Wie für viele neue Staaten und »Entwicklungsländer« in der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg spielten transnationale Dynamiken des Wissenstransfers auch für das 1948 gegründete Israel eine wichtige Rolle. Eine geradezu staatstragende Funktion kam dabei der entstehenden Raumplanung zu. Die israelischen Planungseliten waren durch ihr Studium und durch Grundannahmen des »Social Engineering« eng mit der deutschen Wissenskultur und speziell mit der Raumordnung verflochten – auch über die Zäsur von 1945 hinweg. Der Aufsatz untersucht die Rezeption der Theorie »zentraler Orte« im Kontext des ersten, meist als »Sharonplan« bezeichneten israelischen Nationalplans von 1951. Die 1933 durch Walter Christaller publizierte Theorie hatte auch einen konzeptionellen Eckpfeiler des »Generalplans Ost« gebildet, den die SS bzw. der »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums« (RKF) nach 1939 zur »Germanisierung« der eroberten Ostgebiete entwickelt hatte. Die Ambivalenz der israelischen Rezeptionslinie wird anhand der Biographien dreier Planer geschildert (Eliezer Brutzkus, Artur Glikson, Ariel Kahane).

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Transnational Paths of Spatial Planning. The Israeli National Plan of 1951 and Its Reception of the ›Central Place‹ Theory

Similarly as in many new states and ›developing countries‹ in the era after World War II, transnational knowledge transfer was of fundamental importance for the State of Israel, founded in 1948. In this context, politicians and planners regarded the emerging discipline of spatial planning as essential for state-building. In terms of their academic backgrounds and their basic assumptions regarding ›social engineering‹, the Israeli planning elites were strongly influenced by the German culture of knowledge, especially its concept of Raumordnung – even beyond the caesura of 1945. The article examines the reception of the ›Central Place‹ Theory within the framework of the first Israeli National Plan of 1951, commonly known as the ›Sharon Plan‹. The theory, originally published in 1933 by Walter Christaller, had been a conceptual cornerstone of the Generalplan Ost (›General Plan for the East‹), which the SS respectively the Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums (RKF, ›Reich Commissioner for the Strengthening of Germandom‹) had developed after 1939 with the aim of ›Germanising‹ the conquered Eastern territories. The article outlines the ambivalence of the Plan’s reception in Israel by tracing the biographies of three planners (Eliezer Brutzkus, Artur Glikson, Ariel Kahane).

»Berlin war anders«, schrieb die Journalistin Susanne Kippenberger 2009 in treffender Hilflosigkeit über das eingemauerte Gebilde zwischen DDR und Bundesrepublik, dessen quecksilbrige Facettenvielfalt so eigent

In spite of the prevailing myth, neither the political self-conception of West Berlin that emerged soon after the war nor the city’s international image were mere by-products of the Cold War. They resulted, rather, from a binational campaign that was based on strategic considerations. Returned Social Democratic émigrés, sympathetic American officials, and certain journalists convinced the German and the American public of West Berlin’s heroic defence of democratic ideals with remarkable speed and success. They could rely on both tangible and intangible resources for their campaign of erecting an ›Outpost of Freedom‹ in what was left of the former Reichshauptstadt. While the heady Weimar days of pre-war Berlin provided countless images that appeared to authenticate this new narrative, the transatlantic network was also able to draw on considerable financial resources and media outlets to promote it. This article seeks to outline the historical actors behind the project and the narratives on which they drew.


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Die Erfindung des »Vorpostens der Freiheit«. Wie transatlantische Narrative und Akteure die politische Kultur West-Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg gestalteten

 

Trotz des noch immer vorherrschenden Mythos waren weder das städtische Selbstverständnis noch das internationale Image West-Berlins nach 1945 zufällige Nebenprodukte des Kalten Krieges; sie waren vielmehr das Ergebnis einer transnationalen Kampagne. Aus dem Exil zurückgekehrte Sozialdemokraten schafften es in Zusammenarbeit mit wohlwollenden Vertretern der USA und einigen Journalisten erstaunlich rasch, die deutsche und amerikanische Öffentlichkeit von der heldenhaften Verteidigung demokratischer Werte durch die West-Berliner Bevölkerung zu überzeugen. Bei dem Versuch, auf den Trümmern der einstigen Reichshauptstadt einen »Vorposten der Freiheit« zu errichten, konnten diese Protagonisten auf materielle wie immaterielle Ressourcen zurückgreifen. Einerseits stützte sich das deutsch-amerikanische Netzwerk auf bestehende Vorstellungen und Erzählungen von Berlin, die den neu entstandenen Mythos glaubhaft erscheinen ließen. Andererseits verfügte es über beachtliche finanzielle Mittel und verschiedenste Medien, um die Deutungen nach außen zu kommunizieren. Der Aufsatz stellt die Akteure hinter diesem Projekt vor und skizziert die Narrative, auf denen der Mythos West-Berlins aufbaute.

Warum wurde eine West-Berliner Großsiedlung weit über die Grenzen der Stadt hinaus zum viel zitierten Beispiel einer fehlgeschlagenen Stadtplanung und sozialer Probleme? In den Jahren um 1970 erschien eine beeindruckende Zahl an Zeitungsartikeln, Filmen und wissenschaftlichen Studien, die sich mit dem Märkischen Viertel befassten – einer Großsiedlung, die von 1963 bis 1974 am nördlichen Stadtrand West-Berlins entstand. Der Aufsatz folgt der diskursiven Herstellung des Viertels als urbaner Problemzone. Er zeigt, wie darin eine Desillusionierung über die urbane Moderne zum Ausdruck kam, die eng verknüpft war mit der Sorge um eine neue Schicht von desintegrierten Randständigen. Durch ihre Forschungs-, Sozial- und Medienarbeit wirkten in erster Linie Angehörige eines linksalternativen Milieus, das in West-Berlin besonders aktiv war, auf die mediale Darstellung des Viertels ein. In ihrem Bemühen, gesellschaftliche Missstände aufzudecken, trugen sie unfreiwillig zu der nachhaltigen Abwertung des Quartiers bei. Dessen Image war verbunden mit der Suche nach alternativen Beschreibungen der »Ränder« der Gesellschaft angesichts einer sich auflösenden traditionellen »Arbeiterklasse«.


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On the Margins of Society? The Märkisches Viertel – A West Berlin High-Rise Housing Development and Its Representation as an Urban Problem Zone

 

Why did a West Berlin high-rise social housing project gain a nationwide reputation as an urban problem zone, synonymous with planning failures and social problems? Around 1970, an impressive number of press articles, films and academic studies focused on the Märkisches Viertel, a high-rise housing estate on the northern margins of West Berlin that was built alongside the Wall between 1963 and 1974. The article traces the changing representation of the quarter, investigating how it came to be construed as an urban problem zone. It argues that a disillusionment with urban modernity as well as a growing concern with marginal groups impacted on its image. With their academic, social and media work, members of a new left milieu that was particularly rooted in West Berlin were foremost in influencing the quarter’s representation in the media. Striving to uncover societal problems, they in fact contributed to the quarter’s decline. The ensuing debate on the Märkisches Viertel was marked by worries about a new marginalised population that was not considered part of the traditional working class.

Der Aufsatz untersucht die städtebaulichen Debatten um das leere Zentrum, das die West-Berliner Politik und Stadtöffentlichkeit seit Anfang der 1980er-Jahre neu für sich entdeckten. Als die Internationale Bauausstellung (IBA) an Gestalt gewann, erwies sich die »Stadtwüste« zwischen Reichstag, Mauer, Kulturforum und ehemaligem Prinz-Albrecht-Gelände als besonders sensibel. In verschiedenen Anläufen entwickelten Stadtplaner, Bürgerinitiativen und die Senatsverwaltung Zukunftspläne für das formlose Areal an der Mauer. Je intensiver dieser »Zentrale Bereich« diskutiert, besichtigt und mit Bedeutungen aufgeladen wurde, desto höher wurden aber die Hürden, hier zu bauen. Schon vor 1989 lief die kulturelle Erschließung der Mitte auf die Konstruktion einer bis dahin unbekannten »Geschichtslandschaft« hinaus. »Spuren«, »Orte« und »Räume« fanden ein verstärktes Interesse – sowohl bei den entstehenden Geschichtswerkstätten als auch bei Architekten und Politikern. Zwar führte die West-Berliner Introspektion nicht zu konkreten Bauentscheidungen, doch stellte sie einen breiten, von der eigentümlichen Situation der Inselstadt geprägten Wissensvorrat bereit, der nach 1989 plötzlich höchst relevant und oft handlungsleitend wurde.


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West Berlin’s Visions of a Neue Mitte. The International Building Exhibition, the ›Central Area‹ and the Birth of the Memoryscape along the Wall (1981–1985)

 

The article discusses West Berlin urban planning in the empty city centre along the Wall. In the context of early projects of the IBA (Internationale Bauausstellung), West Berlin’s leaders rediscovered the neglected central areas between the Reichstag, the Wall, the Kulturforum and the northern parts of Kreuzberg. Covering the former centre of the Reichshauptstadt, the vacant lots turned out to be highly sensitive ground. From 1981 onwards, urban planners, activists and senate officials developed a range of plans for this formless ›urban desert‹ between East and West Berlin. Yet the more the ›central area‹ was debated, studied and visited, the more sacrosanct it became. Questions of identity, memory and the present state of West Berlin were at stake, and many barriers to starting building projects emerged. In the mid-1980s, ›traces‹, ›sites‹ and ›places‹ were ›discovered‹ and protected by many groups and individuals, from history workshops to planners, architects and the political leaders of the enclave. In this way, the cultural domestication of the ›wild‹ lands unintentionally led to the birth of a new and unknown ›memoryscape‹ several years before 1989. To be sure, this West Berlin introspection did not lead to concrete building projects in the ›central area‹. However, it created a vast body of knowledge and meaning marked by the specific situation of the divided city, which suddenly became highly relevant after 1989.

Wem gehört die Stadt? Um diese Frage kreisen derzeit viele öffentliche Debatten in Berlin und anderswo.

Wolfgang Kaschuba zählt zu den bekanntesten empirisch forschenden Kulturwissenschaftlern in Deutschland. Er studierte Politikwissenschaft und Anglistik sowie Kulturwissenschaft und Philosophie.

West-Berlin gerät in den »Erinnerungsmodus« (Aleida Assmann).

Philadelphia, Detroit, The Bronx oder Saint Germain des Prés: Manchen urbanen Topographien hat sich die Musikgeschichte so sehr eingeschrieben, dass ihre Ortsnamen wie unverwechselbare Marken synonym für spezifische

West-Berlin galt besonders in den 1980er-Jahren als Hochburg der Subkultur, als Labor des stadtpolitischen Protestes und Experimentierfeld einer anderen Stadtpolitik.