Vorsorge als Ordnung des Sozialen

Impfen in der Bundesrepublik und der DDR

Anmerkungen

Im Jahr Eins nach dem Mauerbau beschrieb die „ZEIT“ entsetzt die Nebenwirkungen der deutschen Teilung. Krankheiten seien zu einem Argument mutiert, zu einer Waffe, mit der sich Propagandaschlachten des Kalten Kriegs führen ließen: „In unserem Tal des deutschen Jammers ist Krankheit nicht mehr für alle ein beklagenswerter, hilfeheischender Zustand, sondern oft eher Anlaß zu politischer Auseinandersetzung. Die Pockenkranken in der Bundesrepublik gelten den Kommunisten als Produkte des kapitalistischen Systems, die Ostberliner Ruhrepidemie ist für einige unserer Publizisten eine direkte Konsequenz der Mauer.“1

Stellte die Verbreitung von Krankheiten dem „Systemgegner“ ein schlechtes Zeugnis aus, erhöhte sich die politische Bedeutung von Schutzmaßnahmen. Impfungen befriedigten daher sowohl die Bedürfnisse der Bürger als auch jene des Staats, bewiesen sie doch dessen Für- bzw. Vorsorgekompetenz. Das galt nicht erst im Kalten Krieg. Seit dem 19. Jahrhundert entwickelten sich staatliche Impfprogramme zum Instrument eines „Social Engineering“,2 das eine Optimierung der Gesundheitsverhältnisse versprach. Impfungen läuteten somit nicht nur das „Zeitalter der Präventionsmedizin“ ein,3 sondern auch einen fundamentalen sozialpolitischen Wandel. Sie waren Geburtshelfer des modernen „Vorsorgestaats“, der den „Nachtwächterstaat“ des 19. Jahrhunderts beerbte.4

Die Geschichte des Impfens ist insofern eine Geschichte sozialer Ordnungen in der biopolitischen Moderne. Sie verspricht Erkenntnisse über die Aushandlung von Staatlichkeit, über das Verhältnis von Staat und Staatsbürger, über Versuche der Rationalisierung des Sozialen und seiner Bedrohungen.5 Umso erstaunlicher ist es, dass die Zeitgeschichte des Impfens bislang kaum erforscht worden ist. Während für das 18. und 19. Jahrhundert umfangreiche Studien vorliegen, klaffen für das 20. Jahrhundert große Lücken. Das gilt insbesondere für die deutsche Geschichte, für die Ulrike Lindner und Winfried Süß wichtige Vorarbeiten geleistet haben.6 Hinzu kommen einzelne Studien zur Weimarer Republik, zum „Dritten Reich“ und zur DDR.7 Diese Anregungen werden im Folgenden aufgegriffen, um das Impfen als Aushandlung sozialer Ordnungen in der Bundesrepublik und der DDR anhand von vier Schwerpunkten zu untersuchen. Diese Schwerpunkte folgen einerseits einer Chronologie, die sich von den 1950er-Jahren bis 1989/90 erstreckt. Andererseits eröffnen sie vier analytische Perspektiven, mit denen sich Vorsorge als Zeitgeschichte erforschen lässt:

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1. Zwang zum Impfen und die Legitimation des Interventionsstaats. Da Impfungen einen körperlichen Eingriff bedeuten, der in Einzelfällen schwerwiegende Folgen haben kann, geht es bei der Frage der Impfpflicht sowohl um die Grundrechte des Einzelnen als auch um die Autorität staatlicher Interventionen. Zwar legitimieren sich Sozialstaaten durch ihre Vorsorgekompetenz. Gleichzeitig markieren Vorbehalte gegen den Eingriff in die Privatsphäre jedoch die Grenzen staatlicher Intervention. An Debatten um die Impfpflicht lassen sich folglich Aushandlungen von staatlicher Macht und staatsbürgerlicher „Mündigkeit“ erforschen.

2. Vermittlung von Impfungen als Gefühlspolitik. Mit dem Rückzug des Interventionsstaats wuchs seit den 1960er-Jahren die Bedeutung von Appellen, mit denen die Bürger von Vorsorgemaßnahmen überzeugt werden sollten. Auf der einen Seite versprachen Impfungen ein Ende der Seuchenangst, verloren „Volkskrankheiten“ allmählich ihren Schrecken. Auf der anderen Seite schürten Impfungen neue Ängste, zumal potentielle Impfschäden vorwiegend Kinder betrafen. In der Vermittlung von Vorsorge lassen sich daher Versuche eines „Emotion Management“8 erkunden.

3. Impfen als Streitthema der Systemkonkurrenz. Da erfolgreiche Vorsorge im europäischen Verständnis den Sozialstaat legitimiert, standen und stehen einzelne Staaten und ihre Gesundheitssysteme mit ihren Impfstrategien im internationalen Wettbewerb. Während des Kalten Kriegs eröffnete dieser Wettbewerb um die bessere Vorsorge eine Arena, in der Bundesrepublik und DDR um das bessere Gesellschaftsmodell stritten.

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4. Impfen als Kooperationsprojekt. Aller Konkurrenz zum Trotz gaben Impfprogramme durchaus Anlass zum Austausch. Im Kalten Krieg beförderte die Sorge vor Krankheiten internationale Kooperationen, die selbst den „Eisernen Vorhang“ überwanden. Zu fragen ist daher auch nach einer deutsch-deutschen Beziehungsgeschichte der Vorsorge, die in den 1980er-Jahren an Intensität gewann.

1. Impfen erzwingen:
Die Macht des Interventionsstaats und die „Mündigkeit“ des Staatsbürgers
 

Gesellschaftliche Kontinuitäten wecken seit jeher das Interesse zeithistorischer Forschungen. Beim Impfen lassen sich solche Kontinuitäten für den deutschen Fall bis ins Kaiserreich zurückverfolgen. Hier trat 1874 ein „Reichsimpfgesetz“ in Kraft, das schließlich über 100 Jahre Bestand hatte. Bemerkenswert ist diese Tradition, weil das Gesetz bestimmte Impfungen zur Pflicht erklärte. Fortan war jeder Deutsche gezwungen, sich bzw. seine Kinder gegen Pocken impfen zu lassen. Noch in der Bundesrepublik und DDR hatten Impfverweigerer mit Haft- oder Geldstrafen zu rechnen.

Diese Impfpflicht stand in der jungen Bundesrepublik von Beginn an zur Diskussion. Dabei ging es um die Frage, was schwerer wiege: die Interventionskompetenz des Staats und seine Pflicht zum Schutz der Allgemeinheit oder die Autonomie des Staatsbürgers und dessen körperliche Unversehrtheit. Schließlich konnten Pockenschutzimpfungen nach wie vor Komplikationen auslösen. Da das Risiko einer Pockenerkrankung niedriger denn je war, erschienen einzelne Impfschäden umso fataler. Dennoch beantworteten Gesundheitspolitiker die Frage nach der Impfpflicht in den 1950er-Jahren meist eindeutig. „Selbst wenn man der persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung des Staatsbürgers weitgehende Zugeständnisse machen will“, erklärte etwa das Bundesgesundheitsamt (BGA) 1957, „muß entgegnet werden, daß die persönliche Freiheit dort eine Grenze hat, wo lebenswichtige Interessen der Allgemeinheit überwiegen.“9 Schon 1952 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) den „Impfzwang“ entsprechend begründet: Die „planmäßige Durchimpfung ganzer Volksgemeinschaften“ habe „Pockenepidemien in vielen europäischen Ländern zum Erlöschen gebracht“. Wegen dieser Erfolge greife die Impfpflicht zugunsten der „Volksgesamtheit“ und damit zu Recht in die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen ein.10 Mit einer solchen Kosten-Nutzen-Rechnung argumentierte wenige Jahre später auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg: „Gegenüber diesem Erfolg der Zwangsimpfung für die Erhaltung der Volksgesundheit müssen vereinzelt auftretende nachteilige Folgen, so bedauerlich sie für die Betroffenen sind, in Kauf genommen werden.“11 Sogar noch einen Schritt weiter ging das Votum leitender Medizinalbeamter der Bundesländer auf einer Tagung 1958. Hier sah man in der Durchsetzung der Impfpflicht ein Exempel staatlicher Interventionskompetenz, so dass einige Beamte empfahlen, gegen Impfverweigerer „eisern durchzugreifen“.12

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Angesichts dieser gesellschaftspolitischen Aufladung ist es wenig verwunderlich, dass Vorbehalte gegen den Impfzwang auf mediale Resonanz stießen. Einigen Journalisten galt die Impfpflicht als Menetekel einer staatlichen Bevormundung, die nicht zeitgemäß sei. So setzte sich eine Rundfunk-Illustrierte für eine Gewissensklausel ein: „Die Eltern müssen selbst mitentscheiden können, ob sie für ihr Kind den Schutz gegen Pocken mit der Möglichkeit einer Gesundheitsschädigung erkaufen wollen.“13 Solche „Gesundheitsschädigungen“ weckten häufig das Interesse der Medien, boten sie doch Gelegenheit für Artikel über Einzelschicksale. So berichtete die „Welt am Sonntag“ 1954 vom „tragischen Schicksal“ eines Berliner Mädchens, das seit seiner Impfung „völlig gelähmt in Windeln liegt, […] nicht einmal lallen kann und mit Milchbrei gefüttert werden muß“.14 Der „Spiegel“ wiederum warf 1957 die Frage auf, ob Impfungen „andere Krankheiten verursachen oder auslösen“, ob also eine „Balance der Risiken“ von Seuchenbedrohungen und potentiellen Impfschäden gefunden werden müsse.15

Eine solche „Balance“ erschien schon deshalb notwendig, weil das Impfgesetz keine Entschädigungsleistungen vorsah.16 Zwar hatte der Bundesgerichtshof 1953 geurteilt, dass der Staat „gehalten sei, denjenigen zu entschädigen, der seine Rechte und Vorteile dem Wohle des Gemeinwesens aufzuopfern genötigt werde“.17 Für die Konzeption von Vorsorge waren Entschädigungsansprüche jedoch in erster Linie von Bedeutung, weil sie die Pflicht des Einzelnen zur „Aufopferung“ noch untermauerten. Mit dem Impfzwang, das stellte das Bundesgesundheitsamt klar, „wird ein Anspruch des Staates gegenüber allen Staatsbürgern begründet, sich der Impfung zu unterwerfen“.18 Bis Ende der 1950er-Jahre blieb dieser „Aufopferungsanspruch“ das Maß der Dinge. Das galt nicht nur für die Pockenschutzimpfung. Auch beim Start neuer Impfprogramme wie demjenigen gegen die Kinderlähmung (Poliomyelitis) wurde gelegentlich die Einführung einer Pflicht diskutiert, um „den Impferfolg zu festigen“,19 wie der Präsident des Robert-Koch-Instituts 1962 erklärte.
 

 

„Dauerimpfstellen“ institutionalisierten das Vorsorge-Angebot und verstärkten zugleich den staatlichen Einfluss. Emailleschild aus den 1960er-Jahren
(Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Sammlung, 1992/1902)

In der DDR verfuhr man in den 1950er-Jahren zunächst ähnlich. Auch dort berief man sich bei der Vorsorge gegen die Pocken auf das kaiserliche Reichsimpfgesetz, so dass nicht einmal eine eigene Gesetzgebung notwendig sei, wie das Ministerium für Gesundheitswesen (MfGes) 1954 erklärte.20 Bei genauerem Hinsehen treten im Ländervergleich jedoch Unterschiede hervor, an denen sich der Zusammenhang von Vorsorge und Gesellschaftsentwürfen abzeichnet. So wurden die DDR-Bürger Anfang der 1950er-Jahre Zeugen eines erweiterten Vorsorge-Angebots. Früher als in der Bundesrepublik wurden systematische Impfungen gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten, Tuberkulose und Kinderlähmung eingeführt.21 Dem entsprach eine Institutionalisierung der Vorsorge: Ab Mitte der 1950er-Jahre schossen in den Kreisen der DDR „Dauerimpfstellen“ aus dem Boden, in denen Impfungen auch außerhalb festgesetzter Termine vorgenommen werden konnten.

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Wie lässt sich diese massive Ausweitung erklären – zumal dann, wenn man die chronische Knappheit an medizinischen Ressourcen und ärztlichem Personal berücksichtigt?22 Gerade in dieser Situation wiesen Impfungen einen günstigen Weg. Ökonomische Argumente hatten in internen Berichten stets Gewicht; die Kosten von Impfungen wurden potentiellen Produktionseinbußen, Lohnausgleichszahlungen und Behandlungskosten gegenübergestellt.23 Auch die Rahmenbedingungen der sozialistischen Systeme spielten eine Rolle für die frühe Formierung eines Vorsorgestaats. In der Sowjetunion hatte sich „Prophylaxe“ als gesundheits- und sozialpolitischer Leitbegriff bereits vor dem Zweiten Weltkrieg etabliert (vgl. den Beitrag von Matthias Braun in diesem Heft). Die Gestaltung der „neuen Gesellschaft“ setzte das „Ausmerzen“ von Volkskrankheiten voraus, so dass die UdSSR der DDR kräftig unter die Arme griff und beide Staaten schon bald umfangreichere Impfprogramme initiierten, als sie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfahl.24

Im Osten avancierte das Impfen zu einem „Ausdruck der Fürsorge unseres Staates“.25 Der Grundsatz, dass der Sozialismus „die beste Prophylaxe“ sei, galt daher auch umgekehrt, wie das Ministerium für Gesundheitswesen 1964 erklärte: Das Ziel, „eine gesunde, glückliche Bevölkerung zu schaffen, drückt sich in der Leitidee: ‚Sozialismus ist die beste Prophylaxe‘ aus. […] ‚Die beste Prophylaxe ist der Sozialismus!‘ Dieser Ausspruch […] ist bezeichnend für die Bemühungen vieler Ärzte, nach 1945 ein sozialistisches Gesundheitswesen aufzubauen. […] Vorsorgen ist besser als heilen!“26 Dass seit den 1950er-Jahren Gesundheitswochen unter diesem Motto liefen und bis in die 1980er-Jahre Stellwände vor Krankenhäusern von dem Leitsatz kündeten, unterstreicht die ‚staatstragende‘ Wirkung, die man der Vorsorge zusprach.27

Ob der Leitsatz in der Bevölkerung auf Zuspruch stieß, ist schwer zu belegen. Nachweisbar sind Bekundungen wie jene der 246 Konferenzteilnehmerinnen des „Demokratischen Frauenbundes Deutschlands“ (DFD), die 1960 ihren Dank an die Regierung mit der „Immunisierung unserer Kinder und Jugendlichen“ begründeten: „Wir sehen darin wiederum die Sorge um den Menschen in unserem Arbeiter- und Bauernstaat und mit welcher Liebe an die Gesunderhaltung uns[e]rer Jugend gedacht wird. Als Frauen und Mütter erkennen wir den Wert dieser Maßnahme und erklären uns mit ganzem Herzen bereit, unsere vollste Unterstützung zu geben.“28 Selbst wenn man aus solchen formelhaften Äußerungen kaum auf die soziale Wirkung von Vorsorgekonzepten schließen kann, legen sie nahe, dass Impfungen in der DDR ein semantisches Feld eröffneten, in das man sich einschrieb, um seine politische Standfestigkeit zu untermauern. Bekenntnisse zur Vorsorge fungierten somit als Bekenntnisse zum Sozialismus – und umgekehrt.

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DDR-Propagandaplakat vor einer Poliklinik in Zwickau, 1982
(Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur,
Bestand Harald Schmitt, Nr. 82 0212 001FV)

Auch deshalb erschien es dem MfGes in einem Rückblick Mitte der 1960er-Jahre „naheliegend, daß unser fortschrittliches, auf die Prophylaxe besonders orientiertes Gesundheitswesen sich zum Ziel setzte, den bereits seit 1874 in Deutschland mit der Pockenschutzimpfung erfolgreich beschrittenen Weg fortzusetzen“.29 Zugleich wird nachvollziehbar, warum sich die DDR bei Impfschäden früher kulant erwies als die Bundesrepublik. Obgleich im Osten ebenso eine Regelung fehlte wie im Westen, sind in der DDR bereits für 1949/50 Entschädigungsfälle dokumentiert.30 Da Impfungen den sozialistischen Staat legitimieren sollten, erhöhte sich hier offenbar der Legitimationsdruck, der von Impfschäden ausging.

Waren viele Impfungen zunächst freiwillig gewesen, wurden sie Anfang der 1960er-Jahre fast alle zu Pflichtmaßnahmen erklärt.31 Impfprogramme griffen zunehmend in die Lebensplanung der DDR-Bürger ein. So verzeichnen die Impfkalender eine wahre Terminflut von bis zu 17 Pflichtimpfungen, an die sich die Bürger bis zum 18. Lebensjahr zu halten hatten.32 Warum kam es in der DDR zu einer solchen Verschärfung des Zwangs, während in der Bundesrepublik allmählich eine Liberalisierung einsetzte? Von staatlicher Seite wurde dies mit der geringen freiwilligen Beteiligung begründet. Eine Impfpflicht solle „auch die Uneinsichtigen oder Trägen im Interesse der Allgemeinheit zur Schutzimpfung bewegen“.33 Tatsächlich häuften sich seit Mitte der 1950er-Jahre Berichte über eine zunehmende „Impfmüdigkeit“. Offenbar hielt die präventive Praxis nicht Schritt mit staatlichen Planungsutopien. Zwar ist dieser Gegensatz kein ostdeutscher Sonderfall; auch in der Bundesrepublik war die Klage über „Impfmüdigkeit“ allgegenwärtig. In der DDR jedoch entfaltete die Politisierung der Vorsorge eine besondere Eigendynamik. Wenn Impfprogramme vom Erfolg des Sozialismus kündeten, standen sie unter einem systemimmanenten Erfolgsdruck.

1966 wurden daher „Leistungsvergleiche“ zwischen Kreisen und Bezirken um die beste Impfquote eingeführt,34 die in „einen echten sozialistischen Wettbewerb“ münden sollten.35 Seither erhielten Behörden für ihre Impfquoten Punkte zugeschrieben, die in einer Rangliste veröffentlicht wurden. Während erstplatzierten Bezirken Gratifikationen winkten, hatten hintere Platzierungen Konsequenzen für die Verantwortlichen. So stand der Rostocker Bezirkshygieniker wegen der „ungenügenden immunologischen Situation“36 mehrfach unter Beobachtung des Ministeriums. Dieser Konkurrenzdruck erhöhte sich noch durch seine symbolpolitische Aufladung. Bereits der erste republikweite Leistungsvergleich wurde 1967 „zu Ehren des 50. Jahrestags der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ durchgeführt.37 Auch in den Folgejahren verband man Impfprogramme entweder mit Bekenntnissen zur Oktoberrevolution, zur Gründung der DDR oder zu einzelnen Parteitagen.

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Dank solcher Maßnahmen besserte sich die Impfquote seit Ende der 1960er-Jahre zumindest offiziell. Gleichwohl spricht das nicht unbedingt für eine Erfolgsgeschichte des Zwangs. Vielmehr legen Einblicke in die Praxis nahe, dass auch in der DDR liberale Tendenzen um sich griffen. So wurde im Falle der Pockenschutzimpfung bereits 1962 klargestellt, dass in „einer pockenfreien Situation“ Zurückstellungen von Impfungen großzügig zuzulassen seien, um die Zahl an Impfschäden gering zu halten: „Die Gefahr, an Pocken zu erkranken, ist in diesem Falle geringer zu bemessen, als die mögliche Gefahr des Impflings.“38 Auch sonst scheinen einige Impfärzte nachlässig gewesen zu sein. Zumindest stellten Untersuchungen bis in die 1970er-Jahre besorgt fest, dass „keine konkrete Übersicht“ über die Gesamtimmunisierung der DDR bestand39 und sogar „falsche Aussagen über den Durchimpfungsgrad“ kursierten.40 Demnach sahen einige Impfärzte und Behörden nicht immer ganz genau hin; wenn die Impfbeteiligung sank, meldete man mitunter „Impfleistungen“, die zwar nicht der Realität, aber den Vorgaben der Leistungsvergleiche entsprachen.41

Im Westen hingegen setzte ab den 1960er-Jahren eine Liberalisierung der Impfpflicht ein. Waren noch 1962 tausende Impfgegner zu teils hohen Geldstrafen verurteilt worden,42 entspannte sich die Lage seither zusehends. Im Bundesjustizministerium regte man 1964 an, Impfverweigerung nicht mehr als „kriminelles Unrecht“ zu ahnden, sondern als „Ordnungswidrigkeit“.43 Dieser juristischen Abrüstung entsprach eine programmatische Wende, stellte der Epidemiologe Werner Anders vom BGA 1966 doch eine grundsätzliche Frage: „Was würde geschehen, wenn in Deutschland der Impfzwang aufgehoben würde? Nach meinem Dafürhalten ist es eine Frage der Mündigkeit der Bevölkerung.“ Durch „eine sinnvolle Aufklärung“ könne man die Bürger „zur Überwindung der Impfmüdigkeit veranlassen“.44 Um die Bevölkerung zu überzeugen, bedürfe es keines Zwangs mehr, sondern einer „dem heutigen Stand der Werbemethoden […] angepasste[n] Impfpropaganda“.45

Die Entdeckung der „Mündigkeit“ markiert einen Wandel staatlicher Impfpolitik in den 1960er-Jahren.46 Obwohl diese Entwicklung einem generellen Liberalisierungs-Trend zu entsprechen scheint,47 ist sie dennoch bemerkenswert. Schließlich häuften sich in dieser Zeit neue Pockenausbrüche. Krankheitsfälle in Ansbach, Düsseldorf, Kulmbach, Regensburg, Meschede und Hannover zeigten, dass die Seuche noch immer in Westdeutschland wüten konnte.48 Wie also ist der Abschied vom Zwang ausgerechnet in einer Zeit zu erklären, in der die Pockenbedrohung zunahm? Der Generationswechsel unter den Akteuren gibt auf diese Frage eine erste Antwort.49 In den 1960er-Jahren nahmen jene Medizinalbeamten ihren Abschied, deren Erfahrungsraum sich bis in die Weimarer Republik erstreckte, wo die Impfpflicht als Privileg des Interventionsstaats gegolten hatte.50 Eine zweite Erklärung ist jene „Reisewelle“, die auch die Bundesrepublik ergriff. So regten die zahlreichen Pockenfälle der 1960er-Jahre Überlegungen an, dass weniger eine vollständige Impfung der Bevölkerung als eine Kontrolle der „Einfallstore“ effektiven Schutz biete. Nicht zufällig begann in dieser Zeit die Errichtung von „Impfräumen“ in Flughäfen.51

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Flankiert wurde der Abschied vom Zwang drittens durch einen Rückzug bzw. „Niedergang des öffentlichen Gesundheitsdienstes“,52 so dass zivilrechtliche Vereinigungen Einfluss auf Impfprogramme gewannen. Organisationen wie die „Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Kinderlähmung“ (DVBK) oder das „Deutsche Grüne Kreuz“ übernahmen seit Ende der 1950er-Jahre vormals staatliche Aufgaben bei der Bewerbung, Organisation und Überwachung von Impfungen.53 Sie unterstützten nicht nur Länderbehörden, sondern koordinierten zudem bundesweite Impfprogramme, die bislang schwer realisierbar gewesen waren, da „anfangs jedes [Bundes-]Land für sich marschiert“ sei.54 Dass eine Entstaatlichung des Impfens nicht immer auf Gegenliebe stieß, belegen Konflikte zwischen DVBK und BGA. Letzteres beklagte 1968 die „Anmaßung“ der Vereinigung, bei Impfungen „auf Gebieten“ des BGA tätig zu werden.55 Obwohl in den Vereinigungen Akteure aus der Gesundheitspolitik, Wissenschaft und Pharmaindustrie zusammenkamen und diese erhebliche Bundesmittel erhielten, fehlte ihnen eine staatliche Interventionskompetenz, so dass sie bei der Durchsetzung von Impfprogrammen auf Freiwilligkeit setzen mussten. Umso mehr gewannen Appelle an Bedeutung, die den Abschied vom Interventionsparadigma der frühen Bundesrepublik markierten und Eckpunkte neuer Vorsorgekonzepte absteckten.

2. Impfen vermitteln:
Gefühlspolitik zwischen Selbst-Sorge und sozialer Verantwortung
 

Offiziell entfiel die Pflicht zur Pockenschutzimpfung in beiden deutschen Staaten zwar erst Mitte der 1970er-Jahre. Schon vorher war in der Bundesrepublik indes nur noch wenig vom Zwang zu spüren gewesen. Für Impfprogramme gegen Diphtherie, Kinderlähmung, Tetanus und Tuberkulose galt das ohnehin. Hatten bundesdeutsche Gesundheitspolitiker zunächst auch für diese Impfungen eine Pflicht erwogen, setzte sich das Prinzip der Freiwilligkeit spätestens Mitte der 1960er-Jahre durch. Diesen Abschied vom Zwang kompensierte eine Serie von Appellen, mit denen die Bevölkerung von Impfungen überzeugt werden sollte. Merkblätter, Broschüren, Zeitungsartikel und Filme stellen daher nicht nur Quellen für zeitgenössische Risikowahrnehmungen dar. Darüber hinaus geben sie Aufschluss über gesellschaftliche Hintergründe, vor denen das „präventive Selbst“56 an Statur gewann.

Viele dieser Appelle sprachen das soziale Verantwortungsgefühl an: Der Einzelne leiste mit seiner Impfung einen Beitrag zum Schutz aller. Dieses Solidaritätsnarrativ hatte aus gesundheitspolitischer Perspektive einiges für sich, erhöhte sich mit dem Anteil der Immunisierten doch der „Herdenschutz“ der Gesamtbevölkerung. Insofern ähnelten diese Appelle den Legitimationsmustern, die schon den Impfzwang begründet hatten: Das Allgemeinwohl war das Ziel, aus dem sich eine individuelle Verpflichtung ergab. Als „Gemeinschaftsaufgabe“ propagierte etwa ein Merkblatt von 1952 die Diphtherieschutzimpfung: Geweckt werden solle das „Verantwortungsgefühl jedes Deutschen gegenüber der Gesundheit […] des Volkes“.57 Etwas moderner klang der Aufruf des „Deutschen Grünen Kreuzes“ zur „Bedeutung der Schutzimpfungen für die Gemeinschaft“ von 1965: „Impfschutz ist heute nur möglich, wenn das gemeinschaftliche Bemühen aller Verantwortlichen ein fruchtbares Echo in der Verantwortung aller findet.“58

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Parallelen zur DDR sind in solchen Appellen mit Händen zu greifen. Tatsächlich stand das Solidaritätsnarrativ bei der ostdeutschen Vermittlung von Vorsorge stets an erster Stelle, verlieh es doch den Bekenntnissen zum Sozialismus Nachdruck. „Das sozialistische Bewußtsein“, so erklärte das Ministerium für Gesundheitswesen Mitte der 1960er-Jahre, „festigt die Einsicht der Bürger, daß den […] Impfungen nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch aus der Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, im Interesse des Gesundheitsschutzes der gesamten Bevölkerung nachzukommen ist.“59 Doch auch im Westen sah man in der Resonanz auf Impfungen mitunter einen Test für soziale Bindekräfte. So interpretierte der Oldenburger Regierungspräsident die große Beteiligung an der Polioimpfung 1962 sogar als „gesundheitspolitische[n] Volksentscheid, der für die gewählten Volksvertreter […] verpflichtend ist“. Man werde daher die Impfungen „bis zum letzten Tropfen Impfstoff“ fortsetzen.60
 

 

Broschüre „Was ist Kinderlähmung – was kann man tun?“ der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Kinderlähmung aus den späten 1950er-Jahren
(Staatsarchiv Oldenburg, Rep 630, Best. 242-5, 5 II)

Gegenüber dem Solidaritätsnarrativ hatten Appelle an das Eigeninteresse und individuelle Ängste größere Überzeugungskraft. Sie reagierten zudem auf ein wachsendes Sicherheitsempfinden, das in den Medizinalbehörden als Problem erkannt wurde. In Bremen beispielsweise fand man eine Erklärung für den Rückgang an Polio-Impfungen 1964 in der „Tatsache, daß in den letzten beiden Jahren in Norddeutschland so gut wie gar keine Kinderlähmungsfälle […] aufgetreten sind, die Bevölkerung [sich] in Sicherheit wiegt“.61 Auch im Bundesgesundheitsministerium beobachtete man besorgt, „daß dort, wo eine Seuche durch Verhütungs- und Bekämpfungsmaßnahme auf ein Minimum zurückgeht, rasch die Furcht vor ihr und damit auch die Bereitschaft schwindet, etwas zur Abwehr zu tun.“62 „Angst“ und „Furcht“ waren seit den 1960er-Jahren also treue Verbündete bei der Vermittlung von Vorsorge.

Gefragt war eine Gefühlspolitik, die individuelle Ängste und elterliche Sorgen gezielt mobilisierte – und zugleich die Impfung als einfache Lösung offerierte. Dieses Motiv findet sich etwa in einem „Merkblatt für Eltern“ der DVBK zur Schluckimpfung von 1965: „Impflücken, die wir nicht beizeiten schließen, ermöglichen es den Polioviren, sich bei uns wieder einzunisten. Ihr Schlupfwinkel ist der Körper ungeimpfter Säuglinge und Kleinkinder. Damit taucht die Gefahr einer neuen Ausbreitung der folgenschweren Polioerkrankung mit ihren Lähmungen und Todesfällen auf. […] Jeder, der noch nicht geimpfte Kinder zu betreuen hat, sei sich der Pflicht bewußt, die ihm obliegt: er muß diese Kinder zur Schluckimpfung bringen!“63 Solche Appelle schürten zwar Ängste, indem die Folgen der Krankheit in grellen Farben ausgemalt wurden. Zugleich betonten sie jedoch eine hohe Sicherheit systematischer Impfungen, aus der sich geradezu eine Pflicht zur Vorsorge ergebe. Etwas deutlicher wurde zwei Jahre später das niedersächsische Sozialministerium, als es angesichts der geringen Beteiligung an der Schluckimpfung via „Bild-Zeitung“ eine „Schocktherapie“ empfahl: „Schickt alle Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schluckimpfung bringen, in ein Heim für gelähmte Kinder! Dort werden sie zur Vernunft kommen, wenn sie die armen Kleinen sehen, die am Stöckchen gehen müssen oder kaum zu einer Bewegung fähig sind.“64 Solche Fälle bekamen die Bundesbürger in dieser Zeit allerdings ohnehin längst im Fernsehen zu sehen. Seit Anfang der 1960er-Jahre warben TV-Spots zur besten Sendezeit für die Polioimpfung.65 Unter dem Motto: „Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist grausam!“ waren „aufklärende, zum Teil auf Schockwirkung aufgebaute Einblendungen“ bemüht, Eltern für die Impfung zu gewinnen.66 Auf elterliche Sorge zielte auch ein „Schülerbrief“, der in Schulen diktiert und anschließend den Eltern vorgelegt wurde. „Liebe Mutter, lieber Vater!“, hieß es dort, „Ich weiß doch, wie lieb Ihr mich habt und [wie] traurig Ihr seid und welche große Sorge Ihr habt, wenn ich krank bin. […] Aber ich weiß ganz bestimmt, daß Ihr mich mit all den anderen Kindern zu dieser Impfung gehen laßt.“67
 

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Fernseh-Werbespot
„Kinderlähmung ist grausam, Schluckimpfung ist süß“ (ca. 1985)

 

Presseanzeige mit dem Plan zur Polioimpfung 1975/76
(Staatsarchiv Oldenburg, Rep 630, Best. 242-4, 205)

Das Schüren von Ängsten konnte allerdings schnell in Hysterie münden, was planmäßige Impfungen erschwerte oder Engpässe an Impfstoff provozierte. So gab man sich 1962 in Niedersachsen zwar begeistert über die Resonanz auf die stark umworbene Polio-Schluckimpfung: „Solche langen Menschenschlangen, wie man sie in diesen Tagen vor den Impflokalen sah, hatte es seit den Zeiten vor der Währungsreform niemals mehr gegeben. Ein Zeichen dafür, daß die Angst vor dem Erzfeind Kinderlähmung riesengroß ist.“68 Leider erwiesen sich die Impfstoff-Vorräte als nicht so „riesengroß“ wie die Ängste in der Bevölkerung, so dass Gesundheitsämter und -ministerien verunsicherte Bürger beruhigen mussten. Diese beklagten sich, dass zwar „massive Propaganda“ für die Schluckimpfung betrieben werde, allerdings keine entsprechenden Vorräte angelegt worden seien.69 Offenbar waren die Behörden vom Erfolg der Appelle selbst überrascht worden. „Mit einer so großen Teilnahme an der freiwilligen Impfung“ sei „nicht zu rechnen“ gewesen, entschuldigte man sich ein wenig kleinlaut.70
 

 

Plakate zur Schutzimpfung gegen Kinderlähmung
aus der DDR (frühe 1980er-Jahre, links) und
aus der Bundesrepublik (1970er-Jahre, rechts)
(Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Sammlung, 2009/306;
Staatsarchiv Oldenburg, Rep 630, Best. 242-4, 27)

Bemerkenswert ist dieses Gefühlsmanagement insofern, als es weitergehende Reaktionen der Bevölkerung hervorrief. So finden sich in den 1960er-Jahren zahlreiche Zuschriften, in denen die Einführung neuer Pflichtimpfungen gefordert oder die Verantwortungslosigkeit von Impfverweigerern kritisiert wurde. Ein Mann aus Wiesbaden brachte das Problem voller Entrüstung auf den Punkt: „Warum besteht nicht auf Bundesebene für alle Bundesländer Impfzwang […]? Meines Erachtens geht in diesem Fall die Volksgesundheit vor die Freiheit des einzelnen Bürgers.“ In seiner Antwort wiegelte das Bundesgesundheitsministerium ab – und widersprach damit im Grunde den öffentlichen Appellen: Zwingend notwendig sei die Impfung nur bei hoher Gefährdung der Allgemeinheit. Dies sei „bei der Poliomyelitis nicht der Fall“.71

Ab den 1960er-Jahren warf bei der Vermittlung von Impfprogrammen also das „angstbesetzte Selbst“ seine Schatten voraus. Appelle an die Selbstsorge läuteten eine „Wiederkehr des Körpers“ ein und schufen neue Risikowahrnehmungen.72 Schließlich erhöhten ausgerechnet die Erfolge des Impfens noch die Sensibilität für Impfschäden. Mit dem Verschwinden der großen Seuchen galt es mehr denn je abzuwägen zwischen dem Risiko von Krankheiten und dem von Impfungen.73 Probleme mit der Erfüllung von Impfquoten in der DDR legen nahe, dass dort ähnliche Tendenzen zu bemerken waren. Zumindest blieb die Frage der „Impfmüdigkeit“ auf beiden Seiten der Mauer ein Dauerthema, das im Osten und im Westen als Ausdruck eines sich ausbreitenden Egoismus kritisiert wurde.

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3. Impfprogramme im Kalten Krieg:
Vorsorge als Arena der Systemkonkurrenz
 

 

Schutzimpfung gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis) im Gesundheitsamt Pankow, 1958. In der damaligen Bildlegende hieß es: „[…] die Mutter des kleinen B.[…] ist glücklich, daß das Gesundheitswesen in unserer Republik sich in so starkem Maße unserer Kinder annimmt. Derartige Dinge kann man nicht durchführen, wenn man dabei an Krieg denkt, sagt uns Frau E.[…]. Zur gleichen Zeit, in der bei uns eine Aktion wie die Schutzimpfung gegen die spinale Kinderlähmung durchgeführt wird, beschäftigt man sich im Bonner Bundestag mit der Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen.“
(Bundesarchiv, Bild 183-53990-0001,
Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst – Zentralbild, Foto: Rudi Ulmer)

Wie gezeigt, war die Konzeption und Vermittlung von Impfprogrammen immer auch ein Medium staatlicher Selbstbeschreibung. Im Kalten Krieg standen solche Selbstbeschreibungen im scharfen Wettbewerb.74 Geeignete Schauplätze eröffneten sich vor allem auf sozialpolitischem Gebiet und nicht zuletzt beim Thema Krankheiten. Da Vorsorge bzw. „Prophylaxe“ im Selbstverständnis der DDR einen Grundstein für die sozialistische Gesellschaftsordnung legte, wurde der Wettbewerb hier engagierter angenommen als in der Bundesrepublik. Für diesen Wettbewerb bot die WHO ein wichtiges Forum. Weil die Mitarbeit an internationalen Impfkampagnen ab den 1960er-Jahren internationales Renommee versprach, sah der Leiter der Ost-Berliner Impfanstalt in der Beteiligung am WHO-„Ausrottungsprogramm gegen die Pocken“ einen gewaltigen „Prestige“-Gewinn: „Es ist ein Aktivposten, den niemand ignorieren kann und wird, vor allem weil es ein Geschenk ist, an das keine Bedingungen geknüpft sind.“75

Als „Geschenk“ erwies sich die WHO noch in anderer Hinsicht. Sie veröffentlichte regelmäßig „Reports“ über die Seuchenlage. Mit diesen Berichten ließen sich die Vorzüge sozialistischer Vorsorge „über Bande“ in den Westen spielen. Ein „WHO-Komitee der DDR“ war daher stets bemüht, „die WHO […] mit den Erfolgen der DDR auf dem Gebiete des Gesundheitswesens näher vertraut zu machen“.76 Damit erfüllte die WHO eine Art Boten- und Beglaubigungsfunktion für sozialistische Erfolgsgeschichten. Im Übrigen strahlten die Erfolgsmeldungen der WHO-Reports nicht nur gen Westen aus, sondern ebenso in die DDR zurück. Hier bezog man sich besonders gern auf WHO-Darstellungen, die den ostdeutschen Standortvorteil belegten: „Wenn heute ein gegen Polio Ungeimpfter einen Platz auf der Welt sucht, wo das Risiko, sich zu infizieren, am kleinsten ist, dann müßte er in die DDR kommen.“77

 

Grafik vom Juli 1961 – ein Versuch, die Überlegenheit der DDR zu beweisen. In der Erläuterung hieß es unter anderem: „In Westdeutschland fielen der Poliomyelitisepidemie in diesem Jahr [d.h. im ersten Halbjahr 1961] bereits 42 junge Menschen zum Opfer. Insgesamt wurden mehr als 650 Erkrankungen gemeldet. Demgegenüber erkrankte in der DDR nur ein Kind, eines der wenigen, die nicht gegen Kinderlähmung immunisiert wurden.“
(Bundesarchiv, Bild 183-84387-0001, Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Zentralbild, Foto: Schulz)

Zumindest bei der Vorsorge vor Krankheiten schien es der DDR also gelungen zu sein, die Bundesrepublik nicht nur einzuholen, sondern zu überholen. Das erklärt auch ihre Fixierung auf den Westen als ständige Vergleichsgröße. Berichte aus dem Ministerium für Gesundheitswesen beschränkten sich selten auf die Erkrankungszahlen aus der DDR. Aussagekräftig wurde die Statistik erst durch den Vergleich mit dem Systemgegner – wie in einem Bericht von 1960, der in der DDR nur 128 Erkrankte und 6 Todesfälle an Polio verzeichnete: „In Westdeutschland stehen de[m] 3.271 Erkrankungen und 196 Todesfälle, davon 2.550 Kranke mit schweren oder schwächeren Lähmungen gegenüber.“78 Entsprechende Bilanzen ziehen sich durch die gesamte DDR-Geschichte. Gegenüberstellungen von Impfquoten gaben bis Ende der 1970er-Jahre Ausdruck von der behaupteten Überlegenheit:79 „Im Vergleich mit entwickelten kapitalistischen Ländern konnte […] ein Vorsprung erreicht und gehalten werden. In der BRD […] stellen Masern und Keuchhusten weiterhin eine Volkskrankheit dar.“80 Der Systemvergleich sollte nicht nur vom Vorsorgestaat künden, sondern ebenso vom Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. „Es ist doch beschämend“, bilanzierte eine Arbeitsgruppe Impfwesen 1970, dass „die Bundesrepublik es nicht fertig bringt, Polioerkrankungen zu verhindern, und dies bei den hohen moralischen Prinzipien, die die Führung dieses Landes immer wieder für sich in Anspruch nimmt.“ Die Beteiligung an Impfprogrammen sei daher weniger eine medizinische als eine gesamtgesellschaftliche Frage. Systematische Immunisierungen könne man „nur bei einer Bevölkerung [...] realisieren, deren Verantwortungsbewußtsein durch die gesellschaftlichen Verhältnisse gegeben ist“.81

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In der Bundesrepublik war man mit Vergleichen zurückhaltender. Im Bundestag wurde die DDR zwar gelegentlich von der Opposition als Vergleichsmaßstab bemüht. Die Bundesregierungen hingegen vermieden konkrete Zahlen aus der DDR – wohl auch aus Eigeninteresse.82 Resonanz fanden ostdeutsche Impfprogramme vor allem unter westdeutschen Experten, die sich auf Erfahrungen aus der DDR bezogen und bisweilen mit deren Erfolgen argumentierten.83 Solche Erfahrungen gewann man etwa auf internationalen Konferenzen, wo selbst in heißen Phasen des Kalten Kriegs West- und Ostdeutsche zusammenkamen. Gleichwohl achteten die Vertreter der Bundesrepublik bei diesen Gelegenheiten peinlich genau darauf, ihren Alleinvertretungsanspruch zu bekräftigen, wie der Bericht eines „Symposiums der Europäischen Gesellschaft gegen die Poliomyelitis in Prag“ von 1962 deutlich macht. Befriedigt zog Werner Anders vom BGA nach dieser Konferenz das Fazit, dass aus der Bundesrepublik „mehr Teilnehmer erschienen als aus der SBZ“ und man vor internationalem Publikum als Repräsentant deutscher Interessen behandelt worden sei: „Als nach der Eröffnung die Vertreter der einzelnen Länder, entsprechend dem französischen Alphabet mit ‚Allemagne‘ beginnend, zum Referat aufgerufen wurden, stand der Referent der SBZ sofort auf, wurde aber vom Generalsekretär nicht zum Vortrag zugelassen, stattdessen wurde ich als Vertreter der Bundesrepublik namentlich zum Referat gebeten.“84

Zu einem Problem wurden Erfolge ostdeutscher Vorsorge in der Bundesrepublik, wenn sie öffentliche Aufmerksamkeit fanden. Auch dafür bietet die Polio-Impfung Beispiele. Während in der Bundesrepublik die Einführung eines Schluck-Impfstoffs noch Anfang der 1960er-Jahre Schwierigkeiten bereitete,85 hatte die DDR Schluckimpfungen bereits 1954 mit Erfolg etabliert. Angesichts des westdeutschen Mangels an Polioimpfstoffen bot das ostdeutsche Ministerium für Gesundheitswesen der Bundesrepublik 1961 eine Art Entwicklungshilfe an. Bundesbürger, die in der DDR zu Besuch seien, könnten „vor der Wiederausreise in die Epidemiegebiete Nordrhein-Westfalen, Bamberg und Umgebung sowie Bremerhaven, Ebern / Oberfranken und Gemünden / Unterfranken immunisiert werden“.86 In einem Telegramm an Konrad Adenauer gab sich Willi Stoph großzügig. „Mit Erschütterung“ habe die DDR von den hohen Erkrankungszahlen erfahren, so dass man umgehend drei Millionen Portionen Impfstoff zur Verfügung stelle, zumal die DDR „frei von der gefährlichen Seuche“ sei, wie der „Spiegel“ zitierte.87 Dass dieses Angebot von der Bundesregierung ebenso umgehend ausgeschlagen wurde, da der Impfstoff nicht ausreichend geprüft worden sei, stieß in Teilen der Bevölkerung auf Kritik.

Das „große Getöse“ der „Ulbricht-Propagandisten“, wie die „ZEIT“ das Angebot später bezeichnete,88 verweist auf ein komplexes Beziehungsgeflecht, in das die Bundesrepublik beim Impfen eingebunden war. Einerseits stand man im Wettbewerb mit der DDR, andererseits in Kontakt mit westlichen Bündnispartnern, besonders mit den USA, was ebenfalls für Spannungen sorgte. So weckte die Einführung eines amerikanischen Impfstoffes gegen Kinderlähmung Mitte der 1950er-Jahre Bedenken, war es in den USA doch zu tödlichen Zwischenfällen gekommen.89 Im BGA und in den Ministerien stritt man darüber hinaus um die Frage, wie „ausländischer“ Impfstoff zu standardisieren und „fremde“ Vorsorgekonzepte auf die Bundesrepublik zu übertragen seien.90 Diese Vorbehalte entsprachen einer generellen Skepsis gegenüber amerikanischen Forschungen.91

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Während die DDR von Beginn an in Vorsorgekonzepte des „Ostblocks“ einbezogen war, setzte eine Westbindung der Bundesrepublik beim Impfen zögerlicher ein. Impulse für intensivierte Beziehungen mit den USA gaben nicht nur wirtschaftliche Verflechtungen, die unter anderem die Marburger Behringwerke knüpften, sondern auch ein Erfahrungsaustausch ab Mitte der 1950er-Jahre, als eine rege Reisetätigkeit bundesdeutscher Medizinalbeamter und Wissenschaftler in die USA begann.92 Ausschlaggebend für engere Kooperationen mit dem Westen dürfte indes der Wettlauf um die bessere Immunisierung mit dem Osten gewesen sein, der die Bundesrepublik Anfang der 1960er-Jahre unter Zugzwang setzte.93

4. Von der Konkurrenz zur Kooperation:
Impfen in den 1980er-Jahren
 

Es wäre zu einfach, die deutsch-deutsche Geschichte der Vorsorge auf eine Geschichte der Systemkonkurrenz zu reduzieren. Waren erste Bande zwischen Ost und West bereits in den 1960er-Jahren geknüpft worden, näherten sich Bundesrepublik und DDR Ende der 1970-Jahre weiter an. Einen großen Schritt machte dafür das deutsch-deutsche Gesundheitsabkommen. Als erstes Folgeabkommen des Grundlagenvertrags verpflichtete es beide deutsche Staaten ab 1976 zum Austausch.94 Seither warnten sich beide Staaten bei der Ausreise von „Typhus-Dauerausscheidern“, Diphtherie- oder Tuberkulosekranken und gaben sich Hinweise über Impfmaßnahmen – so im Falle einer DDR-Bürgerin, die nach einem „engen Kontakt mit einem tollwütigen Fuchs“ in die Bundesrepublik eingereist war: „Bitte veranlassen, dass umgehend Impfstelle aufgesucht wird.“95

Aus ostdeutscher Perspektive gab dieser Austausch den Startschuss für neue Kooperationen, die Gesundheitsminister Mecklinger für die 1980er-Jahre forderte: „Die internationalen Wissenschaftsbeziehungen zur WHO […] sowie zu kapitalistischen Ländern sind im Interesse der Stärkung der DDR […] zu entwickeln.“96 Tatsächlich wurden in den 1980er-Jahren nicht nur Erfahrungen, sondern auch Impfstoffe ausgetauscht. Seit 1983 importierte die DDR Röteln-Impfstoffe eines britischen Pharmaunternehmens,97 wenig später knüpfte sie sogar Kontakte zu den bundesdeutschen Behringwerken. Vom „Klassenfeind“ erhielt man Mitte der 1980er-Jahre Röteln- sowie Mehrfach-Impfstoffe gegen Röteln, Mumps und Masern.98

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Angesichts der „Rückkehr zur Konfrontation“,99 die dem Kalten Krieg seit den späten 1970er-Jahren eine neue Eiszeit bescherte, mögen derartige Verflechtungen erstaunen. Sie erscheinen umso bemerkenswerter, wenn man eine weitere Entwicklung gegenüber früheren Jahrzehnten bedenkt: Von propagandistischen Abgrenzungen war auf dem Feld der Vorsorge in den 1980er-Jahren nur noch wenig zu spüren. Für deutsch-deutsche Annäherungen gab es handfeste Gründe. Zunächst einmal war der Vorsprung der DDR beim Impfen verloren gegangen, ja mehr noch: Die Bundesrepublik befand sich längst auf Überholkurs und erfuhr seit den 1970er-Jahren einen wahren Innovationsschub. Marktreife erreichten nicht nur neue Impfungen wie jene gegen Röteln, Mumps und Masern,100 sondern ebenso neue „Mehrfach-Impfstoffe“.101 Für die Popularisierung von Vorsorge waren Mehrfach-Impfungen aus zwei Gründen eine Revolution. Erstens verringerten sie die Zahl der Impftermine und damit sowohl die Ängste einer „spritzenscheuen Bevölkerung“102 als auch die Sorgen des „angstbesetzten Selbst“ vor Nebenwirkungen. Für Gesundheitsexperten ließen sich die Vorteile daher auf eine einfache Formel bringen: Je weniger Impftermine, desto höher die Durchimpfungsquote, so dass „die Einführung der Mehrfach-Impfstoffe geeignet“ sei, eine „mangelnde Impffreudigkeit weiter Bevölkerungskreise zu überwinden“.103 Und zweitens entsprachen Mehrfach-Impfungen den Bedürfnissen des „präventiven Selbst“, das seine Immunisierung leichter selbst in die Hand nehmen konnte: Nun entfiel die Notwendigkeit, Abstände zwischen einzelnen Impfungen einzuhalten oder öffentliche Impfprogramme mit individuellen Zusatz-Impfungen zu koordinieren.

Zwar war ein Trend zur Individualisierung der Vorsorge während der 1980er-Jahre auch in der DDR zu bemerken. Bereits die Einrichtung der Dauerimpfstellen war ja ein Versuch gewesen, Wünschen nach individuellen Impfterminen entgegenzukommen. Allerdings konnte die technologische Entwicklung immer weniger mit den gesellschaftlichen Trends Schritt halten. Besorgt stellte man im MfGes 1982 fest, dass es mittlerweile „international“ üblich sei, „eine Immunität mit so wenig Impfungen wie möglich zu erreichen“, während die Entwicklung entsprechender Mehrfach-Impfstoffe in der DDR „erfolglos“ verlaufe.104 Zum Innovationsstau kamen Ressourcenprobleme. So waren während der gesamten 1980er-Jahren Vorwürfe ostdeutscher Impfärzte zu hören, dass die übliche Portionierung von Impfstoffen dem praktischen Bedarf entgegenstehe. Der wichtigste Hersteller von Impfstoffen, die „Sächsischen Serumwerke“ in Dresden, gebe derart große Portionen aus, dass bei den zunehmenden Individualimpfungen ein Großteil des ungenutzten Impfstoffs verfalle. Diese systematische Verschwendung führe wiederum dazu, dass die Impfstoffproduktion nicht dem Gesamtbedarf hinterherkomme und Patienten in einigen Bezirken ungeimpft nach Hause geschickt werden müssten. Ende der 1980er-Jahre beklagten zahlreiche Impfärzte, dass aufgrund des „leidige[n] Problem[s] der Versorgung […] jetzt schon Impfrückstände bis zum Jahr 1978“ bestünden. Die Leiterin des „Zentralinstituts für Hygiene, Mikrobiologie und Epidemiologie“ bat das MfGes voller Verzweiflung, „diese Misere vorübergehend mit einem Import zu überwinden“: „Ich weiß wirklich nicht mehr, wie ich bei den zahlreichen Anfragen, die mich fast täglich erreichen, reagieren soll.“105 Zu einer Bedrohung für staatliche Impfprogramme gerieten in dieser Zeit selbst die Verschlüsse, mit denen Impfstoff-Fläschchen versiegelt wurden. Da die Gummiqualität im Laufe der 1980er-Jahre sukzessive abnahm, häuften sich Verunreinigungen von Impfstoffen, so dass manche Patienten ungenügend oder gar ungeimpft die Impfstellen verließen.106

So trivial solche praktischen Schwierigkeiten klingen mögen, so deutlich zeigen sie eine zweifache Überforderung, die das Ende des Vorsorgestaats DDR besiegelte. Erstens häuften sich in den 1980er-Jahren die Probleme, die sich aus Innovationshemmnissen ergaben. Der Wunsch, systemübergreifende Kooperationen auszubauen, war demnach vor allem ein verdeckter Hilferuf. Zweitens hielten ostdeutsche Vorsorgekonzepte nicht mehr Schritt mit einer individualisierten Praxis, der zudem zentralistische Ressourcen-Planungen entgegenstanden. Insofern ist es wohl mehr als eine Fußnote der Geschichte, dass am Ende der DDR ausgerechnet die Bundesrepublik den Vorsorgestaat am Laufen hielt: Seit 1989 profitierten ostdeutsche Behörden von Preisnachlässen bei Impfstoffen und sogar von „Geschenksendungen“ aus dem Westen,107 die eine Fortsetzung des Impfprogramms bis Ende 1990 sicherten.

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5. Fazit
 

Vorsorge ist Ordnung des Sozialen im doppelten Wortsinne. Einerseits passen sich Konzeptionen und Umsetzungen von Impfprogrammen in zeitgemäße Gesellschaftsentwürfe ein, sind sie ein Ausdruck bestehender sozialer Ordnungen. Andererseits sind Impfungen ein Mittel, das Soziale neu zu ordnen. An Impfprogrammen werden Rechte und Pflichten sowohl des Staats als auch des Staatsbürgers ausgehandelt, Verhaltensnormen geprägt sowie individuelle und kollektive Ängste, aber auch elterliche Hoffnungen und Sorgen mobilisiert. Schließlich ging es beim Impfen nicht nur um die Freiheitsrechte des Staatsbürgers, sondern auch um dessen „Schutzbefohlene“. Dass die körperliche Unversehrtheit des Kindes, der Schutz der Familie oder das Ausmaß elterlicher Eingriffsrechte beim Impfen zunehmend eine größere Rolle spielten, unterstreicht einmal mehr die Weite des Untersuchungsfelds, das eine Geschichte der Vorsorge eröffnet.

Eine Zeitgeschichte des Impfens gewinnt daher Erkenntnisse über den Wandel (post)moderner Staatlichkeit und über die Konjunkturen von Gefühlen, Appellen und Interventionen im 20. Jahrhundert. Greifbar wird dieser Mentalitätswandel nicht zuletzt an semantischen Veränderungen im Impfdiskurs. In der Bundesrepublik waren bis in die 1960er-Jahre geradezu „volksgemeinschaftliche“ Töne zu hören, die den Primat der „Volksgesamtheit“, ja des „Volkskörpers“ vor dem Körper des Einzelnen beschworen. Zudem wurden Konzepte des Impfens immer wieder von einer militärischen Diktion flankiert. Verbreitet waren Forderungen nach systematischen „Abriegelungsimpfungen“, nach einem Kampf gegen Krankheiten „bis zum letzten Tropfen Impfstoff“ oder dem „Mobilisieren“ von „Epidemie-Eingreif-Reserven“.108 Im Laufe der 1960er-Jahre hingegen entsprachen die Anrufungen des Individuums und die Appelle an dessen „Mündigkeit“ sowohl einem Wandel sozialer Ordnungen als auch einer Abrüstung der Semantik des Impfens. Erst jetzt legte das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einen Grundstein der (gesundheits)politischen Kultur.

Am klarsten wird der Zusammenhang zwischen Vorsorge und sozialen Ordnungen im deutsch-deutschen Vergleich. Zum einen stechen gesellschaftliche Besonderheiten in der Gegenüberstellung beider Staaten hervor. Zum anderen macht der Vergleich deutlich, dass diese Besonderheiten gerade aus der Verflechtung, vor allem aus der Konkurrenz zu erklären sind. Das „Spannungsverhältnis zwischen der Verflechtung […] und einer bewußt oder unbewußt betriebenen oder gewünschten Abgrenzung“109 beider deutscher Staaten ist für eine Zeitgeschichte der Vorsorge folglich konstitutiv. In verflechtungsgeschichtlicher Perspektive zeigt sich zudem, dass internationale Tagungen und Organisationen wie die WHO für die Aushandlung sozialer Ordnungen ein wichtiges Forum eröffneten. Sie gaben sowohl Gelegenheit zum Austausch als auch Anlass zur Auseinandersetzung. Schließlich wurden Vorsorgedefizite und -erfolge durch transnationale Bezüge noch verstärkt.

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Zwar war die DDR lange Zeit bemüht, deutsch-deutsche Gegensätze der Vorsorge herauszustellen. Doch wäre es zu einfach, solche Selbstbeschreibungen nur als Beweis ständiger Konfrontation zu sehen. Zum einen erfüllte der Wettbewerb um die bessere Vorsorge vor allem innenpolitische Aufgaben, waren Distanzierungen von westlichen Impfprogrammen Ausdruck des eigenen Gesellschaftsbilds. Zum anderen ist die Geschichte des Impfens auch eine Beziehungsgeschichte: Bei allen Distanzierungsbemühungen blieb ein Austausch fast zwangsläufig bestehen, wie Kooperationen im Falle von Pockenausbrüchen der 1960er-Jahre bis zur Aids-Aufklärung der 1980er-Jahre zeigen.110 Schließlich trennte die Mauer zwar unterschiedliche Vorsorge-Konzepte und Gesellschaftsentwürfe voneinander. Sie bot aber wenig Schutz vor Infektionskrankheiten, die selbst den „Eisernen Vorhang“ überwanden.

Anmerkungen: 

1 Die Seuche in Ostberlin, in: ZEIT, 13.4.1962. Zur gesundheitspolitischen Konkurrenz zwischen Ost- und West-Berlin vgl. Melanie Arndt, Gesundheitspolitik im geteilten Berlin 1948 bis 1961, Köln 2009.

2 Thomas Etzemüller (Hg.), Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009.

3 Eberhard Wolff, „Triumph! Getilget ist des Scheusals lange Wuth“. Die Pocken und der hindernisreiche Weg ihrer Verdrängung durch die Pockenschutzimpfung, in: Hans Wilderotter (Hg.), Das große Sterben. Seuchen machen Geschichte, Berlin 1995, S. 158-189, hier S. 158.

4 François Ewald, Der Vorsorgestaat, Frankfurt a.M. 1993.

5 Vgl. Lutz Raphael, Ordnungsmuster und Selbstbeschreibungen europäischer Gesellschaften im 20. Jahrhundert, in: ders. (Hg.), Theorien und Experimente der Moderne. Europas Gesellschaften im 20. Jahrhundert, Köln 2012, S. 9-20.

6 Ulrike Lindner, Gesundheitspolitik in der Nachkriegszeit. Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich, München 2004, S. 236-258; dies./Stuart S. Blume, Vaccine Innovation and Adoption: Polio Vaccines in the UK, the Netherland and West Germany, 1955–1965, in: Medical History 50 (2006), S. 425-446; Winfried Süß, Der „Volkskörper“ im Krieg. Gesundheitspolitik, Gesundheitsverhältnisse und Krankenmord im nationalsozialistischen Deutschland 1939–1945, München 2003, S. 214-223.

7 Malte Thießen, Vom immunisierten Volkskörper zum „präventiven Selbst“. Impfen als Biopolitik und soziale Praxis vom Kaiserreich zur Bundesrepublik, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), S. 35-64; Wilfried Witte, Eine Bombe gegen Grippe. Grippe im Jahre 1976 – ein deutsch-deutscher Vergleich, in: Carl Christian Wahrmann/Martin Buchsteiner/Antje Strahl (Hg.), Seuche und Mensch. Herausforderung in den Jahrhunderten, Berlin 2012, S. 409-428.

8 Ute Frevert, Angst vor Gefühlen? Die Geschichtsmächtigkeit von Emotionen im 20. Jahrhundert, in: Paul Nolte u.a. (Hg.), Perspektiven der Gesellschaftsgeschichte, München 2000, S. 95-111, hier S. 99.

9 Bundesarchiv Koblenz (im Folgenden: BAK), B 189/14107, Entwurf des Gutachtens des BGA über die Durchführung des Impfgesetzes, o.D. [1957], S. 34.

10 Gutachten des BGH zum Impfgesetz (VRG 5/51), 25.1.1952, S. 5.

11 Staatsarchiv Oldenburg (im Folgenden: StAOL), Rep 630, Best. 242-4/893, Urteil des OVG Lüneburg, IV OVG-A 183/54, o.D. [1955].

12 BAK, B 189/14107, Sitzungsprotokoll der AG Leitender Medizinalbeamter der Länder, 26./27.6.1958, S. 33.

13 Müssen Kleinkinder geimpft werden?, in: Die Sürag/Rheinfunk, 6.1.1953.

14 Die folgenschwere Impfung, in: Welt am Sonntag, 28.2.1954.

15 Impfen – Krankheit durch Spritzen, in: Spiegel, 14.8.1957, S. 50.

16 Vgl. BAK, B 126/10410, Schriftwechsel zwischen Bundesministerium für Finanzen und Bundesministerium für Gesundheit.

17 Entwurf des Gutachtens des BGA (Anm. 9), S. 100. Vgl. Entscheidung des BGH zum Aufopferungsanspruch im Falle der Pockenschutzimpfung (III ZR 208/51), 19.2.1953, S. 8.

18 Entwurf des Gutachtens des BGA (Anm. 9), S. 35.

19 BAK, B 142/1897, Manuskript Henneberg zur Tagung „Virological and Serological Studies“, 1962.

20 Bundesarchiv Berlin (im Folgenden: BAB), DQ 1/12285, Rundschreiben des MfGes zu Schutzimpfungen, 10.5.1954.

21 Neben der Pockenschutzimpfung bestand bis 1954 eine Impfpflicht gegen Diphtherie.

22 Vgl. Anna-Sabine Ernst, „Die beste Prophylaxe ist der Sozialismus“. Ärzte und medizinische Hochschullehrer in der SBZ/DDR 1945–1961, Münster 1997.

23 Vgl. u.a. BAB, DQ 1/23652, Vermerk MfGes, 2.7.1969, sowie Schreiben der Martin-Luther-Universität Halle an MfGes, 31.7.1963.

24 BAB, DQ 1/23661, Anlage zum Rundschreiben der Staatlichen Hygieneinspektion, 20.8.1966.

25 BAB, DQ 1/23652, Broschüre des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, Das erste Lebensjahr, 3. Aufl. (400-600.000), o.D. [1966/67].

26 BAB, DQ 1/21875, Konzept zum Komplex Gesundheitswesen zur Ausstellung 15 Jahre DDR, o.D. [1959].

27 Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, PL 58/9, Plakat „Die beste Prophylaxe ist der Sozialismus“ – 6. Gesundheitswoche der Stadt Leipzig, 30.11. bis 7.12.1958; vgl. Udo Schagen, Aufbau einer neuen Versorgungsstruktur: Gesundheitsschutz als Leitkonzept. Historische Grundlagen für das Präventionskonzept der Sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR, in: Sigrid Stöckel/Ulla Walter (Hg.), Prävention im 20. Jahrhundert. Historische Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Deutschland, Weinheim 2002, S. 165-177.

28 BAB, DQ 1/21510, Grußbotschaft des DFD, Kreisvorstand Freiberg, 21.4.1960.

29 BAB, DQ 1/23661, Bericht „Zu den Schutzimpfungen“, o.D. [1965/66].

30 Vgl. BAB, DQ 1/20790 und 20801.

31 Nur die Grippe- und Masernschutzimpfungen blieben vorerst freiwillig, letztere wurde 1970 verpflichtend. Vgl. BAB, DQ 1/5838, Rundschreiben des MfGes, 2.6.1970.

32 Vgl. u.a. die Impfkalender der 1960er-Jahre, in: BAB, DQ 1/3341. Zu den 17 Pflichtimpfungen kamen noch freiwillige Grippeschutzimpfungen sowie weitere Pflichtimpfungen hinzu, z.B. beim Eintritt in die NVA.

33 Bericht „Zu den Schutzimpfungen“ (Anm. 29).

34 BAB, DQ 1/5839, Rundschreiben des MfGes zum Impfprogramm 1966, 27.12.1965.

35 BAB, DQ 1/2472, MfGes, Halbjahresbericht zum Volkswirtschaftsplan 1967 – Teil Impfschutz, 24.7.1967.

36 BAB, DQ 1/2472, MfGes, Bericht über eine Beratung im Bezirk Rostock, 29.6.1967.

37 BAB, DQ 1/5839, Rundschreiben des MfGes, Leistungsvergleich Impfwesen, 5.5.1967.

38 BAB, DQ 1/12280, Anlage zur Instruktion Nr. 4/63: Grundsätze für die Pockenschutzimpfung.

39 BAB, DQ 1/2472, MfGes, Jahresbericht 1965 über Schutzimpfungen, 31.12.1965.

40 BAB, DQ 1/12245, Manuskript „Probleme der Dokumentation bei der Pockenschutzimpfung“, 1971.

41 Vgl. u.a. BAB, DQ 1/20801, Bericht des Bezirks Gera über Schutzimpfungen, 20.2.1958; BAB, DQ 1/23652, MfGes, Maßnahmeplan Impfprogramm, 12.9.1962; BAB, DQ 1/23652, Rundschreiben MfGes, Schutzimpfung 1965, 20.11.1964; BAB, DQ 1/13105, Abschlussbericht des Bezirks Schwerin, Tetanussonderimpfprogramm, 29.8.1979; Peter Wirth, Analyse der prophylaktischen Leistungen von 10 Fachärzten für Allgemeinmedizin aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt, Diss. Berlin (Ost) 1989, S. 26; für den Hinweis danke ich Jenny Linnek.

42 1.200 Impfgegner bestraft, in: Generalanzeiger, 1.5.1962.

43 BAK, B 141/32881, BMJ, Entwurf eines Einführungsgesetzes zum StGB; hier: Impfgesetz, 23.11.1964, S. 2.

44 BAK, B 189/14107, Schreiben Werner Anders an BMGes, 5.8.1966.

45 Ebd., Niederschrift der Pockenkommission, 16.12.1966. Der Begriff „Impfpropaganda“ findet sich bis Ende der 1960er-Jahre häufig in amtlichen Dokumenten.

46 Zwar wurde der Impfzwang erst Mitte der 1970er-Jahre abgeschafft. Bereits 1971 stellten die Bundesländer allerdings fest, dass „seit Jahren keine Strafanzeige gegen Impfverweigerer gestellt worden ist“. BAK, B 189/14102, Protokoll der Sitzung der Leitenden Medizinalbeamten der Länder, 19./20.1.1971.

47 Ulrich Herbert, Liberalisierung als Lernprozeß. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte – eine Skizze, in: ders. (Hg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980, 2. Aufl. Göttingen 2003, S. 7-49.

48 Vgl. BAK, B 208/1011, Tabelle „Pockeneinschleppungen nach Deutschland seit 1945“, o.D. [1972].

49 Vgl. Thomas Etzemüller, ‚Social Engineering‘ als Verhaltenslehre des kühlen Kopfes. Eine einleitende Skizze, in: ders., Ordnung der Moderne (Anm. 2), S. 11-39, hier S. 31.

50 Thießen, Vom immunisierten Volkskörper (Anm. 7), S. 40-44.

51 Pocken sollen am Flughafen abgefangen werden, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 12.3.1964.

52 Lindner, Gesundheitspolitik (Anm. 6), S. 59-71.

53 In den 1960er-Jahren bearbeiteten „Sonderausschüsse“ der DVBK sogar Impfschäden; vgl. StAOL, Rep 630, Best. 242-3/205, Rundschreiben des niedersächs. Sozialministeriums, 28.11.1967.

54 StAOL, Rep 630, Best. 242-4/5 I, Vermerk des Gesundheitsamts Brake, 30.1.1962.

55 BAK, B 208/973, Schreiben Werner Anders an den Präsidenten des BGA, 11.12.1968.

56 Vgl. Martin Lengwiler/Jeanette Madarász (Hg.), Das präventive Selbst. Eine Kulturgeschichte moderner Gesundheitspolitik, Bielefeld 2010.

57 StAOL, Rep 630, Best. 242-4/892, Broschüre an die Schulleiter, 1952.

58 BAK, B 189/14089, Merkblatt Deutsches Grünes Kreuz, Moderner Seuchenschutz durch Impfprophylaxe.

59 Bericht „Zu den Schutzimpfungen“ (Anm. 29).

60 StAOL, Rep 630, Best. 242-4/28, Rundschreiben des Präsidenten des Verwaltungsbezirks Oldenburg an Gesundheitsämter, 15.3.1962 (Hervorhebung im Original).

61 BAK, B 189/14117, Bericht des Bremer Senators für Gesundheitswesen, 29.5.1964.

62 Ebd., Internes Schreiben des BMGes, Poliomyelitisimpfung, 4.5.1965.

63 Ebd., Merkblatt DVBK, Fortführung der Polio-Schluckimpfung, 1965.

64 Ebd., Ausschnitt aus „Bild“: Eltern, schickt eure Kinder unbedingt zur Schluckimpfung!, o.D. [ca. 17.1.1967].

65 Vgl. entsprechende Berichte seit 1962 in: BAK, B 208/975.

66 BAK, B 208/975, Rundschreiben des Innenministers von Nordrhein-Westfalen, 28.8.1969.

67 Der „Schülerbrief“ wurde in mehreren Auflagen von jeweils ca. 400.000 bis in die 1960er-Jahre genutzt; vgl. die Versionen in StAOL, Rep 630, Best. 242-4/892.

68 32.000 tranken den ‚Cocktail‘, in: Weserbote, 11.10.1962.

69 Leserbriefe, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 23.3.1962.

70 Rundschreiben des Präsidenten des Verwaltungsbezirks Oldenburg (Anm. 60).

71 BAK, B 189/14117, Schreiben eines Filmvorführers an BMGes, 22.1.1967, und Antwort des BMGes, 10.2.1967; vgl. in der Akte weitere Schreiben besorgter Bürger.

72 Frank Biess, Die Sensibilisierung des Subjekts: Angst und „Neue Subjektivität“ in den 1970er Jahren, in: WerkstattGeschichte 49 (2008), S. 51-71, hier S. 52, S. 62.

73 Vgl. Witte, Bombe gegen Grippe (Anm. 7), S. 428.

74 Vgl. Udo Wengst/Hermann Wentker (Hg.), Das doppelte Deutschland. 40 Jahre Systemkonkurrenz, Berlin 2008.

75 BAB, DQ 1/6360, Schreiben des Leiters der Berliner Impfanstalt an das MfGes, 6.11.1962.

76 BAB, DQ 1/2438, Beschluss des WHO-Komitees der DDR, 9.11.1960.

77 BAB, DQ 1/23652, Bericht der AG Impfwesen, Halle, an MfGes, 2.2.1970.

78 Ebd., Vermerk des MfGes, Impfprogramm für das Jahr 1961, o.D. [1960]. Dieser Bericht nannte für die DDR also etwas höhere Zahlen als die zeitgenössische, oben abgebildete Grafik.

79 Vgl. u.a. die Abschlussberichte und Ausstellungskonzepte des MfGes, in: BAB, DQ 1/2438; DQ 1/5839.

80 BAB, DQ 1/12290, MfGes, Vorlage für das Sekretariat des ZK – Bericht über Ergebnisse bei der Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten, o.D. [1980].

81 Bericht der AG Impfwesen (Anm. 77).

82 Vgl. etwa Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, 179. Sitzung, 6.5.1965, S. 9002f.

83 Vgl. u.a. Entwurf des Gutachtens des BGA (Anm. 9), S. 117; BAK, B 189/14120, Protokoll der Kommission des BGA, 6./7.12.1960, S. 7.

84 BAK, B 142/1897, Dienstreisebericht Werner Anders, 1962. Generalsekretär war Prof. R. Russel aus Oxford.

85 Vgl. Lindner/Blume, Vaccine Innovation (Anm. 6).

86 BAB, DQ 1/12279, Rundschreiben MfGes, Schluckimpfung gegen Poliomyelitis, 18.7.1961.

87 Polio-Impfung: Aus dem Schnapsglas, in: Spiegel, 19.7.1961, S. 59f.

88 Walter Gong, Es beginnt: Impfen mit Zucker, in: ZEIT, 19.1.1962.

89 Vgl. Lindner, Gesundheitspolitik (Anm. 6), S. 241-257.

90 Vgl. u.a. BAK, B 142/22, Manuskript Werner Anders (BGA), Zur Epidemiologie der Poliomyelitis, 31.10.1956; BAK, B 142/22, Diskussionsbeiträge des Wiesbadener Symposiums der „Ventnor-Foundation“, 2.6.1956; BAK, B 142/51, Protokoll der AG der Leitenden Medizinalbeamten der Länder in Wiesbaden, 30.3.1957; BAK, B 208/3, Zweites Gutachten des BGA über die Schutzimpfung gegen spinale Kinderlähmung, 1959; BAK, B 142/1897, DVBK, Protokoll der Sitzung am 13.10.1962.

91 Lindner, Gesundheitspolitik (Anm. 6), S. 244.

92 Vgl. die Reiseberichte u.a. in: BAK B 142/55; B 142/49.

93 Lindner/Blume, Vaccine Innovation (Anm. 6), S. 441.

94 Vgl. die Protokolle zur Erarbeitung des Abkommens in: BAB, DQ 1/13174, sowie zur Umsetzung BGBl., Teil II, Nr. 68, 22.11.1975; Gesetzblatt der DDR, Teil II, Nr. 13, 19.12.1975; Weisung des MfGes Nr. 3/76 zur Informationspflicht bei übertragbaren Krankheiten, in: BAB, DQ 1/12219.

95 Telex des Rats des Bezirks Cottbus an MfGes zur Weiterleitung an die Bundesrepublik, 9.7.1976, in: BAB, DQ 1/12219.

96 Orientierung des Ministers für Gesundheitswesen, 5.2.1976, in: BAB, DQ 1/12219.

97 Vgl. den Rückblick im Protokoll des MfGes zur Rötelnimpfstrategie der DDR, 27.8.1986, in: BAB, DQ 1/12291.

98 Aktennotiz des MfGes, 11.8.1987, in: BAB, DQ 1/12291.

99 Bernd Stöver, Der Kalte Krieg 1947–1991. Geschichte eines radikalen Zeitalters, München 2007, S. 410.

100 BAK, B 269/45, Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Seuchen- und Umwelthygiene, 12./13.6.1975.

101 Zuvor hatte es Mehrfach-Impfungen v.a. gegen Diphtherie und Keuchhusten bzw. Tetanus gegeben; vgl. BAK, B 189/14102, Aktennotiz des BMI, 9.12.1955.

102 So der Vorsitzende der DVBK, Joppich, zit. in: Polio-Impfungen: Aktion Brunhilde, in: Spiegel, 21.2.1962, S. 78-81, hier S. 78.

103 BAK, B 189/14102, Protokoll des Arbeitsausschusses „Immunisierung“ der DVBK, 5.11.1959.

104 BAB, DQ 1/26772, Hausmitteilung des MfGes, 24.8.1982.

105 BAB, DQ 1/13143, Schreiben des Zentralinstituts an MfGes, Herrn Petzold, 7.9.1989.

106 Ebd., Hausmitteilung des MfGes, 6.5.1988.

107 BAB, DQ 1/14488, Vermerk des MfGes, 2.7.1990.

108 Vgl. hierzu die Beispiele und Belege bei Malte Thießen, Die immunisierte Gesellschaft als individuelle Verpflichtung. Impfungen als Bevölkerungspolitik, in: Thomas Etzemüller (Hg.), „Bevölkerung“ und die Ordnung der Gesellschaft in der Nachkriegszeit (in Vorbereitung).

109 Christoph Kleßmann, Verflechtung und Abgrenzung. Aspekte der geteilten und zusammengehörigen deutschen Nachkriegsgeschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 43 (1993) H. 29-30, S. 30-41, hier S. 30.

110 Zur deutsch-deutschen Geschichte von Aids vgl. den Beitrag von Henning Tümmers in diesem Heft.

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