Nostalgie

Historische Annäherungen an ein modernes Unbehagen


  1. Eine kurze Geschichte der Nostalgie
  2. Nostalgie und Geschichtswissenschaft
  3. Neue Historisierungsversuche

Anmerkungen

Nostalgie ist ein schillernder – oder besser vielleicht sepia-farbener – Begriff, der je nach Kontext unterschiedliche Assoziationen weckt. Als individuelle Emotion positiv besetzt oder zumindest als harmlos eingestuft, erscheint der sehnsuchtsvolle Blick in die Vergangenheit auf gesellschaftlicher Ebene vielfach verdächtig. Bezogen auf Popkultur dient Nostalgie häufig dazu, Retrotrends zu erklären und zu kritisieren. Einschlägig ist hier Simon Reynoldsʼ Buch »Retromania. Warum Pop nicht von seiner Vergangenheit lassen kann«.1 Darin beschreibt der britische Musikkritiker Nostalgie als Symptom wie Ursache dafür, dass die zeitgenössische (Pop-)Kultur auf der Stelle trete – eine Diagnose, die bis heute großen Widerhall weit über den Musikjournalismus hinaus findet.2 Mit »Retroland« betitelte 2018 der Mediävist Valentin Groebner sein Buch über die Sehnsucht nach einer touristisch zu erschließenden »authentischen« Vergangenheit.3 Wenngleich Groebner den Begriff Nostalgie dabei vermied, so sieht sich die Public History doch seit langem dem Vorwurf ausgesetzt, nostalgische Sehnsüchte zu wecken, um aus ihnen Profit zu schlagen. Und schließlich werden auch politische Phänomene auf eine um sich greifende Nostalgie zurückgeführt. Insbesondere seit dem britischen EU-Referendum und der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA 2016 dient der Nostalgie-Begriff vermehrt dazu, antidemokratische und populistische Tendenzen zu erklären.4 Zygmunt Bauman brachte dies in seinem letzten, postum erschienenen Buch auf die Formel »Retrotopia«. Er beschreibt die Gegenwart als ein »Zeitalter der Nostalgie«, das von Regression geprägt sei.5 Wie Reynolds und viele andere verwendete Bauman dabei die Schlagworte Retro und Nostalgie weitgehend austauschbar. Retromania, Retroland und Retrotopia – immer wieder sind es Popkultur, populäre Geschichte und Politik, die unter Nostalgie-Verdacht stehen.

Mit der Corona-Pandemie hat die Nostalgie ein neues Objekt gefunden. Artikel beschworen zunächst die Sehnsucht nach einer Zeit, als man noch Freund*innen treffen und in andere Länder reisen konnte. Während einige die therapeutische Wirkung von Nostalgie betonten, sahen andere in der Pandemie gerade das Ende jenes naiven Glaubens gekommen, früher sei alles besser gewesen.6 Die Vorstellung, dass die pandemiebedingte Isolation in einigen Jahrzehnten zum Gegenstand einer nostalgischen Rückschau auf die eigene Jugend werden könnte, zeigte sich schließlich in der Durchhalte-Kampagne »#besonderehelden« der Bundesregierung (November 2020).

Wie zumal das letzte Beispiel vor Augen führt, kann offenbar jede Vergangenheit, auch die jüngste und sogar eine negativ erlebte, nostalgisch erinnert werden. Zumindest kann nahezu jeden positiven Rückgriff auf die Vergangenheit der Vorwurf einer retrospektiven Verklärung treffen. Nostalgie kann je nach Standpunkt Sehnsucht nach einem goldenen Zeitalter, Anachronismus oder Rückwärtsgewandtheit bedeuten. Meist dient der Begriff aber dazu, anderen solche Haltungen und damit einen Mangel an Gegenwartssinn und Zukunftsoffenheit zu bescheinigen.

Der Bedeutungsvielfalt entsprechen unterschiedliche disziplinäre Zugriffe: Während die Soziologie und, in noch stärkerem Maße, die Psychologie der Nostalgie durchaus positive Effekte beimessen, ist sie kaum irgendwo schlechter beleumundet als in der Geschichtswissenschaft, die im Vergleich mit anderen Disziplinen bisher eher wenig Interesse an einer konzeptionellen Auseinandersetzung mit der Nostalgie gezeigt hat. Indem wir in diesem Themenheft Nostalgie-Diagnosen der Vergangenheit mit Reflexionen über die Gegenwart zusammenbringen und dabei verschiedene Zugänge inner- wie außerhalb der Geschichtswissenschaft vorstellen, wollen wir zu einem differenzierteren Umgang mit kulturellen und politischen Aspekten der Nostalgie, ihrer Ambivalenz und Bedeutungsvielfalt, beitragen sowie eine stärkere zeitgeschichtliche Einordnung des Phänomens anregen.

1. Eine kurze Geschichte der Nostalgie

Im Gegensatz zu vielen anderen Begriffen lässt sich im Fall der Nostalgie genau sagen, wann er geprägt wurde, nämlich 1688 in der medizinischen Dissertation des angehenden Arztes Johannes Hofer. Auf der Suche nach einer Formel für eine pathologische, mitunter sogar tödliche Sehnsucht nach der Heimat, die er vor allem bei Schweizer Söldnern antraf, entlehnte Hofer der Odyssee die altgriechischen Wörter für Heim (nostos) und Schmerz (algos). Er fügte sie zum Neologismus »Nostalgie« zusammen, der letztlich also nichts anderes als eine Übersetzung des deutschen Wortes »Heimweh« darstellt, das ebenfalls im Titel der Dissertation zu finden war.7

Nahezu alle Studien berufen sich folgerichtig auf Hofer. Doch genau damit beginnt die begriffliche Verwirrung, denn die heutige Bedeutung von Nostalgie ist in Hofers Schrift nicht enthalten. Sehnen wir uns nach unserem Zuhause, sprechen wir von Heimweh, von »homesickness« oder »mal du pays«, nicht jedoch von Nostalgie. Eine Begriffsgeschichte hat daher zunächst zwei zentrale Fragen zu klären: Wann kam es zu jener semantischen Verschiebung von einem räumlich zu einem zeitlich ausgerichteten Sehnen, und wie vollzogen sich die Ablösung des Begriffs aus dem medizinischen Fachdiskurs und seine gleichzeitige Neubestimmung?

Die Antworten darauf fallen denkbar unterschiedlich aus. Während Achim Landwehr die spätere Bedeutung bereits in Hofers Abhandlung angelegt sieht,8 kommt Thomas Dodman für den französischen Raum zum Schluss, die semantische Umdeutung habe erst im 19. Jahrhundert begonnen und in der Zwischenkriegszeit ihren Abschluss gefunden.9 Dennoch schrieb Maurice Halbwachs in seiner Studie über die sozialen Bedingungen des Gedächtnisses noch 1925 von »nostalgie du passé«, da »nostalgie« bloß eine unbestimmte Sehnsucht bezeichnete.10 Auch in englischsprachigen Ländern fand sich Nostalgie zu dieser Zeit sowohl in der Bedeutung von Heimweh als auch von Vergangenheitssehnsucht. Der Emotionshistorikerin Susan J. Matt zufolge begannen sich »homesickness« und »nostalgia« seit Beginn des Jahrhunderts zunehmend auseinanderzuentwickeln.11

Mitte der 1950er-Jahre tauchte der Begriff erstmals in einem politischen Kontext auf. Damals prägte der liberale amerikanische Historiker Arthur Schlesinger Jr. die (seit 2016 wieder oft zu hörende) Wendung »Politics of Nostalgia«, mit der er den aufkommenden New Conservatism als Anachronismus abkanzelte.12 Das heißt allerdings nicht, dass die Nostalgie unter Konservativen einen besseren Ruf genoss. Noch Jahrzehnte später wehrte sich etwa der konservative Historiker Christopher Lasch vehement gegen die Gleichsetzung von Nostalgie mit Konservatismus, die sich bis heute oft findet.13 Auch in der Bundesrepublik wurde Nostalgie bereits in den 1970er-Jahren zum Politikum, vor allem im Umfeld der sogenannten Hitler-Welle, die mit einer Nostalgie für die NS-Zeit erklärt wurde. Ihr geht Tobias Becker in diesem Heft nach, wobei er die Mehrdeutigkeit des Begriffs wie seine politische Aufladung herausstreicht.

Die neue, temporale Bedeutung von Nostalgie setzte sich im Englischen im Laufe der 1960er-Jahre durch, im Deutschen sogar erst – als Übernahme aus dem Englischen – in den 1970er-Jahren.14 Wesentlichen Anteil daran hatte wohl eine Titel­geschichte des »Spiegels« von 1973, überschrieben mit »Nostalgie. Das Geschäft mit der Sehnsucht«.15 Textkorpora wie Google Ngram, das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) oder die Online-Archive von Zeitungen wie der »New York Times«, der »Times« oder der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« zeigen, wie rasch die Verwendung des Begriffs im Folgenden zunahm.16 Dazu trugen neben reich bebilderten, unterschiedliche Zeitebenen und Farbtöne mischenden Zeitungsfeatures – etwa über das 1950er-Jahre-Revival – vor allem intellektuelle Analysen bei. An erster Stelle ist hier der auch in der Bundesrepublik vielbesprochene Bestseller »Future Shock« zu nennen, in dem der US-amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler eine »Welle der Nostalgie in der Gesellschaft« ausmachte.17 Dieses Schlagwort traf einen Nerv. Bis heute hält sich die »Nostalgie-Welle« als Klischee über die 1970er-Jahre, selbst wenn seither noch viele weitere Nostalgie-Wellen ausgerufen wurden.

Titelgeschichten über Nostalgie, unter anderem im »Spiegel« vom 29. Januar 1973 (rechts oben): »Nostalgie. Das Geschäft mit der Sehnsucht«
Titelgeschichten über Nostalgie,
unter anderem im »Spiegel« vom 29. Januar 1973 (rechts oben):
»Nostalgie. Das Geschäft mit der Sehnsucht«

Ob inspiriert durch Toffler oder unabhängig von ihm: Seit dieser Zeit florierte in vielen Disziplinen die Idee einer Dialektik zwischen rapider Veränderung und eskapistischer Vergangenheitszuwendung. Der Politikwissenschaftler Ronald Inglehart etwa bezog die »Nostalgie-Welle«, die einen »Rückzug der breiten Bevölkerung in die Vergangenheit« bezeuge, in seine Wertewandel-Theorie ein, und in »Yearning for Yesterday« beschrieb der Soziologe Fred Davis die »Nostalgie-Orgie« der 1970er-Jahre mit ihrer sentimentalen Glorifizierung der 1950er-Jahre als Reaktion auf die tiefgreifenden sozialen und kulturellen Umbrüche des dazwischenliegenden Jahrzehnts.18 Diesen Deutungsstrang befeuerten in den 1980er-Jahren immer neue Retro-Trends und all das, was fortan unter den Schirmbegriffen »Heritage« und »Public History« firmierte: historische Stoffe in Populärkultur, Massenmedien und Museen ebenso wie Baudenkmale und Rekonstruktionen aller Art.

Bemerkenswert ist, dass Davis der Nostalgie einen positiven Effekt zubilligte, da sie eine verletzte Kontinuität wiederherstelle.19 Zu einer ähnlichen Lesart gelangte unabhängig von ihm der Philosoph Hermann Lübbe, der in seinen Überlegungen zum Stellenwert der Vergangenheit in der Gegenwart immer wieder auf Nostalgie zu sprechen kam. Auch aus seiner Sicht stand sie für eine »kulturelle Kompensation eines wandlungstempobedingten Schwunds an Vertrautheit«.20 Diese Vorstellung von Nostalgie als einer logischen Konsequenz des Lebens in der Moderne – sowie als Gegen- und Ruhepol zu ihm – gehört bis heute zu den Standarderklärungen. Die Texte von Davis und Lübbe werden nach wie vor herangezogen, um Nostalgie zu deuten, meist ohne die Erklärungsversuche dabei historisch einzuordnen oder kritisch zu befragen.

Galt Nostalgie seit den 1970er-Jahren als ein spezifisches Phänomen der west­lichen, kapitalistischen Moderne, rückte mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks plötzlich das östliche Europa in den Mittelpunkt. Im selben Maße, wie Nostalgie plötzlich nur noch als Ostalgie oder Yugo-Nostalgia zu existieren schien,21 geriet die vorangegangene Diskussion in Vergessenheit. Obwohl Rückblicke auf die – nun schlagartig »alte« – Bundesrepublik auch im Westen zu finden waren, interessierten sich nur wenige für das Parallelphänomen »Westalgie«.22 In diesem Heft wirft deshalb Marcel Thomas ein kritisches Schlaglicht auf die Ostalgie, indem er eine vergleichende Perspektive wählt. In seinem Essay über den nostalgischen Umgang mit lokaler Geschichte in einem ost- und einem westdeutschen Dorf findet er zahlreiche Parallelen.23

Auch Alexander Leistner und Julia Böcker sowie Sabine Stach plädieren – wenngleich mit Blick auf völlig unterschiedliche Praktiken der Geschichtsaneignung – für ein Hinausdenken über den deutsch-deutschen Ostalgie-Diskurs. In ihrer Besprechung verschiedener Kommunismus-Museen in Deutschland, Tschechien und Polen skizziert Stach die internationale Tourismusindustrie als sinngebenden Rahmen. Aus soziologischer Perspektive fragen Leistner und Böcker in der Debatten-Rubrik, inwiefern der übliche Fokus auf die DDR-Vergangenheit in die Irre führt. Bei der Suche nach Erklärungen für Populismus und Fremdenfeindlichkeit sei weniger die DDR als Sehnsuchtsort der Ostdeutschen als vielmehr der Osten als Sehnsuchtsort der extremen Rechten relevant. Aus historischer Perspektive warnt Martin Sabrow in derselben Rubrik davor, die sehnsuchtsvolle Bezugnahme auf die Vergangenheit mit geschichtsrevisionistischen Bestrebungen der Rechten gleichzusetzen. Denn Nostal­giker*innen seien sich der Unwiederbringlichkeit der Vergangenheit sehr wohl bewusst; der Nostalgie ermangele deshalb der Impetus des politischen Handelns.

Diese Beobachtungen und Thesen stehen im Kontrast zu jenen der Literaturwissenschaftlerin Svetlana Boym, die ausgehend von den Umwälzungen in Mittel- und Osteuropa 2001 in »The Future of Nostalgia« nähere theoretische Überlegungen angestellt hat. Nicht zuletzt ihre griffige Unterscheidung zwischen einer eher aggressiven, handlungsorientiert-politischen – und darum potentiell gefährlichen – »restaurativen« und einer eher melancholischen, intellektuell-künstlerischen »reflexiven« Nostalgie hat ihr Buch zu einem der meistzitierten zum Thema gemacht.24 So hilfreich beide Kategorien auf den ersten Blick erscheinen, sind sie jedoch zu grob, um die Vielfalt des Begriffs und des Phänomens Nostalgie einzufangen.

Nach der Literaturwissenschaft und der Soziologie haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend Film- und Medienwissenschaften der Nostalgie angenommen.25 Hinzu tritt die Nostalgie-Forschung aus Anthropologie, Geographie und Philosophie.26 Daneben hat die Psychologie mit verschiedenen Forschungsprojekten auch in der breiteren Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit gesorgt. Sie akzentuiert in erster Linie die positiven Seiten der Nostalgie, wie die Forschung der »Nostalgia Group« an der University of Southampton zeigt, deren Mitglieder Constantine Sedikides, Anouk Smeekes und Tim Wildschut im Debatten-Teil dieses Heftes Forschungsergebnisse zum Verhältnis von Nostalgie und Rechtspopulismus präsentieren.27

Die auf Individuen konzentrierte psychologische Forschung hat allerdings wenig daran geändert, dass Nostalgie noch immer vor allem als kollektives Phänomen und als negativ, ja gefährlich angesehen wird. Dies zeigen nicht zuletzt die vielen Analysen, die mit Nostalgie den Aufstieg des Rechtspopulismus zu erklären suchen.28 Nostalgie steht hier oft für Haltungen wie Misogynie, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Neokolonialismus. Während viele dieser Studien vorgeben, Nostalgie als neutrale Analysekategorie zu verwenden, dient sie ihnen tatsächlich als Kampfbegriff.

2. Nostalgie und Geschichtswissenschaft

Auch für die Geschichtswissenschaft stellt Nostalgie in erster Linie ein Problem dar. Die gesamten 1960er-Jahre hindurch und noch bis Mitte der 1970er-Jahre beklagten Historiker vielfach, Geschichte habe in den Augen der Öffentlichkeit an Relevanz und Aufmerksamkeit verloren.29 Als diese Befürchtung angesichts der wachsenden Präsenz von historischen Themen auf dem Buchmarkt, in Medien, Museen und Populärkultur zunehmend gegenstandslos wurde, verkehrte sich die Sorge in ihr Gegenteil. Weit davon entfernt, das neue Interesse an der Vergangenheit zu begrüßen, galt dieses in Historikerkreisen nun mitunter als bedenklich, ja pathologisch – oder gar als kulturelle Verfallserscheinung.

Diese Sicht war nirgends ausgeprägter als in der britischen »Heritage-Debatte«, die vor dem Hintergrund einer breiteren Diskussion über den Niedergang der Nation und den Aufstieg des Konservatismus unter Margaret Thatcher gesehen werden muss. Auf der Suche nach den Ursachen für die rasch expandierende öffentliche Geschichtslandschaft – kurz »Heritage« – verwiesen britische Historiker immer wieder auf nostalgische Sehnsüchte, deren Wurzeln in einer als defizitär empfundenen Gegenwart zu suchen seien. Die bekanntesten Beispiele sind Patrick Wrights »On Living in an Old Country« und David Lowenthals »The Past is a Foreign Country« von 1985 sowie Robert Hewisons zwei Jahre später erschienene, begriffsprägende Polemik »The Heritage Industry«, die gegen die zunehmende Kommerzialisierung der Vergangenheit zu Felde zog.30

Wenn auch weniger prominent, ließ sich diese Sichtweise in den USA oder in der Bundesrepublik ebenfalls finden. Für Charles S. Maier verhielt sich Nostalgie zu Sehnsucht wie Kitsch zu Kunst.31 Jürgen Kocka und Hans-Ulrich Wehler verwendeten den Begriff, um gegen ihnen missfallende historische Ansätze und Projekte zu polemisieren – wie die Alltagsgeschichte, die sie einer »nostalgischen Idyllisierung der vorindustriellen Lebenswelt« beschuldigten.32 Einen Gegenpol in der Debatte bezog der marxistische Historiker Raphael Samuel, demzufolge Nostalgie bei ihren Kritiker*innen als »contemporary equivalent of what Marxists used to call ›false consciousness‹« fungiere.33 Nicht, dass Samuel Nostalgie verteidigt hätte, aber für ihn war der »Heritage-Boom« weniger nostalgisch motiviert als vielmehr Ausdruck einer Demokratisierung von Geschichte, die er begrüßte.

In den folgenden Jahrzehnten kühlte die Heritage-Debatte ab. Das meiste von dem, was die Kritik einst als nostalgisch ablehnte, ist inzwischen als Public History anerkannt. Selbst die entschiedensten Heritage-Kritiker der 1970er- und 1980er-Jahre haben ihre Interpretation verändert. In der Neuauflage von »The Past is a Foreign Country« aus dem Jahr 2015 – Anlass für eine Relektüre des Originals durch Achim Saupe in diesem Heft –, beklagt Lowenthal nicht mehr die Omnipräsenz der Vergangenheit, sondern einen Präsentismus, der die Vergangenheit zu überwältigen scheint. So gesehen nahm die ältere Heritage-Kritik die Präsentismus-Diagnosen von Hans Ulrich Gumbrecht und François Hartog vorweg oder bereitete sie zumindest vor.34

Dennoch hat sich der schlechte Ruf von Nostalgie unter Historiker*innen nur wenig gebessert. Die meisten von ihnen betrachten sie weiterhin als Verirrung, wenn nicht gar, wie Tony Judt mit Blick auf Europa nach 1945 und Dipesh Chakrabarty auf den Postkolonialismus, als »Sünde«.35 Wie aber ist die überwiegend kritische, mitunter geradezu feindselige Wahrnehmung der Nostalgie von Seiten der Geschichtswissenschaft zu erklären?

Um dies zu verstehen, hilft es, zwei Historiker heranzuziehen, die sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven ausführlicher über Nostalgie geäußert haben: Christopher Lasch und Frank Ankersmit. Für Lasch steht Nostalgie nicht im Gegensatz zum Fortschrittsglauben, sondern ist eine Variante von ihm, da beide die Vergangenheit vereinfachen und verzerren, um sie so »lebendig zu begraben«.36 Zudem unterminiere Nostalgie den Sinn für historische Kontinuität.37 Für Ankersmit bietet Nostalgie die intensivste Erfahrung der Vergangenheit, allerdings werde diese als andersartig und unwiederbringlich verloren erfahren.38 Beide verstehen Nostalgie also ganz ähnlich, kommen jedoch zu gegensätzlichen Bewertungen: Während der Postmodernist Ankersmit Nostalgie begrüßt, weil sie historistische und positivistische Vorstellungen von der Vergangenheit aufbreche, lehnt sie der eher traditionell denkende Lasch genau deswegen ab.39

Ein weiterer, vielleicht noch gravierenderer Grund der Skepsis gegenüber der Nostalgie liegt in ihrer Emotionalität. Denn für die Geschichtswissenschaft stehen affektive und performative Formen des Umgangs mit der Vergangenheit, wie sie in der populären Geschichte gepflegt werden, im Gegensatz zu dem als rein rational-intellektuell imaginierten Prozess akademischer Geschichtsschreibung. Eine solche Trennung zwischen Gefühl hier und Vernunft dort hat die Emotionsforschung freilich als Konstrukt und Scheingegensatz entlarvt. Darüber hinaus wird wohl kaum jemand behaupten, dass Historiker*innen von Berufs wegen vor Nostalgie – oder dem Nostalgie-Vorwurf – gefeit sind. Ankersmit etwa verweist unter anderem auf die nostalgische Qualität des Werks von Jules Michelet.40 Und auch das durch Trauer über den Verlust des alten, ländlichen, republikanischen Frankreichs angetriebene Projekt der »Lieux de Mémoire« von Pierre Nora ließe sich als Beispiel anführen.41 Vielleicht trug gerade der Geruch der Nostalgie, der den »Erinnerungsorten« anhaftete, mit dazu bei, dass die Memory Studies sich dem Phänomen erst verspätet zugewandt haben, obwohl man es ganz oben auf ihrer Agenda erwarten würde.42

Mit dem verstärkten Nachdenken über Erinnerung kam auch Nostalgie auf neue Weise in den Blick. Neben Svetlana Boym ist hier vor allem an Peter Fritzsche zu denken. Beide stützten sich auf Reinhart Kosellecks Arbeiten über Zeitlichkeit und verstehen Nostalgie unabhängig voneinander als Erscheinung, die erst seit der »Sattelzeit« existiere und nur unter den Bedingungen der Moderne – genauer: dem modernen Verständnis von Zeit und Geschichte – vorstellbar sei. Zugleich stehe sie aber im Gegensatz zur Moderne, denn als »Rebellion gegen die moderne Idee der Zeit, die Zeit von Geschichte und Fortschritt« suche die Nostalgie die Moderne heim wie ein »unerwünschter Doppelgänger«.43 Für Boym und Fritzsche basiert Nostalgie auf einem fundamentalen Bruch mit der Vergangenheit, der überhaupt erst zu einer Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geführt hat. Ganz ähnlich hatte bereits Toffler argumentiert, und diese Lesart zieht sich fort bis zu Hartmut Rosas Theorie der Beschleunigung, laut der auf jeden Beschleunigungsschub eine »nostalgische Sehnsucht nach der verlorenen ›langsamen Welt‹« folgt.44 Auch neuere medien- und kulturhistorische Studien schreiben sich in diese Lesart ein. Dominik Schrey etwa, der sich dem Phänomen der »analogen Nostalgie« gewidmet hat, sieht die Bruchstelle zwischen Heimweh und Nostalgie in der Industrialisierung.45

Bei näherem Überlegen erscheint diese Theorie, der zufolge das Phänomen der Nostalgie erst mit der Moderne in die Welt gekommen sei, allerdings fragwürdig. Denn vormoderne Gesellschaften – ob griechische Antike, konfuzianisches China oder mittelalterliches Europa – neigten nicht nur dazu, die Vergangenheit als goldenes Zeitalter zu verehren. Sie misstrauten Wandel im Allgemeinen so sehr, dass sie gewollte Veränderungen als Rückkehr maskierten: Re-naissance, Re-formation oder Re-volution.46 Sie kannten also zumindest Teile von dem, was das 20. Jahrhundert als Nostalgie bezeichnete, ohne dass es dafür eines Begriffs bedurft hätte. Es war die Moderne, die dieses Konzept hervorbrachte – und zwar im Rahmen einer Nostalgie-Kritik. Sie brandete nicht zufällig gerade seit den 1960er-Jahren auf, als die moderne Fortschrittsidee zunehmend und von allen Seiten in Bedrängnis geriet. Nostalgie-Kritik war verhüllte Moderne- und Fortschritts-Verteidigung.

3. Neue Historisierungsversuche

Nimmt man die Zuschreibung von Rückwärtsgewandtheit und emotionaler Distanzlosigkeit sowie den Vorwurf der Kommerzialisierung zusammen, ist es kaum verwunderlich, dass die Geschichtswissenschaft Nostalgie bislang entweder polemisch bekämpft oder weitgehend ausgeblendet hat. Bis heute existieren nur wenige Überblicksdarstellungen aus historischer Perspektive. Die vorliegenden Begriffsgeschichten haben sich vor allem mit der ersten Inkarnation als Heimweh auseinandergesetzt.47 Hervorzuheben ist hier insbesondere ein Aufsatz des Medizin- und Ideenhistorikers Jean Starobinski aus dem Jahr 1966. Starobinski endete damals mit der Beobachtung, dass der Begriff seine medizinische Bedeutung verloren habe, um eine gleichermaßen poetische wie pejorative anzunehmen. Hier gilt es, aus zeithistorischer Perspektive anzusetzen. Denn im selben Maße, wie Nostalgie von einer Krankheit zu einer temporalen Sehnsucht wurde, hat sie sich zum Topos der Kulturkritik entwickelt. In der jüngeren und jüngsten Geschichte lassen sich nicht nur verschiedene Konjunkturen des Begriffs, sondern auch seiner Repathologisierung nachzeichnen.48

Starobinski war auch der erste, der die Begriffsgeschichte als Methode für eine Geschichte der Gefühle empfahl – ein Zugang, der seither, meist ohne Referenz auf ihn, vielfach aufgegriffen worden ist. Mit der Emotionsgeschichte lässt sich erforschen, auf welchen emotionalen Praktiken Nostalgie beruhte und wie sie kommuniziert wurde.49 Konkret ist danach zu fragen, ob Nostalgie Teil der normativen Ordnung von Gefühlen seit den 1970er-Jahren war oder im Gegenteil als emotionales Refugium diente, in das sich jene zurückzogen, die mit dem allgemeinen Zwang zu Geschwindigkeit und Fortschritt nichts anfangen konnten. Auch die Frage nach einer Kommerzialisierung von Gefühlen stellt sich im Hinblick auf die Vergangenheitssehnsucht neu.50 Umgekehrt hält der Forschungsgegenstand Nostalgie der Geschichte der Gefühle einen Spiegel vor, wirft er doch die Frage auf, welche Rolle Emotionen im Umgang mit der Vergangenheit in der akademischen wie populären Geschichte spielen.

In diesem Themenheft geht Juliane Brauer deshalb aus einer emotionshistorischen Perspektive dem Parallelbegriff des Heimwehs nach, wobei sie aktuelle Heimatdiskurse einbezieht. Makoto Harris Takao wiederum verbindet Begriffs-, Gefühls- und Globalgeschichte, wenn er am Beispiel der Nostalgie die Praxis kritisiert, westliche Konzepte auf andere Weltregionen zu übertragen und dabei kulturelle Besonderheiten – hier: Japans – zum Verschwinden zu bringen. Dieser Ansatz ist umso wichtiger, als die Nostalgie-Forschung sich bisher fast ausschließlich auf den nordamerikanischen und europäischen Raum konzentriert und andere Weltregionen ausgespart hat.

Dies kritisiert auch Stefan Berger, der die bislang meist im lokalen oder nationalen Kontext betrachtete Verbindung von Deindustrialisierung und Nostalgie in einen transnationalen Rahmen einbettet. Darüber hinaus unterbreitet er einen differenzierten Vorschlag, wie Prozesse der Deindustrialisierung mithilfe von Konzepten aus der Erinnerungsforschung auf ihre nostalgischen Dynamiken hin erforscht werden können. Joanna Wawrzyniak unterscheidet ausgehend von Erinnerungen an die politischen und industriellen Transformationsprozesse in Polen verschiedene Formen des nostalgischen Rückblicks. Dabei stützt sie sich, wie auch Marcel Thomas, auf das Instrumentarium der Oral History, das neue Aufschlüsse für die Nostalgie-Forschung verspricht.

Mit der florierenden Zeit-Geschichte, also der Historisierung von Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit, lässt sich Nostalgie ebenfalls auf konstruktive Weise verbinden.51 Eine Historisierung des Nostalgischen kann von dieser Forschung profitieren – wie Nostalgie auch umgekehrt ein interessantes Fallbeispiel für sie sein kann. Denn Nostalgie stellt scheinbare Gewissheiten wie die Existenz eines geordneten, linearen und zielgerichteten Zeitstrahls in Frage. Indem sie zwei Momente, den erinnernden und den erinnerten, miteinander verbindet, verunsichert sie unser Zeitverständnis. Damit kann sie als Idealtypus dessen gedeutet werden, was Achim Landwehr als »Chronoferenz« bezeichnet hat, d.h. als Synchronisierung von Gegenwarten mit multiplen Vergangenheiten.52

Verstanden als Ausdruck einer »entrückten« Zeit schärft Nostalgie nicht zuletzt den Blick auf jene geschichtskulturellen Phänomene der Spätmoderne, die vom Versprechen einer »Zeitreise« leben. Die Vorstellung, historische Ereignisse oder Verhältnisse »vergegenwärtigen« zu können, ist insbesondere bei Praktiken der populären Geschichte anzutreffen, die auf eine körperlich-sinnliche bzw. immersive Aneignung der Vergangenheit abzielen – sei es im Tourismus, in Living-History-Inszenierungen bzw. Reenactments, in Retro-Ausstellungen, historischen Themenparks oder Computerspielen.53 Während geschichtsdidaktische und historische Analysen solcherlei Zeitsprünge in der Regel als Simulationen betrachten und ihre Aufmerksamkeit auf Fragen nach Faktentreue und Triftigkeit richten, finden sich in anderen Disziplinen, darunter Ethnologie, Archäologie, Theaterwissenschaften und Performance Studies, durchaus Ansätze, die das Reisen durch die Zeit als analytisches Konzept verstanden wissen wollen.54 Hier kann eine an Fragen der Authentizität interessierte Nostalgie-Forschung anknüpfen: Wie paart sich die Sehnsucht nach dem Vertrauten mit jener nach dem Echten? Und welche Folgen hat die spezifische Verschränkung von objekt- und subjektbezogenen Modi der Authentisierung für Evidenz und epistemische Autorität?

Damit sind einige Großperspektiven genannt, die andere Blickwinkel keineswegs ausschließen. Dieses Themenheft präferiert bewusst keinen bestimmten Ansatz und liefert keine eigene Definition von Nostalgie. Bei einem Begriff, der so viele Facetten von Bedeutungen hat, wäre dies ebenso zwecklos wie anmaßend. Vielmehr gibt das Heft einen Einblick in ein breites und dynamisches Forschungsfeld, das in Deutschland im Gegensatz zum anglophonen Raum immer noch ein Randdasein fristet. Dadurch möchten wir zu einer verstärkten Diskussion von Nostalgie als kulturellem wie politischem Phänomen, als Label und Kampfbegriff anregen.


Anmerkungen:

1 Simon Reynolds, Retromania. Warum Pop nicht von seiner Vergangenheit lassen kann. Aus dem Englischen von Chris Wilpert, Mainz 2012.

2 Siehe etwa Mark Fisher, Ghosts of My Life. Writings on Depression, Hauntology and Lost Futures, Winchester 2014; Owen Hatherley, The Ministry of Nostalgia, London 2016.

3 Valentin Groebner, Retroland. Geschichtstourismus und die Sehnsucht nach dem Authentischen, Frankfurt a.M. 2018.

4 Siehe etwa Anne Applebaum, Twilight of Democracy. The Seductive Lure of Authoritarianism, New York 2020; Masha Gessen, Putin and Trump’s Ominous Nostalgia for the Second World War, in: New Yorker, 10.5.2019; Edhem Eldem, Turkey’s False Nostalgia, in: New York Times, 16.4.2013; Elif Shafak, It’s Not Just Europe – Toxic Imperial Nostalgia Has Infected the World, in: Guardian, 10.12.2018; John Harris, ›A Politics of Nostalgia and Score-Settling‹: How Populism Dominated the 2010s, in: Guardian, 26.11.2019.

5 Zygmunt Bauman, Retrotopia. Aus dem Englischen von Frank Jakubzik, Berlin 2017.

6 Susan Vahabzadeh, Gutes von Gestern: Unterhaltung in Corona-Zeiten, in: Süddeutsche Zeitung, 9.4.2020; Oscar Rickett, We Were Already Knee-Deep in Nostalgia. Coronavirus Has Just Made It Worse, in: Guardian, 20.4.2020; Matt Johnson, The Psychology of Nostalgia During COVID-19, in: Psychology Today, 26.5.2020; Nicole Johnson, The Surprising Way Nostalgia Can Help Us Cope with the Pandemic, in: National Geographic, 21.7.2020.

7 Johannes Hofer, Dissertatio medica de nostalgia, oder Heimwehe, Basel 1688; zu Hofer siehe Klaus Brunnert, Nostalgie in der Geschichte der Medizin, Düsseldorf 1984; Simon Bunke, Heimweh. Studien zur Kultur- und Literaturgeschichte einer tödlichen Krankheit, Freiburg 2009; Thomas Dodman, What Nostalgia Was. War, Empire and the Time of a Deadly Emotion, Chicago 2018.

8 Achim Landwehr, Nostalgia and the Turbulence of Times, in: History and Theory 57 (2018), S. 251-268.

9 Dodman, What Nostalgia Was (Anm. 7).

10 In der deutschen Übersetzung von 1966 ist die Rede von »Heimweh nach der Vergangenheit«. Maurice Halbwachs, Les cadres sociaux de la mémoire, Paris 1925, S. 140-154; dt.: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. Übersetzt von Lutz Geldsetzer, Berlin 1966. Auch heute noch kennen französische Wörterbücher »nostalgie« primär als Sehnsucht, Nostalgie im englischen und deutschen Sinne hingegen nur als eine von mehreren möglichen Unterbedeutungen.

11 Susan J. Matt, Homesickness. An American History, Oxford 2011, S. 102f., S. 174.

12 Arthur Schlesinger Jr., The New Conservatism: Politics of Nostalgia, in: Reporter, 16.6.1955, S. 9-12.

13 Christopher Lasch, The True and Only Heaven. Progress and Its Critics, New York 1991, S. 117.

14 Vgl. Tobias Becker, The Meanings of Nostalgia: Genealogy and Critique, in: History and Theory 57 (2018), S. 234-250.

15 »Jene Sehnsucht nach den alten Tagen...«, in: Spiegel, 29.1.1973, S. 86-99; siehe auch Wolfgang Schivelbusch, Das nostalgische Syndrom. Überlegungen zu einem neueren antiquarischen Gefühl, in: Frankfurter Hefte 28 (1973), S. 270-276; Arnold Gehlen, Das entflohene Glück. Eine Deutung der Nostalgie, in: Merkur 30 (1976), S. 432-442; Dieter Baacke, Nostalgie: Ein Phänomen ohne Theorie, in: ebd., S. 442-452.

16 Siehe Becker, The Meanings of Nostalgia (Anm. 14), S. 241.

17 Alvin Toffler, Future Shock, London 1970, S. 407.

18 Ronald Inglehart, The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles among Western Publics, Princeton 1977, S. 371; Fred Davis, Yearning for Yesterday. A Sociology of Nostalgia, New York 1979, insbes. S. 104-108.

19 Siehe ebd., S. 104.

20 Hermann Lübbe, Geschichtsbegriff und Geschichtsinteresse. Analytik und Pragmatik der Historie, Basel 1977, S. 318; siehe auch ders., Zwischen Trend und Tradition. Überfordert uns die Gegenwart?, Zürich 1981, S. 11-15.

21 Olivia Angé/David Berliner, Introduction. Anthropology of Nostalgia – Anthropology as Nostalgia, in: dies. (Hg.), Anthropology and Nostalgia, New York 2015, S. 1-15, hier S. 1f.

22 Christian Meier, Am Ende der alten Bundesrepublik, in: Merkur 48 (1994), S. 561-572; siehe dazu Tobias Becker, Eine kleine Geschichte der Nostalgie, in: Merkur 72 (2018), S. 66-73.

23 Siehe auch Marcel Thomas, Local Lives, Parallel Histories. Villagers and Everyday Life in the Divided Germany, Oxford 2020.

24 Siehe Svetlana Boym, The Future of Nostalgia, New York 2001, insbes. S. 41-56.

25 Die Literatur ist zu umfassend, um hier auch nur ausschnittsweise wiedergegeben zu werden. Für einen Überblick siehe Katharina Niemeyer (Hg.), Media and Nostalgia. Yearning for the Past, Present and Future, Basingstoke 2014.

26 Siehe stellvertretend Helmut Illbruck, Nostalgia. Origins and Ends of an Unenlightened Disease, Evanston 2012; Angé/Berliner, Anthropology and Nostalgia (Anm. 21); Alastair Bonnett, The Geography of Nostalgia. Global and Local Perspectives on Modernity and Loss, London 2016.

27 Als Einstieg siehe auch »Nostalgie hilft«, in: Spiegel, 21.12.2019, S. 104-105 (Interview von Kerstin Kullmann mit Constantine Sedikides); Susanne Kippenberger, Weihnachten im Lockdown. Von der heilsamen Wirkung der Nostalgie, in: Tagesspiegel, 18.12.2020 (u.a. mit Zitaten von Tim Wildschut).

28 Siehe etwa Bauman, Retrotopia (Anm. 5); Mark Lilla, The Shipwrecked Mind. On Political Reaction, New York 2016; Sophie Gaston/Sacha Hilhorst, At Home in One’s Past. Nostalgia as a Cultural and Political Force in Britain, France and Germany, Cambridge 2018; Catherine E. de Vries/Isabell Hoffmann, The Power of the Past. How Nostalgia Shapes European Public Opinion, Bertelsmann Stiftung, eupinions 2018/2; Pippa Norris/Ronald Inglehart, Cultural Backlash. Trump, Brexit, and Authoritarian Populism, Cambridge 2019; Edoardo Campanella/Marta Dassù, Anglo Nostalgia. The Politics of Emotion in a Fractured West, London 2019; Applebaum, Twilight of Democracy (Anm. 4); Colin Crouch, Post-Democracy after the Crisis, Newark 2020, S. 91-117.

29 Siehe etwa Reinhart Koselleck, Wozu noch Historie? Vortrag auf dem Deutschen Historikertag in Köln am 4. April 1970, in: Wolfgang Hardtwig (Hg.), Über das Studium der Geschichte, München 1990, S. 347-365; Thomas Nipperdey, Wozu noch Geschichte? [1975], in: ebd., S. 366-388; Jürgen Kocka, Geschichte – wozu? [1975/89], in: ebd., S. 427-443.

30 Patrick Wright, On Living in an Old Country [1985], Oxford 2009; David Lowenthal, The Past is a Foreign Country, Cambridge 1985; Robert Hewison, The Heritage Industry. Britain in a Climate of Decline, London 1987; siehe dazu Robert Lumley, The Debate on Heritage Reviewed, in: Roger Miles/Lauro Zavala (Hg.), Towards the Museum of the Future. New European Perspectives, London 1994, S. 57-70; Peter Mandler, The Heritage Panic of the 1970s and 1980s in Great Britain, in: Peter Itzen/Christian Müller (Hg.), The Invention of Industrial Pasts. Heritage, Political Culture and Economic Debates in Great Britain and Germany, 1850–2010, Augsburg 2013, S. 58-69.

31 Charles S. Maier, The End of Longing? Notes toward a History of Postwar German National Longing, in: John S. Brady/Beverly Crawford/Sarah Elise Wiliarty (Hg.), The Postwar Transformation of Germany. Democracy, Prosperity, and Nationhood, Ann Arbor 1999, S. 271-285, hier S. 273; zur Nostalgie- und Heritage-Kritik siehe auch Michael Kammen, Mystic Chords of Memory. The Transformation of Tradition in American Culture, New York 1991.

33 Raphael Samuel, Theatres of Memory. Past and Present in Contemporary Culture, London 1994, S. 17.

34 David Lowenthal, The Past is a Foreign Country. Revisited, Cambridge 2015; Hans Ulrich Gumbrecht, Unsere breite Gegenwart, Berlin 2010; François Hartog, Regimes of Historicity. Presentism and Experiences of Time. Translated by Saskia Brown, New York 2015.

35 Dipesh Chakrabarty, Postcoloniality and the Artifice of History: Who Speaks for »Indian« Pasts?, in: Representations 37 (1992), S. 1-26, hier S. 1; Tony Judt, Postwar. A History of Europe since 1945, London 2007, S. 10; zu Nostalgie im (post-)kolonialen Kontext siehe etwa Patricia Lorcin, The Nostalgias for Empire, in: History and Theory 57 (2018), S. 269-285; Robert Gildea, Empires of the Mind. The Colonial Past and the Politics of the Present, Cambridge 2019.

36 Christopher Lasch, The True and Only Heaven. Progress and Its Critics, New York 1991, S. 118; siehe dort auch S. 82-118.

37 Ders., The Politics of Nostalgia: Losing History in the Mists of Ideology, in: Harper’s 269 (1984), S. 65-70, hier S. 69.

38 Frank Ankersmit, History and Tropology. The Rise and Fall of a Metaphor, Berkeley 1994, S. 182-238.

39 Siehe ebd., S. 205f.

40 Ebd., S. 212.

41 Siehe Pierre Nora, Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Aus dem Französischen von Wolfgang Kaiser, Frankfurt a.M. 1998; zu Nora und Nostalgie siehe u.a. Steven Englund, The Ghost of Nation Past, in: Journal of Modern History 64 (1992), S. 299-320; Stephen Legg, Contesting and Surviving Memory: Space, Nation, and Nostalgia in Les Lieux de Mémoire, in: Environment and Planning D: Society and Space 23 (2005), S. 481-504; Michael Rothberg, Introduction: Between Memory and Memory: From Lieux de mémoire to Noeuds de mémoire, in: Yale French Studies 118/119 (2010), S. 3-12.

42 Jay Winter, Notes on the Memory Boom: War, Remembrance and the Uses of the Past, in: Duncan Bell (Hg.), Memory, Trauma and World Politics. Reflections on the Relationship Between Past and Present, Basingstoke 2006, S. 54-73, hier S. 55; siehe auch Patrick H. Hutton, Reconsiderations of the Idea of Nostalgia in Contemporary Historical Writing, in: Historical Reflections 39 (2013) H. 3, S. 1-9, hier S. 1; siehe allerdings Emily Keightley/Michael Pickering, The Mnemonic Imagination. Remembering as Creative Practice, Basingstoke 2012.

43 Boym, The Future of Nostalgia (Anm. 24), S. xv; Peter Fritzsche, How Nostalgia Narrates Modernity, in: ders./Alon Confino (Hg.), The Work of Memory. New Directions in the Study of German Society and Culture, Urbana 2002, S. 62-85, hier S. 62.

44 Toffler, Future Shock (Anm. 17), insbes. S. 21-26; Hartmut Rosa, Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt a.M. 2005, S. 81.

45 Dominik Schrey, Analoge Nostalgie in der digitalen Medienkultur, Berlin 2017.

46 Zu vormodernen Zeitkonzepten siehe Rudolf Wendorff, Zeit und Kultur. Geschichte des Zeitbewußtseins in Europa, Wiesbaden 1980; G.J. Whitrow, Time in History. Views of Time from Prehistory to the Present Day, Oxford 1988; Arno Borst, Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas, Berlin 1990.

47 Jean Starobinski, The Idea of Nostalgia, in: Diogenes 54 (1966), S. 81-103. Siehe auch Brunnert, Nostalgie in der Geschichte der Medizin (Anm. 7); Michael S. Roth, Remembering Forgetting: Maladies de la Mémoire in 19th-Century France, in: Representations 26 (1989), S. 49-68; ders., Dying of the Past: Medical Studies of Nostalgia in Nineteenth-Century France, in: History and Memory 3 (1991) H. 1, S. 5-29; ders., The Time of Nostalgia: Medicine, History and Normality in 19th-Century France, in: Time and Society 1 (1992), S. 271-286; Lisa Gabrielle O’Sullivan, Dying for Home. The Medicine and Politics of Nostalgia in Nineteenth Century France, PhD Queen Mary University of London 2006; Bunke, Heimweh (Anm. 7); Matt, Homesickness (Anm. 11); Dodman, What Nostalgia Was (Anm. 7).

48 Schrey, Analoge Nostalgie (Anm. 45), S. 57-82.

49 Siehe dazu Jan Plamper, Geschichte und Gefühl. Grundlagen der Emotionsgeschichte, München 2012.

50 Siehe ebd., S. 257-262; Eva Illouz, Gefühle in Zeiten des Kapitalismus. Aus dem Englischen von Martin Hartmann, Frankfurt a.M. 2007.

51 Vgl. etwa Hartog, Regimes of Historicity (Anm. 34); Aleida Assmann, Ist die Zeit aus den Fugen? Aufstieg und Fall des Zeitregimes der Moderne, München 2013; Achim Landwehr, Die Geburt der Gegenwart. Eine Geschichte der Zeit im 17. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2014; ders., Die anwesende Abwesenheit der Vergangenheit. Essays zur Geschichtstheorie, Frankfurt a.M. 2016; Fernando Esposito (Hg.), Zeitenwandel. Transformationen geschichtlicher Zeitlichkeit nach dem Boom, Göttingen 2017.

52 Landwehr, Die anwesende Abwesenheit der Vergangenheit (Anm. 51), S. 149-165; ders., Nostalgia and the Turbulence of Times (Anm. 8).

53 Vgl. zum Geschichtstourismus Sabine Stach, Geschichtstourismus, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 10.7.2020; zum Reenactment jüngst Ulrike Jureit, Magie des Authentischen. Das Nachleben von Krieg und Gewalt im Reenactment, Göttingen 2020. Siehe auch Michael Fenske, Abenteuer Geschichte. Zeitreisen in der Spätmoderne. Reisefieber Richtung Vergangenheit, in: Wolfgang Hardtwig/Alexander Schug (Hg.), History Sells! Angewandte Geschichte als Wissenschaft und Markt, Stuttgart 2009, S. 79-90.

54 Cornelius Holtorf, Introduction, in: ders./Bodil Petersson (Hg.), The Archaeology of Time Travel. Experiencing the Past in the 21st Century, Oxford 2017, S. 1-22, hier S. 1.

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