Computerliebe

Die Anfänge der elektronischen Partnervermittlung in den USA und in Westeuropa

  1. »Scientific Matchmaking«: Die Anfänge der
    elektronischen Partnervermittlung in den USA
  2. »Freie Liebe« – »freie Märkte«:
    Der »Elektronen-Amor« und das »Dating-Fieber« der 1960er-Jahre
  3. Der Computer als »Normalisierungsmaschine«:
    Die Praxis des Computer-Datings in den 1970er-Jahren
  4. Fazit

Anmerkungen

Für Jim Harvey und Phil Fialer begann alles aus einer Partylaune heraus. Als die beiden Elektroingenieure Ende der 1950er-Jahre an der Stanford University einen Kurs zur »Theorie und Praxis von Rechenmaschinen« belegten, hatte das campusweite Rechenzentrum gerade einen Großrechner erworben, einen IBM 650.1 Die »Elektronengehirne« dieser Jahre waren riesige Apparate, groß wie Busse, mit tausenden Lochkarten als Datenspeicher, beeindruckend in ihrer bloßen Materialität, ein modernes Mysterium.2 Für Harvey und Fialer war der Kurs eine willkommene Abwechslung im Studienalltag. Nicht ohne Hintersinn schrieben sie daher zum Jahreswechsel 1960 ihre Abschlussarbeiten über den Großrechner als ideales Werkzeug, »einsame Herzen« zu verbinden. Ihr Dating-Programm nannten sie – im moralischen Ton dieser Zeit – vorsichtshalber »Happy Families Planning Service«. Sie organisierten eine Party, zu der sie eine Gruppe von knapp 50 männlichen und ebenso vielen weiblichen Freunden einluden, die der Computer verkuppeln sollte. Unter den Gästen hatten sie Fragebögen verteilt, mit deren Hilfe sie Psychogramme der Proband/innen entwarfen: Wer wählte Demokraten, wer Republikaner? Wer bezeichnete sich als religiös? Wer rauchte, trank Alkohol, und wer übte welche Hobbys aus? Auf dieser Grundlage erfolgte die Zuordnung der Paare.3 Allerdings steckte der Algorithmus noch in den Kinderschuhen. So kam es zu einigen wenig glücklichen Paarungen;4 die Idee aber, die in diesen Jahren »in der Luft« lag, zündete. Kurz zuvor waren bereits die ersten Agenturen entstanden. Das Computer-Dating, das an den Colleges der amerikanischen West- und Ostküste in der Folge immer populärer wurde, verlor so rasch seinen experimentellen Charakter. Bis Mitte der 1960er-Jahre rissen kommerzielle Anbieter in den USA und in Westeuropa die lukrativen Märkte der elektronischen Partnervermittlung an sich – in Konkurrenz zu bisherigen gewerblichen und kirchlichen Eheanbahnungsinstituten.5

Der vorliegende Beitrag untersucht, wie sich Vorstellungen von Liebe, Partnerschaft und Ehe im Zeitalter der technokratischen Hochmoderne wandelten und welche Rolle dem Computer als »Matchmaking Machine« zukam. Damit sollen zugleich neue Perspektiven auf zentrale gesellschaftsgeschichtliche Problemkonstellationen der »globalen« 1960er- und 1970er-Jahre eröffnet werden.6 Hier rückt insbesondere die akademische Allianz von Computer- und Sozialwissenschaften in den Blick, die sich anschickte, den »Algorithmus der Liebe«7 zu ergründen.

Zwar versprachen auch die neuen Computer-Dating-Agenturen im »Golden Age of Marriage« nichts weniger als den »idealen Partner fürs Leben« – doch überließen sie es verstärkt ihren Kunden, zu welchen Zielen und Zwecken diese eine vorübergehende oder dauerhafte Verbindung mit einem anderen Menschen eingingen.8 So verwandelte sich der »Heiratsmarkt« sukzessive in einen »Partnerschaftsmarkt«. Bis zum Ende der 1970er-Jahre schlug sich die Liberalisierung des Dating-Verhaltens auch in der Praxis der Vermittlung nieder. Die Idee des (digitalen) Datings, die sich an die wachsende Gruppe der »Singles«9 richtete, war so zugleich Symptom tiefgreifender kultureller und gesellschaftlicher Umbrüche. Das »Dating-Fieber« spiegelte um 1968 die sich wandelnden Vorstellungen von Liebe, Partnerschaft und Ehe wider, die den »Sommer der Liebe« begleiteten, die viel beschworene »sexuell-moralische Wende« einläuteten und der Diskussion um den »Wertewandel« Vorschub leisteten.10

Über die Geschichte der Ehe- und Partnervermittlung wissen wir wenig. Forschungen zu Genese und Erosion des Ideals der romantischen Liebe im 19. und 20. Jahrhundert haben, wenn überhaupt, eher am Rande das Phänomen der Eheanbahnung gestreift.11 Nur selten rückte das »Kupplergewerbe« in den Fokus (rechts)historischer Abhandlungen.12 Einzelne Untersuchungen liegen dagegen zur Rolle von Heiratsannoncen und zum Wandel von Paarkorrespondenzen vor.13

Im weiteren Kontext neuerer historischer Studien zum Wandel von Familienmodellen und Paarbeziehungen nach 1945 ist das Phänomen der Partnervermittlung indes noch kein Thema gewesen. So haben bislang vor allem Jurist/innen und Soziolog/innen die Frage nach den Dynamiken von Partnerwahl und Paarbeziehungen in der Moderne erörtert14 und dabei insbesondere die Anverwandlungen des »romantischen Liebesideals« und der »kalten Welt« der »Dating-Ökonomie« in den Blick gerückt.15

Bis in die jüngste Zeit ist das digitale Dating vor allem als ein Phänomen der Internet-Ära gelesen worden.16 Doch bildete, so die These dieses Beitrags, die neue Form des Datings schon ab den ausgehenden 1950er-Jahren einen zentralen Teil der Gesellschaftsgeschichte des digitalen Zeitalters.17 Erste Ansätze zu einer Kulturgeschichte des (Computer-)Datings liegen bereits vor.18 Hier ergeben sich verschiedene Anknüpfungspunkte zur Geschichte der Technikeuphorie und -ängste und zur Mensch-Maschine-Interaktion,19 zur Geschichte des Konsums,20 aber auch zur Geschichte von Moral- und Privatheitsvorstellungen, Familien- und Rollenbildern sowie zur Figur des »Singles«.21

Eine Kulturgeschichte des Kennenlernens, die auch die Geschichte des Computer-Datings erhellen könnte, muss noch geschrieben werden. Es würde den Bogen über­spannen, an dieser Stelle die Tradition der gewerblichen Eheanbahnung, der Heiratsagenturen und ihrer Inserate zu rekapitulieren, die bis in die ersten Dekaden des 17. Jahrhunderts zurückreicht.22 Bereits die Idee des elektronischen »Matchmaking« besaß aber eine lange Vorgeschichte.

Hier soll das Phänomen der elektronischen Partnersuche aus einer doppelten Perspektive erforscht werden: einerseits über die Analyse des technizistischen Diskurses um die »Verwissenschaftlichung« der Partnerwahl im digitalen Zeitalter, in dessen Verlauf das Ideal der romantischen Liebe zur planbaren Größe avancierte, und andererseits über die Untersuchung der konkreten Praxis der Partnerschaftsvermittlung, welche die sich wandelnden (wie auch die konstanten) Moralvorstellungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts reflektierte. Dies wird in drei Schritten geschehen: Erstens soll der Beginn der »wissenschaftlichen« Partnervermittlung in den USA in den Blick rücken, wo einzelne Institute bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg den Computer als »Ehemaschine« zu vermarkten begannen. Gegen Ende der 1950er-Jahre reifte der Computer als »Matchmaker« hier zum Medienereignis. Zweitens soll die »Dating-Euphorie« der 1960er-Jahre vor dem Hintergrund der zunehmenden Kommerzialisierung dieser Experimente analysiert werden. In den USA wie auch in Westeuropa gab es schon bald Kritik an den vagen Prophezeiungen einzelner Institute, welche die Branche zusehends in negative Schlagzeilen brachten. Drittens schließlich wird die Internationalisierung des Dating-Marktes während der 1970er-Jahre untersucht, in deren Zuge die Agenturen ihr System der Partnerwahl neu auszurichten begannen. Der Diskurs der »Liberalisierung« und »Pluralisierung« von Familien- und Partnerschaftsmodellen und die Praxis einer »Normalisierung« sozialer Ordnungen verbanden sich hier in erstaunlicher Weise. Dabei entstand mit der »Liberalisierung« der Liebe ein – von kommerziellen Regeln durchdrungener – »freier Markt«.23 Die »Dating-Euphorie« spiegelte so die widersprüchlichen Aushandlungs- und Ablösungsprozesse des kulturellen Wandels um 1968 wider.

Die Darstellung kann sich auf eine breite Basis publizistischer Quellen, Filme, literarischer und musikalischer Zeugnisse stützen, die die Maschinenträume und Automationsängste der 1960er- und 1970er-Jahre beschreibbar machen. Einblicke in die Praxis der Dating-Agenturen und deren kommerzielles Kalkül vermitteln dagegen Ratgeber, Werbeanzeigen und Firmenpublikationen sowie die Fragebögen und Korrespondenzen ausgewählter Institute, in denen Kund/innen ihren Wünschen und Erwartungen Ausdruck verliehen. Hinzu kommen »Weißbücher« der Branchenverbände und »Schwarzbücher« von Verbraucherschützern. Ausgewählte Archiv­quellen ergänzen das Korpus. Sie belegen die Hintergründe der Entstehung eines Dating-Marktes und die Genese ausgewählter Dating-Agenturen.

1. »Scientific Matchmaking«: Die Anfänge der
elektronischen Partnervermittlung in den USA

Nach dem Zweiten Weltkrieg boomte das Geschäft der Ehevermittler. Alleinstehende Frauen und Männer trafen sich in den USA in »Lonely Hearts Clubs«. Karl Miles Wallace, Soziologe am Los Angeles State College, hatte daher 1948 einen »Personal Acquaintance Service« aus der Taufe gehoben, der im Zuge eines groß angelegten, sechseinhalb Jahre dauernden Feldversuchs über 6.000 Personen in einem solchen Club zusammenbrachte und die Dynamiken der modernen Partnersuche studierte. Wallace interessierte sich sowohl für die sozioökonomischen Hintergründe und charakterlichen Dispositionen der Singles als auch für die Ansprüche, die sie an ihre möglichen Partner/innen stellten. Um der Vielzahl von Informationen Herr zu werden, ließ er Interviews, Fragebögen und Persönlichkeitstests in maschinenlesbare Daten übersetzen, die ein Lochkartenleser der Firma Remington Rand auswertete. So wurden binnen einer Dekade rund 320 Ehen gestiftet.24

An der Ostküste der USA entdeckten mehrere Eheanbahnungsinstitute die Möglichkeiten einer Vermarktung dieses neuartigen Computereinsatzes. Ein New Yorker Institut, das mehrere Zweigstellen in England, Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und einer Reihe außereuropäischer Länder besaß,25 bewarb seine Dienste im Jahr 1950 ausdrücklich unter Verweis auf die »Wissenschaftlichkeit« der Methode: »Liebe ist nichts Mysteriöses. Sie lässt sich wissenschaftlich vorausberechnen – und zwar elektrisch und automatisch!«26 Was unter einer »Berechnung« der Liebe verstanden wurde, unterschied sich allerdings stark. In vielen Fällen diente der Rekurs auf akademische Forschungsergebnisse und -methoden lediglich dazu, dem Vorhaben ein seriöses Gepräge zu verleihen. So gehörten neben graphologischen Analysen und psychodiagnostischen Tests auch Hypnose oder die Deutung von Handlinien und Horoskopen zum Repertoire der Agenturen. Wo der Computer zum Einsatz kam, löste er ein klassisches »Big Data«-Problem: Der Rechner erfasste, verarbeitete und analysierte die wachsenden Datenmengen, die zuvor in der Kundenkartei der Heiratsbüros zusammengelesen worden waren. In vielen Agenturen war bis dato der Menschenkenntnis des Maklers bzw. der Maklerin entscheidende Bedeutung zugekommen. Auch die »Geschäftsräume« der Institute waren wenig repräsentativ. Teils aus dem eigenen Wohnzimmer heraus, arrangierten Makler/innen nach eingehenden Gesprächen (und durchaus nach Sympathie) eine erste Begegnung, der sich dann im Prozess des Kennenlernens die genaue Erkundung des Charakters anschließen sollte27 – Herz vor Verstand. Der Computer war nun auserkoren, diese Folge umzukehren.

1957 gründeten die Soziologen Eric Riss und Lee Morgan in New York den »Scientific Introduction Service«. Sie nutzten – wie Wallace zuvor – einen Lochkartensortierer: blaue Karten für die Männer, rosa Karten für die Frauen. Bereits 1965 vermeldete die Agentur stolz, rund 300 Beziehungen pro Woche zu vermitteln; ein Drittel heiratete später.28 Der typische Kunde oder die typische Kundin des Büros in Manhattan war weiß, protestantisch, zwischen Ende 20 und Mitte 50, überdurchschnittlich gebildet, verfügte über einen Hochschulabschluss (85 Prozent der Männer, 52 Prozent der Frauen) und ein höheres Einkommen: Ärzte, Anwälte, Ingenieure. Es war ein Service für Besserverdienende. Für 30 US-Dollar erhielt der Kunde oder die Kundin bis zu zwölf Vorschläge, die die IBM-Sortiermaschine ausspuckte. Je nach Voraussetzungen (Geschlecht, Alter oder Einkommen) und Ansprüchen konnte der Preis variieren und auf bis zu 300 US-Dollar steigen. So waren gebildete, beruflich erfolgreiche Frauen zwischen 45 und 60 Jahren schwierig zu vermitteln; sie zahlten in der Regel mehr.29 Dies lag zum einen daran, dass diese Gruppe – als demographische Folge des Zweiten Weltkrieges – in der Nachkriegsära relativ groß war, zum anderen aber auch daran, dass sich die Partnerwahl an klassischen Familienvorstellungen und Rollenklischees orientierte: Während der 1950er- und 1960er-Jahre dominierte das Modell einer in puncto Humankapital und Einkommensressourcen asymmetrisch ausgestatteten Kernfamilie, in der ein male breadwinner eine sich um Heim und Herd kümmernde Frau und Mutter suchte – die Ehe als »(Re-)Produktionsgemeinschaft«.30 So zählte zu den Glaubenssätzen der Agenturen dieser Jahre, dass in einer »erfolgreichen« Ehe der Mann größer und älter sei, mehr verdiene und einen höheren Grad an Bildung besitze als seine Partnerin.

Auch der Prozess der Datings spiegelte klassische Rollenbilder und -erwartungen wider. Die Manhattaner Büros richteten ihre postalische Korrespondenz – eine Liste mit den Namen und Telefonnummern potentieller Partnerinnen – üblicherweise an die männlichen Kunden. Frauen wurden lediglich benachrichtigt, dass sie in nächster Zeit, werktags zwischen 19 und 21 Uhr, die Anrufe möglicher Partner zu erwarten hätten.31 Noch in ihrer Beschreibung eines »perfekten« Dates gingen die Agenturen davon aus, dass der Mann »den ersten Schritt« mache und die Partnerin kontaktiere, es dann allerdings besser der Frau überlasse, Gefühle anzusprechen.32

Für die meisten Agenturen war die Eheanbahnung ein ausgesprochen profitables Gewerbe. Gerade in den urbanen Zentren, besonders in »New York, the loneliest city of all«,33 wuchs der »Markt der einsamen Herzen«.34 Für manche war der Einsatz des Computers aber auch eine Frage der Moral. Die gemeinnützige »Scientific Marriage Foundation« in Indiana versammelte ab 1957 rund 3.000 Geistliche als Eheberater. Für lediglich 25 Dollar vermittelte sie »Mr. oder Miss Right«. Dies sollte die Scheidungsrate senken, die in den Vereinigten Staaten um 1960 bei knapp 25 Prozent lag, ab Mitte der 1960er-Jahre rapide anstieg und sich bis 1980 nahezu verdoppelte.35 George W. Crane, der psychologische Leiter des Instituts, betonte Mitte der 1960er-Jahre daher stolz, dass seine Agentur, auch dank der neuen Computertechnik, binnen einer Dekade bereits über 10.000 Ehen gestiftet habe, von denen nur ein Promilleanteil geschieden worden sei.36

Die Kirchen waren bereits ab den 1930er-Jahren im Feld der Eheanbahnung aktiv geworden. Für sie eröffnete die Rhetorik einer »Verwissenschaftlichung« der Partnerwahl gerade in den USA neue Spielräume im Kampf gegen interreligiöse Ehen. So war das Ideal der Gemeinsamkeit, das hinter den algorithmierten Computer-Ehen stand, dazu angetan, die dogmatische Ablehnung von »mixed marriages« – über religiöse, ethnische oder soziale Grenzen hinweg – zu unterstützen. Freilich gab es auch innerhalb der Kirchen eine starke Opposition gegen die neue Technik. Für die Kritiker stellte die kalte Logik der Maschine die göttliche Weihe des Sakraments der Ehe in Frage: Die Vorstellung einer gänzlich berechenbaren Verbindung zweier Menschen, die ohne himmlische Fügung zustande kam, provozierte hier nachdrückliche Skepsis.37

Für Sozialexperten wie den Familien- und Eheberater Paul B. Popenoe, Direktor des 1930 in Los Angeles gegründeten »American Institute of Family Relations«,38 war die elektronische Partnervermittlung vor allem ein Vehikel bevölkerungspolitischer Ziele. Popenoe, der sich nach dem Ersten Weltkrieg als Eugeniker einen Namen gemacht hatte, war mit seiner im Januar 1953 einsetzenden Kolumne »Can This Marriage Be Saved?« im »Ladies’ Home Journal« zu »America’s Mr. Marriage« und einer der wichtigsten Stimmen im moralpolitischen Diskurs über die Psychologie der Paarbeziehungen geworden. Auch er strich die Vorzüge der Technik heraus: »[…] it is easier to succeed in marriage if you have the common factors and similarities of interest that the tests and the [computer] UNIVAC suggest. You are smart, therefore, if you let the head and the heart work together.«39 In der Folge nutzte er die Reichweite von Presse, Funk und Fernsehen, um die Popularisierung der elektronischen Heiratsvermittlung voranzutreiben.

Zum Medienereignis avancierte das Computer-Dating durch den ersten »Fernsehauftritt« eines »Elektronen-Amors«. Im populären NBC-Quiz »People are Funny« präsentierte Showmaster Art Linkletter am 15. September 1956 einem amerikanischen Millionenpublikum den Universal Automatic Computer I (kurz UNIVAC) von Remington Rand als Partnervermittlungsmaschine. Linkletter hatte in der Lokalpresse diverse Inserate geschaltet, um heiratswillige Singles im Raum Los Angeles zu akquirieren. Die Produktion sendete über 4.000 Fragebögen an Interessierte; mehr als 50 Prozent der – von Popenoe eigens entworfenen – Bögen kamen zurück. Diese wertete der UNIVAC aus. Live auf der Bühne begegneten sich dann Woche für Woche Paare, die der Computer zusammengebracht hatte. Eine Kandidatin hatte sogar ihren Freund verlassen, um sich dem Urteil des Rechners anzuvertrauen.40 »Variety« kommentierte bereits vor der Ausstrahlung: »You might give up, fellers: automation has invaded the romance.«41

Als die Serie 1957 endete, war die Bilanz allerdings durchwachsen. Linkletter berichtete der Presse schon nach einigen Wochen unmissverständlich von der Abneigung einzelner Kandidat/innen.42 Ein Kommentator zeigte sich erleichtert, »that Univac could not make love a card-index affair«.43 Doch als das erste Paar im Oktober 1958 in Hollywood heiratete und Linkletter als Trauzeuge erschien, begann der Rummel von neuem.44 Für die Firma Remington Rand, die bereits 1952 mit der Hochrechnung des bevorstehenden Sieges des republikanischen Kandidaten Eisenhower bei den US-Präsidentschaftswahlen im Fernsehen für Furore gesorgt hatte,45 war der »TV-Auftritt« des UNIVAC ein gelungener PR-Coup. Auch für die Branche der Heiratsvermittler bedeutete die Sendung ein willkommenes Marketing. Im Kielwasser der ersten Experimente schwappte die Woge der Begeisterung nach Europa.

2. »Freie Liebe« – »freie Märkte«:
Der »Elektronen-Amor« und das »Dating-Fieber« der 1960er-Jahre

Quer durch Europa – von England über Frankreich, die Niederlande, Italien, Skandinavien und die Schweiz bis zu den beiden deutschen Staaten, aber auch in der UdSSR, in der ČSSR und in Ungarn – sowie in Japan und den USA fand die Idee der digitalen Partnervermittlung Mitte der 1960er-Jahre das Interesse von Journalisten, Unternehmern und akademischen Experten, darunter Mathematiker und Ingenieure, Pädagogen und Theologen, Psychologen und Sozialwissenschaftler. Die Idee einer Rationalisierung der Liebe war zugleich Sinnbild der technokratischen Begeisterung und der einsetzenden Planungseuphorie. Der Computer, der die überkommene Tradition des Kupplergewerbes in ein modernes, technizistisches Gewand kleidete, stand exemplarisch für den Glauben, auch das Privatleben optimieren zu können. Dabei erlaubte die binäre Logik des Computers keine Zwischentöne: der »ideale« Partner – eine Liebe aus Nullen und Einsen. Sie reduzierte die scheinbar explosionsartig gestiegene Komplexität, die sich aus den neuen Handlungsspielräumen gesellschaftlicher Liberalisierung, veränderter Geschlechterbilder und pluralerer Familienmodelle ergab.46

»Weil es die Technik und die Wissenschaft und Elektronenhirne gibt« –
France Gall mit »Computer Nr. 3« beim Schlagerwettbewerb in Berlin, 1968

Dabei setzte das Modell der programmierten Partnersuche einen breiten (populär-)kulturellen Diskurs in Gang, der über nationale Grenzen hinweg wirkte und reich an Imaginationen war. In Literatur, Theater, Film und Fernsehen wurde das Thema allgegenwärtig. France Gall widmete dem Computer-Dating 1968 gleich ein ganzes Chanson: »Computer Nr. 3«. Serien wie »The Twilight Zone« oder »Mod Squad«, aber auch Filme wie »Bel Ami 2000«, »Faire l’Amour« oder »Comput-her-Baby« nahmen sich der digitalen Partnersuche an. Unterhaltungsautor/innen wie Friede Birkner schrieben Romane über das Verhältnis von »Liebe und Computer« (1970), und der Dramaturg Wolfgang Petzet brachte die elektronische Heiratsvermittlung im selben Jahr mit seinem humoristischen Einakter »Der Computer« auf die Bühne. In den 1980er-Jahren schrieben Pop-Bands wie »Kraftwerk«, »Paso Doble« oder »Zapp« Songs über die »Computerliebe«.47

»Hab heut Nacht nichts zu tun, hab heut Nacht nichts zu tun
Ich brauch ein Rendez-vous, ich brauch ein Rendez-vous
Ich wähl die Nummer, ich wähl die Nummer
Rufe Bildschirmtext, rufe Bildschirmtext« –
Kraftwerk, »Computerliebe«, 1981

Frühzeitig avancierte das Computer-Dating auch zu einem Phänomen der (akademischen) Jugendkultur. An den Hochschulen in den USA und in Westeuropa grassierte ein regelrechtes »Dating-Fieber«. Nach Harveys und Fialers Experimenten an der Westküste der Vereinigten Staaten berichtete das »Time Magazine« 1963 über ein weiteres »Dating-Experiment« an der Iowa State University.48 Ein anderes System namens »Contact« etablierte sich am MIT.49 1965 begannen dann drei Studenten aus Harvard – Jeffrey C. Tarr, David L. Crump und Vaughan Morrill, gemeinsam mit Douglas H. Ginsburg, einem Absolventen der Cornell University – mit »Operation Match« aus der Partnersuche neuerlich ein Geschäftsmodell zu schmieden.50

Douglas H. Ginsburg (links) und Jeffrey C. Tarr (Mitte) arbeiten im Dezember 1965 an »Operation Match«,
einem der ersten kommerziell erfolgreichen elektronischen Dating-Dienste.
(Phillip Harrington/Alamy Stock Photo)

In der CBS-Quizshow »To Tell The Truth« präsentierten Tarr und Morrill ihre Idee.51 Sie engagierten ein »Newsweek«-Covergirl als Teilnehmerin, und Crump komponierte sogar einen eigenen Rock ’n’ Roll-Song.52 Binnen weniger Monate erhielten sie 8.000 Bewerbungen; 52 Prozent der Zuschriften stammten von Frauen. Zwischen 1965 und 1968 versandte die »Compatibility Research Inc.« bereits mehr als eine Million Fragebögen und verband über 100.000 Nutzer/innen.53 Das Nadelöhr waren die Servicegebühren des Rechners, dessen Monatsmiete in der Regel mehrere tausend Dollar betrug. Doch schnell zeigte sich: Sonntags zwischen 2 und 4 Uhr morgens kostete die Miete im IBM Service Center praktisch nichts. So gelang es den Firmengründern, ihren Dienst für nur drei Dollar anzubieten. Für fünf Dates war dies unschlagbar günstig. Als Sinnbild kühler Rationalität schien das »Elektronengehirn« der perfekte Matchmaker zu sein: »You’ll call it romance […] – we call it ›Operation Match‹.«54

Der Computer arrangierte die Blind-Dates. Zuvor mussten die Teilnehmer/innen einen 105 Items starken Fragebogen ausfüllen, in dem sie über ihren ethnischen Hintergrund, ihre konfessionelle Zugehörigkeit, ihre politischen Einstellungen, ihre Hobbys, ihre akademische Bildung sowie den sozialen Status ihrer Eltern und das Familieneinkommen berichteten. Aber auch intimere Fragen waren Teil der Auswahl: »Do you think romantic love is necessary for successful marriage?« Oder: »Is extensive sexual activity preparation for marriage, part of ›growing up‹?« Die Logik war simpel: In erster Linie suchte der Computer nach Übereinstimmungen.55

Manchmal reichte indes schon die Illusion computergestützter Prophetie. In Indiana nutzte ein Student den Hype des elektronischen Datings, um ein Unternehmen namens »Project Flame« zu vermarkten. Er ließ seine Kunden, größtenteils Kommilitoninnen und Kommilitonen, einen Fragebogen ausfüllen und eine Lochkarte beschreiben, allerdings ohne einen Computer zu besitzen. So wurden auch die Daten letztlich nie auf der Karte kodiert; stattdessen ordnete er gemeinsam mit einigen Freunden die Bewerber/innen von Hand zu.56

»Operation Match« eröffnete derweil binnen weniger Monate Büros von San Francisco über Los Angeles, Detroit, Chicago und Ann Arbor bis nach New York. Auch an den Hochschulen in Westeuropa wurde die Idee zum Ereignis. Das »Life Magazine« kommentierte 1967: »Inevitably, the singles game is putting technology to use, and the computer dating service is growing as sturdily as the price of a share of IBM.«57 1968 stiegen Tarr und Ginsburg aus der Firma aus. Steve Milgrim, ein MIT-Absolvent, der kurz nach der Gründung hinzugestoßen war, vermarktete die Geschäftsidee nun international.58 1967/68 eröffnete Milgrim Filialen in Großbritannien und den Niederlanden.59 Dort war die Firma rasch wachsender Konkurrenz ausgesetzt: 1964 hatte die Unternehmerin Joan Ball in London den »St. James Computer Dating Service« (ab 1965 »Com-Pat«) eröffnet,60 und nur ein Jahr später gründete John Richard Patterson – nach einem Besuch an der Harvard University – die Agentur »Dateline«, die sich zu Beginn der 1970er-Jahre anschickte, die europäischen Märkte zu erobern.61 Patterson erweiterte das Geschäftsmodell: Er veröffentlichte ein monatliches Magazin namens »Singles« und gründete 1975 die Reiseagentur »Singles Holidays«.

In ganz Europa produzierte die Idee des Computer-Datings ab Mitte der 1960er-Jahre Schlagzeilen. Während in der Bundesrepublik kommerzielle Anbieter das Gewerbe an sich rissen, wurde in der DDR intensiv über ein Modell »staatlicher Eheanbahnung« beraten. Zuvor hatte es bereits in Ungarn und der ČSSR erste Versuche in dieser Richtung gegeben. Auch in Moskau diskutierte man den Einsatz von EDV-Kontaktbüros.62 Der russische Kybernetiker Axel I. Berg hatte 1970 in der »Literaturnaia Gazeta« die Gründung solcher Büros als geeignetes Werkzeug beschrieben, um der, wie er schrieb, allerorten zu beobachtenden Vereinzelung des Menschen in der »modernen Gesellschaft« gegenzusteuern und das Ideal einer »sozialistischen Gemeinschaft« von Moskau bis Wladiwostok ins Werk zu setzen.63 Rückendeckung gab ihm der Soziologe Vladimir Shlapentokh: Mehr als 75 Prozent der Leser/innen der »Gazeta« seien von der Idee einer elektronischen Eheanbahnung begeistert, rund die Hälfte davon zeige gar ein persönliches Interesse.64 Die »Pravda« blieb skeptisch, doch gab es auch in der UdSSR Ende der 1970er-Jahre die ersten Experimente.

»Boyfriends by Computer!«
Cover des britischen Magazins »Rave«, 1. Februar 1967
»Liebe per Computer«. Werbeplakat der bundesdeutschen Zeitschrift »twen«, 84,0 x 59,5 cm, 1968
(Standort: Essen,
Museum Folkwang,
Deutsches Plakat Museum;
Foto: © Museum Folkwang EssenARTOTHEK)
 

Die westeuropäische Presse leistete der kollektiven Euphorie derweil durch »Partnerschaftsaktionen« Vorschub. Am 1. Februar 1967 versprach das britische Jugendmagazin »Rave« – nur wenige Monate nach dem Siegeszug von »Operation Match« – seinen Leserinnen »A Boyfriend by Computer!« und ermutigte sie, an der Dating-Aktion teilzunehmen.65 Kurz darauf zog »Elle« in Frankreich nach: Hier beantwortete ein IBM-Computer Fragen zum Thema Liebe66 und »verkuppelte« dann die Leser/innen.67 Zwischen März und Mai 1967 startete auch in der Bundesrepublik – in der »Constanze« – eine Serie über die Wagnisse der modernen Partnerwahl: »Heiraten – aber wie?« Am 1. Mai berichtete das Blatt über »Ehepartner aus dem Automaten«.68 Die Chancen des neuen Datings wurden im »Selbstversuch« getestet.69 Die größte Resonanz aber erzielte das Münchner Jugendmagazin »twen«. Mit der Aktion »Rendez-Vous 67« versprach das Blatt, alleinstehende Leserinnen und Leser per Computer zusammenzubringen. Von Beginn an bemühte sich das Magazin, die Aktion als »wegweisendes wissenschaftliches Abenteuer« darzustellen. Drei Informatiker des IBM-Rechenzentrums in Frankfurt am Main zeichneten für die technische Umsetzung verantwortlich.70 Die Vorteile der Technik stellte das Magazin den Teilnehmerinnen und Teilnehmern klar vor Augen: »Der Computer vergleicht in einer dreiviertel Sekunde die Angaben eines Mannes mit denen von dreitausend Frauen. 100 Stunden würde ein Mensch dafür brauchen.«71 Verzichte man auf die Dienste des Computers, benötige man rund fünf Jahre, um eine wirklich passende Adresse aus einer Datenbank solcher Größe zu ermitteln. Angesichts des riesigen Zuspruchs – über 25.000 Teilnehmer/innen72 – kündigte »twen« bereits im November 1967 die nächste Runde an. 1968 waren es rund 68.500 Teilnehmer/innen, ein Jahr später schon 73.800 und 1970 gar 106.800 Personen.73 Bis 1970 veranstaltete »twen« Dating-Partys, spendierte Hochzeitsreisen, begleitete ausgewählte Paare zu ihren Dates, bei ihrer Verlobung und in die Flitterwochen; das Magazin berichtete aus dem Alltag neu verliebter und verheirateter Paare.74

Eine »Computer-Nacht« des WDR beschäftigte sich im Jahr 2013 mit der Geschichte des digitalen Zeitalters. Eine Folge thematisierte dabei auch die Rolle des Computers als »Matchmaker«. Die Sendung warf einige Schlaglichter auf die lange Geschichte der elektronischen Partnersuche von den Anfängen der 1950er-und 1960er-Jahre bis in die Ära von Cyber-Sex und Online-Dating. Darin war auch ein Teil der unten genannten WDR-Reportage »Liebe per Computer« von 1968 zu sehen.
Zu den weiteren Folgen von 2013:
https://programm.ard.de/TV/Programm/Sender/?sendung=2872210024231779 und
https://www.youtube.com/watch?v=l1WVuDZYd1c&list=PLt_-k1fThmp9LfmtoYMsk_9rrmzpBcuFW

In der ganzen Bundesrepublik las man nun von der »programmierten Partnerwahl«. Der WDR widmete der Aktion am 18. März 1968 eine knapp 30-minütige Reportage unter dem Titel »Liebe per Computer«. Während die »BILD«-Zeitung das »Himmelsglück« aus dem Computer pries, zeigte sich der »Spiegel« kritisch. Der Springer-Konzern gaukle den Lesern von »twen« und »Bravo« eine »heile, nette Welt« vor und suggeriere der Jugend zugleich nicht nur die »Wahl« des »richtigen« Lebenspartners, sondern auch des dazugehörigen »idealen« Lebens in Ruhm und Luxus.75 Die Qual dieser neuen »Wahlfreiheit« amüsierte die »Schaffhauser Nachrichten«: »[…] nicht Liebesheirat, sondern Vernunftehe« verspreche wahres Glück, gab man den Singles hier väterlich zu bedenken.76 Dass die Jugend die Wahl des Partners oder der Partnerin indes weniger sozialen Konventionen oder himmlischen Fügungen als vielmehr der opaken Technik des Computers anvertraute, wirbelte die Moralvorstellungen durcheinander. Ironisch zitierte eine US-amerikanische Zeitung die Aussage eines Teenagers, der das Versprechen des »Idealpartners« allzu wörtlich genommen hatte: »I would like someone who has looks, a high IQ, money in the family, is Protestant, tall and slim, likes the out-of-doors, can cook, would be willing to live in a small Community. […] she should have the right blood type, be in the age group 25–35, have an even temperament, not smoke, drink or swear, care about her make-up and not have a history of inherited disease.«77

Eine solche »Warenförmigkeit« emotionaler Bindungen, die den Partner oder die Partnerin zum bloßen »Konsumgut« degradiere, dessen »Produkteigenschaften« es zu optimieren gelte, erschien Kritikern als die Kehrseite der neuen »Wahlfreiheit«.78 Für den Schriftsteller Peter Hamm war die »angebliche Verwissenschaftlichung der Welt«, die »Elle«, »Constanze« oder »twen« priesen, bloß eine »Erfindung der Reklame-Fachleute«, welche die »Ausbeutungs- und Verdunkelungstechniken« des Kapitalismus klar zu Tage treten lasse.79

So wurde der Dating-Markt zusehends skeptisch beäugt,80 zumal die digitale Partnervermittlung in den Augen mancher Beobachter die Verstellungskünste der Jugend zu begünstigen schien. Im US-Magazin »Look« beschrieb man diese Dynamik eines Blind-Dates um die Mitte der 1960er-Jahre eindrücklich: »Boys have discovered that there is more to getting the girl of their dreams than ordering a blonde, intelligent, wealthy, sexually experienced wench. They must also try to guess what kind of boy such a girl would request, and describe themselves to conform to her data. The future suggests itself: the boy answers artfully. A girl does too. The computer whirs. They receive each other’s name. Breathlessly, they make a date. They meet. They stop short. There they are: [...] Two liars. But they are, after all, exactly alike, and they have been matched. It is the computer’s moment of triumph.«81

Im Zuge der Debatte um einen »Wertewandel«82 richtete sich die Kritik zudem gegen die Individualisierung und »Atomisierung« der Single-Gesellschaft, als deren sichtbarer Ausdruck die neue Computer-Dating-Kultur galt.83 Das »kupplerische Werk« des Computers, sinnierte die »ZEIT« Ende der 1960er-Jahre, stehe sinnbildlich für eine Ära der »Kontaktlosigkeit« und der »Isolation des einzelnen, in der Massengesellschaft«. 1982 klagte die Wochenzeitung, man sitze auch bei der Suche nach Liebe nur »einsam vor den Apparaten«.84

Zugleich attackierte die Phalanx der Kritiker die Aushöhlung gängiger Moralvorstellungen, allen voran die Vorstellung sexueller »Freizügigkeit« und die Pluralisierung der Lebensmodelle und Liebeskonzepte. Alleinerziehende Väter und Mütter, auf der Suche nach »Lebensabschnittspartnerschaften« oder »offenen« Beziehungen, »nicht-eheliche Gemeinschaften« und »Patchwork-Familien« stellten das Modell der bürgerlichen Kernfamilie radikal in Frage.85 Dass einzelne »Single-Börsen« – zum Leidwesen der Moralwächter – gerade auf die Relativierung der Zentralinstanz der Ehe und zum Teil sogar auf die bloße Vermittlung von Sex abzielten, verstärkte da nur die Vorbehalte. Der Wandel der Partnervermittlung – von der »Eheanbahnung« der 1940er- und 1950er-Jahre zum »Single-Dating« der 1960er- und 1970er-Jahre – spiegelte somit einen tiefgreifenden soziokulturellen Wandel wider. In die Euphorie um das Dating mischten sich zusehends konservativ-kulturkritische Klagen über die »Anonymisierung« der Gesellschaft, den »Wertezerfall« und den »Niedergang« der Familie.86

En gros aber zeichnete sich die Geschichte der elektronischen Partnervermittlung vor allem durch eine erstaunliche Persistenz tradierter Werte und Muster des Kennenlernens aus. Mit dem Utopie-Versprechen des Computer-Datings, den idealen Partner oder die ideale Partnerin in einer immer unübersichtlicher und komplexer werdenden »modernen Welt«87 zu ermitteln, erlebte daher sogar die Ehe – im »Zeitalter der freien Sex- und Wechsellust«, wie der »Spiegel« im September 1968 schrieb88 – eine kurze Renaissance, bevor die Zahl der Hochzeiten Ende der 1960er-Jahre rapide zu sinken begann. Die Suche nach »Sicherheit«, die sich im Zuspruch der Jugend zu den Angeboten der Computer-Institute abbildete, bezeugte die Ungleichzeitigkeiten und Ambivalenzen der »68er-Revolution«.89

3. Der Computer als »Normalisierungsmaschine«:
Die Praxis des Computer-Datings in den 1970er-Jahren

In seiner Verbindung von Liebes- und »Vernunftehe« versprach das Computer-Dating noch an der Schwelle zu den 1970er-Jahren das große Glück. »Goldene Ringe aus dem Computer« lautete die Verheißung, mit der »Westermanns Monatshefte« die Chancen der Partnervermittlung im digitalen Zeitalter anpriesen.90 Der Siegeszug der Computer-Agenturen setzte dabei die klassischen Heiratsbüros unter Druck. Artur Flidtner, der Vorsitzende des Bundesverbandes deutscher Eheanbahnungsinstitute, zeigte sich deshalb 1967 bemüht, die Euphorie zu bremsen: Eheanbahnung, gab er zu bedenken, laufe »nicht nach Schema F«.91 Die Inhaberin eines »Traditionshauses zur Ehevermittlung« stimmte einige Jahre später in diese Kritik ein: »Sympathische Herzenswärme und persönliche Ausstrahlung [...] lassen sich datenmäßig nicht erfassen.«92

Ungeachtet aller Skepsis war indes auch in der Bundesrepublik der Boom der kommerziellen elektronischen Partnervermittlung durchgeschlagen. Dabei stieg die Hamburger Altmann GmbH & Co. binnen weniger Jahre zum Branchenprimus auf. Ab 1967 verlegte sich die Firma ganz auf das boomende Feld des Computer-Datings.93 Auch hier avancierte das Label der »Wissenschaftlichkeit« zum Kassenschlager. Zum Beirat des Instituts zählten der Kieler Bevölkerungswissenschaftler Hans W. Jürgens, der Düsseldorfer Sozialpsychologe Peter Orlik sowie der Gießener Pädagoge und Psychologe Werner Correll. Das von ihnen beworbene »Altmann-System« wurde rasch zur internationalen Marke. Aus einer Datenbank mit über 30.000 Bewerber/innen suchte der Computer – ein IBM 360/40 – den vermeintlich idealen Partner oder die ideale Partnerin.94 Dabei konnten Interessierte pro Woche bis zu zwei Partnervorschläge anfordern und so binnen drei Jahren über 300 Kontaktdaten erhalten.95 Zudem gab die Firma allen Kundinnen und Kunden einen »Leitfaden« für die erste Kontaktaufnahme an die Hand.96 Mitte der 1970er-Jahre kam zum Kernbereich der Partnervermittlung noch das Feld der Paartherapie und -kommunikation hinzu; Reisen, Fortbildungskurse und (populär)wissenschaftliche Publikationen ergänzten fortan das Portfolio der Dienstleistungen.97 Ab 1977 exportierte die Firma ihr System schließlich nach Asien. Unter der Devise »Ratio vor Emotio« war »Altmann System International« nun auch in Japan und Korea erfolgreich.98

»Wie Sie durch Altmann den Partner finden, den Sie suchen.« Werbebroschüre, um 1970
(Miscellaneous. Paul Popenoe Papers, Box 115, Folder 11: Computer Dating, American Heritage Center,
University of Wyoming, USA)
»Machen Sie den Computer-Test!«
Werbebroschüre Altmann GmbH & Co., um 1970
(Miscellaneous. Paul Popenoe Papers, Box 115, Folder 11: Computer Dating, American Heritage Center,
University of Wyoming, USA)

Indem die Agenturen in Werbekampagnen das Bild des modernen »Singles« zeichneten, adressierten sie zugleich ein neues Publikum. Altmann nutzte dazu ein innovatives System aus Coupon-Werbung99 und »Gratis«-Angeboten.100 Zum Jahreswechsel 1970 hatte die Agentur 650 Mitarbeiter/innen, davon 400 im Außendienst, in allen größeren Städten der Bundesrepublik. Binnen eines Jahres versandte sie rund 250.000 Partnervorschläge; 77.000 Menschen hatten schließlich Kontakte aufgenommen, circa 13.000 »feste« Partnerschaften registrierte die Zentrale. Rund 2.500 Menschen hatten sich verlobt, 2.188 Personen geheiratet. Die kolportierte Vermittlungsquote lag bei rund 75 Prozent.101

Die »Weltwoche« kommentierte euphorisch, das Hamburger Büro heile »die Krankheiten unserer kühlen Zeit in Stahl und Beton, Vereinsamung und Kontakt­armut«.102 In der Praxis aber ergab sich ein ambivalenteres Bild. Zwar eröffnete die neue Technik durchaus neue Spielräume. So warb das »Altmann Magazin« 1970 nicht ohne Plausibilität, der Computer biete »ideale Voraussetzungen für die Gleichberechtigung partnersuchender Frauen«.103 Doch grosso modo zerbrach das egalitäre Glücksversprechen an den Gesetzen des Marktes. Zwecks Optimierung der Vermittlungsquote basierte das »Altmann-System« von Beginn auf der Exklusion »abnormer« Teilnehmer/innen. So wurden diverse Personen aus der Kartei ausgeschlossen – Analphabeten, Legastheniker, körperlich Behinderte und »Geistesschwache« oder Bewohner von Notunterkünften, Frauen über 50 Jahre und Männer, die kleiner als 1,55 Meter waren, Personen, die mehr als zwei Kinder unter 18 Jahren hatten, Gelegenheitsarbeiter/innen und in aller Regel auch Ausländer/innen.104 Dies spiegelte bis zu einem gewissen Grad die Wünsche der Kundinnen und Kunden wider: Rund 40 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen suchten eine Partnerin bzw. einen Partner der gleichen Konfession, während 42 Prozent respektive 58 Prozent angaben, »keine Ausländer« kennenlernen zu wollen. Auch der Familienstand zählte zu den »Veto-Kategorien«: Die Mehrzahl der Kundinnen und Kunden wünschte sich ledige, vor allem aber »keine geschiedenen« Partner/innen.105

Hier erwies sich der Dating-Service als Normalisierungsmaschine.106 Dass ein solcher Katalog – im Geiste biopolitischer Überzeugungen, die ihr rassenhygienisches Erbe nur mühsam verbargen107 – die Praxis der Ehe- und Partnerwahl dominieren konnte, zeigte die Persistenz nur scheinbar überkommener sozialer, religiöser und kultureller Gegensätze in der Bundesrepublik. So stärkte das Dating abgeschlossene »Parallelgesellschaften«. Zugleich entstanden alternative Angebote, die sich zum Beispiel an homosexuelle Paare oder auch an bestimmte religiöse Gruppen richteten.108

Noch 1967 hatte die »ZEIT« den Traum einer alle Gegensätze überwindenden Verbindung genährt, als sie aus England die Meldung kolportierte, »mehr als der Hälfte aller Teilnehmer« der neuen Partnerbörsen sei es »gleichgültig«, »welche Hautfarbe der ersehnte Partner (oder die Partnerin) habe«. Auch soziale Unterschiede oder »religiöse Vorbehalte« spielten dort, wie es hieß, »nur bei den Minderheiten« eine Rolle.109 Bei genauerem Hinsehen aber reproduzierte das Computer-Dating die bestehende soziale Ordnung. Ein Rendezvous über soziale, religiöse oder »rassische« Grenzen hinweg blieb ein Tabu. Eine Karikatur in der Londoner Zeitung »Evening News« stellte das »Match« eines asiatischen Mannes und einer schwarzen Frau als Ergebnis eines offenkundig »defekten« Computers dar. Der britische Press Council nahm an dieser Darstellung, die dem Ideal der Segregation Ausdruck verlieh, keinen Anstoß. Dafür bezeugen diverse Leserbriefe in den Tageszeitungen der damaligen Zeit die Kritik der Kund/innen an den algorithmierten Vorannahmen über »passende« Beziehungen. Doch auch hier waren rassistische, homophobe und chauvinistische Vorbehalte allgegenwärtig. Eine Kundin beschwerte sich in der »Times«, der Computer habe ihr einen Partner »asiatischer oder orientalischer Herkunft« zugewiesen, obschon sie explizit angegeben hatte, ausschließlich weiße, europäische Männer zu suchen.110 In der Praxis stieß das universale Plan- und Machbarkeitsversprechen des Datings sowohl in der Bundesrepublik als auch in Großbritannien und den USA an seine Grenzen. Es wäre lohnend, die je eigenen gesellschaftlichen Konstellationen dieser Länder noch genauer zu untersuchen.

Festzuhalten ist, dass die Geschichte der elektronischen Partnervermittlung ab den späten 1950er-Jahren die Sehnsüchte und Ängste des Computerzeitalters widerspiegelte. Die Euphorie der ersten Jahre, die von der Idee der Planung und dem technokratischen Versprechen einer Optimierung des Privaten getragen war, wich einer wachsenden Skepsis. Horrende Gebühren, Pannen und Fehlzuordnungen erschütterten das Vertrauen in die vermeintlich kühle Logik des Computers. Hinzu kamen Querelen um eine Verletzung von Privatsphäre und Datenschutz, als einzelne Kunden begannen, die Namen und Adressen ihrer weiblichen Kontakte weiter zu veräußern.111 In der Bundesrepublik konstatierte ein Branchenvertreter 1973 ein massives »Image-Problem«.112 Der »stern« hatte 1970 eine Reportage über die »betrügerischen und trickreichen Manipulationen« des »Eheanbahnungsgewerbes« publiziert, in deren Folge Beschwerden bis an das Familienministerium drangen.113

Ab Mitte der 1970er-Jahre belebte das Fieber des Video-Datings die gescholtene Branche wieder. In den USA und in der Bundesrepublik, aber auch in der Schweiz, in England oder in Frankreich, wo Videotext-Systeme wie BTX, Prestel oder Minitel eine (intime) Kommunikation in Chatrooms ermöglichten, drängten neue, interaktive Angebote auf den Markt.114 Diese »Singlebörsen« erlaubten es Interessierten, zunehmend eigeninitiativ im digitalen Raum nach Partner/innen zu suchen. So etablierte sich eine Form des Datings, die in die Ära des World Wide Web vorauswies.

4. Fazit

Die »globalen« 1960er- und 1970er-Jahre waren dynamische Zeiten – und es waren Jahre der radikalen Gegensätze. So verblasste das Klischee der »freien Liebe«, die riskante Beziehungen einging und die Pille als Ausdruck der sexuellen Emanzipation pries, angesichts des konservativen Strebens nach »Sicherheit«. Das Gros der Studentinnen und Studenten in der Bonner Republik sehnte sich auch im »Summer of Love« noch immer nach »sexuellen Beziehungen mit einem einzigen Partner, zu dem eine Liebesbeziehung besteht und den man heiraten möchte«. Für rund 60 Prozent der Studierenden und bis zu 75 Prozent der Gesamtbevölkerung sprengte Ehebruch den Rahmen der »sexuellen Revolution«. Auch die Politisierung von Sex und die Emanzipation sexueller Minderheiten waren hier – wie andernorts – noch lange »nicht mehrheitsfähig« (Christina von Hodenberg).115 In diesem Sinne war »1968« keineswegs »überall«.116 Vorstellungen von Liebe, Intimität, Partnerschaft, Familie und Ehe blieben auch in den 1970er-Jahren Gegenstand hitziger Auseinandersetzungen. Es wäre daher lohnend, die verschiedenen rechtlichen, ökonomischen und soziokulturellen Kontexte der Suche, des Kennenlernens und der Paarwerdung in Ländervergleichen noch stärker zu beleuchten.117

In dem Maße, wie Beziehungen, Familie und Kinder ab den späten 1960er-Jahren zu Optionen privater Lebensplanung und Themen der (Selbst-)Optimierung wurden, veränderte sich auch der Markt der Partnervermittlung. Neben die klassische »Eheanbahnung« trat, aus dem Geiste der Dating-Partys am Campus und der Rendezvous-Aktionen der Jugendmagazine, eine Form des »Single-Datings«, die der Pluralisierung der Lebensmodelle und der Liberalisierung von Liebeskonzepten Ausdruck verlieh.118 Dabei reproduzierte das Computer-Dating in der Praxis zugleich über­kommene Muster sozialer, religiöser, sexueller und kultureller Diskriminierung.

Der Siegeszug des digitalen Datings, der sich an die wachsende Gruppe der »Singles«119 richtete, war Sinnbild »technokratische[r] Machbarkeits- und Planbarkeits­utopien«.120 Das Computer-Dating verband akademische Experten verschiedener Disziplinen und privatwirtschaftliche Unternehmen; zugleich beschäftigte es staatliche Institutionen, die sich um die Regulierung des wachsenden Marktes der digitalen Heirats- und Partnerschaftsvermittlung sorgten, und kirchliche Stellen, die in aller Regel kritisch auf die neue »Mode« des Datings blickten, bisweilen aber auch selbst die neuen Techniken im Dienste der Eheanbahnung einzusetzen begannen.

In seiner Rolle als »Elektronen-Amor« verlieh der Computer dem opaken Prozess des digitalen Wandels, der bis in die 1970er-Jahre eine Domäne von Spezialisten geblieben war, alltägliche Relevanz. Für eine wachsende Zahl von Menschen begann der Weg in die »digitale Gesellschaft« gerade mit der elektronischen Partnervermittlung. Vor dem Hintergrund aktueller Kontroversen um ein Ende des »analogen« Datings121 und die Irrwege des Kennenlernens in der Ära des Internets122 kann uns die Geschichte des Computer-Datings daher neue Perspektiven auf den Wandel wie auch auf die Persistenz von Familienvorstellungen, Beziehungswünschen und Liebesidealen im digitalen Zeitalter vermitteln.


Anmerkungen:

1 Ab 1957 kam der Rechner rege zum Einsatz. Schon 1958 wurde George E. Forsythe, Numeriker an der University of California, Los Angeles, von Frederick E. Terman, dem Dekan der School of Engineering in Stanford, eigens abgeworben, um einen Studiengang »Computer Sciences« zu konzipieren. Zu den Plänen eines Computerzentrums vgl. D.I. McFadden an W. Sterling, 16.7.1952, SC216/13/13; F. Terman, President’s Report, 1955–56, School of Engineering, S. 5, 1103/3, Stanford University Archives.

2 Vgl. Frank Bösch, Euphorie und Ängste. Westliche Vorstellungen einer computerisierten Welt, 1945–1990, in: Lucian Hölscher (Hg.), Die Zukunft des 20. Jahrhunderts. Dimensionen einer historischen Zukunftsforschung, Frankfurt a.M. 2017, S. 221-252.

3 Vgl. Interview Jim Harvey, 16.11.2018, Menlo Park. »Personal Compatibility Determination by High-Speed Computing Methods.« Marriage and the Family. Happy Families Planning Service File, Sammlung Jim Harvey. Zum Hintergrund des Experiments vgl. auch C. Stewart Gillmor, Stanford, the IBM 650, and the First Trials of Computer Date Matching, in: IEEE Annals of the History of Computing 29 (2007) H. 1, S. 74-80.

4 Das Programm verglich die Angaben aller Teilnehmer/innen und wies in der Folge die besten »Matches« zu. So blieben am Ende einige Paarungen übrig, die wenige bis gar keine Übereinstimmungen verbanden. Immerhin ein Paar heiratete indes später.

5 Maria Melitta Schöpf, Recht und Praxis der modernen Heiratsvermittlung, Karlsruhe 1962, S. 108-155. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg hatten sich Heiratssuchende zudem auf beiden Seiten des Atlantiks in »Clubs der einsamen Herzen« und »Briefbünden« zusammengeschlossen.

6 Martin Klimke/Mary Nolan, Introduction. The Globalization of the Sixties, in: Chen Jian u.a. (Hg.), The Routledge Handbook of the Global Sixties. Between Protest and Nation Building, London 2018, S. 1-10.

7 Dan Slater, Love in the Time of Algorithms. What Technology Does to Meeting and Mating, London 2013. Zur Geschichte der »Verwissenschaftlichung des Sozialen« vgl. Christiane Reinecke/Thomas Mergel (Hg.), Das Soziale ordnen. Sozialwissenschaften und gesellschaftliche Ungleichheit im 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2012; Lutz Raphael, Die Verwissenschaftlichung des Sozialen, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 165-193.

8 Zum »Golden Age of Marriage« und zum Wandel der Familie in Europa und den USA vgl. Rüdiger Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, Opladen 1991, 9., vollständig überarb. Aufl. Wiesbaden 2019, S. 28-30; Christopher Neumaier, Familie im 20. Jahrhundert. Konflikte um Ideale, Politiken und Praktiken, Berlin 2019, S. 285-312; Isabel Heinemann, Wert der Familie. Ehescheidung, Frauenarbeit und Reproduktion in den USA des 20. Jahrhunderts, Berlin 2018.

9 Der »Single-Boom« war ein globales Phänomen. Dabei war die Gruppe der Singles ausgesprochen heterogen. Sie reichte von unverheirateten Junggesellen unter 40 Jahren über geschiedene, alleinerziehende Mütter und Väter bis hin zu älteren, verwitweten Menschen. In einem weiten Verständnis bezeichnete der »Single« die wachsende Zahl der Alleinlebenden. Diese stieg in allen (west)europäischen Ländern nach 1950 rasant; in der Bundesrepublik verdreifachte sich die Zahl der 25- bis 45-jährigen Singles zwischen 1970 und 1990 auf knapp 2,7 Millionen. Vgl. Stefan Hradil, Die »Single-Gesellschaft«, München 1995, S. 8-22. In den USA nahm die Zahl der Singles – hier verstanden als der Anteil erwachsener unverheirateter Männer und Frauen – ebenso drastisch zu. Der Anteil der Ein-Personen-Haushalte stieg von 9,5 Prozent (1950) auf 25,8 Prozent (2000). Vgl. Theodore Caplow u.a., Recent Social Trends in the United States 1960–1990, Montreal 1994, S. 112; Frank Hobbs/Nicole Stoops, Demographic Trends in the 20th Century. Census 2000 Special Reports, Washington, DC 2002, S. 148f. 1960 lebten rund ein Drittel der erwachsenen Frauen und ein Viertel der erwachsenen Männer ohne Partner/in. Vgl. Eleanor Harris, Women without Men, in: Look Magazine, 5.7.1960, S. 43-46; dies., Men Without Women, in: Look Magazine, 22.11.1960, S. 124-130.

10 Vgl. Andreas Wirsching, Eltern – Paare – Singles: Privatheitswerte im Wandel, in: Andreas Rödder/Wolfgang Elz (Hg.), Alte Werte – Neue Werte. Schlaglichter des Wertewandels, Göttingen 2008, S. 69-77; Stefan Hradil, Vom Wandel des Wertewandels. Die Individualisierung und eine ihrer Gegenbewegungen, in: Wolfgang Glatzer/Roland Habich/Karl Ulrich Mayer (Hg.), Sozialer Wandel und gesellschaftliche Dauerbeobachtung, Opladen 2002, S. 31-47.

11 Vgl. Luisa Passerini, Women and Men in Love. European Identities in the Twentieth Century, New York 2012; Monika Wienfort, Verliebt, verlobt, verheiratet. Eine Geschichte der Ehe seit der Romantik, München 2014; Bernhard Rathmayr, Geschichte der Liebe. Wandlungen der Geschlechterbeziehungen in der abendländischen Kultur, München 2016.

12 Vgl. Ernst Schindler, Die gewerbsmäßige Heiratsvermittlung, Berlin 1901; Peter Gilles, Eheanbahnung und Partnervermittlung, München 1985; Ilya Hartmann, Prostitution, Kuppelei, Zuhälterei. Reformdiskussion und Gesetzgebung seit 1870, Berlin 2006. Zur Rolle der Heiratsvermittler (»Schadchen«) im Judentum vgl. exemplarisch Marion A. Kaplan, As Germans and as Jews in Imperial Germany, in: dies. (Hg.), Jewish Daily Life in Germany 1618–1945, Oxford 2005, S. 173-270, hier S. 195-200.

13 Karin Hausen, Die Ehe in Angebot und Nachfrage. Heiratsanzeigen historisch durchmustert, in: Ingrid Bauer (Hg.), Liebe und Widerstand. Ambivalenzen historischer Geschlechterbeziehungen, Wien 2005, S. 428-448; Ingrid Bauer, 1968ff. Neuverhandlungen der Balance zwischen Liebe, Sexualität und Selbstverwirklichung, in: dies./Christa Hämmerle (Hg.), Liebe schreiben. Paarkorrespondenzen des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 2017, S. 231-290; Harry G. Cocks, Classified. The Secret History of the Personal Column, London 2009; Linda Sonntag, Finding the Love of Your Life. Using Dating Agencies and Ads, London 1988; John Cockburn, Lonely Hearts. Looking for Love among the Small Ads, London 1988.

14 Vgl. Margot Berghaus, Partnersuche – angezeigt. Zur Soziologie persönlicher Beziehungen, Frankfurt a.M. 1985; Thomas Klein/Andrea Lengerer, Gelegenheit macht Liebe – die Wege des Kennenlernens und ihr Einfluss auf die Muster der Partnerwahl, in: Thomas Klein (Hg.), Partnerwahl und Heiratsmuster. Sozialstrukturelle Voraussetzungen der Liebe, Opladen 2001, S. 265-285; Karl Lenz, Wie sich Frauen und Männer kennen lernen. Paarungsmuster im Wandel, in: ders. (Hg), Frauen und Männer. Zur Geschlechtstypik persönlicher Beziehungen, Weinheim 2003, S. 55-92.

15 Vgl. Eva Illouz, Consuming the Romantic Utopia. Love and the Cultural Contradictions of Capitalism, Berkeley 1997, S. 48-80; Günter Burkart, Liebe im Kapitalismus zwischen Geschlechtergleichheit und Marktorientierung, in: GENDER. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft 6 (2014) H. 2, S. 85-101; Colin Campbell, The Romantic Ethic and the Spirit of Modern Consumerism, Oxford 1987, new extended ed. Cham 2018.

16 Vgl. Kornelia Hahn (Hg.), E<3Motion. Intimität in Medienkulturen, Wiesbaden 2014; Lauren Rosewarme, Intimacy on the Internet, New York 2016; Aziz Ansari, Modern Romance, New York 2015. Aus der Fülle empirischer Studien vgl. z.B. Elizabeth E. Bruch/Mark E. J. Newman, Aspirational Pursuit of Mates in Online Dating Markets, in: Science Advances 4 (2018) H. 8, S. 1-6.

17 Zum Konzept einer Gesellschaftsgeschichte des »digitalen Zeitalters« vgl. Jürgen Danyel, Zeitgeschichte der Informationsgesellschaft, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 9 (2012), S. 186-211; Frank Bösch (Hg.), Wege in die digitale Gesellschaft. Computernutzung in der Bundesrepublik 1955–1990, Göttingen 2018.

18 Vgl. Moira Weigel, Dating. Eine Kulturgeschichte, München 2018, S. 17-43. Dabei wird das digitale Dating noch immer vor allem als Gegenwartsphänomen beschrieben. Vgl. den kurzen Abriss zur Geschichte des Online-Datings bei Dawn Shepherd, Building Relationships. Online Dating and the New Logics of Internet Culture, New York 2016, S. 25-40, und Jonathan Cohn, The Burden of Choice. Recommendations, Subversion, and Algorithmic Culture, New Brunswick 2019, S. 125-157. Aus historischer Perspektive vgl. dagegen Jaakko Suominen, History of Digital Dating. »Computer-Balls« and Digital Pairing in Finland from the 1960s to the Present, in: John Impagliazzo/Per Lundin/Benkt Wangler (Hg.), History of Nordic Computing 3. Third IFIP WG 9.7 Conference, HiNC3, Stockholm, Sweden, October 18-20, 2010. Revised Selected Papers, Berlin 2011, S. 117-126; Zoe Strimpel, Computer Dating in the 1970s: »Dateline« and the Making of the Modern British Single, in: Contemporary British History 31 (2017), S. 319-342; dies., In Solitary Pursuit: Singles, Sex War and the Search for Love, 1977–1983, in: Cultural and Social History 14 (2017), S. 691-715; Marie Hicks, Computer Love. Replicating Social Order Through Early Computer Dating Systems, in: Ada. A Journal of Gender, New Media & Technology 10 (2016).

19 Vgl. Margret Schwarte-Amedick, Von papierlosen Büros und menschenleeren Fabriken, in: Claus Pias (Hg.), Zukünfte des Computers, Zürich 2005, S. 67-86; Martina Heßler, Die Halle 54 bei Volkswagen und die Grenzen der Automatisierung. Überlegungen zum Mensch-Maschine-Verhältnis in der industriellen Produktion der 1980er-Jahre, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 11 (2014), S. 56-76; Karsten Uhl/Christian Zumbrägel, Einführung: Technik – Körper – Geschichte, in: Body Politics 9 (2018), S. 5-13.

20 Vgl. Wolfgang König, Geschichte der Konsumgesellschaft, Stuttgart 2000, S. 248-263.

21 Vgl. Neumaier, Familie (Anm. 8); Sybille Steinbacher, Wie der Sex nach Deutschland kam, München 2011; Peter-Paul Bänziger u.a. (Hg.), Sexuelle Revolution? Zur Geschichte der Sexualität im deutschsprachigen Raum seit den 1960er Jahren, Bielefeld 2015; Edith Saurer, Liebe und Arbeit. Geschlechterbeziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, Wien 2014; Stefan Hradil, Der Single, in: Stephan Moebius/Markus Schroer (Hg.), Diven, Hacker, Spekulanten. Sozialfiguren der Gegenwart, Berlin 2010, S. 343-352.

22 Vgl. Marcia Zug, Buying a Bride. An Engaging History of Mail-Order Matches, New York 2016, S. 11-28, S. 107-132.

23 Hier zeigte sich die doppelte Semantik der »Liberalisierung«. Während der Philosoph Herbert Marcuse in »Eros and Civilization« (1955) die sexuelle Revolution im Kielwasser des technologischen Fortschritts emphatisch begrüßte, plädierte der Ökonom Milton Friedman in »Capitalism and Freedom« (1962) für eine Liberalisierung der Märkte.

24 Karl Miles Wallace, An Experiment in Scientific Matchmaking, in: Marriage and Family Living 21 (1959), S. 342-348, hier S. 342. Vgl. ders., Love is more than Luck. An Experiment in Scientific Matchmaking, New York 1957, S. 72-78. Die Teilnehmer/innen kamen vor allem aus wohlhabenden, hoch gebildeten Mittel- und Oberschichten. Vgl. ebd., S. 107-117.

25 Solche »Lonely Hearts Clubs« waren schon in den 1930er-Jahren populär gewesen. Vgl. Thomas Sugrue, I Sent a Letter to My Love. Matrimonial Correspondence and Lonely Hearts Clubs, in: The American Magazine 123 (1937) H. 2, S. 118-121. Die Leiterin des New Yorker Instituts, Clara Lane, galt als »Königin der Eheanbahnungen«. Vgl. Clara Lane, Cupid is my Business, in: The American Magazine 147 (1949) H. 2, S. 30f., S. 140f. Zur Genese der New Yorker »Friendship Centers« vgl. Clyde B. Vedder, Lonely Hearts Clubs Viewed Sociologically, in: Social Forces 30 (1951), S. 219-222; Hans Toch, The Social Psychology of Social Movements, New York 1965, S. 93f. Zur Geschichte des Datings im Allgemeinen vgl. Beth L. Bailey, From Front Porch to Back Seat. Courtship in 20th Century America, Baltimore 1988.

26 Vgl. Rolf Strehl, Die Roboter sind unter uns, Oldenburg 1952, S. 203. Ein anderes Institut, das statistische Methoden einsetzte, etablierte sich bereits 1942 in New York. Vgl. Life Goes on a Date Arranged by Statistics, in: Life Magazine, 3.8.1942, S. 78f.

27 Vgl. Clara Menck, Wo sich Herz zu Herzen findet. Die gewerbliche Heiratsvermittlung in unseren Tagen, in: Die Auslese 23 (1955) H. 1, S. 22-25; Renate Schostack, Partnerwahl mit Kartei und Computer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.4.1977, S. BuZ1.

28 James Joseph, Can Electronics Pick your Mate?, in: Popular Electronics 24 (1966) H. 3, S. 70-95, hier S. 72. Zu den Rahmendaten des Dating-Services vgl. Peter Bart, Love by Computer, in: Technocracy Digest 202 (1966), S. 12-14; Electronic Cupid, in: Management and Business Automation 3 (1960) H. 6, S. 8; Should A Machine select your Mate?, in: Ebony 17 (1962) H. 10, S. 79-85; Lloyd Shearer, How to Choose a Mate. Marriage by Machine, in: Boston Globe, 6.10.1963, S. D6.

29 Joseph, Electronics (Anm. 28), S. 72; Gay Talese, Wanted: Spouses. Marriage Brokers are there to Help, in: New York Times, 13.11.1960, S. 12f.; Ronald G. Shafer, Can Two People Find Romance With the Aid Of Computer Cupids?, in: Wall Street Journal, 19.8.1965, S. 1.

30 Die Vertreter der New Home Economics begannen das »Glück« der Ehe zu quantifizieren. Zu diesem Ansatz vgl. Gary S. Becker/Elisabeth M. Landes/Robert T. Michel, An Economic Analysis of Marital Instability, in: Journal of Political Economy 85 (1977), S. 1141-1187, hier S. 1143-1150, sowie allg. Christopher Neumaier, Die ökonomische Erklärung familialen Verhaltens. Gary Beckers Ansatz der New Home Economics und seine Kritiker, in: Rüdiger Graf (Hg.), Ökonomisierung. Debatten und Praktiken in der Zeitgeschichte, Göttingen 2019, S. 337-359, hier S. 342. Der Computer veränderte die Parameter der rationalen Kosten-Nutzen-Analyse bei der Suche nach dem optimalen »Match«.

31 Vgl. Mel Opotowsky, UNIVAC helps Make Marriages, in: Daily Defender, 26.2.1959, S. 8; Frank C. Porter, Cupid’s Univac Matches Mates, in: Washington Post, 27.8.1960, S. D10; Thomas J. Fleming, New Way to Bait a Mate, in: Washington Post, 3.7.1960, S. AW2; Shearer, Mate (Anm. 28).

32 Joyce Denebrink hatte sich als Reporterin der Frauenzeitschrift »Mademoiselle« Mitte der 1960er-Jahre »undercover« als Bewerberin zum »Scientific Introduction Service« in die Upper East Side begeben. Der Schriftsteller Alan Levy publizierte ihre Erlebnisse: Alan Levy, Machine-Made Love, in: Mademoiselle 60 (1965) H. 1, S. 72-73, S. 126-127. Vgl. Condé Nast Publications, Pitch: The Scientific Marriage Institute, 10./17.3.1964, Selma Weiner – Questionnaire, Alan Levy an Carol Howland, 18.8.1964, PCL MS 072 Alan Levy Collection, Browne Popular Culture Library, Bowling Green State University.

33 Levy, Machine-Made Love (Anm. 32), S. 127.

34 In New York vergrößerte 1965 die Agentur »TACT« (Technical Automated Compatibility Testing) die Konkurrenz. Vgl. Joyce C. Greller, Dating by Computer, in: Cosmopolitan 161 (1966) H. 2, S. 70-74; Jean Baer, The Single Girl goes to Town, New York 1968, S. 86-88.

35 Vgl. Andrew J. Cherlin, Marriage, Divorce, Remarriage, Cambridge 1981, Revised and Enlarged Edition 1992, S. 20-30; John H. Crosby, A Critique of Divorce Statistics and Their Interpretation, in: Family Relations 29 (1980), S. 51-58.

36 Vgl. Joseph, Electronics (Anm. 28), S. 72; Cupid – a Computer?, in: Computers and Automation 14 (1965) H. 12, S. 43; Frank C. Porter, Matchmaking Goes Electronic: Transistors Become a Girl’s Best Friend, in: Washington Post, 26.11.1960, S. D6. Crane war als Kolumnist der »Chicago Daily Tribune« zu Ruhm gekommen. Unter der Rubrik »The Worry Clinic« analysierte er über Dekaden die Beziehungsdynamik verheirateter Paare. Zudem hatte er 1938 »Marital Rating Scales« zur Evaluation der Ehe entwickelt; ein Nachdruck der Fragebögen erschien mit dem Titel »Test Your Horse Sense« im Januar 1940 in der »Chicago Daily Tribune«. Vgl. Nick Joyce/David B. Baker, Husbands, rate your wives, in: Monitor on Psychology 39 (2008) H. 5, S. 18.

37 Der presbyterianische Priester John Charles Wynn kritisierte 1957 den populären Glauben, der gesamte Prozess der vorehelichen Beratung »could be run through an IBM machine«: »[…] prediction tests are not that cold, not that certain.« John Charles Wynn, Pastoral Ministry to Families, Philadelphia 1957, S. 109. Für andere war die Tatsache, dass Teenager ihr Glück neuerdings Maschinen anvertrauten, nur mehr Ausdruck moderner Sinnsuche im Computerzeitalter. Vgl. L. Scott Allen, Founder’s Day Address, in: Foundation 56 (1965) H. 1, S. 3-8, S. 11, hier S. 7.

38 Vgl. Heinemann, Wert der Familie (Anm. 8), S. 147-163; Alexandra Minna Stern, Eugenic Nation. Faults and Frontiers of Better Breeding in Modern America, Berkeley 2005.

39 Paul Popenoe, If Two People ›Click,‹ Is That Enough? Typescript for »Modern Marriage«. National Newspaper Syndicate Column, 8.7.1957, S. 1-2, Paul Popenoe Papers, Box 98, Folder 6: National Newspaper Syndicate Column »Modern Marriage« (1957), American Heritage Center, University of Wyoming. Vgl. allg. Rebecca L. Davis, More Perfect Unions. The American Search for Marital Bliss, Cambridge 2010, S. 101-135. Popenoe studierte die (inter)nationale Konkurrenz und ließ sich 1970 – unter anderem auch aus der Bundesrepublik – über computergestützte Partnervermittlungsbüros berichten. Nicholas R. Hunter, Computerized Partner Selection, Bonn, c. 1970, Paul Popenoe Papers, Box 115, Folder 11: Computer Dating, American Heritage Center, University of Wyoming (Bestand im Folgenden unter der Sigle PPP/UW).

40 Als sich das erste Paar verlobte, kannte die Begeisterung keine Grenzen; nur ein halbes Jahr später allerdings ging es wieder auseinander. Joe Hyams, UNIVAC turns Cupid, with Success, in: New York Herald Tribune, 24.10.1956, S. 19; ders., Univac All Brain No Heart: Machine’s Perfect Marriage Off. It Left Out Love, in: New York Herald Tribune, 7.5.1957, S. 1.

41 UNIVAC takes a Bride, in: Variety, 5.9.1956, S. 23; Electronic Cupid, in: Time, 19.11.1956, S. 79; Vernon Scott, UNIVAC called a better Shot than Dan Cupid, in: Philadelphia Inquirer, 11.10.1956, S. 26.

42 Vgl. Marie Torre, Univac Knows Nothing About Love... Well, Hardly, in: New York Herald Tribune, 12.12.1956, S. B5.

43 Leave it to Cupid, in: Newsday, 21.5.1957, S. 35.

44 Bob Thomas, UNIVAC played Cupid in 1st Mating by Automation, in: Gettysburg Times, 16.10.1958, S. 1.

45 Vgl. David Gugerli, Wie die Welt in den Computer kam. Zur Entstehung digitaler Wirklichkeit, Frankfurt a.M. 2018, S. 13-15.

46 Vgl. Ariane Leendertz, Das Komplexitätssyndrom: Gesellschaftliche »Komplexität« als intellektuelle und politische Herausforderung in den 1970er Jahren, in: dies./Wencke Meteling (Hg.), Die neue Wirklichkeit. Semantische Neuvermessungen und Politik seit den 1970er Jahren, Frankfurt a.M. 2016, S. 93-132.

47 Zum populären Diskurs vgl. Stefan Höltgen, Data – Dating – Datamining, in: Gerhard Chr. Bukow/Johannes Fromme/Benjamin Jörissen (Hg.), Raum, Zeit, Medienbildung. Untersuchungen zu medialen Veränderungen unseres Verhältnisses zu Raum und Zeit, Wiesbaden 2012, S. 265-295; Ralf Bülow (Hg.), Denk, Maschine! Geschichten über Roboter, Computer und künstliche Intelligenz, München 1988; ders., Der Traum vom Computer. Literatur zwischen Kybernetik und konkreter Poesie, in: Universitas 45 (1990), S. 473-483.

48 Customs, in: Time Magazine, 25.10.1963, S. 102. Vgl. dazu: Letters to the Editor, in: ebd., 8.11.1963, S. 35.

49 Vgl. MIT Grad runs »Contact«, in: The Tech, 6.10.1965, S. 3; Computer Plays Cupid, in: Technology Review 69 (1967) H. 4, S. 58.

50 In Harvard, wo Studentinnen noch in den 1960er-Jahren von weiten Teilen des sozialen Lebens auf dem Campus wie auch vom Zugang zu Bibliotheken ausgeschlossen blieben, gestaltete sich die Suche nach einem Lebenspartner besonders schwierig. Erst 1977 erfolgte eine gleichberechtigte Zulassung männlicher und weiblicher Studierender.

51 Vgl. Timothy Leland, Love Machine’s First Issue Due, in: Boston Globe, 6.4.1965, S. 31; My IBM Baby, in: Time Magazine, 19.11.1965, S. 102; vgl. auch Slater, Love (Anm. 7), S. 15-27, S. 215f.

52 »Well, I filled out my form and I sent it along/Never hoping I’d get anything like this./But now when I see her/Whenever I see her/I want to give her one great big I.B.M. kiss./She’s my I.B.M. baby, the ideal lady [...]. We put 2 and 2 together, and we came one with an I.B.M. affair.« T. Jay Mathews, Operation Match, in: The Harvard Crimson, 3.11.1965, S. 3f. Vgl. Operation Match. UAV 605.295.11 p/N, Box 3, Harvard University Archives.

53 Vgl. Nell Porter Brown, The Originals. Matching them Up, in: Harvard Magazine, March 2003, S. 28H; Russell Baker, Observer. Automation Comes to Love, in: New York Times, 10.2.1966, S. 36; Joan Rich/Leslie Rich, Dating and Mating by Computer, New York 1966, S. 48; John Godwin, The Mating Trade, New York 1973, S. 79-96, hier S. 80.

54 Let a computer scientifically find the right date for you…, in: New York Times, 4.8.1968, S. XX2; Grossinger News Notes, in: New York Times, 5.6.1966, S. 453. Auch in den Campuszeitungen der nahen Universitäten inserierte »Operation Match« regelmäßig: Five ideal dates. Three dollars, in: Cornell Daily Sun, 11.3.1966, S. 11; Stamp out. Blind Dates! $3, in: Daily Tar Heel, UNC, 20.4.1966, S. 3. Vgl. Gene Shalit, New Dating Craze Sweeps Campus, in: Look Magazine, 22.2.1966, S. 30-35, hier S. 34f.; Porter Brown, Originals (Anm. 53).

55 Zum Fragebogen des Jahres 1965 vgl. Operation Match. Quantitative Personality Projection Test III, S. 5. Katherine Scott Cameron Papers SC 1029, Box 1, Folder 11, Stanford University Archives. Eine redigierte und um provokante Formulierungen gekürzte Version des Bogens versandte 1967 das Londoner Büro an seine Kunden: Compatibility Research Ltd., Human Sexuality HQ801.82.C66 Broadside Box, Kroch Library Rare & Manuscripts, Cornell University Archives. Vgl. Operation Match. Personality Analysis, London 1967, British Library.

56 Vgl. Ted Sutton, Project Flame, in: Slate Magazine, 4.3.2014.

57 New Rules for the Singles Game, in: Life Magazine, 18.8.1967, S. 60-66, hier S. 66.

58 My IBM Baby (Anm. 51); Alan Edmonds, The Loneliness of a Long-Distance Cruiser, in: MacLean’s, 1.1.1970, S. 41-44; Arlene van Breems, Computer Dating Game, in: Los Angeles Times, 24.2.1970, S. C1. Die »Times of India« nannte »Operation Match« »the world’s largest computer dating service«. Charles Foley, Love by Computer, in: Times of India, 28.1.1970, S. 8.

59 London. Computer Marriages Aka Operation Match. – Computer Matched Couples Get Together, 1968, British Pathé Archives; Owen Spencer-Thomas, Computer Love, in: West One. The Journal of the Polytechnic Student Union 1 (1966) H. 4, S. 6-7, RSP/8/1/11/4, University of Westminster Archives. In London eröffnete ein gleichnamiges Büro; vgl. Robert Lucas, Die Liebe vom Computer stammt, in: ZEIT, 6.1.1967, S. 30; C.J. Schellenbach, Trefpunt Computer. Werkwijze en Resultaten van Operation Match, Amsterdam 1969, S. 12; Computer zoek Uw Partner, in: Leidsch Dagblad, 24.2.1967, S. 7.

60 Vgl. Joan Ball, Just Me, London 2012, S. 217-255.

61 Tim Albert, Out of the Way. Mates of a Machine, in: New Society, 6.6.1974, S. 583-585. 1975 gab es einen Ableger in der Nähe von Genua: Remo Guerrini, Cupido Col Computer, in: Epoca, 12.4.1975, S. 20.

62 Staatliche Ehevermittlung, in: Berliner Zeitung, 5.2.1967, S. 16; Ehevermittlung staatlich?, in: Berliner Zeitung, 5.3.1967, S. 16; Der Computer sollte nicht über Menschen entscheiden, in: Berliner Zeitung, 21.10.1973, S. 29; Hoffnung in die »Vier Jahreszeiten«, in: Berliner Zeitung, 28.10.1973, S. 11; Die Zuneigung ist immer entscheidend, in: Berliner Zeitung, 4.11.1973, S. 11; Guten Vorschlägen werden Taten folgen, in: Berliner Zeitung, 11.11.1973, S. 11; Marlies Menge, Einsame Herzen im Sozialismus, in: ZEIT, 23.4.1976, S. 58; Blumen der Lust, in: Spiegel, 19.7.1971, S. 72; Klaus Mehnert, Moskau und die neue Linke, Stuttgart 1975, S. 98f.

63 Vgl. Axel Iwanowitsch Berg, О любви, машинах и оракулах [Über Liebe, Maschinen und Orakel], in: Literaturnaia Gazeta, 18.3.1970, S. 12f.

64 Vladimir Shlapentokh, Love, Marriage, and Friendship in the Soviet Union. Ideals and Practices, New York 1984, S. 149-169; Wesley A. Fisher, The Soviet Marriage Market. Mate-Selection in Russia and the USSR, New York 1980, S. 43-48.

65 I’m after a Rave Boy, in: Rave, 1.2.1967, S. 3; A Boyfriend by Computer!, in: ebd., S. 14-15. Siehe ein Jahr zuvor bereits: Play the Love Game, in: Rave, 1.2.1966, S. 44.

66 Une enquête révolutionnaire, in: Elle, 16.2.1967, S. 44-50; I.B.M. 360-50 répond à vos questions sur l’amour, in: Elle, 23.2.1967, S. 76-77, S. 89-95.

67 Sheila, l’homme idéal et notre ordinateur, in: Elle, 9.3.1967, S. 120. Auch hier ging der Blick in Sachen Computer-Dating vor allem gen USA. Les Ordinateurs et l’Amour, in: Progrès 8 (1966) H. 12, S. 74-75; Jacques Mousseau, L’Amour à Refaire, Paris 1969, S. 117-138; Renée Pierre-Gosset, Chers Amerloques, Paris 1965, S. 63-67.

68 Ehepartner aus dem Automaten, in: Constanze, 1.5.1967, S. 102-111.

69 So sieht der Mann Ihrer Träume aus; Wir zeigen auch Ihnen den idealen Partner, in: Constanze, 1.5.1967, S. 4-10. Die »ZEIT« kommentierte, die Sache sei »ernst« und »vernünftig« und unterscheide sich von den »üblichen Lebenshilfe-Aktionen in Frauenblättern«, denn es sei »wissenschaftliche Akkuratesse im Spiele«. Vgl. Partnersuche per Computer, in: ZEIT, 26.5.1967, S. 44.

70 Der Münchner Psychologe Hugo Schmale, der um die Jahrtausendwende als einer der Gründerväter von »Parship« zu einem Pionier des Online-Datings avancierte, konzipierte gemeinsam mit einer Gruppe um die Diplom-Psychologin Michaela Rödling den Fragebogen. Ein Team aus Soziologen, Pädagogen und Psychologen begleitete die Experimente. Vgl. Interview Hugo Schmale, 2.7.2019, Hamburg; Johannes Zielinski, Das programmierte Glück, in: twen 10 (1968) H. 4, S. 79; Rendez-Vous 68. Das sind die Männer, denen Sie Ihr Glück verdanken, in: twen 9 (1967) H. 12, S. 61-67.

71 Rendez-Vous 68 (Anm. 70), S. 65f.

72 25.385 Teilnehmer am Rendez-Vous 67 bekamen die Anschriften ihrer Partner, in: twen 9 (1967) H. 8, S. 77-82.

73 Editorial »twen Rendez-Vous«, in: twen 12 (1970) H. 1, S. 3. Über die genauen Geschlechterverhältnisse geben die Quellen keine Auskunft; die Männer aber waren, wie es 1970 hieß, bis dato in der Überzahl gewesen.

74 Die erste Verlobung/twen machte eine Party in Berlin, in: twen 9 (1967) H. 10, S. 92-97; Zwölf Rendez-Vous-Paare besuchten twen, in: twen 9 (1967) H. 12, S. 62-63; Flitterwochen in Paris, in: twen 10 (1968) H. 5, S. 28-29; Wieder eine Blitzhochzeit, in: twen 10 (1968) H. 6, S. 28-30. Einer Stichprobe zufolge blieben rund 40 Prozent der Teilnehmer/innen nach dem Rendezvous 1967 in Kontakt; rund 50 Paare waren verheiratet, über 100 verlobt. Vgl. Jugend diskutiert mit Wissenschaftlern über Liebe per Computer, in: twen 10 (1968) H. 9, S. 46-47, S. 135f. Dabei registrierte die »twen«-Redaktion die Zahl der Eheschließungen zwar durchaus als messbare »Erfolge« des Experiments, doch gab man sich im Sommer der Liebe liberal. Es gehe, wie der Chefredakteur zu Protokoll gab, weniger um den »sicheren, unfehlbaren Weg zur Heirat«, zumal auch die Fragen »nicht darauf abgestimmt« gewesen seien, »Ehen zu stiften«. Vielmehr biete das Rendezvous die »Möglichkeit, Menschen kennenzulernen, die aufgrund ihres Verhaltens und aufgrund ihrer Einstellung besonders [zueinander] passen.« Vgl. Klaus Kulkies, Liebe twen-Leserin, lieber twen-Leser, in: twen 9 (1967) H. 11, S. 90.

75 Otto Köhler, Frei ist der Twen, in: Spiegel, 24.7.1967, S. 99; »Paßt ihr wirklich zusammen?«, in: Spiegel, 12.2.1968, S. 65.

76 Elektronengehirn als Ehevermittler, in: Schaffhauser Nachrichten, Beilage, 7.2.1964, S. 1.

77 Eleanor Harris, Men Without Women, in: Look Magazine, 22.11.1960, S. 124-130, hier S. 128f.

78 Zur Kritik an der zunehmenden Vermarktung der Liebe vgl. auch Gisela Stelly, Nicht Geld, doch Glück wird heute annonciert, in: ZEIT, 13.12.1968, S. 60.

79 Peter Hamm, Die Wissenschaft der Verdunkelung, in: Frankfurter Hefte 23 (1968) H. 1, S. 8f. In den Augen der Kritiker war der Siegeszug der »automatisierten« Partnervermittlung, die »Liebe aus dem Katalog« versprach, nur ein weiterer Ausweis der »Service Society«. Carl Gersuny/William R. Rosengren, The Service Society, Cambridge 1973, S. 18-20.

80 Freilich waren solche Zeitdiagnosen in hohem Maß geschichtsvergessen. Das Gewerbe der Heiratsvermittlung hatte bereits eingangs des 20. Jahrhunderts eine lange Historie. Vgl. Schindler, Heiratsvermittlung (Anm. 12), S. 9-40. Zugleich beruhte die Partnerwahl schon vorher über Jahrhunderte auf sozioökonomischen Erwägungen. In der Ökonomie des Datings kamen so stets die gesellschaftlichen, geschlechtsbasierten Machtverhältnisse zum Ausdruck. Vgl. Bailey, Front Porch (Anm. 25), S. 13-21; König, Konsumgesellschaft (Anm. 20), S. 253-255. Zur Kommerzialisierung von Liebe und Sex vgl. allg. Arlie Russell Hochschild, The Managed Heart. Commercialization of Human Feeling, Berkeley 1983, updated edition 2012; Eva Illouz, Cold Intimacies. The Making of Emotional Capitalism, Cambridge 2007.

81 Shalit, New Dating Craze (Anm. 54), S. 35. Einzelne Anbieter wie Human Inventory Inc. ersannen daher bereits Wege »to spot cheaters [...] who might attempt to fake their answers«. Joseph, Electronics (Anm. 28), S. 93. Verschiedene Ratgeber wiesen derweil auf die Fallstricke des Kennenlernens in der »schönen, neuen Datingwelt« hin, gaben Einblicke in das Prozedere der Auswahl, das Design der Fragebögen und die Strategien gelungener Blind-Dates. Vgl. Rich/Rich, Dating (Anm. 53), S. 25-70; John Tanner, Sex by the Numbers, Canoga Park 1967, PS3570.A4964 S49 1967, T.C. Anderson Library, Charles Babbage Institute Archives; Andrew J. DuBrin, The Singles Game, Chatsworth 1973, S. 137-157, S. 195-212.

82 Vgl. Ronald Inglehart, The Silent Revolution, Princeton 1977; Helmut Klages, Die unruhige Gesellschaft. Untersuchungen über Grenzen und Probleme sozialer Stabilität, München 1975.

83 Vgl. Weigel, Dating (Anm. 18), S. 128-167. So musste sich das zusehends als »promiskuitiv« verschriene »Dating«, dem in den 1960er- und 1970er-Jahren eine Nähe zur Prostitution zugeschrieben wurde, gegen die »seriöse« Eheanbahnung behaupten.

84 Joachim Wagner, Liebes-Puzzle ohne Gewähr. Bardamen und Neger sind nicht zugelassen, in: ZEIT, 5.12.1969, S. 78; Christian Graf von Krockow, Einsam vor den Apparaten, in: ZEIT, 21.5.1982, S. 59.

85 Vgl. Wirsching, Eltern (Anm. 10), S. 72-75; Neumaier, Familie (Anm. 8), S. 300f.

86 Zur Kritik vgl. z.B. Lester Kirkendall, Matchmaking Services. Are They Useful?, in: Sexology 28 (1961), S. 168-172; Patrick M. McGrady, The Love Doctors, New York 1968, S. 25, S. 353; Jurate Kazickas, Couples Believe a Few Punches Make a Marriage, in: James E. DeBurger (Hg.), Marriage Today. Problems, Issues and Alternatives, New York 1977, S. 213-215; Isobel Silden, Resurgence of Computer Dating, in: Los Angeles Times, 18.10.1981, S. E26.

87 Vgl. exemplarisch: Zukunftsplanung. Ritt auf dem Tiger, in: Spiegel, 5.1.1970, S. 34-47, hier S. 36, S. 43. Vgl. allg. Leendertz, Komplexitätssyndrom (Anm. 46).

88 Ein Rest aus dem Paradies, in: Spiegel, 9.9.1968, S. 78-92, hier S. 92.

89 Vgl. dazu Christina von Hodenberg, Das andere Achtundsechzig. Gesellschaftsgeschichte einer Revolte, München 2018, S. 155-175; Claus Leggewie, A Laboratory of Postindustrial Society, in: Carole Fink/Philipp Gassert/Detlef Junker (Hg.), 1968. The World Transformed, Cambridge 1998, S. 277-295, hier S. 290f.

90 Vgl. Simon Gast, Goldene Ringe aus dem Computer, in: Westermanns Monatshefte 111 (1970) H. 4, S. 34-37. Aus diesem Beitrag stammt das Titelbild des vorliegenden Hefts.

91 Ehepartner aus dem Automaten, in: Constanze, 1.5.1967, S. 108. Vgl. Heiratsvermittlung. Man läßt es lieber, in: Spiegel, 15.8. 1956, S. 18-25. Das Stigma der »annoncierten« Ehe mahnte indes zur Diskretion. »Newsweek« berichtete gar aus Deutschland: »[…] advertising for a marriage partner is, at best, a dangerous come-on for fat widows and, at worst, an invitation to perversion.« Courtship by Computer, in: Newsweek, 29.3.1965, S. 34, S. 36.

92 Klaus Broichhausen, Die teure bessere Hälfte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.7.1976, S. 11; vgl. Gast, Goldene Ringe (Anm. 90), S. 35f.

93 Zur Geschichte der Firma vgl. den Bestand der Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv der Handelskammer Hamburg (SHWA), A59915. Altmann GmbH & Co., Bd. 1-5. Fragebögen, Firmenzeitungen und Werbeprospekte des Instituts sind zudem erhalten im Bestand PPP/UW.

94 Das System glich dabei über 130 Merkmale und 655 »Merkmalsausprägungen« eines Partnersuchenden mit den Daten der übrigen Bewerber/innen in der Kartei ab. Wie Sie durch Altmann den Partner finden, den Sie suchen. Das Altmann-System, Broschüre, um 1970, S. 12-13, PPP/UW.

95 Wer ist und was tut Altmann?, Broschüre, Dezember 1970, S. 3-5, PPP/UW.

96 Altmann-Leitfaden, A59915, Altmann GmbH & Co., Bd. 2, SHWA.

97 Hans-Ulrich Rieker, Auch Sie können glücklich verheiratet sein, Hamburg 1969; Sherold Miller/Elam W. Nunnally/Daniel B. Wackman, Minnesota-Paar-Kommunikations-Programm. Handbuch für Paare, deutsche Studienausg. hg. von Michael Paula, Hamburg 1977; Michael Paula, Praxis und Probleme in der institutionellen Partnervermittlung, in: Hans W. Jürgens (Hg.), Partnerwahl und Ehe. Theorie und Praxis, Hamburg 1973, S. 65-74; Handelsregisterauszüge, A59915, Altmann GmbH & Co., Bd. 5, SHWA.

98 Vgl. Interview Hans W. Jürgens, 7.1.2019, Kiel; Tagebuch Hans W. Jürgens, 1976/77, Privatarchiv Hans W. Jürgens. Ab 1985 firmierte das Unternehmen unter »Global Altmann Systems International« (GASI). Vgl. überdies: »Reason« Key to Successful Marriage, in: Korea Newsreview, 4.8.1984, S. 28; Kazuko Fujimoto, Marriage. Later, but not never, in: Japan Times, 10.3.1988, S. 14; Dating the Data-Base, in: Focus Japan 19 (1992) H. 6, S. 4-5. In Singapur begleitete Hans W. Jürgens zudem den Einsatz der Computer-Technik im Dienste der Bevölkerungspolitik unter Premierminister Lee Kuan Yew. In Asien war der Einsatz von Ehemaklern indes kulturell viel stärker verankert als in Europa oder den USA; so übernahmen Computer-Agenturen – wie in Japan – die Rolle, die zuvor Freunden und Familienangehörigen als Kupplern (»nakōdo«) im System der Eheanbahnung (»Omiai«) zugekommen war. Vgl. Joan E. Kabayama, Oh Omiai!, in: Mainichi Daily News, 2.4.1987, abgedr. in: Shohei Kageyama (Hg.), Brides Coming From Asia. Inter-Marriages in the Village, Akashi 1988, S. 87. Besonders die Partnersuche am Arbeitsplatz war sehr üblich. Hier setzten Firmen den Computer als Mittel unternehmerischer Rationalisierung ein. In Japan gründete Mitsubishi 1973 den »Diamond Family Club«, um Ehen unter den Beschäftigten anzubahnen. Vgl. Yoshida Ritsuko, Getting Married the Corporate Way, in: Japan Quarterly 37 (1990) H. 2, S. 171-175. Auch »Altmann System International« passte den Algorithmus zu Beginn der 1980er-Jahre an, um »Matches« zwischen Personen derselben Arbeitsstelle zu privilegieren.

99 Vgl. dazu Gerd Langenberger, Die Antwort der einsamen Herzen, in: Direkt-Marketing 6 (1970) H. 5, S. 209-212.

100 »Jetzt mitmachen! Computer-Test für Unverheiratete«, A59915, Altmann GmbH & Co., Bd. 1, SHWA; »Ja, ich möchte meinen Idealpartner kennenlernen!«, PPP/UW; »Wir suchen 1000 unverheiratete Leserinnen und Leser für den kostenlosen Computer-Groß-Test«, in: konkret, 8.2.1973, S. 32. Vgl. dazu kritisch: Ehevermittlung. Ja, ich möchte, in: Spiegel, 31.3.1975, S. 57f.

101 Altmann Informationen, Mai 1969, PPP/UW. Zur Quote vgl. überdies Gast, Goldene Ringe (Anm. 90), S. 35f. In den »Verkaufsgesprächen« spielte der Einsatz des Computers eine große Rolle, so ein ehemaliger Mitarbeiter. Vgl. Interview Gerhard Böhling, GDE, 3.7.2019, Mannheim; »Leitfaden« Altmann-Verkaufsgespräch, Regionaldirektion Mannheim. Privatbesitz des Autors.

102 Liebe auf Elektronisch, in: Weltwoche, 29.8.1969, S. 41; Wagner, Liebes-Puzzle (Anm. 84); Pressenotizen, in: Altmann Magazin, März 1970, S. 14-15, PPP/UW. Vgl. auch: Die Presse über uns, A59915, Altmann GmbH & Co., Bd. 1, SHWA.

103 Jetzt sind Frauen auch bei der Partnerwahl gleichberechtigt, in: Altmann Magazin, März 1970, S. 8-9, PPP/UW. Dazu wurde eine Kundin zitiert (23 Jahre alt, Stenokontoristin): »Es hat mich immer geärgert, daß die Emanzipation der Frau bei uns noch in den Kinderschuhen steckt. Bei Altmann ist das anders. Dort kann ich mir einen Mann suchen, wie jeder Mann woanders eine Frau sucht. Als Mitglied im Altmann-Partnerkreis bin ich endlich völlig gleichberechtigt.« Die wachsende Gruppe der Single-Frauen versprach auch in den USA lukrative Märkte: If You are Single, Widowed, Divorced..., in: Los Angeles Times, 11.5.1969, S. K1; Frances Spatz Leighton, Do You Have to Be Lonely?, in: Sun, 26.5.1968, S. WM6.

104 Voraussetzungen für die Annahme von KPB [Kundenprofilbögen] bzw. für die Aufnahme in den Altmann-Partnerkreis, 1.3.1975, A59915, Altmann GmbH & Co., Bd. 4, SHWA. Wer ist und was tut Altmann? (Anm. 95), S. 3.

105 Vgl. Paula, Praxis (Anm. 97), S. 70f.

106 Vgl. allg. Jürgen Link, Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, Opladen 1996, 5. Aufl. Göttingen 2013. Ab den späten 1960er-Jahren rückte das Phänomen auch in den Fokus soziologischer und psychologischer Analysen. Vgl. z.B. PBI Research. Computer Match, in: Robert Wicks/Lawrence Keough (Hg.), Society, Systems and Man, New York 1972, S. 305-317.

107 Die »Rasse« war in zahlreichen Agenturen ein vorrangiges Kriterium der Partnerwahl – besonders in den Vereinigten Staaten. Einzelne Institute schlossen expressis verbis an die Pläne staatlicher Heiratsvermittlungen der Zwischenkriegsära an: Wer ist und was tut Altmann? (Anm. 95), S. 15. In Europa erhoben Anbieter wie »Selectron« auch Blutgruppe, Gesundheitszustand und Erbanlagen eines Kandidaten – »bis zu den Urgroßeltern« – zu Selektionsparametern. Vgl. Elektronengehirn als Ehevermittler (Anm. 76).

108 Frank A. Kameny etwa gründete 1968 – in Absprache mit dem Präsidenten von »Operation Match« Steve Milgrim – in New York den ersten Dating-Service, der sich ausdrücklich an Homosexuelle wandte. Vgl. Man-To-Man, Dating Service, 1968–1972, Frank Kameny Papers, Box 123, Library of Congress. Ein anderer Service richtete sich exklusiv an Juden: Drummond Ayres, For Jews Only, a Computer Dating Service, in: New York Times, 27.5.1974, S. 18.

109 Lucas, Liebe (Anm. 59). Hier klangen die Mythen des Computerzeitalters an. Vgl. Fred Turner, From Cyberculture to Counterculture, Chicago 2008; Michael Friedewald, Computer Power to the People! Die Versprechungen der Computer-Revolution, 1968–1973, in: kommunikation @ gesellschaft 8 (2007) Beitrag 9, S. 1-18.

110 Zur Karikatur vgl. Press Council Rejects Cartoon Complaint, in: Times, 18.4.1978, S. 4; zum Leserkommentar vgl. Warning Date, in: Times, 21.9.1983, S. 8f. Die Mehrzahl der Beschwerden kam von Frauen, die sich über die »Betrügereien« der Firmen, die gestiegene »Unverbindlichkeit« der Kunden und die »Risiken« des Blind-Datings ausließen. Vgl. dazu in extenso: Hicks, Computer Love (Anm. 18).

111 Stores Sell Names Of Women Using Dating Computers, in: New York Times, 30.7.1968, S. 41; Le Mariage Électronique. Science ou Charlatanisme?, in: Le Peuple, 26.1.1966, S. 4; Martin Morlock, Plus Minus Null, in: Spiegel, 1.12.1965, S. 176; Zank unter Ehevermittlern, in: Süddeutsche Zeitung, 4.4.1975, S. 26; Ehevermittlung (Anm. 100); Computer Dating called Fake, in: South China Morning Post, 14.2.1970, S. 10; Dating Agencies attacked for exploiting the Lonely, in: Times, 17.11.1970, S. 9; Dates by Computer. Warning. Danger to Young Lovers, in: Liverpool Echo, 22.8.1973, S. 7; Dating Service ›built on porn‹, in: Times, 21.4.1983, S. 3.

112 Vgl. Paula, Praxis (Anm. 97), S. 67.

113 Klaus Liedtke, Erst zahlen, dann lieben. Die Tricks der Heiratsinstitute, in: stern, 28.4.–4.5.1970, S. 62-70; ders., Die Geheimnisse der Ehe-Maschinen, in: stern, 5.–11.5.1970, S. 64-70. Vgl. Korrespondenz eines Kunden des Schweizer Instituts »Selectron« an das Familienministerium, Bonn, 25.5.1970, B189/2870, Bundesarchiv Koblenz. Die Kritik richtete sich sowohl gegen »Lockvogelangebote« und die Praxis von Darlehensverträgen und Vorauszahlungen als auch gegen die aggressive Werbung der Außendienstler. 1975 sah sich die Altmann GmbH daher gezwungen, ihre Berater auf einen Verhaltenskodex zu »verpflichten«. Vgl. »Beschwerden über Tätigkeit Ihrer Vertreter«. Handelskammer Hamburg an Geschäftsleitung, Altmann GmbH & Co., 25.9.1975; Altmann GmbH & Co. an Handelskammer Hamburg, 9.10.1975, A59915, Altmann GmbH & Co., Bd. 3; »Verpflichtungsurkunde«, A59915, Altmann GmbH & Co., Bd. 4, SHWA. Zur Kritik vgl. allg. Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (Hg.), Schwarzbuch über Heiratsvermittlungsinstitute, Stuttgart 1972; Siegfried Bluth, Die deutsche Wirtschafts-Mafia. Praktiken am Rande der Legalität, Oldenburg 1973, S. 136-150; Gesamtverband der Deutschen Eheanbahnungsinstitute (Hg.), Weißbuch über Ehe- und Partnervermittlung, Stuttgart 1978.

114 Zur Frühphase des Videodatings in den USA vgl. z.B. Harlan Ellison, How I Survived the Great Videotape Matchmaker, in: Los Angeles Magazine 23 (1978) H. 2, S. 112-113, S. 177-183, S. 210f. Vgl. Weigel, Dating (Anm. 18), S. 208-218. Zur Rolle von Onlinediensten vgl. überdies Dominique Simonnet, Fantasmes sur Minitel, in: L’Express, 4.1.1985, S. 42; Das Geschäft mit der Zweisamkeit, in: Stiftung Warentest 19 (1984) H. 5, S. 28-33; Partnervermittlung – Die große Enttäuschung, in: Stiftung Warentest 25 (1990) H. 11, S. 26-31; Wolfgang Röhl, Allein ist einer zu wenig, in: stern, 30.10.1985, S. 64-72. Zum Wandel der Branche ab den 1970er-Jahren vgl. allg. Reto Casanova, Partnervermittlung durch elektronische Massenmedien, Zürich 1986; Butz Peters, Der Partnerschaftsvermittlungsvertrag, Frankfurt a.M. 1986, S. 28-65; Ago Karro, Eheanbahnung und Partnervermittlung. Theorie und Praxis, Delmenhorst 1985.

115 Hans Giese/Gunter Schmidt, Studenten-Sexualität. Verhalten und Einstellung, Reinbek bei Hamburg 1968, S. 393, S. 192f.; Elisabeth Noelle/Erich Peter Neumann (Hg.), Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1956–1964, Allensbach 1965, S. 587-590; dies. (Hg.), Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1968–1973, Allensbach 1974, S. 244. Vgl. dazu allg. Hodenberg, Das andere Achtundsechzig (Anm. 89), S. 163f.

116 So Norbert Frei, 1968. Jugendrevolte und globaler Protest, München 2008, aktualisierte und erweiterte Neuausg. 2017, S. 233f. Vielmehr verdeckte der Mythos von Woodstock in der Jugend- und Popkultur die politischen und soziokulturellen Divergenzen zwischen Berkeley und Paris, São Paulo und Tokio, London und Madrid, Zürich und Prag – ganz zu schweigen von den Ungleichzeitigkeiten zwischen dem Land und den urbanen Zentren.

117 Zu diesem Ansatz vgl. Raeann R. Hamon/Bron B. Ingoldsby (Hg.), Mate Selection Across Cultures, Thousand Oaks 2003.

118 Hier besaß das Computer-Dating durchaus emanzipatorischen Charakter. Der Algorithmus des »cross-checkings« erlaubte es, die Interessen, Neigungen und Vorlieben aller Suchenden, ganz gleich ob Mann oder Frau, wechselseitig zu berücksichtigen.

119 Vgl. Margaret Adams, Single Blessedness. Observations on the Single Status in Married Society, London 1976; Hermann Schreiber, Singles. Allein leben. Besser als zu zweit?, München 1978; Sibylle Weber/Claus Gaedemann (Hg.), Singles. Report über die Alleinlebenden, München 1980; Leonard Cargan/Matthew Melko, Singles. Myths and Realities, Beverly Hills 1982.

120 Uwe Fraunholz/Thomas Hänseroth/Anke Woschech, Hochmoderne Visionen und Utopien, in: Uwe Fraunholz/Anke Woschech (Hg.), Technology Fiction. Technische Visionen und Utopien in der Hochmoderne, Bielefeld 2012, S. 11-24, hier S. 18.

121 Alex Williams, The End of Courtship?, in: New York Times, 13.1.2013, S. ST1.

122 Zur »New Economy« des Datings vgl. Günter Burkart, Soziologie der Paarbeziehung, Wiesbaden 2018, S. 299-318, sowie Eva Illouz, Warum Liebe endet. Eine Soziologie negativer Beziehungen. Aus dem Englischen von Michael Adrian, Berlin 2018.

Anm. der Red., 11.11.2021:

Der Verein der Freunde und Förderer des ZZF Potsdam hat Michael Homberg für diesen Aufsatz mit dem Zeitgeschichte-digital-Preis ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch! Die Laudatio von Annette Schuhmann für Michael Homberg finden Sie hier.

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