Bruch und Aufbruch

Working Men’s Clubs und die »New Wave of British Heavy Metal« im Nordosten Englands (1978–1984)

  1. Die wirtschaftliche Entwicklung in Newcastle
    und die Musiker
  2. Working Men’s Clubs:
    Musikalischer und sozialer Wandel
  3. Fazit

Anmerkungen

Im Januar 1979 machten sich Steve Harris und Dave Murray, Gründer/Bassist und Gitarrist der jungen Rock-Band Iron Maiden, auf den Weg vom Londoner East End nach Kingsbury. Sie übergaben dem DJ Neal Kay, der dort den Rock-Club »The Bandwagon« führte, ihr erstes Demo-Tape. Zu Silvester 1978 hatten sie es innerhalb von 24 Stunden im Spaceward Studio in Cambridge für 200 Pfund eingespielt.1 Harris und Murray baten Kay, ihrem Tape in einer seiner Shows, bei denen er dem Publikum gern Neuerscheinungen vorstellte, eine Chance zu geben. Kays anfängliche Skepsis war schnell verflogen: Er war von der Musik begeistert, ließ vor allem den Song »Prowler« im »Bandwagon« häufig laufen und ermöglichte es auf diese Weise, dass Iron Maiden die Aufmerksamkeit des Musik-Magazins »Sounds« auf sich zogen.2 Seit 1978 gab der Club seine »Bandwagon«-Charts an das Magazin weiter, bei dem sich besonders die Redakteure Geoff Barton und Alan Lewis in der Folge mit einem dynamischen Phänomen konfrontiert sahen, für das Iron Maiden lediglich den Auftakt darstellten. Überall im Vereinigten Königreich traten junge Rock-Bands hervor, deren Musik sich deutlich von jener ihrer Idole wie Led Zeppelin, Deep Purple oder Black Sabbath absetzte: Viele der Stücke waren kürzer, eingängiger und schneller, während sie die technische Qualität ihrer Vorbilder mit der Energie der medial gerade abebbenden Punk-Bewegung verbanden.3 Gleichzeitig adaptierten die Bands den Do-it-yourself-Ansatz der Punks, indem sie ihre Auftritte selbst organisierten, mit »unabhängigen« Labels arbeiteten, die ersten Aufnahmen selbst produzierten, finanzierten und – etwa über eine Fülle neu entstehender Fanzines – für die Verbreitung sorgten. Graham Oliver, Gitarrist und Mitgründer der Band Saxon aus Barnsley, brachte dies auf einen einfachen Nenner: »We connected with the punk feeling, but not the poor music.«4

Steve Harris und Paul Di’Anno von Iron Maiden
in der Konzertarena »Manchester Apollo«, 1980
(Wikimedia Commons, Harry [Howard] Potts,
IRON MAIDEN – Manchester Apollo – 1980, CC BY-SA 2.0)
Tygers of Pan Tang, Euthanasia, live 1980, Ort unbekannt.
Laut Gitarrist und Gründer Robb Weir handelte es sich um einen »car crash« aus der Geschwindigkeit des Punks und der technischen Qualität der Rock-Musik der 1970er-Jahre. Der Songtitel und die Lyrics fanden keine politische Entsprechung im Image oder den Aussagen der Musiker, sondern sind (ebenso wie bei der schottischen Band Holocaust) als Transgression durch Provokation zu lesen. Die Formulierung »car crash« stammt aus einem Interview des Verf. mit Robb Weir und Tom Noble am 5.9.2020 in Newcastle, Min. 23:07.

Barton und Lewis empfanden dieses Geschehen als landesweiten Aufbruch und prägten dafür in »Sounds« erstmals 1979 das Label »New Wave of British Heavy Metal«. Sie gaben damit einer bereits existenten Bewegung einen Namen, der sich journalistisch durchsetzte, jedoch nie als Selbstbezeichnung seitens der Musiker diente.5 Denn aufgrund der musikalischen Diversität der Bewegung kann der Ausdruck »New Wave of British Heavy Metal« (NWOBHM) nicht als Genrebezeichnung verwendet werden, sondern hatte vor allem eine stilistisch revitalisierende Bedeutung, die mit der Überwindung eines empfundenen Tiefpunkts der Rock-Musik während der Punk-Hochphase 1976/77 zusammenhing. Das Ergebnis dieser Revitalisierung prägt die Metal-Kultur bis heute, etwa durch zahlreiche Standardwerke oder den wegweisenden Charakter für die spätere Teilung der Metal-Kultur in einen extremen »Underground« und Hard-Rock-orientierte Stile.6 Gleichzeitig besaß der Begriff NWOBHM eine soziale Stoßrichtung, indem er verstreuten regionalen Bands und Fans die landesweite Qualität ihrer Bewegung vermittelte.7 Mit der Betonung der »Britishness« ging auch eine unverhohlene Kritik an den US-amerikanischen Produktionen einher, die die 1970er-Jahre im Hard-Rock-Bereich dominiert hatten.8 Der Terminus NWOBHM verwies also auf eine Phase der empfundenen Amerikanisierung der britischen Rock-Bands und bezog seine Wirkung partiell aus den historischen Anleihen an die »British Invasion« der USA durch die Beat-Musik in den 1960er-Jahren.9

Mythra, Death and Destiny, Guardian Records 1979.
Durch Aufdrucke wie »Made in Great Britain« und Songs wie »England«
auf der LP »Death & Destiny« positionierten sich Label und Band
in einer als britisch empfundenen Bewegung.

Die NWOBHM war jedoch weit mehr als nur eine musikalische Erneuerung. Der als Phänomen der Arbeiterklasse konnotierte Heavy Metal zog verstärkt Jugendliche der Mittelklasse und weibliche Fans an,10 erste »All-Female«-Heavy-Metal-Bands entstanden, und der Do-it-yourself-Ansatz ermöglichte die Realisierung kreativer Ideen in der Produktion und Vermarktung. Bands wie Iron Maiden stehen durch eine Professionalisierung des Managements und Marketings aus heutiger Sicht prototypisch für die Verschmelzung eines subkulturellen Anspruchs mit Elementen eines »unternehmerischen Selbst«.11 Gleichzeitig vernetzten sich jugendliche Metal-Fans zunehmend über Landesgrenzen hinweg durch Tape-Trading-Kontakte und Fanzines. Auf diese Weise trugen sie zum globalen Austausch von Sounds, Show-Konzepten und Inhalten bei.12

Do-it-yourself-Mentalität in Fanzines:
Cover von »Teenage Depression« Nr. 13 (1980).
»A NOVICES GUIDE TO HEAVY METAL« deutete auf den
»frischen Wind« durch die »New Wave of British Heavy Metal« sowie auf die sich langsam ausbreitende Selbstbezeichnung »Heavy Metal«.(<https://www.thecorroseum.org/fanzines/teenage_depression-13.php>)

Zu diesem Wandel gehörte eine veränderte Bedeutung von »Klasse« als gesellschaftlicher Kategorie im Vereinigten Königreich, die von der jüngeren Forschung zwischen den Polen eines Abbaus soziostruktureller Unterschiede und der Persistenz klassenorientierter Deutungsmuster gesehen wird.13 Besonders die Identifikation mit der »Working Class« gestaltete sich regional als widerstands- und anpassungsfähig, während die Grundlagen des Klassensystems in der Arbeitswelt zusehends schwanden oder sich zumindest stark wandelten. Teilweise erlebten gesellschaftliche Deutungen entlang von Klassenlinien sogar einen regelrechten Aufschwung, den Talja Blokland mit »class started to matter when it lost its base« umschrieben hat.14 Es besteht weitgehend Konsens darüber, dass »Klasse« zu einem kulturellen Label wurde – doch ist dies bisher nicht empirisch mit der Entwicklung der Heavy-Metal-Kultur verknüpft worden,15 für die sich hartnäckig die These von einem Kausalzusammenhang mit strukturellen Klassenbeziehungen hält.16 Demgegenüber sollten neuere Plädoyers, die Gründungsnarrative von Jugendsubkulturen nicht zu reproduzieren, unbedingt Beachtung finden.17

Das Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es daher, den Wandel von Klassenzuschreibungen an der Schnittstelle von Gesellschafts- und Musikgeschichte über einen räumlichen Zugriff näher zu analysieren. Dazu werden die Working Men’s Clubs im englischen Nordosten mit ihrer spezifischen Verknüpfung von Arbeiterkultur und jugendkultureller Individualisierung während der NWOBHM als Orte eines regionalen gesellschaftlichen Aufbruchs interpretiert. Wie gestaltete sich dort der Übergang von strukturellen zu kulturellen Klassenbeziehungen, und welche Folgen hatte dies für die weitere Entwicklung der Heavy-Metal-Kultur? Die Anbindung der NWOBHM an die Arbeiterklasse ermöglichte es einer entstehenden »neuen Mittelschicht«,18 zu der die Musiker häufig selbst gehörten, an der empfundenen Authentizität der »Working Class« zu partizipieren, während gleichzeitig postindustrielle Elemente mit einem jüngeren, auch weiblichen Publikum Einzug in die Working Men’s Clubs hielten.

Aus der hier gewählten Perspektive lässt sich die Genese des Heavy Metals nicht monokausal als Folge einer Krise von Wirtschaft und Gesellschaft erklären.19 Vielmehr soll die NWOBHM im Folgenden als Phänomen des Wandels adressiert werden, an dem sich die veränderte Bedeutung von »Klasse« genauso untersuchen lässt wie die »Vorgeschichte der Gegenwart« der Metal-Kultur.20 Der Nordosten Englands stellt für diesen Übergang ein ideales Untersuchungsfeld dar, weil die wirtschaftliche und soziale Krise mit der NWOBHM einerseits zeitgleich verlief und weil sich andererseits belegen lässt, dass es sich tatsächlich um eine wechselseitige Beeinflussung von Region und Musikkultur handelte. So schlug der freie Autor Ian Ravendale in einem Artikel für das Magazin »Sounds« im Mai 1980 sogar vor, für diese Region eine eigene »North Eastern New Wave of British Heavy Metal« auszurufen. Er unterstrich dies nicht nur mit dem Verweis auf die große Zahl regionaler Bands, sondern auch durch ein Cover-Motiv, das die industrielle Krise des englischen Nordostens als musikalischen Bezugspunkt aufnahm.

Ian Ravendale, ARE YOU READY FOR THE NENWOBHM?,
in: Sounds, 17.5.1980, S. 29

Anhand von wirtschafts-, sozial-, stadt- und musikgeschichtlichen Studien sowie unter Nutzung von Fanzines, Zeitungsberichten und Interviewaussagen, die ich sowohl schriftlich als auch persönlich in Newcastle erhoben habe, widmet sich der Beitrag zunächst dem Strukturwandel von Tyneside (mit seinem Umland) und geht der Frage nach, in welchem Verhältnis diese Entwicklungen zu den Erfahrungen von regionalen NWOBHM-Musikern standen (1.). Im Anschluss werden die Working Men’s Clubs und ihre musikalische Praxis während der NWOBHM als Orte einer spezifischen Parallelität von Tradition und Innovation beschrieben (2.), um die Ergebnisse schließlich in die breitere geschichtswissenschaftliche Debatte zum Strukturwandel der 1970er-Jahre einzuordnen (3.).

1. Die wirtschaftliche Entwicklung in Newcastle
und die Musiker

Die »Erosion lohnbasierter sozialer Sicherheit«21 durch den rasanten Abbau von gutbezahlten Jobs in der industriellen Fertigung erschütterte tief in der regionalen Identität Nordostenglands verwurzelte Traditionen und Formen der Vergemeinschaftung. Sie wirkte umso mehr wie eine Hypothek, weil sie vor allem die Jugend der Region mit einer enormen Arbeitslosigkeit traf.22 Besonders in Städten wie Newcastle, Middlesbrough oder Sunderland mündete dies in einen regionalen Niedergang, der erst Ende der 1990er-Jahre überwunden werden konnte. Newcastle erlebte die Folgen der Deindustrialisierung vergleichsweise spät, aber geballt in den Jahren 1979­–1984 und noch einmal Anfang der 1990er-Jahre. Als Orientierungspunkt des Handels für den Nordosten Englands litt die Wirtschaft hier bereits seit 1918 unter einer Krise der regionalen Industrie,23 was auch mit erklärt, warum die Stadt seit den frühen 1960er-Jahren dauerhaft EinwohnerInnen verlor (1961–1991 ein Fünftel der Bevölkerung).24 Der Strukturwandel der Stadt sowie der angrenzenden Distrikte Gateshead, South Tyneside und North Tyneside (gemeinsam bildeten sie Tyneside) begann also schon vor der tiefen Krise der frühen 1980er-Jahre und profitierte von einer Tradition Newcastles als Zentrum des regionalen Einzelhandels. Der dennoch schwere Verlauf der Krise resultierte vor allem aus einem Verlust zehntausender Arbeitsplätze in der industriellen Fertigung: Zwischen 1981 und 1991 sank deren Anteil am regionalen Arbeitsmarkt von 30,7 auf 12,9 Prozent und verursachte eine hohe Arbeitslosigkeit, während der Anteil des Dienstleistungssektors (öffentlicher Dienst eingerechnet) von 1961 bis 1991 von 13,9 auf 36,9 Prozent wuchs – aber bereits 1981 auf dem Höhepunkt der Krise 28,1 Prozent betrug.25 1984 existierten schließlich 227.500 Dienstleistungsjobs in Tyneside, von denen über 100.000 im öffentlichen Bereich angesiedelt waren.26 Darüber hinaus arbeiteten 1984 mehr als 30.000 Personen im Einzelhandel, und der rasante Aufstieg Newcastles zur »Einkaufsstadt« wurde zeitlich durch die Eröffnung des Einkaufszentrums Eldon Square 1976 sowie des MetroCentre in Gateshead 1987 eingerahmt, dem damals größten Einkaufszentrum Europas.27 Damit zusammenhängend wurde 1981 das Quayside Programme aufgelegt, um die heruntergekommenen Abschnitte am Tyne neu zu beleben, was sich durch die Gründung zahlreicher Bars, Pubs und Gaststätten als ein Startpunkt für die Ausbreitung einer »Urban Sociability« und damit auch des Imagewandels zur »Party City« erwies.28

Sue Porter und Trevor Sewell von der Rock-Band Erogenous Zones positionierten ihre Musik sowohl im Image Newcastles als
»Stadt der Arbeit« als auch beim beginnenden
Quayside Programme direkt vor der Tyne Bridge.
(ullstein bild/mirrorpix, Foto vom 25. Februar 1981)

Erkauft wurde dieser rasche Strukturwandel in Tyneside, genauso wie in vergleichbaren britischen Räumen wie Glasgow oder Birmingham,29 durch eine lange Phase hoher Arbeitslosigkeit: Zwischen 1971 und 1981 stieg diese von 11,8 auf 21,8 Prozent und lag 1991 sogar bei 22,6 Prozent. Allein 1979–1982 stieg die Arbeitslosenquote abrupt von 8 auf 18 Prozent30 und lag zwischen 1981 und 1988 signifikant über dem nationalen Durchschnitt.31 Besonders die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die Prekarisierung von ehemaligen Industriearbeitern, die neue Unsicherheit von Beschäftigungsverhältnissen im Dienstleistungsbereich und der Bevölkerungsverlust durch Abwanderung bedeuteten für Tyneside einen sozialen Wandel, der vor allem traditionelle Rollenbilder berührte: Während das Bild des männlichen Familienversorgers erschüttert wurde, stieg der Anteil weiblicher Erwerbsarbeit in den Dienstleistungsbereichen kontinuierlich, konnte aber aufgrund der verbreiteten Teilzeitarbeit die Lücken im Budget der Familien kaum schließen. Gleichzeitig wurde es für junge Erwachsene immer schwieriger, einen eigenen Haushalt zu gründen, weshalb nicht nur das Heiratsalter deutlich stieg, sondern junge Frauen und Männer auch viel häufiger nur für sich selbst zu sorgen hatten und ihre Freizeit verstärkt dem Ausgehen in der Stadt widmen konnten.32 Die urbane Regeneration Newcastles und die weibliche Emanzipation vom patriarchalischen Industriearbeiter-Rollenbild gingen also Hand in Hand.

Die Band Fist (bis 1979 Axe) posierte auf Bahnschienen vor Industrieanlagen in Newcastle und deutete die Schiene um,
die einst Sinnbild für den Kohleexport der Region war:
Tyneside erhielt mit der NWOBHM einen neuen Exportschlager.
(<http://NWOBHM.com/fist/>, Foto ca. 1980)

Regionen wie die West Midlands und der Nordosten Englands weisen noch eine andere frappierende Ähnlichkeit auf: Sie gehörten auch zu den Zentren der NWOBHM und brachten zahlreiche Musiker und Bands hervor. Für die Frage nach dem Zusammenhang des Strukturwandels mit dem musikkulturellen Aufbruch ab den späten 1970er-Jahren, der seit langem einen Gegenstand kontroverser Diskussionen darstellt,33 ist es zunächst sinnvoll zu untersuchen, wer sich im Rahmen der NWOBHM vergemeinschaftete und in welcher Beziehung die Wahl des Lebensstils zu bestimmten Mustern von Erwerbsbiographien stand. Aus Sicht der VertreterInnen der »Working Class«-These hinsichtlich des Heavy Metals müsste sich dabei ein klarer Zusammenhang zwischen den oben beschriebenen sozialen Folgen des Strukturwandels und den Musikerkarrieren zeigen, doch erweist sich dies gerade nicht als zutreffend.34 Denn anders als dies für englische Orte wie Liverpool vor 1980 herausgearbeitet wurde, in denen der Strukturwandel die Gründung von Bands forcierte und künstlerische Initiative förderte,35 ergab sich die Gründung von Metal-Bands im Nordosten genauso wie in den Midlands eben nicht einseitig aus Abstiegserfahrungen. In den meisten Aussagen der Musiker fehlen die Hinweise auf die sozialen Probleme und individuellen Hindernisse der späten 1970er-Jahre zwar nicht, doch werden diese in der Regel überwunden und stehen nur sehr selten in Beziehung zu Erfahrungen industriellen Niedergangs. John Gallagher, der gemeinsam mit seinem Bruder 1974 in Benwell (Newcastle) die Band Raven gründete, betont im Rückblick etwa: »It was very tough. Music and football were the only real outlets for us […] and we were certainly better at music […] there was an element of desperation in that, I knew people older than me that passed their A level exams […] went to get a degree in a university […] then were basically working in McDonald’s. So academically it seemed pointless […] we just got more into playing in the band.«36

Nachdem er einige Zeit ohne bezahlte Beschäftigung gewesen war, arbeitete Gallagher zunächst in einem Gewerbeaufsichtsamt und widmete sich ab 1982 dann ausschließlich der Band.37 Er profitierte dabei kurzfristig ebenso von einem staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogramm wie Conrad Lant, der als »Cronos« ein Protagonist der wegweisenden Band Venom wurde. Lant arbeitete im Rahmen des Youth Opportunities Programme, das 1978 von der Labour-Regierung unter James Callaghan eingeführt worden war. 1980 sollte es rund 4.000 Jugendlichen in Tyneside und etwa 80.000 im Vereinigten Königreich einen (wenn auch schlecht bezahlten) Übergang ins Erwerbsleben ermöglichen.38 Lant war bei Impulse Records tätig – jenem Studio, das als Teil des DIY-Labels Neat Records zahlreichen Bands aus England eine erste Chance für Aufnahmen verschaffte.39

Gallagher und Lant sind dabei zwei Beispiele für die grundlegende Beobachtung, dass sich individuelle Erwerbsbiographien von Musikern in der NWOBHM eher als das aktive Ergreifen einer selbst geschaffenen Chance interpretieren lassen, weniger als eine Flucht vor einer erlebten Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Entscheidend ist, dass viele von ihnen gar nichts anderes im Sinn hatten als eine Karriere als professionelle Musiker und diesem Ziel alles unterordneten. Weitere Beispiele stützen diese Vermutung und zeichnen das Bild einer Mischung sehr verschiedener Erwerbsverhältnisse – in vielen Fällen wurde die Entscheidung zur professionellen musikalischen Karriere sogar aus einer relativ komfortablen beruflichen Lage heraus getroffen: Robb Weir, Gründer und Gitarrist der Tygers of Pan Tang aus Whitley Bay, gab für die Arbeit mit der Band seinen Beruf als Juwelier auf, in dem er zunächst mehr als das Vierfache verdient hatte.40 Jess Cox, der erste Sänger der Band, studierte nach seinem Ausstieg Medienproduktion in Newcastle, arbeitete bei einer Zeitung und übernahm später mit Neat Records jenes Label, auf dem die Band ihr erstes Album »Wild Cat« aufgenommen hatte; später verkaufte er das Label an Sanctuary.41 Anthony »Abbadon« Bray und Eric Cook, der Schlagzeuger und der spätere Manager von Venom, arbeiteten bei der Konstruktionsfirma Railroads in der Fertigung.42 Die Band Axe (später Fist) aus South Shields formierte sich 1978 und erarbeitete sich einen regionalen Ruf durch drei bis vier, teilweise sogar sechs Auftritte pro Woche, vor allem in den Clubs der Region. Bandgründer Harry Hill verspürte nach eigenen Angaben zu dieser Zeit jedoch den Druck, die Band mit seinem Beruf als Versicherungsangestellter zu verbinden (»quite a good job«).43 White Spirit aus Hartlepool, die sich 1976 gegründet hatten und den »Club Circuit« zwischen Newcastle, Middlesbrough, Stockton und Thornaby spielten, bestanden aus einem College-Studenten, einem Schweißer, einem Mechaniker und zwei Mitgliedern, die nur gelegentlich zusätzlicher Erwerbsarbeit nachgingen.44 Die Auftritte in den Clubs wurden mit der Ausbildung und der Arbeit vereinbart; sie ergänzten ausverkaufte Konzerte in großen Hallen wie Newcastle Mayfair oder Sunderland Locarno, wo auch der Kontakt zu Neat Records zustande kam.45

Zentrum der NWOBHM im englischen Nordosten:
Raven im »Newcastle Mayfair« (1978)
(Sammlung John Gallagher, Sänger und Bassist der Band,
mit freundlicher Erlaubnis)

Nur wenige schafften es jedoch, dauerhaft als professionelle Musiker leben zu können. Manche kehrten nach kurzfristigen Plattenverträgen in ihre ursprünglichen Jobs zurück oder arbeiteten weiterhin im Musikbusiness, vor allem in Studios als Produzenten.46 Viele organisierten Musik und »Day Jobs« aber auch dauerhaft als zwei Seiten ihrer Erwerbsbiographie, sodass viele Bands der NWOBHM auch heute noch oder wieder existieren.47 Heavy Metal verlor jedenfalls, das zeigen bereits die wenigen Beispiele, auf Seiten der Musiker seine klare Verankerung in der Arbeiterklasse. Die Vorstellung, dass zwischen Künstlern und Fans keine sozialen Unterschiede bestanden hätten,48 erweist sich demnach bereits für die späten 1970er-Jahre als fraglich. Denn die NWOBHM brachte mit ihrem Do-it-yourself-Ansatz neue Bewegung in die Vorstellungen der eigenen beruflichen Zukunft – was besonders am häufigen Traditionsbruch durch die jungen Musiker deutlich wurde, nicht mehr den Beruf der Eltern erlernen zu wollen, sondern einer stilistischen Leidenschaft mit Karrierewunsch zu folgen. Wie sehr dies auch von regionalen Besonderheiten Nordostenglands abhing und als generationeller Bruch wahrgenommen wurde, hat Conrad Lant 2015 deutlich gemacht: »I was born in London, I’ve also spent my childhood there. When I was ten years old, I moved to Newcastle with my family. That was a pretty brutal confrontation with a totally different environment. […] It was also somehow expected of you that – if you quit school – you would have the same job as your parents. But that just didn’t work any longer. […] The whole concept of a ›job for life‹ was just gone.«49 In der sozialen Praxis offenbarte sich dieser strukturelle Wandel – neben den Familien – vor allem an jenen Orten, wo die tief verwurzelte Arbeiteridentität auf ein verändertes Selbstverständnis jugendkultureller Ästhetik traf. Dies war besonders in den Working Men’s Clubs der Fall.

2. Working Men’s Clubs:
Musikalischer und sozialer Wandel

Vielen jungen Metal-Bands ermöglichten Working Men’s Clubs nicht nur ihre ersten Auftritte, sondern sie stellten für Hard Rock und Heavy Metal im Vereinigten Königreich eine flächendeckende Infrastruktur zur Verfügung. Bands spielten den »Club Circuit«, sodass einige der wichtigsten Gruppen der NWOBHM wie Saxon, Judas Priest, Tygers of Pan Tang oder Raven auf hunderte Konzerte in den Working Men’s Clubs zurückblicken konnten, ehe ihre Karrieren durch Verträge bei Musik-Labels international publik wurden.50 Konzerte in den Clubs verschafften vielen Bands dadurch ein zweites Standbein neben den Auftritten in den Pubs.51 Besonders in den West Midlands und im Nordosten Englands war dies weit verbreitet und erlaubte es einigen Bands, drei oder mehr Konzerte pro Woche zu spielen. Clubs, die Hard-Rock- oder Heavy-Metal-Konzerte organisierten, gab es vermutlich hunderte in Großbritannien – sie blieben jedoch auch während der frühen 1980er-Jahre in der Minderheit, da die Mehrzahl bei Unterhaltungsprogrammen auf etablierte Formate musikalischer (Singer-Songwriter/Pop/Rock) oder komödiantischer Art setzte.52 Gleichzeitig handelte es sich bei den Clubs nicht um typische Lokalitäten für musikalische Events, sondern um eine traditionsreiche und weit verbreitete Institution der englischen Arbeiterbewegung.53 Sie erlebte ihren Höhepunkt gerade in den 1970er-Jahren, weil sich die Clubs häufig geschickt zwischen einer lokal ausgesprochen persistenten Arbeiterkultur und einem »Popular Individualism«54 positionierten.

Working Men’s Clubs waren in den 1860er-Jahren als Zusammenschlüsse für männliche Arbeiter aus der Initiative von Honoratioren entstanden. Der Zweck lag zunächst in der Bildungsarbeit und der alkoholfreien Unterhaltung. Der Nordosten Englands bildete dabei eine frühe und bis heute beständige Hochburg der Bewegung.55 Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich jedoch der genossenschaftliche Gedanke durch; die Mitglieder streiften die Bevormundung der Honoratioren ab, und der Unterhaltungszweck verdrängte langsam das politische Engagement.56 Der Aspekt einer attraktiven Freizeitgestaltung prägte die Entwicklung der Clubs seitdem kontinuierlich. Um »mit der Zeit zu gehen«, entschieden die Mitglieder vieler Clubs in den 1960er-Jahren, Auftrittsmöglichkeiten für größere Zuschauermengen zu schaffen, und buchten professionelle Entertainer und/oder Musiker – häufig durch Kredite bei den Brauereien. Das »Clubman Magazine« beschrieb 1967 den zugrundeliegenden Anspruch: Die Clubs seien »one of the most swinging and scintillating places in the Britain of the Sixties«.57 In einem hochumstrittenen und bis heute andauernden Prozess begann während der 1960er-Jahre zudem die Öffnung der Clubs für Frauen – anfangs über vielerlei Zwischenstufen wie »Guest Nights« oder eine Beteiligung beim omnipräsenten Bingo bis hin zur vollwertigen Mitgliedschaft für Frauen, die 1995 in einem Drittel aller Veranstaltungsorte der Club and Institute Union (CIU) möglich war und zu der ab 2007 alle Clubs der Organisation verpflichtet wurden.58

Die Konzerte fügten sich in das Repertoire der Clubs ein – sie partizipierten an einer Entwicklung, die »to go out for a drink« seit den späten 1960er-Jahren durch »to stay for a drink« verdrängte. Besonders die Ausbreitung des Fernsehens und die Verfügbarkeit von Alkohol in Supermärkten (Newcastle Brown Ale wurde seit 1962 auch in Dosen verkauft) hatte zuvor erheblichen Druck auf die Finanzen der Clubs ausgeübt, die vor allem vom Alkoholkonsum profitierten.59 Hinzu kam nun auch ein Angebot von Speisen in den Clubs, um mit den städtischen Bars und Pubs mithalten zu können: Denn während es Mitte der 1960er-Jahre noch unmöglich war, in Newcastle etwas essen zu gehen, und sich dies in den 1970er-Jahren erst langsam änderte, boten 1998 etwa 90 Prozent aller Pubs auch Speisen an und machten damit zwei Drittel aller Gaststätten der Stadt aus.60 Dagegen organisierte sich in den Clubs Widerstand. In den öffentlichen Etablissements war dieser Wandel mit einem deutlichen Anstieg der Zahl weiblicher Gäste und einer Veränderung der Trinkkultur verbunden. Durch den Niedergang der industriellen Fertigung beschleunigte sich die Erosion einer Tradition, die den Alkoholkonsum als Symbol der Männlichkeit über den Vater, die männlichen Verwandten und die Arbeitsbeziehungen auf die Söhne verlängert hatte und die fester Bestandteil einer regional-patriarchalischen Konstruktion der »Geordies« war (so heißen die EinwohnerInnen von Newcastle und des Umlandes sowie ihr Dialekt).61 Für junge Erwachsene in Dienstleistungsjobs, die diese Veränderung vor allem trugen, waren die Clubs bei fortschreitendem Strukturwandel von Wirtschaft und Nachtleben daher immer stärker mit dem Image einer Bastion überzogener und überholter Männlichkeit verknüpft, in der viel getrunken, auf den Boden gespuckt und gekämpft wurde.62

Obgleich der Widerspruch zwischen Shows oder Konzerten für ein breiteres Publikum und der genossenschaftlichen Idee durchaus gesehen wurde,63 passten viele Clubs ihre Räume den Erfordernissen des Entertainments an, und besonders in den 1970er-Jahren wurden zahlreiche Clubs zu diesem Zweck neu gegründet. So errichtete der neu formierte Club in Farringdon nahe Sunderland eine Konzerthalle für ein Publikum von 500 Personen, mit einer modernen Licht- und Tonanlage sowie der für diese Etablissements typischen, der Bühne gegenüberliegenden großen Bar.64 Für John Taylor, der 1972 eine Abhandlung zur historischen Entwicklung der Clubs vorlegte, kam dies einer radikalen und plötzlichen Abkehr vom ursprünglichen Erscheinungsbild der Clubs gleich: »The old image of the cloth cap, old men and dominoes has been swept away by this sudden boom.«65 Die Zentren dieses »Booms« waren die Eisen- und Stahlregionen in Südwales, Schottland und im Nordosten, aber auch die Industriestädte Lancashires und des West Riding mit ihren »semi-suburban reaches«.66 Üblich war dabei ein Zusammenhang mit der Etablierung eines kommerziellen lokalen Nachtclubs, der es nicht nur dem Publikum, sondern auch den auftretenden KünstlerInnen erlaubte, beide Angebote nacheinander wahrzunehmen, und der für einige Jahre selbst abgelegenen Orten wie Spennymoor (südlich von Newcastle nahe Durham) attraktive Abendveranstaltungen ermöglichte.67

Auf dem »Club Circuit« in der mittelenglischen Provinz – die NWOBHM-Band Jaguar aus Bristol im »Red Lion« in Heanor, 30. Januar 1982
(Sammlung Garry Pepperd, Gitarrist der Band, mit freundlicher Erlaubnis)

Das Klientel und die Atmosphäre in den Clubs unterschieden sich deutlich von Veranstaltungen, die in kommerziellen Bars oder Ballrooms durchgeführt wurden – selbst wenn teils dieselben KünstlerInnen auftraten und sich das Publikum tendenziell überschnitt. In den Clubs hatten Bands und Komiker der Zusammensetzung und den Wünschen ihres Publikums, das aufgrund der genossenschaftlichen Verfassung auch ihr Auftraggeber war, deutlich stärker Rechnung zu tragen. Die Musiker hatten sich daher nach der spezifischen Verknüpfung des Abends mit dem Bingo-Spiel zu richten, das musikalischen Darbietungen zwei »Turns« zuwies: 45 Minuten vor dem Bingo, 45 Minuten danach.68

Neben dieser zeitlichen Rahmung wurden Bands in den Clubs außerdem mit dem Wunsch vieler Mitglieder konfrontiert, Cover-Versionen bekannter Stücke zu spielen. Die Arbeiter wollten hören, was sie bereits kannten und mochten, und die Musik war lediglich Mittel zum Zweck, einen unterhaltsamen Abend zu verbringen. Viele der Akteure aus dem Umfeld der NWOBHM, die ihre Karrieren in den Clubs begonnen hatten, haben nachträglich auf die dort üblichen rauen Umgangsformen hingewiesen.69 Es herrschte eine »klare Sprache«: Den Bands wurde augenblicklich mitgeteilt, was man von ihnen hielt, und fliegendes Bier war ebenfalls keine Seltenheit. Bands wie Raven oder Tygers of Pan Tang begannen jedoch gegen Ende der 1970er-Jahre, auch eigenes Material in den Clubs vorzustellen, und folgten damit dem Beispiel von Black Sabbath und Judas Priest in den Clubs der Midlands. Die erste Reaktion war häufig Verblüffung: »The first show we ever did with Alan as a fourpiece was at a workingmen’s club. [...] People didn’t know what to think.«70 Daran schlossen sich zwei Gewöhnungseffekte an, von denen der erste bereits am entsprechenden Abend einsetzte und vor allem auf den Alkoholkonsum zurückzuführen war: »So, we would usually play two... sometimes three sets and the reaction on the first set would be low key... people would come up and drop beer mats off at the front of the stage with requests... ›smoke on the water‹ ... ›born to be wild‹ ... and quite often ›fuck off‹!!!! Then came the bingo... you could hear a pin drop & we’d usually be suppressing giggles in the dressing room! The second set was where the action started... the audience after a few drinks wanted to get up and headbang!«71

Raven auf dem »Club Circuit« im »Northern Counties Club« in Longbenton,
wenige Meilen nördlich von Newcastle, 1978
(Sammlung John Gallagher, mit freundlicher Erlaubnis)
Name, Rank & Serial Number, 7" Single, Neat Records 1980. Fist war eine der am häufigsten für Working Men’s Clubs gebuchten Bands in Tyneside.

Längerfristig war es jedoch nicht dem Alkohol zuzuschreiben, dass sich immer mehr NWOBHM-Bands in den Clubs durchsetzten und ein jüngeres, vor allem auch weibliches Publikum anzogen: Die Konzerte in den Clubs konfrontierten die Industriearbeiter mit einer Musik, bei der man sich nicht mehr verbal verständigen konnte und die gespielt wurde, um aktiv und emotional verarbeitet zu werden. Die Bands betraten die Clubs als Boten einer ästhetischen Mobilisierung, etwa durch aufwendige Lichtshows oder Pyrotechnik (für die vor allem die Band Venom berüchtigt war), durch eine für die BesucherInnen gewöhnungsbedürftige Lautstärke oder aber durch das Wechseln der Kleidung vor dem Konzert.72 Die Outfits wurden nun immer weniger von Schlaghosen dominiert, sondern entsprachen dem Image von »Denim and Leather«, wie es von Bands wie Motörhead vertreten und durch die Band Saxon im gleichnamigen Song (1981) für die Heavy-Metal-Bewegung verewigt wurde. Tom Noble, der damalige und auch heutige Manager der Tygers of Pan Tang, macht diese seinerzeit neue Bedeutung des nicht-musikalischen Repertoires der Bands deutlich: »So, in the clubs they were told ›You have to make a show!‹. So, they did. We had bombs, which club audiences had never seen, power flashes and stuff like that. They were very good at performing. And the guys in the working men’s club, it was like ›We might not like the music, but we like the show.‹ We had lights, which other bands didn’t have. And they just loved the aspect of it. […] You know, they actually changed into different clothes before they went on stage, which was unheard of. They wore very up-to-date clothes, because at that time, all the bands were wearing flares. And I said to them ›Get rid of your flares!‹. Motörhead don’t wear flares, you were not wearing flares.«73

Die Band Satan aus South Shields während eines Konzerts im
»Denim and Leather«-Look und mit Choreographie der Gitarristen (um 1982)
(<http://NWOBHM.com/satan/>)

Neben dem Verschwinden der letzten Kleidungseinflüsse aus der Hippie-Bewegung und neuer visueller Anreize existierten in den Clubs zahlreiche ästhetische und soziale Praktiken, bei denen die NWOBHM-Bands auf die Arbeitserfahrungen und Traditionen innerhalb ihres Publikums verwiesen. Dies bezog sich vor allem auf manuelle Geschicklichkeit und die Beherrschung der Technik: NWOBHM-Bands bauten bis auf wenige Ausnahmen nicht auf dem geringen musikalischen Anspruch des Punks auf, sondern führten die instrumentale Qualifikation ihrer Vorbilder im Rock der 1970er-Jahre weiter. Dazu gehörte jahrelange Übung, die für viele der Musiker über einen großen Teil ihrer Jugend hinweg den wichtigsten Lebensinhalt ausmachte.74 Bedeutsam waren diese Fähigkeiten aber erst im Kollektiv der Band, und es bedurfte eines aufeinander abgestimmten, eingespielten Vorgehens aller Mitglieder, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Für das Publikum, bestehend vor allem aus Arbeitern der industriellen Fertigung, mochte diese Notwendigkeit sofort einleuchten – so ließe sich argumentieren, dass ihre Arbeitsorganisation von derselben Logik durchzogen war, in der es ohne den qualifizierten Beitrag aller kein Endprodukt und damit keine Vergütung gab.75 Es standen sich Produktionseinheiten gegenüber, in denen Arbeitsqualifikation ein bedeutender Teil der Identität war.76 Exzentrikern und Solisten (sieht man vom Einsatz des Gitarrensolos ab) schlug hier Skepsis entgegen, und auch die Entwicklung der Heavy-Metal-typischen Kleidung aus »Denim and Leather« entsprach eher der Uniformität einer Arbeitskleidung als der schillernden Stilistik der Rock-Interpreten der 1970er-Jahre.

Monteure im Betrieb und Musiker auf der Bühne teilten sich darüber hinaus ein Arbeitsumfeld, das von der Tradition einer zupackenden Männlichkeit geprägt war. Im Rahmen eines Konzerts äußerte sich dies zunächst durch die Tatsache, dass der männliche Musiker den Platz auf der Bühne beanspruchte, was klar in Tradition zu patriarchalischen Rollenbildern stand, die Frauen die häusliche Sphäre zuwiesen.77 Aber auch viele andere Stilelemente der Konzerte rekurrierten auf Hierarchien des Industriearbeiter-Milieus: Besonders die Gitarre wurde als Werkzeug und als phallisches Symbol ausgeprägter Virilität interpretiert,78 während die Posen der Sänger und Gitarristen oft mehr als Andeutungen ostentativer Männlichkeit zeigten und die Rhythmusabteilung der Band (Schlagzeug und Bass) den »Arbeitstakt« vorgab. Die verschwitzten Oberkörper der Gitarristen, etwa bei der Band Raven, die ihren Stil symptomatisch als »Athletic Rock« bezeichnete,79 oder die Zurschaustellung der Muskeln bei Bands wie Venom präsentierten Männlichkeit als Voraussetzung für die Kontrolle der Technik und der immer schnelleren, anspruchsvolleren Kompositionen.80 Dabei gab es freilich verschiedene Herangehensweisen, und nicht alle Bands tendierten so deutlich zum Machismo.81 »Power« als zentrales musikalisches Merkmal des Heavy Metals bestimmte jedoch bei allen Bands die Performance – von der Körperhaltung bis zum Klang.

Raven auf der »Rock Until You Drop«-Tour am 13. März 1982 in Gouda/Niederlande

Während die technische Qualifikation, eine reibungslose und selbstbewusste Gruppenbeziehung sowie die Bestätigung männlicher Dominanz das Verständnis der anwesenden Arbeiter erwarten ließen, war dies beim offensichtlichsten Element des Klangs, der enormen Lautstärke, weniger der Fall. Darstellungen, die die Anschlussfähigkeit der Metal-Musik an die Arbeiterschaft auf die Erfahrung betrieblicher Lautstärke zurückführen,82 verkennen sowohl den verbreiteten Wunsch, die Freizeit in Ruhe zu verbringen, als auch empirische Beobachtungen, die von Konflikten zwischen Bands und Clubs über zu hohe Lautstärken zeugen.83 Viel häufiger musste die Lautstärke also gegen die anwesenden Arbeiter durchgesetzt werden und gehörte damit nicht zu jenen stilistischen Elementen, die die NWOBHM von der »Community« der Clubs übernahm.

Hinsichtlich der Textinhalte wiesen die Songs dagegen viele Anknüpfungen an die gängigen Narrative in den Clubs auf – doch fehlte Politik dabei fast völlig.84 Die kürzer, schneller und auch eingängiger werdenden Stücke der NWOBHM-Bands nahmen zwar häufig Bezug auf die Polarität »us and them«, fokussierten dies aber nicht auf Arbeits- oder Klassenkämpfe, sondern auf die Heavy-Metal-Kultur selbst. So können Hymnen des frühen Heavy Metals wie »Denim and Leather« (Saxon 1983), »Running Free« (Iron Maiden 1980), »Gangland« (Tygers of Pan Tang 1981), »Rock Until You Drop« (Raven 1981), »Running for Tomorrow« (Praying Mantis 1981) oder »United« (Judas Priest 1980) durchaus im Sinne einer Überwindung sozialer Ungleichheit interpretiert werden. Sie waren mit der Thematisierung von Wir-Gefühlen perfekt anschlussfähig für die Erfahrungen eines erwerbstätigen Publikums, doch blieb der gesellschaftliche Fokus stets indirekt, und politische Appelle existierten nicht. Generell war das thematische Spektrum der NWOBHM ausgesprochen breit, und es verwundert nicht, dass die Bands, deren Mitglieder vor ihrer musikalischen Karriere immer seltener Arbeitserfahrungen außerhalb der Musik gesammelt hatten – die aber parallel auch das Ziel der Aufmerksamkeit einer entstehenden spezialisierten Musik-Presse wurden –, eher die Selbstbezüglichkeit der Metal-Kultur, Mythologie, das Leben des Rock’n’Roll oder gar satanistische Inhalte wählten, um sich voneinander abzugrenzen.

In der Frühphase der NWOBHM um 1978 sah dies noch anders aus: Da die Musiker in den jungen regionalen Bands tagsüber selbst einer Erwerbsarbeit nachgingen, standen die Konzerte in den Clubs unter dem Eindruck einer soziokulturellen Selbstvergewisserung und der Atmosphäre eines »von gleich zu gleich«. Die jungen Musiker wurden über Jahre hinweg – und oft schon lange vor der NWOBHM – mit den ungeschriebenen Gesetzen der »Arbeiterklasse« und der Thematisierung gesellschaftlicher Ungleichheit vertraut gemacht. Die Clubs erfüllten in dieser Hinsicht eine Scharnierfunktion, indem sie die NWOBHM mit einer kulturellen Hintergrundfolie aus der Arbeiterklasse versahen. Deren wichtigstes Merkmal war eine »Community«, die von außen als Form der Differenz, von innen aber als Form des Zusammenhalts interpretiert wurde. Sie schlug sich in der Metal-Kultur als Bild der »Proud Pariahs« nieder sowie um 1980 in der Übernahme des ursprünglich diffamierenden Begriffs »Heavy Metal« als Selbstbezeichnung.85 Ästhetische und soziale Elemente der »Working-Class Community« fanden sich daher auch bei Konzerten außerhalb der Clubs wieder; sie beeinflussten Heavy-Metal-Fans fernab der Zechen und Fabriken. Dazu zählten neben dem Image der »stolzen Außenseiter«, dem Alkoholkonsum, der Kleidung und dem Ideal männlicher Respektabilität auch solidarische Traditionen: Im »Bandwagon«, dem ersten ausschließlich der Hard-Rock- und Heavy-Metal-Musik gewidmeten Club in England mit überregionaler Ausstrahlung, entschied die anwesende Menge per Daumenbewegung über einen vom DJ Neal Kay gespielten Song.86 Auch die Gemeinschaft zwischen Bands und Fans wurde nach den Konzerten nun stärker gepflegt. Egalitäre Vorstellungen verdrängten Rockstar-Attitüden: »And we felt that we were no different to the fans. We felt like we were fans, just getting up and playing on stage. So that was a big difference. It wasn’t like this whole thing of being completely untouchable, like some other bands were.«87 Obgleich solche Zitate Teil eines Wettbewerbs zwischen den Bands waren und daher mit Vorsicht zu behandeln sind, machen sie dennoch den Wunsch einer direkteren Kontaktaufnahme mit den Fans deutlich – unmittelbarer, als die NWOBHM-Musiker dies in den 1970er-Jahren selbst erfahren hatten.

Wie sehr die Bands – obgleich Boten einer »neuen Zeit« des Do-it-yourself und selbst oft Teil einer »neuen Mittelklasse« – dabei auf den Solidaritätsgedanken rekurrierten, machten Iron Maiden auf dem Cover ihrer zweiten Single »Sanctuary« 1980 deutlich: Margaret Thatcher, Inbegriff des politischen Angriffs auf die »Working-Class Community«, war von Eddie, dem Maskottchen der Band, erstochen worden. Gleichzeitig handelt es sich dabei um eine der wenigen klaren politischen Positionierungen einer Band während der NWOBHM.

Stützten sich die Bands einerseits auf die Traditionen, Strukturen, Narrative und den Habitus der »Working Class« Englands der 1970er-Jahre, hatten sie andererseits auch Einfluss auf die Arbeiterschaft. Neben dem Wandel der Musik von der Untermalung zur Hauptsache sowie der Etablierung effektvoller Inszenierungen war das Anwachsen des weiblichen Publikums der deutlichste Indikator für diesen Prozess. Schon der erste Bericht von einem Konzert der Tygers of Pan Tang in der führenden Musikzeitschrift »Sounds« bemerkte erstaunt die hohe Zahl weiblicher Gäste.88 Unabhängig voneinander weisen sowohl Robb Weir als auch John Gallagher darauf hin, dass das Geschlechterverhältnis bei den Konzerten in den Clubs sogar ausgeglichen war.89 Mitten in der anhaltenden Debatte um den Zugang von Frauen zu den Clubs, die 1978 mit einem Verbot des Snookerspiels für Frauen im Wakefield City Working Men’s Club ein Fanal erfahren und zu einer landesweiten Kampagne geführt hatte, zogen NWOBHM-Bands junge Frauen in diese Männerdomäne, weil sie deren Anforderung an emotionale, neuartige und generationenspezifische Unterhaltung erfüllten. Tom Noble führt dies vor allem auf den Look der Bands zurück: »So, they looked very of the moment and of course, the girls liked them. That was another key thing. All the young women who went to these clubs would say ›This is us, this is our generation, this is our music.‹«90

Neuartig waren die Konzerte für Frauen aber nicht nur in ästhetischer Hinsicht – und es sollte hinterfragt werden, inwieweit sich Elemente der Äußerlichkeit für dieses wachsende Interesse von Frauen überhaupt heranziehen lassen –, sondern auch deshalb, weil ihre Anwesenheit in den Clubs außerhalb der »Rock Nights« unüblich und in Bars grundsätzlich untersagt war. Wollten Frauen ausgehen, blieben sie meist in »Lounges« separiert. Wagten sie den Zutritt in die männlich dominierte Sphäre der Bars und Clubs dennoch allein und nicht als akzeptiertes »Anhängsel« eines Mannes, sahen sie sich heftiger Stigmatisierung ausgesetzt. John Roach, Gitarrist der Band Mythra aus South Shields, macht dies im Interview unmissverständlich deutlich: »It was a very, very big thing that women were not allowed in a bar. Either they would go into a lounge which was very well furnished with soft furnishings, or they would go into a concert room. Some pubs had a ladies’ lounge, but even in pubs… when we were kids, 18-19 years old, girls going into a bar on their own was only a certain kind of girl and they were no good.«91 Die Anwesenheit junger Frauen bei den Konzerten der NWOBHM-Bands dürften die meisten männlichen Club-Mitglieder daher als Ausnahme gesehen haben – für die Frauen dagegen mag sie einem Wandel gleichgekommen sein, der ihnen das eventisierte Zusammenkommen mit gleichaltrigen Männern ermöglichte.

Doch einige junge Frauen gaben sich nicht mehr mit der Rolle als passive Konsumentinnen zufrieden und gründeten selbst Bands. Auch in dieser Hinsicht war die NWOBHM von einer Aufbruchstimmung geprägt, die aus der Punk-Bewegung resultierte und sich in der Etablierung der ausschließlich weiblichen NWOBHM-Bands Girlschool und Rock Goddess zeigte. Enid Williams, die Sängerin und Bassistin von Girlschool, macht diesen Perspektivenwandel im Rückblick deutlich: »It was all about playing three chords, making loud music and that can-do attitude. Therefore, it became something women felt they could have a go at and that mindset became open to women. In the late ‘70s, there were loads and loads of female musicians about, all coming off on the back of punk.«92

Girlschool, Race with the Devil, live 1980, Ort unbekannt

Genauso wie die Punk-Bewegung stammten die beiden genannten Bands aus London.93 Sie trugen durch ihre Konzerte aber auch im Nordosten Englands dazu bei, das traditionell männliche Bild der Rock-/Heavy-Metal-Band herauszufordern, und standen damit am Beginn eines bis heute andauernden Wandels.94 Dass die lokale und Club-erprobte Band Raven 1982 als Vorband von Girlschool im größten Konzertsaal Newcastles auftrat und die Londonerinnen ihre Show mit »lock up your sons« ankündigten, zeugte von einer unmissverständlichen Absage an die patriarchalische Rock-Musik und von einem neuen Selbstbewusstsein. Girlschool machten dadurch deutlich, dass das männlich codierte Sozialsystem des Metals Frauen auch als Künstlerinnen nicht per se ausschloss. Der männliche Abgrenzungsgestus, der sich bei Konzerten in den Clubs offenbarte, war seitens der Bands nicht mehr mit dem tatsächlichen Machtgefälle aus der Zeit des männlichen Alleinernährers verbunden, sondern erlaubte auch die weibliche »Power«.95 Freilich blieben die beiden Bands Ausnahmen in einer ansonsten weiter männlich dominierten Musikkultur, und ihr Einfluss auf das Publikum der Clubs dürfte sehr gering gewesen sein. So sind keine Belege dafür vorhanden, dass eine der beiden Bands im Nordosten in einem Club aufgetreten wäre. Berücksichtigt man die Aussagen von Musikern wie Steve Zodiac (Vardis), Harry Hill (Fist), Biff Byford (Saxon) oder Kevin Riddles (Angel Witch/Tytan), die darauf hinweisen, dass es in den Clubs durchaus üblich war, dass die Bands auch die Hintergrundmusik für den Auftritt der Stripperinnen übernahmen, ist dies wenig verwunderlich.96 Darüber hinaus weisen Akteure wie Riddles, Bassist der Londoner Band Angel Witch, auf die großen Probleme von Girlschool hin, selbst in der Metal-Szene Londons akzeptiert zu werden. Der Erfolg der Band resultierte erst aus einigen Hitsingles, Tourneen und der Fürsprache einer Band wie Motörhead97 – also nicht aus dem Rückhalt des »Club Circuits« und einer lokalen Basis, sondern eher aus dem exzeptionellen Charakter einer »All-Female«-Rock-Band und deren Attraktivität für Vermarktungszwecke durch ein Plattenlabel. Enid Williams und ihre Bandkolleginnen hatten daher durchaus eine herausfordernde Pionierrolle inne, änderten aber weder die Verhältnisse in den Clubs, noch kann ihnen großer Einfluss auf das Männlichkeitsideal der Heavy-Metal-Kultur attestiert werden.

Tour-Plakat von Girlschool, 1982
(<http://metallipromo.com/raven.html>)

Deutlicher als in London, wo bereits eine Vielzahl spezialisierter Auftrittsmöglichkeiten existierte und die Clubs auch nicht so stark verbreitet waren,98 dienten Konzerte von Metal-Bands in den Clubs in anderen Teilen Englands als Sprungbretter für Plattenverträge. Besonders wichtig war dabei die mediale Vermittlung durch die nun entstehenden, auf Heavy Metal spezialisierten Magazine wie »Kerrang!« oder »Aardschok«, die nicht nur als Gatekeeper fungierten, sondern Heavy Metal auch vom Stigma einer kritikunwürdigen Qualität befreiten und solche Musik dadurch vielen LeserInnen aus »Mittelklassehaushalten« öffneten.99 Geoff Barton, der diesen Prozess bei »Sounds« und ab 1981 bei »Kerrang!« vorantrieb, besuchte etwa die Band Def Leppard bei einem Konzert in einem Club in Sheffield, was wiederum Brian Tatler, der mit Diamond Head den »Club Circuit« rund um Birmingham spielte, dazu veranlasste, Barton ebenfalls ein Tape zu senden.100 Die Clubs dienten als Testfeld für neue Stilversuche, gaben bereits einen Einblick in die Reaktionen des Publikums und stellten dadurch eine Vorfeldstruktur für Plattenlabels und Ballrooms zur Verfügung.

Cover des niederländischen Metal-Magazins »Aardschok«
Nr. 3 (1981): Der Damm bricht –
Anspielung auf den Wellen-Charakter der NWOBHM
mit Bands wie Iron Maiden, Diamond Head, Saxon und Angel Witch.
(<https://www.thecorroseum.org/fanzines/aardschok-03.php>)

Allerdings besuchte ein großer Teil der Jugend solche Clubs gerade nicht, weil diese mit dem Imageproblem überzogener Männlichkeit behaftet waren, sondern traf sich in kommerziellen Clubs oder Pubs in Newcastle oder Sunderland. Bis auf den Generationenunterschied dominierte dabei jedoch dieselbe Intention, die Suche nach Unterhaltung als Ventil: »We had two very big night clubs, one in Newcastle, one in Sunderland. Zeppelin played them both in their very early days. They were packed every Friday night. 2,000 young people, desperate to have a good time for the same reason that the people were going to the working men’s clubs. The difference being that in these large ballrooms, it was all young people, there were no old people, it was all the youngsters.«101

Musikalisch dominierten in den Ballrooms für die Jüngeren genauso Rock, Hard Rock und Heavy Metal wie in den Working Men’s Clubs, während Punk bis auf seine Adaption durch junge Musiker im Nordosten eine bemerkenswert geringe Rolle spielte.102 Die größte Konkurrenz erwuchs der NWOBHM, die sich stilistisch genau im Spektrum zwischen melodischem Rock und Speed/Black Metal bewegte, durch Pop-Konzerte und Tanzveranstaltungen,103 die jedoch am Image der Region als Zentrum der Rock-Musik nichts änderten: Regelmäßig traten in den 1970er-Jahren Rock-Bands wie Free, Queen, Led Zeppelin oder Musiker wie David Bowie oder Rod Stewart bei ihren Tourneen in Newcastle oder Sunderland auf – eine Tradition, an die die NWOBHM-Bands musikalisch nahtlos anschlossen.104 Vor dem Hintergrund des Strukturwandels fungierten sie als integrierendes Moment: Sie lockten nicht nur ein jüngeres Publikum in die Clubs, sondern traten auch auf beiden Seiten des »Generation Gap« auf und überbrückten dadurch den Graben zwischen der wachsenden Zahl von Jugendlichen in Dienstleistungsjobs und den traditionellen »Community«-Strukturen der Region.

Mit dem Ende der NWOBHM um 1983/84, das mit einer Verschiebung der Aufmerksamkeit von Musik-Magazinen und Labels zu »frischeren« Stilen einherging (z.B. Thrash Metal mit Metallica, Slayer etc.), sowie der Etablierung neuer Freizeitformate in spezialisierten Nachtclubs und Bars, die das Ausleben individualisierter Lebensstile ermöglichten, gerieten viele Working Men’s Clubs im Nordosten Englands in finanzielle Schwierigkeiten.105 Die Konzerträume waren nun schlechter gefüllt, und ihr Image war vor allem unter der Jugend, die den Umbau Newcastles zur »Party City« erlebte, überholt. Dass die Club-Tradition, obgleich gefährdet, bis heute fortbesteht, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der in den 1970er-Jahren beschrittene Weg auf finanziell niedrigerem Niveau und mit Blick auf die ältere Bevölkerung weitergeführt wurde.106 Ausflüge, Darts-Wettbewerbe oder Charity-Events ersetzten Konzerte, und die Clubs übernehmen für die Mitglieder weiterhin eine wichtige soziale Funktion – mit dem Unterschied gegenüber der Zeit des »Booms«, dass diese Integration nicht mehr primär auf einer tatsächlichen Klassenzugehörigkeit basiert, sondern sie als kulturelle Ressource instrumentalisiert, um Komplexität zu reduzieren und Vergemeinschaftung zu ermöglichen. In dieser Hinsicht ähneln die Clubs der globalen Metal-Kultur, die – obgleich hochgradig kommodifiziert und soziostrukturell divers – den subkulturellen Schein einer Arbeiterklassenromantik seit der NWOBHM stets mit sich führt und imaginierte Klassenstrukturen durch widersprüchliche Genre-Konventionen reproduziert.107

3. Fazit

Seit den 1970er-Jahren kappten der wirtschaftliche Strukturwandel und seine sozialen Folgen im englischen Nordosten bestehende gesellschaftliche Bande, entlang derer Vergemeinschaftung lange stattgefunden hatte. Besonders die jungen »Geordies« maßen der traditionellen »Community«, die aus der Industriearbeit der Väter, engen Nachbarschaftsverhältnissen und patriarchalischen Rollenbildern bestanden hatte, kaum noch identitätsstiftende Bedeutung bei. Sie wandten sich in den urbanen Räumen Newcastles oder Sunderlands stattdessen den Angeboten einer sich spezialisierenden Freizeitkultur zu. Die jungen Heavy-Metal-Bands der NWOBHM stellten ein solches Angebot dar; sie ermöglichten zwischen 1978 und 1984 eine Verknüpfung von stilistischem Aufbruch und urbaner Kultur des »going out«. Auf diese Weise gelang es ihnen, dort kulturelle Identifikation zu stiften, wo traditionelle Gemeinschaftsstrukturen erodierten.108

Doch waren Bruch und Aufbruch sowohl musikalisch als auch sozial miteinander verwoben: Viele Elemente der »Working-Class Community« blieben als Bezugsgröße auch nach dem Strukturwandel wichtig – für manche älteren oder weiterhin in der Industrie beschäftigten Menschen durchaus in der ursprünglichen Form, besonders für die Jüngeren jedoch auf veränderte Art und Weise.109 Das hier thematisierte historische Phänomen stellt dabei ein Beispiel für diesen Transformationsprozess dar, in dem eine Jugendsubkultur, die selbst den Übergang zu einem postmodernen Lebensstil vollzog, regionalspezifisch mit Traditionen, Narrativen und einem Habitus der Arbeiterklassenkultur imprägniert wurde. Bedingt durch den Strukturwandel verlor »Klasse« dabei die Funktion einer sozialen Kenngröße, die aus Lohnarbeit resultierte, und diente in ihrer imaginierten Form zunehmend als Labelling-Instrument eines Lebensstils.110 Die soziale Herkunft blieb auch für den Vergemeinschaftungsprozess des Heavy Metals wichtig, aber eben nicht über Lohnabhängigkeit und Produktion, sondern über ihre Funktion als kulturelles Distinktionsmittel.111 Einen ähnlichen Gleichschritt von sozialer Öffnung und Traditionsbezug wies die NWOBHM hinsichtlich geschlechtsspezifischer Rollenbilder auf: Junge Frauen wurden genauso wie die »neue Mittelklasse« Teil der Heavy-Metal-Kultur, sahen sich jedoch weiterhin mit kulturellen Codes konfrontiert, die ihre Wurzeln in der »Working Class« der 1950er- bis 1970er-Jahre hatten. Dies mag ein Grund dafür sein, dass der weibliche Anteil der Heavy-Metal-Fans seit den 1980er-Jahren zwar massiv stieg, Frauen in Bands aber stark unterrepräsentiert blieben. Das patriarchalische Rollenbild des männ­lichen Machers, symbolisiert durch die technisch versierten Instrumentalisten, erfuhr hier eine kulturelle Verlängerung. Gleichzeitig präsentierte sich die NWOBHM aber auch in dieser Hinsicht als Aufbruch, da sie bei aller Anknüpfung an Traditionen selbst zum sozialen Wandel der Metal-Kultur beitrug und – personifiziert in Bands wie Girlschool oder Rock Goddess – die Transgression von Rollenmustern andeutete.

So stellte die NWOBHM einen wichtigen Baustein in einer Phase des Wandels dar: Sie wirkte maßgeblich daran mit, traditionelle Elemente der englischen Arbeiterklasse in Sprache, Kleidung und Habitus umzucodieren, d.h. sie ihrer ursprünglich klassenkämpferisch ausgerichteten Stoßrichtung zu entledigen und für Jugendliche der Mittelschicht anschlussfähig zu machen. Sie kanalisierte individuelle Umbruchserfahrungen und machte für fragmentierter werdende Identitäten eine alternatives Vergemeinschaftungsangebot. In einer Situation abnehmender sozialer Trennschärfe, in der sich »Ordinariness«, »Anti-Snobishness« und die Aufwertung der Nonkonformität unabhängig von der »Blue Collar/White Collar«-Linie in der Jugend auszubreiten begannen,112 ermöglichten kulturelle Angebote wie die NWOBHM, aber auch (Hardcore) Punk oder New Wave, einen Übergang. Sie erlaubten es, die Widersprüchlichkeit einer Vergemeinschaftung durch Individualisierung zu organisieren. Die »Working Class« lebte in diesem Prozess als »Imagined Community« weiter, als populärmusikalisch instrumentalisiertes Erbe in einem gesellschaftlichen Kontext, der immer weniger durch klare Klassenstrukturen zu erklären war. Dies war in den 1980er-Jahren vor allem in Regionen wie Nordostengland, dem Ruhrgebiet oder dem Rust Belt der USA spürbar, in denen kulturelle Kanäle einen harten Strukturwandel abzufedern halfen und in deren aktiver Metal-Szene bis heute Elemente einer regionalen Arbeiterkultur tradiert werden.113 Man mag diese »Imagined Community« genauso wie den gegenwärtigen »Geordie«-Kult einer »Tyneside Culture« daher als »well nurtured myth« betrachten,114 verkennt dabei aber die soziale Realität eben jener Imagination und Mythisierung, für die es gleichgültig ist, auf welcher Grundlage Vergemeinschaftung stattfindet, solange diese von ihren Trägern als solche anerkannt wird.115

Wie stark der Klassenbegriff dabei umgepolt wurde, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die »Working Class« und die ihr zugeschriebene »Ordinariness« zunehmend für das Ziel einer vermeintlich authentischen Individualität eingespannt wurden. Die hochgradig widersprüchliche Verwendung einer imaginierten Arbeiterklassen-Romantik im Rahmen jugendkultureller Distinktion verweist dabei auf den besonderen Spagat, dem sich individualisierte Lebensläufe im Zuge des Strukturwandels ausgesetzt sahen. Phänomene wie die NWOBHM dienten somit als Ressource in einem kulturalisierten Klassenkonflikt vor dem Hintergrund des Verlustes klarer Klassenstrukturen in der Arbeitswelt.116 Die romantisch verklärte Vergemeinschaftung in der Metal-Kultur zur harmonischen »Brotherhood«, die tatsächliche Machtgefälle und Konflikte genauso planierte, wie es der Klassenbegriff seit jeher tat, resultierte dabei aus dem Verlust einer integrativen Erzählung, deren Wert erst erkannt wird, wenn sie verschwunden ist.117

Working Men’s Clubs waren Orte, an denen dieser Übergang eindrücklich nachverfolgt werden kann: Als »aesthetic social spaces«118 ermöglichten sie den temporären Rückzug in eine geordnete Welt langgeglaubter Wahrheiten. Die Clubs gaben sich in den 1970er- und 1980er-Jahren aber keineswegs restlos der Nostalgie hin,119 sondern versuchten aktiv, am Wandel zu partizipieren. Indem sie unter anderem NWOBHM-Bands den Karrierestart eröffneten, machten sie erste Erfahrungen mit einer ästhetischen Mobilisierung, deren Imagination der »Working Class« später auch die Realität in den Clubs bestimmte. Insofern trug der regionalspezifische enge Zusammenhang der Clubs mit der NWOBHM zur temporären Lösung eines sozialen Problems der Deindustrialisierung bei. Gleichzeitig übertrugen sich dort idealisierte Versatzstücke einer romantisierten Arbeiterkultur auf die NWOBHM, die seitdem integrale Bestandteile einer globalen Metal-Kultur geworden sind. Sie erfüllen als Entstehungserzählung des Heavy Metals bis heute den wichtigen Zweck der Inklusion und werden in ihrer postmodernen, individualisierten Ausprägung besonders stark auf Konzerten und Großevents wie Festivals sichtbar. Dort ist man »gemeinsam anders« und konstruiert einen Zusammenhalt, der sich eben nicht aus beruflichen Positionen, Familienzugehörigkeiten oder Nachbarschaften ergibt, sondern rein ästhetischer Art ist. Die Entwicklung solcher ästhetischer Kollektive, in denen emotionale Bindung entscheidet, die aber dennoch und trotz aller Widersprüche sehr erfolgreich Anknüpfungen an soziale Strukturen postulieren, stellt einen zeithistorischen Wandel besonderer Tragweite dar. Die Geschichte der Heavy-Metal-Kultur ist darin ein wichtiges, langfristig wirksames Beispiel.120


Anmerkungen:

1 Vgl. Mick Wall, Run to the Hills. The Authorized Biography of Iron Maiden, London 2001, S. 66f.

2 Vgl. Martin Popoff, Wheels of Steel. The Explosive Early Years of the NWOBHM, Bedford 2019, S. 84f., S. 128f. NWOBHM steht für »New Wave of British Heavy Metal«.

3 Vgl. Andy R. Brown, »Metal for the Masses«. Or, will metal ever be mainstream again? (and why we should want it to be...), in: Toni-Matti Karjalainen/Kimi Kärki (Hg.), Modern Heavy Metal. Markets, Practices and Cultures, Helsinki 2015, S. 454-464, hier S. 460.

4 Vgl. Popoff, Wheels of Steel (Anm. 2), S. 27. Die für die weitere Entwicklung der Metal-Kultur entscheidende Hinwendung zum Do-it-yourself (DIY) ist genauso wie die NWOBHM als solche durch die »Metal Studies« bisher unberücksichtigt geblieben. Zum DIY vgl. Andy Bennett/Paula Guerra (Hg.), DIY Cultures and Underground Music Scenes, Milton 2018. Zur Bedeutung der Fanzines vgl. Stephen Duncombe, Notes from Underground. Zines and the Politics of Alternative Culture, London 1997.

5 Dazu Robb Weir, der Gründer der Tygers of Pan Tang: »It just didn’t have a name. It existed, but nobody knew that it existed.« Interview des Verf. mit Robb Weir und Tom Noble am 5.9.2020 in Newcastle, Min. 31:32 – 31:39. Als Selbstbezeichnung diente in den späten 1970er-Jahren noch »Rock-Band«, im Laufe der NWOBHM verbreitete sich dann »Heavy-Metal-Band«.

6 Vgl. Steve Waksman, This Ain’t the Summer of Love. Conflict and Crossover in Heavy Metal and Punk, Berkeley 2009, S. 174f.

7 Vgl. Interview des Verf. mit Brian Tatler am 3.9.2020 in Birmingham, Min. 25:55 – 26:20.

8 Dazu Tino Troy, Gründer der Band Praying Mantis: »I mean, the whole American thing was too pol­ished, all the rock stuff over there, you know. This was a bit more rough and ready I think, the New Wave of British Heavy Metal.« Interview des Verf. mit Tino Troy am 8.9.2020 in London, Min. 26:32 – 26:45.

9 Vgl. Egbert Klautke, Die »britische Invasion« der 1960er Jahre, in: Dietmar Hüser (Hg.), Populärkultur transnational. Lesen, Hören, Sehen, Erleben im Europa der langen 1960er Jahre, Bielefeld 2017, S. 107-125.

10 Vgl. Andy R. Brown, Un(su)stained Class? Figuring out the Identity Politics of Heavy Metal’s Class Demographics, in: ders. u.a. (Hg.), Global Metal Music and Culture. Current Directions in Metal Studies, New York 2016, S. 190-206.

11 Zur Genese dieser Phase der »individuellen Selbstverantwortung« während der Regierungszeit Thatchers vgl. Ulrich Bröckling, Vermarktlichung, Entgrenzung, Subjektivierung, in: Willibald Steinmetz/Jörn Leonhard (Hg.), Semantiken von Arbeit. Diachrone und vergleichende Perspektiven, Köln 2016, S. 371-390.

12 Während der NWOBHM etablierte sich ein Tape-Trading-Netzwerk, das für die spätere Entwicklung des Thrash-, Death- und Black Metals herausragende Bedeutung besaß, für die Zeit um 1980 aber noch nicht wissenschaftlich untersucht wurde. Für den Death Metal vgl. Jason Netherton, Extremity Reframed. Exhuming Death Metal’s Analog Origins, in: Karjalainen/Kärki, Modern Heavy Metal (Anm. 3), S. 309-318.

13 Etwa im Vergleich zwischen Florence Sutcliffe-Braithwaite, Class, Politics, and the Decline of Deference in England, 1968–2000, Oxford 2018, und Ben Jones, The Working Class in Mid Twentieth-Century England. Community, Identity and Social Memory, Manchester 2012.

14 Talja Blokland, Memory Magic. How a Working-Class Neighbourhood Became an Imagined Community and Class Started to Matter when it Lost its Base, in: Fiona Devine/Michael Savage/John Scott (Hg.), Rethinking Class. Cultures, Identities, Lifestyles, Basingstoke 2006, S. 123-139.

15 Hier soll dementsprechend auch ein Beitrag zur Verknüpfung von Geschichtswissenschaft und Pop geleistet werden. Vgl. Alexa Geisthövel/Bodo Mrozek, Einleitung, in: dies. (Hg.), Popgeschichte, Bd. 1: Konzepte und Methoden, Bielefeld 2014, S. 7-31, hier S. 8. Für die Beziehung von Deindustrialisierung und Punk/Post-Punk unter vergleichend-urbaner Perspektive siehe Giacomo Bottá, Deindustrialisation and Popular Music. Punk and ›Post-Punk‹ in Manchester, Düsseldorf, Torino and Tampere, London 2020.

16 Einschlägig für dieses Narrativ: Deena Weinstein, Birmingham’s Postindustrial Metal, in: Brett Lashua/Karl Spracklen/Steven Wagg (Hg.), Sounds and the City. Popular Music, Place and Globalization, Basing­stoke 2014, S. 38-54; Ryan M. Moore, The Unmaking of the English Working Class. Deindustrialization, Reification and the Origins of Heavy Metal, in: Gerd Bayer (Hg.), Heavy Metal Music in Britain, Farnham 2009, S. 143-160.

17 Vgl. Bart van der Steen/Thierry P.F. Verburgh, Introduction. Researching Subcultures, Myth and Memory, in: dies. (Hg.), Researching Subcultures, Myth and Memory, Cham 2020, S. 1-16.

18 Zur Bedeutung dieser »neuen Mittelschicht« und ihres Bezugs zur Ästhetik vgl. Klaus Nathaus, Das populärmusikalische Selbst zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre. Zur Rolle ästhetischer Erfahrung in der Formierung einer neuen Mittelschicht (1955–1980), in: Dominik Schrage/Holger Schwetter/Anne-Kathrin Hoklas (Hg.), »Zeiten des Aufbruchs«. Populäre Musik als Medium gesellschaftlichen Wandels, Wiesbaden 2019, S. 123-151, hier S. 147.

19 Dies ist in der populären Literatur und in Dokumentationen jedoch ein vorherrschendes Bild. Vgl. Metal – A Headbanger’s Journey, Regie: Sam Dunn/Scot MacFadyen/Jessica Joy Wise, Kanada 2005. Dieser Film reproduziert das Arbeiterklasse-Narrativ des Heavy Metals geradezu prototypisch und adressiert den Wandel in diesem Zusammenhang nicht.

20 Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael/Thomas Schlemmer (Hg.), Vorgeschichte der Gegenwart. Dimensionen des Strukturbruchs nach dem Boom, Göttingen 2016.

21 Lutz Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl. Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom, Berlin 2019, S. 240.

22 Vgl. ebd., S. 242, S. 320-322; Natasha Vall, Cities in Decline? A Comparative History of Malmö and Newcastle after 1945, Malmö 2007, S. 80-106.

23 Vgl. Vall, Cities in Decline? (Anm. 22), S. 138.

24 Vgl. Newcastle upon Tyne, UK Metro Area Population 1950–2022, URL: <https://www.macrotrends.net/cities/22887/newcastle-upon-tyne/population>.

25 Vgl. Natasha Vall, The Emergence of the Post-Industrial Economy in Newcastle 1914–2000, in: Robert Colls/Bill Lancaster (Hg.), Newcastle upon Tyne. A Modern History, Chichester 2011, S. 47-70, hier S. 60f.

26 Vgl. Fred Robinson, Industrial Structure, in: ders. (Hg.), Post-Industrial Tyneside. An Economic and Social Survey of Tyneside in the 1980s, Newcastle upon Tyne 1988, S. 12-61, hier S. 40.

27 Vgl. ebd., S. 43.

28 Vgl. Robert Hollands/Paul Chatterton, Changing Times for an Old Industrial City. Hard Times, Hedonism and Corporate Power in Newcastle’s Nightlife, in: City 6 (2010), S. 291-315.

29 Vgl. Tobias Gerstung, Stapellauf für ein neues Zeitalter. Die Industriemetropole Glasgow im revolutionären Wandel nach dem Boom (1960–2000), Göttingen 2016; Vall, Cities in Decline? (Anm. 22), S. 179. Während sich Newcastle jedoch 1978 bereits in einem Strukturwandel befand, glich die Entwicklung in Birmingham tatsächlich einem abrupten »Ende des Booms«. Vgl. Kenneth M. Spencer, Crisis in the Industrial Heartland. A Study of the West Midlands, Oxford 1986, S. 31-69.

30 Vgl. Vall, The Emergence (Anm. 25), S. 61.

31 Vgl. Fred Robinson, The Labour Market, in: ders., Post-Industrial Tyneside (Anm. 26), S. 62-85, hier S. 75.

32 Vgl. Robert G. Hollands, From Shipyards to Nightclubs. Restructuring Young Adult’s Employment, Household, and Consumption Identities in the North-East of England, in: Berkeley Journal of Sociology 41 (1996/97), S. 41-66, hier S. 44-54.

33 Für den Zusammenhang zwischen der Krise der Industriearbeiterschaft und den Heavy-Metal-Musikern sowie ihren Fans vgl. Deena Weinstein, Heavy Metal. A Cultural Sociology, New York 1991. Beeinflusst durch Weinstein seitdem z.B. Moore, The Unmaking (Anm. 16), und Leigh Michael Harrison, Factory Music. How the Industrial Geography and Working-Class Environment of Post-War Birmingham Fostered the Birth of Heavy Metal, in: Journal of Social History 44 (2010), S. 145-158. Zweifel an der »Working Class«-These bei Bettina Roccor, Heavy Metal. Kunst, Kommerz, Ketzerei, Berlin 1998, S. 146-152. Vgl. auch Keith Kahn-Harris, Extreme Metal. Music and Culture on the Edge, Oxford 2007, S. 10f.; Brown, Un(su)stained Class? (Anm. 10).

34 Hinsichtlich der kürzlich vorgeschlagenen Perspektive auf »Gewinner« und »Verlierer« des Strukturwandels zählen die Metal-Musiker deshalb klar zu Ersteren. Vgl. Christian Marx/Morten Reitmayer (Hg.), Gewinner und Verlierer nach dem Boom. Perspektiven auf die westeuropäische Zeitgeschichte, Göttingen 2020.

35 Vgl. Sara Cohen, Rock Culture in Liverpool. Popular Music in the Making, Oxford 1991, S. 3.

36 Interview des Verf. schriftlich mit John Gallagher am 13.1.2021, Z. 48-52.

37 Vgl. ebd., Z. 39-42.

38 Vgl. Robinson, The Labour Market (Anm. 31), S. 79f.

39 Vgl. John Tucker, Neat & Tidy. The Story of Neat Records, Berlin 2015, S. 164.

40 Vgl. Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 55:35 – 56:15.

41 Vgl. Tucker, Neat & Tidy (Anm. 39), S. 30.

42 Vgl. ebd., S. 175.

43 Vgl. ebd., S. 35.

44 Vgl. ebd., S. 42.

45 Vgl. ebd., S. 42-44.

46 Brian Tatler (Diamond Head) gründete 1985 das Studio RPK in Lye, Fred Purser (Tygers of Pan Tang) gründete das Studio Trinity Heights, und auch Conrad Lant (Venom) produzierte noch während des Erfolgs seiner Band Alben bei Impulse Studios.

47 Robb Weir arbeitete während der Pause der Tygers of Pan Tang zwischenzeitlich als Busfahrer, Ticketkontrolleur und Imbissverkäufer. Tino Troy (Praying Mantis) arbeitete konstant sowohl als Musiker wie auch als Zimmermann. Über die Mehrzahl der Musiker aus nicht mehr existenten Bands ist dagegen wenig bekannt. Vgl. Martin Popoff, This Means War. The Sunset Years of the NWOBHM, Bedford 2019, S. 189f. Vgl. Anm. 5, 7, 8.

48 Diese Annahme beruht u.a. auf Aussagen von Musikjournalisten wie Gary Bushell (»Sounds«) (vgl. Popoff, Wheels of Steel [Anm. 2], S. 59) und wurde für die 1970er-Jahre durch AutorInnen wie Weinstein ohne Belege fortgeschrieben. Vgl. Deena Weinstein, Heavy Metal. The Music and its Culture, Cambridge 2000, S. 75. Dabei liegen zur sozialen Zusammensetzung der Heavy-Metal-Fans weder für die 1970er- noch für die 1980er-Jahre Daten vor, die diese These stützen könnten.

49 Steven Willems, Venom, in: Voices from the Darkside, 2015, URL: <https://www.voicesfromthedarkside.de/interview/venom-2/> (Interview mit Conrad Lant).

50 Vgl. Tucker, Neat & Tidy (Anm. 39).

51 Zum Pub Rock vgl. Simon Frith u.a., The History of Live Music in Britain, Vol. 2: 1968–1984. From Hyde Park to Hacienda, New York 2019, S. 113-120.

52 Es existieren keine Angaben über die Zahl der Clubs, die NWOBHM-Bands auftreten ließen. John Gallagher schätzt sie allein in Newcastle auf etwa 20. Vgl. Interview Gallagher (Anm. 36), Z. 22-23. Vgl. John Taylor, From Self-Help to Glamour. The Working Man’s Club, 1860–1972, Oxford 1972,
S. 79-83.

53 Zuerst David Lubin, Let There Be Light. The Story of a Workingmen’s Club, its Search for the Causes of Poverty and Social Inequality, its Discussions, and its Plan for the Amelioration of Existing Evils, London 1900.

54 Vgl. Bill Lancaster, Sociability and the City, in: Colls/Lancaster, Newcastle upon Tyne (Anm. 25), S. 319-340, hier S. 339; Emily Robinson u.a., Telling Stories about Post-War Britain. Popular Individualism and the ›Crisis‹ of the 1970s, in: Twentieth Century British History 28 (2017), S. 268-304.

55 Vgl. David Morton, Working Men’s Clubs of the North East – An Integral Part of the Region’s Communities, in: ChronicleLive, 18.5.2014. Zahlreiche Beiträge zu den Clubs finden sich auf der Website der »Club Historians«.

56 Vgl. Klaus Nathaus, Organisierte Geselligkeit. Deutsche und britische Vereine im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2009, S. 90-93, S. 100.

57 Zit. nach Brian Bennison, Drink in Newcastle, in: Colls/Lancaster, Newcastle upon Tyne (Anm. 25), S. 167-192, hier S. 188.

59 Vgl. Bennison, Drink (Anm. 57), S. 188f.

60 Vgl. Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 08:50 – 09.00; Bennison, Drink (Anm. 57), S. 189.

61 Vgl. Hollands, Shipyards (Anm. 32), S. 55-57.

62 Vgl. Interview des Verf. mit John Roach und Maurice Bates (Mythra) am 26.8.2021 in Newcastle, Min. 46:00 – 46:29.

63 Vgl. Taylor, From Self-Help to Glamour (Anm. 52), S. 77.

64 Vgl. ebd., S. 75.

65 Ebd., S. 73.

66 Ebd., S. 76.

67 The Stage, 14.10.1971. Zit. nach Taylor, From Self-Help to Glamour (Anm. 52), S. 76.

68 Vgl. Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 01:35 – 04:51.

69 Vgl. Ian Christe, Sound of the Beast. The Complete Headbanging History of Heavy Metal, New York 2004, S. 32f.

70 K.K. Downing (Judas Priest), in: Jon Wiederhorn/Katherine Turman, Louder than Hell. The Definitive Oral History of Metal, New York 2013, S. 43.

71 Interview Gallagher (Anm. 36), Z. 10-17.

72 Vgl. Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 01:35 – 04:51.

73 Ebd., Min. 05:33 – 06:20.

74 Die Bemerkung Brian Tatlers »I was practicing all the time and we were gigging« kann hinsichtlich der späten Schulzeit als typisch gelten. Vgl. Interview Tatler (Anm. 7), Min. 20:45 – 20:50.

75 Zur Arbeitsorganisation in den Betrieben der industriellen Fertigung in Tyneside während der 1980er-Jahre existieren bisher keine näheren Informationen. Für den ähnlich gelagerten Fall in Birmingham vgl. J.R. Bryson/P.W. Daniels/N.D. Henry, From Widgets to Where? The Birmingham Economy in the 1990s, in: A.J. Gerrard/T.R. Slater (Hg.), Managing a Conurbation. Birmingham and its Region, Studley 1996, o.S.

76 Zur Arbeit als Identitätselement in »working-class communities«: John Kirk/Steve Jefferys/Christine Wall, Representing Identity and Work in Transition. The Case of South Yorkshire Coal-Mining Communities in the UK, in: John Kirk (Hg.), Changing Work and Community Identities in European Regions. Perspectives on the Past and Present, Basingstoke 2012, S. 184-216, hier S. 198.

77 Vgl. Hollands, Shipyards (Anm. 32), S. 55.

78 Vgl. Deena Weinstein, Rock’s Guitar Gods – Avatars of the Sixties, in: Archiv für Musikwissenschaft 70 (2013), S. 139-154, hier S. 152.

79 »Athletic Rock« heißt der zehnte Song auf dem Album »All for One« von Raven (1983).

80 Vgl. Mary Anne Clawson, Masculinity and Skill Acquisition in the Adolescent Rock Band, in: Popular Music 18 (1999), S. 99-114.

81 Etwa im Falle der Tygers of Pan Tang, die viel Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild legten und die Attraktivität der Musiker bewusst instrumentalisierten, um ein weibliches Publikum anzuziehen. Vgl. Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 11:08 – 12:03.

82 Vgl. etwa Weinstein, Birmingham’s Postindustrial Metal (Anm. 16), S. 40; Roccor, Heavy Metal (Anm. 33), S. 136.

83 Vgl. z.B. Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 04:20 – 04:51.

84 Vgl. Magnus Nilsson, No Class? Class and Class Politics in British Heavy Metal, in: Bayer, Heavy Metal Music in Britain (Anm. 16), S. 161-179, hier S. 170-172. Der Autor erkennt die Abwesenheit von Politik in den Lyrics gut, gibt sich aber dann dem Wunsch der neomarxistischen Subkulturforschung hin, sie künstlich mit politischen Aussagen zu füllen.

85 Zu dieser Form der »Community« vgl. Kirk/Jefferys/Wall, Representing Identity and Work in Transition (Anm. 76), S. 199. Zum Bild der »Proud Pariahs« vgl. Weinstein, Heavy Metal (Anm. 33), S. 112-115.

86 Vgl. Carol Clerke, Musicians Mecca in Kingsbury, in: Observer, 15.8.1980, S. 20.

87 Steve Harris (Iron Maiden), in: Popoff, This Means War (Anm. 47), S. 27.

88 Vgl. Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 11:46 – 12:03.

89 Vgl. ebd., Min. 10:30 – 10:32; Interview Gallagher (Anm. 36), Z. 34-36.

90 Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 06:38 – 06:48.

91 Interview Roach/Bates (Anm. 62), Min. 45:30 – 45:50.

92 Kevin Stewart-Panko, GIRLSCHOOL INTERVIEW: »IN THE OLD DAYS WE’D BE COMPLETELY OFF OUR HEADS«, in: Iron Fist. Heavy Metal Magazine, 9.10.2016.

93 Zum Punk und seiner kulturellen Rolle für das Verwischen von Gender-Grenzen vgl. Frith u.a., Live Music in Britain (Anm. 51), S. 179.

94 Zu den Gründen für den langsamen Wandel vgl. Pauwke Berkers/Julian Schaap, Gender Inequality in Metal Music Production, Bingley 2018.

95 Während Deena Weinstein mit der Betonung dieses Unterschieds recht hat, unterschätzt sie die Rolle von Frauen in der NWOBHM. Vgl. Deena Weinstein, The Empowering Masculinity of British Heavy Metal, in: Bayer, Heavy Metal Music in Britain (Anm. 16), S. 17-31. Für das Verhältnis von Metal und Gender im Rahmen der »Imagined Community« vgl. Rosemarie Lucy Hill, Gender, Metal and the Media. Women Fans and the Gendered Experience of Music, London 2016.

96 Vgl. Interview des Verf. mit Kevin Riddles am 24.8.2021 in London, Min. 36:37 – 39:57; Interview des Verf. mit der Band Fist am 27.8.2021 in South Shields, Min. 49:00 – 49:21; Interview des Verf. mit Steve Zodiac am 17.6.2021 online, Min. 42:40 – 46:28.

97 Vgl. Interview Riddles (Anm. 96), Min. 27:25 – 30:11.

98 Vgl. Christe, Sound of the Beast (Anm. 69), S. 33.

99 Vgl. Gunnar Otte, »Klassenkultur« und »Individualisierung« als soziologische Mythen? Ein Zeitvergleich des Musikgeschmacks Jugendlicher in Deutschland, 1955–2004, in: Peter A. Berger/Ronald Hitzler (Hg.), Individualisierungen. Ein Vierteljahrhundert »jenseits von Stand und Klasse«?, Wiesbaden 2010, S. 73-95, hier S. 87.

100 Vgl. Popoff, Wheels of Steel (Anm. 2), S. 99.

101 Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 08:08 – 09:53.

102 Dazu Jess Cox, der erste Sänger der Tygers of Pan Tang: »In Newcastle you know the punk thing never took off. It always has been rock there. I suppose it’s all down to the macho man appeal of it all.« Peter Trollope, These Tygers just want to get out and play!, in: Weekend Echo, 11./12.10.1980, S. 7.

104 »But certainly, the Northeast has always been really heavily identified with hard rock and heavy metal.« Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 09:55 – 10:20.

105 Die Auftritte der Bands in den Clubs endeten i.d.R. mit der Unterzeichnung eines Plattenvertrags und dem Wechsel in größere Konzertsäle. Im Falle der Tygers of Pan Tang existierten sogar längerfristige Bindungen zwischen der Band und den Clubs, und der Ausstieg nach Unterzeichnung des Plattenvertrags mit MCA gestaltete sich kompliziert. Vgl. Interview Weir/Noble (Anm. 5), Min. 07:05 – 07:20.

106 Vgl. Bennison, Drink (Anm. 57), S. 190f.

107 Zur Mythisierung von Subkulturen vgl. van der Steen/Verburgh, Introduction (Anm. 17), S. 2; zur Aufforderung, diese Mythen wissenschaftlich nicht zu reproduzieren, vgl. Andy Bennett, Situating Subcultures. On the Origins and Limits of the Term for Understanding Youth Cultures, in: van der Steen/Verburgh, Researching Subcultures (Anm. 17), S. 19-34, hier S. 34.

108 In ihrer aktiven Entscheidung gegen den akzeptierten Beruf und für eine Karriere als Musiker, aber auch in ihrer Wettbewerbs- und Do-it-yourself-Mentalität sowie körperlichen Inszenierung stehen die Musiker der NWOBHM daher beispielhaft für den Wandel zur »singularistischen Lebensführung«. Als kreative Kulturproduzenten wurden sie selbst Teil einer »Singularisierung der Arbeitswelt«. Vgl. Andreas Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne, Berlin 2017, 5. Aufl. 2021, S. 186-195, S. 277-308, S. 325-329.

109 Vgl. Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl (Anm. 21), S. 30. Vgl. auch ders., Deutsche Arbeitswelten zwischen globalen Problemlagen und nationalen Handlungsbezügen. Zeitgeschichtliche Perspektiven, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 69 (2021), S. 1-23, hier v.a. S. 10, zur lange Zeit unberücksichtigten Ver­knüpfung von Veränderungen in der Arbeit(swelt) mit kulturellen Identitäten und Individualisierungen.

110 Vgl. Beverley Skeggs, The Re-Branding of Class. Propertising Culture, in: Devine/Savage/Scott, Rethinking Class (Anm. 14), S. 46-68, hier S. 62-67.

111 Vgl. Martina Böse, ›Race‹ and Class in the ›Post-Subcultural‹ Economy, in: David Muggleton/Rupert Weinzierl (Hg.), The Post-Subcultures Reader, Oxford 2003, S. 167-180, hier S. 178. Zur Kulturalisierung von Klassenbeziehungen vgl. auch Andreas Reckwitz, Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, Berlin 2019, 8. Aufl. 2021, S. 67-91 (hier vor allem zu den Trägern dieses Prozesses in der Kulturproduktion).

112 Vgl. Matthew Hilton/Chris Moores/Florence Sutcliffe-Braithwaite, New Times Revisited. Britain in the 1980s, in: Contemporary British History 31 (2017), S. 145-165, hier S. 156f.

113 Vgl. etwa zum Ruhrgebiet: Holger Schmenk/Christian Krumm, Kumpels in Kutten. Heavy Metal im Ruhrgebiet, Bottrop 2010. Für den Nordosten der USA ist die Verknüpfung eines Deindustrialisierungs-Narrativs mit den Metal-Szenen bisher nicht untersucht worden. Für die Szenen von Pittsburgh, Philadelphia und New Jersey soll dies in einer kommenden Studie des Verfassers geleistet werden.

114 Vgl. Lancaster, Sociability (Anm. 54), S. 339.

115 Vgl. J. Patrick Williams, Myth and Authenticity in Subculture Studies, in: van der Steen/Verburgh, Researching Subcultures (Anm. 17), S. 35-53, hier S. 53.

116 Vgl. Beverley Skeggs, Formations of Class and Gender. Becoming Respectable, London 1997, S. 94f.

117 Vgl. Tony Blackshaw, Working-Class Life in Northern England, 1945–2010. The Pre-History and After-Life of the Inbetweener Generation, New York 2013, S. 216.

118 Ebd., S. 217.

119 Die Metal-Kultur weist deutliche Anzeichen für ein »Erinnerungsregime« auf, das sich »nostalgischer Inszenierungen« bedient, um in der Gegenwart eine bestimmte Lesart der deindustrialisierten Vergangenheit zu konstruieren. Vgl. Stefan Berger, Vom Nutzen und Nachteil der Nostalgie. Das Kulturerbe der Deindustrialisierung im globalen Vergleich, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 18 (2021), S. 93-121, hier S. 120.

120 Ein weiteres Beispiel wäre die Entwicklung des Fußballs, für den die 1980er-Jahre ebenfalls als »Übergangsphase« herausgestellt wurden, und wo Kommerzialisierung und Globalisierung zeitgleich mit einer Aufwertung lokaler Bezüge durch Fangruppen stattfinden, die Traditionen und historische Wurzeln in sozialen Milieus bedienen. Vgl. Hannah Jonas, Fußball in England und Deutschland von 1961 bis 2000. Vom Verlierer der Wohlstandsgesellschaft zum Vorreiter der Globalisierung, Göttingen 2019, S. 284.

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