Die Vermessung der Zeitgeschichte

Quantifizierte Forschung und ihre ambivalenten Effekte

  1. Zeitgeschichte zwischen quantitativer und qualitativer Bewertung
  2. Auswirkungen auf das Personal der Zeitgeschichtsforschung
  3. Auswirkungen auf Themen und Qualität
  4. Fazit

Anmerkungen

Ein Gespenst geht um in der Geschichtswissenschaft: das Gespenst der Quantifizierung. Ringsum wird geklagt, dass Drittmittelbilanzen und Bibliometrie, Evaluierungen und Rankings immer wichtiger werden. Dies gehört zu einer allgemeinen Entwicklung nicht nur in der Geschichtswissenschaft, die Universitäten und außeruniversitäre Forschungsinstitute gleichermaßen betrifft.1 In Deutschland wird sie besonders mit Bologna-Reformen und Exzellenz-Initiative in Verbindung gebracht, wenngleich die Anfänge dieses Prozesses weiter zurückreichen. Die Geschichtswissenschaft, so scheint es, wurde also bereits mehr oder weniger sanft über die Türschwelle jener von Steffen Mau so bezeichneten »Bewertungsgesellschaft« geschubst, »die alles und jeden einer Bewertung mittels quantitativer Daten unterzieht und damit zugleich neue Wertigkeitsordnungen etabliert«.2

Das Beobachten der steilen Karriere der Quantifizierung von wissenschaftlicher Produktion und Qualität hat seit gut zehn Jahren schon eine eigene Textgattung hervorgebracht, wobei systemimmanente und fundamentale Kritik einander gegenüberstehen: Der Soziologe Jürgen Gerhards etwa hält es prinzipiell für sinnvoll, Forschungsleistungen zu messen, und kritisiert lediglich die starke Fixierung auf Drittmittel als einen »deutschen Sonderweg«. Geeigneter fände er trotz aller methodischen Vorbehalte die international verbreiteten bibliometrischen Kennzahlen.3 Für seinen Fachkollegen Richard Münch dagegen bedeutet die Alternative Drittmittel oder Bibliometrie lediglich die Wahl zwischen Pest und Cholera. Münch bezeichnet die Ökonomisierung der Universitäten, die in Unternehmen verwandelt und auf Marktfähigkeit getrimmt würden, als »akademischen Kapitalismus«. So verkündet er den Sieg des neoliberalen Paradigmas, das mit Hilfe von Kennzahlen-orientiertem New Public Management seine Herrschaft über die Wissenschaft durchgesetzt habe.4 Der Osteuropa-Historiker Stefan Plaggenborg hingegen deutet dieselben Phänomene als Tendenzen einer »akademischen Planwirtschaft«, welche für ihn die »strukturelle Sowjetisierung der Geisteswissenschaften« demonstrieren.5 Die Quantifizierung der Wissenschaft kann also gleichermaßen Speerspitze des Neoliberalismus wie der Sowjetisierung sein – es fehlt eigentlich nur noch der Faschismus, um die verbreitete akademische Abscheu vor diesem Phänomen und seinen Agenten auf die Spitze zu treiben.

In einer Kritik der Thesen Richard Münchs verweist der Schweizer Historiker Caspar Hirschi auf ein prinzipielles Problem. So stelle Münch seinem Schreckensbild einer marktförmigen Wissenschaft eine verklärte Version der Vergangenheit gegenüber: Robert K. Mertons wissenskommunistisches Paradies einer auf solidarischen Tauschbeziehungen basierenden wissenschaftlichen Gemeinschaft,6 auch wenn die altehrwürdige deutsche Ordinarienuniversität dieser nur sehr entfernt ähnelte. Doch ähnlich wie Münch beschreiben viele der Quantifizierungskritiker die heutige Situation als ein stahlhartes Gehäuse numerischer Steuerung, wobei sich bessere Alternativen allenfalls in der Vergangenheit entdecken ließen.

Dieser akademische Krisendiskurs ist mittlerweile selbst zum Gegenstand zeithistorischer Analyse geworden. Ähnlich wie bei der verbreiteten Rede von der Ökonomisierung der Wissenschaft, so Désirée Schauz, handele es sich bei der dramatischen Alternative »›Abendland gegen den Kapitalismus‹ oder ›Humboldt gegen McKinsey‹«7 eher um politische Protestbegriffe als um tragfähige analytische Kategorien.8 Wie aber lässt sich über die tatsächlich wachsende Bedeutung der Quantifizierung in der Geschichtswissenschaft reden, ohne zugleich wieder in eben jenen Krisendiskurs zurückzufallen? Dies zu versuchen bleibt risikobehaftet, und so muss Schadenfreude einkalkuliert werden, sollten die folgenden Überlegungen hinter diesem Anspruch zurückbleiben. Aber zumindest lässt sich auf einige Gefahren achten: Dazu gehört vor allem, nicht die Kritik einer (schlimmen) Gegenwart mit der Beschwörung einer (goldenen) Vergangenheit zu verbinden. Dazu gehört aber auch, sich die sozialen Logiken der gängigen Quantifizierungskritik zu vergegenwärtigen: Wie verhält sich also die damit angesprochene Verteidigung der Autonomie der Geschichtswissenschaft gegenüber statusorientierten Versuchen zur Verteidigung fachlicher Privilegien, über deren jeweilige Angemessenheit zu streiten wäre? Denn Quantifizierung schließt ja nicht nur Phänomene wie die parametergesteuerte Mittelverteilung ein, sondern kann etwa auch dazu dienen, Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen sichtbar zu machen.9 Die Quantifizierung von Wissenschaft sollte zunächst einmal als ambivalent aufgefasst werden, statt sie sofort reflexhaft pauschal zu verdammen.

Am Beispiel der (Teil-)Disziplin Zeitgeschichte soll deshalb exemplarisch diskutiert werden, in welcher Weise quantifizierende Parameter beeinflussen, wie Anerkennung, Ressourcen und Stellen verteilt werden. Was macht zeitgeschichtliche Forschung in dieser Hinsicht besonders, und welche Effekte hat der Trend zur Quantifizierung für deren Personal und deren Themen? Welche Konsequenzen lassen sich schließlich daraus ziehen?

1. Zeitgeschichte zwischen quantitativer und
qualitativer Bewertung

In den letzten zwei Jahrzehnten wurden Hochschulrankings immer wichtiger. In der Bundesrepublik spielt neben internationalen Ranglisten wie dem Times Higher Education Ranking oder dem Shanghai-Ranking, um nur die bekanntesten zu nennen,10 auch das 1994 gemeinsam von der Bertelsmann Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz gegründete Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) eine wichtige Rolle. Die jährlich veröffentlichten fachbezogenen Hochschulrankings sind zwar methodisch stark umstritten, wirken jedoch in der Politik als soziale Tatsachen, die selbst dann wirksam sind, wenn sie grundsätzlich kritisiert werden.11

Die Geschichtswissenschaft nimmt in diesem Zusammenhang eine Sonderstellung ein, denn sie hat sich beharrlich dagegen gesträubt, in das CHE-Ranking einbezogen zu werden – vor allem, weil die Evaluierungskriterien den eigenen fachkulturellen Qualitätsmaßstäben nicht gerecht würden. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) organisierte daher 2009 erstmals einen Boykott des CHE-Hochschulrankings und erneuerte diese Haltung mehrfach, zuletzt im April 2020.12 Die Geschichtswissenschaft gehört somit zu der kleinen Gruppe von Fächern, die nicht am CHE-Ranking teilnehmen. 2013 sprach sich der VHD schließlich auch gegen eine vom Wissenschaftsrat geplante Ausweitung des Forschungsratings zu einem komplexen Evaluierungsverfahren aus. In erster Linie befürchtete der VHD, dass der damit verbundene Begutachtungsaufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zum möglichen Ertrag stünde. Zugleich versuchte der Verband das Argument der größeren Transparenz von Qualitätskriterien durch Evaluierung umzudrehen, indem er der bereits existierenden Praxis musterhafte Transparenz attestierte: »Die Geschichtswissenschaft ist eine sehr sichtbare Disziplin, die aus dem Fach heraus sowie von außen permanenter Bewertung unterzogen ist.« Angesichts des wachsenden hochschulpolitischen Drucks erklärte sich der VHD zwar immerhin dazu bereit, sich an »Diskussionen über die Möglichkeit zur Entwicklung und Messung von Qualitätsstandards« zu beteiligen,13 doch blieb diese Ankündigung anscheinend folgenlos. Einem entschlossenen Nein zum differenzierenden Ranking folgte somit ein konditioniertes Ja zur Qualitätsmessung und damit auch zu Ratings.

Unbeeindruckt von diesen verbandspolitischen Stellungnahmen stieg im Gefolge der 2005 begonnenen Exzellenzinitiative die hochschulpolitische Nachfrage nach Vergleichskriterien, die eine Hierarchisierung von Standorten ermöglichen sollten. Zum entscheidenden Kriterium wurden immer mehr die eingeworbenen Drittmittel. Die Lehre spielt dagegen im »billigen« Massenfach Geschichte bei solchen Vergleichen zumeist eine eher geringe Rolle. Das Statistische Bundesamt erfasst jährlich die Drittmittelzahlen in der Fachgruppe Geschichte, wobei sich an der Spitze vor allem die Gewinner der letzten Runde der Exzellenzinitiative finden.14 Dass es sich hierbei mittlerweile um einen selbstverstärkenden Mechanismus handelt, entspricht durchaus der Intention der Exzellenzinitiative, die ja stärkere Differenzierung befördern möchte. Bibliometrische Kennzahlen sind dagegen in der Geschichtswissenschaft bislang noch vergleichsweise nebensächlich – zumal die spezifischen Voraussetzungen in der Regel nicht besonders günstig sind, zählen dafür doch vor allem Veröffentlichungen in englischsprachigen peer reviewed Journals. Die deutsche Geschichtswissenschaft kommuniziert aber überwiegend in deutscher Sprache, und dies bevorzugt in Medien, die für internationale bibliometrische Rankings nahezu bedeutungslos sind: in akademischen Monographien oder Sammelbänden. Hinzu kommt, dass deutschsprachige historische Literatur in der anglophon dominierten internationalen Wissenschaftswelt kaum noch rezipiert wird.

In anderen Disziplinen und namentlich in der Medizin – wo freilich Ressourcen in ganz anderen Dimensionen bewegt werden – sind neben Drittmittelzahlen auch bibliometrische Indikatoren ungleich einflussreicher als in der Geschichtswissenschaft.15 Dabei zeigt das in Großbritannien existierende Research Excellence Framework (REF), das 2014 an die Stelle des seit 1986 durchgeführten Research Assessment Exercise (RAE) trat, wie eine solche radikale Quantifizierung von Forschungsleistungen mit drastischen Konsequenzen für die Mittelverteilung auch in der Geschichtswissenschaft vordringen kann.

Erste Ausläufer dieser Bewegung berühren die deutsche Geschichtswissenschaft bereits, wie etwa der Althistoriker Christoph Lundgreen im Januar 2019 bei einer Podiumsdiskussion über die »Vermessung der Wissenschaft« anekdotisch verdeutlichte: Das Institut für Geschichte einer namhaften deutschen Universität habe eine Zielvereinbarung unterschreiben müssen, nach der die Leistung unter anderem anhand von Veröffentlichungen in »Science« und »Nature« gemessen werde. Auf den dezenten Hinweis, Historikerinnen und Historiker würden dort eher selten veröffentlichen, habe es geheißen, das mache nichts – die Kolleginnen und Kollegen könnten dieses Defizit durch Leistungen in anderen Bereichen ausgleichen.16

Wie lässt sich nun in diesem Zusammenhang die besondere Rolle der zeithistorischen Forschung beschreiben? Zu den universitären Lehrstühlen bzw. Professuren mit expliziter zeithistorischer Denomination (1983 waren es 31,17 mittlerweile sind vor allem in Ostdeutschland einige mehr dazu gekommen) sind institutionell auch noch diejenigen einzurechnen, die zwar eine weitergefasste Denomination besitzen, aber einen starken zeithistorischen Schwerpunkt verfolgen. Ähnlich verhält es sich bei den außeruniversitären Instituten, wo neben explizit zeithistorischen Forschungseinrichtungen, darunter vor allem denjenigen in München, Potsdam, Hamburg und Dresden, eine Reihe weiterer Institute bestehen, die zumindest partiell in diesem Bereich forschen. Im Vergleich zu anderen historischen Teildisziplinen gehört die starke Rolle außeruniversitärer Forschungsinstitute überhaupt zu einem wesentlichen Merkmal der Zeitgeschichte in Deutschland.

Insgesamt boomt die Zeitgeschichte hier schon seit längerem; zugleich genießt sie generell einen großen Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit für historische Themen. Olaf Blaschke analysierte 2009 den »Markt der Zeitgeschichtsschreibung« und konstatierte einen Anteil von rund 30 Prozent am historischen Buchmarkt.18 Für diese bibliometrische Tendenz – mehr sollte man aus der ohnehin nicht mehr ganz aktuellen Zahl nicht machen – spielt das Interesse an der nationalsozialistischen Zeit eine große, wenngleich allmählich abnehmende Rolle. Aber auch jenseits dieses speziellen Themas wird die Dynamik des zeithistorischen Feldes erheblich stärker als in anderen historischen Teilgebieten vom öffentlichen Interesse mitbestimmt.

Dies schlägt sich auch in der Finanzierung nieder, wobei es keine öffentlich zugänglichen Statistiken gibt, die es ermöglichen würden, die Zahlen detaillierter aufzuschlüsseln. Generell kann man bei den Geisteswissenschaften in der Bundesrepublik seit Anfang der 2000er-Jahre eine Drittmittelquote von rund 25 Prozent annehmen; die DFG ist der wichtigste Einzelförderer. Besonders begehrt sind an den Universitäten die Overhead-Zuschläge, da diese anders als die Drittmittel selbst zunächst in die zentralen Hochschulbudgets einfließen. Overhead-Mittel dienen also dazu, die notorischen Defizite der universitären Grundausstattung zu kompensieren. Anfang der 1990er-Jahre lag die Drittmittelquote noch etwa 10 Prozentpunkte niedriger, woran sich der starke relative Rückgang der Grundfinanzierung zeigt.19 Die Overhead-Zuschläge sind gewissermaßen zum Chrystal Meth des deutschen Wissenschaftssystems geworden: Sie putschen auf und machen abhängig. Geisteswissenschaftliche Professuren, darunter auch die Geschichtswissenschaften, warben 2016 durchschnittlich 124.000 Euro an Drittmitteln ein20 – wobei die individuelle Streuung allerdings sehr breit ist. Und da alle Beteiligten ähnliche Anstrengungen zur Steigerung ihrer Zahlen unternehmen, handelt es sich letztlich um ein rat race. Zugleich wird in diesem Wettbewerb die Tatsache der Mitteleinwerbung selbst gelegentlich wichtiger als die Frage der daraus am Ende resultierenden wissenschaftlichen Erkenntnis.

Prägend für die zeithistorische Disziplin sind nun einige Sonderfaktoren: Dazu gehört vor allem der Zugang zu Finanzierungsquellen, auf die andere historische Teildisziplinen kaum oder gar keinen Zugriff haben, und vermutlich wird das starke institutionelle Wachstum der Zeitgeschichte davon erheblich befeuert. Nach einer Welle unternehmensgeschichtlicher Studien zur NS-Zeit seit den 1990er-Jahren entstand in den vergangenen Jahren eine Hochkonjunktur der Aufarbeitungsprojekte zu Ministerien und Behörden, die sich vor allem um die Frage nach personellen Kontinuitäten aus der NS-Zeit in die Bundesrepublik drehen.21 Eine ähnliche Konjunktur, die primär auf die koloniale Vergangenheit zielt, hat in der Provenienzforschung begonnen, wobei diese neben der Geschichtswissenschaft vor allem Kunstgeschichte und Museologie betrifft.

Zur neuerlichen Konjunktur der NS-Geschichte und ihrer Folgen in der Bundesrepublik kommen die Folgen der aktuellen Panik angesichts der Erosion der Volksparteien in Ostdeutschland, die zu erheblichen geschichtspolitischen Investitionsprogrammen geführt hat. Indem sie zeithistorische Forschung finanzieren, versuchen parteipolitische Initiativen einer in Ostdeutschland verbreiteten Stimmung entgegenzuwirken, derzufolge die Probleme der deutschen Einheit eher aus der Zeit nach und nicht vor 1990 resultierten. So fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit immerhin 40 Millionen Euro über fünf Jahre, dass die DDR und das SED-Unrecht weiter intensiv erforscht werden. In diesen Zusammenhang gehört aber auch die von Politikern und Intellektuellen wie Richard Schröder angepeitschte und vom Bundesfinanzministerium großzügig finanzierte Erforschung der Geschichte der Treuhandanstalt.

Die Zeitgeschichtsforschung bewegt sich also auf einem besonderen Markt, auf dem Kontakte in die Politik oder auch in die Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Gregor Schöllgens mittlerweile geschlossenes Erlanger Institut für angewandte Geschichte22 diente hier in der Debatte oftmals als Prügelknabe und möglicherweise auch als Sündenbock. Hinter der verbreiteten Kritik aus der eigenen Zunft an diesem Institut, das Zeitgeschichte offensiv als Dienstleistung vermarktete, verbirgt sich so vielleicht auch ein Moment der Verunsicherung angesichts der Herausforderung, die Grenze zwischen akzeptabler und nicht-akzeptabler Drittmitteleinwerbung auf dem »grauen Markt« zu ziehen.

Diskutiert wird dabei aber in der Regel weniger über die Herkunft der Mittel als über das Maß der damit verbundenen Abhängigkeit oder Unabhängigkeit vom jeweiligen Auftraggeber. Diese Diskussionen werden vor allem als moralische und fachliche Integritätsdebatten geführt,23 während analytische Ansätze der Wissenschaftsforschung dafür bislang noch kaum genutzt wurden.24 Letztere hat sich allerdings bislang vor allem mit den Naturwissenschaften beschäftigt. Für die Geschichtswissenschaft müssten daher neue Zugänge erprobt werden. Selbstverständlich wird bei zeithistorischer Auftrags- bzw. Zuwendungsforschung stets die wissenschaftliche Unabhängigkeit garantiert, andernfalls wäre es für beide Seiten enorm rufschädigend. Gleichzeitig ist aber die Themenwahl vorgegeben, und die Forschung selbst läuft gewöhnlich in einem durch enge Kommunikation mit den Auftraggebern geprägten Setting ab. Vermutlich wären mit ethnologisch informiertem Blick durchgeführte Mikrostudien zeithistorischer Auftragsforschung ein probates Mittel, um die dort entstehenden Dynamiken zwischen Auftraggebern, Forscher/innen und Untersuchungsobjekten zu analysieren.

2. Auswirkungen auf das Personal der Zeitgeschichtsforschung

Die Geschichtswissenschaft hat möglicherweise einen Pyrrhussieg errungen, als sie bei der Debatte um das wissenschaftliche Rating manche Entwicklungen bremsen konnte, dabei aber keine eigenen, nach außen transparenten Qualitätsindikatoren benannte. Denn damit wurde auch versäumt, eine praktikable Alternative zur Vorherrschaft der Drittmittelzahlen anzubieten, wobei neuerdings vermehrt auch quantifizierbare Belege für den »Wissenstransfer« eingefordert werden. Für die Zeitgeschichte erscheint dies angesichts der Konjunktur der Auftragsforschung vielleicht sogar als vorteilhaft, da sie hier gewissermaßen einfach punkten kann. Was aber bedeutet es für das auf diesem Feld tätige wissenschaftliche Personal?

Dabei muss man zwischen Professuren und Institutsleitungen sowie der großen Gruppe abhängiger und befristet beschäftigter Wissenschaftler/innen auf unterschiedlichen Karrierestufen unterscheiden. Aufgrund der zahlreichen Drittmittelstellen wurden aus vormals kleinen Familienbetrieben (um das hässliche Bild des Gutshofs durch eine idyllischer anmutende Sozialform zu ersetzen) oftmals mittelständische Unternehmen.25 Zudem wurde das frühere heroische Modell des professoralen Zeithistorikers, der durch Charisma, Wortgewalt und gelegentlich auch Lautstärke wirkte, durch ein neues, eher an Managern orientiertes Rollenmodell abgelöst, das nun auch seinen exklusiv männlichen Zuschnitt verloren hat. Das lässt sich kaum ausschließlich als Verlustgeschichte erzählen, selbst wenn die vormals genossene akademische Autonomie und öffentliche Aufmerksamkeit in der Rückschau gelegentlich verklärt werden.

Allerdings gilt für zeithistorische Professuren und Leitungspositionen ebenso wie für andere historische Teildisziplinen, dass quantifizierbare Leistungserwartungen ständigen Druck ausüben, der sich nur um den Preis reduzierter Ressourcen vermeiden lässt. Die DFG bezeichnete schon 2012 bei der Vorstellung ihres »Förderatlas« – unter diesem freundlichen Neologismus firmiert seither das vormalige »DFG-Förder-Ranking« – den Wettbewerb um Drittmittel als »selbstverständlichen Alltag«.26 Nicht nur bei den Hartz-Reformen, sondern auch in der Wissenschaft reimt sich Fördern also mittlerweile auf Fordern. Das ist per se gewiss nicht verwerflich, doch sind die nichtintendierten Nebenwirkungen sattsam bekannt. Als der Soziologe Stefan Kühl 2013 in der »Süddeutschen Zeitung« kritisierte, dass Drittmittel nicht mehr länger als Mittel zum Zweck dienten, sondern zum Selbstzweck geworden seien, sah er immerhin noch eine Grenze der von ihm beklagten »Drittmittel-Logik«: »Selbstverständlich wird bei Berufungen nicht naiv danach gefragt, wer wie viele Drittmittel eingeworben hat, um dann ein Ranking der Professoren zu erstellen«, wenngleich dieses Argument dann im weiteren Verfahren eine wichtige Rolle spiele.27 Hier ging Kühls Pessimismus ausnahmsweise einmal nicht weit genug: Natürlich wird danach gefragt. Dabei ist diese Entwicklung in anderen Disziplinen, wo die Excel-Tabelle mit Drittmittel­einwerbungen schon zur Grundausstattung von Berufungskommissionen gehört, bereits erheblich weiter fortgeschritten.28

Gravierender sind solche Auswirkungen der Vermessung der zeithistorischen Forschung aber fraglos für die weit umfangreichere Gruppe derer auf den vorhergehenden Karrierestufen. Eine Hauptfolge besteht zunächst einmal darin, dass diese Gruppe überhaupt so groß ist und unablässig weiterwächst, wie sich etwa an den auf H-Soz-Kult ausgeschriebenen Stellen ablesen lässt. Schon bevor die Exzellenzinitiative den Arbeitsmarkt für Historiker/innen zeitweilig leerfegte, haben DFG-Sonderforschungsbereiche ähnliche Wirkungen entfacht. Der seit längerem herrschende Drittmittel­imperativ hat zur Entstehung einer umfangreichen Gruppe befristet Beschäftigter geführt, die sich selbst oft als akademisches Prekariat wahrnehmen. Bei den Post-Docs wird diese Problematik dadurch noch verschärft, dass sie ihre Projektstellen oftmals aufgrund ihrer vorherigen fachlichen Spezialisierung erhalten und damit in eine riskante thematische Verengung hineinlaufen.

Unsichere Karrieren gehörten freilich schon immer zum Beruf der Wissenschaft. Eine Grundkonstante bildet dabei das Missverhältnis von festen zu befristeten bzw. gänzlich freischwebenden Positionen. Die Schere hat sich aber in den vergangenen Jahrzehnten – gewissermaßen nach dem Ende der glorreichen 1970er-Jahre – zunehmend weiter geöffnet. Es ist verlockend, diesen Trend zu befristeten Stellen in das Narrativ des Aufstiegs des Neoliberalismus zu kleiden und die zahlreichen Drittmittelprojektbeschäftigten unter dem Diktat der Entwicklung eines »unternehmerischen Selbst« zu schildern. Das beschreibt allerdings nur die eine Seite der Geschichte: Denn parallel zur erhöhten Flexibilisierung entstand 2001 mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz ein arbeitsrechtlicher Regelungsrahmen, der zwar einerseits den Missstand der im akademischen Bereich grassierenden Kettenarbeitsverträge beenden sollte. Andererseits schleudert dieses Gesetz diejenigen vom akademischen Teufelsrad, die nicht rechtzeitig eine der knappen Festanstellungen erhalten.

Die in den zahlreichen Drittmittelprojekten temporär beschäftigten Zeithistoriker/innen befinden sich somit in einer paradoxen Situation, in der sie die gegenläufigen Folgen der Flexibilisierung und der Regulierung des akademischen Arbeitsmarktes gleichermaßen ertragen müssen. Da sich allerdings das grundsätzliche Missverhältnis zwischen befristeten und unbefristeten Stellen vorhersehbar kaum ändern, sondern im Gegenteil vor allem durch den Drittmittelimperativ noch weiter verschärfen dürfte, bleiben alle Lösungsversuche bei der Bewirtschaftung des Mangels stehen. Am Ende läuft es im Sinne eines Nullsummenspiels stets darauf hinaus, bestenfalls eine akademische Kohorte auf Kosten einer anderen zu privilegieren, wie man gegenwärtig etwa bei der Debatte um die Verstetigung von Juniorprofessuren beobachten kann.

3. Auswirkungen auf Themen und Qualität

Welche Folgen hat die beschriebene Entwicklung nun für die Themen und die Qualität der Forschung? Sind Drittmittelprojekte und Auftragsforschung leistungssteigernd, wie ihre Advokaten behaupten, oder führen sie zur Verödung der Forschungslandschaft, wie ihre Kritiker argumentieren? Entsprechende Betrachtungen geraten schnell in kontrafaktische Argumentationen hinein: Worüber würden Zeithistoriker/innen denn forschen, wenn es all die beschriebenen Zwänge zur Quantifizierung von Forschungsleistungen nicht gäbe? Würde dies einen Urknall der Kreativität auslösen? Oder würden dann alle ihre leeren Bildschirme anstarren? Dieses Rätsel ist nicht zu lösen, aber immerhin lassen sich einige grundsätzliche Überlegungen anstellen.

Die Vorstellung einer autonomen Zeitgeschichtsforschung, die ihre Themen und Fragen ausschließlich in der Binnenkommunikation der Scientific Community generiere, ist irreführend: Organisatorische Formen, theoretische Debatten und praktische Forschungsperspektiven der Zeitgeschichte sind nicht von öffentlichen und politischen Erwartungen und daraus resultierenden institutionellen Faktoren zu trennen. Dieses Phänomen war eng mit der Entstehung der deutschen Zeitgeschichtsforschung nach 1945 verbunden: Ihre im internationalen Maßstab sehr spezielle Existenz29 lässt sich als institutioneller deutscher Sonderweg beschreiben, der mit einer politisch-pädagogischen Aufgabenstellung zusammenhängt, die zum Kern des traditionellen »zeithistorischen Paradigmas«30 in der Bundesrepublik gehörte.

Immer wieder wurden neue Themen und Forschungskonjunkturen der Zeitgeschichte von gesellschaftlichen und politischen Akteuren außerhalb der professionellen Geschichtswissenschaft angestoßen. Umgekehrt prägt aber auch die Vermittlung zeithistorischer Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit wissenschaftliche Konzepte und Begriffe.31 Zunächst ging es dabei vor allem um die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus. Der Zusammenbruch der DDR verschob dann für einige Zeit den zeithistorischen Aufarbeitungsimpetus vom Nationalsozialismus zur DDR. Ganz nebenbei stabilisiert also die Parametrisierung von Forschungsleistungen auch das traditionelle »zeithistorische Paradigma«. Dazu gehört vor allem die eher nationale Orientierung der deutschen Zeitgeschichte, die durch die Auftragsforschungsprojekte ebenfalls intensiviert wird.

Wollte man solche von außerhalb der Fachwissenschaft angeregten und finanzierten Themenkonjunkturen mit den Kategorien des Mäzenatentums beschreiben – wäre dann die Steuerung von Themen und Ressourcen durch Peer Review (das ja für die zeithistorische Forschung ohnehin eine wichtige Rolle spielt) die bessere Alternative, um originelle Forschung zu erreichen? Caspar Hirschi äußerte sich dazu eher skeptisch: »Innerhalb des Wissenschaftsbetriebs ist Peer Review ein effizientes Instrument, um bestehende Ungleichheiten, sei es zwischen Personen oder Institutionen, zu vergrößern und zu verstetigen. Bei der Prüfung von Publikationen wie Projekten kommt der Matthäus-Effekt zum Tragen: Wer hat, dem wird gegeben. Die Effizienz der Peer Review liegt in der konfrontationsfreien Machtausübung, haben doch die Gutachter kein Gesicht und die Begutachteten keine Stimme.«32 Kurzum: Peer Review habe zur Vertreibung von Dissens mit argumentativen Mitteln aus der Wissenschaft geführt und diene somit als Mittel der Disziplinierung, die eine »Kooperations- und Konsenskultur« bis hin zur »bereitwilligen Unterordnung« hervorgebracht habe.33

Diese Beobachtungen lassen sich mühelos auf die Zeitgeschichtsforschung übertragen. Die Vermessung der Zeitgeschichte, die sich mit Wettbewerb und Förderung von wissenschaftlicher Leistung rechtfertigt, stärkt anscheinend eher Monopole und Kartelle und fördert die Risikoscheu. Dass die VolkswagenStiftung vor wenigen Jahren eine Förderlinie »Originalitätsverdacht« etablierte,34 bestärkt zumindest die Annahme, dass mittlerweile auch die Förderinstitutionen selbst von solchen Wahrnehmungen beunruhigt werden. Am Ende müssen aber die hier gestellten Anträge auf Originalitätsverdacht gleichfalls ein Peer-Review-Verfahren überstehen, und so droht sich die Angelegenheit im Kreis zu drehen. Ähnlich wie in der aktuellen Debatte um die Krise der Demokratie35 gibt es daher auch in dieser Frage Stimmen, die Würfeln als eine bessere Option bevorzugen würden.

Die Auseinandersetzung um das Peer Review verdeutlicht zugleich, wie schwierig es ist, eine Alternative zu den vielkritisierten quantitativen Indikatoren zu finden: Zwar scheint ein derartiges, in geradezu klassischer Weise qualitatives Verfahren zunächst genau auf jene Qualitätsaspekte zu achten, die der verbreiteten Kritik zufolge bei den quantitativen Erhebungen unberücksichtigt bleiben: Statt Drittmittel und Publikationen zu zählen, werden Anträge und andere Texte gründlich von Vertreter/innen der eigenen Disziplin gelesen. Angesichts der oben beschriebenen Probleme des Peer Review fällt es jedoch schwer, darin eine generelle Alternative zu den quantitativen Indikatoren zu sehen. Auch hier gilt die alte Weisheit: »Be careful what you wish for, it might just come true.«

4. Fazit

Die Zeitgeschichtsforschung ist in vielerlei Hinsicht von jenem Trend zur Vermessung und Indizierung betroffen, der das deutsche Wissenschaftssystem allgemein betrifft. Damit leidet sie zugleich an den Auswirkungen dieses Systems, das Ressourcenkonzentration stark befördert und Risikobereitschaft kaum prämiert. Daneben hat die Zeitgeschichte die Konjunktur der Auftragsforschung in den letzten Jahren aber genutzt, um diesen profitablen Kuchen weitgehend friedlich unter sich aufzuteilen – und hat damit ihre Messdaten kräftig aufpoliert. Durch erfolgreiches gaming the system ist die zeithistorische Disziplin enorm gewachsen. Warum sollte die Zeit­geschichte also diese bequeme Situation in Frage stellen und über mögliche Veränderungen nachdenken? Zusammengefasst sprechen dafür drei Hauptargumente.

Erstens trägt die Risiken der aktuellen Erfolgsstrategie vor allem der wissenschaftliche »Nachwuchs«, der die Ruderbänke der zahlreichen Drittmittelgaleeren besetzt hält. Für viele bleibt der Weg das Ziel, und so existiert eine wachsende Gruppe von 40- und 50-jährigen Zeithistorikerinnen und Zeithistorikern, die dort für immer gefangen bleiben – sofern die Drittmittel nicht versiegen und diese Forscher/innen aus dem System herausfallen. Der Trend hin zu befristeten Programmmitteln müsste also seitens der Politik wieder zugunsten fester Haushaltsmittel umgekehrt werden. Außerdem müssten zeithistorische Professuren oder Institute vielleicht sogar mal auf das eine oder andere Drittmittelprojekt verzichten. Dass beide Forderungen auf massive Schwierigkeiten stoßen dürften, liegt auf der Hand.

Was vor allem in den Naturwissenschaften, wo arbeitsteiliges Arbeiten unerlässlich ist, sinnvoll erscheint, wird in der zeithistorischen Forschung eher zum Nachteil: Es droht Gleichförmigkeit des theoretischen Designs und Enge der Themen, die von einem vorgegebenen Quellcode aus gedacht sind. Dagegen könnten etwa Förderformate helfen, die der Vorbereitung individueller Projektanträge dienen, denn vielfach bleibt Nachwuchswissenschaftler/innen gar nichts anderes übrig als in fertige Projektverbünde oder Graduiertenkollegs einzusteigen, die zudem vergleichsweise attraktive Beschäftigungsbedingungen bieten können. Letzteres ist leider vielfach auch im Sinne der wissenschaftlichen Personalräte, die in erster Linie planbare Stellen im Blick haben, die eher von Forschungsverbünden geliefert werden können.

Wir benötigen aber auch mehr Ehrlichkeit von Personalverantwortlichen gegenüber Projektmitarbeiter/innen, von denen viele in vorhersehbare Karrieresackgassen geschickt werden. Eine verantwortungsvolle Wissenschaftspolitik muss sich daher nicht nur für die Einrichtung von Dauerstellen einsetzen, sondern – horribile dictu – auch einigen Nachwuchswissenschaftler/innen frühzeitig einen alternativen Karriereweg außerhalb der Wissenschaft empfehlen. Ohnehin zieht die Zeitgeschichte wie die gesamte Geschichtswissenschaft in der Konkurrenz um die klügsten Köpfe immer öfter den Kürzeren, existieren doch durchaus attraktive Karrierealternativen. Gute Doktorandinnen und Doktoranden sind so zu einer hart umkämpften Ressource geworden.

Zweitens hat der verstärkte Wettbewerb, den die Quantifizierung von Qualitätsindikatoren eigentlich bewirken möchte, paradoxe Folgen: In der zeithistorischen Forschung geht es mittlerweile vielleicht allzu harmonisch zu. Die Jagd nach Drittmitteln und Projekten hat eine risikovermeidende Konsenskultur hervorgebracht. Wissenschaftliche Kontroversen wurden durch die Koexistenz von Paradigmen ersetzt, deren Anhänger friedlich nebeneinander auf ihrer jeweiligen Parzelle äsen.36 Und im Zweifelsfall lassen sich (zumindest in fetten Jahren) mit Hilfe von Drittmitteln auch tiefe Gräben zuschütten. Die intransparenten Verfahren, die hinter den Kennzahlen stehen, welche auch die Zeitgeschichte immer mehr im Griff haben, sollten daher wieder stärker durch offene Auseinandersetzungen über Themen, Ansätze und Qualität zeithistorischer Forschung ersetzt werden.37 Dies kann aber nur funktionieren, wenn nicht mehr in erster Linie Vorsicht unser Verhalten diktiert und Risikoscheu prämiert wird. Eine Zeitgeschichte, die jüngst ihre politische Rolle wiederzuentdecken begonnen hat,38 sollte ihre eigene Konfliktkultur wieder mehr entwickeln.

Drittens ist unabsehbar, wie lange die aus dem politischen Raum stammende Sonderkonjunktur anhält. Für den durchaus wahrscheinlichen Fall ihres Abebbens wäre es gewiss gut, Antworten bieten zu können, mit denen sich auch über die eigenen Fachgrenzen hinaus der Anspruch auf Ressourcen und Stellen rechtfertigen ließe. Bei der Suche nach einer solchen Lösung wird man über den Gegensatz von quantitativen und qualitativen Qualitätskriterien hinausdenken müssen, denn beide bringen gleichermaßen Tücken mit sich: Reduktion von Komplexität trifft sozusagen auf Reproduktion institutioneller Machtverhältnisse.

Diesen Knoten, der die Grenzen der Selbsterklärungs- und Selbststeuerungsfähigkeit unserer Disziplin beschreibt, werden wir vermutlich nicht einfach durchschlagen können. Aber im wohlverstandenen Eigeninteresse muss die zeitgeschichtliche Disziplin in der Lage sein, eine Position zu finden, auf die sie sich nicht nur selbst verständigen kann, sondern die sie auch überzeugend nach außen kommuniziert. Das ist fraglos schwierig: Denn einerseits lässt sich die Qualität zeithistorischer Forschung vielleicht gerade daran festmachen, dass es ihr gelingt, das Unwahrscheinliche im scheinbar gut Bekannten herauszufinden; dies schließt Risiko und mögliches Scheitern immer mit ein. Andererseits zielen die hochschulpolitischen Anforderungen auf effizienten Mitteleinsatz im Sinne der jeweiligen strategischen Planungen. Vermutlich werden wir künftig unter stärkeren Rechtfertigungsdruck geraten. Besser, wir haben dann schon ein paar gute Argumente in der Hand.


Anmerkungen:

1 Zur historischen Einordnung siehe Fabian Waßer, Von der »Universitätsfabrick« zur »Entrepreneurial University«. Konkurrenz unter deutschen Universitäten von der Spätaufklärung bis in die 1980er Jahre, Stuttgart 2020; Alexander Mayer, Universitäten im Wettbewerb. Deutschland von den 1980er Jahren bis zur Exzellenzinitiative, Stuttgart 2019.

2 Steffen Mau, Das metrische Wir. Über die Quantifizierung des Sozialen, Berlin 2017, S. 16.

3 Jürgen Gerhards, Der deutsche Sonderweg in der Messung von Forschungsleistungen, Wissenschaftspolitik im Dialog 7/2013, hg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2013, S. 51f.

4 Richard Münch, Akademischer Kapitalismus. Über die politische Ökonomie der Hochschulreform, Berlin 2011; ders., Akademischer Kapitalismus, in: ZEIT, 27.9.2007; ähnlich auch mit Blick auf das niederländische Universitätssystem Chris Lorenz, Fixing the Facts. The Rise of New Public Management, the Metrification of »Quality« and the Fall of the Academic Professions, in: Moving the Social 52 (2014), S. 5-26.

5 Stefan Plaggenborg, Die strukturelle Sowjetisierung der Geisteswissenschaften, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.7.2019.

6 Caspar Hirschi, Gute Wünsche aus Bamberg, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.9.2011.

7 Jürgen Kaube, Hochschule als Unternehmen, in: ders., Im Reformhaus. Zur Krise des Bildungssystems, Springe 2015, S. 103-112, hier S. 112.

8 Désirée Schauz, Umstrittene Analysekategorie – erfolgreicher Protestbegriff. Debatten über Ökonomisierung der Wissenschaft in der jüngsten Geschichte, in: Rüdiger Graf (Hg.), Ökonomisierung. Debatten und Praktiken in der Zeitgeschichte, Göttingen 2019, S. 262-296.

9 Mau, Das metrische Wir (Anm. 2), S. 20f.

10 Eine nützliche Übersicht liefert eine Seite zur »Qualitätssicherung Forschung« der Universität Heidelberg, die zugleich eine gute Quelle für die Wirkungen derartiger Rankings auf die Strategieplanung von Hochschulen darstellt: <https://www.uni-heidelberg.de/universitaet/qualitaetsentwicklung/forschung/rankings.html>.

11 Münch, Akademischer Kapitalismus (Anm. 4), S. 55.

14 Statistisches Bundesamt. H 201 – Hochschulfinanzstatistik, Nationale Kennzahlen für einzelne Hochschulen. Basisdaten für die Berechnung monetärer hochschulstatistischer Kennzahlen für einzelne Hochschulen, Rechnungsjahr 2016; DESTATIS, Bildung, Forschung und Kultur. Hochschulen.

15 Statement von Alkomiet Hasan bei einer Podiumsdiskussion zum Thema »Vermessung der Wissenschaft?« in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 19.1.2019.

16 Statement von Christoph Lundgreen, ebd.

17 Olaf Blaschke, Der Markt der Zeitgeschichtsschreibung. Ein Plädoyer für mehr Empirie, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 6 (2009), S. 441-448, hier S. 444f.

18 Ebd., S. 448.

19 Deutsche Forschungsgemeinschaft, Pressemitteilung Nr. 24, 24.5.2012.

20 Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 399, 16.10.2018.

21 Siehe die Übersicht von Christian Mentel/Niels Weise, Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus. Stand und Perspektiven der Forschung, hg. von Frank Bösch/Martin Sabrow/Andreas Wirsching, München/Potsdam 2016; sowie Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Pressemitteilung Nr. 290, 14.8.2017: Aufarbeitung der NS-Vergangenheit zentraler Behörden – Start der Forschungsprojekte.

22 Olaf Przybilla/Uwe Ritzer/Willi Winkler, Der Dienstleister, in: Süddeutsche Zeitung, 15.2.2019.

23 Siehe zuletzt etwa den Beitrag von Christian Mentel, Der kritische Blick auf sich selbst. Zur Verantwortung der historiografischen Zunft in der Behördenforschung, in: Marcus Böick/Marcel Schmeer (Hg.), Im Kreuzfeuer der Kritik. Umstrittene Organisationen im 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2020, S. 139-161.

24 Siehe dazu etwa Philip Mirowski/Esther-Mirjam Sent, The Commercialization of Science and the Response of STS, in: Edward Hackett u.a. (Hg.), The Handbook of Science and Technology Studies, Cambridge 2007, S. 635-689.

25 Siehe dazu auch Valentin Groebner, Akademische Größenverhältnisse. Ein Zettelkasten, in: Merkur 73 (2019) H. 3, S. 82-90, hier S. 85.

26 Deutsche Forschungsgemeinschaft, Pressemitteilung (Anm. 19).

27 Stefan Kühl, Entzauberung des Fetischs, in: Süddeutsche Zeitung, 4.1.2013.

28 Siehe das Statement von Martin Korte bei der Podiumsdiskussion zum Thema »Vermessung der Wissenschaft?« (Anm. 15).

29 Siehe dazu Wolfgang Schieder/Alexander Nützenadel (Hg.), Zeitgeschichte als Problem. Nationale Traditionen und Perspektiven der Forschung in Europa, Göttingen 2004; Gabriele Metzler, Der Staat der Historiker. Staatsvorstellungen deutscher Historiker seit 1945, Berlin 2018.

30 Martin Geyer, Im Schatten der NS-Zeit. Zeitgeschichte als Paradigma einer (bundes-)republikanischen Geschichtswissenschaft, in: Schieder/Nützenadel, Zeitgeschichte als Problem (Anm. 29), S. 25-53.

31 Frank Bösch/Constantin Goschler (Hg.), Public History. Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, Frankfurt a.M. 2009.

32 Caspar Hirschi, Wie die Peer Review die Wissenschaft diszipliniert, in: Merkur 72 (2018) H. 9, S. 5-19, hier S. 16.

33 Ebd., S. 17.

35 Siehe etwa David Van Reybrouck, Gegen Wahlen. Warum Abstimmen nicht demokratisch ist, Göttingen 2016.

36 Siehe Jürgen Kaube, Die wollen doch nur spielen: Vom Rückzug des Streits aus den Wissenschaften, in: ders., Im Reformhaus (Anm. 7), S. 93-101.

37 So auch die zentrale Forderung von Hirschi, Peer Review (Anm. 32), S. 17-19.

38 Siehe etwa Lutz Raphael, Auszug aus der Komfortzone?, 10.7.2018, URL: <https://blog.historikerverband.de/2018/07/10/auszug-aus-der-komfortzone/>; Krijn Thijs, Demokratie als Funktionsbedingung. (Zwischen-)Bilanz der Kontroverse um die »politische« Resolution des Historikerverbandes, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 16 (2019), S. 154-163.

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