Die Halle 54 bei Volkswagen und die Grenzen der Automatisierung

Überlegungen zum Mensch-Maschine-Verhältnis in der industriellen Produktion der 1980er-Jahre

  1. Das Mensch-Maschine-Verhältnis in der industriellen Produktion
  2. Die Halle 54 und die Grenzen der Automatisierung
  3. Zeithistorische Zäsuren?

Anmerkungen

Im Jahr 1982 wagte der Videokünstler Nam June Paik ein Experiment. Er schickte den Roboter K-456 zu einem Spaziergang auf die belebten Straßen New Yorks. Das Ergebnis war nicht überraschend: An der Madison Avenue, Ecke 75. Straße wurde der Roboter von einem Auto überfahren.[1] Nam June Paiks Aktion demonstrierte eindrucksvoll die Unzulänglichkeit des Roboters, der – im Unterschied zum Menschen – der Komplexität des Straßenverkehrs nicht gewachsen war und die vielfältigen Gefahren weder einschätzen noch flexibel auf sie reagieren konnte. Paik formulierte damit eine Gegenposition zu der vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkmächtigen Vorstellung des fehlerhaften Menschen, die mit der Betonung der Überlegenheit und Perfektion der Maschine einherging. In seinem Experiment erwies sich jedoch nicht der Mensch als fehlerhaft, sondern der Roboter.

In diesem Beitrag geht es gleichfalls um die Grenzen von Robotern und um das Mensch-Maschine-Verhältnis – anhand einer Fallstudie aus der Geschichte der industriellen Produktion, genauer der Automobilproduktion. Im Mittelpunkt steht die 1983 eröffnete Halle 54 bei Volkswagen, in der VW die Automatisierung der Endmontage einführte. Diese war, im Unterschied zu anderen Teilen der Automobilproduktion, bis dahin kaum automatisiert; sie war einer ihrer personal-, kosten- und zeitintensivsten Bereiche.

Die Halle 54 eignet sich für einen mikroskopischen Blick auf das Mensch-Maschine-Verhältnis in besonderer Weise, da sich in dieser von Volkswagen als »Modell des technischen Fortschritts«[2] und von der IG Metall als »Kultstätte für Technologie-Fans«[3] bezeichneten Halle schnell Grenzen des Robotereinsatzes zeigten. Sie ist ein Beispiel dafür, wie die nach dem Zweiten Weltkrieg im Kontext der Kybernetik, der Künstlichen Intelligenz-Forschung und der Entwicklung des Computers forcierte Automatisierungsstrategie in der industriellen Fertigung während der 1980er-Jahre an Grenzen stieß. Diese Erfahrung war mit einer Betonung und Aufwertung menschlicher Fähigkeiten verbunden, ähnlich wie Nam June Paik mit seinem Experiment die Überlegenheit des Menschen im Straßenverkehr demonstrierte. Im Folgenden werden daher einerseits die Debatten um die Stellung des Menschen in der Automatisierung untersucht, andererseits die tatsächliche Automatisierungsstrategie in der Fabrikhalle, hier der Halle 54 bei VW.

Der Beitrag kombiniert unterschiedliche, aber eng verflochtene Themenfelder, die bislang nicht zusammen betrachtet wurden. Zum einen handelt es sich um die Geschichte industrieller Arbeit bzw. genauer um die Geschichte ihrer Automatisierung. Auch wenn diese nicht gleichbedeutend mit ihrer Computerisierung ist, so war und ist, zum zweiten, beides miteinander verbunden.[4] Zum dritten, und darauf deutet bereits das eingangs genannte Beispiel hin, berührt der Einsatz von Computern und Robotern das Mensch-Maschine-Verhältnis fundamental.[5] Zu dessen Verständnis bedarf es des Blicks auf die Kybernetik und die Künstliche Intelligenz-Forschung.

Erstaunlicherweise sind Automatisierungsprozesse der industriellen Produktion aus zeithistorischer Sicht erst in Ansätzen erforscht.[6] Weder die frühen Diskurse um die Automatisierung in den 1950er-Jahren noch die praktischen Versuche von Unternehmen, sie in den Fabriken zu etablieren, fanden bislang systematische Aufmerksamkeit. Gleiches gilt für die vielfältigen Hindernisse, Probleme und Gegenbewegungen sowie für die Haltung der Gewerkschaften in diesem Prozess, von einer globalgeschichtlichen Perspektive oder der Bedeutung der Systemkonkurrenz im Kalten Krieg ganz zu schweigen.

Allerdings wurden Automatisierungsprozesse in zeitgenössischen sozialwissenschaftlichen Studien untersucht, besonders die Einführung der NC- und CNC-Technologien im Maschinenbau (Numerical bzw. Computer Numerical Control).[7] Die sozialwissenschaftliche Forschung war mit Fragen der Dequalifizierung von Arbeitern bzw. der Rolle des Facharbeiters beschäftigt,[8] mit der Entwertung von Erfahrungswissen und traditionellem Können der Arbeiter aufgrund des Computereinsatzes,[9] weiter mit der Frage der Arbeiteridentität,[10] Macht- und Kontrollaspekten[11] oder dem Spannungsverhältnis von Rationalisierung und Humanisierung.[12] Die historische Forschung beginnt zunehmend, diese Untersuchungen als Quellen zu nutzen; auch innerhalb der industriesoziologischen Forschung selbst setzt eine Historisierung der älteren Arbeiten ein.[13] Im Folgenden spielen die zeitgenössischen Studien eine wichtige Rolle, insofern sie ein zentraler und durchaus normativer Bestandteil der Debatten der 1980er-Jahre waren, wenn es um die Stellung des Menschen im industriellen Arbeitsprozess ging.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Forschungen zur Geschichte der Automatisierung aus sozial-, wirtschafts-, gesellschafts-, aber auch aus diskursgeschichtlicher Perspektive noch weitgehend fehlen. Im Folgenden wird gleichwohl eine andere Perspektive eingenommen, die gleichermaßen ein Desiderat darstellt und den Kern der Geschichte der Automatisierung berührt, nämlich ein technikhistorischer Blick. Dabei geht es nicht, wie häufig noch fälschlich mit technikgeschichtlicher Forschung assoziiert, um die Nachzeichnung »technischer Fortschritte« oder (neutraler gesprochen) technischen Wandels. Vielmehr wird im Sinn einer historischen Anthropologie der Technik nach der jeweiligen Stellung des Menschen gegenüber der Maschine sowie nach deren zeitgenössischer Wahrnehmung und Bewertung gefragt.

Indem für die 1980er-Jahre die Grenzen der Automatisierung untersucht werden, gerät ein Zeitraum der verdichteten Auseinandersetzung um die Rolle des Menschen in der industriellen Produktion in den Blick. Dies ist untrennbar verknüpft mit zeitgenössischen Debatten um das »Ende der Arbeitsteilung«[14] oder um »postfordistische« Produktionsweisen.[15] Das Ziel des Beitrags ist es daher, die technikhistorische Perspektive auf das Mensch-Maschine-Verhältnis und auf die Grenzen der Automatisierung mit der Frage nach Zäsuren und Brüchen innerhalb der Zeitgeschichte zu verbinden. Um die Halle 54 historisch einordnen zu können, folgt zuerst ein skizzenhafter Überblick zum Mensch-Maschine-Verhältnis in der industriellen Produktion sowie zur Automatisierung (1.), bevor das Fallbeispiel analysiert wird (2.).[16] Daraus werden schließlich einige übergreifende Thesen abgeleitet (3.).

1. Das Mensch-Maschine-Verhältnis in der industriellen Produktion

Das Verhältnis von Mensch und Maschine in der Produktion war bereits seit der Industrialisierung ein zentrales Thema, das in verschiedenen Facetten debattiert wurde. Die Möglichkeit, der Mensch könne eines Tages ersetzt werden, war dabei stets präsent – als Utopie oder Dystopie. Jenseits konkreter Ängste vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder einer Dequalifizierung ging es immer auch um die fundamentale Frage nach der Stellung des Menschen gegenüber der Maschine. In den USA behauptete Mitte des 19. Jahrhunderts beispielsweise der Waffenfabrikant Samuel Colt, dass es nichts gäbe, was nicht von Maschinen produziert werden könne. Weitere amerikanische Unternehmer sahen im Maschineneinsatz gleichermaßen die Möglichkeit, die Zahl der Beschäftigten stark zu reduzieren, und zwar »down to zero«. Andere insistierten wiederum auf den Grenzen der Maschine.[17]

Ohne wichtige Gegenbewegungen und andere Formen der Produktion auszublenden, kann für die industrielle Massenproduktion, insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, eine deutliche Tendenz zur Automatisierung der Fertigungsprozesse konstatiert werden. Prominent vorgedacht war sie in Frederick Taylors Konzept der wissenschaftlichen Betriebsführung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.[18] Taylors Ziel war es, den »one best way« eines Arbeitsschrittes zu bestimmen, um damit Arbeit messbar zu machen und deren gleichsam maschinenhafte, fehlerlos-effiziente Ausführung zu garantieren. Die einzelnen Tätigkeiten wurden formalisiert und auf Arbeitskarten beschrieben. Wissen wurde verschriftlicht und damit aus den individuellen Körpern in eine objektivierte Form gebracht, die die Arbeiter gewissermaßen zu lebendigen Maschinen machte. Eine Fülle von Zitaten, die, ganz im Sinne Taylors, die Fehlerhaftigkeit des Menschen betonten, ließe sich hier anfügen. 1938 schrieb beispielsweise der deutsche Fertigungsingenieur Dolezalek: »Mit der Ausschaltung des Menschen ist auch die Ausschaltung seiner Fehler und Unzulänglichkeiten verbunden, die uns gerade in der Massenfertigung von hochwertigen Erzeugnissen oftmals unangenehme Überraschungen bereiten.«[19]

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg kursierten hochgespannte Automatisierungsvisionen, die von der Kybernetik inspiriert waren. 1946 erschien in der amerikanischen Wirtschaftszeitschrift »Fortune« ein viel zitierter Artikel mit dem Titel »Machines Without Men«. Die Autoren zeichneten das Bild einer menschenleeren Fabrik. Sie beschrieben Maschinen, die besser sehen, hören, tasten und Informationen verarbeiten könnten als Menschen. Anders als die Menschen würden sie zudem nicht ermüden, keinen Hunger haben, nicht streiken und bessere Produkte herstellen.[20]

Zwar befand sich die Umsetzung solcher Phantasien nach dem Zweiten Weltkrieg erst im Anfangsstadium. Gleichwohl löste die Vision eines »Elektronengehirns«, und damit die Möglichkeit der Steuerung und Kontrolle von Maschinen mittels Maschinen, eine aufgeregte Debatte um das spezifisch menschliche Wissen und Können aus. So wie die Kybernetik als »vierte Kränkung des Menschen« bezeichnet worden war (nach den vorherigen »Kränkungen« durch Kopernikus, Darwin und Freud),[21] so wurde auch die Automatisierung der industriellen Produktion vielfach als Herabwürdigung des Menschen empfunden.

»Spiegel«-Cover 1. April 1964
Das Cover der »Spiegel«-Ausgabe vom 1. April 1964 zeigt einen alles könnenden, vielarmigen, mit Augen, Ohren und Elektronengehirn ausgestatteten Roboter, der den kleinen und hilflosen Menschen mit seinen Füßen wegkickt.

Gerade der Computer stellte für die Positionierung des Menschen gegenüber der Technik eine neue Herausforderung dar.[22] Seine Brisanz lag in der traditionellen menschlichen Selbstdefinition über den Verstand. Denn die bis weit ins 20. Jahrhundert wirkmächtige Antwort der mechanistischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts auf die Frage, was den Menschen von der Maschine unterscheide, lautete im Kern, dass dies der Verstand sei, die ratio. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschütterten allerdings die Kybernetik, die den Computer und das Gehirn mithilfe des Informationsbegriffs gleichsetzte, sowie die Erforschung Künstlicher Intelligenz die Gewissheit von der Überlegenheit des Menschen. Die »Elektronengehirne« konnten offensichtlich schneller, besser und komplexer rechnen, wie sich besonders eindrucksvoll etwa beim Schachspielen zeigte.[23]

In der industriellen Produktion entfachte der Einsatz des Computers nicht nur heftige Debatten um die Zukunft der menschlichen Arbeit, um technologisch bedingte Arbeitslosigkeit und Dequalifizierung,[24] sondern berührte den Kern des menschlichen Selbstverständnisses. Denn nun konnten Tätigkeiten wie die Steuerung von Maschinen, das Führen von Werkzeugen und die Kontrolle von Arbeitsprozessen auf Maschinen übertragen werden. So prophezeite Norbert Wiener 1948: »Die erste Revolution, die Revolution der ›dark satanic mills‹, war die Entwertung des menschlichen Arms durch die Konkurrenz der Maschine. […] Die moderne industrielle Revolution wird […] in ähnlicher Weise das menschliche Gehirn entwerten, zumindest in seinen einfacheren und routinemäßigen Funktionen.«[25]

Seit den späten 1950er-Jahren waren in den USA numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen im Einsatz,[26] mit denen die Steuerung, Kontrolle und Führung des Werkzeugs von der Menschenhand auf ein Programm überging. NC- und später CNC-Werkzeugmaschinen unterschieden sich von handgesteuerten dadurch, dass die einzelnen Arbeitsschritte in einem Programm gespeichert wurden und die Maschine dieses Programm automatisch ausführte. Zwischen 1950 und 1970 arbeitete die produktionstechnische Forschung an der flexiblen automatischen Fertigung.[27] Erst die Entwicklung des Mikroprozessors zu Beginn der 1970er-Jahre ermöglichte eine weitere Automatisierung im Sinne der Programmierung, Steuerung und Kontrolle des Produktionsablaufs. Seit den 1980er-Jahren war CIM (Computer Integrated Manufacturing) ein zentrales Schlagwort.[28] Die Automobilindustrie war eine der Branchen, in denen die Bemühungen zur Automatisierung früh einsetzten. Ihr »Rationalisierungszugriff« wirkt »(b)is in die Gegenwart hinein […] stilbildend für viele andere Industrien«.[29]

2. Die Halle 54 und die Grenzen der Automatisierung

Die frühen Automatisierungsversuche der 1930er-Jahre bei Ford und General Motors wurden unter dem Schlagwort »Detroit Automation« bekannt.[30] Der erste Industrieroboter wurde 1961 bei Ford eingesetzt.[31] Roboter übernahmen einfache Tätigkeiten, die zuvor von ungelernten Arbeitern ausgeführt worden waren: den Maschinen Werkstücke reichen und sie wieder entfernen, Teile von einem Laufband zum anderen befördern etc. Gleichfalls Anfang der 1960er-Jahre nutzte General Motors einen Schweißroboter.[32] In der Bundesrepublik hatte Daimler-Benz 1972 einen Roboter für das Punktschweißen von Karosserien installiert.[33] Volkswagen produzierte seit diesem Jahr selbst Roboter.[34] In der DDR gab es in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre Versuche, Industrieroboter in der Produktion einzusetzen.[35] Auch Fiat verwendete seit 1972 Roboter.[36] In der Mitarbeiterzeitschrift der IG Metall wurden Roboter 1984 als »ein besonders eindrucksvolles Symbol für die Rationalisierung in der Autoindustrie« bezeichnet.[37] Automatisierung ist jedoch nicht schlichtweg mit dem Einsatz von Robotern gleichzusetzen, wenngleich diese in der Öffentlichkeit zum Inbegriff der Automatisierung und der Ersetzung menschlicher Arbeit wurden, besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren.

Die Bedeutung der 1970er-Jahre als »Transformationsphase«, als Krisenphase der Automobilindustrie nach Jahrzehnten des scheinbar ungebremsten Wachstums, wurde kürzlich erneut unterstrichen.[38] Die Branche befand sich in den traditionellen Herstellerländern seit Beginn der 1970er-Jahre, vor allem im Kontext der beiden Ölkrisen 1973 und 1979, in »ständiger krisenhafter Bewegung«.[39] Niedrige Wachstumsraten, verschärfte Konkurrenz und »enorme Investitionen […] in die Produkterneuerung wie auch in die Modernisierung der Produktionsanlagen«[40] prägten die Situation der westlichen Autoindustrie. Für den Volkswagen-Konzern hat Manfred Grieger kürzlich dessen verspätete Krisenwahrnehmung in den 1970er-Jahren dargestellt.[41]

Seit 1976 hatte sich die wirtschaftliche Situation bei VW zwar wieder deutlich verbessert.[42] Gleichzeitig stellte Volkswagen aber fest, dass das Modell Golf »auf vielen Märkten nicht in ausreichenden Stückzahlen zur Verfügung« stehe, was auf Produktionsausfälle durch Tarifauseinandersetzungen und Streiks zurückgeführt wurde.[43] VW klagte über die steigenden Lohnkosten und die anhaltende Aufwertung der DM.[44] Hinzu kam die Wahrnehmung, dass die japanische Konkurrenz aufgrund der dort stärkeren Automatisierung im Vorteil sei.[45] Zu Beginn der 1980er-Jahre hatte eine Delegation des VW-Konzerns Japan besucht. In der Mitarbeiterzeitschrift »Autogramm« wurde vom dortigen »massiven Robotereinsatz« und dem »hohen Stand der Technik« berichtet, die, anders als in der Bundesrepublik, nicht verteufelt werde.[46] Der Leiter der Finanz- und Investitionsplanung in Wolfsburg, Siegfried Höhn, konstatierte 1981: »Unsere Überlegungen gehen davon aus, [...] daß die Japaner […] die beste Erfahrung und den besten Fortschritt auf dem Gebiet der Produktionsprozesse, sprich auch Robotisierung und Automatisierung haben und […] eben mit Hilfe dieser Automatisierung einen derart enormen Fortschritt in der Wirtschaftlichkeit der Produktion erreicht haben, daß wir versuchen müssen, Anschluß zu gewinnen.«[47] Ähnlich argumentierte ein »Spiegel«-Artikel 1983: »Nur die automatisierte Fertigung mit ihrer hochgradigen Präzision versprach eine Qualität, wie sie im internationalen Wettbewerb gefordert wird.«[48]

Auch Fiat und US-amerikanische Unternehmen hatten sich seit den 1970er-Jahren für eine Automatisierungsstrategie entschieden.[49] In einer Studie, die VW und Fiat vergleicht, diagnostizierte Bruno Cattero für beide Unternehmen in den 1980er-Jahren eine »technokratische Logik«.[50] Die IG Metall sprach kritisch von einer »Automatisierungsoffensive in Milliardenhöhe« und von »Rekordinvestitionen«.[51] In den VW-Geschäftsberichten wiederum wurde Automatisierung als »alternativlos« und »ganz zwangsläufig« bezeichnet.[52] Entsprechend setzte bei VW zu Beginn der 1980er-Jahre eine gewaltige »Umstrukturierung« ein, die »fast alle Fertigungsbereiche« betraf. Es wurde versucht, alle relevanten Bereiche der Automobilfertigung zu automatisieren: das Presswerk, den Rohbau, die Lackiererei sowie die Endmontage.[53] 1986 lag der Automatisierungsgrad im Presswerk bereits bei 90 Prozent, im Rohbau bei 80 Prozent, in der Lackiererei bei etwa 40 Prozent und in der Montage, die im Folgenden im Mittelpunkt stehen wird, bei 25 Prozent.[54]

Angesichts aufgeregter zeitgenössischer Debatten um die »Krise der Arbeitsgesellschaft« und um die Mikroelektronik als »Jobkiller« bedurfte ein verstärkter Maschineneinsatz einer besonderen Legitimation. Die Argumentation des VW-Konzerns, wie sie sich in der Mitarbeiterzeitschrift »Autogramm« widerspiegelt, ähnelte dabei auffällig den Argumenten der Automatisierungsdebatte der 1950er-Jahre. Schon damals waren neben der höheren Produktqualität, für die die Roboter standen, die Vorteile für den Menschen betont worden – nämlich dessen körperliche Entlastung und seine neuen intellektuellen Überwachungs- und Steuerungsaufgaben.[55]

Im Karosseriebau oder in der Lackiererei beispielsweise waren die Maschinen dem körperlich ermüdenden, nicht in stets gleichbleibender Weise arbeitenden Menschen überlegen und ersetzten körperlich anstrengende, teils ungesunde Arbeiten. VW betonte in diesem Sinne die Entlastung der Arbeiter, die Unabhängigkeit vom Takt und damit Humanisierungseffekte.[56] »Robby macht die Dreck-Arbeit«,[57] lautete ein gängiges Argumentationsmuster.

Gleichzeitig wurde gegen die Vorstellung von menschenleeren Fabriken argumentiert,[58] insbesondere im Kontext der Halle 54. Gerade hier hatten die Medien die Automatisierung als Weg zur zukünftigen, menschenleeren Fabrik gezeichnet.[59] »Der Robby kommt« oder »Neue Roboter lösen den Monteur ab« lauteten Schlagzeilen in der Presse.[60] Vom »Unternehmertraum von einer menschenleeren Fabrik«, den Robotern, die »den Menschen verdrängen« oder »Arbeitslose produzieren«, war auch in der Mitgliederzeitschrift der IG Metall zu lesen.[61]

»Bei VW rollt die Rationalisierungslawine: Bis Ende 1984 werden allein in Wolfsburg 3.000 Arbeitsplätze vernichtet.« Das Bild der menschenleeren Fabrikhalle war typisch für die Argumentation der Zeitschrift.
(Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall, 23.9.1983, S. 28f.)
Steuerung der automatisierten Endmontage in der Halle 54
Die Steuerung der automatisierten Endmontage in der Halle 54 (hier ein Foto von 1983) war weiterhin eine Aufgabe für menschliche Arbeitskräfte. (Unternehmensarchiv Volkswagen Aktiengesellschaft)

Um gegen dieses Bild anzukämpfen, nutzte VW die eigene Mitarbeiterzeitschrift. Vielfach wurde darin betont, dass es keine menschenleeren »Geisterhallen«, keine »unbemannte Fabrik«, keine »Fabrik ohne Menschen« geben werde.[62] Zudem wurde stets die »neue Rolle des Menschen« hervorgehoben, die in der Steuerung, Instandhaltung und Wartung liege.[63] »Das Programmieren, Steuern und Analysieren verlangt die Intelligenz des Menschen.«[64] Gegen das Szenario des alles übernehmenden »electrical brain« wurde also das Bild einer Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine gestellt: die schuftenden Roboter einerseits und die steuernden Menschen andererseits.[65]

Die englische Psychologin Lisanne Bainbridge hat in einem viel beachteten Artikel bereits 1983 von der »Ironie der Automatisierung« gesprochen und betont, dass der Einsatz der verbleibenden Menschen immer wichtiger werde, je höher der Automatisierungsgrad sei.[66] Wurde dieses Argument vielfach auf die Notwendigkeit der Überwachung und Steuerung automatisierter Anlagen bezogen, so zeigte sich in der Halle 54 eine weitere, fundamentale Dimension dieser Ironie: Hier wurde menschliche Arbeitskraft vor allem notwendig, um die Fehler der Roboter zu beheben. Denn fehlerhaft war in der automatisierten Endmontage nicht nur der Mensch, sondern auch der Roboter, wie im Folgenden genauer aufgezeigt wird.

Die Endmontage galt als ein Bereich, der schwer zu automatisieren war. Sie war »the bottleneck of automation in the auto industry, even after the event of robotic technology«.[67] Komplexe Bewegungsabläufe und die Notwendigkeit hoher Präzision stellten enorme Anforderungen an die Roboter. In den Berichten des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) war von der Montageautomation als »Ingenieursaufgabe des Jahrzehnts« die Rede.[68] Während der weltweite Durchschnitt bei der Endmontage Anfang der 1980er-Jahre unter 5 Prozent lag, etablierte VW mit der Halle 54 einen Automatisierungsgrad von 25 Prozent. Zeitgenössisch wurde dies begeistert gefeiert. In den Medien war die Rede von einem »Wallfahrtsziel«[69] oder der »modernste[n] Automobil-Montagestätte der Welt«.[70] Öffentlichkeitswirksam besichtigt wurde die Halle 54 beispielsweise vom spanischen Königspaar, dem italienischen Staatspräsidenten, einer chinesischen Regierungsdelegation, russischen Sportfunktionären und Fußballern.

Das spanische Königspaar besuchte 1986 die Halle 54. (Unternehmensarchiv Volkswagen Aktiengesellschaft)

In der Halle 54 wurden Roboter mit Sensortechnik eingesetzt.[71] Ein Großrechner steuerte die die Montage, die einzelnen Roboter führten die Arbeitsschritte aus, wobei sie teils »in komplizierten Einzelbewegungen […] die menschliche Hand« nachahmten.[72] So wurde fast alles, was von außen zu montieren war, von Robotern erledigt. Sie zogen Schrauben fest, legten Keilriemen auf, schoben Kraftstoffleitungen in den Karosserietunnel und befestigten sie am Unterboden; sie bogen die Bremsleitungen zurecht und montierten sie, ebenso die Benzinleitung. Sie schraubten den Auspuff an, die Batterie, den Tank, montierten den Motor und das Getriebe, legten das Reserverad ein und klappten schließlich die Hecktür zu.[73]

In der Halle 54 legten Roboter das Reserverad in das Auto (1983). (Unternehmensarchiv Volkswagen Aktiengesellschaft)

Doch wie in der Mitarbeiterzeitschrift stets betont wurde: Die Roboter funktionierten nicht ohne Menschen. Insgesamt 85 Anlagen- und Straßenführer, die eine eineinhalbjährige Weiterbildung im hausinternen Labor für Steuerungstechnik erhalten hatten, waren für die Fehler-Diagnostik zuständig, 130 Instandhalter warteten und reparierten die Roboter.[74] Dies lässt sich als »facharbeiter-gestützte Automatisierung« bezeichnen.[75] Weitere 60 Arbeiter mussten allerdings Einlegearbeiten einfachster Art ausführen, was vom Betriebsrat negativ kommentiert wurde.[76] Der Betriebsratsvorsitzende Siegfried Ehlers kritisierte 1983: »Täglich werden es mehr [Roboter]. Preßwerk, Rohbau, Lackiererei und Gießerei waren bislang die Einsatzschwerpunkte. Nun wird der Roboter bald Einzug in den Montagebereich halten, weil die Sensor-Technik das möglich macht. Bis zum Werksurlaub sind das allein 1.020 Arbeitsplätze, die hier im Werk Wolfsburg dieser Produktionsumstellung zum Opfer fallen.«[77] Tatsächlich bedeutete die Automatisierung von Teilen der Endmontage in der Halle 54, dass insgesamt 1.000 Arbeiter weniger tätig waren als zuvor, nämlich 4.000 statt 5.000.[78]

Anfangs waren die Erwartungen hoch, dass die Beseitigung von Fehlern kaum erforderlich sein werde: »Durch die automatische Montage sind mögliche Fehlerquellen gegenüber früher erheblich eingeschränkt bzw. sogar beseitigt«, so ein stolzer Kommentar in der VW-Mitarbeiterzeitschrift.[79] Und mehr noch: »Wenn das Fertigungssystem schon derart präzise arbeiten kann, dann soll es das – bitte schön – auch hundertprozentig fehlerfrei tun – und obendrein sich selbst überwachen.«[80] So steuerte beispielsweise ein automatisches Überwachungssystem die Verschraubungsvorgänge und sendete eine Okay- bzw. eine Fehlermeldung an den Rechner.[81]

Allerdings konnten die Roboter die von ihnen erkannten Fehler nicht selbst beheben. »Das ist dann der Moment, in dem der Mensch wieder in das System eingreift«, so ein Fertigungsingenieur.[82] Diese Momente waren unerwartet häufig – dauernd standen die Montagestraßen still, die Arbeiter mussten eingreifen. Der verantwortliche Fertigungsingenieur konstatierte nun die Kehrseite der Automation: »Die Roboter funktionieren nur, wenn alles auf den Zehntelmillimeter genau passt«[83] – was indes oft nicht der Fall war.

In der automatisierten Endmontage kamen zu viele Teile mit mangelnder Fertigungsgenauigkeit in den Prozess. Damit die Roboter fehlerfrei funktionierten, mussten die vorgelagerten Bereiche, zum Beispiel Presswerk und Rohbau, Karosseriemontage und Lackiererei, eine absolute Maßeinhaltung garantieren. So mussten im Karosseriebau die Einzelteile verwindungsfrei zusammengefügt werden und die Bolzen zur Befestigung der Aggregate in der Montage exakt an der vorgesehenen Stelle sitzen. Die Gewinde von Schrauben mussten genau nach Vorgabe gedreht sein. Unsauber gedrehte Schrauben konnten die Roboter nicht aussortieren; sie schraubten sie ein. Zwar ließ die automatische Kontrolle die rote Lampe leuchten, der Prozess wurde gestoppt. Doch musste nun ein Mensch eingreifen, um den Fehler zu definieren und zu beseitigen.

Die Halle 54 war nicht das einzige Beispiel dafür, dass die Strategie möglichst weitgehender Automatisierung an Grenzen stieß. Auch bei Fiat hatte man in der hochautomatisierten Cassino-Fabrik in den 1980er-Jahren feststellen müssen, dass die Komplexität der Tätigkeiten in der Endmontage sowie die Stillstandszeiten zu hoch waren. Auch hier waren die Produktivität und die Qualität niedriger als erwartet.[84] General Motors erlebte im Kontext der automatisierten Montage gleichfalls ein »rude awakening«.[85] Es steht noch aus, diese Prozesse international vergleichend zu erforschen, vor allem anhand von Archivmaterial der Unternehmen und Gewerkschaften. Der Blick auf die internationale technische und soziologische Fachliteratur zeigt aber den deutlichen Trend, nämlich die Erkenntnis, dass eine Vollautomatisierung, wie sie bis in die 1970er-Jahre häufiges technisches und unternehmerisches Leitbild war, an Grenzen stieß, insbesondere in komplexen Bereichen wie der Endmontage.

Um diese Grenzen der Automatisierung zu verstehen und genauer zu beschreiben, bietet sich die Kategorie des Wissens an. So können das jeweilige Maschinen-Wissen und das menschliche Wissen analysiert, das Verhältnis unterschiedlicher Wissensformen zueinander sowie insbesondere die Möglichkeiten und die Grenzen der Übertragung von menschlichem Produktionswissen auf Maschinen eruiert werden. Eine Wissensgeschichte der Produktion existiert bislang erst in Ansätzen;[86] besonders für die Geschichte des Mensch-Maschine-Verhältnisses und der Automatisierung wäre sie jedoch von hoher Relevanz.

Automatisierung bedeutete eine Algorithmisierung des Produktionswissens. Die Tätigkeiten der Arbeiter wurden formalisiert, mathematisch beschrieben und in Rechenregeln transformiert. Roboter sollten diese in zuverlässiger, hochpräziser, standardisierter Weise ausführen. In der Halle 54 zeigte sich nun, dass gerade die Qualität der regelhaften Arbeitsausführung, die die Überlegenheit der Roboter auszumachen schien, in der Endmontage nicht ausreichte, um eine wirtschaftliche Produktion zu gewährleisten. Offensichtlich war eine andere Wissensform im Spiel, über die die damaligen Roboter noch nicht verfügten.

Die industriesoziologische Debatte der 1980er-Jahre hatte bereits das nicht zu ersetzende Erfahrungswissen hervorgehoben, das unabdingbar für den Produktionsprozess sei, und vom sinnlichen Wissen, vom körpergebundenen Wissen sowie vor allem vom tacit knowledge gesprochen. Der letztere Begriff, vom Chemiker und Philosophen Michael Polanyi in den 1950er-Jahren in Auseinandersetzung mit der Kybernetik entwickelt, erlebte nicht zufällig in den 1980er-Jahren eine auffällige Renaissance. Polanyi hatte betont, »daß wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen«.[87] Zumeist wurde genau dieser Satz zitiert und damit auf das körpergebundene, sinnliche Wissen verwiesen. Es ist hier nicht der Ort für eine Kritik an der Polanyi-Rezeption, die wiederum zu historisieren wäre. Wichtig ist jedoch, dass Polanyi mit dem Begriff des tacit knowledge die Tatsache betonte, dass wir etwas wissen oder können, ohne zu wissen, wie wir etwas können oder wissen. Damit behauptete er die prinzipielle Unmöglichkeit der vollständigen Explizierbarkeit und damit auch der vollständigen Übertragbarkeit menschlichen Wissens und Könnens in Programme. Dies wies dem Menschen implizite Fähigkeiten zu, die ihm dem Computer in nicht-logischen Bereichen überlegen machten. Polanyis Kritik an der auch die Computerisierung anleitenden Vorstellung, jegliches Wissen sei formalisierbar, gipfelte in dem Satz: »Ich meine zeigen zu können, daß der Prozeß der Formalisierung allen Wissens im Sinne einer Ausschließung jeglicher Elemente impliziten Wissens sich selbst zerstört.«[88] Polanyi kommt das Verdienst zu, die Bedeutung einer Wissensdimension aufgezeigt zu haben, die im modernen Wissenschaftsverständnis bis dahin keinen Platz hatte und die auch von den Ingenieuren unterschätzt worden war. Zugleich bleibt seine Beschreibung des tacit knowledge unscharf, was letztlich zu ihrer vieldeutigen Rezeption beigetragen hat.

Der Wissenschaftssoziologe Harry Collins hat den Begriff neuerdings differenziert, auch mit der Absicht der Entmystifizierung.[89] Collins unterteilt das tacit knowledge dreifach: erstens in geheim gehaltenes Wissen, das für die Argumentation hier keine Rolle spielt; zweitens in das körperliche Wissen, das prinzipiell formalisierbar ist, auch wenn dies aufwendig ist. Hier nennt er etwa das Fahrradfahren, das als Paradebeispiel für tacit knowledge gilt. Inzwischen spielen Roboter aber auch Fußball. Drittens spricht er von einem kollektiven Wissen, das nur in einem Prozess der Sozialisation gewonnen werden könne und aus meist nicht beschriebenen kulturellen und sozialen Regeln bestehe.

Im Kontext der industriellen Produktion lässt sich an diese Dreiteilung anknüpfen, wobei die dritte Dimension anders zu definieren wäre. Denn im Automatisierungsprozess, insbesondere im hier betrachteten Beispiel der Halle 54, handelt es sich nicht um ein kollektives, soziales Wissen, sondern um die Fähigkeit, in praktischen Zusammenhängen flexibel Entscheidungen zu treffen. Man könnte es erfahrungsbasierte Entscheidungsfähigkeit nennen. Die Roboter der 1980er-Jahre arbeiteten vorgegebene Algorithmen ab; diese umfassten jedoch nicht die komplexe Konfiguration von (Fehler-)Erkennen und Handeln. Den Robotern in der Halle 54 fehlte diese Dimension des Wissens: die Fähigkeit, zu beurteilen, ob die Schraube verwendbar war oder nicht, die Ursache von Fehlern zu bestimmen und zu beheben, kurz, Entscheidungen zu treffen, die auf Arbeitserfahrung beruhen. Es lässt sich also eine Wissensform benennen, die Mensch und Maschine unterschied und die die damaligen Grenzen des Roboters kennzeichnet.[90] Die anfangs gelobte Präzision und Zuverlässigkeit des Roboters korrespondierte mit seiner Inflexibilität und seiner Unfähigkeit, vom Regelverlauf abweichende Situationen einzuschätzen. Die menschliche flexible Reaktion war vorerst nicht durch Roboter ersetzbar.

Wesentlich ist, dass es sich nicht um eine »rechnerische«, logische Fähigkeit oder um eine standardisierte, immer gleiche Bewegungsausführung wie bei Schweißrobotern handelte, sondern um ein Reaktionsvermögen auf Unvorhersehbares, um Improvisation, um komplexes, praktisches Wissen, um das Zusammenspiel von Verstand, Auge und Hand, mithin um eine Wissensform, die über die Fähigkeiten der logisch orientierten und rechnenden Computer hinausreichte. Es ging darum, mit Zufälligkeiten umzugehen, die durch den Automatisierungsprozess gerade ausgeschaltet werden sollten, aber nicht konnten.[91] Es war auch genau jene Wissensform, die im philosophischen Diskurs der 1980er-Jahre um die Künstliche Intelligenz-Forschung (KI-Forschung) von deren Kritikern thematisiert wurde. Der Computerkritiker Joseph Weizenbaum hob beispielsweise hervor, dass Computer nicht wie Kinder aus Erfahrungen lernen könnten, dass sie ihr Wissen von der Welt nicht »dadurch erlangen, daß er [d.h. der Computer] die Welt durch seine eigenen Sinnesorgane erfährt«.[92] Wie auch der Philosoph Hubert Dreyfus immer wieder betont hatte: Roboter haben keine Welt, keinen Leib, sie können nicht mit Komplexität umgehen, können Situationen nicht bewerten und nicht adäquat auf sie reagieren.[93] Der KI-Forscher Marvin Minsky drückte es so aus: Es sei leichter, einem Computer hochkomplexe Rechenaufgaben oder Schachspielen beizubringen als das Aufeinanderstapeln von Bauklötzchen, was jedes vierjährige Kind schaffe.[94] So wie der eingangs erwähnte Roboter von Nam June Paik die philosophische Kritik der 1970er- und 1980er-Jahre an der KI-Forschung veranschaulichte, so machte die Halle 54 diese Kritik für die Fertigungsingenieure erfahrbar. Nicht zufällig wurde der Produktionsort von Fertigungsingenieuren als »Hölle 54« bezeichnet.

1986 wurde bei VW im Kontext der Erfahrungen mit der Halle 54 – hinsichtlich der Sensorik von Robotern – konstatiert, »daß der Aufwand dafür verhältnismäßig hoch ist und man mit geringeren Kapitaleinsätzen pragmatische Lösungen finden kann«.[95] Karl-Heinz Briam, Mitglied des Vorstands und Arbeitsdirektor der Volkswagen AG, fasste 1986 rückblickend zusammen: »Man kann nicht einerseits die Apparate ständig verfeinern, ihre Steuerung optimieren, ihre Leistung erhöhen, ihre Verzahnung perfektionieren, und andererseits kaum einen Gedanken daran verschwenden, welche Position der Mensch im modernen Produktionsprozess einnimmt.«[96] Briam kritisierte damit die starke Technikorientierung, die auf die weitgehende Ersetzung des Menschen spekuliert hatte. In einer Inszenierung für die Medien demonstrierte Volkswagen Anfang der 1990er-Jahre sein neu entdecktes Interesse an der menschlichen Arbeit. VW-Manager Carl Hahn stellte sich 1991 in dunkelblauer Latzhose und Polohemd neben einen jungen Arbeiter und ließ sich in die Kabelmontage einweisen. »Wir wollen die Kreativität und das Wissen der Arbeiter nutzen«, so seine Erklärung.[97] Folker Weißgerber, wesentlich mitverantwortlich für die Konzeption der Halle 54, stellte 1993 fast noch radikaler fest: »Wir wissen heute, daß es ein Fehlschlag war, den Taylorismus zu perfektionieren.«[98] Produktionschef Hartwich hatte schon früh gesagt: »Und gerade bei der Roboterentwicklung haben wir gelernt, daß der Mensch ein sehr perfektes Wesen ist, das nicht ohne weiteres durch Maschinen ausgewechselt werden kann.«[99]

Das Beispiel der Halle 54 demonstrierte die Grenzen einer Automatisierungsstrategie, die unter dem Stichwort der »Vollautomatisierung« seit den 1950er-Jahren diskutiert und von verschiedenen Unternehmen angestrebt worden war. Dass auch die komplexe Endmontage möglichst weitgehend automatisiert werden sollte – 25 Prozent galten nur als der Anfang –, verdeutlicht die damals dominierende Vorstellung von der Ersetzbarkeit des Menschen. Die Roboter erwiesen sich jedoch als fehlerhaft. Bei VW zog man die Schlussfolgerung und kehrte der starken Automatisierungsstrategie vorerst den Rücken. Dies war kein Sonderweg von VW. Vielmehr stellt die Geschichte der Halle 54 ein besonders eindrückliches Beispiel für eine Neubewertung menschlicher Fähigkeiten in der Mitte der 1980er-Jahre dar. Unabdingbar ist hier indes eine Differenzierung zwischen dem zeitgenössischen Diskurs und der Automatisierungsstrategie der Unternehmen.

Kritiker der Automatisierung oder der KI-Forschung feierten in übersteigerter Euphorie die Wiederentdeckung der menschlichen Fähigkeiten oder forderten ein neues »anthropozentrisches Produktionskonzept«.[100] In der zeitgenössischen industriesoziologischen Forschung wurde der »menschliche Faktor« seit Mitte der 1980er-Jahre zu dem herausgehobenen Schlagwort. Nicht mehr das logische Denken und der Verstand wurden in erster Linie betont, sondern die Körperlichkeit des Menschen, seine praktischen Fähigkeiten, mithin genau diejenigen, die sich in der Halle 54 als so schwer automatisierbar erwiesen hatten. Dies korrespondierte mit einem Paradigmenwechsel in der KI-Forschung. Auch hier lässt sich in den 1980er-Jahren ein Wandel feststellen, der mit dem Stichwort des »embodiment« beschrieben wird – die Abkehr vom so genannten kognitiven Paradigma. Betont wurde nun, dass Intelligenz einen Körper brauche; implizit wurde somit die Überlegenheit des Menschen in nicht-logischen Bereichen anerkannt.[101]

Ähnlich stellten die Soziologin Bettina Heintz und die Wissenschaftshistorikerin Donna Haraway im Kontext der Debatte um die Grenzen des Computers in den 1980er-Jahren fest, dass nicht länger Rationalität und Logik als zentrale Charakteristika des Menschen genannt würden, sondern beispielsweise Phantasie, Improvisation, Intuition und Emotion. Haraway beobachtete »mit großem Vergnügen, wie traditionelle, weiße, westliche männliche Philosophen sich plötzlich mit dem Körper [...] identifizieren, wenn sie ihre Identität durch die Entscheidungsprozesse eines Computers bedroht sehen. Mensch sein, heißt für sie jetzt nicht mehr Geist, sondern Körper sein.«[102] Die Autorin spottete messerscharf über die Wiederentdeckung des »Faktors Mensch« und seiner angeblichen Überlegenheit im Vergleich mit der Maschine. Sie verwies damit auf die steten Versuche der Menschen, die Hoheit über die Maschinen zu behalten oder zurückzugewinnen. Dies geschah nun nicht mehr über den Verstand und die Logik allein, wie es Jahrhunderte lang für die Selbstpositionierung des Menschen zentral gewesen war, sondern über körperliches Wissen, über Erfahrungswissen und – wie im Fall der Halle 54 – über die Fähigkeit zur Einschätzung von Situationen, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit. Der Computer veränderte damit die Selbstdeutung des Menschen. Das electrical brain, das den Menschen mit seinen Steuerungs- und Kontrollfähigkeiten zu bedrohen schien, hatte offenbar Defizite – so die Erkenntnis der 1980er-Jahre, die die Kritiker der Automatisierung erleichterte bzw. deren Verfechter ernüchterte.

Die Geschichte der Automatisierung ist daher auch ein Beispiel für die Konflikte um die Positionsbestimmung des Menschen gegenüber dem Computer und dem Roboter. Anhand der Halle 54 lässt sich ein typisch anthropologisch-humanistischer Diskurs um das Mensch-Maschine-Verhältnis beobachten, bei dem die Kritiker der Automatisierung von einer Sonderstellung des Menschen ausgingen, die durch den Computer gefährdet zu sein schien. Umso triumphaler wurden dessen Grenzen kommentiert, ohne die Ambivalenzen dieses temporären Triumphs zu reflektieren.

Denn die Haltung von Unternehmen zur Automatisierung war und ist differenzierter. Offensichtlich ist, dass man Ende der 1980er-Jahre zunehmend – nicht nur bei VW und nicht nur in der Halle 54 – Abstand von der so genannten Vollautomatisierung nahm, also der Vorstellung, der Mensch sei ersetzbar, von Steuerungs- und Überwachungsaufgaben abgesehen. In den Folgejahren war vielfach kritisch von »overengineering«, »Überautomatisierung« oder »Sackgasse« die Rede.[103] Gleichwohl bedeutet dies lediglich im Hinblick auf den besonders komplexen Bereich der Endmontage eine andauernde und scharfe Zäsur. Die Automatisierung dieses Bereichs bleibt bis heute »too fiddly for robots to do well«.[104] Doch gab es keine prinzipielle Abkehr von der Automatisierungsstrategie. Zum einen ist nach unterschiedlichen Fertigungsbereichen zu differenzieren. Wie weiter oben erwähnt, lag der Automatisierungsgrad bei VW beispielsweise im Presswerk bereits Mitte der 1980er-Jahre bei 90 Prozent, während die Endmontage bis heute als nicht vollautomatisierbar gilt. Zum anderen lässt sich der Wandel in der Automatisierungsstrategie seit der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre als eine Verschiebung bezeichnen: Automatisierung setzte nun nicht mehr vorrangig und selbstverständlich auf die möglichst weitgehende Ersetzung des Menschen, sondern bezog ihn als unhintergehbaren Faktor in Automatisierungsprozesse ein, auch jenseits der bloßen Überwachung und Steuerung. 1990 wurde bei Volkswagen gewissermaßen salomonisch zusammengefasst: »Bei der zukünftigen Fertigungstechnik wird der Automatisierungsgrad problemorientiert weiter ausgebaut.«[105] In den einschlägigen Fachzeitschriften war auch ein Jahrzehnt später die Rede von einem »angepassten Automatisierungsniveau«[106] bzw. von »›hybrid‹ production systems rather than entirely new production concepts«.[107]

3. Zeithistorische Zäsuren?

Für die Frage nach möglichen Zäsuren in den 1970er- oder 1980er-Jahren, wie sie die zeithistorische Diskussion nun schon seit einigen Jahren beschäftigt,[108] eröffnet der technikhistorische Blick auf die Geschichte der Automatisierung neue Perspektiven. Die Halle 54 bei Volkswagen ist ein herausragendes, weithin wahrgenommenes Beispiel, das die Debatte um die Position des Menschen in der industriellen Produktion wie unter dem Brennglas zeigt. Sie stand in der damaligen Wahrnehmung geradezu paradigmatisch für die Betonung menschlicher Fähigkeiten bzw. gar für die Restitution der Annahme, der Mensch sei der Maschine überlegen. Verständlich wird dieser teils überschießende Diskurs allerdings nur vor dem Hintergrund der Künstlichen Intelligenz-Forschung und deren frühen Erfolgen, die die Überlegenheit des Menschen in Frage gestellt hatten. Demgegenüber kam es auch im Hinblick auf die industrielle Produktion angesichts der Feststellung von Grenzen der Automatisierung zu einem (temporären) Hype um den Menschen, den viele nun in zentraler Stellung zurück in der Produktion sahen. Diese teils überbordenden Erwartungen sind, so meine These, nur verständlich mit Blick auf das Mensch-Maschine-Verhältnis und dessen Bewertung im 20. Jahrhundert. Im Kontext industrieller Produktion spiegelt sich eine Haltung wider, die von der Sonderstellung des Menschen ausging und die fehlerhaften Roboter geradezu als Triumph überlegener menschlicher Fähigkeiten feierte – wobei die Rolle des Menschen in der Produktion mitunter überbewertet wurde. Schließlich ging die Automatisierung weiter, wenn auch, bis in die 2000er-Jahre hinein, in »angepasster« Weise.

Als eine übergreifende Tendenz im 20. Jahrhundert zeigt sich zweifellos eine Kontinuität im unternehmerischen Ziel, den fehlerhaften Menschen durch Maschinen zu ersetzen. Dabei entpuppte sich allerdings gerade die Phase der Umsetzung von Automatisierungsvisionen in den 1970er- und 1980er-Jahren als Erfahrung praktischer Grenzen dieser Technisierungsstrategie, ohne dass es allerdings zu einer völligen Kehrtwende geführt hätte. Wie gezeigt, war seit den Erfahrungen der genannten Grenzen von »angepasster« Automatisierung die Rede, und das Konzept der Vollautomatisierung wurde (vorerst) aufgegeben – im Bereich der komplexen Endmontage bis heute.

Adelheid von Saldern und Rüdiger Hachtmann haben in dieser Zeitschrift konstatiert, dass sich die »Deutungskraft« fordistischer Konzepte »seit der Mitte der 1970er-Jahre, in der so genannten postfordistischen Phase, beträchtlich« abgeschwächt habe.[109] Doch sprechen auch sie nicht von einer Abkehr, sondern von »Unübersichtlichkeit« und Vermischungen. An anderer Stelle hat Hachtmann erneut die These vertreten, dass »die Rede vom ›Abschied vom fordistischen Fabriksystem‹ wie überhaupt vom ›Postfordismus‹ voreilig« sei.[110] »Seither ist eine neue Unübersichtlichkeit von mehr oder weniger innovativen Produktionskonzepten entstanden, einschließlich reaktualisierter Taylorismus-Strukturen und weiterhin existierender fordistischer Arbeitsplätze.«[111]

Wagt man einen Blick auf gegenwärtige Automatisierungsstrategien, lässt sich ganz ähnlich von einer Pluralisierung oder Unübersichtlichkeit der Konzepte sprechen. Denn Roboter wurden und werden weiterentwickelt, und vor allem hat man durchaus erfolgreich daran gearbeitet, dass sie Fehler oder Abweichungen im Prozess selbst erkennen und aus ihnen lernen können – anders formuliert: dass sie erfahrungsbasiertes Wissen sammeln. In jüngster Zeit finden sich unter dem Stichwort »Industrie 4.0« erneut Visionen einer hochautomatisierten Fabrik: »Maschinen entscheiden autonom, Geräte kommunizieren selbstständig untereinander, Anlagen und Werkzeuge können innerhalb kürzester Zeit an wechselnde Produkt- oder Produktionswünsche angepasst werden.«[112] Andere Entwicklungen zielen wiederum auf eine Zusammenarbeit von Mensch und Roboter im Arbeitsprozess.[113] Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) berichtet von der Entwicklung einer Software für Montagesysteme, die die »Stärken von Mensch und Roboter vereint«.[114] Was die Zeit seit den 1980er-Jahren zu kennzeichnen scheint, ist mithin vor allem das Nebeneinander und die Vermischung mannigfacher Konzepte, in denen das Verhältnis von Mensch und Maschine stets neu ausgehandelt wird. Der fehlerhafte Roboter und der fehlerhafte Mensch stehen weiterhin in Konkurrenz zueinander, aber auch in Kooperation.

Anmerkungen:

[1] [Ohne Autor,] Video Special, in: Kunstforum international 98 (1989), S. 171.

[2] So im PR-Film der Volkswagen AG: Fortschritt auf dem Prüfstand – Halle 54, 1983.

[3] Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall (im Folgenden: Metall), 17.2.1984, S. 13.

[4] Die Etablierung des Computers in der Industrie ist von Seiten der Geschichtswissenschaften noch kaum untersucht. Zum Einsatz des Computers in verschiedenen Branchen und Sektoren vgl. Annette Schuhmann, Der Traum vom perfekten Unternehmen. Die Computerisierung der Arbeitswelt in der Bundesrepublik Deutschland (1950er- bis 1980er-Jahre), in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 9 (2012), S. 231-256.

[5] Vgl. den historischen Überblick zum Mensch-Maschine-Verhältnis in: Martina Heßler, Kulturgeschichte der Technik, Frankfurt a.M. 2012, Kap. 7.

[6] Vgl. David A. Hounshell, Planning and Executing »Automation« at Ford Motor Company, 1945-65, in: Haruhito Shiomi/Kazuo Wada (Hg.), Fordism Transformed. The Development of Production Methods in the Automobile Industry, Oxford 1995, S. 49-86; Martin Schwarz, Fabriken ohne Arbeiter. Automatisierungsvisionen von Ingenieuren im Spiegel der Zeitschrift »automatik«, 1956–1972, in: Uwe Fraunholz/Sylvia Wölfel (Hg.), Ingenieure in der technokratischen Hochmoderne, Münster 2012, S. 167-178; Uwe Fraunholz, »Revolutionäres Ringen für den gesellschaftlichen Fortschritt«. Automatisierungsvisionen in der DDR, in: ders./Anke Woschech (Hg.), Technology Fiction. Technische Visionen und Utopien in der Hochmoderne, Bielefeld 2012, S. 195-220; sowie die ältere, aber weiterhin nützliche Überblicksdarstellung von Walter Kaiser, Technisierung des Lebens seit 1945, in: Hans-Joachim Braun/Walter Kaiser, Propyläen Technikgeschichte, Bd. 5: Energiewirtschaft, Automatisierung, Information seit 1914, Berlin 1992, unveränd. Neuausg. 1997, S. 283-529.

[7] Breit rezipiert wurde David F. Nobel, Forces of Production. A Social History of Industrial Automation, New York 1984.

[8] Horst Kern/Michael Schumann, Industriearbeit und Arbeiterbewußtsein. Eine empirische Untersuchung über den Einfluß der aktuellen technischen Entwicklung auf die industrielle Arbeit und das Arbeiterbewußtsein, Frankfurt a.M. 1970 (u.ö.); dies., Das Ende der Arbeitsteilung? Rationalisierung in der industriellen Produktion. Bestandsaufnahme, Trendbestimmung, München 1984 (u.ö.); für die Automobilindustrie: Ben Dankbaar/Ulrich Jürgens/Thomas Malsch (Hg.), Die Zukunft der Arbeit in der Automobilindustrie, Berlin 1988.

[9] Vgl. v.a. die Arbeiten von Fritz Böhle, z.B.: Grenzen und Widersprüche der Verwissenschaftlichung von Produktionsprozessen. Zur industriesoziologischen Verortung von Erfahrungswissen, in: Thomas Malsch/Ulrich Mill (Hg.), ArBYTE. Modernisierung der Industriesoziologie?, Berlin 1992, S. 87-132.

[10] Hier v.a. Kern/Schumann, Ende (Anm. 8).

[11] Vgl. Noble, Forces (Anm. 7); Christoph Deutschmann, Postindustrielle Industriesoziologie. Theoretische Grundlagen, Arbeitsverhältnisse und soziale Identitäten, Weinheim 2002, S. 166ff.

[12] Dies v.a. im Kontext des Programms »Humanisierung der Arbeit«; vgl. Michael Schumann, Das Jahrhundert der Industriearbeit. Soziologische Erkenntnisse und Ausblicke, Weinheim 2013, Einleitung.

[13] Vgl. ebd. und das Nachwort von Klaus Dörre im selben Band.

[14] Kern/Schumann, Ende (Anm. 8).

[15] Vgl. zur industriesoziologischen Diskussion rückblickend Schumann, Jahrhundert (Anm. 12). Aus historischer Perspektive vgl. Rüdiger Hachtmann/Adelheid von Saldern, »Gesellschaft am Fließband«. Fordistische Produktion und Herrschaftspraxis in Deutschland, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 6 (2009), S. 186-208.

[16] Der Aufsatz basiert vor allem auf Zeitschriften (auch der VW-Mitarbeiterzeitschrift »Autogramm«), Geschäftsberichten von VW, der im Unternehmensarchiv befindlichen Presse-Ausschnitt-Sammlung sowie einigen Akten. Im Unternehmensarchiv von Volkswagen gibt es eine 30-jährige Sperrfrist für die Nutzung der Akten, so dass überwiegend auf publiziertes Material zurückgegriffen werden muss.

[17] David A. Hounshell, From the American System to Mass Production, 1800–1932, Baltimore 1984, S. 19f.

[18] Vgl. z.B. Wolfgang König, Kontrollierte Arbeit = optimale Arbeit? Frederick Winslow Taylors Programmschrift der Rationalisierungsbewegung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 6 (2009), S. 315-319.

[19] C.M. Dolezalek, Automatisierung in der Mengenfertigung, in: Der Betrieb 20 (1938), S. 557-560, hier S. 557.

[20] Eric W. Leaver/John J. Brown, Machines Without Men, in: Fortune Nr. 5/1946, S. 165, S. 192, S. 194, S. 196, S. 199f., S. 203f., hier S. 199, S. 203.

[21] Vgl. Käte Meyer-Drawe, Menschen im Spiegel ihrer Maschinen, München 1996, 2. Aufl. 2007, S. 20f.

[22] Vgl. z.B. Michael Hagner/Erich Hörl (Hg.) Die Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik, Frankfurt a.M. 2008, darin bes. die Aufsätze der Herausgeber.

[23] Vgl. Frank Dittmann, Maschinenintelligenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, in: Claus Pias (Hg.), Zukünfte des Computers, Zürich 2005, S. 133-156.

[24] Diese Debatten wurden vor allem in den 1950er- und in den 1970er-Jahren geführt. Zu den 1970er-Jahren vgl. den kurzen Überblick bei Schuhmann, Traum (Anm. 4), S. 248-252.

[25] Norbert Wiener, Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine, Düsseldorf 1968 (zuerst 1948), S. 50.

[26] Kaiser, Technisierung (Anm. 6), S. 410ff.

[27] Günter Ropohl, Die Entstehung flexibler Fertigungssysteme in Deutschland, in: Technikgeschichte 58 (1991), S. 331-343.

[28] Vgl. ebd. und Kaiser, Technisierung (Anm. 6), S. 419ff.

[29] Schumann, Jahrhundert (Anm. 12), S. 10.

[30] Vgl. Hounshell, Planning (Anm. 6), S. 63f.

[31] Olaf von Fersen, Ein Jahrhundert Automobiltechnik, Düsseldorf 1986, S. 518.

[32] Ebd.; vgl. auch Kern/Schumann, Ende (Anm. 8), S. 53.

[33] Von Fersen, Jahrhundert (Anm. 31), S. 518.

[34] Autogramm. Die Zeitschrift für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Marke Volkswagen (im Folgenden: Autogramm) Nr. 5/1984, S. 3. In: Unternehmensarchiv Volkswagen Aktiengesellschaft (im Folgenden: UVW).

[35] Reinhold Bauer, Ölpreiskrisen und Industrieroboter: Die siebziger Jahre als Umbruchphase für die Automobilindustrie in beiden deutschen Staaten, in: Konrad H. Jarausch (Hg.), Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008, S. 68-83, hier S. 77f.

[36] Arnaldo Camuffo/Guiseppe Volpato, Building Capabilities in Assembly Automation: Fiat’s Experience from Robogate to the Melfi Plant, in: Koichi Shimokawa/Ulrich Jürgens/Takahiro Fujimoto (Hg.), Transforming Automobile Assembly. Experience in Automation and Work Organization, Berlin 1997, S. 166-188, hier S. 171.

[37] Metall, 17.2.1984, S. 15.

[38] Stephanie Tilly/Florian Treibel (Hg.), Automobilindustrie 1945–2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013.

[39] Ben Dankbaar, Die Zukunft in der Automobilindustrie, in: ders./Jürgens/Malsch, Zukunft (Anm. 8), S. 13-31, hier S. 13.

[40] Ebd.

[41] Manfred Grieger, Die »geplatzte Wirtschaftswundertüte«. Die Krisen 1966/67 und 1973/75 im deutschen Symbolunternehmen Volkswagen, in: Tilly/Treibel, Automobilindustrie (Anm. 38), S. 23-75.

[42] Jährliche Geschäftsberichte der Volkswagen AG (im Folgenden: VW-Geschäftsbericht) 1976, S. 11.

[43] VW-Geschäftsbericht 1978, S. 14.

[44] VW-Geschäftsbericht 1977, S. 41; 1979, S. 39.

[45] Vgl. auch die Einschätzung Dankbaars, dass die Interpretationen der japanischen Erfolge eine wichtige Rolle für die Automatisierung bzw. später dann für neue Managementmethoden gespielt hätten: Dankbaar, Zukunft (Anm. 39), S. 20.

[46] Autogramm Nr. 7-8/1981, S. 1.

[47] Autogramm Nr. 5/1981, S. 3.

[48] Auto-Industrie: Nichts Vergleichbares, in: Spiegel, 12.9.1983, S. 69-73, hier S. 69.

[49] Camuffo/Volpato, Building Capabilities (Anm. 36), S. 170. Vgl. auch Takahiro Fujimoto, Strategies for Assembly Automation in the Automobile Industry, in: Shimokawa/Jürgens/Fujimoto, Transforming (Anm. 36), S. 211-237. Eine bekannte Ausnahme stellte Volvo dar. Das Werk Kalmar, 1974 eröffnet, war die »erste Automobilmontagefabrik auf der Welt ohne mechanisch geschaltete Bänder«. Vgl. Christian Berggren, Von Ford zu Volvo. Automobilherstellung in Schweden, Berlin 1991, S. 135.

[50] Bruno Cattero, Lavorare alla Fiat. Arbeiten bei VW. Technologie, Arbeit und soziale Regulierung in der Automobilindustrie, Münster 1998, S. 222.

[51] Metall, 23.9.1983, S. 28; 17.2.1984, S. 12.

[52] VW-Geschäftsbericht 1983, S. 57, S. 65.

[53] Autogramm Nr. 10/1981, S. 5; Nr. 11/1981, S. 1f. (zum Presswerk); Nr. 1/1982, S. 3 (zum Rohbau); Nr. 2/1982, S. 5 (zur Lackiererei).

[54] Autogramm Nr. 3/1986, S. 5.

[55] Vgl. z.B. Helmut Schelsky, Die sozialen Folgen der Automation, Düsseldorf 1957, v.a. S. 15, oder Friedrich Pollock, Automation. Materialien zur Beurteilung der ökonomischen und sozialen Folgen, Mannheim 1956.

[56] Autogramm Nr. 11/1981, S. 1; Nr. 1/1982, S. 3; Nr. 11/1983, S. 5.

[57] Autogramm Nr. 2/1982, S. 5.

[58] Z.B. Autogramm Nr. 9/1981, S. 3.

[60] Münchner Merkur, 14.3.1984; vgl. die Zeitungsausschnitt-Sammlung in UVW Z 368/269/2.

[61] Metall, 8.7.1983, S. 21; 26.8.1983, S. 28.

[62] Autogramm Nr. 4/1984, S. 3; Nr. 3/1987, S. 7.

[63] Autogramm Nr. 1/1982, S. 3.

[64] Autogramm Nr. 10/1984, S. 3.

[65] Die IG Metall entwarf ein anderes Bild. Aufgrund einer Erhebung im Kontext des Aktionsprogramms »Arbeit und Mensch« betonte sie die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen infolge der Automatisierung. Die Umfrage bezog sich auf alle von der IG Metall vertretenen Branchen. Vgl. Metall, 18.10.1985, S. 12-15.

[66] Lisanne Bainbridge, Ironies of Automation [1983], in: Jens Rasmussen/Keith Duncan/Jacques Leplat (Hg.), New Technology and Human Error, Chicester 1987, S. 276-283.

[67] Koichi Shimokawa/Ulrich Jürgens/Takahiro Fujimoto, Introduction, in: dies., Transforming (Anm. 36), S. 1-16, hier S. 5.

[68] Franz Köhne, Praxis der Montageautomatisierung am Beispiel der Automobilindustrie, in: VDI-Berichte Nr. 479/1983, S. 1-13, hier S. 13.

[69] Gerold Lingnau, Mit Robotern und neuen Ideen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.8.1984, S. 11.

[70] Joh.-Chr. Spira, Geheimes Roboter-Revier: Halle 54 in Wolfsburg, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.8.1983, S. 30.

[71] Von Fersen, Jahrhundert (Anm. 31), S. 519ff.

[72] Ebd., S. 524.

[73] Kern/Schumann, Ende (Anm. 8), S. 65.

[74] Ebd., S. 97.

[75] Thomas Malsch, Konzernstrategien und Arbeitsreform in der Automobilindustrie am Beispiel der Arbeitsintegration, in: Dankbaar/Jürgens/Malsch, Zukunft (Anm. 8), S. 62-79, hier S. 72. Vgl. auch Kern/Schumann, Ende (Anm. 8), S. 97; Cattero, Lavorare (Anm. 50), S. 108.

[76] Vgl. Statement des Betriebsrats in PR-Film von 1983 (Anm. 2).

[77] Autogramm Nr. 5/1983, S. 5.

[78] Zukunft in menschenleeren Hallen (Anm. 59). Rüdiger Hachtmann wies kürzlich darauf hin, dass die Gewerkschaften lange eine positive Haltung gegenüber tayloristisch-fordistischer Rationalisierung einnahmen. Für die 1970er-Jahre konstatiert er dann »eine Art Paradigmenwechsel im gewerkschaftlichen Rationalisierungsdiskurs«. Vgl. Rüdiger Hachtmann, Gewerkschaften und Rationalisierung: Die 1970er Jahre – ein Wendepunkt?, in: Knud Andresen/Ursula Bitzegeio/Jürgen Mittag (Hg.), »Nach dem Strukturbruch«? Kontinuität und Wandel von Arbeitswelt(en) seit den 1970er-Jahren, Bonn 2011, S. 181-209, hier S. 198. Die Debatte der Gewerkschaften um den Einsatz neuer Technologien und um Automatisierung in den 1970er- und 1980er-Jahren ist allerdings noch nicht systematisch untersucht.

[79] Autogramm Nr. 11/1983, S. 5.

[80] Autogramm Nr. 11/1984, S. 4.

[81] Ebd.

[82] Vgl. den PR-Film von 1983 (Anm. 2).

[83] Zit. nach Auto-Industrie: Nichts Vergleichbares (Anm. 48), S. 70.

[84] Camuffo/Volpato, Building Capabilities (Anm. 36), S. 180.

[85] Maryann Keller, Rude Awakening, New York 1989.

[86] Joy Parr, Sensing Changes. Technologies, Environments and the Everyday 1953–2000, Vancouver 2010; Sonja Petersen, Vom »Schwach-Starktastenkasten« und seinen Fabrikanten. Wissensräume im Klavierbau 1830 bis 1930, Münster 2011.

[87] Michael Polanyi, Implizites Wissen, Frankfurt a.M. 1985, S. 14.

[88] Ebd., S. 27.

[89] Harry Collins, Tacit and Explicit Knowledge, Chicago 2010.

[90] 1984 wurde in der firmeninternen Zeitschrift »Autogramm« allerdings davon gesprochen, dass »möglicherweise schon in 20 Jahren […] die intelligente Maschine Wirklichkeit ist, die nicht mehr nur einem Programm gehorcht und Befehle ausführt, sondern die selbsttätig ihre Umgebung beobachtet, sie analysiert und darauf reagiert«. Vgl. Autogramm Nr. 4/1984, S. 3.

[91] Ropohl fasste 1991 zusammen, dass »Fertigungsbetriebe das technische Können und Wissen, das sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, soweit wie möglich von den Zufälligkeiten des menschlichen Arbeitseinsatzes abzulösen bestrebt sind«. Vgl. Ropohl, Entstehung (Anm. 27), S. 340.

[92] Vgl. Joseph Weizenbaum, Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft, Frankfurt a.M. 1978, S. 268.

[93] Hubert Dreyfus, Die Grenzen künstlicher Intelligenz. Was Computer nicht können, Königstein/Ts. 1985, S. 248-255. Die amerikanische Erstausgabe war 1972 erschienen.

[94] Marvin Minsky, Mentopolis, Stuttgart 1990, S. 72.

[95] Autogramm Nr. 3/1986, S. 5.

[96] Autogramm Nr. 7-8/1986, S. 3.

[97] Wirtschaftswoche, 13.9.1991, S. 52.

[98] Die alten Strukturen durchbrechen. Interview mit Folker Weißgerber, Vorstand Produktion und Logistik, in: Fertigung, Januar 1993, S. 12, S. 14f., hier S. 14.

[99] Autogramm Nr. 10/1983, S. 1 (Interview mit Hartwich).

[100] Vgl. z.B. Peter Brödner, Fabrik 2000. Alternative Entwicklungspfade in die Zukunft der Fabrik, Berlin 1985.

[101] Vgl. Dittmann, Maschinenintelligenz (Anm. 23), S. 149. Dies heißt nicht, dass die KI-Forschung von der angestrebten Ersetzung des Menschen absah. Lediglich die »Strategie« wurde verändert.

[102] Zit. nach Jutta Weber, Umkämpfte Bedeutung. Natur im Zeitalter der Technoscience, Frankfurt a.M. 2003, S. 170.

[103] Automatisierung steht auf dem Prüfstand, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.8.2001, S. 24; Chrysler-Vizechef Bob Lutz kritisiert Strategie der Konkurrenz. Automatisierung führt in eine Sackgasse, in: Handelsblatt, 10.1.1997, S. 11; Gunter Lay/Elna Schirrmeister, Sackgasse Hochautomatisierung? Praxis des Abbaus von Overengineering in der Produktion. Fraunhofer Institut Systemtechnik und Innovationsforschung, Mitteilungen aus der Produktionsinnovationserhebung Nr. 22, Mai 2001, S. 1, URL: <http://www.isi.fraunhofer.de/isi-wAssets/docs/i/de/pi-mitteilungen/pi22.pdf>.

[104] Automation. Making the Future, in: The Economist, Special Report, 21.4.2012, S. 17f., hier S. 17.

[105] Autogramm Nr. 11/1990, S. 17. Heute liegt der Automatisierungsgrad in der Halle 54 bei ca. 30 Prozent, so die Auskunft während einer Werksführung am 18.6.2014.

[106] Lay/Schirrmeister, Sackgasse (Anm. 103), S. 1.

[107] Shimokawa/Jürgens/Fujimoto, Introduction (Anm. 67), S. 12.

[108] Inzwischen liegt eine Fülle von Literatur vor. Einen Bezugspunkt bildet meist der Essay von Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008, 3., ergänzte Aufl. 2012. Für den Wandel der Arbeitswelten vgl. Andresen/Bitzegeio/Mittag, »Nach dem Strukturbruch«? (Anm. 78), insbesondere die Einleitung.

[109] Adelheid von Saldern/Rüdiger Hachtmann, Das fordistische Jahrhundert: Eine Einleitung, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 6 (2009), S. 174-185, hier 184f.

[110] Hachtmann, Gewerkschaften (Anm. 78), S. 183.

[111] Von Saldern/Hachtmann, Das fordistische Jahrhundert (Anm. 109), S. 185.

[112] Vgl. z.B. Christa Friedl/Udo Schnell, Industrie 4.0: Update für die Fabrik der Zukunft, in: Fertigungstechnik, 18.2.2013, URL: <http://www.maschinenmarkt.vogel.de/themenkanaele/automatisierung/fertigungsautomatisierung_prozessautomatisierung/articles/394841/>.

[113] Vgl. hierzu etwa Claus Lenz u.a., Joint-Action for Humans and Industrial Robots for Assembly Tasks, in: Proceedings of the 17th IEEE International Symposium on Robot and Human Interactive Communication, Technische Universität München, Munich, Germany, August 1-3, 2008, S. 130-135, URL: <https://www.researchgate.net/publication/4363389_Joint-Action_for_Humans_and_Industrial_Robots_for_Assembly_Tasks>.

[114] Jörg Walz, Effiziente Arbeitsteilung zwischen Mensch und Roboter in der Montage, Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), 9.9.2013, URL: <http://idw-online.de/de/news550562>.

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