- Zeitregime und Historizität der Lager
- Calais: Langsamkeit des Beziehungsaufbaus, Brutalität der Abschiebung
[Übersetzung von Marcel Streng. Dieser Beitrag ist die um ein Postskript ergänzte deutsche Version des Textes: Urgence et Attente. Enquête sur le temps dans les camps contemporains, in: Écrire l’histoire 16 (2016), S. 175-183. Wir danken der Redaktion für die freundliche Erlaubnis zur Übersetzung.]
Bilder von Flüchtlingslagern rufen in der Regel emotionale Reaktionen, ja Bestürzung über die enormen Ausmaße dieser prekären Einrichtungen hervor. Manchmal führen sie gar zur Frage, ob und wie diese Orte überhaupt existieren können. Bei der Betrachtung von Fotos und der gesamten Bildwelt der Flüchtlingslager stellen sich spontan Assoziationen ein: materielle Not, eine offensichtlich nur provisorische Organisation der Räume, schwach ausgeprägte Spuren, die das Lager als Form von der natürlichen Umgebung und dem Boden kaum abheben. All dies vermittelt den Eindruck, dass morgen bereits verschwunden sein könnte, was uns heute vor Augen steht. Wir werden von einem Gefühl der Unwirklichkeit ergriffen, das mit der europäischen Geschichte verknüpft ist, mit den in Europa vorherrschenden Normen der Raumorganisation und den Lebensweisen des Westens. Dieses Gefühl legt eine bestimmte Einordnung nahe. Es mischt sich mit einer von den Themen Ausnahmezustand und Thanatopolitik geprägten Vorstellung des Lagers. Manche Sozialwissenschaftler/innen, Journalist/innen und Fotograf/innen haben sich von dieser stark vereinfachenden Repräsentation täuschen lassen und die Lager der Gegenwart vor dem Hintergrund der Shoah betrachtet.[1] Global gesehen, ist die Wirklichkeit der Lager des 21. Jahrhunderts jedoch wesentlich komplexer und ambivalenter. Einerseits muss das Modell der Ausnahme relativiert werden durch die sowohl globale als auch lokale Kontextualisierung der Lager – selbst wenn sich die für die Sicherheit verantwortlichen oder humanitären Mächte gern von diesem Modell inspirieren lassen.[2] Andererseits prallen im Alltag der Flüchtlingslager zwei unterschiedliche Zeitregime aufeinander, ereignet sich gleichsam ein Schock zwischen der Langsamkeit des Alltags der Ein-Gelagerten (encampés)[3] und der von der humanitären Dringlichkeit bzw. der Brutalität der Sicherheitseinsätze verursachten Hektik und Betriebsamkeit (urgentisme). Aus diesem Grund sind Spannung und Ungewissheit stets Teil des Handelns, der Sinnzuschreibung solcher Orte und ihrer Zukunft.
1. Zeitregime und Historizität der Lager
Die Unsicherheit über den Sinn und die Effekte dieser prekären Einrichtungen kann für uns aber auch Anlass sein, das Exemplarische der Flüchtlingslager der Gegenwart wahrzunehmen. Dann geht es mehr darum zu verstehen, was sie selbst hervorbringen – und zwar mit dem Ziel, genauer zu erkennen, was sie uns über die Welt sagen, d.h. wir müssen uns Fragen über die Wirklichkeit dessen stellen, was wir hier und heute sehen. Ethnograph/innen etwa interessieren sich für folgende Fragen über den Lageralltag: Ist dieser Ort, ist dieser Augenblick nur transitorisch, ein offener Moment zwischen zwei tatsächlichen Wirklichkeiten (jener des Verlassens oder der »Herkunft« und jener der Rückkehr oder des Werdens)? Löst sich diese Realität irgendwann auf, oder wird sie sich auf die eine oder andere Weise verlängern, sich reproduzieren? Die Frage der Reproduktion beschäftigt Anthropolog/innen unablässig, ja, gleichsam berufsbedingt. Stets beruht ihre Lektüre des Sozialen auf der Beobachtung der alltäglichen Gegenwart oder des außergewöhnlichen Ereignisses. Gleichzeitig werden dabei aber auch jene Prozesse berücksichtigt, die diese Gegenwart und diese Ereignisse in einem offenen Zeithorizont hervorbringen und auflösen. Es geht mit anderen Worten darum, die Historizität der Prozesse jeweils innerhalb ihres konkreten Kontextes aufzuspüren. Denn was erlaubt es den Anthropolog/innen, vor dem Hintergrund ihrer Beobachtungen im Forschungsfeld, in dem sie sich als Zeitgenoss/innen bewegen und eo ipso über die wahre, selbst beobachtete und erlebte Realität berichten können, was also erlaubt es ihnen zu behaupten, dass etwas in der sozialen Welt existieren, sich in ihr einrichten, Anerkennung erfahren und sich jenseits des Individuums sozial reproduzieren wird? Die Lager der Gegenwart stellen in dieser Hinsicht ein Modell der paradoxen Formierung sozialer und räumlicher Existenzrahmen dar, im weiten Sinn ein Modell der fundamentalen Ungewissheit der Realität. Diese Ungewissheit kann die Form einer sich ausdehnenden Gegenwart annehmen, ohne dass man sagen könnte, welche Bedeutung des Ortes sich in dieser Dauer herausbildet (oder nicht).
Zeitlichkeit ist jedoch hinsichtlich der Konstitution aktueller Fakten generell ein Problem. Angesichts eines prekären Lebens und einer ebenso ungewissen Situation wird die Möglichkeit der Dauer zum Hauptanhaltspunkt für das sinnliche Erfassen der Wirklichkeit. Insofern sind das Leben der Flüchtlinge und die Situation der Lager mehr als nur ein Beispiel unter vielen, sie stellen vielmehr das Modell einer fundamentalen Ungewissheit dar. Es handelt sich um Räume und Bevölkerungen, die im Modus der Dringlichkeit und der Ausnahme verwaltet werden, in denen die Zeit gleichsam für eine unbestimmte Dauer stehengeblieben ist. Ein Lager ist – theoretisch – eine für Monate, Jahre, ja für 10 bis 15 oder mehr Jahre in den »Stand-by«-Modus versetzte Nothilfemaßnahme – so etwa im Fall der sudanesischen, liberischen oder guineanischen Lager; für nun schon 25 Jahre im Fall der somalischen Flüchtlinge in Kenia; für fast 40 Jahre im Fall der Flüchtlingslager der Sahraouis in Algerien und der angolanischen Flüchtlinge in Sambia; für mehr als 65 Jahre im Fall der palästinensischen Flüchtlinge, die in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens in Lager-Städten leben, an deren Rändern sich nun wiederum andere Flüchtlinge – aus dem Irak, aus Syrien oder dem Sudan – einzurichten beginnen. Das Warten wird in all diesen Lagern zu einer unendlichen Gegenwart. Wollte man diese Räume auf einen gemeinsamen Begriff bringen, könnte man sie als »Wartezone« bezeichnen.
Gegenüber der Eigenzeit der Flüchtlingslager gibt es zwei entgegengesetzte Haltungen. Die eine unterstellt, dass die Flüchtlinge auf ihre Rückkehr warten. Das Exil geht zur Gänze in der seltsamen und schwermütigen Empfindung einer »langen Schlaflosigkeit«[4] auf. Die Zeit scheint durch das Warten auf die Rückkehr konfiguriert zu sein: Rückkehr zum verlorenen Ort, dessen Erinnerung der Exilierte wachhält, Rückkehr in die Vergangenheit, die durch die Biographie jedes einzelnen unmöglich geworden ist… Während des Wartens auf die Rückkehr existiert nicht, was man im Lager erlebt, es hat gar keinen Sinn – außer vielleicht den, das Verlangen nach Rückkehr durch das tägliche Leid zu legitimieren, als persönliche Klage oder kollektive Forderung. Diese Haltung wird etwa durch die Figur des palästinensischen Flüchtlings verkörpert. Sie bezieht sich auf die Erinnerung an die Nakba (die »Katastrophe« des Zwangsexils von 1948), auf den Vorrang des »Herkunftslandes« gegenüber dem »Exilland« und auf eine nicht hinnehmbare Gegenwart, die als Abwesenheit des anderen Ortes und als Erwartung der Großen Rückkehr begriffen wird. In dieser Perspektive ist der Flüchtling ein vollständig »Abwesender«[5] – er ist sowohl in der verlorenen Heimat abwesend als auch in der Gegenwart. Erwartung und Abwesenheit füllen seine Vorstellungswelt vollkommen aus – und doch wird dies alles in der Wirklichkeit des Lagers und der Gegenwart gedacht, in der es sich ereignet.
Darüber hinaus können Erwartung und Abwesenheit auch selbst den Kern des Engagements konstituieren, mit dem sich die ein-gelagerten Bevölkerungen auf das materielle Leben des Lagers einlassen. Tatsächlich schafft es ihre Politik der Gegenwart, der theoretisch oder »ontologisch« ungewissen Realität des Lagers einen starken, anthropologischen Sinn zu verleihen. In den vier seit 1976 im südalgerischen Tindouf eingerichteten Flüchtlingslagern stieg die Zahl der anfangs 50.000 Flüchtlinge bis 2002 auf 155.000, heute sind es mehr als 200.000. Hier überlagern sich drei verschiedene Territorien: erstens das Gebiet der Lager selbst, zweitens das einer Gesellschaft im Schwebezustand und drittens das eines Staates im Exil, der die politische Konstitution des Lebens nach der Rückkehr vorbereitet. Einerseits verleiht das große Warten sowohl der angehaltenen Zeit des individuellen Alltags als auch der historischen Zeit der exilierten westsaharischen Identität Sinn. Andererseits bestärkt das »dem wechselhaften Glück der Ankunft humanitärer Hilfe, […] Gas, Nahrung […] und Wasser ausgesetzte« Warten im Alltag auch diese allgemeine Erwartung.[6] Dies schlägt sich in der Anlage der Behausungen nieder. Auch wenn sich die Wohnverhältnisse über die Jahrzehnte beträchtlich verändert haben, etwa in den 1990er-Jahren Gebäude aus Sandziegeln errichtet wurden, bleibt das Zelt im Hof eines Gebäudes stehen – als Symbol für die Perspektive der Rückkehr und als Zeichen der Prekarität, als beharrliche Symbolik des Provisorischen. Die Abwesenheit (dort) und das Warten (hier) werden als politische Prinzipien und Grundlagen der Gegenwart eingesetzt. Die verlorene Heimat wird zurückgefordert, aber zugleich in die Toponymie der Lager von Tindouf transkribiert. Umgekehrt ist das Lager auch ein »territoriales Experiment« des im Werden begriffenen Staates West-Sahara, das sich nicht nur auf den Raum der gegenwärtigen Lager bezieht, sondern auch auf die erwartete Reproduktion dieses Raumes nach der Rückeroberung der westlichen Sahara.[7] Die symbolische und politische Logik kehrt sich hier gleichsam um – und genau in diesem Moment wird deutlich, dass das Lager die Forderung nach einem westsaharischen Staat selbst hervorbringt und stützt. Dadurch erzeugt es eine gegenwärtige Wirklichkeit, die aus dem Lagerkomplex von Tindouf einen mit Sinn, Beziehungsgefüge und Erinnerung versehenen anthropologischen Ort macht.[8]
Der zweiten Haltung liegt ein pragmatisches Verständnis des Zeitregimes im Lager zugrunde. Sie geht davon aus, dass der Exilant überleben muss, dass er ein Alltagsleben führt, Bekanntschaften macht, seine Existenz organisiert. Wenn sich die Gegenwart ausdehnt, entsteht zwar eine reale Zeit, aber sie ist immer noch nichts anderes als eine andauernde Gegenwart, es gibt weder Vergangenheit noch Zukunft. Der Nothilfeinterventionismus (urgentisme) ist in diesem Sinn jene Ideologie bzw. Politik, die der Existenz der Lager zugrunde liegt und sie regiert – unabhängig davon, ob sie erklärtermaßen humanitären Zielen oder Sicherheitszwecken dient. Es handelt sich dabei um eine Präsenz der Körper und der materiellen Einrichtungen, die im Gegensatz zur Vorstellungswelt der im Exil empfundenen Abwesenheit zwar als konkrete Evidenz zu fassen ist, aber keine eigenen zeiträumlichen Bezugspunkte hat. Was mag das auf Dauer für ein Raum sein? Mit ihren provisorischen, immer öfter in Leichtbauweise konstruierten Bauten, die ebenso schnell ab- wie aufgebaut, die verlegt und anderswo wiedererrichtet werden können, stehen die Lager exemplarisch für eine ephemere Architektur... In den jüngst eingerichteten offiziellen Lagern (etwa in New Orleans, Zaatari oder Calais) sind der Wohnwagen, der Container und das mobile home im Begriff, das Zelt oder die Hütte mit Plastikdach zu verdrängen – Behausungen, mit denen das UNHCR gewöhnlich arbeitet. Die Flüchtlingslager sind mithin Orte, an denen sich eine »Architektur ohne Grenzen« bzw. eine sogenannte Nothilfe-Architektur entwickelt. Es entsteht aber auch eine Ökonomie der immer komplexeren, professionelleren und auf Dauer angelegten humanitären Logistik: Ein Markt, Technologien und Kompetenzen breiten sich aus und ermöglichen es, Notunterkünfte, Baumaterialien, Infrastrukturen, Verpflegung und Versorgung, medizinische und sanitäre Anlagen als ephemere, wegwerf- und austauschbare Formen zu entwerfen. Das macht sie zum Ausdruck eines zugespitzten, dauerhafte Wirklichkeit gewordenen »Präsentismus« – einer Ideologie, die unsere Welt zunehmend erobert und sowohl die Funktion als auch den Sinn leugnet, den Räume auf Dauer erwerben und ins Gedächtnis ihrer Bewohner einschreiben.[9] Der Nothilfeinterventionismus sowie die Lager als Deklinationsformen des präsentistischen Denk- und Handlungsregimes beruhen dagegen auf der Annahme, dass sich legitimerweise kein kollektives Gedächtnis des »Ortes« bilden kann, geht es doch nur darum, darauf zu warten, diesen wieder zu verlassen; dass von diesem Ort niemals eine eigene Geschichte geschrieben wird; dass keine »Ruine« davon erhalten bleiben und Wertschätzung erfahren wird.
Im Alltag der Lager führen der Nothilfeauftrag der einen und die Wartepflicht der anderen zu einem merkwürdigen Ballett. Von den Mitarbeiter/innen der internationalen NGOs verlangt ihr Einsatz, immer etwas Dringendes zu tun zu haben. Geländewagen kurven geschäftig auf den wenigen befahrbaren Wegen herum, Walkie-Talkies sind immer auf Empfang, rauschen und knacken ohne Unterlass; und die »freiwilligen Helfer/innen« bedauern sehr, dass sie für mehr oder weniger nette Gespräche mit den Flüchtlingen keine Zeit haben… Ihre Betriebsamkeit steht in scharfem Kontrast zur Langsamkeit, die den Rhythmus der Flüchtlinge charakterisiert. Dabei ist diese nur die sichtbare Form mehrerer möglicher Zustände: Leiden, Langeweile oder eine Melancholie, die mit dem Verlust des Heimatortes und der ungewissen Zukunft zusammenhängt; das Entstehen neuer Kontakte und Bindungen vor Ort; der Umbau der Unterkünfte. In der schwebenden Gegenwart des Lagerlebens treffen also zwei Gruppen aufeinander: humanitäre »Expats« auf der einen Seite, die sich während ihrer (drei oder sechs Monate dauernden) »Mission« in einem endlosen Ausnahmezustand befinden und immer irgendwo zu tun haben, und auf der anderen Seite die für wesentlich längere Zeit ein-gelagerten »Flüchtlinge«, die versuchen, sich an diesen hybriden Orten und in der Langsamkeit zurechtzufinden.
Die Bedeutungsleere, die am Anfang der Lager vorherrscht, ist noch stärker spürbar – und der Beobachter wird von ihr noch stärker ergriffen –, wenn es nichts gibt, was sie auszufüllen vermag, nicht einmal einen voll entfalteten Exilgedanken, wie er etwa noch Palästinensern und Sahraouis zugeschrieben wird. In diesem begründen Erwartung und Abwesenheit ein Dasein und können zum Ausgangspunkt einer nationalistischen oder Minderheitenideologie werden, mit welcher die Leere des Präsentismus überwunden werden kann. Alles scheint sich in der langen Parenthese des Lebens im Flüchtlingslager zu erschöpfen. Und dennoch entsteht in diesem Dazwischen Stück für Stück soziales Leben: im Übergang vom Unterstand zur Hütte, vom Unterschlupf mit Plastikdach zur Unterkunft mit festen Wänden und Decken, von Massen- zu Einzelzelten, in den Warteschlangen vor dem Eingang zu den Buschkliniken der »Ärzte ohne Grenzen« oder an den Verteilungsstellen des Welternährungsprogramms. Ausgehend von diesen winzigen, kaum wahrnehmbaren Dingen, von ihrer Wiederholung und Veränderung formiert sich in einem für provisorisch gehaltenen Rahmen, in einem simplen logistischen Artefakt eine voll eingerichtete, habituelle und Bedeutungen generierende Wirklichkeit, die ins Zentrum der anthropologischen Problematik des Lagers führt. Denn von diesem Punkt aus kann die Historizität anerkannt werden, die jenseits der erwähnten Zeitregime des Wartens einerseits, der Nothilfe und ihrer Konflikte andererseits liegt. Wenn letztere andauern, wenn sie sich ausbreiten, ist es geboten, sie jenseits der offensichtlichen und unmittelbaren Funktion zu betrachten. Dann sollte untersucht werden, womit sich der Raum des Wartens langsam, Tag für Tag füllt. Es gibt Tausende Camps, Zeltlager und Transitzentren oder -zonen. 2016 beherbergten sie fast 20 Millionen Menschen auf der ganzen Welt; sie stellen eine der Hauptkomponenten der globalen »Governance« dar – sowie darüber hinaus einer künftigen Weltgesellschaft. Und sie sind der Ort des sozialen und politischen Alltagslebens eines ständig wachsenden Teils der Weltbevölkerung – von Flüchtlingen, Displaced Persons im Inland, sogenannten »illegalen« Migrant/innen, deren dauerhafte Präsenz das Problem ihrer sozialen Anerkennung und ihres Platzes in der Welt aufwirft.
Über die Lager zu sprechen, sie öffentlich sichtbar zu machen, sich in ihnen zu bewegen heißt auch, sie aus ihrer Nicht-Existenz, aus ihrem Nicht-Sinn herauszuführen und als zutiefst hybride und lebendige Milieus zu vergesellschaften. Vielleicht ist das der Minimaleffekt einer öffentlichen Anthropologie, zugleich aber auch ihre besondere Schwierigkeit: ein Phänomen zu beschreiben, das sich gerade jenseits der Summe seiner einzelnen lokalen Manifestationen formiert und mithilfe kollektiver Untersuchungsdispositive – Global Ethnography bzw. Multi-Sited Ethnography[10] – über die sozialen, kulturellen und politischen, stets lokalen Effekte der Ein-Lagerung der Welt zu berichten, die wie eine Grundströmung alle Spannungen und alle Konflikte der Gegenwart durchzieht. Jedes beobachtete Lager kann außerdem dadurch relativiert werden, dass seine Genese rekonstruiert wird, denn dann wird deutlich, dass es auch anders hätte kommen können, ja, dass es heute noch immer anders sein könnte. In dieser Hinsicht können Anthropolog/innen das, was in Europa 2015 als »Einwanderungs-« oder »Flüchtlingskrise« bezeichnet wurde – und besonders das Schicksal der Migrant/innen von Calais – als Fall untersuchen. Seine Beispielhaftigkeit zu verstehen, daraus zu lernen, kann dazu beitragen, die sich formierende Welt von morgen jenseits von »Scham« oder Empörung darüber zu denken, dass »wir« nun von dieser Wirklichkeit vermeintlich direkt betroffen sind und nicht mehr nur andere, weit entfernte Teile der Welt.
2. Calais: Langsamkeit des Beziehungsaufbaus,
Brutalität der Abschiebung
Die von starker Medienresonanz begleitete Räumung des Zentrums des Roten Kreuzes in Sangatte 2002 durch den damaligen Innenminister Nicolas Sarkozy zielte darauf ab, die Sichtbarkeit zu beenden, die der »Hangar von Sangatte« mittlerweile erreicht hatte und die das makellose Bild eines demokratisch verfassten Landes störte. Die auf der Durchreise befindlichen, systematisch zurückgewiesenen und bisweilen in der Region umherirrenden Migrant/innen sammelten sich daraufhin in kleinen, informellen Zeltlagern oder besetzten, leerstehenden Häusern, die innerhalb der größeren Städte oder in deren Umgebung lagen, besonders in Calais. Das 2002 in dieser Stadt errichtete Camp der afghanischen Migrant/innen wurde im Oktober 2009 ebenfalls geräumt und zerstört. In den sieben Jahren seines Bestehens gewährte dieser vor den Toren von Calais gelegene »Dschungel« bis zu 600 Personen Unterkunft – was für diese Art von Camp eine sehr hohe Zahl darstellt: ein Unterschlupf, wie es auf der Welt Tausende gibt, von Migrant/innen so rasch gebaut, wie man ein leerstehendes Haus »besetzt«. Solche Camps entstanden in den winzigen Zwischenräumen der Städte oder entlang der Grenzen, oder an beiden Orten zugleich wie im Fall von Calais. In ihnen fand man sich aus Mangel an Unterkünften zusammen, um gemeinsam die Ränder des bewohnten Raumes zu besetzen: Kais, Parks, Plätze, Brachgelände, leerstehende oder aufgegebene Häuser. Die Bewohner/innen dieser Zufluchtsorte konnten, wie in Calais und anderen nahegelegenen Kleinstädten, auf die solidarische Unterstützung durch einige Einwohner/innen hoffen: Essens-, Kleidungs-, Schuhspenden, medizinische Behandlung, Information und konkrete Hilfe bei administrativen Verfahren, Spracherwerb etc. Auf diese Weise entstanden etwa 20 Vereine (oder Ortsvereine nationaler Verbände), die sich anschließend zur Plateforme de Services aux Migrants zusammenschlossen.
Das im April 2015 eingerichtete offizielle Lager bereitete den kleinen Camps im öffentlichen Raum und den Hausbesetzungen ein Ende und eröffnete eine völlig neue Etappe. War der Hangar von Sangatte (1999–2002) ein vom Roten Kreuz geführtes Durchgangslager gewesen, der »Dschungel« (2002–2009) dann eine von den Migrant/innen selbst etablierte und geleitete Zufluchtsstätte, so handelte es sich nun um ein echtes Sammellager, das im April 2015 auf Beschluss des Staates errichtet wurde. In einem sieben Kilometer von der Stadt entfernten Sumpfgebiet gelegen, mit schlimmsten sanitären Bedingungen, sollten Migrant/innen kollektiv nur noch an diesen Ort »transferiert« und nur noch dort »geduldet« werden, wie es in den offiziellen Verlautbarungen hieß.
Was dann geschah, veranschaulicht eine Vorgehensweise, die in den Sphären der globalen Mobilität immer mehr Verbreitung findet. Diese passt sich an prekäre Situationen an und verändert sie zugleich durch die Anpassung, ja, macht sie manchmal sogar bewohnbar. Tatsächlich begannen die Bewohner/innen mit Hilfe lokaler Vereine und der Unterstützung einzelner Helfer/innen aus ganz Europa (aus anderen Städten Frankreichs, Belgiens, der Niederlande, Deutschlands und vor allem Großbritanniens) damit, das Lager in einen lebensfähigen, zunehmend besser eingerichteten und sichtbaren Ort zu verwandeln. Sie veränderten die Unterkünfte, schufen Räume für die Religionsausübung, für Zusammenkünfte, Verpflegung, Bildung und Kultur und machten dadurch aus dem Lager binnen weniger Monate ein urbanes Gebiet, dessen Einwohnerzahl im Februar 2016 etwa 7.000 Personen erreichte. Das war freilich von der offiziellen Ankündigung (im April 2015), die Migrant/innen durch ihre Evakuierung und den Transfer in diese Zone verschwinden zu lassen, weit entfernt. Es stellte sich vielmehr ein Machtkampf ein, in dem der Staat – zumindest eine Zeit lang – die Oberhand verlor. Die Lagerbewohner/innen »vergaßen« ihrerseits zuweilen, nachts den Sattelschleppern nachzulaufen, die sie illegal nach England bringen sollten – immerhin der Hauptgrund ihrer Anwesenheit –, weil es ihnen an diesem Ort besser ging. Hier traf schließlich der Begriff »Slum« besser zu als derjenige des »Lagers«, denn wie die meisten auf Dauer eingerichteten Lager an anderen Orten der Welt begann auch dieses zu dem Entwurf einer Stadt zu werden. Mit diesem Lager-Slum erfanden die Migrant/innen für sich selbst in Frankreich die gastfreundliche Stadt, die ihnen die Regierung verwehrte.
Das war es, worauf der Staat letztlich reagierte. Einerseits errichtete er mit einem Container-Lager auf einem zuvor planierten Teil der Zone gewissermaßen ein Lager im Lager, um dort 1.500 Personen unterzubringen. Dieser Teil diente explizit sicherheitsbezogenen Funktionen (Wachpersonal in großer Zahl, Absperrgitter, Drehkreuze an den Toren, Eingangskontrollen durch Handflächenauthentifizierung). Andererseits ließ der Staat im März 2016 den südlichen, zum Slum gewordenen Teil des Lagers räumen, in dem zu diesem Zeitpunkt rund 3.000 Migrant/innen lebten (d.h. fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung des Lagers), und eliminierte so die an diesem unwahrscheinlichen Ort aufkeimenden Anzeichen für Vergesellschaftung. Diese von den Migrant/innen und zum Teil auch von den zahlreichen Besucher/innen des Ortes (»Helfer/innen«, politischen Aktivist/innen und Mitgliedern lokaler Vereine, Journalist/innen etc.) transformierte und immer stärker angeeignete, ja bewohnte Zone war einerseits der Ort, an dem der Staat die Kontrolle verlor. Andererseits war dort paradoxerweise eine Form von Zuflucht für manche Migrant/innen geschaffen und akzeptiert worden, die ja eigentlich nur dorthin gekommen waren, um nach Großbritannien zu gelangen.
Im Lager-Slum von Calais ereigneten sich nämlich in wenigen Monaten – sicher minimale, aber dennoch reale – Phänomene einer sozialen Gestaltung des Raumes, der Vergesellschaftung, des Austausches mit den Einheimischen und der Politisierung der Bewohner/innen. Diese Phänomene sind in den Lagern der Gegenwart generell anzutreffen; meistens entwickeln sich die verschiedenen Merkmale allerdings langsamer, weil die Isolation größer ist und es wesentlich weniger Ressourcen gibt. In Calais hat sich eine Zeit sozialer Beziehungen eingestellt, zwischen den aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Pakistan, Eritrea oder dem Sudan gekommenen Migrant/innen einerseits und Europäer/innen jedes Alters andererseits – Mitgliedern christlicher oder linker Gruppierungen oder unabhängige »Helfer/innen«, die für ein paar Tage kamen, nachdem über das Internet Kontakt entstanden war. Die verlangsamte Zeit der Gespräche, des Übersetzens, des Lernens, des Bauens hat sich für mehrere Monate gegen die brutale Zeit der polizeilichen Sicherheitseingriffe behauptet, die schließlich und offensichtlich den Sieg davontrugen, als sie mit Gewalt die Teilräumung des Ortes durchsetzten.
Wie es alle Welt voraussah, sind die Migrant/innen dennoch nicht verschwunden. Die einen sind in den heute noch existierenden nördlichen Teil des Lagers zusammengerückt, die anderen sind in die Camps und Lager der übrigen Ortschaften der Region gezogen (Grand-Synthe, Angres, Norrent-Fontes, Steenvoorde); oder sie haben Zuflucht in leerstehenden Häusern in Calais gesucht und damit – gleich einem déjà-vu – einen Zyklus des Umherirrens neu begonnen…
In der letzten Oktoberwoche des Jahres 2016 wurde der »Dschungel« von Calais vollständig geräumt und zerstört. Anfang 2017 stellten die Hilfsvereine allerdings fest, dass Migrant/innen in die Region von Calais und Dunkerque zurückgekehrt waren. Wenige Monate später bekräftigte der Innenminister der nach den Präsidentschaftswahlen von Mai 2017 neu gebildeten Regierung, der Sozialist Gérard Colomb, dass für ihn die Verhinderung jeglicher Niederlassung von Migrant/innen in Calais und entlang der Küste Priorität habe. Allen Gerichtsentscheiden zum Trotz, die dem Staat auferlegten, für die Einrichtung von Wasseranschlüssen und Duschen zu sorgen sowie die Verteilung von Nahrungsmitteln durch Vereine zu erlauben, überwog vor Ort die Anweisung, die Migrant/innen zu vertreiben. Die Vorgabe des Innenministeriums äußerte sich in schikanösen Praktiken gegenüber den Migrant/innen, in der Konfiszierung von Schlafsäcken oder dem Einsatz von Tränengas, um die Menschen zum Gehen zu zwingen oder die Mahlzeiten ungenießbar zu machen. Im August 2017 befanden sich noch rund 750 Migrant/innen in Calais, hauptsächlich junge Männer aus Afghanistan, Äthiopien und Eritrea. Nachts zogen sie sich in die Wälder zurück und bildeten dort kleine, kurzlebige »Dschungel«.
Calais ist seit Jahrhunderten Grenzstadt. Wie viele andere Grenzstädte auch erlebt der Ort seit etwa 15 Jahren, wie in seinem Zentrum, am Stadtrand oder in der weiteren Umgebung Häuser besetzt werden, Lager und »Dschungel« entstehen, vergehen und wieder neu entstehen. Von der Insel Lesbos bis Ventimiglia und Calais sind die Migrationsrouten mit Lagern, Camps und Unterschlupfen übersät, deren Bestandsverzeichnis jeden Tag aktualisiert werden muss.[11] Ihre Untersuchung zeigt einen ständigen Wechsel zwischen Ein-Lagerung und Zerstreuung, den man auch in der Geschichte der Lager und Camps in der Region von Calais seit den frühen 1990er-Jahren antrifft. Auf diese Weise entwickelt sich eine Form von Welt, in welcher die Lager einen Platz für sich haben, einen Ort, der zugleich nach lokaler und globaler Untersuchung heischt, nach kritischer Reflexion und Lösungen in und jenseits der Lager-Form. Als zugleich soziale und räumliche Wirklichkeit wird die Lager-Form in der Regel mit Immobilität assoziiert, genauer: mit der Immobilisierung von Menschen in Bewegung. In jedem Fall ist es eine lokale, nationale oder internationale, über ein Territorium gebietende Behörde, die beschließt, Menschen für eine mehr oder weniger lange Zeit in dieser oder jener Lager-Form unterzubringen oder sie zu zwingen, sich selbst dorthin zu begeben.
Das Gelände hebt sich von seiner Umwelt durch drei Merkmale ab: Extraterritorialität, d.h. ein eigener Raum wird physisch abgegrenzt; Ausnahme, d.h. ein juridisch-politisches Sonderregime setzt die Bürgerrechte außer Kraft; und Exklusion, d.h. die ein-gelagerte Bevölkerung wird an den Rändern der Gesellschaft festgehalten oder dorthin gedrängt.[12] Die Ein-Lagerung zeigt und verbirgt also zugleich die Existenz einer Überschuss-Bevölkerung, einer Bevölkerung, die gleichsam zu viel ist, die in der Summe der Staaten als Rest übrigbleibt. Genau dies war das Ergebnis des Abkommens von Le Touquet zwischen Frankreich und Großbritannien im Jahr 2003, das vorsah, in den beiden Nachbarstaaten eine migrantische Bevölkerung zurückzuweisen, die sich dann buchstäblich zwischen zwei Grenzen blockiert fand, wobei das Lager in diesem Fall selbst zur Grenze, ja zu einer Grenz-Hypertrophie wurde.
Selbst nach der Räumung und Zerstörung des »Dschungels« von Calais und der Versprengung seiner Bewohner bleiben drei Erfahrungen, aus denen Hypothesen für die Beobachtung und Analyse anderer Orte der Einschließung in Europa und der übrigen Welt abgeleitet werden können.[13] Erstens ist die Transformation und Gestaltung der privaten und öffentlichen Räume zu nennen. Wie die Slums, denen er am Ende glich, hat der »Dschungel« von Calais gezeigt, dass es selbst im Rahmen größter Prekarität möglich, ja lebensnotwendig ist, einen solchen Ort zu bewohnen, d.h. ihn sich individuell und kollektiv anzueignen und auf diese Weise eine Form von informeller Urbanisierung zu erzeugen, wie sie in Großstädten und Metropolen des globalen Südens geläufig ist. Zweitens hat sich rasch soziales, kulturelles und politisches Leben entwickelt, das Akteure aus rund 20 verschiedenen migrantischen und etwa 10 europäischen Nationen miteinander in Kontakt brachte. Um die Kirchen und Moscheen, die Schulen, das Theater und die Restaurants bildete sich ein kosmopolitischer Mikrokosmos. In konzentrierter Form erlebte der »Dschungel« von Calais Phänomene des Zusammenlebens, des Konflikts und der Kooperation und nahm damit gleichsam den gewöhnlichen Alltag der kommenden Welt vorweg. Wesentlich waren drittens die Kontakte mit den Solidaritätsbewegungen in Calais und in Europa insgesamt – für die Transformation und Urbanisierung des Lagergeländes sowie für das soziale und politische Leben, das sich hier entwickelte. Wenn man diese Beziehungen untersucht, kann man jenseits der über Migrant/innen in Europa kursierenden Vorurteile, Ängste und Fantasmen beobachten und vielleicht auch zu verstehen beginnen, inwiefern diese Akteure das Leben der in Europa etablierten Bürger/innen beeinflussen: Zahlreiche Vereine und Persönlichkeiten kamen aus Paris, London, Brüssel, ja aus ganz Europa nach Calais und engagierten sich in einer Form, in welcher die kosmopolitische Dimension des Ortes eine Grundgegebenheit ist.
Das politische Engagement solidarischer europäischer Bürger/innen im »Dschungel« von Calais war insofern etwas Besonderes, als es auf empathischer Zuwendung und auf der Intention beruhte, den Sinn der Existenz des »Anderen« so genau wie möglich zu verstehen – der Existenz desjenigen, der an der Grenze ankommt, plötzlich dort auftaucht und die ansässigen Bürger/innen zwingt, dieses neue, an der Grenze festsitzende Subjekt zu denken. Und diese Bürger/innen entdeckten im Kontakt mit den Außenseitern (denjenigen, die von draußen kommen), dass letztere selbst politisch handelten und dabei von Erfahrungen ausgingen, die sie sowohl in ihren Herkunftsländern machten als auch in der Welt der Migration, in der sie sich seit Monaten oder Jahren befanden. Diese Interaktion ist mindestens eine – zutiefst politische – Ursache für die Zerstörung des »Dschungels« und die Vertreibung seiner Bewohner/innen.
Anmerkungen:
[1] Dabei sind sie etwas naiv den Arbeiten des italienischen Philosophen Giorgio Agamben gefolgt; siehe ders., Homo sacer, Bd. 1: Die souveräne Macht und das nackte Leben. Aus dem Italienischen von Hubert Thüring, Frankfurt a.M. 2002.
[2] Siehe Michel Agier/Clara Lecadet (Hg.), Un monde de camps, Paris 2014.
[3] Zur Idee der Ein-Lagerung (emcampement) als Politik der Ausgrenzung von Unerwünschten siehe Michel Agier, Gérer les indésirables: des camps de réfugiés au gouvernement humanitaire, Paris 2008 (Kap. 2: »L’encampement aujourd’hui, un essai d’inventaire«).
[4] »L’exil est une espèce de longue insomnie.« Victor Hugo, Pierres, Genf 1951, S. 62.
[5] Elias Sanbar, Figures du Palestinien. Identité des origines, identité de devenir, Paris 2004, S. 246.
[6] Alice Corbet, Les campements de réfugiés sahraouis en Algérie: de l’idéel au réel, in: Bulletin de l’Association de géographes français 83 (2006) H. 1, S. 9-21, hier S. 15.
[7] Julien Dedenis, La territorialité de l’espace des camps des réfugiés sahraouis en Algérie, in: Bulletin de l’Association de géographes français 83 (2006) H. 1, S. 22-34, hier S. 27. Siehe Manuel Herz, Tindouf (Algérie). Les camps sahraouis, préfiguration de l’État, in: Agier/Lecadet, Un monde (Anm. 2), S. 99-114.
[8] Zu den anthropologischen Orten siehe Marc Augé, Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit. Aus dem Französischen von Michael Bischoff, Frankfurt a.M. 1994. Zu den Lagern als Lebensorten im Exil siehe Michel Agier, Campement urbain. Du refuge naît le ghetto, Paris 2013.
[9] François Hartog, Régimes d’historicité. Présentisme et expériences du temps, Paris 2003, S. 113-162; Marc Augé, Le temps en ruines, Paris 2003.
[10] Michael Burawoy u.a., Global Ethnography. Forces, Connections, and Imaginations in a Postmodern World, Berkeley 2000; George E. Marcus, Ethnography in/of the World System: The Emergence of Multi-Sited Ethnography, in: Annual Review of Anthropology 24 (1995), S. 95-117.
[11] Siehe Babels, De Lesbos à Calais. Comment l’Europe fabrique des camps, Paris 2017.
[12] Agier, Gérer les indésirables (Anm. 3) (engl.: Managing the Undesirables. Refugee Camps and Humanitarian Government, Cambridge 2011); ders./Lecadet, Un monde (Anm. 2). Zur Lager-Form siehe Marc Bernardot, Les mutations de la figure du camp, in: Olivier Le Cour Grandmaison/Gilles Lhuilier/Jérôme Valluy (Hg.), Le retour des camps? Sangatte, Lampedusa, Guantanamo, Paris 2006, S. 42-55; Maria Muhle, Le camp et la notion de vie, in: ebd., S. 68-76; Federico Rahola, La forme-camp. Pour une généalogie des lieux de transit et d’internement du présent, in: Cultures & Conflits 68 (2007), S. 32-50.
[13] Ich fasse hier die wichtigsten Ergebnisse einer von 2015 bis 2017 im Rahmen des Forschungsprogramms »Babels« durchgeführten kollektiven Untersuchung des Lager-Slums von Calais zusammen. Siehe Michel Agier u.a., La Jungle de Calais, Paris 2018 (engl.: The Jungle. Calais’ Camps and Migrants, Cambridge 2018); zum Projektkontext: <https://anrbabels.hypotheses.org>.