemeinde West-Berlin anlässlich des 21. Jahrestags des Aufstands im Warschauer Ghetto. Bauer war dort mit einer leidenschaftlichen, sehr expressiv vorgetragenen Rede zu hören, mit einem flammenden Plädoyer für die permanente Aufgabe, an dem humanistischen Ziel »Alle Menschen werden Brüder« zu arbeiten. Seine Reflexionen zum Gedenktag nahmen ihren Ausgangspunkt bei einem »Lied des kämpfenden Warschauer Ghettos«. Bauer erzählte, wie ein polnischer Jude ihm die Grammophon-Platte überreicht hatte. Er zitierte den Text voller Verve, leidenschaftlich, bewegt, um aus dem Thema »jüdischer Widerstand« sodann ein allgemeines »Widerstandsrecht« und eine universelle »Widerstandspflicht« gegen »die Tyrannis« abzuleiten.

»Die Tugend des Ungehorsams
gegen das staatsverordnete Böse« –
Bauers Gedenkrede vom April 1964
für den Warschauer Ghetto-Aufstand
(DRadio. Digitales Langzeitarchiv [DILA]. DZ355912;
auch enthalten in:
Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken,
hg. von David Johst im Auftrag des Fritz Bauer Instituts,
Berlin 2017, CD 3, Track 9/10)

4. Streitlust: Diskussionsveranstaltungen mit Fritz Bauer

»Diskussionslust« lautet der Titel von Nina Verheyens »Kulturgeschichte des ›besseren Arguments‹ in Westdeutschland«.17 In dieser Studie und vielfach darüber hinaus wird von Round-Table-Gesprächen, Diskussionssendungen und Podiumsgesprächen berichtet, mit denen im Nachkriegsdeutschland demokratische Spielregeln eingeübt werden sollten. Die Streitlust, die argumentative Auseinandersetzung wurde nach 1945 in den Rundfunkprogrammen vorgestellt und mitentwickelt. In den 1960er-Jahren erreichten solche diskursiven Formen einen Höhepunkt in den Kultur-, Zeitfunk-, Abendstudio- und Nachtprogrammen der westdeutschen Rundfunkanstalten. Bauer war mehrfach Mitdiskutant, sei es bei öffentlichen Veranstaltungen, die der Rundfunk übertrug, sei es in Studio-Diskussionen, die von Redaktionen arrangiert wurden. Dabei traf er mit akademischen Vertretern sowie mit Publizisten und Politikern zusammen. In gemeinsamen Sendungen diskutierte er mit dem Juristen und Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel (»Deutsche Justiz nach Hitler«, SWF, 23.7.1962) oder mit dem Psychologen Tobias Brocher und dem Mainzer Kriminologen Armand Mergen (»Schutz der Gesellschaft vor dem Triebverbrecher«, HR, 3.7.1966).

Am 20. August 1963 sprach Bauer in Hamburg mit Manfred Jenke und Walter Menningen; daraus ging eine knapp 43 Minuten lange Aufnahme für die Reihe »Das politische Gespräch« hervor. Die Studio-Diskussion verlief themen- und sachorientiert, es wurde immer wieder gezielt nachgefragt, sodass eine Verdichtung der Argumentation erfolgte. Die beiden NDR-Journalisten verstrickten Bauer vier Monate vor Beginn des Frankfurter Auschwitz-Prozesses in eine intensive Auseinandersetzung. Sie waren bestens vorbereitet und ließen Bauer einzelne Ausführungen nicht durchgehen, in denen er zunächst etwas vereinfachend und eher allgemein reagierte. Mehrfach insistierten sie auf präzise Antworten zu den Fragen, warum der Auschwitz-Prozess so spät zustande gekommen sei und wer warum so lange gezögert habe. Bauer musste erklären, vertiefen, Argumente anführen und abwägen.

Ringen um Präzision – Bauer im Studiogespräch, August 1963
(NDR. F800511; auch enthalten in:
Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken,
hg. von David Johst im Auftrag des Fritz Bauer Instituts,
Berlin 2017, CD 1, Track 10/11)

5. Fritz Bauers Radiostimme und die Stimmkultur der 1960er-Jahre

Die vorgestellten Beispiele, die Bauers Präsenz im Radio und seinen Umgang mit dem Medium aufzeigen sollten, beschränkten sich soweit vor allem auf die semantische und die performative Funktion seiner Auftritte. Doch gerade in der Zeitgeschichtsforschung wird zunehmend auch beachtet, dass Tondokumente Quellen sind, die nähere Erkenntnisse über kommunikative Prozesse liefern können. Im Anschluss an Thomas Lindenberger kann man vor allem die Praktiken des »vergangenen Sprechens«, im Ansatz auch des »vergangenen Hörens« untersuchen.18 Das wachsende Feld der Sound History legt hierzu epistemologische Reflexionen und mittlerweile auch konkrete quellenkritische Hinweise vor.19 Ein noch weniger bearbeitetes Feld ist dabei die Analyse von Stimmen und deren Bedeutung für eine indexikalische Kommunikation bzw. das Verhältnis zwischen individueller Stimme und der über­individuellen Stimmkultur.20

Solche Fragen können auch an das Quellenkorpus gestellt werden, das Bauers Radiostimme festhält und ein Teil der vom Medium Rundfunk mitgeprägten Stimmkultur der 1960er-Jahre ist. Dabei ist zunächst wichtig, dass es sich um Tondokumente der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten handelt, dass die Stimme des Generalstaatsanwalts also mit den professionellen aufnahmetechnischen Standards der Zeit erfasst ist. Lautstärke, Tonhöhe und Klangfarbe wurden sicher auch technisch bearbeitet.

Interessant ist demzufolge die kulturelle Fassung der Stimme, der Sprechausdruck des Juristen im Medium Radio. Software-basierte Analyseverfahren helfen hierbei bislang nicht weiter.21 Als zielführend erweisen sich vor allem sprechwissenschaftliche Ansätze. Die Sprechwissenschaftlerin Ines Bose nennt für eine Analyse des stimmlich-artikulatorischen Ausdrucks folgende Parameter: Sprechtonhöhe, Stimmklang, Sprech­geschwindigkeit, Lautheit, Akzentuierung, Sprechrhythmus, Sprechspannung und Artikulation.22 Hört man sich die erhaltenen Tondokumente von Fritz Bauer an und verwendet diese Parameter, so fallen – freilich unter methodischer Berücksichtigung der je eigenen, persönlichen Stimmwahrnehmung – einige Besonderheiten auf.

Bauer spricht Hochdeutsch, wenngleich erkennbar mit leichtem Akzent der schwäbischen Mundart. Verglichen mit Aufnahmen von Theodor W. Adorno oder dem Journalisten Axel Eggebrecht in seinen Reportagen vom Auschwitz-Prozess hat Bauer eine eher dunkle und klangarme Stimme. Ungewöhnlich ist vor allem Bauers Sprechrhythmus. Dieser ist zwar nicht eingehend melodisch und verbindend, doch der Jurist schafft es, längere Argumentationszusammenhänge zu bilden. Das erreicht er durch eine starke Gliederung, wobei er gezielt Pausen einsetzt und einzelne Worte und Syntagmen überdeutlich akzentuiert. Bauers Sprechgeschwindigkeit wird auch dadurch eher langsam, obwohl sie an keiner Stelle Unsicherheit andeutet. Im Gegenteil verkörpert die Stimme in allen erhaltenen Aufnahmen einen äußerst selbstbewussten Sprecher, der einzelne Worte wie Zwischenergebnisse in einem nachzuvollziehenden Argumentationsgang herausstellt. Bauers Stimme erscheint durch ihre auffallend deutliche Sprechspannung sehr fest, sicher und überzeugt, dabei bisweilen unnachgiebig. Für heutige Hörerinnen und Hörer mag sie sogar hart klingen.

Vor dem Hintergrund der inhaltlichen Analyse von Bauers Radioauftritten wird man auch über die stimmliche Performanz urteilen, dass hier jemand für eine Sache, von der er überzeugt ist, streitet; dass diese Person von den Hindernissen weiß und alles daran setzt, sie zu überwinden. Eine ähnliche Einschätzung nahm Alexander Kluge 2013 vor. Über die Stimme seines Freundes Fritz Bauer urteilte er: »Ich würde es nicht pathetisch nennen, wie er spricht, sondern mit Elan spricht er. Und das gehört eigentlich zum Plädoyer eines jeden französischen Rechtsanwalts, die große französische Revolution ist von Juristen und Journalisten gemacht worden, also Öffentlichkeitsmachern. Und das Recht hat diesen Ton, es sucht tatsächlich nach Wahrheit.«23

Über den Einfluss von Radiosendungen und über die Wirkung von Bauers Auf­treten in den Medien kann nur spekuliert werden. Allenfalls zeitgenössische Urteile geben Anhaltspunkte, etwa eine Einschätzung über Bauers Stimme als Vortragender bei der Schopenhauer-Gesellschaft 1966. Wolfram Schütte schrieb damals in der »Frankfurter Rundschau«: »Fritz Bauer besitzt nicht nur die souveräne Kenntnis, die den Anspruch des Themas rechtfertigt und erfüllt; die Art seines Vortrags, der sich mehr an rhythmischen denn syntaktischen Einheiten orientiert, läßt unbeteiligtes, distanziertes Referieren und Langeweile gar nicht erst aufkommen. Vielmehr wird – ähnlich wie bei Ernst Bloch – der Zuhörer in den Prozeß des Denkens eingeführt, ja hineingezwungen.«24

6. Eine Mission erfüllen

Fritz Bauer, das zeigte der Überblick, war ein bedeutender nicht-journalistischer Akteur in der sich herausbildenden kritischen Medienöffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland. Der Jurist kann zu denjenigen Intellektuellen gezählt werden, die sich in den »langen 1960er-Jahren« öffentlich äußerten und die Handlungsräume nutzten, welche ihnen einzelne Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten boten. Bauer ist als hessischer Generalstaatsanwalt eher eine Ausnahme, da es offensichtlich vor allem Schriftsteller und Publizisten, Philosophen, Politologen und Soziologen waren, die das Radio mit seinen vielfältigen Zeitfunk-, Kultur- und Nachtprogrammen als erweiterten akademischen Raum nutzten, dort ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse vorstellten und mehr und mehr nicht nur Kulturkritik übten, sondern die Vergesellschaftungsprozesse ihrer bewegten Zeit analysierten.25 Gleichwohl war Bauer nicht der einzige Jurist in den Radioprogrammen dieser Jahre. Rechtsphilosophische und rechtswissenschaftliche Fragen gerade im Vergleich von demokratischen und diktatorischen Staatssystemen, Zusammenhänge von juristischen Fragen und gesellschaftlichen Problemen wurden im Rundfunk öfter behandelt. Doch das Themenfeld »Juristen in den Medien« ist von der Zeitgeschichtsforschung bisher nicht angegangen worden.26

Viele der in der biographischen Literatur zu Fritz Bauer herausgearbeiteten Grundmotive des jüdischen Remigranten, seine humanistischen Überzeugungen und rechtlichen Reformziele werden auch in den vielfältigen Rundfunkauftritten deutlich. Wie der programmgeschichtliche Überblick zeigt, verstand Bauer seine Arbeit als politische Aufklärung, als eine Mission, die die juristische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und ein demokratisches Ethos umfasste. Während er sich als Staatsanwalt auf das beschränken musste, was ein Gerichtsverfahren zu leisten vermochte, konnte er als öffentlicher Sprecher in den Medien weitergehen. Als Mann des Worts und des Arguments nutzte er über den Gerichtssaal hinaus die Medien, um gesellschaftliche Verantwortung einzufordern.

Dabei scheint Bauer eine regelrechte Medienstrategie entwickelt zu haben – dies zeigt das folgende Beispiel. Immer wieder waren die Verbrechen in Auschwitz und der Auschwitz-Prozess Gegenstand von Diskussionssendungen. Zudem kam kurz nach dem Ende des Frankfurter Auschwitz-Prozesses im Oktober 1965 ein Stück auf die Bühnen (an mehreren Orten zugleich), das für lebhafte Debatten sorgte: »Die Ermittlung« von Peter Weiss. Einen Tag nach der Uraufführung von Weissʼ »Oratorium in 11 Gesängen« an den Württembergischen Staatstheatern wurde eine längere Podiumsdiskussion geführt und einen Tag später vom Süddeutschen Rundfunk gesendet (SDR, 25.10.1965). Auf dem Podium waren der Autor Peter Weiss, der Regisseur Peter Palitzsch, der Verleger Siegfried Unseld, der Publizist Erich Kuby sowie Fritz Bauer. Dieser machte zwei Zugänge zum »Auschwitz-Thema« deutlich: zum einen die »juristische Verfremdung«, die nur rückblickend auf Straftaten sehen könne, zum anderen die »dichterische Verfremdung«. Bauer begrüßte, dass Weiss »das Tribunal zur Szene« gemacht habe und so noch einmal Öffentlichkeit entstehe. Gleichzeitig arbeitete er den Gegensatz von »Auschwitz-Richter« und »Auschwitz-Dichter« heraus und die Aufgabenteilung von »züchtigen« und »erziehen«.

»Auschwitz-Richter« und »Auschwitz-Dichter« –
Bauer in der Diskussion über Peter Weiss’ »Ermittlung«,
Oktober 1965
(SWR. W0112393; auch enthalten in:
Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken,
hg. von David Johst im Auftrag des Fritz Bauer Instituts,
Berlin 2017, CD 2, Track 21-23)

Demnach könnte Bauer sich als »Richter« und – wenngleich nicht als »Dichter« – so doch als öffentlicher Streiter gesehen haben. Während er die eine Aufgabe, das »Züchtigen«, als hessischer Generalstaatsanwalt verfolgen konnte, boten ihm das Radio und dann auch das Fernsehen Möglichkeiten, die zweite Aufgabe zu erfüllen, das »Erziehen«. Der Jurist und Journalist Ronen Steinke hat Bauer einen »Justizpraktiker« genannt.27 Bauer hat sein Wirken nicht auf den Gerichtssaal beschränkt, sondern gezielt auch die Medien genutzt – das geschriebene Wort im Druck, das gesprochene Wort vor dem Mikrophon in der Öffentlichkeit sowie in Radio und Fernsehen. Die »Ermittlungen«, die er dabei führte, werden gerade in seinen Radioauftritten deutlich. Fritz Bauers Mission des »Es-geht-uns-alle-als-Staatsbürger-an« ist in ihnen festgehalten. Die Sendungen erweisen sich als besonders ergiebige Quellen für die zeitgeschichtliche Analyse von Kommunikationsprozessen.


Anmerkungen:

1 Detlev Claussen, Unter uns. Die Remigranten Fritz Bauer, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno treffen sich in Frankfurt, in: Katharina Rauschenberger (Hg. im Auftrag des Fritz Bauer Instituts), Rückkehr in Feindesland? Fritz Bauer in der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte, Frankfurt a.M. 2013, S. 107-117, hier S. 107.

2 Ebd., S. 114.

3 Fritz Bauer, Die Humanität der Rechtsordnung. Ausgewählte Schriften, hg. von Joachim Perels und Irmtrud Wojak, Frankfurt a.M. 1998; ders., Kleine Schriften, 2 Bde., hg. im Auftrag des Fritz Bauer Instituts von Lena Foljanty und David Johst, Frankfurt a.M. 2018; Fritz Bauer. Gespräche, Interviews und Reden. Aus den Fernseharchiven 1961–1968, hg. vom Fritz Bauer Institut, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus [2 DVDs], Berlin 2014; Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken, hg. von David Johst im Auftrag des Fritz Bauer Instituts [4 CDs], Berlin 2017.

4 Anlässlich der Präsentation des Hörbuchs am 19. Juli 2017 wurde ich vom Fritz Bauer Institut eingeladen, über »Fritz Bauer und das Radio. Zum Kontext der jetzt edierten Rundfunkaufnahmen« zu referieren. Auf Basis dieses Vortrags und der anschließenden Diskussion entstand der vorliegende Beitrag.

5 Fritz Bauer. Gespräche, Interviews und Reden. Aus den Fernseharchiven 1961–1968 (Anm. 3), Booklet, S. 9.

6 Der Staat gegen Fritz Bauer. Ein Film von Lars Kraume. 2015. DVD. Alamode Film 2016. – Die Sendung »Heute Abend Kellerklub« vom 8.12.1964 ist abrufbar unter <https://www.youtube.com/watch?v=72XO8-zrJe8>.

7 Christina von Hodenberg, Konsens und Krise. Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945–1973, Göttingen 2006.

8 Michael Schwarz, »Er redet leicht, schreibt schwer«. Theodor W. Adorno am Mikrophon, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 8 (2011), S. 286-294, hier S. 287, S. 294. – Adornos Radiowerk ist seit 2006 in einer Auswahl von 5 Stunden 32 Minuten auf fünf CDs veröffentlicht: Theodor W. Adorno, Aufarbeitung der Vergangenheit. Originalaufnahmen aus den Jahren 1955 bis 1969, München 2006.

9 Datenbankabfrage der ARD-Schallarchive am 21. Juni 2017. Mein Dank gilt Sönke Treu vom Unternehmensarchiv des NDR sowie den Kolleginnen und Kollegen des NDR-Schallarchivs und des Deutschen Rundfunkarchivs (DRA) für die freundliche Unterstützung.

10 NDR-Schallarchiv. F831866. Gesamtdauer der beiden Teile: 31’10 und 15’08.

11 Burghard Freudenfeld an Fritz Bauer, 26.6.1959. BR HA. HF 6208.

12 Im Fritz Bauer Institut in Frankfurt hat sich kein entsprechender Briefwechsel erhalten. Schriftliche Auskunft von Johannes Beermann, Archiv und Dokumentation. Fritz Bauer Institut, 28.1.2019. – Recherchen in den Historischen Archiven des heutigen Südwestrundfunks (SWR) ergaben, dass auch in Stuttgart und Baden-Baden keine Korrespondenz aufbewahrt wird. Auskünfte der Archivare Tobias Fasora und Jana Behrendt an den Verf., 6./7.2.2019.

13 Wie Anm. 11.

14 Die Aufnahme ist im Hörbuch »Fritz Bauer. Sein Leben. Sein Denken. Sein Wirken« (Anm. 3) nicht enthalten. Zitat nach dem Typoskript im Historischen Archiv des Bayerischen Rundfunks, S. 12. BR HA. HF/6486. – Mein Dank gilt Michael Höfel, Sandra Leibner und Bettina Hasselbring von der Hauptabteilung Archive, Dokumentation, Recherche des BR für die freundliche Unterstützung.

15 Burghard Freudenfeld (Hg.), Schuld und Sühne. Dreizehn Vorträge über den deutschen Strafprozeß, München 1960.

16 Leonhard Reinisch an Fritz Bauer, 13.9.1965. BR HA. HF 6234.

17 Nina Verheyen, Diskussionslust. Eine Kulturgeschichte des »besseren Arguments« in Westdeutschland, Göttingen 2010.

18 Vgl. Thomas Lindenberger, Vergangenes Hören und Sehen. Zeitgeschichte und ihre Herausforderung durch die audiovisuellen Medien, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 1 (2004), S. 72-85.

19 Vgl. vor allem die einschlägigen Publikationen von Daniel Morat, so etwa: Der Klang der Zeitgeschichte. Eine Einleitung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 8 (2011), S. 172-177; ders., Zur Geschichte des Hörens. Ein Forschungsbericht, in: Archiv für Sozialgeschichte 51 (2011), S. 695-716. – Den methodisch reflektierten Umgang mit historischen Tondokumenten legen u.a. folgende Aufsätze dar: Daniel Morat/Thomas Blanck, Geschichte hören. Zum quellenkritischen Umgang mit historischen Tondokumenten, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 66 (2015), S. 703-726; Hans-Ulrich Wagner, Sounds like Hamburg… Hamburg-Klänge und mediatisierte Raumkonstruktionen in der Frühzeit des Radios, in: Johannes Müske u.a. (Hg.), Radio und Identitätspolitiken. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, Bielefeld 2019, S. 55-72.

20 Vgl. hierzu vor allem die Arbeiten von Cornelia Epping-Jäger, Der ›unerlässlich ruhige Ton‹. Umbauten der Stimmkultur zwischen 1945 und 1952, in: Irmela Schneider/Cornelia Epping-Jäger (Hg.), Formationen der Mediennutzung III. Dispositive Ordnungen im Umbau, Bielefeld 2008, S. 77-95. Epping-Jäger widmet sich in diesem Aufsatz der Stimmkultur der frühen Nachkriegsjahre. Siehe hierzu auch Hans-Ulrich Wagner, Sounds like the Fifties. Zur Klangarchäologie der Stimme im westdeutschen Rundfunk der Nachkriegszeit, in: Harro Segeberg/Frank Schätzlein (Hg.), Sound. Zur Technologie und Ästhetik des Akustischen in den Medien, Marburg 2005, S. 266-284. Die Analyse der Stimmkultur der 1960er-Jahre ist noch ein Desiderat der Forschung. Die bisherigen Studien untersuchen meist den Musik-Sound der »68er«. Ein breiteres Analysemodell habe ich entwickelt in Hans-Ulrich Wagner, Sounds like the Sixties: Approaches to Analyze Radio Aesthetic in the Past, in: Dmitri Zakharine/Nils Meise (Hg.), Electrified Voices. Medial, Socio-Historical and Cultural Aspects of Voice Transfer, Göttingen 2013, S. 291-300.

21 Einige Ergebnisse konnten mit dem Programm Praat erzielt werden. Verschiedene computergenerierte Metadaten konnten aus den Audioclips analysiert werden, z.B. Unterschiede in der Tonhöhe (Pitch), im Tonumfang (Pitch Range) und in der Lautstärke (Intensity). Inwiefern diese Unterschiede in der tatsächlichen Stimme Fritz Bauers und der als Vergleich hinzugezogenen Stimme Theodor W. Adornos begründet sind oder auch in den jeweiligen Aufnahmequalitäten, lässt sich nicht abschließend beantworten. So umfasst der Tonumfang bei der Bauer-Aufnahme nur knapp 70 Hz, wohingegen derjenige Adornos bei über 500 Hz liegt. – Eine weitere Analyse wurde mit Adobe Audition durchgeführt. Durch das Frequenzanalyse-Tool des Programms ist es möglich, die durchschnittliche Frequenzverteilung eines Audioclips zu visualisieren. Grafisch konnten die Kurven der Bauer-Ausschnitte gegenüberstellt und mit Kurven von Adorno-Tonaufnahmen verglichen werden. Auffällig ist dabei, dass die Aufnahmen von Bauer fast durchweg einen stärkeren Ausschlag zeigen als die von Adorno. – Software-Tools, wie sie gegenwärtig schon für Stimmbehandlungen und für Persönlichkeitsanalysen eingesetzt werden (vgl. die journalistische Darstellung von Eva Wolfangel, Die Seele auf der Zunge, in: ZEIT, 7.2.2019, S. 27f.), könnten künftig auch für die Geschichtswissenschaft interessant werden, um Kommunikationsprozesse in der Vergangenheit noch besser zu verstehen.

22 Ines Bose, Stimmlich-artikulatorischer Ausdruck und Sprache, in: Arnulf Deppermann/Angelika Linke (Hg.), Sprache intermedial. Stimme und Schrift, Bild und Ton, Berlin 2010, S. 29-68.

23 Am Tisch mit Alexander Kluge. HR-Sendung vom 10. Juli 2013. Zit. nach dem Booklet von Fritz Bauer. Gespräche, Interviews und Reden (Anm. 3), S. 9.

24 Wolfram Schütte, Schopenhauers präventive Kriminalpolitik. Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer in der Schopenhauer-Gesellschaft, in: Frankfurter Rundschau, 16.12.1966.

25 Monika Boll, Nachtprogramm. Intellektuelle Gründungsdebatten in der frühen Bundesrepublik, Münster 2004.

26 Eine erste Stichprobe zeigt, dass rechtliche Fragen durchaus in den Programmen vorgestellt und diskutiert wurden, beispielsweise die Strafrechtsreform durch Claus Roxin (*1931), Fragen des Rechtsstaats, des Parteien- und des Notstandsgesetzes durch Wolfgang Abendroth (1906–1985), der Bereich Jugendkriminalität durch den Mainzer Professor für Kriminologie Armand Mergen (1919–1999). Immer wieder gab es größere thematische Reihen in den Kulturprogrammen, etwa die erwähnten beim BR mit dreizehn Folgen zu »Schuld und Sühne – Elemente und Funktionen des Strafprozesses« (15.11.–27.12.1958) und sieben Folgen zu »Schuld und Sühne – Vorträge und Diskussionen über Strafvollzug und Resozialisierung« (9.1.–2.4.1960).

27 Ronen Steinke, Der Vorwurf der Befangenheit. Fritz Bauer in den Interview-Affären 1963 und 1965, in: Rauschenberger, Rückkehr in Feindesland? (Anm. 1), S. 121-129, hier S. 121.

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