- Rechtliche und ideologische Grundlagen
- Umfang und Bedeutung für die DDR-Volkswirtschaft
- Haftorte
- Die Praxis der Haftarbeit: Schlechterstellung politischer Häftlinge?
- Resümee
Die Geschichte des modernen Gefängniswesens im 19. und 20. Jahrhundert unterscheidet sich von der Vormoderne unter anderem durch Arbeit als festen Bestandteil des Vollzugsprogramms. Dabei konnte und kann Arbeit in einer »totalen Institution« (Erving Goffman) wie dem Gefängnis sowohl mit dem Ziel der Wiedereingliederung eines verurteilten Straftäters in die Gesellschaft (»Resozialisierung«) als auch zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft des Gefangenen angeordnet werden. Für beides ließen sich historische Beispiele anführen. Welche Rolle spielte Arbeit im Strafvollzug der DDR? Um allgemeingültige, spezifische sowie für die DDR auszuschließende Merkmale zu unterscheiden, müsste man sie systematischer mit Haftarbeit in anderen politischen Systemen und/oder historischen Zeiträumen vergleichen, aber auch mit den Arbeitsbedingungen in den zivilen Betrieben der DDR. An dieser Stelle sind dazu nur einige knappe Hinweise möglich.
Grundsätzliche Unterschiede fallen dem Betrachter vor allem beim Blick auf den Nationalsozialismus ins Auge: Während dort ausländische »Fremdarbeiter« während des Zweiten Weltkriegs millionenfach zur Zwangsarbeit herangezogen wurden,[1] zu tausenden unter den Arbeitsbedingungen zugrunde gingen und ein Konzept der »Vernichtung durch Arbeit« zumindest für einige Opfergruppen nachweisbar ist,[2] wurden in der DDR seit den 1950er-Jahren hingegen ausschließlich gerichtlich Verurteilte zwangsweise zur Arbeit eingesetzt; eine intendierte »Vernichtung durch Arbeit« gab es nicht. Sinnvoller ist es daher, die Bedingungen der Haftarbeit in der DDR mit den Arbeitsbedingungen in den zivilen Betrieben der DDR zu vergleichen.
In den vergangenen Jahren wurde eine verstärkte öffentliche Debatte über das Thema geführt. Dabei ging es nicht nur um »gewöhnliche« Straftäter, sondern noch mehr um politische Häftlinge. Nach freiheitlich-demokratischer Auffassung waren politische Häftlinge schließlich zu Unrecht inhaftiert, d.h. aus »von ihnen nicht zu vertretenden Gründen«,[3] etwa wegen Widerstandes gegen die SED-Diktatur, freier Meinungsäußerungen, Fluchtversuchen, Fluchthilfe oder eines Ausreisebegehrens. In der offiziellen DDR-Sicht gab es zwar keine »politischen« Gefangenen, da sie als »kriminelle Verbrecher« galten,[4] doch unterschied man intern durchaus zwischen Staatsverbrechen und Straftaten der gewöhnlichen Kriminalität. Schließlich schaltete sich bei politischen Delikten in der Regel das Ministerium für Staatssicherheit ein, wie es Erich Mielke einmal prägnant auf den Punkt brachte: »Feinde bearbeiten wir«.[5]
Zum gesteigerten Medieninteresse an diesem Problemkomplex trug ferner die Meldung vom Herbst 2012 bei, dass die Firma IKEA in den 1980er-Jahren Möbel aus der DDR in den Handel gebracht hatte, an deren Herstellung Häftlinge und darunter auch politische Gefangene beteiligt gewesen waren.[6] Auf diese Nachricht folgten weitere Berichte über Westfirmen, die von Gefangenen (mit)produzierte Waren aus der DDR bezogen hatten. Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) forderte daraufhin eine Entschädigung für die Haftzwangsarbeit und die erlittenen Schäden, zumal die westlichen Vertriebsfirmen vom Verkauf der »Knastware« profitiert hätten.[7] Der Forderung wurde jedoch unter anderem mit dem Argument widersprochen, dass die Arbeitsbedingungen im DDR-Strafvollzug nicht wesentlich schlechter gewesen seien als in den zivilen Betrieben. Da die politischen Häftlinge bereits Anspruch auf eine Opferrente für die zu Unrecht erlittene Inhaftierung geltend machen könnten und dies die allgemeinen Haftbedingungen einschließe, könne man sie nun nicht noch separat für die Haftarbeit entschädigen.[8]
Der folgende Beitrag unterzieht die Argumente dieser Debatte einer kritischen Überprüfung, indem er (1.) die rechtlichen und ideologischen Grundlagen der Haftarbeit in Theorie und Praxis darstellt, (2.) nach dem Stellenwert der Häftlingsarbeit für die Volkswirtschaft der DDR fragt, (3.) untersucht, wo politische Gefangene inhaftiert waren und was dies für die Art und Schwere der Arbeit bedeutete, (4.) die Doppelthese der Schlechterstellung von Häftlingsarbeitern gegenüber Zivilbeschäftigten und der Benachteiligung von politischen gegenüber kriminellen Häftlingen hinterfragt sowie (5.) die Ergebnisse zusammenfasst und bewertet. Die Quellengrundlage bilden im Wesentlichen offizielle Rechtstexte, Erinnerungsberichte ehemaliger politischer Gefangener, die Überlieferung der seinerzeit für die Organisation der Haftarbeit zuständigen Verwaltung Strafvollzug (VSV) im Ministerium des Innern der DDR (MdI) sowie Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Zum Teil konnten diese Quellen erstmals für die Forschung genutzt werden.[9]
1. Rechtliche und ideologische Grundlagen
In der Rechtstheorie bildete das Recht auf Arbeit einen Pfeiler des Selbstverständnisses der DDR.[10] Damit einher ging die Pflicht zur Arbeit. In Artikel 24 Absatz 2 der Verfassung von 1968 hieß es: »Gesellschaftlich nützliche Tätigkeit ist eine ehrenvolle Pflicht für jeden arbeitsfähigen Bürger. Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit.« Dieser Grundsatz galt für Zivilbeschäftigte wie Strafgefangene gleichermaßen. Bereits Artikel 137 der Verfassung von 1949 bestimmte ausdrücklich, dass der Strafvollzug »auf dem Gedanken der Erziehung der Besserungsfähigen durch gemeinsame produktive Arbeit« beruhen solle. Strafgefangenenarbeit war somit der Normalfall, nicht die Ausnahme.
Bis 1965/68 wurde sie durch Verordnungen der VSV geregelt.[11] Ausgangspunkt war die Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen vom 3. April 1952, durch welche der genannte Artikel 137 der Verfassung von 1949 »verwirklicht« werden sollte.[12] Der Rechtspflegeerlass des Staatsrates von 1963 schrieb Arbeit in der Haft als Mittel der »mit dem Strafverfahren eingeleiteten Umerziehung« vor;[13] 1965 wurde schließlich eine vorläufige Strafvollzugsordnung erlassen.[14] Erst das »Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz« (SVWG) vom 12. Januar 1968 schuf eine gesetzliche Norm und bestimmte, dass alle arbeitsfähigen Strafgefangenen zur »Arbeitsleistung verpflichtet« seien.[15] Auf dieser Rechtsgrundlage erließ das MdI am 20. Februar 1971 die »Anordnung über den Einsatz Strafgefangener zu gesellschaftlich nützlicher Arbeit – Arbeitseinsatzordnung«.[16] Sie blieb bis zum Ende der DDR in Kraft und wurde nur 1976, 1977 und 1989 geändert.[17] Eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit, die bei Klagen über Verstöße gegen die Gesetze und Anordnungen zur Haftarbeit hätte entscheiden können, gab es allerdings nicht.[18]
Beurteilt man die gesetzlichen Grundlagen nach ihrem Wortlaut, so sollte die Arbeit im Strafvollzug zuallererst eine resozialisierende Funktion haben und die Erziehung der Strafgefangenen zu verantwortungsvollen Staatsbürgern im Mittelpunkt stehen. Jedoch traf dies gar nicht oder nur in geringem Maße mit Blick auf die politischen Häftlinge zu, bei denen bereits die Inhaftierung nach rechtsstaatlichem Maßstab illegitim war. Wenn schon ihre Gesinnung nicht zu ändern war, sollte das Konzept der »Erziehung durch Arbeit« zumindest die Anpassung nach außen erzwingen.
In der Praxis hingegen diente die Haftarbeit nicht als Mittel zum Zweck der Erziehung. Das primäre Ziel war der wirtschaftliche Beitrag zur Planerfüllung, was sich auch daran zeigt, dass die Strafgefangenenarbeit im Staatshaushalt eingerechnet wurde (s.u., Kap. 2). Ihre hauptsächlich ökonomische Funktion klingt bereits in einem Vermerk der Verwaltung Strafvollzug aus dem Jahr 1957 an: »Die Strafgefangenen erziehen wir nicht zum sozialistischen Bewußtsein, sondern zur Arbeit und zur Disziplin.«[19] In einer internen Niederschrift der VSV von 1960 heißt es noch klarer, der Zweck des Strafvollzugs liege darin, die Strafgefangenen »für die ökonomischen Aufgaben unserer Gesellschaft auszunutzen«.[20] Auch in Unterlagen der Arbeitseinsatzbetriebe finden sich nüchterne Beschreibungen wie die folgende von 1966: »[Es] treten teilweise solche Auffassungen seitens der Betriebe in Erscheinung, dass die Strafgefangenen in erster Linie als Arbeitskräfte den Volkseigenen Betrieben zur Lösung volkswirtschaftlicher Aufgaben zur Verfügung stehen. Diese Auffassungen fanden auch ihren Ausdruck im Inhalt der bisher durchgeführten Arbeitsbesprechungen, die sich oftmals unkonkret ausschließlich mit Fragen der Produktionsaufgaben befaßten. Fragen der unmittelbaren Einflußnahme der Betriebe und ihrer gesellschaftlichen Organe auf den Erziehungsprozeß bei den Strafgefangenen blieben unberücksichtigt.«[21] Dem Fazit Christian Sachses lässt sich zustimmen: »Der Staat hatte [genauer: nahm sich, J.P.W.] das Recht, alle seine Bürger zur Arbeit zu zwingen, und unterlag dabei keinerlei substanziellen Einschränkungen.«[22]
2. Umfang und Bedeutung für die DDR-Volkswirtschaft
Die Zahl der Häftlingsarbeiter schwankte im Laufe der Jahrzehnte teils beträchtlich. Dies lag unter anderem daran, dass wegen fehlender Arbeitsmöglichkeiten nicht alle Inhaftierten zur Arbeit eingesetzt wurden, einige nicht arbeitsfähig waren und Amnestien sowie Repressionsphasen die Zahl der Strafgefangenen stark an- bzw. abschwellen ließen. Eine lückenlose Zahlenreihe von 1949 bis 1989 über die Entwicklung der Zahl der Häftlingsarbeiter wurde bisher nicht aufgefunden, doch lässt sich mit den verfügbaren Daten die Größenordnung bestimmen.[23] Demnach bewegte sich die Zahl der zur Arbeit eingesetzten Strafgefangenen einschließlich der politischen Häftlinge nach einem Anstieg in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre in einer Größenordnung zwischen jährlich 15.000 und 30.000 Personen, in einmaligen Spitzenwerten auch zeitweilig darüber.[24] Der Anteil der Strafgefangenen an der arbeitenden Bevölkerung der DDR betrug somit »selten mehr als 0,4 Prozent«.[25] Seriöse Berechnungen zum Anteil ihrer Arbeitsleistung an der DDR-Volkswirtschaft veranschlagen ihn in einem Bereich zwischen 0,2 und maximal 0,94 Prozent.[26]
Versuche, den Wert der Häftlingsarbeit über einen monetären Maßstab zu messen – etwa über Häftlingslöhne oder den Wert der produzierten Waren –, sind insgesamt wenig aussagekräftig, da sie die Spezifik der Haftarbeit nicht berücksichtigen: Diese erfolgte nämlich oft in Bereichen, für die zivile Arbeiter seltener, kaum oder gar nicht zu finden waren,[27] denn sie konnten im Regelfall nicht auf einen Arbeitsplatz gezwungen werden. Als Vergleichsgröße müsste daher vielmehr die (fiktive) Summe herangezogen werden, die für zivile Arbeiter hätte ausgegeben werden müssen. Das war jedoch weder möglich noch gewollt. Der Einsatz von Strafgefangenen war deshalb vor allem eine Maßnahme, um die Wirtschaft vor höheren Arbeitskosten zu schützen. Diese besondere Rolle der Haftarbeit zeigte sich nicht zuletzt darin, dass die Strafgefangenen häufig an neuralgischen Punkten der Volkswirtschaft eingesetzt waren, die für reguläre Arbeiter unattraktiv waren. So beschworen Amnestien stets die Gefahr von massiven Produktionsrückgängen herauf, bis hin zur Unterbrechung der Energieversorgung.[28]
Im Zusammenhang der wirtschaftlichen Bedeutung der Häftlingsarbeit stellt sich die Frage, ob das System des Strafvollzugs und der Haftarbeit eigentlich profitabel war.[29] Die Antwort hängt vom Bezugsrahmen ab, je nachdem, ob es um die Bilanz nur für den Strafvollzug oder die Staatskasse insgesamt geht und ob die produzierten Waren vor allem in der DDR, den Ostblock-Ländern und anderen, mit der DDR verbündeten Staaten verkauft oder in den Westen exportiert wurden. Nimmt man nur den Strafvollzug als Bezugsrahmen, so war die Haftarbeit auf keinen Fall kostendeckend, da die Einnahmen – dies waren im Wesentlichen die von den Betrieben gezahlten Löhne – die Gesamtausgaben des Strafvollzugs (darunter für Personal, Gebäude etc.) nicht annähernd aufwogen. 1950, vor Beginn der flächendeckenden Haftarbeit, waren die Ausgaben noch um das 3,6-fache höher als die Einnahmen, 1964 immerhin nur noch um das 1,6-fache. 1990 betrug der Faktor nahezu unverändert 1,7.[30]
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob Strafvollzug und Haftarbeit auch für die Staatskasse der DDR insgesamt defizitär oder profitabel waren. Derartige Berechnungen wurden zeitgenössisch nicht angestellt. Wollte man eine solche Gesamtrechnung dennoch versuchen, müssten die Kosten auf Seiten der Betriebe, des Strafvollzugs und der für den Vertrieb zuständigen Stellen (im Falle des Westexports waren dies die Außenhandelsbetriebe) als Ausgaben in die Berechnung einfließen. Auf der Einnahmeseite wären die Erlöse aus dem Verkauf der »Knastware« zu berücksichtigen. Eine solche Gesamtrechnung ist wohl kaum seriös zu erstellen. Aus Sicht der Kombinate und Betriebe war es aber zweifellos attraktiv, Häftlinge zu beschäftigen. Man konnte sie in Bereichen einsetzen, für die keine zivilen Arbeiter zu finden waren. Ferner ließen sich Investitionen in neue Maschinen und Arbeitsschutz einsparen. Schließlich konnten Häftlinge durchgängig ohne Anspruch auf Urlaub beschäftigt werden.
Ob sich das gesamte System des DDR-Strafvollzugs selbst finanzierte und obendrein noch Gewinn abwarf, wenn die »Knastware« in den Westen exportiert wurde, lässt sich aus den oben genannten Gründen ebensowenig global beantworten. Da die Einnahmen in Devisen anfielen und diese bekanntlich nicht frei in Mark der DDR konvertierbar waren, hätte die Umrechnung außerdem stets einen theoretischen Charakter gehabt. Zwar ist es mangels empirischer Daten nicht auszuschließen, dass sich mit der einen oder anderen Ware, an deren Herstellung Häftlinge beteiligt waren, durch den Verkaufserlös im Westen nach Abzug sämtlicher (Haft-)Kosten ein Überschuss erwirtschaften ließ.[31] Eine Berechnung für die Häftlingsarbeiterinnen des Betriebs Esda Thalheim, der in der Strafvollzugseinrichtung (StVE) Hoheneck Damenstrumpfhosen für den Export in die Bundesrepublik produzierte, zeigt bezogen auf das Jahr 1980, dass eine Deckungslücke verblieb: Kosten von 64.457,08 Mark der DDR pro Häftling und Jahr.[32] Das Beispiel beansprucht keine Allgemeingültigkeit, begründet aber Zweifel daran, dass sich aus dem Westexport exorbitante Gewinne erzielen ließen.[33] Vielmehr muss man davon ausgehen, dass der Sinn zuvorderst darin lag, Devisen zu erwirtschaften – koste es, was es wolle.
Grundsätzlich sollte kein gesonderter Strafvollzug für politische Häftlinge existieren, denn nach offizieller Doktrin galten sie als »gewöhnliche Verbrecher«. Tatsächlich waren politische und kriminelle Häftlinge bis zur ersten Hälfte der 1960er-Jahre nicht getrennt voneinander untergebracht. Eine Stichprobenauswertung der zentralen Haftkartei der DDR für das Jahr 1959 zeigt, dass sich in fast jeder StVE bzw. jedem Haftarbeitslager politische Gefangene befanden und sie zudem weitgehend gleichmäßig auf die Vollzugseinrichtungen verteilt waren.[34]
Ab Mitte der 1960er-Jahre änderte sich dies. Ursache war ein Sicherheitsproblem, dem sich das MfS nach der Inhaftierungswelle infolge des Mauerbaus 1961 gegenübersah. Die Staatssicherheit beklagte sich darüber, dass in den Gefängnissen »aktive Feinde sowie andere unverbesserliche Kräfte ihren zersetzenden Einfluss auf größere Kreise anderer Strafgefangener geltend machen« würden, da »Grenzverletzer praktisch auf alle Strafvollzugseinrichtungen verteilt« seien. Dadurch könnten sie »auf einen relativ großen Kreis anderer Strafgefangener ihre Gedanken und Erfahrungen ausstrahlen« und einen »negativen und zersetzenden Einfluß« ausüben.[35] Das MfS schlug folgende Gegenmaßnahme vor: »Konzentration [sic!] der wegen Angriffe gegen die Staatsgrenze der DDR inhaftierten männlichen Bürger der DDR […] in einer speziellen StVE unter Isolierung von allen wegen anderer Delikte einsitzender Strafgefangener«.[36]
Zwar wurde der Plan nicht eins zu eins in die Tat umgesetzt, doch wies die VSV politische Gefangene fortan verstärkt in einige Schwerpunkthaftanstalten ein.[37] Die StVE in Cottbus, Brandenburg und Hoheneck (Stolberg/Erzgebirge) sowie Berlin-Rummelsburg entwickelten sich zu den »politischen Knästen« der DDR mit einem besonders hohen Anteil politischer Gefangener.[38] In den 1970er-Jahren kamen zu den bestehenden Einweisungsschwerpunkten die StVE Naumburg sowie die StVE Karl-Marx-Stadt hinzu, in den 1980er-Jahren das Jugendhaus Hohenleuben und das Jugendhaus Halle, wie Stichproben aus der MdI-Haftkartei der Jahre 1978 und 1986 belegen. Zeitweilig waren die politischen Häftlinge in diesen StVE sogar in der Mehrheit.[39] Umgekehrt blieben die politischen Häftlinge in den übrigen StVE deutlich in der Minderheit. Einige Gefängnisse sollten sogar ausdrücklich keine politischen Gefangenen aufnehmen: So verfügte das MfS 1983 nach dem Tod zweier politischer Häftlinge durch Quecksilbervergiftungen im Chemiekombinat Bitterfeld und Skandalberichten der Westmedien, dass dort keine wegen Flucht- oder Ausreisedelikten verurteilten Gefangenen mehr inhaftiert werden dürften.[40]
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die politischen Häftlinge seit Ende der 1960er-Jahre durch die Einweisung in Schwerpunkthaftanstalten im Unterschied zur ersten Phase bis Mitte der 1960er-Jahren nicht mehr überall in gleichem Umfang von der Haftarbeit betroffen waren, sondern vor allem in den Arbeitseinsatzbetrieben der genannten Schwerpunkt-StVE. Wenn Ende der 1980er-Jahre »fast jeder zweite Gefangene […] in der elektrotechnischen Industrie, im Erzbergbau sowie der Fahrzeugindustrie« arbeitete,[41] muss man mit Blick auf die Haftarbeit politischer Gefangener hinzufügen, dass einige dieser Branchen spätestens in den 1980er-Jahren eher untypisch für sie waren, insbesondere der Braunkohletagebau, die Baustoffindustrie in den Rüdersdorfer Zementwerken und seit 1983 auch die Chemische Industrie im Bitterfelder »Chemiedreieck«, da die zugeordneten StVE nicht zu den Schwerpunktgefängnissen für politische Häftlinge gehörten oder gar keine politischen Gefangenen (mehr) dort eingewiesen wurden.
4. Die Praxis der Haftarbeit: Schlechterstellung politischer Häftlinge?
4.1. Legitimität der Haftarbeit. »Alle Strafgefangenen sind entsprechend ihrer vom Anstaltsarzt festgestellten körperlichen und geistigen Eignung zur Arbeit verpflichtet. Es ist für genügend nützliche Arbeit zu sorgen, um die Gefangenen für die Dauer eines normalen Arbeitstages zu beschäftigen.« Diese Passage entstammt nicht etwa einem Rechtstext der DDR, sondern den »Standard-Minimalregeln für die Behandlung von Gefangenen« der Vereinten Nationen vom 30. August 1955.[42] Gefangenenarbeit ist daher im Grundsatz nicht nur legitim, sondern es ist sogar eine Pflicht der UN-Mitgliedsstaaten, Häftlingen Arbeit zu ermöglichen – spätestens seit 1974 somit auch in der DDR.
Hinzu kommt, dass die Arbeit im Strafvollzug von den Betroffenen selbst oftmals als sinnvoll empfunden und begrüßt wurde. Eine bemerkenswerte Zahl politischer Häftlinge stellt die Arbeit in ihren Erinnerungsberichten positiv dar. Besonders häufig ist dies in Erinnerungen von politischen Gefangenen der Fall, die in der ersten Hälfte der 1950er-Jahre inhaftiert waren und den Wechsel von der anfangs erzwungenen Untätigkeit zur Einführung der Haftarbeit miterlebten. Politische Gefangene galten zunächst nämlich noch als »arbeitsunwürdig«,[43] weshalb ihnen »jegliche Beschäftigung verweigert« wurde, wohingegen kriminelle Strafgefangene von Beginn an zur Arbeit verpflichtet waren, beispielsweise in den anstaltseigenen Werkstätten.[44] Wie die nachfolgenden Beispiele zeigen, war eine Arbeitsmöglichkeit in der Haft daher »eine Auszeichnung, die man sich erst verdienen mußte«,[45] eine Erlösung vom erzwungenen vorherigen Nichtstun. Derlei Einschätzungen finden sich in Haftberichten aus dem gesamten Zeitraum von 1949 bis 1989.[46] Heike Otto, 1983/84 in Hoheneck inhaftiert, behauptet sogar, sie sei nie in ihrem Leben »so gern arbeiten gegangen wie im Knast«. Die Arbeit habe sie auf andere Gedanken gebracht, »den Kummer verdrängt und die Schmerzen betäubt. Im Dreischichtsystem mussten wir Wäsche nähen, jeden Tag rund um die Uhr, auch samstags und sonntags.«[47] Bernd Wolfram, der 1968 in Cottbus inhaftiert war, vermeidet den Begriff der Zwangsarbeit sogar ausdrücklich: »Von Zwangsarbeit kann man nicht sprechen, denn man konnte die Arbeit verweigern. Es gab ein paar Häftlinge, die sagten: ›Für diesen Staat mache ich gar nichts mehr.‹ Aber als Nicht-Arbeiter mussten sie den ganzen Tag in der Zelle bleiben und wurden noch schlechter verpflegt.«[48] Viele dieser Passagen sind allerdings weniger als Belege für insgesamt akzeptable und den Standards entsprechende Arbeitsbedingungen zu verstehen, sondern vielmehr als Aussagen darüber, dass Arbeit gegenüber der erzwungenen Untätigkeit in der MfS-Untersuchungshaft als das kleinere Übel empfunden wurde. Letztlich kommt es daher auf die konkreten Arbeitsbedingungen an.
4.2. Art und Schwere der Arbeit. Welche Arbeiten waren in den Hafteinsatzbetrieben der jeweiligen Branchen zu verrichten? Wie schwer waren sie, besonders im Vergleich zu ähnlichen Berufen im Zivilleben? Die konkreten Tätigkeiten unterschieden sich teils deutlich je nach Bereich der Volkswirtschaft. Gefangene, die in Betrieben der Braunkohlegewinnung arbeiteten, hatten in der Regel körperliche Schwerstarbeit zu leisten.[49] Andererseits waren viele Arbeiten eher monoton als körperlich anstrengend, was in vielen Zivilbetrieben nicht anders war. Das galt insbesondere für jene Tätigkeiten, bei denen am Fließband oder an Maschinen produziert wurde und immer dieselben Handgriffe auszuführen waren.[50] Abgesehen von den körperlichen Schwerstarbeiten vermittelt der Großteil der Berichte ehemaliger politischer Häftlinge das Bild, dass sich die Schwere vieler Arbeiten meist weniger aus der Tätigkeit an sich als vielmehr daraus ergab, dass die Häftlinge nicht für den Beruf qualifiziert oder lediglich kurz angelernt worden waren und deshalb oft größte Schwierigkeiten hatten, die Normen zu erfüllen, dass Hilfsmittel für die Arbeit sowie Schutzvorrichtungen fehlten, ständiger Druck bei der Normerfüllung auf sie ausgeübt wurde, Erholungszeiten zu kurz, Verpflegung und medizinische Betreuung mangelhaft waren und der Lohn im Vergleich zu Zivilarbeitern geradezu »mickrig« ausfiel.
Dass Häftlinge nicht ausschließlich, aber doch sehr häufig gezielt in Bereichen mit besonders schweren Arbeiten eingesetzt wurden, ist am Beispiel des Strafgefangenen-Einsatzes im Chemiedreieck Bitterfeld gut belegt. Die Gefangenen stellten dort »ein bewegliches Arbeitskräftepotential dar, das variabel für die ›Drecksarbeit‹ eingesetzt werden konnte«.[51] Darin unterschied sich die Arbeit, die Strafgefangenen zugemutet wurde, grundlegend von den Tätigkeiten ziviler Arbeiter in der gleichen Branche. Obendrein konnten Zivilarbeiter ihren Arbeitsplatz gegebenenfalls wechseln – im Gegensatz zu Strafgefangenen. Besonders im zeitlichen Umfeld der Amnestien zeigte sich, dass für manche Arbeiten keine zivilen Kräfte gefunden werden konnten. Über die Auswirkungen der Amnestie 1979 berichtete das MfS: »Besondere Schwierigkeiten werden von den Fachministern [der Industrieministerien] in der Gewinnung von AK [Arbeitskräften] zur Ausführung ausschließlich schwerer körperlicher Arbeiten gesehen, die bisher von Strafgefangenen erfolgte.«[52] In einem MfS-Bericht zur Amnestie 1987 heißt es: »Unmittelbar nach der Verkündung des Amnestiebeschlusses wurde durch Werktätige des Bezirkes [Gera] im breiten Umfang über die ökonomischen Folgen […] diskutiert. Durch Werktätige des Zementwerkes Unterwellenborn wurde begrüßt, daß zum Ausgleich der Verluste an Arbeitskräften über einen längeren Zeitraum amnestierte ehemalige Strafgefangene gewonnen wurden. Die Strafgefangenen verrichten in diesem Betrieb Arbeiten, die andere Werktätige kaum oder nicht durchführen wollen. In diesem Zusammenhang wurde die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, daß die Amnestierten ohne den Zwang durch den Strafvollzug diese Arbeiten nicht lange verrichten werden.«[53]
Dabei existierte offenbar keine zentrale Weisung zur Schlechterstellung der politischen Gefangenen bei der Zuteilung der Arbeiten. Gut belegt ist jedoch die Benachteiligung der politischen Häftlinge in den Haft- und Arbeitsbedingungen infolge der Gefangenenhierarchie, denn der DDR-Strafvollzug beruhte auf dem Prinzip der partiellen »Selbstverwaltung« der Häftlinge, d.h. der Übertragung von Schlüsselpositionen und einflussreichen Funktionsstellen an ausgewählte, in der Regel kriminelle Inhaftierte.[54]
Wie die derart bevorzugten kriminellen Häftlinge ihre Position im Alltag ausnutzen konnten, beschreibt der in den 1970er-Jahren in Brandenburg inhaftierte Karl-Heinz Rutsch bzw. sein Biograph Volker Koop: »Generell war es schon Usus, daß den Politischen besonders schlechte Arbeiten zugewiesen wurden. Dazu kam, daß es sich bei den Gefangenenfunktionären fast immer um Langstrafler handelte, die häufig schon eine erhebliche Zahl von Vorstrafen aufzuweisen hatten. Die meisten kannten sich, und wenn es vom Jugendwerkhof her war, und hatten ihre entsprechenden Beziehungen.«[55]
4.3. Arbeitsnormen und Normerfüllung. Die Arbeitseinsatzordnung des MdI vom 20. Februar 1971 übertrug den Betriebsdirektoren die Aufgabe, »zu sichern, daß […] die den Strafgefangenen vorgegebenen Arbeits- und Materialverbrauchsnormen nicht von den im Betrieb gültigen Normen abweichen«.[56] Strafgefangene und Zivilarbeiter sollten somit grundsätzlich gleich behandelt werden. Das war immerhin ein Fortschritt gegenüber den 1950er-Jahren, als Strafgefangene noch »zur Sühne mehr leisten« sollten »als die Werktätigen in der Produktion«.[57] Mindestens für die Jahre nach Inkrafttreten der Arbeitseinsatzordnung 1971 ist es daher unwahrscheinlich, dass eine zentrale Weisung existierte, die diesen Grundsatz gleichsam durch die Hintertür aushebelte, indem sie höhere Normen für Strafgefangene ausdrücklich anordnete.
Dafür spricht auch, dass die Normen laut der oben genannten Ordnung nicht zentral von der VSV oder der staatlichen Plankommission festgesetzt werden sollten, sondern dezentral von den Arbeitseinsatzbetrieben. Ein Informationspapier über »Maßnahmen und Entscheidungen zum Einsatz von Strafgefangenen zur Arbeit«, das der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, Horst Sindermann, 1973 dem Ministerrat vorlegte, stützt diesen Befund. Darin heißt es: »Eine Reihe von Betrieben mißachtet die für den Arbeitseinsatz Strafgefangener geltende Rechtsvorschrift, wonach die Arbeitsnormative der Betriebe uneingeschränkt für Strafgefangene gelten. So werden für die Strafgefangenen zwischen 60 Prozent und 130 Prozent der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität der Produktionsarbeiter der Betriebe in den Plan aufgenommen. Infolge nicht ausreichender Kontrolle der entsprechenden Pläne seitens der Ministerien wird die Arbeitsproduktivität der Strafgefangenen so geplant bzw. verändert, wie es dem Betrieb gerade paßt.«[58]
Die dezentrale Normfestsetzung erklärt zudem, warum die Antworten ehemaliger Inhaftierter auf die Frage nach der Höhe der Arbeitsnormen teils sehr unterschiedlich ausfallen: Es hing schlicht vom jeweiligen Betrieb und der konkreten Situation ab, ob die Vorschrift zur Gleichbehandlung eingehalten oder missachtet wurde. In der Studie von Bastian/Neubert aus dem Jahr 2003 gaben 42 von 389 schriftlich befragten ehemaligen Häftlingen an, die Normen seien »höher als draußen« gewesen. Das sind knapp 11 Prozent der Stichprobe, was aber zugleich bedeutet, dass 89 Prozent nicht den Eindruck hatten, dass die Normen höher gewesen seien als in den Zivilbetrieben.[59]
Wenngleich die Normen in den meisten Fällen denen der Zivilarbeiter entsprachen, zeigen die eingangs zitierten Quellen aber auch, dass Berichte von überhöhten Arbeitsnormen ebenfalls glaubhaft sind, da einige Betriebe gezielt höhere Normen für die Strafgefangenen ansetzten – und diese im Laufe der Jahre sogar nochmals anhoben. In Erinnerungsberichten finden sich zahlreiche Beispiele dafür.[60] Die Frage nach den auf dem Papier vorgegebenen Normen lässt zudem unberücksichtigt, dass in den Arbeitseinsatzbetrieben ein Anreizsystem zur Übererfüllung der Normen installiert wurde.[61] Einerseits sollten die Häftlinge mit Vergünstigungen zu einer hohen Normerfüllung gelockt werden,[62] andererseits drohten Strafen, wenn die Norm nicht erreicht wurde. Da die Verpflegung oftmals eintönig, qualitativ schlecht und vitaminarm war, waren viele Häftlinge gezwungen, die Normen schon deshalb zu erfüllen, um sich dringend benötigte Nahrungsmittel hinzukaufen zu können.[63]
Waren politische Häftlinge im Hinblick auf die Arbeitsnormen gegenüber kriminellen Häftlingen benachteiligt? Dass für sie höhere Normen gegolten hätten, behaupten ehemalige politische Gefangene nur selten – und nur dann, wenn die »Politischen« in bestimmten Arbeitskommandos konzentriert waren.[64] Jedoch waren sie aufgrund ihrer niederen Position in der Gefangenenhierarchie auch in Bezug auf die Normerfüllung benachteiligt, denn die meist kriminellen Funktionshäftlinge betätigten sich ihrerseits als »Antreiber« und behandelten die politischen Häftlinge nicht selten schlechter.[65]
4.4. Arbeitszeiten. Obwohl es fast während des gesamten Zeitraumes von 1949 bis 1989 rechtlich unzulässig war, Strafgefangenen dauerhaft längere Arbeitszeiten aufzubürden, war dies in der Praxis aus ideologischen und wirtschaftlichen Gründen durchaus üblich. Neben willkürlichen Verstößen gegen die Rechtsnormen wurden die Arbeitszeiten durch zahlreiche andere Maßnahmen ausgedehnt. Darstellungen zu derartiger Zwangsarbeit und Haftberichte bieten zahlreiche Beispiele hierfür. So musste die Mehrarbeit beispielsweise in Form von offiziell angeordneten oder »freiwillig« angesetzten Sonderschichten erbracht werden.[66] Besonders im zeitlichen Umfeld der Amnestien wurden die Häftlinge angetrieben, um die zu erwartenden Produktionsausfälle zumindest teilweise zu kompensieren.[67] Erschwert wurden die Arbeitsbedingungen zusätzlich durch Schichtarbeit.[68] Sie war an sich nicht untypisch für zivile Industriearbeitsplätze. Vergleicht man jedoch die Häufigkeit der Schichtarbeit für beide Gruppen in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre, so ist ein deutlicher Unterschied zu erkennen: Annähernd die Hälfte aller Häftlinge war 1977 zur Dreischichtarbeit und damit (auch) Nachtschichtarbeit eingeteilt, während dies im Zivilleben laut entsprechender Daten von 1975 nur gut jeden fünften Industriearbeiter betraf.[69]
Um die Schwere dieser höheren Belastung der Häftlingsarbeiter durch (Nacht-)Schichtarbeit zu ermessen, ist obendrein zu berücksichtigen, dass sie unter Haftbedingungen zu leisten war. Ehemalige Häftlinge berichten davon, dass sie als Nachtschichtarbeiter tagsüber wegen des permanenten Lärms durch das »Schlüsseln«, Zählappelle, laute Kommandos auf dem Gefängnishof oder durch Lautsprecher kaum zum Schlafen kamen, was in der Folge zu Übermüdung, einer größeren Gefahr von Arbeitsunfällen und höheren Anfälligkeit für Krankheiten führte.[70] Ob politische häufiger als kriminelle Häftlinge zu Sonderschichten herangezogen und zur Mehrschichtarbeit eingeteilt wurden, ist mangels Daten nicht zu beantworten. In Erinnerungsberichten wird eine derartige Ungleichbehandlung allerdings nicht erwähnt.
4.5. Arbeitsschutz. In den Studien zur Haftarbeit nimmt die Darstellung der Rolle des Arbeitsschutzes breiten Raum ein. Der einhellige Befund lautet, dass Maßnahmen zum Arbeitsschutz oft mangelhaft bis ungenügend waren, wenngleich dies nicht zwangsläufig zu schweren Verletzungen und dauerhaften Gesundheitsschäden führen musste. Hinzu kommt, dass es praktisch keinen Bericht politischer Häftlinge gibt, in dem nicht von kleineren bis hin zu gravierenden Verletzungen und schlichter Missachtung der Arbeitsschutzbestimmungen die Rede ist. In der Theorie galt auch hier spätestens mit Inkrafttreten der Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen vom 3. April 1952 der Grundsatz der Gleichbehandlung von Häftlingen und Zivilarbeitern.[71] In der Praxis jedoch konnte davon nicht die Rede sein; vielmehr existierten »Arbeitssicherheitsbestimmungen [...] nur auf dem Papier«, wie ein ehemaliger politischer Häftling in seinen Erinnerungen schreibt.[72]
War der Arbeitsschutz bei Strafgefangenen wesentlich schlechter als bei den Zivilarbeitern? Nimmt man die Häufigkeit von Arbeitsunfällen als Maßstab für die tatsächliche Einhaltung der gesetzlichen Arbeitsschutzbestimmungen, so ist in der Tat davon auszugehen, denn den verfügbaren Statistiken zufolge lag die Unfallhäufigkeit bei Strafgefangenen um ein knappes Drittel bis zum Doppelten und sogar Dreifachen über jener der zivilen (Industrie-)Arbeiter.[73] Falls es keinen explizit schlechteren Arbeitsschutz für Strafgefangene gab, so könnte der Befund auch darauf hindeuten, dass die Häufigkeit von Arbeitsunfällen bei Strafgefangenen vor allem deshalb höher war als in Zivilbetrieben, weil die Häftlinge gefährlichere Arbeiten verrichten mussten. Die einzige verfügbare DDR-Statistik, die ausdrücklich die Häufigkeit von Arbeitsunfällen in der Haft global mit jenen im zivilen Bereich vergleicht, enthält Angaben für das Jahr 1987: »1182 Arbeitsunfälle, 41 schwere, 2 mit tödlichem Ausgang (liegt weit über AU [Arbeitsunfällen] der Volkswirtschaft...)«.[74] Offensichtlich handelte es sich um ein seit langem bestehendes strukturelles Problem.[75] Dabei dürften die Zahlen lediglich die Untergrenze aller Arbeitsunfälle im Jahr 1987 widerspiegeln, denn die Statistik erfasste nur die meldepflichtigen Vorkommnisse.[76] Wie groß der Zahl der nicht-meldepflichtigen Unfälle war, ist weitgehend unbekannt.[77]
Besonders häufig erlitten die Gefangenen Verletzungen der folgenden Art: Quetschungen der Finger oder Zehen, Schnittwunden, Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen, durch Stanzen oder Sägen abgetrennte oder schwer verletzte (und danach amputierte) Gliedmaßen, Augenverletzungen, Stromschläge sowie Vergiftungen durch Chemikalien. Zwar ist in vielen Unfallmeldungen als Ursache Eigenverschulden des Strafgefangenen angegeben, doch ist zu berücksichtigen, dass die Betriebe ein Interesse daran hatten, den Strafgefangenen die Schuld zuzuschieben, da in diesem Fall kein Lohn an die StVE gezahlt werden musste. Maßnahmen, die den Arbeitsschutz sichergestellt hätten, wurden oft »aufgrund des unvertretbar hohen Aufwandes« nicht ergriffen,[78] oder weil schlicht kein Geld dafür vorhanden war. Unfallmeldungen an die VSV deuten aber darauf hin, dass in vielen Fällen Schutzmittel fehlten, technische Mängel an veralteten Maschinen unfallursächlich waren und der hohe Normendruck ebenfalls dazu beitrug.[79]
Dass politische Gefangene in Bezug auf den Arbeitsschutz durch zentrale Anweisungen der VSV schlechter behandelt worden wären als kriminelle, ist nicht nachweisbar. Eher war das Gegenteil der Fall: Da politische Gefangene nach dem Tod zweier politischer Häftlinge in Bitterfeld Anfang der 1980er-Jahre nicht mehr dorthin eingewiesen wurden, waren sie diesen besonders gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen fortan nicht mehr ausgesetzt.[80] Wenn doch, so lag es wiederum an der Gefangenenhierarchie.[81]
Erschwerend kam hinzu, dass die medizinische Betreuung in den Haftanstalten »eklatante Mängel« aufwies und »allenfalls minimalen Erfordernissen« entsprach.[82] Sie sollte nicht die Gesundheit, sondern lediglich die Arbeitsfähigkeit erhalten: »Man mußte schon umkippen, bevor man wirklich krankgeschrieben wurde«,[83] charakterisiert ein ehemaliger Häftling die Situation. Seine Einschätzung wird durch zeitgenössische Quellen bestätigt.[84]
4.6. Arbeitsentgelt. Die Verträge zwischen den StVE und den Arbeitseinsatzbetrieben bestimmten ausdrücklich, dass dadurch kein arbeitsrechtliches Verhältnis zwischen den Strafgefangenen und den Haftanstalten begründet werde. Das Arbeitsentgelt schuldete der Betrieb daher nicht den Strafgefangenen, sondern der jeweiligen StVE, an die die Beträge abzuführen waren.[85] Wenngleich der Anteil, der den Strafgefangenen ausgezahlt wurde, im Laufe der Jahrzehnte deutlich schwankte, behielten die Vollzugseinrichtungen in der Regel den größten Teil dieser Zahlungen als Beitrag des Inhaftierten für die allgemeinen Haftkosten ein.[86] Insgesamt stand den Gefangenen »seit Ende der 1950er Jahre durchschnittlich knapp 10 Prozent eines vergleichbaren Nettolohns zur freien Verfügung«.[87] In absoluten Zahlen betrug dieses »Eigengeld« kurz vor dem Ende der DDR durchschnittlich 57 Mark im Monat, konnte je nach Branche aber auch deutlich darunter oder darüber liegen.[88]
Dass politische Gefangene gegenüber kriminellen Gefangenen von vornherein benachteiligt worden wären, etwa durch eine per se schlechtere Einstufung in niedrigere Lohngruppen, ist nicht nachweisbar. Dies konnte jedoch infolge der Gefangenenhierarchie der Fall sein, wenn ihnen von kriminellen Mitgefangenen Arbeiten zugewiesen wurden, bei denen generell nur eine geringe Normerfüllung erreichbar war. Verglichen mit dem Lohn, den die zivilen Arbeiter erhielten, war das Eigengeld der Strafgefangenen zwar niedrig, doch ist es auch unter rechtsstaatlichen Verhältnissen durchaus üblich, einen Teil des Lohns mit den Haftkosten zu verrechnen.[89] Kritikwürdig ist deshalb vor allem die Tatsache, dass die einbehaltenen Lohnanteile nicht dazu verwendet wurden, die Haftbedingungen zu verbessern, was die Klage ehemaliger Häftlinge verständlich macht: »Ich mußte das schlechte Essen, das Hochbett, die ewig kalte Heizung mitbezahlen.«[90]
4.7. Sanktionen bei Arbeitsverweigerung. Da die Erfüllung der Norm als Maßstab für den »Erziehungserfolg« galt und ein Zurückbleiben hinter der Norm die Planerfüllung der Arbeitseinsatzbetriebe gefährdete, zog eine geringere Leistung oder gar eine gänzliche Verweigerung der Arbeit harsche Konsequenzen nach sich.[91] So konnten »Vergünstigungen«[92] wie Besuchszeiten, Paketempfang und der Einkauf eingeschränkt oder gar vollständig entzogen werden. Auch Lohnkürzungen gehörten zu den gängigen Sanktionsinstrumenten.[93] Schließlich konnte Arrest angeordnet werden. Laut § 35 und § 36 SVWG kam er nur bei »besonders schweren Verstößen« gegen die Pflichten eines Strafgefangenen infrage. Als Höchstdauer waren 21 Tage in einer gesonderten Arrestzelle vorgesehen, die mit »Nichtarbeiterverpflegung«, »Entzug jeglicher Lektüre, […] der Raucherlaubnis, der Einkaufsberechtigung und der persönlichen Verbindungen« einherging.[94] Aus den StVE Cottbus und Hoheneck wird berichtet, dass Arrestanten selbst im Winter in eine feuchte bzw. unbeheizte (Keller-)Zelle eingeschlossen wurden und dort bei minimaler Verpflegung die Strafe verbüßen mussten.[95] Die Praxis der Anordnung von Arrest bei genereller Arbeitsverweigerung oder Weigerung zur Teilnahme an Sonderschichten wird von ehemaligen Häftlingen auch für andere Gefängnisse bezeugt.[96]
Daneben existierten informelle Sanktionsmechanismen. So wurden »Normuntererfüller« und Arbeitsverweigerer von kriminellen Funktionshäftlingen in Brandenburg unter Druck gesetzt oder gar misshandelt, wie der Anfang der 1980er-Jahre dort inhaftierte Michael Proksch berichtet: »Auf Arbeit ist es durchaus üblich, dass der jeweilige Schichtleiter, ein schwergewichtiger Mörder, zuweilen Gefangene, welche die ›Norm nicht geleistet‹ haben, unter dem Beifall seiner Lakaien im Keller der Werkhalle verprügelt. Er fürchtete ja auch um seinen Posten, wenn das Soll nicht erreicht wird.«[97]
Insgesamt sorgten das rigide Vorgehen der Strafvollzugsbediensteten und die Gefangenenhierarchie aber dafür, dass nur sehr wenige Häftlinge dauerhaft die Arbeit verweigerten. Laut Protokoll einer Dienstbesprechung der Leiter der Abteilungen/Arbeitsgruppen Strafvollzug in den Bezirksbehörden der Deutschen Volkspolizei und der Leiter der StVE im Jahr 1978 lag der Anteil »hartnäckiger Arbeitsverweigerer« bei lediglich 1,3 Prozent.[98]
4.8. (Langzeit-)Folgen. Die Folgewirkungen der MfS-Untersuchungs- und MdI-Strafhaft zeigten (und zeigen) sich bei den Betroffenen sowohl in psychischer wie in körperlicher Hinsicht, wobei die dauerhaften psychischen Folgeschäden besonders von der MfS-Untersuchungshaft, der quälenden Ungewissheit über das weitere Schicksal, den psychischen Stress und weiteren Faktoren verursacht wurden. Die Forschung zu Art und Umfang der Haftfolgeschäden hat sich seit der deutschen Einheit daher hauptsächlich auf den Aspekt der psychischen Haftfolgen konzentriert.[99]
Bis heute andauernde körperliche Beschwerden lassen sich oft nur mit erheblichem gutachterlichem Aufwand und manchmal gar nicht ausschließlich auf die Haftarbeit zurückführen.[100] Dauerschäden können durch ein komplexes Zusammenwirken mehrerer Faktoren verursacht werden. Es ist die Ausnahme, wenn Betroffene den Nachweis erbringen können, dass ihre Schädigung eindeutig durch die Haftarbeit entstanden ist.[101] Wohl aufgrund dieser methodischen Probleme ist bisher nicht systematisch untersucht worden, ob ein statistisch messbarer, kausaler Zusammenhang zwischen Haftarbeit und dauerhaften körperlichen Folgeschäden besteht. Die Quellen enthalten jedoch zahlreiche Hinweise, die für einen solchen Zusammenhang sprechen. Körperliche Beeinträchtigungen und Erkrankungen bereits während der Haft werden von Betroffenen in Erinnerungsberichten zuhauf geschildert.[102]
Auch Klagen über dauerhaft anhaltende Gebrechen als Folge der Haftarbeit und anderer Belastungsfaktoren finden sich in den Erinnerungsberichten, wenngleich in geringerer Zahl.[103] Im Rahmen der Fragebogenaktion der Studie von Bastian und Neubert, bei der die meisten Befragten zwischen 1949 und 1970 inhaftiert waren, beantworteten 90 Prozent die Frage nach gesundheitlichen Folgeschäden der Haftarbeit (361 von 397). Nimmt man die antwortenden Häftlinge als Bezugsgröße, so gaben 44 Prozent von ihnen an, unter körperlichen Haftfolgeschäden zu leiden (159 von 361).[104]
Die Haftarbeit in der DDR war von einem Gegensatz zwischen Theorie und Praxis geprägt: Galt Arbeit offiziell als Mittel der Erziehung, hatte sie in der Praxis jedoch hauptsächlich eine ökonomische Funktion, denn Strafgefangenenarbeit war fester und wichtiger Bestandteil der DDR-Wirtschaft. Ihr Stellenwert ergab sich weniger aus ihrem Anteil an der Wertschöpfung als aus dem Umstand, dass die Häftlinge bei Tätigkeiten eingesetzt wurden, die für zivile Arbeiter zum Beispiel wegen ihrer besonderen Schwere unattraktiv waren. Oftmals handelte es sich dabei um neuralgische Punkte der Volkswirtschaft, was die Wichtigkeit der Gefangenenarbeit nochmals unterstreicht. Ob das System des Strafvollzugs und der Haftarbeit auch bei Westexport der »Knastware« insgesamt profitabel war, erscheint zweifelhaft.
Politische Häftlinge waren in der Ära Ulbricht weitgehend gleichmäßig auf alle Strafvollzugseinrichtungen der DDR verteilt. In der Ära Honecker wurden hingegen Einweisungsschwerpunkte mit einer besonders hohen Zahl von politischen Gefangenen gebildet, vor allem die StVE in Cottbus, Hoheneck, Karl-Marx-Stadt und Naumburg; in den 1980er-Jahren kamen die Jugendhäuser Halle und Hohenleuben hinzu. Zugleich ging der Anteil politischer Häftlinge in den anderen StVE zurück. Dadurch waren einige Branchen fortan eher untypisch für die Arbeit politischer Häftlinge, hier vor allem die Braunkohle und seit 1983 auch die Chemische Industrie. Strafgefangene waren dabei insgesamt deutlich schlechter als Zivilbeschäftigte gestellt, was jedoch große Unterschiede von Betrieb zu Betrieb und von Branche zu Branche nicht ausschließt, da vor allem die Festsetzung der Normen dezentral organisiert war und den Arbeitseinsatzbetrieben oblag. Eine Schlechterstellung politischer Häftlinge gegenüber den kriminellen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen – womöglich als Folge einer zentral angeordneten Weisung – lässt sich nicht belegen, konnte jedoch eine Auswirkung der Gefangenenhierarchie zwischen kriminellen und politischen Häftlingen sein. Diese war politisch gewollt und diente als Mittel der Kontrolle der Gefangenen.
Um Haftzwangsarbeit als eine spezielle Form der Haftarbeit handelte es sich, wenn die Arbeitsbedingungen fundamental und nicht nur graduell schlechter waren als in den Zivilbetrieben, etwa wegen übermäßig langer oder gesundheitsgefährlicher Arbeit oder wegen harter Sanktionen bei Arbeitsverweigerung. Auf der anderen Seite betont der Begriff Haftzwangsarbeit die Distanz zur Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, die mit Blick auf den betroffenen Personenkreis, die Arbeitsbedingungen sowie die Folgen für die Betroffenen von einer anderen Dimension war.
Die Frage der Verantwortung der Westkonzerne für die Abnahme von Waren aus der DDR, an deren Produktion auch (politische) Gefangene beteiligt waren, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.[105] Sie stellt sich hauptsächlich in wirtschaftsethischer Hinsicht und besonders dann, wenn Westfirmen beispielsweise durch freigekaufte politische Häftlinge auf die Arbeitsbedingungen hingewiesen wurden und dennoch wenig oder nichts unternahmen. Dies ist im Übrigen eine Frage, die nicht nur in historischer Perspektive mit Blick auf die DDR zu diskutieren wäre, sondern auch gegenwärtig für Produktions- und Vertriebsfirmen sowie für die Verbraucher, wenn es um die Aushandlung und Kontrolle fairer Minimalstandards bei den Arbeitsbedingungen von abhängig Beschäftigten in der globalen Ökonomie geht.
Anmerkungen:
[1] Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des »Ausländer-Einsatzes« in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin 1985, Neuaufl. 1999.
[2] Jens-Christian Wagner, Das Außenlagersystem des KL Mittelbau-Dora, in: Ulrich Herbert (Hg.), Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur, Bd. 2, Göttingen 1998, S. 707-729, insbes. S. 720f.
[3] § 1 Häftlingshilfegesetz (in Kraft seit 1955).
[4] Rundverfügung Nr. 125/51 des Ministeriums der Justiz; zit. nach Falco Werkentin, Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, Berlin 1995, S. 381, Anm. 82.
[5] Zit. nach Klaus Marxen, »Recht« im Verständnis des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, in: Roger Engelmann/Clemens Vollnhals (Hg.), Justiz im Dienste der Parteiherrschaft. Rechtspraxis und Staatssicherheit in der DDR, Berlin 1999, 2., durchges. Aufl. 2000, S. 15-24, hier S. 18, Anm. 10.
[6] Tobias Wunschik, Knastware für den Klassenfeind. Häftlingsarbeit in der DDR, der Ost-West-Handel und die Staatssicherheit (1970–1989), Göttingen 2014, S. 7f.
[7] Presseerklärung, Forderungen der UOKG, 13.6.2014, <http://ddr-zwangsarbeit.info/20140616_Forderungen_UOKG_Zwangsarbeit.pdf>. Zum Begriff »Knastware« siehe Anm. 6.
[8] Richard Schröder, Häftlingsarbeit in der DDR – warum nicht?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.6.2014, S. 6.
[9] Die nachfolgend geschilderten Ergebnisse beruhen auf der ausführlicheren Untersuchung des Autors, die im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer am Zentrum für Zeithistorische Forschung erstellt und im Juni 2015 online veröffentlicht wurde: <https://www.beauftragte-neue-laender.de/BNL/Redaktion/DE/Downloads/Publikationen/die-historische-aufarbeitung-der-zwangsarbeit-politischer-haeftlinge-im-strafvollzug-der-ddr.html>.
[10] Artikel 15 der Verfassung von 1949, Artikel 24 der Verfassung von 1968.
[11] Karl Wilhelm Fricke/Silke Klewin, Bautzen II. Sonderhaftanstalt unter MfS-Kontrolle 1956 bis 1989. Bericht und Dokumentation, Leipzig 2001, 3., aktualisierte Aufl. Dresden 2007, S. 17.
[12] Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen vom 3.4.1952, Gesetzblatt der DDR, 8.4.1952, Nr. 43.
[13] Erlaß des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die grundsätzlichen Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der Rechtspflege vom 4.4.1963, Gesetzblatt der DDR, 1963, Teil I, Nr. 3 (Ausgabetag 25.4.1963), S. 42.
[14] Christian Sachse, Das System der Zwangsarbeit in der SED-Diktatur. Die wirtschaftliche und politische Dimension, Leipzig 2014, S. 62.
[15] Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz vom 12.1.1968 mit eingearbeiteter Erster Durchführungsbestimmung zum SVWG (Strafvollzugsordnung) vom 15.6.1968, BStU, MfS, BdL/Dok. Nr. 10068.
[16] BStU, MfS, BdL, Nr. 2134, Bl. 5-11.
[17] Siehe Anm. 56.
[18] Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 58.
[19] Aktennotiz auf der Tagung der Verwaltung Strafvollzug (VSV) am 6.5.1957, Landeshauptarchiv Schwerin, 7.12-1(13), 123, Bl. 55; zit. nach Martin Handschuck, »Die Strafgefangenen erziehen wir nicht zum sozialistischen Bewußtsein, sondern zur Arbeit und zur Disziplin«. Strafvollzug in Bützow in den Jahren 1945 bis 1989, in: Politische Memoriale e.V. Mecklenburg-Vorpommern (Hg.), Beiträge zur Geschichte des Strafvollzugs und der politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern, Rostock 2006, S. 123-134, hier S. 123.
[20] Jahresbericht der VSV, 29.1.1960, Bundesarchiv (BArch), DO 1.11.0/1477, Bl. 13, 45, 47; zit. nach Karin Schmidt, Zur Frage der Zwangsarbeit im Strafvollzug der DDR. Die »Pflicht zur Arbeit« im Arbeiter- und Bauernstaat, Hildesheim 2011, S. 181, Anm. 60.
[21] »Zusatzvertrag« zur »Verbesserung der gesellschaftspolitischen und ökonomischen Erziehung der Strafgefangenen« vom 31.3.1966 zwischen dem SVKdo. Schwarze Pumpe und der VVB Braunkohle, Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 901, VVB Bk Sfbg, Nr. 2002 (o. pag.).
[22] Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 59.
[23] Die Zahlen im folgenden Text beruhen auf den Angaben ebd., S. 109f., S. 112, S. 114ff., S. 135, S. 138, S. 169, S. 190, S. 194, sowie bei Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 26-38.
[24] Zu den Quellenangaben siehe S. 26f. der ausführlichen Studie (Anm. 9).
[25] Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 38.
[26] Uwe Bastian/Hildigund Neubert, Schamlos ausgebeutet. Das System der Haftzwangsarbeit politischer Gefangener des SED-Staates, Berlin 2003, S. 50; vgl. Henrik Eberle, GULag DDR? Ökonomische Aspekt des Strafvollzuges in den 50er und 60er Jahren, in: Heiner Timmermann (Hg.), Die DDR – Recht und Justiz als politisches Instrument, Berlin 2000, S. 111-140, hier S. 140. Vgl. auch die Angabe aus dem Jahr 1975, in dem die industrielle Warenproduktion des Strafvollzugs 2,3 Milliarden Mark betragen haben soll, in: Vorschlag der HA VII zur Bildung einer Abt. SV in der HA VII, 10.5.1976, BStU, MfS, HA VII, Nr. 1386, Bl. 567.
[27] In diesem Sinne auch Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 271ff.
[28] Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 49-56.
[29] Bejahend argumentierten Bastian/Neubert, Schamlos ausgebeutet (Anm. 26), verneinend äußerte sich zuletzt Steffen Alisch, Der Mythos vom Goldesel Strafvollzug. Anmerkungen zur Rentabilität der Haftzwangsarbeit in der DDR und deren Entlohnung, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat 33 (2013), S. 73-86.
[30] Zusammengestellt nach den ebd., S. 81, zitierten Berechnungen der VSV.
[31] Da die Betriebe in den StVE häufig nur ein Glied in der gesamten Produktionskette waren, ließe sich der Anteil der Häftlingsarbeit an der Wertschöpfung nicht ohne erheblichen Aufwand bestimmen.
[32] Zu den Daten vgl. S. 29-32 der ausführlichen Studie (Anm. 9).
[33] In diesem Sinne auch Alisch, Mythos vom Goldesel (Anm. 29), der jedoch auf der Einnahmenseite die Verkaufserlöse nicht berücksichtigt.
[34] Zur Struktur der Kartei und zur Methodik der Stichproben vgl. S. 38f. der Studie (Anm. 9).
[35] Bericht der HA IX über festgestellte Mängel in der Organisation und Wirksamkeit des Strafvollzugs sowie der Wiedereingliederung und weiteren Umerziehung Haftentlassener, 19.10.1965, BStU, MfS, HA IX/MF/11957, S. 4.
[36] Ebd., S. 16.
[37] Instruktion Nr. 013/68 des Leiters der Verwaltung Strafvollzug über die Einweisung Strafgefangener – Einweisungsplan – (VVS Nr. I 020091) vom 29.6.1968, BStU, MfS, BdL/Dok. Nr. 011029.
[38] Vgl. die ausführliche Studie (Anm. 9), S. 42ff.
[39] Vgl. ebd., S. 43-47.
[40] Information der Abt. VII über verleumderische Veröffentlichungen in der Westpresse zum Arbeitseinsatz von Strafgefangenen der StVE Bitterfeld in den Chlorbetrieben des VEB Chemiekombinat Bitterfeld, 25.8.1983, BStU, MfS, Sekretariat Neiber, Nr. 589, Bl. 35f.; vgl. Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 311, Anm. 788.
[41] Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 26.
[42] Standard-Minimalregeln für die Behandlung von Gefangenen und damit verbundene Empfehlungen der Vereinten Nationen, <http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/gefangene.pdf>.
[43] Kurt Tappenbeck, Jenseits von Recht und Menschlichkeit. Erinnerungen eines mecklenburgischen Zeitzeugen, 2. Aufl. Schwerin 1999, S. 187.
[44] Wolfgang Gottschling, Wie das Schicksal so spielt. Jugenderinnerungen eines Unbequemen, Berlin 2005, S. 121; vgl. Jörg Müller, Strafvollzugspolitik und Haftregime in der SBZ und in der DDR. Der sächsische Raum in der Ära Ulbricht, Göttingen 2012, S. 183.
[45] Manfred Zeidler, MfS-Sonderhaftanstalt Bautzen II, Dresden 1994, S. 37.
[46] Wolfgang Kockrow, »Nicht schuldig!« Der Versuch einer Aufarbeitung von 5 1/2 Jahren Zuchthaus in der DDR, Berlin 1999, 4., durchges. Aufl. 2005, S. 83f., S. 86; Constantin Hoffmann, Ich musste raus. 13 Wege aus der DDR, Halle (Saale) 2009, S. 146; Heinz Schwollius, Aus der Todeszelle in die Hölle von Bautzen, Berlin 2007, S. 51; vgl. Joachim Granzow, Die Löwengrube. Als Arzt in DDR-Haftanstalten Mitte der fünfziger Jahre. Ein Erlebnisbericht, Berlin 2005, S. 118, Anm. 118.
[47] Heike Otto, Beim Leben meiner Enkel. Wie eine DDR-Flucht zum Familiendrama wurde, Hamburg 2011, S. 56.
[48] Angelina Whalley/Franz Josef Wetz (Hg.), Der Grenzgänger. Begegnungen mit Gunther von Hagens, Heidelberg 2005, S. 62.
[49] Siehe das Beispiel von Wolfgang Hünerbein, Mit 16 im »Roten Ochsen«, Magdeburg 2000, S. 43.
[50] Rainer Dellmuth, Ausflüge im »Grotewohl-Express«. Operativ-Vorgang »Lehrling«: Eine Jugend wird zerstört!, Berlin 1999, S. 101.
[51] Justus Vesting, Zwangsarbeit im Chemiedreieck. Strafgefangene und Bausoldaten in der Industrie der DDR. Forschungen zur DDR-Gesellschaft, Berlin 2012, S. 120-126, insbes. S. 136ff., Zitat S. 136.
[52] Vermerk des MfS zur Amnestie 1979, BStU, HA XVIII, Nr. 18824, Bl. 4.
[53] Zuarbeit der Abt. VII für die Berichterstattung des Leiters der BV im Sekretariat der BL Gera der SED über Ergebnisse und Erfahrungen des Amnestieerlasses etc., 16.5.1989, BStU, MfS, HA VII, Nr. 895, Bl. 184 (meine Hervorhebung).
[54] Richtlinie für die Übertragung konkreter Aufgaben und Verantwortung an Strafgefangene, Anlage 5 zur Ordnung Nr. 0107/77 des MdI und Chef der DVP über die Durchführung des Vollzuges an Strafen mit Freiheitsentzug – Strafvollzugsordnung – Teil A vom 7.4.1977, in der Fassung vom 30.8.1988, BStU, MfS, BdL/Dok. Nr. 012003, Bl. 124f., 128.
[55] Volker Koop, Zehn Jahre mit dem »gelben Streifen«. Karl-Heinz Rutsch: vom Offizier der NVA zum Deserteur, Berlin 1996, S. 118. Die Praxis, dass die meist kriminellen Schichtleiter die Arbeiten zuwiesen, ist auch geschildert bei Roland Garve, Unter Mördern. Ein Arzt erlebt den Schwerverbrecherknast, Berlin 1999, S. 87.
[56] Anordnung über den Einsatz Strafgefangener zu gesellschaftlich nützlicher Arbeit – Arbeitseinsatzordnung – vom 20.2.1971, BStU, MfS, BdL, Nr. 2134, Bl. 7. Die beiden 1976 und 1977 erlassenen Nachfolgeanordnungen enthielten dieselbe Bestimmung; sie wichen lediglich im Wortlaut geringfügig ab: Arbeitseinsatzordnung vom 30.7.1976, BStU, MfS, BdL/Dok. Nr. 009132, Bl. 5; Arbeitseinsatzordnung vom 11.5.1977, BStU, MfS, BdL/Dok. Nr. 009474, Bl. 4.
[57] Ausarbeitung des Obersten der VP Siegesmund, ca. 1958/59, BArch, DO 1/27342; zit. nach Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 114, Anm. 8.
[58] Information über Maßnahmen und Entscheidungen zum Einsatz von Strafgefangenen zur Arbeit, 9.8.1973 (Geheime Ministerratssache Nr. 887/73), Anlage zum Beschluss des Ministerrates über den weiteren Einsatz von Strafgefangenen zur Arbeit vom 16.8.1973, BStU, MfS, SdM, Nr. 2414, Bl. 107f.
[59] Bastian/Neubert, Schamlos ausgebeutet (Anm. 26), S. 95.
[60] Da es sich ausnahmslos um Berichte ehemaliger politischer Häftlinge handelt, die in bestimmten StVE konzentriert waren, ist die Quellendichte für diese StVE größer, während sie für die übrigen (in denen sich weniger politische Häftlinge befanden) dementsprechend geringer ist.
[61] Amnesty International, Politische Gefangene in der DDR, London 1967; zit. nach Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 26.
[62] Schmidt, Zwangsarbeit im Strafvollzug der DDR (Anm. 20), S. 230, insbes. Anm. 56.
[63] Siehe das Beispiel von Hossein Yazdi, der in den 1960er- und 1970er-Jahren in Bautzen II inhaftiert war: Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer Politischer Gewaltherrschaft (Hg.), Wege nach Bautzen II. Biographische und autobiographische Porträts, Dresden 1998, S. 69.
[64 Siehe beispielsweise Tina Österreich, Ich war RF. Ein Bericht, Stuttgart 1977, S. 128.
[65] Dietrich Kessler, Stasi-Knast, Berlin 2001, S. 233; Ulrich Schacht, Hohenecker Protokolle. Aussagen zur Geschichte der politischen Verfolgung von Frauen in der DDR, Frankfurt a.M. 1989, S. 110.
[66] Beispiele bei Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 26, S. 220f., S. 227f., S. 316, S. 475; Bastian/Neubert, Schamlos ausgebeutet (Anm. 26), S. 76, S. 102, S. 92.
[67] Siehe insbes. Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 42-56.
[68] Sie wird in Haftberichten aus allen Jahrzehnten erwähnt; siehe etwa Horst Fichter, Verflucht sei die Menschenwürde. Erlebnisbericht aus den Zuchthäusern der ehemaligen DDR, Frankfurt a.M. 1996, S. 177; Rüdiger Knechtel/Jürgen Fiedler (Hg.), Stalins DDR. Berichte politisch Verfolgter, Leipzig 1991, 2. Aufl. 1992, S. 42; Uwe-Jens Jürgensen/Elke Margarita Jürgensen/Volker Ebers, Erst verraten – dann verkauft. Im Netz der Stasi, Frankfurt a.M. 2008, S. 246; Uta Franke, Sand im Getriebe. Die Geschichte der Leipziger Oppositionsgruppe um Heinrich Saar 1977 bis 1983, Leipzig 2008, S. 220.
[69] Zur Datenbasis der Tabelle siehe S. 76ff. der ausführlichen Studie (Anm. 9). Schröders These, dass Dreischichtensystem und gleitende Sechstagewoche »sehr oft normal und keine Besonderheit von Häftlingsarbeit« gewesen sei (Schröder, Häftlingsarbeit in der DDR – warum nicht? [Anm. 8], trifft zwar zu, übersieht jedoch die Ungleichbehandlung bei der Häufigkeit der Schichtarbeit.
[70] Dirk von Nayhauss/Maggie Riepl, Der dunkle Ort. 25 Schicksale aus dem DDR-Frauengefängnis Hoheneck, Berlin 2012, S. 98; im gleichen Sinne Birgit Schlicke, Gefangen im Stasiknast. Tagebuch einer politischen Gefangenen im Frauenzuchthaus Hoheneck, Lage 2009, S. 208; Petra Koch, Menschenwege. Politisch inhaftiert auf Burg Hoheneck. Eine wahre Geschichte, Berlin 2002, S. 121; Elisabeth Podolski, Verlorene Jahre, Kiel 1983, S. 94; Jürgen Blunck, »Vom Leben trennt dich Schloss und Riegel«. Das Schicksal der Lyrikerin Edeltraut Eckert, München 2000, S. 61.
[71] § 7 der Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen vom 3.4.1952 (Anm. 12), S. 276.
[72] Garve, Unter Mördern (Anm. 55), S. 165.
[73] Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 283-286.
[74] Auskunftsmaterial – Arbeitseinsatz Strafgefangener, BStU, MfS, HA VII, Nr. 4177, Bl. 32 (meine Hervorhebung). Das Material wurde auf einer Pressekonferenz zur Arbeit des »Organs Strafvollzug« vermutlich in der zweiten Jahreshälfte 1989 der Öffentlichkeit präsentiert.
[75] In den 1960er-Jahren etwa gab es allein in den Haftarbeitslagern Sollstedt und Unterwellenborn jedes Jahr durchschnittlich fünf Unfälle mit tödlichem Ausgang; vgl. Marcus Sonntag, Die Arbeitslager in der DDR, Essen 2011, S. 273, S. 292. Allerdings dürften die Unfallzahlen in den Zivilbetrieben während der 1950er- und 1960er-Jahre gleichfalls hoch gewesen sein. Vgl. Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 281.
[76] Seit 1959/60 lag die Grenze zwischen nicht-meldepflichtigen und meldepflichtigen Unfällen bei einem Arbeitsausfall von höchstens drei Tagen; ebd., S. 284.
[77] Siehe das Beispiel Regis bei Sonntag, Arbeitslager (Anm. 75), S. 299f.
[78] Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 80.
[79] Siehe die Unfallmeldungen an die VSV in den Akten der HA VII des MfS, Anm. 365-385 der ausführlichen Studie (Anm. 9).
[80] S.o., Anm. 40.
[81] Siehe das Beispiel bei Garve, Unter Mördern (Anm. 55), S. 164.
[82] Karl Wilhelm Fricke, Zur Menschen- und Grundrechtssituation politischer Gefangener in der DDR. Analyse und Dokumentation, Köln 1986, 2. Aufl. 1988, S. 71f.
[83] Koop, Zehn Jahre (Anm. 55), S. 136.
[84] Bericht der VSV über eine Kontrolle in der StVE Cottbus, 10.5.1985, BStU, MfS, HA VII, Nr. 895, Bl. 50.
[85] Siehe exemplarisch § 4 der »Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen« aus dem Jahr 1952: Strafgefangene sollten »nach den Lohnsätzen der geltenden Kollektivverträge entlohnt« werden. S.o., Anm. 12.
[86] Die Entwicklung ist ausführlich dargestellt bei Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 234-279.
[87] Alisch, Mythos vom Goldesel (Anm. 29), S. 79.
[88] Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 107f.
[89] Alisch, Mythos vom Goldesel (Anm. 29), S. 73. Auch Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 234, stimmt diesem Grundsatz zu.
[90] Gabriele Stötzer, Zwangsarbeitsalltag. Nähkommando Esda im Frauengefängnis Hoheneck, in: Horch und Guck 60 (2008), S. 36-39, hier S. 37. In diesem Sinne argumentiert auch Schmidt, Zwangsarbeit im Strafvollzug der DDR (Anm. 20), S. 200.
[91] Dass der Einfallsreichtum der Strafvollzugsangehörigen bei der Bestrafung bzw. »Motivation« zur Erfüllung der Normen groß war, zeigen bereits die Beispiele ebd, S. 232-238; Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 215f.; Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 91-96.
[92] Kockrow, »Nicht schuldig!« (Anm. 46), S. 111; vgl. die entsprechende Formulierung im SVWG, siehe Anm. 15.
[93] Z.B. in Brandenburg: Maßnahmeplan der Abt. VII/OPG, 16.9.1987, BStU, MfS, BVfS Potsdam, Abt. VII, Nr. 824, Bl. 11.
[94] S.o., Anm. 15.
[95] Zu Hoheneck: Carmen Rohrbach, Solange ich atme. Ein Lebensbericht. Dramatische Flucht über die Ostsee bis ans »Ende der Welt«, 2. Aufl. München 2003, S. 229. Zu Cottbus siehe Gert Skribanowitz, »Feindlich eingestellt!« Vom Prager Frühling ins deutsche Zuchthaus, Sindelfingen 1991, S. 98; Karl Winkler, Zur Klärung eines Sachverhalts, Berlin 1990, S. 148; Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 215; und Franke, Sand im Getriebe (Anm. 68), S. 231, die die Verbüßung eines dreiwöchigen Arrestes wegen absichtlicher Untererfüllung der Norm schildert.
[96] Siehe für Brandenburg Koop, Zehn Jahre (Anm. 55), S. 138, sowie den Bericht von Johannes Rink, der dort 1964 in Arrest kam – wegen seiner Weigerung, Uniformen herzustellen: Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt (Hg.), Ein Gespenst ging um. Erlebnisberichte aus dem »Sozialistischen Lager« 1945 bis 1989. Betroffene erinnern sich, Bd. 2, Magdeburg 1996, S. 58; für das »Lager X« (Haftarbeitslager des MfS in Berlin-Hohenschönhausen) siehe Kockrow, »Nicht schuldig!« (Anm. 46), S. 56f., der zweimal 21 Tage verschärften Arrest erhielt. Weitere Beispiele: Klaus Auerswald, … sonst kommst du nach Schwedt! Bericht eines Militärstrafgefangenen, Rudolstadt 2010, S. 146ff.; Andreas Schmidt, Leerjahre. Leben und Überleben im DDR-Gulag, Böblingen 1986, S. 541; Kurt Saczewski, Unter braunen Teufeln und roten Göttern. Ein deutscher Arbeiter erzählt, Karlsruhe 1976, S. 197f.; Jürgen Schmidt-Pohl, Strahlungen in dunkler Zeit. Glaubenserfahrungen aus Haft und Diktatur 1945–1989. Gedichte und Prosatexte, Schwerin 2003, S. 95; Koch, Menschenwege (Anm. 70), S. 119.
[97] Dorothea Ebert/Michael Proksch/Ina-Maria Martens, Und plötzlich waren wir Verbrecher. Geschichte einer Republikflucht, München 2010, S. 130.
[98] Dienstbesprechung mit den Leitern der Abteilungen/AG SV in den BDVP und den Leitern der StVE, 8.2.1978, BStU, MfS, HA IX, Nr. 1994, Bl. 17.
[99] Siehe v.a. Klaus-Dieter Müller, Die Vergangenheit läßt uns nicht los. Haftbedingungen politischer Gefangener in der SBZ/DDR und deren gesundheitliche Folgen, Berlin 1998; Stefan Trobisch-Lütge/Marianne Birthler, Das späte Gift. Folgen politischer Traumatisierung in der DDR und ihre Behandlung, Gießen 2004; Ruth Ebbinghaus, Die Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen nach politischer Verfolgung in der ehemaligen SBZ/DDR, Erfurt 2007; Wolfgang Welsch, Im Teufelskreis des Traumas – Traumafolgen nach politischer Haft in der DDR, in: Trauma und Gewalt. Forschung und Praxisfelder 3 (2009), S. 355-359; Sibylle Plogstedt, Knastmauke. Das Schicksal von politischen Häftlingen der DDR nach der deutschen Wiedervereinigung, Gießen 2010, 2., korrigierte Aufl. 2014; Kornelia Beer/Gregor Weißflog, Weiterleben nach politischer Haft in der DDR. Gesundheitliche und soziale Folgen, Göttingen 2011.
[100] Vgl. Vesting, Zwangsarbeit im Chemiedreieck (Anm. 51), S. 125f.
[101] Interview mit Xing-Hu Kuo in Berlin, 6.8.2014; vgl. ders., Ein Chinese in Bautzen II. 2.675 Nächte im Würgegriff der Stasi, Böblingen 1990, S. 148.
[102] Vgl. auch die Einzelfälle in Bastian/Neubert, Schamlos ausgebeutet (Anm. 26), S. 91ff.
[103] Siehe die Beispiele in Claudia Schute (Hg.), Schicksal Bautzen. Politische Häftlinge der SBZ/DDR erzählen – junge Journalisten porträtieren, Sankt Augustin 1999, S. 48; Granzow, Löwengrube (Anm. 46), S. 119f.; Nayhauss/Riepl, Der dunkle Ort (Anm. 70), S. 107; Schacht, Hohenecker Protokolle (Anm. 65), S. 137f.; Erika von Hornstein, Staatsfeinde. Sieben Prozesse in der »DDR«, Köln 1964, S. 64.
[104] Bastian/Neubert, Schamlos ausgebeutet (Anm. 26), S. 72, S. 93f. Nimmt man sämtliche Fragebögen als Bezugsgröße, sind es immerhin noch 56 Prozent, die dauerhafte Folgeschäden nannten, und 40 Prozent, die ausschließlich körperliche Folgeschäden angaben.
[105] Zu dieser Frage siehe besonders die Abschnitte in Wunschik, Knastware (Anm. 6), S. 119-274, und zur Firma IKEA Sachse, Zwangsarbeit in der SED-Diktatur (Anm. 14), S. 343-384.