- Deindustrialisierung, Nostalgie und die Theorie des agonalen Erinnerns
- Nostalgisches Erinnern in marktradikalen Deindustrialisierungsprozessen
- Deindustrialisierung und Nostalgie unter korporatistischen Vorzeichen
- Deindustrialisierung und Nostalgie im Globalen Süden
- Fazit
Vor den Wahlen zum nordrhein-westfälischen Landtag 2017 gab es im Ruhrgebiet eine Plakatkampagne der Alternative für Deutschland (AfD), die direkt an die nostalgischen Gefühle vieler Menschen in der Region appellierte. Der AfD-Kandidat Guido Reil war auf dem Poster in Bergarbeiterkluft zu sehen. Der indirekte Verweis auf seine langjährige SPD-Mitgliedschaft (»Im Herzen Sozi«) und seine gewerkschaftliche Arbeit, aber auch der traditionelle Bergarbeitergruß (»Glück auf«) bekräftigten die Botschaft des Bildes: War vormals die SPD die Partei des Arbeiters und des »kleinen Mannes« im Ruhrgebiet gewesen, so sei dies jetzt die AfD – in dem angeblichen Bemühen, eine sozialverträgliche Politik des Strukturwandels in der früheren Kohle- und Stahlregion zu gestalten. In einigen, von den Deindustrialisierungsprozessen am schlimmsten betroffenen nördlichen Teilen des Ruhrgebiets erreichte die AfD bei diesen Wahlen über 15 Prozent der Stimmen und damit eines ihrer besten Ergebnisse auf dem Territorium der alten Bundesrepublik.
Perspektivwechsel: Das heutige Weltkulturerbe Blaenavon Industrial Landscape in Südwales konnte nur erhalten werden, weil der lokale, Labour-dominierte Torfaen Borough Council sich nach der Schließung der Zeche entschieden hatte, sie für ein symbolisches Pfund zu erwerben und sie einem Charitable Trust zu übergeben. Ursprünglich als eine Initiative von unten entwickelt, die sich gegen die Kahlschlagpolitik der Regierung Thatcher wandte, ist der ehemalige Industriestandort mittlerweile Teil des National Museum of Wales. Die in der früheren Waschkaue der Bergleute untergebrachte Ausstellung zum Arbeiterleben in Südwales schließt mit einer Liste aller dort einst beheimateten Zechen und dem Schriftzug: »Weʼll be back!« – einer nostalgischen Beschwörung des einstigen Kampfgeistes von 1984/85, die auf die Solidarität der Bergleute abhebt. Im südwalisischen Kohlerevier waren diese zu Beginn des großen Streiks geschlossen aus den Gruben ausgefahren, und nach ihrer Niederlage zogen sie mit ihren Bannern und Musikgruppen geschlossen wieder in die Zechen ein, wenn auch meist nicht für lange.
Dies sind zwei ganz unterschiedliche Beispiele hochpolitischer nostalgischer Rückblicke auf eine industrielle Vergangenheit von Gesellschaften im Strukturwandel – Regionen, die einstmals mit spezifischen Industrien, nämlich Schwerindustrie, Kohle und Stahl, identifiziert wurden. Seit den 1960er-Jahren zeichnete sich im Globalen Norden, aber zum Teil auch in Regionen des Globalen Südens eine massive Deindustrialisierung ab, die verschiedene altindustrielle Branchen erfasste. Dies brachte unterschiedlich starke nostalgische Erinnerungen an die industrielle Vergangenheit hervor. Das Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaft selbst kommt seither nicht ohne kulturelle Elemente von Nostalgie aus: »Whole sectors of the economy are fuelled by nostalgia.«1 Die Tourismusindustrie hofiert und inszeniert die industrielle Vergangenheit – die allerdings als marktförmige Ware kaum kritisches Potential entwickeln kann. Wie die Soziologen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre angemerkt haben, wird die Vergangenheit im zeitgenössischen Kapitalismus verstärkt ausgeschlachtet. Dinge und Orte werden mit Geschichte angereichert und in Wert gesetzt. Deindustrialisierungsprozesse werden begleitet durch die Vermarktung von Relikten aus dem früheren oder gerade untergehenden Industriezeitalter, das damit zum Gegenstand einer »Bereicherungsökonomie« wird – auch in der Form eines Industriekulturtourismus.2
Den in den späten 1970er-Jahren begonnenen Forschungen zum Thema gelingt es – häufig auf Grundlage von Oral History –, ein dichtes Bild der Erfahrungswelten von Deindustrialisierung zu liefern, die oftmals nostalgische Formen der Erinnerung einschließen.3 In diesem Aufsatz möchte ich Überlegungen zum Verhältnis von Industriekultur und nostalgischem Erinnern, die ich im Hinblick auf die Industriekultur des Ruhrgebiets bereits angestellt habe, vergleichend erweitern.4 Meine These lautet, dass Erinnerungsregime der Deindustrialisierung oftmals nostalgische Elemente enthalten, die in ambivalenten und komplexen Prozessen eine wichtige Ressource im Strukturwandel sein können. Wie, wo und von wem werden industrielle Vergangenheiten in nostalgischer Form erzählt – und warum? Mit welchen politischen Ambitionen werden diese nostalgischen Erzählungen verknüpft? Nostalgie meint hier nicht durchgängig eine rosarote Brille auf industrielle Vergangenheiten, sondern ist ein wichtiger Bestandteil einer, um mit Hayden White zu sprechen, »praktischen Vergangenheit«,5 die der Gegenwart Argumente zur Gestaltung von spezifischen Zukunftsvorstellungen an die Hand gibt. Eine so verstandene Nostalgie ist nicht primär schädlich und gefährlich, sondern kann ein nützliches Instrument sein, um dominante Erzählungen zu konterkarieren und alternative Vergangenheiten zu etablieren, die in der Gegenwart die Konstruktion unterschiedlicher Zukünfte erlauben. Die Wiederentdeckung »vergangener Zukünfte« mittels nostalgischer Erinnerung erlaubt eine andere Positionierung in einer Gegenwart, die die Vergangenheit vereindeutigen möchte.6 Unter Bezug auf die Theorie des agonalen Erinnerns, die ich im Folgenden kurz vorstelle, frage ich anhand von drei Idealtypen der Deindustrialisierung nach dem Stellenwert nostalgischen Erinnerns und seinem kritischen Potential. Dabei wird Nostalgie als eine Form des Erinnerns verstanden, die sich mit anderen Formen mischen oder ihnen diametral entgegenstehen kann. Sie ist jedoch nur eine Option unter vielen möglichen Zugriffen auf die Vergangenheit.
1. Deindustrialisierung, Nostalgie und die Theorie des agonalen Erinnerns
Nostalgie kann weit mehr sein als eine rückwärtsgewandte antiquarische Betrachtung der Vergangenheit.7 Natürlich gibt es eine solche »tote« Vergangenheit, also das, was der Soziologe Fred Davis 1979 mit »simple nostalgia« bezeichnet hat, auch in Erinnerungen an Industriegesellschaften.8 Die Literaturwissenschaftlerin Svetlana Boym hat mit ihrem Begriff »restorative nostalgia« darauf verwiesen, dass solche antiquarischen nostalgischen Erinnerungen, oftmals aufbauend auf Verlusterfahrungen, eine Vergangenheit rekonstruieren wollen, um eine Tradition zu begründen, die dann allerdings davor zurückschreckt, in der Gegenwart zu intervenieren, selbst wenn diese Tradition der Gegenwart kritisch gegenübersteht.9
Aber neben derartigen unpolitischen Formen nostalgischen Erinnerns gibt es auch Formen der Nostalgie, die Diskurse und Narrative begründen, welche der Vergangenheit spezifische Bedeutungen für Kämpfe um Zukunftshorizonte in der Gegenwart geben. Eine derartige »praktische Vergangenheit« (White) korrespondiert mit zwei anderen Bedeutungsebenen von Nostalgie, die Davis identifiziert hat: »reflexive nostalgia« und »interpretative nostalgia«. Bei ersterer geht es darum, durch einen reflektierten Umgang mit Erinnerung Wahrheitsbehauptungen über die angebliche Vergangenheit in Frage zu stellen, während letztere unterschiedliche Bedeutungsebenen in den Geschichten über die Vergangenheit stärken und eventuell neue (Gegen-)Narrative etablieren kann.10 Die »praktische Vergangenheit« Whites korrespondiert zudem mit Boyms »reflective nostalgia«: Hier wird die Sehnsucht nach einer Vergangenheit zur Kritik an Zuständen der Gegenwart und schafft oppositionelle Narrative.11 Nostalgie und nostalgisches Erinnern haben somit eine besondere Fähigkeit, die Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eng miteinander zu verbinden, allerdings oftmals nicht im Sinne einer Kontinuität, sondern einer Diskontinuität: Gerade weil die Vergangenheit als Alterität konstruiert wird, kann sie in der Gegenwart zum oppositionellen Raum werden, der es erlaubt, alternative Zukunftsentwürfe zu entwickeln.12
Wie der Sozialgeograph Alastair Bonnett gezeigt hat, erschöpft sich der nostalgische Blick durchaus nicht in der sprichwörtlich antiquarisch-konservativen Sicht. Nostalgische Gefühlslagen wurden und werden keineswegs nur von reaktionären Bewegungen mobilisiert, um jedweder Form von Veränderung Einhalt zu gebieten. Zahlreiche progressive und radikale Bewegungen haben sich gleichfalls nostalgischer Gefühle bedient, um ihren Vorstellungen von Zukunft über den Verweis auf spezifische Vergangenheiten Nachdruck zu verleihen.13 Politisch war und ist Nostalgie also polyvalent, was die beiden Eingangsbeispiele nachdrücklich unterstreichen.
Nostalgie verbindet sich auf besondere Weise mit Gefühlen, weshalb die Beobachtungen des Kulturtheoretikers Raymond Williams zur »Struktur eines Gefühls« (structure of feeling) bei der Analyse nostalgischer Erinnerungen stärkere Beachtung finden sollten.14 Williams meint Bedeutungszuschreibungen und Werte, wie sie im Alltag gelebt und gefühlt werden. Bereits in den 1970er-Jahren unterschied er zwischen sich entwickelnden (emergent), dominanten (dominant) und zurückgebliebenen (residual) »Strukturen eines Gefühls«. In Deindustrialisierungsprozessen, möchte ich behaupten, begegnet man allen drei Strukturen. Durch Deindustrialisierung entstehen spezifische, sich überlappende, sich aber auch widersprechende »Strukturen von Gefühlen«, die dann wiederum Vergangenheiten konstruieren, welche so vielleicht nie existiert haben. Für das Ruhrgebiet etwa kann man argumentieren, dass eine starke regionale Zusammengehörigkeit überhaupt erst durch die industriekulturelle Erinnerung erzeugt wurde, während sie zu Hochphasen der Industrialisierung viel schwächer war und durch andere Identitäten, etwa klassen- und religionsspezifische, überlagert wurde.15 Zugleich gibt es in allen Deindustrialisierungsprozessen dominante »Strukturen eines Gefühls«, die diese Prozesse begleiten und steuern. Quer dazu liegen antihegemoniale »Strukturen von Gefühlen«, die erstere herausfordern. Dazu gehören häufig zurückgebliebene »Strukturen eines Gefühls«, etwa die Erinnerung an Arbeitsabläufe oder Lebensalltage von Arbeiter*innen, die ihre negativen Erfahrungen mit Deindustrialisierung durch nostalgische Rückblicke auf frühere Zeiten kompensieren, wobei diese oft weit mehr als eine Kompensationsfunktion haben und auch unterschiedliche Formen von Widerstand gegen Deindustrialisierung mobilisieren können, wie das obige Beispiel aus Südwales zeigt. Die Zugehörigkeit zu konstruierten Vergangenheiten entwickelt sich nicht zuletzt dort stark, wo rapider Wandel stattfindet und althergebrachte Identitäten in Frage gestellt werden.16
Nostalgie entsteht durch Erinnern. Sie ist ein integraler Bestandteil von Erinnerungskulturen und demnach auch von Kämpfen um die Erinnerung. Gerade dieses kämpferische Element verweist auf einen aktiven Bewusstseinszustand bei denjenigen, die sich nostalgischer Formen und Gefühle bedienen. So schreibt die Literaturwissenschaftlerin Sherry Lee Linkon über die Erinnerung, wie sie in Arbeiterliteratur zur Deindustrialisierung enthalten ist: »It involves both nostalgia and haunting, a longing for what has been lost and a reckoning with past injuries. Remembering the best qualities and effects of industrial labor can be productive and critical, in part because it provides a clear contrast that clarifies the problems of the present.«17 Hier mag es hilfreich sein, die Theorie des agonalen Erinnerns, wie sie von der Historikerin Anna Cento Bull und dem Literaturwissenschaftler Hans Lauge Hansen entwickelt wurde, auf nostalgisches Erinnern zu übertragen.18 Indem Bull und Hansen versuchen, Chantal Mouffes Konzeption des agonalen Prinzips19 auf Erinnerungsregime zu beziehen, unterscheiden sie zwischen antagonistischem, kosmopolitischem und agonalem Erinnern.
Antagonistisches Erinnern mobilisiert die Leidenschaften der Zugehörigkeit zu einem konstruierten »Wir«, indem es mit binären Konstruktionen dieses »Wir« von »Anderen« absetzt und sie zu Feinden erklärt, die schlimmstenfalls vernichtet werden müssen. Im Hinblick auf Deindustrialisierungsprozesse und ihre Erinnerungslandschaften läuft antagonistisches Erinnern auf eine vollkommene Zerstörung des Erinnerns an solidarische Klassenkulturen hinaus, wie die britische Regierung sie etwa nach dem Bergarbeiterstreik 1984/85 aktiv von oben betrieben hat.20 Auch wenn hier eher heroisches als nostalgisches Erinnern eine Rolle spielt, gibt es, wie ich weiter unten ausführen werde, durchaus Formen der Nostalgie in antagonistischen Erinnerungskulturen.
Kosmopolitisches Erinnern ist ebenfalls binär aufgebaut, orientiert sich aber stärker an den Opfern von Gewalt und ist geknüpft an Empathie und Mitgefühl. Anders als das antagonistische Erinnern ist es nicht monologisch auf die »Wir«-Gruppe konzentriert, sondern universalistisch, an Menschenrechtsdiskursen und an der Durchsetzung von ethischen Standards orientiert, die das Leiden der Menschen verringern und Versöhnung erlauben sollen. Fragt man nach der Rolle von kosmopolitischem Erinnern in Deindustrialisierungsprozessen, so geht es hier um Empathie mit den Verlierer*innen der Deindustrialisierung, den Arbeiter*innen, die ihre Jobs einbüß(t)en und in oftmals ärmlichen, prekären Verhältnissen einer ungewissen entgegensahen bzw. -sehen. Nostalgisches Erinnern kann, wie noch zu zeigen ist, im Rahmen von kosmopolitischem Erinnern dazu führen, dass die Erinnerung zur Mahnung wird, diese Verlierer zu integrieren und eine positive Zukunftsperspektive zu entwerfen, die Werte und Normen der Vergangenheit aufnimmt.
Agonales Erinnern schließlich ist bei Bull und Hansen dasjenige Erinnerungsregime, das die binäre Logik der anderen beiden Typen überwindet. Es will zu einer radikalen Pluralisierung und Historisierung der Vergangenheit beitragen. Es ist Teil einer selbstreflexiven Erinnerungskultur, die andere Akteure innerhalb eines demokratisch verfassten Rahmens, der von allen anerkannt werden muss, als akzeptierte politische Gegner in einem Erinnerungskampf begreift, der nie abgeschlossen sein kann. Während das kosmopolitische Erinnern innerhalb eines deliberativen Politikverständnisses nach einem Konsens strebt und spätestens nach dem Erreichen dieses Konsenses mit politischen Ausgrenzungsstrategien operiert, ist das agonale Erinnern zukunftsoffen. Indem es die Erinnerung zum Gegenstand eines Wettbewerbs von Zukunftsentwürfen macht, politisiert es sie. Dabei verortet sich das agonale Erinnern, wie die Agonistik insgesamt, eindeutig auf der Seite der politischen Linken.21 Es will die antikapitalistische Linke wieder sprachfähig machen, und zu diesem Zweck mobilisiert es die Leidenschaften der menschlichen Solidarität und des sozialen Zusammenhalts, die es durch einen ungezähmten Kapitalismus bedroht sieht. Überträgt man dieses agonale Erinnern auf Deindustrialisierungsprozesse, so versucht es, alle Akteure zunächst einmal in ihren jeweiligen Handlungslogiken zu verstehen, solidarisiert sich allerdings mit denjenigen, die auf Seiten der Arbeiter*innen versuchen, den Handlungsspielraum zu vergrößern, Widerständigkeit gegen Deindustrialisierung zu unterstützen und zu einem Strukturwandel beizutragen, der die radikalen Marktlogiken des Kapitalismus im Hinblick auf ihre Menschlichkeit hinterfragt.22
Ebenso wie das kosmopolitische Erinnern bedient sich das agonale Erinnern nostalgischer Strategien, um eine Vergangenheit zu beschwören, die in der Gegenwart richtungsweisend sein kann und die den Strukturwandel nicht im Dienste des Kapitalismus, sondern der Menschen an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen und Wohnorten gestaltet. Nostalgie ist hier oftmals ein Argument, um die »Einbettung« des Kapitalismus in Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit im Sinne von Karl Polanyi zu erreichen.23 Gerade das agonale Erinnern ist in seinem Bemühen, Strukturwandel demokratisch und im Hinblick auf das Wohlergehen der »99 Prozent« zu ermöglichen, per se antihegemonial, multiperspektivisch und selbstreflexiv. Agonale Erinnerungskulturen sehen die Deindustrialisierung nicht länger als eine Naturgewalt, der man sich nicht entziehen kann, sondern erlauben ihre radikale Historisierung und Dekonstruktion als Teil einer global agierenden kapitalistischen Verwertungslogik. Damit stellt sich die Frage der Macht. Nostalgisches Erinnern ist im Hinblick auf seine bereits konstatierte Polyvalenz vielfältig mit unterschiedlichen Macht- und Herrschaftsformen verbunden.
Die Nostalgie, die ikonische Landmarken des Industriezeitalters produziert, hat nun vielerorts zu problematischen Formen der Musealisierung industrieller Vergangenheit geführt. Die Ästhetik des Erhabenen von industriellen Ruinenlandschaften dekontextualisiert diese oftmals und lässt gerade diejenigen Erinnerungskulturen nicht zum Zuge kommen, die auf gemeinsame Klassenerfahrungen rekurrieren und dabei kritische Blicke auf kapitalistische Produktionsweisen werfen. Das UNESCO-Weltkulturerbe Völklinger Hütte im Saarland ist ein gutes Beispiel für eine solche Dekontextualisierung: Während die publikumswirksamen Ausstellungen vor der Kulisse des ehemaligen Eisenwerks inszeniert werden, treten die geschichtlichen Kontexte des Ortes und seine gelebte Realität fast vollkommen in den Hintergrund. Das historisch Spezifische geht durch eine Ästhetisierung verloren, und die Menschen, die diese Landschaften einst belebt haben, verschwinden aus einer Erinnerung, in der nur mehr die Hardware des Industriezeitalters verzückt. Hier dient Nostalgie dann tatsächlich dazu, eine postindustrielle Landschaft zu verklären, die die bloße Fassade für Transformationen des Kapitalismus bildet und kaum kritisches Potential entwickeln kann.24 Dies muss aber nicht so sein. Wie weiter unten ausgeführt wird, gibt es durchaus nostalgische Formen von Industriekultur, die sich einem agonalen Prinzip verpflichtet sehen.
Laurajane Smith und Gary Campbell vom Centre for Heritage and Museum Studies der Australian National University haben im Hinblick auf Deindustrialisierungsprozesse betont, dass Nostalgie mächtige komplementäre Emotionen mobilisieren kann, die wiederum wichtige Ressourcen im Kampf gegen Deindustrialisierung und ihre sozialen wie kulturellen Begleiterscheinungen sein können. Die Werte und Lebensweisen, die mit der Deindustrialisierung zu verschwinden drohen, können so in eine postindustrielle Zukunft gerettet werden und hier wieder politisch wirkmächtig werden. Arbeiterstadtteile in von Deindustrialisierung betroffenen Regionen zeichnen sich häufig durch Armut, Marginalisierung und den Verlust von Selbstachtung aus. Nostalgie, so Smith und Campbell, kann ein Gegenmittel sein, das es den von Deindustrialisierung betroffenen Menschen und ihren Organisationen erlaubt, den sich gern als alternativlos darstellenden Neoliberalismus in seine Schranken zu weisen und eigene Vorstellungen von wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zukünften zu entwickeln.25
Der britische Soziologe Tim Strangleman hat in verschiedenen Arbeiten eindrücklich darauf verwiesen, dass die Geschichte der Deindustrialisierung über nostalgische Repräsentationen eng mit der Geschichte der Industrialisierung verknüpft ist.26 In seinen Aufsätzen zur Eisenbahnindustrie zeigt Strangleman, wie konservative Regierungen in Großbritannien nostalgische Repräsentationen der Eisenbahnen vor ihrer Nationalisierung dazu benutzten, um die Privatisierung in den 1990er-Jahren voranzutreiben. Da die Eisenbahnen einen besonderen Platz in den nostalgischen Erinnerungslandschaften Großbritanniens einnehmen, konnten Regierungsvertreter dort anknüpfen, wo ihnen die Vergangenheit Verweise auf marktgerechteres Wirtschaften erlaubte – und auf eine Innovationsfähigkeit, die der nationalisierten Industrie abgesprochen wurde. Dabei, so Strangleman, kamen auf Regierungsseite sowohl nostalgische als auch »nostophobische« Strategien zum Einsatz, je nachdem, was gerade besser zum erstrebten Ziel der Privatisierung passte.27 Aber auch auf Seiten der in der Eisenbahnindustrie Beschäftigten seien nostalgische Gefühle im Hinblick auf eine angeblich bessere Arbeitskultur in der Vergangenheit zentrale Elemente für mögliche Widerstandsstrategien gegen vom Management angestrebte Reformen gewesen, oder auch Ressourcen in Zeiten rapiden Wandels, die halfen, an eigenen Werten und Vorstellungen von einem »guten Leben« und guten Arbeitspraktiken festzuhalten.28 Nostalgie zeigt sich bei Strangleman somit erneut als politisch wandelbares Instrument.
Folgt man nun den Überlegungen von Strangleman, Smith und Campbell, bleibt die Frage: Wie vollzieht sich nostalgisches Erinnern konkret in globalen Deindustrialisierungsprozessen? Wie kann man diese Prozesse in ihren jeweiligen Eigenarten verstehen und sie dennoch so clustern, dass größere Idealtypen dabei entstehen? Ich möchte sehr vorläufig drei unterschiedliche Deindustrialisierungswege vorstellen, die allerdings jeweils vielfältige lokale, regionale und nationale Ausprägungen hatten. Erstens scheint es mir sinnvoll zu sein, von marktradikalen neoliberalen Formen der Deindustrialisierung zu sprechen. Hier sind als Pioniere die USA und Großbritannien zu nennen. Daneben gibt es vielfältige andere Erfahrungen mit neoliberalen Konzepten, sowohl im Globalen Norden als auch im Globalen Süden. Davon abzuheben sind korporatistische Formen von Deindustrialisierung, wie wir sie in vielen westeuropäischen Ländern finden. Schließlich gibt es drittens postkoloniale Kontexte, vor allem im Globalen Süden, wobei wir noch einmal zwischen zumindest verbal noch kommunistischen und kapitalistischen Szenarien unterscheiden können. Für alle genannten Typen von Deindustrialisierung möchte ich nachfolgend fragen, wie nostalgisches Erinnern in den drei oben skizzierten Erinnerungsregimen jeweils funktioniert. Daraus ergibt sich eine Matrix des Verhältnisses von Nostalgie zum antagonistischen, kosmopolitischen und agonalen Erinnern, die in den weiteren Kapiteln näher erläutert wird.
2. Nostalgisches Erinnern in marktradikalen Deindustrialisierungsprozessen
Die USA und Großbritannien gehören zu denjenigen Nationen, in denen sich das politische Programm des Neoliberalismus um 1980 herum erstmals auf Regierungsebene durchsetzte und damit eine bis in die 1970er-Jahre hinein wirksame Hegemonie des Keynesianismus ablöste. Es war sicher kein Zufall, dass dies in Ländern geschah, die am frühesten und stärksten mit Deindustrialisierungserscheinungen zu kämpfen hatten. Als Folge massiver Abwanderung klassischer Industriezweige, in diesem Fall der Automobilindustrie, wurde Detroit zum globalen Symbol einer urbanen Ruinenlandschaft.29
Die Historikerin Tracy Neumann hat in ihrem Vergleich der Stahlstädte Pittsburgh und Hamilton gezeigt, wie sehr, besonders im Fall von Pittsburgh, die Interessen der Stahlarbeiter durch die postindustriellen Ideen der Stadtplaner*innen und Politiker*innen marginalisiert wurden – allerdings nicht ohne damit auch Widerstand zu provozieren.30 In Großbritannien befand sich Manchester in den 1960er-Jahren ebenfalls in einer Art von wirtschaftlichem freien Fall: Eine Textilfabrik nach der anderen schloss ihre Tore.31 Die neoliberale Politik der Regierungen Reagan und Thatcher ging davon aus, dass sich der Staat in wirtschaftliche Transformationsprozesse nicht einzumischen habe und dass die Märkte über Selbstheilungskräfte verfügten, die den Übergang zu einer postindustriellen Gesellschaft am schnellsten und effektivsten bewältigen würden. Dem Staat kam demnach einzig die Aufgabe zu, diejenigen Kräfte auszuschalten, die weiterhin auf einer Regulierung von Märkten bestanden.32 Das waren zunächst und vor allem die Gewerkschaften. Deshalb erließen Großbritannien und die USA eine ganze Reihe von neuen Anti-Gewerkschafts-Gesetzen.33 Der Höhepunkt dieser Strategie war die von langer Hand vorbereitete Zerstörung einer der einst mächtigsten Gewerkschaftsbewegungen der Welt, der National Union of Mineworkers in Großbritannien.34 An ihr wollte die Regierung Thatcher ein Exempel statuieren: Durch einen Klassenkrieg von oben sollte gezeigt werden, dass die Vertretungen der Arbeiter*innen bei der Suche nach Lösungen in Deindustrialisierungskrisen, anders als in den Jahrzehnten zuvor, keine Rolle mehr spielen sollten.
Die brutale Deindustrialisierung in den USA und Großbritannien sowie die sie begleitenden sozialen Konflikte führten zu starken antagonistischen Erinnerungskulturen mit klaren Freund-Feind-Verortungen und einer monologischen, nach innen gerichteten Diskussionskultur, die jeweils nur das eigene Lager ansprach. Auf Seiten der Marktradikalen wurden die industriellen Hinterlassenschaften zum Symbol einer zu überwindenden Vergangenheit, die im Erinnerungshaushalt der einstmaligen Industrieregionen und -nationen möglichst keinen Platz mehr haben sollte. Deshalb wurden die meisten materiellen Hinterlassenschaften der Industrie beseitigt. Finanzielle Förderung von Stätten der Industriekultur, die das Potential hatten, zu Erinnerungslandschaften der Industrialisierung und Deindustrialisierung zu werden, gab es kaum. Diese Politik der 1980er-Jahre bot keinen Raum für nostalgisches Erinnern an das Industriezeitalter – ganz anders als im Großbritannien der 1950er- und 1960er-Jahre, wo industriekulturelle Standorte wie Ironbridge eng verknüpft wurden mit einem stolzen nationalen Erinnern an Großbritannien als Mutterland der Industrialisierung.35 Noch heute wirbt Ironbridge damit, der Geburtsort der Industriellen Revolution zu sein.
Seit den 1980er-Jahren gab es vor allem ein nostalgisches Erinnern an den heroischen Kampf für freie Märkte. Ein solches war etwa auf Seiten der Konservativen beim Tod von Margaret Thatcher (2013) vielfach zu besichtigen, und auch in einem hagiographisch-kitschigen Film zum Leben Thatchers mit dem bezeichnenden Titel »The Iron Lady« stellte es bereits 2011/12 die dominante Form der Erinnerung dar.36 Aber Thatchers Tod zeigte zugleich die ganze Stärke der antagonistischen Erinnerungskulturen in Großbritannien, denn während die einen ein Staatsbegräbnis forderten, tanzten andere um Lagerfeuer und sangen: »The witch is dead. The witch is dead.« Das Lied »Ding Dong! The Witch Is Dead« aus »The Wizard of Oz« kletterte in der Woche von Thatchers Beerdigung bis zum zweiten Platz der BBC-Charts.37
Die einstigen Gegner einer marktradikalen Deindustrialisierung haben seit den 1980er-Jahren eine eigene oppositionelle Erinnerungskultur geschaffen. Die zu Beginn des Aufsatzes erwähnte Ausstellung im Museum des Weltkulturerbes Big Pit ist hierfür ein gutes Beispiel. Das südwalisische Kohlefeld, in dem sich einst Zeche an Zeche reihte, war nach der Niederlage im Bergarbeiterstreik 1984/85 einem rapiden Niedergang ausgesetzt, in dessen Folge Zehntausende Menschen die Region verließen und die Zechen fast allesamt abgerissen wurden. Nur dort, wo sich oppositionelle Gruppierungen zusammenfanden, um wenigstens einen kleinen Teil der industriellen Hinterlassenschaften zu bewahren, konnten sich Orte wie Big Pit oder auch der Rhondda Heritage Park etablieren.38
Hier zelebrierte man eine zwischen agonalem und antagonistischem Prinzip schwankende Erinnerungskultur voller nostalgischer Elemente, die die Solidarität der Bergarbeiter feierte. Die im Museum der Zeche Big Pit ausgestellten Alltagsobjekte der verschwundenen Bergarbeiterkultur, die ausgestellten Fahnen und Fotos zeugen von der engen Verbundenheit der Arbeiter mit ihren Gewerkschaften. Ihr Klubleben in den legendären »Minersʼ Halls« und ihr Füreinander-Einstehen unter Tage erschienen wie ein Fanal gegen die Aushöhlung und Zerstörung dieser Kultur durch die Regierung Thatcher. Und im Rhondda Heritage Park erfahren die Besucher*innen in einer Multimediashow von der Verbundenheit der Bergleute mit ihren Zechen: »I’ve heard some men talk about pits they’ve worked in as if they were alive. It’s difficult to explain but, see, in the Rhondda the pits just dominated our lives. […] Rhondda was world famous, man. And a magnet for people. [...] I suppose, through it all, we survived because, in a way, the getting of coal had made us a community. We’ve had our famous sons and daughters, like everyone else, but it’s the ordinary people who really gave salt to our lives. Ordinary? They were bloody extraordinary.« Es ist eine stolze Geschichte von Solidarität, Klassenkämpfen und kollektiven Traditionen, die hier erzählt wird.
Die »Communities« der Bergarbeiter in Big Pit und im Rhondda Heritage Park wurden so zu einer »praktischen Vergangenheit«, auf deren Grundlage man alternative Zukunftsentwürfe hervorbringen konnte. In Südwales spielten linke Intellektuelle, Akademiker*innen und Politiker*innen als »people’s remembrancers«39 eine herausgehobene Rolle, um eine nostalgische Erinnerungskultur zu etablieren, die sich in zahlreichen Büchern, Museen, TV-Dokumentationen und Spielfilmen niederschlägt. Einer radikalen Historisierung im Sinne des agonalen Prinzips war diese Erinnerungskultur oftmals abträglich, da sie eine wenig selbstreflexive Mythisierung des »Wir« betrieb.
Doch auch in einer Industriekultur »von unten« finden sich agonale Elemente mit nostalgischen Zügen. Begreift man die Geschichtsschreibung und die Sozialwissenschaften ebenfalls als Teil des gesellschaftlichen Erinnerns, so wird man etwa Tim Stranglemans Arbeiten als Teil einer solchen agonalen Erinnerungskultur ansehen können. Sein ausgezeichnetes Buch über die Guinness-Brauerei in London entwirft ein Bild, das den eingehegten Kapitalismus der ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem hochreflektierten nostalgischen Blick als »goldenes Zeitalter« erscheinen lässt, von dem sich die Jahre der neoliberalen Hegemonie, die in Großbritannien ja bis zur Gegenwart anhalten, in negativer Weise scharf abgrenzen lassen.40
In seinen Untersuchungen zu den visuellen Imaginationen früherer Industrieregionen warnt Strangleman eindrücklich davor, die Härte und Mühsal industrieller Arbeit sowie die Bitternis kapitalistischer Ausbeutung auszublenden: »We must avoid romanticising and [feeling] nostalgia for an industrial past and an organized working class.«41 Viele der von ihm untersuchten Bilder ehemaliger Industriebetriebe, die nach ihrer Schließung dem Verfall preisgegeben wurden, zeigten statt Anteilnahme eher große emotionale Distanz zu den Opfern der Deindustrialisierung. Strangleman sieht hier eine Form von Voyeurismus am Werk, die am ehesten einem antiquarischen Erinnern im Sinne Nietzsches nahekommt.42 Allerdings unterscheidet er durchaus zwischen mehreren Erinnerungskulturen im Hinblick auf Deindustrialisierung. Eine dieser Erinnerungsformen gleicht einem Nekrolog auf die Industriearbeit als einer untergegangenen, historisch ganz und gar abgeschlossenen Lebensform. Als Triumpherzählung wäre sie wohl am ehesten dem neoliberalen antagonistischen Erinnern zuzuordnen. Als Trauererzählung kann sie allerdings auch einer Form von kosmopolitischem Erinnern Vorschub leisten, da sie ein besonderes Augenmerk auf die Verlierer der Deindustrialisierung legt und einem Aufruf gleichkommt, sich besonders für deren Zukünfte zu engagieren – bei aller Akzeptanz des Endes von dominanten Industriegesellschaften im Globalen Norden. In diesen Formen von kosmopolitischen Trauererzählungen finden sich hohe Dosen an Nostalgie, gerade um die Sympathien mit den allerdings meist passiv dargestellten Opfern zu erhöhen.
Eine besondere Bedeutung kommt nach Strangleman dem materiellen Erbe industrieller Vergangenheiten zu. Die architektonischen Hinterlassenschaften und andere Objekte können zu Symbolen für untergegangene Sozialbeziehungen werden, die in vielerlei Hinsicht menschlicher und solidarischer gewesen seien als gegenwärtige Beziehungen. Erneut spielt Nostalgie eine durchaus produktive Rolle in der Vergegenwärtigung von »praktischen Vergangenheiten«. Hier findet man am ehesten agonale Erinnerungselemente, die die neoliberale Gegenwart und ihre dominanten Diskurse massiv in Frage stellen und stattdessen Formen von Solidarität, Gemeinschaft und kollektivem statt individuellem Vorankommen betonen. Im kosmopolitischen und agonalen Erinnern kann Nostalgie somit als wichtige Ressource im Kampf gegen oder bei der aktiven Gestaltung von Deindustrialisierungsprozessen dienen. Sie kann ein Anker für regionale und soziale Identitäten sein, der es den Menschen erlaubt, selbstbewusster und widerständiger auf die neoliberalen Zumutungen zu reagieren. Sie betont damit die Agency von Arbeiter*innen, die von Deindustrialisierung betroffen sind. Strangleman schreibt dazu: »We must avoid the arid account that sees the working class as now and always passive, hapless victims of impersonal structural forces.«43
Solche nostalgischen, agonalen und antihegemonialen Erinnerungen können eine Grundlage sein, auf der die Arbeiter*innen ihre einstige Vertrautheit mit Industriestandorten in die postindustrielle Gegenwart hinüberretten. An den Rand der Gesellschaft gedrängt, haben sie nicht nur ihre Arbeit, sondern ihre ganze Art zu leben verloren. Die Orte, die sie einst bewohnten, sind nicht mehr die ihren. Aus marxistischer Perspektive hat etwa Steven High in vielen einflussreichen Publikationen zur Deindustrialisierung in Nordamerika betont, wie ruinös solche Prozesse nicht nur für Fabriken, sondern auch für Menschen waren. Um Formen physischer, sozialer und kultureller Ruinierung zu begegnen, kann Nostalgie dabei helfen, Widerstand gegen die angebliche Naturwüchsigkeit von Deindustrialisierungsprozessen zu organisieren und die ökonomisch-politischen Parameter in Frage zu stellen, die hinter solchen Prozessen stehen. In den postindustriellen Nachbarschaften Montreals etwa finden sich zahllose Beispiele für Bürgerinitiativen, die sich zum Teil über Jahrzehnte der Gentrifizierung ihrer »neighbourhoods« widersetzten.44
Auch die wohl beste Kennerin der nordamerikanischen literarischen Produktion zur Geschichte der Deindustrialisierung, Sherry Lee Linkon, hat in ihren messerscharfen Analysen immer wieder betont, wie Autor*innen die industrielle Vergangenheit als Ressource benutzen, um das Überleben von Werten und Alltagskulturen der Arbeiter*innen, die einst Teil der industriellen Landschaften waren, in einer postindustriellen Gegenwart sicherzustellen. Auch hier spielen agonale nostalgische Elemente eine erhebliche Rolle. Sie gehen weit über die »smokestack nostalgia« hinaus, vor der Jefferson Cowie and Joseph Heathcott 2003 warnten, da sie in ihr eine bloß antiquarische, antagonistische Nostalgie vermuteten, die einem kritischen Verständnis von Deindustrialisierungsprozessen abträglich sei und einer Sentimentalisierung von industriellen Gesellschaften, besonders den in ihnen beheimateten Arbeiterkulturen, Vorschub leiste.45 Linkon dagegen arbeitet gut heraus, dass die Literatur der Deindustrialisierung weit über eine bloß rückwärtsgewandte Faszination für die Vergangenheit hinausgeht. Stattdessen bestehen diese Literatur und ihre Formen des nostalgischen Erinnerns darauf, das zu erhalten, was an dieser Vergangenheit erhaltenswert ist – und darauf mögliche neue Zukünfte aufzubauen. Dazu gehöre etwa ein tiefes Verständnis von Solidarität am Arbeitsplatz und in den Wohnvierteln der Arbeiter*innen.46 Dazu zähle aber auch ein kritischer Blick auf die vielen Ungleichheiten, etwa im Bereich der Geschlechterverhältnisse oder ethnischer Diskriminierung.47 Was Linkon so eindrucksvoll mit ihrem Begriff des »half-life of deindustrialization« bezeichnet, ist nichts weniger als ein zombiehaftes Nachleben der Untoten der Industriegesellschaften des Globalen Nordens, die zum Schrecken der neoliberalen Gegenwart werden, indem sie dieser den Spiegel einer Vergangenheit vorhalten, die zumindest in Teilen alternative Zukunftsvorstellungen zu denen der neoliberalen Gegenwart entwerfen kann.48 So werden Normen, Werte, Traditionen, Vergemeinschaftungen, aber auch Strukturen hochgehalten, die im Industriezeitalter ein als menschlicher empfundenes Leben ermöglichten als dasjenige in der neoliberalen Gegenwart.
3. Deindustrialisierung und Nostalgie unter korporatistischen Vorzeichen
Anders als in Großbritannien und den USA haben sich in vielen kontinentalen westeuropäischen Staaten marktradikale Strategien der Deindustrialisierung nicht in vergleichbarem Ausmaß durchsetzen können. Ältere korporatistische Strukturen, wie sie sich in den Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ausgeprägt hatten, waren hier stärker und resilienter.49 Unter ihren Vorzeichen nahmen Deindustrialisierungsphänomene eine andere Wendung. Hier suchten Regierungen oftmals den Dialog mit Vertreter*innen der von der Deindustrialisierung besonders betroffenen Arbeiter*innenschaft, um gemeinsame Lösungsstrategien zu entwickeln und eine Ruinierung der materiellen Hinterlassenschaften wie in Großbritannien und den USA zu vermeiden. Auch wenn große Unterschiede zwischen den korporatistischen Modellen Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Spaniens existieren, stellen sie insgesamt doch einen anderen Typus des Umgangs mit Deindustrialisierung dar als derjenige, der in Großbritannien und den USA zu beobachten ist. Stellvertretend sei das vielleicht herausragendste Beispiel eines solchen korporatistischen Managements von Deindustrialisierung angeführt, das Ruhrgebiet.50 Wiederum soll die Frage im Mittelpunkt stehen, welches Erinnerungsregime bei dieser Art von Deindustrialisierungsbewältigung dominiert und welche Rolle dabei nostalgisches Erinnern spielt.
In der »Konfliktpartnerschaft«51 zwischen Unternehmer*innen und Gewerkschafter*innen, die den »rheinischen Kapitalismus« der Bundesrepublik kennzeichnet(e),52 sind Deindustrialisierungsprozesse so abgefedert worden, dass es nicht zu vergleichbaren sozialen Verwerfungen wie in Großbritannien oder den USA gekommen ist.53 Die Steinkohleindustrie, die als Leitindustrie der bundesdeutschen Wirtschaft in den 1950er-Jahren circa 600.000 Menschen beschäftigte, ist das wohl herausragendste Beispiel einer solchen sozialverträglichen Abwicklung einer ganzen Branche.54 Sie erfolgte über einen Zeitraum von 50 Jahren und umfasste auch eine solidarische Leistung der gesamten Gesellschaft: den »Kohlepfennig«, eine Sonderabgabe auf den Strompreis in den Jahren 1974 bis 1995. In der etwas späteren Krise der Stahlindustrie im Ruhrgebiet wurden bereits ganz andere Wege beschritten. Aber auch hier war deutlich, dass sozialverträgliche Formen der Deindustrialisierung Priorität vor marktradikalen Lösungen hatten.55
Der deutsche Begriff »Strukturwandel«, der in der Bundesrepublik viel verbreiteter ist als die Bezeichnung »Deindustrialisierung«, signalisiert bereits einen anderen mentalen Horizont als denjenigen, der in Großbritannien und den USA vorherrscht. In diesem Begriff steckt die Idee, man könne Deindustrialisierungsprozesse gestalten und ehemalige Industrieregionen auf solche Weise für eine neue Zukunft fit machen. Diese Zukunft wird meist nicht ausschließlich postindustriell definiert, denn das Beibehalten verarbeitender Industrien wird in der Bundesrepublik von vielen Beobachter*innen als wichtiges Element einer Zukunftsstrategie gesehen.56 Im Begriff »Strukturwandel« steckt außerdem die Überzeugung, dass dieser Wandel im Interesse der gesamten Gesellschaft, inklusive der betroffenen Arbeitskräfte, »von oben« zu gestalten sei. Damit ist er Bestandteil eines Social-Engineering-Diskurses.57 Vor dem Hintergrund dieser Suche nach sozialverträglichen Strategien der Deindustrialisierung entwickelten sich Erinnerungen an industrielle Vergangenheiten, die Geschichte als Ressource im Strukturwandel begriffen. Ganze industriekulturelle Landschaften wurden im Ruhrgebiet erhalten, und ihre Erinnerungsnarrative bilden heute das Rückgrat eines kosmopolitischen Erinnerungsregimes, das mit starken nostalgischen Elementen arbeitet. Man findet sie sowohl in den zahllosen Industrie- und Regionalmuseen als auch an den industriekulturellen Stätten, wo sich neue Industrien im Ruhrgebiet bevorzugt ansiedeln.
Die »Route der Industriekultur« im Ruhrgebiet bietet 27 »Ankerpunkte«, also zentrale industriekulturelle Orte; außerdem 16 Panoramen, 13 Wohnsiedlungen und hunderte von kleineren und größeren industriekulturellen Stätten, die aufgereiht an 400 Straßen- bzw. 700 Radfahrwegkilometern besucht werden können.58 Seit den 1990er-Jahren boomt die Tourismusindustrie im Ruhrgebiet und stellt inzwischen einen wichtigen Bestandteil der regionalen Wirtschaftsleistung dar. Seit 2001 setzt die sogenannte »ExtraSchicht« diese Fülle an Industriekultur über Lesungen, Musikveranstaltungen, Kunstausstellungen, Performances, Lichtkunst, Theater- und Filmvorführungen einmal im Jahr aufwendig in Szene. Hunderttausende nehmen an den Veranstaltungen teil.59 Was bedeutet diese stolz zur Schau gestellte Ruinenlandschaft, die inzwischen durch vielfältige Formen der Um- und Neunutzung eigentlich gar keine Ruinenlandschaft mehr ist? Welche Erzählungen begegnen uns hier? In welchem Verhältnis steht die Überfülle an Vergangenheitsbezügen zur Gegenwart und zu den Zukunftsentwürfen für das Ruhrgebiet?
Jeder auch nur oberflächlichen Betrachtung dieses Reichtums an Industriekultur springt ins Auge, wie einheitlich der Erinnerungshorizont der Hinterlassenschaften des Industriezeitalters im Ruhrgebiet ist.60 Erzählt wird eine Erfolgsgeschichte des Strukturwandels, die ihrerseits das Fundament einer starken regionalen Identität ist. Das beginnt mit der Hervorhebung der nationalen und europäischen Bedeutung des Ruhrgebiets im Industriezeitalter. Ohne Kohle und Stahl aus dem »Pott« kein Aufstieg Deutschlands zur führenden Industrienation Europas vor 1914, keine wirtschaftliche Erholung nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg und keine Europäische Union, die auf dem Fundament der 1952 gegründeten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl aufbaut. Schon hier begegnet einem also ein nostalgisch-patriotischer Blick auf die einstige Bedeutung der Region, die sie heute nicht mehr hat, auf die man aber mit Stolz zurückschauen kann.61
Dazu gesellt sich, im Gegensatz zu Großbritannien, die Befriedigung, den Strukturwandel in der Region seit den 1960er-Jahren so erfolgreich bewältigt zu haben.62 Auch hier ist ein nostalgischer Blick auf das Zusammenwirken der Sozialpartner und des Staates an der Tagesordnung. Er dient nicht zuletzt der Aufrechterhaltung eines Modells von Sozialpartnerschaft, das innerhalb Deutschlands, Europas und der weiteren Welt inzwischen stark in die Defensive geraten ist. Soziale Konflikte in der langen Geschichte von Industrialisierung und Deindustrialisierung werden nicht ausgeklammert, aber in eine teleologische Erzählung eingebettet, die harte Klassenkämpfe in der Zeit des 19. Jahrhunderts bis zur nationalsozialistischen Machteroberung 1933 der ferneren Vergangenheit zuweist, während der Aufstieg des rheinischen Kapitalismus, des Korporatismus und der Sozialpartnerschaft eine Form der Konfliktpartnerschaft institutionalisiert habe, die die große Herausforderung des Strukturwandels insgesamt gut gemeistert habe.
In einer durch Arbeitsmigration gekennzeichneten Region werden auch, bei aller kritischen Betrachtung vergangener und gegenwärtiger ethnischer Konflikte, die Integrationsleistung und die Multikulturalität der Region als wesentlicher Bestandteil regionaler Identität gefeiert.63 Dabei folgt die industriekulturelle Erinnerungslandschaft einem kosmopolitischen Narrativ, das ein positives »Wir« in Form einer sozialpartnerschaftlich verfassten Sozial- und Wirtschaftsordnung von einem negativen »Anderen«, dem neoliberalen Sozial- und Wirtschaftsmodell abgrenzt, das vor allem durch einen konsequenten Marktradikalismus geprägt sei. Dieses Narrativ ist dabei durchaus multiperspektivisch und dialogisch aufgebaut und zudem hoch reflexiv im Hinblick auf seine eigene Konstruiertheit. Es hat aber in der Region eine solche Wirkmacht erreicht, dass es kaum noch in Frage gestellt werden kann.
Wie die Erfolge der AfD im nördlichen Ruhrgebiet zeigen, hat sich dies in jüngster Zeit nun geändert. Es ist daher eine wichtige politische Aufgabe von Erinnerungsaktivist*innen gleich welcher Couleur, von Historiker*innen, Museumsmacher*innen, Politiker*innen und anderen, der nostalgisch kosmopolitischen Erinnerungskultur des Ruhrgebiets agonale Elemente entgegenzustellen, die die hegemoniale Position des dominanten Erfolgsnarrativs aufbrechen und zu einem offenen politischen Dialog einladen, um die Erinnerungslandschaften der Industriekultur zu repolitisieren.64 Dabei wird sich eine agonale Erinnerungskultur klar auf Seiten derjenigen positionieren, deren Forderung nach gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Solidarität auf einer an sozialer Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit orientierten demokratischen Grundlage basiert. Worin könnten solche agonalen Erinnerungselemente bestehen?
Erstens könnte das Befriedungsnarrativ der Sozialpartnerschaft mit einer stärkeren Betonung der sozialen Kämpfe der jüngeren Vergangenheit durchbrochen werden. Dies könnte die Grundlage bilden für soziale Kämpfe der Gegenwart, etwa um Kinderarmut, Langzeitarbeitslosigkeit und Bildungsnotstand, die auch künftig im Ruhrgebiet geführt werden müssen. Zweitens sollte das Narrativ der erfolgreichen Multikulturalisierung des Ruhrgebiets mit Verweisen auf die problematischen Seiten einer ethnozentrischen Ausgrenzung von Zugewanderten durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft, die zum Teil bis heute andauert, präzisiert werden. Auch hier könnten agonale Erinnerungselemente also das Fundament für eine »praktische Vergangenheit« legen, die das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen zu einem noch unerreichten Leitbild von Politik macht. Drittens wäre eine stärkere Problematisierung des sich in den letzten Jahren stark entwickelnden »Industrienatur«-Narrativs wünschenswert.65 Statt die angeblich durch die postindustrielle Nutzung von Industriearealen gewachsene ökologische Vielfalt und den nachhaltigen Umgang mit der Natur im Strukturwandel zu zelebrieren, könnten agonale Elemente einer Erinnerungskultur noch stärker die Dringlichkeit eines solchen Umgangs betonen und konkrete politische Umsetzungen einfordern sowie die drohende Klimakatastrophe als zentrale Herausforderung deutlicher hervorheben. In allen drei Sphären möglicher agonaler Interventionen wäre durchaus Platz für nostalgisch inspirierte politische Forderungen mit dem Ziel einer demokratisch-sozial-ökologisch fundierten Zukunft.
Das knapp skizzierte korporatistische Modell der Deindustrialisierung mit seiner Ausprägung einer nostalgisch-kosmopolitischen Erinnerungs(industrie)kultur im Ruhrgebiet ist das in Westeuropa wohl markanteste Beispiel. Varianten dieses korporatistischen Modells gibt es aber auch in Frankreich, Italien, Spanien und an anderen Orten eines stark durch christ- und sozialdemokratische Werte geprägten Westeuropas. Überall finden sich nostalgische Elemente mit ihren Ambiguitäten, die diverse Erinnerungsregime stützen.66 Ganz anders gelagert sind dagegen die Erinnerungskulturen in Deindustrialisierungsprozessen des Globalen Südens, die abschließend kurz angesprochen werden sollen.
4. Deindustrialisierung und Nostalgie im Globalen Süden
Die einschlägigen Globalisierungsstudien postulieren einen direkten Zusammenhang zwischen Deindustrialisierungsprozessen im Globalen Norden und Industrialisierungsprozessen im Globalen Süden seit den 1960er-Jahren.67 Doch leiden diese Studien zum einen an einem verkürzten historischen Bewusstsein, denn Industrialisierungs- ebenso wie Deindustrialisierungsprozesse gibt es auch im Globalen Süden seit dem späten 19. Jahrhundert.68 Zum anderen berücksichtigen sie oftmals zu wenig, dass die zum Teil massiven Industrialisierungsprozesse, gerade in sogenannten Schwellenländern, seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ebenfalls begleitet waren von lokalen oder regionalen Deindustrialisierungsprozessen. Nehmen wir hier als Beispiel eines der absoluten Boomländer der vergangenen drei Jahrzehnte – China. Obwohl es sich formell um ein kommunistisches Regime handelt und die Kommunistische Partei verkünden lässt, dass die Transformation der letzten Jahrzehnte ein spezifisch chinesischer Weg zum Kommunismus sei, ist doch unverkennbar, dass unter dem oligarchisch-autokratischen System einer Parteielite eine Art von Turbokapitalismus entstanden ist, die mit der ursprünglichen Idee des Kommunismus wenig zu tun hat.69 Auch im postkommunistischen Kuba und im postkommunistischen Vietnam sehen wir vergleichbare, aber zugleich sehr eigene Prozesse einer versuchten Anpassung an das globale kapitalistische System. So erfolgreich wie China gelang es allerdings keinem Land, den Kapitalismus innerhalb seiner eigenen Spielregeln zu adaptieren und das globale System hierbei inzwischen sogar in mancherlei Hinsicht anzuführen.
Dort, wo der Kommunismus im Globalen Norden um 1990 zusammengebrochen ist, haben wir ebenfalls unterschiedliche Adaptionsstrategien an den Kapitalismus erlebt. Aber gerade in Ostmitteleuropa hatte der Neoliberalismus oftmals einen erheblichen Einfluss. Hier gab es zahlreiche Versuche, dessen Marktradikalismus umzusetzen oder noch zu steigern, um möglichst bald den Anschluss an den globalen Kapitalismus zu erlangen.70 Während die Industriearbeiter*innen im antagonistischen Erinnerungsregime des Kommunismus zu den Helden zählten, für die das System angeblich geschaffen worden war, hatten sie im Postkommunismus häufig keine Lobby mehr. Die sich rapide deindustrialisierenden Landschaften verödeten innerhalb kürzester Zeit, und sie erinnerten in ihrer Trostlosigkeit zum Teil stark an die Industrielandschaften in den USA oder im Norden Englands.71 In China dagegen wurde zumindest die Idee des Kommunismus verbal aufrechterhalten, und so blieben die »Arbeiter und Bauern« dort Helden, angeführt von der Kommunistischen Partei. In der Tat bemüht sich die Kommunistische Partei Chinas seit den 2000er-Jahren massiv um die Entwicklung von industriekulturellen Stätten an ehemaligen Industriestandorten. Seit der Deklaration von Wuxi im April 2006, die zum ersten Mal in China die Erhaltung industriekultureller Objekte forderte und zugleich denkmalpflegerische Standards setzte, wächst die Anzahl solcher Stätten im Land exponentiell. Die Bedeutung der Industriekultur wird hier in Beziehung gesetzt zur Modernisierung Chinas. In der Erklärung von Wuxi wurde auch hervorgehoben, dass man von den industriekulturellen Initiativen des Globalen Nordens lernen wolle, und man bekannte sich zu den Erklärungen der internationalen Organisation für Industriekultur (The International Committee for the Conservation of the Industrial Heritage, TICCIH).72
Viele der seit den 2000er-Jahren ins Leben gerufenen Initiativen betonen technische, architektonische sowie künstlerische Aspekte der Industriekultur; viele bemühen sich auch um Varianten einer Touristifizierung und Kommodifizierung.73 Dabei kommen manche Projekte, etwa der als Teil eines für chinesische Touristen gebauten Heritage-Parks rund um die Kailuan-Zeche in Tangshan errichtete Nachbau einer alten Bergarbeiterstadt, fast vollkommen ohne Referenz an das aus, was Bergbau und Bergarbeit für die Menschen in der Region einmal bedeutet haben: harte körperliche Arbeit und Entbehrungen, aber auch ein leidliches Auskommen und der Stolz, am Aufbau einer neuen Gesellschaft teilzuhaben. Stattdessen dominieren dekontextualisierte und nostalgische Referenzen an eine architektonische Vergangenheit, ironischerweise häufig im Kleid imperialer westlicher Architektur und Populärkultur, nebst den allgegenwärtigen Konsumtempeln.
Aber selbst wenn in den seit den 2000er-Jahren zunehmend beliebten Industriemuseen eine Kontextualisierung versucht wird, dominieren Narrative, die eine selektive und ideologische Wahrnehmung der industriellen Vergangenheit nahelegen. Besonders die semi-koloniale Geschichte Chinas, aber auch die Rolle der Kommunistischen Partei bei der Industrialisierung und Modernisierung des Landes wird in eine stark antagonistische Erinnerungskultur eingebettet, die voller Nostalgie auf den heroischen Kampf der KP Chinas gegen ihre inneren und äußeren Feinde blickt und dabei eine Bestätigung des derzeitigen politischen Regimes sucht. Vor dem Hintergrund jener Mischung aus Kommunismus und Nationalismus, die für die KP Chinas charakteristisch ist, stellt es allerdings ein Problem dar, dass China in der Frühzeit der Industrialisierung wesentliche Impulse durch imperiale Mächte erhalten hatte, vor allem im Nordosten durch Russland und Japan. Viele industriekulturelle Standorte gehen auf diese Rolle der imperialen Mächte entweder gar nicht ein oder betonen die Ausbeutung und Brutalität gegenüber der einheimischen Bevölkerung, wobei Russland und Japan als Feinde markiert werden und die eigene Nation in der Opferrolle erscheint.74 Heroischen Widerstand gegen den Imperialismus leistete dieser Darstellung zufolge vor allem die KP Chinas, die den Kommunismus im Zweiten Weltkrieg gegen die Imperialisten und anschließend gegen die innerchinesischen Feinde durchgesetzt habe. Nach 1949 werden alle Erfolge bei der Industrialisierung und Modernisierung Chinas auf das Konto der KP verbucht, während Fehlschläge wie die systematische Verlegung von Industrien in das Innere des Landes (aus militärstrategischen Gründen) kaum thematisiert werden. In den Versuchen, diese inzwischen weitgehend verlassenen Stätten mittels Industriekulturtourismus wiederzubeleben, fehlen jegliche kritische Elemente.75 Selbst die Kulturrevolution wird weitgehend als positives Erlebnis der städtischen Bevölkerung geschildert – mit den Bauern auf dem Lande in angeblich harmonisch-symbiotischen Lerngemeinschaften verbunden.76 Besonderes Augenmerk erhält dabei der rasante Aufstieg Chinas zu einer wirtschaftlichen Weltmacht seit den 2000er-Jahren, wobei auch hier wieder die Rolle der KP und ihrer Führung ganz im Vordergrund steht.
Innerhalb des Globalen Südens sind China und die wenigen postkommunistischen Staaten, in denen noch eine Kommunistische Partei regiert, sicher Ausnahmen. Viele kapitalistische Staaten des Globalen Südens, besonders in Lateinamerika, waren in den 1970er- und 1980er-Jahren Experimentierfelder neoliberaler Ideologen aus Nordamerika. In Chile und Argentinien begann jeweils nach der Etablierung von Militärdiktaturen 1973 und 1976 eine massive Deindustrialisierung unter marktradikalen Perspektiven. In Brasilien erfolgten derartige Reformen unter dem Einfluss des Weltwährungsfonds und der Weltbank erst in der Dekade zwischen den späten 1980er- und den späten 1990er-Jahren; dies resultierte in fast zwei Millionen verlorenen Jobs.77 Ähnlich wie in den neoliberalen Systemen des Globalen Nordens gab es hier wenig Sympathien für industriekulturelle Entwicklungen an denjenigen Orten, an denen Industrien in eine Krise geraten waren und geschlossen werden mussten. Wo solche Initiativen dennoch existieren, haben sie ihren Ursprung meist in oppositionellen Gegenerzählungen, die, wie im Globalen Norden, zahlreiche agonale Elemente und nostalgische Bezüge auf den Widerstand der Arbeiter*innen gegen Diktatur und Willkür am Arbeitsplatz und in der Politik enthalten.
Zudem waren die industriekulturellen Entwicklungen im Globalen Süden seit dem 19. Jahrhundert auf das Engste mit dem Globalen Norden verbunden, in dessen Machtzentren die globale Wirtschaft weitgehend gesteuert wird. Postkoloniale Staaten wurden somit über Industriekultur immer wieder an ihren vormaligen kolonialen Status erinnert, der nach der politischen Unabhängigkeit oftmals in neue wirtschaftliche Abhängigkeiten überführt wurde. Was bedeutet vor diesem Hintergrund eine industriekulturelle Erinnerung? Welche Erinnerungsregime werden wie bedient, und welche Rolle spielen jeweils nostalgische Elemente? Die Studien zu Deindustrialisierung und Industriekulturalisierung im Globalen Süden müssen mit den Studien zum Globalen Norden dringend in ein Gespräch gebracht werden, um weiteren Aufschluss über die Verflechtungen von Erinnerungsregimen zu gewinnen.78 Hierbei wäre auch besonders danach zu fragen, welche Aneignungen und Transfers es im Dialog zwischen Globalem Norden und Globalem Süden gegeben hat.
Wie gezeigt, sind Deindustrialisierungsprozesse in sehr unterschiedlicher Weise mit Erinnerungsregimen verbunden, die eine nostalgisch inszenierte Industriekultur für Sinngebungen nutzen. Unter marktradikalen Vorzeichen, etwa in Großbritannien, entwickelte sich ein starkes antagonistisches Erinnern entlang der Kämpfe um Deindustrialisierung. Die Verlierer*innen von Deindustrialisierungsprozessen nutzen aber auch agonale Erinnerungskulturen, die auf industriekultureller Nostalgie aufbauen, wie wir es in Südwales beobachtet haben. Industriekultur tritt hier im Gewand einer oppositionellen, antihegemonialen Erinnerungskultur auf, die politische Gegenentwürfe zu neoliberalen Vorstellungen stützt.
Unter korporatistischen Vorzeichen, etwa in Deutschland, entwickeln sich industriekulturelle Landschaften wie im Ruhrgebiet wesentlich leichter und sind oftmals gekoppelt an eine kosmopolitische Erinnerungskultur, die die stolze industrielle Vergangenheit mit einem von oben gemanagten Deindustrialisierungsprozess verbindet, der soziale Härten vermeidet und eine Zukunftsperspektive nicht nur nach, sondern auch mit der Industrie aufmacht. Hier finden sich ebenfalls vielfältige nostalgische Referenzen auf das Industriezeitalter und den als erfolgreichen Kampf um Zukunft erzählten Prozess der Deindustrialisierung. Dem oftmals sehr einheitlichen kosmopolitischen Diskurs, der weithin von oben gestaltet wird, fehlen allerdings notwendige agonale Elemente, um ihn durch Gegen-Erinnerungen zu repolitisieren.
Im postkolonialen Globalen Süden gibt es verbal noch kommunistische Formen von Deindustrialisierung, die stark antagonistische Erinnerungsregime hervorbringen, bei denen eine nostalgisch verbrämte Industriekultur zur hegemonialen Strategie der regierenden Kommunistischen Parteien zählt. Davon zu unterscheiden sind kapitalistische Formen der Deindustrialisierung im Globalen Süden, in denen tendenziell ein agonales Erinnern der Verlierer der Deindustrialisierung, d.h. der Arbeiter*innen und ihrer Organisationen, durch eine nostalgisch inszenierte Industriekultur antihegemoniale Akzente setzt.
Agonale Erinnerungsregime, ob im Globalen Süden oder im Globalen Norden, sind immer antihegemonial und richten sich gegen die Versuche von Regierungen und Unternehmen, industrielle Vergangenheiten aus der Erinnerung zu tilgen oder für bestimmte Erinnerungsmuster zu vereinnahmen. Sie bedienen sich dabei eigener nostalgischer Inszenierungen von Industriekultur. Ähnliche Versuche der Indienstnahme von Nostalgie finden wir auch in den kosmopolitischen Erinnerungsregimen korporatistischer Formen von Deindustrialisierung – allerdings hier als hegemoniale Strategie der von oben wie von unten organisierten Erinnerungskulturen. Und schließlich finden wir nostalgische Elemente auch in den antagonistischen Erinnerungsregimen postkolonialer, verbal noch kommunistischer Formen von Deindustrialisierung.
Besonders in agonalen Erinnerungsregimen dient die »Nostalgie der erkalteten Schornsteine« einer Emotionalisierung von Erinnerungen, um Ideen von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten, die durch marktradikale Strategien unterminiert wurden. Sie ist damit ein hochpolitisches Instrument, untermauert sie doch den Anspruch der Industriekultur, eine »praktische Vergangenheit« zum Leben zu erwecken, um Zukunft im Sinne derjenigen zu gestalten, die am meisten unter Deindustrialisierungsprozessen leiden. Eine an agonale Erinnerungskulturen gekoppelte Nostalgie ist für diese Akteur*innen ein wichtiges Werkzeug, um Sprachfähigkeit und Agency zu erlangen. Sie ist damit weit entfernt von ästhetisierenden, voyeuristischen und antiquarischen Intentionen, mit denen Nostalgie immer noch gern verbunden wird.
Deshalb wäre in zukünftigen Forschungsprojekten verstärkt zu prüfen, wem durch Nostalgie in welchen Erinnerungsregimen unter welchen Bedingungen von Deindustrialisierung Handlungsmacht gegeben (oder genommen) wird. Wessen Gestaltung von Deindustrialisierung wird über welche nostalgischen Erinnerungen legitimiert? Wie können agonale Interventionen dazu beitragen, dominante antagonistische und kosmopolitische Rahmungen des Erinnerns an industrielle Vergangenheiten und Deindustrialisierungsprozesse zu konterkarieren und unterdrückte Stimmen wieder zum Vorschein zu bringen, die die Erinnerungen pluralisieren und zukunftsrelevant machen? Zum einen ist dies ein Thema für gesellschaftspolitische Debatten, zum anderen – in analytischer Perspektive – ein Gegenstand für die historische und sozialwissenschaftliche Forschung.
Anmerkungen:
1 Yiannis Gabriel, Organizational Nostalgia – Reflections on ›The Golden Age‹, in: Stephen Fineman (Hg.), Emotion in Organizations, London 1993, S. 118-141.
2 Luc Boltanski/Arnaud Esquerre, Bereicherung. Eine Kritik der Ware. Aus dem Französischen von Christine Pries, Frankfurt a.M. 2018. Zur Kommodifizierung von nostalgischen Blicken auf industrielle Vergangenheiten im Kontext von Südwales siehe auch Bella Dicks, Heritage, Place and Community, Cardiff 2000, und Laurajane Smith, Uses of Heritage, London 2006.
3 Zwei Beispiele von vielen aus jüngster Zeit sind: Lachlan MacKinnon, Closing Sysco. Industrial Decline in Atlantic Canada’s Steel City, Toronto 2020; Steven High, One Job Town. Work, Belonging and Betrayal in Northern Ontario, Toronto 2018.
4 Stefan Berger, Industrial Heritage and the Ambiguities of Nostalgia for an Industrial Past in the Ruhr Valley, Germany, in: Labor. Studies in Working Class History 16 (2019) H. 1, S. 37-64.
5 Hayden White, The Practical Past, Evanston 2014.
6 Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 1979.
7 Die Idee einer antiquarischen Betrachtung der Vergangenheit nimmt Bezug auf Nietzsches wichtige Unterscheidung zwischen antiquarischer und kritischer Geschichtsschreibung. Während erstere keine Bezüge zur Gegenwart hat, ist letztere immer verbunden mit einer Positionierung in der Gegenwart im Hinblick auf die Zukunft. Siehe Friedrich Nietzsche, Unzeitgemässe Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben, Leipzig 1874.
8 Fred Davis, Yearning for Yesterday. A Sociology of Nostalgia, New York 1979.
9 Svetlana Boym, The Future of Nostalgia, New York 2001.
10 Davis, Yearning for Yesterday (Anm. 8).
11 Boym, Future of Nostalgia (Anm. 9).
12 Die engen Verbindungen dieser mitnichten immer chronologisch angeordneten Zeitebenen sind von der historischen Zeitforschung wiederholt betont worden. Siehe z.B. die Aufsätze in: Chris Lorenz/Berber Bevernage (Hg.), Breaking up Time. Negotiating the Borders Between Present, Past and Future, Göttingen 2013.
13 Alastair Bonnett, Left in the Past. Radicalism and the Politics of Nostalgia, New York 2010, S. 5.
14 Raymond Williams, The Country and the City, Oxford 1973.
15 Stefan Berger/Jana Golombek/Christian Wicke, A Post-Industrial Mindscape? The Mainstreaming and Touristification of Industrial Heritage in the Ruhr, in: dies. (Hg.), Industrial Heritage and Regional Identities, London 2018, S. 74-94.
16 Rolland Munro, Belonging on the Move: Market Rhetoric and the Future as Obligatory Passage, in: Sociological Review 46 (1998), S. 208-243. Zur Evolution dieser Theorie siehe auch Tobias Becker, The Meanings of Nostalgia: Genealogy and Critique, in: History and Theory 57 (2018), S. 234-250.
17 Sherry Lee Linkon, The Half-Life of Deindustrialization. Working-Class Writing about Economic Restructuring, Ann Arbor 2018, S. 23.
18 Anna Cento Bull/Hans Lauge Hansen, On Agonistic Memory, in: Memory Studies 9 (2016), S. 390-404.
19 Chantal Mouffe, Agonistik. Die Welt politisch denken, Frankfurt a.M. 2014.
20 Stuart Hall/Martin Jacques (Hg.), The Politics of Thatcherism, London 1987.
21 Chantal Mouffe, Für einen linken Populismus, Frankfurt a.M. 2018.
22 Anna Cento Bull/Hans Lauge Hansen/Francisco Colom Gonzáles, Agonistic Memory Revisited, in: Stefan Berger/Wulf Kansteiner (Hg.), Agonistic Memory and the Legacy of 20th Century Wars in Europe, Basingstoke 2021 (in Vorbereitung).
23 Karl Polanyi, The Great Transformation. The Political and Economic Origins of Our Time [1944], Boston 2001.
24 Steven C. High/David W. Lewis, Corporate Wasteland. The Landscape and Memory of Deindustrialization, Ithaca 2007.
25 Laurajane Smith/Gary Campbell, ›Nostalgia for the Future‹: Memory, Nostalgia and the Politics of Class, in: International Journal of Heritage Studies 23 (2017), S. 612-627.
26 Tim Strangleman, Deindustrialisation and the Historical Sociological Imagination: Making Sense of Work and Industrial Change, in: Sociology 51 (2017), S. 466-482.
27 Ders., The Nostalgia of Organisations and the Organisation of Nostalgia: Past and Present in the Contemporary Railway Industry, in: Sociology 33 (1999), S. 725-746. »Nostophobie« beschreibt den Widerwillen gegen und die Ablehnung von Vergangenheit.
28 Ders., Work Identity in Crisis? Rethinking the Problem of Attachment and Loss at Work, in: Sociology 46 (2012), S. 411-425.
29 Kaeleigh Herstad, »Reclaiming« Detroit: Demolition and Deconstruction in the Motor City, in: Public Historian 39 (2017) H. 4, S. 85-113; Dora Apel, Beautiful Terrible Ruins. Detroit and the Anxiety of Decline, New Brunswick 2015.
30 Tracy Neumann, Remaking the Rustbelt. The Postindustrial Transformation of North America, Philadelphia 2016.
31 Paul Pickering, ›Sooty Manchester‹: (Re)Presenting an Urban-Industrial Landscape, in: Stefan Berger (Hg.), Constructing Industrial Pasts. Heritage, Historical Culture and Identity in Regions Undergoing Structural Economic Transformation, New York 2020, S. 27-46.
32 Jack Rasmus, The Scourge of Neoliberalism. US Economic Policy from Reagan to Trump, Atlanta 2020. Otto Saumarez Smith, Action for Cities: The Thatcher Government and Inner-City Policy, in: Urban History 47 (2020), S. 274-291, hat darauf verwiesen, dass der Einfluss des Neoliberalismus auf die Ideologie des Thatcherismus zwar groß war, dass aber gerade der Antagonismus der nationalen Regierungen mit den kommunalen Regierungen erhebliche staatliche Interventionen unter Thatcher notwendig machte. Letztendlich setzten sich gleichwohl häufig neoliberale Politikvorstellungen durch.
33 Peter Dorey, Margaret Thatcher’s Taming of the Trade Unions, in: Stanislao Pugliese (Hg.), The Legacy of Margaret Thatcher. Liberty Regained?, London 2003, S. 72-94; Michael Goldfield, The Decline of Organized Labor in the United States, Chicago 1987.
34 Hywel Francis, History on Our Side. Wales and the 1984/85 Miners’ Strike, London 2015; Jim Philipps, Collieries, Communities, and the Miners’ Strike in Scotland, 1984/85, Manchester 2014.
35 Neil Cossons, Ironbridge. Landscape of Industry, London 1977.
36 Louisa Hadley, Responding to Margaret Thatcher’s Death, Basingstoke 2014. Zum Film siehe etwa Achim Saupe, »Don’t want to dig around too deep, Margaret. Don’t know what you might find.« The Iron Lady im Kino, in: zeitgeschichte | online, März 2012.
37 BBC & the Thatcher Hate Song »Ding Dong, the Witch is Dead«, 12.4.2013, URL: <https://www.youtube.com/watch?v=lYGPY6AeegE>.
38 Stefan Berger, Von »Landschaften des Geistes« zu »Geisterlandschaften«: Identitätsbildungen und der Umgang mit dem industriekulturellen Erbe im südwalisischen Kohlerevier, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 39 (2008), S. 49-66.
39 Andy Croll, ›People’s Remembrancers‹ in a Postmodern Age: Contemplating the Non-Crisis of Welsh Labour History, in: Llafur 8 (2000) H. 1, S. 5-17.
40 Tim Strangleman, Voices of Guinness. An Oral History of the Park Royal Brewery, Oxford 2019.
41 Ders., Class Memory: Autobiography and the Art of Forgetting, in: John Russo/Sherry Lee Linkon (Hg.), New Working-Class Studies, Ithaca 2005, S. 137-151, hier S. 150.
42 Ders., ›Smokestack Nostalgia,‹ ›Ruin Porn‹ or Working-Class Obituary: The Role and Meaning of Deindustrial Representation, in: International Labor and Working-Class History 84 (2013), S. 23-37.
43 Ders., Class Memory (Anm. 41), S. 150.
44 Abgesehen von den oben bereits genannten einschlägigen Publikationen siehe auch Steven High, Deindustrialization on the Industrial Frontier: The Rise and Fall of Mill Colonialism in Northern Ontario, in: ders./Lachlan MacKinnon/Andrew Perchard (Hg.), The Deindustrialized World. Confronting Ruination in Postindustrial Places, Vancouver 2017, S. 257-283.
45 Jefferson Cowie/Joseph Heathcott (Hg.), Beyond the Ruins. The Meanings of Deindustrialization, Ithaca 2003.
46 Sherry Lee Linkon, Narrating Past and Future: Deindustrialized Landscapes as Resources, in: International Labor and Working Class History 84 (2013), S. 38-54.
47 Lucy Taksa, ›Hidden in Plain Sight‹: Uncovering the Gendered Heritage of an Industrial Landscape, in: Sarah De Nardi u.a. (Hg.), The Routledge Handbook of Memory and Place, London 2020, S. 203-213; Valerie Walkerdine/Luis Jiminez, Gender, Work and Community after De-industrialisation. A Psychosocial Approach to Affect, Basingstoke 2012; James Rhodes, The ›Trouble‹ with the ›White Working-Class‹: Whiteness, Class and ›Groupism‹, in: Identities. Global Studies in Culture and Power 19 (2012), S. 485-492; Anoop Nayak, Last of the ›Real Geordies‹? White Masculinities and the Subcultural Response to Deindustrialisation, in: Environment and Planning D: Society and Space 21 (2003), S. 7-25.
48 Linkon, Half-Life of Deindustrialization (Anm. 17).
49 Stefan Berger/Hugh Compston (Hg.), Policy Concertation and Social Partnership in Western Europe. Lessons for the 21st Century, New York 2002.
50 Michael Farrenkopf u.a. (Hg.), Die Stadt der Städte. Das Ruhrgebiet und seine Umbrüche, Essen 2019.
51 Walther Müller-Jentsch (Hg.), Konfliktpartnerschaft. Akteure und Institutionen der industriellen Beziehungen, München 1999.
52 Hans Günter Hockerts/Günther Schulz (Hg.), Der »Rheinische Kapitalismus« in der Ära Adenauer, Paderborn 2016; Werner Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte von 1945 bis zur Gegenwart, 2., überarb. und erweiterte Aufl. München 2011.
53 Zum Strukturwandel im Ruhrgebiet: Stefan Goch, Eine Region im Kampf mit dem Strukturwandel. Bewältigung von Strukturwandel und Strukturpolitik im Ruhrgebiet, Essen 2002.
54 Wolfgang Jäger, Soziale Sicherheit statt Chaos. Beiträge zur Geschichte der Bergarbeiterbewegung an der Ruhr, Essen 2018.
55 Arne Hordt, Kumpel, Kohle und Krawall. Miners’ Strike und Rheinhausen als Aufruhr in der Montanregion, Göttingen 2018.
56 Werner Plumpe/André Steiner (Hg.), Der Mythos von der postindustriellen Welt. Wirtschaftlicher Strukturwandel in Deutschland, 1960–1990, Göttingen 2016.
57 Thomas Etzemüller (Hg.), Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009.
58 Helen Wagner, »Authentische Symbole der Region«. Zur Transformation des Ruhrgebiets von einer Industrielandschaft zur ›Kulturlandschaft neuen Typs‹ anhand der Route der Industriekultur, in: Michael Farrenkopf/Torsten Meyer (Hg.), Authentizität und Industriekulturelles Erbe. Zugänge und Beispiele, Berlin 2020, S. 219-242.
60 Stefan Berger, Ankerpunkt regionaler Identität. Erinnerungsort Industriekultur, in: ders. u.a. (Hg.), Zeit-Räume Ruhr. Erinnerungsorte des Ruhrgebiets, Essen 2019, S. 500-516.
61 Dies war denn auch der rote Faden, der sich durch die Ausstellung zum Ende des Steinkohlebergbaus im Ruhrmuseum zog. Siehe Franz-Josef Brüggemeier/Michael Farrenkopf/Heinrich Theodor Grütter (Hg.), Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte, Essen 2018. Vgl. zur Ausstellung die Rezension von Eckhard Schinkel, in: H-Soz-Kult, 1.9.2018.
62 Jörg Bogumil u.a., Viel erreicht – wenig gewonnen. Ein realistischer Blick auf das Ruhrgebiet, Essen 2012.
63 Klaus Wisotzky/Ingrid Wölk (Hg.), Fremd(e) im Revier? Zuwanderung und Fremdsein im Ruhrgebiet, Essen 2010.
64 Berger, Industrial Heritage and the Ambiguities of Nostalgia (Anm. 4).
65 Siehe hierzu Pia Eiringhaus, Industrie wird Natur. Postindustrielle Repräsentationen von Region und Umwelt im Ruhrgebiet, Bochum 2018.
66 Ein hervorragendes Beispiel aus Frankreich bietet Jackie Clarke, Closing Time: Deindustrialization and Nostalgia in Contemporary France, in: History Workshop Journal 79 (2015), S. 107-125.
67 Nicola Acocella, Economic Policy in the Age of Globalization, Cambridge 2005.
68 Fiona Tregenna, Deindustrialisation: An Issue for Both Developed and Developing Countries, in: John Weiss/Michael Tribe (Hg.), Routledge Handbook of Industry and Development, London 2016, S. 97-115, besonders S. 105-107.
69 Ronald Coase/Ning Wang, How China Became Capitalist, Basingstoke 2012; Björn Alpermann, Soziale Schichtung und Klassenbewusstsein in Chinas autoritärer Modernisierung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 10 (2013), S. 283-296.
70 Philipp Ther, Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa, Berlin 2014, aktualisierte Ausg. 2016.
71 Tibor Valuch, A Special Kind of Cultural Heritage: The Remembrance of Workers’ Life in Contemporary Hungary – Case Study of Ózd, in: Berger, Constructing Industrial Pasts (Anm. 31), S. 242-250.
73 Zhengdong Li, Constructing Industrial Heritage in China and Germany. Forging Collective Identities through Industrial Heritage – Tangshan, Shenyang, and the Ruhr Region in Comparison, Dissertation, Ruhr-Universität Bochum 2021. Siehe auch in vergleichender ostasiatischer Perspektive Robert Hassink u.a., The Restructuring of Old Industrial Areas in East Asia, in: Area Development and Policy 3 (2018), S. 185-202.
74 Vgl. auch Zhao Xin/Qu Xiaofan, The Heritage of the Chinese Eastern Railway: Symbol of Colonization and International Cooperation, in: Berger, Constructing Industrial Pasts (Anm. 31), S. 270-287.
75 Tong Lam, Ruins for Politics: Selling Industrial Heritage in Postsocialist China’s Rust Belt, in: Berger, Constructing Industrial Pasts (Anm. 31), S. 251-269.
76 Bemerkenswert ist etwa das Museum der Kulturrevolution in einer ländlichen Region nahe der russischen Grenze im Nordosten Chinas, das ich 2017 besuchen konnte. Dort wird dieses positive Narrativ durch keinen Geringeren als den Vorsitzenden der KP Chinas, Xi Jinping, legitimiert, der während der Kulturrevolution selbst auf das Land geschickt worden war. Propagandamuseen gibt es in China auch an anderen Orten. Sie werden von der Regierung gefördert, während kritischere Stimmen zwar ebenfalls existieren, aber von der KP nicht gern gesehen werden. Siehe auch: Two Museums in China about the Cultural Revolution Show Very Different Versions of History, in: Quartz, 16.5.2016.
77 Mark Anner, Meeting the Challenges of Industrial Restructuring: Labor Reform and Enforcement in Latin America, in: Latin American Politics and Society 50 (2008) H. 2, S. 33-65.
78 Siehe hierzu auch Marion Steiner, Begegnungen mit Helmuth: Raucherpausen, lokale Initiativen und globale Ambitionen zur Industriekultur, in: Norman Pohl/Michael Farrenkopf/Friederike Hansell (Hg.), Lebenswerk Welterbe. Aspekte von Industriekultur und Industriearchäologie, von Wissenschafts- und Technikgeschichte. Festschrift für Helmuth Albrecht zum 65. Geburtstag, Berlin 2020, S. 55-69, besonders S. 67-69.