Die Vermarktung des Zeitgeists

Nicoles „Ein bißchen Frieden“ (1982) als akustisches und visuelles Dokument

Anmerkungen

Nicole, Ein bißchen Frieden, Text: Bernd Meinunger/Musik: Ralph Siegel. Der Text findet sich (auch in Übersetzungen) z.B. unter http://www.diggiloo.net/?1982de.

 

Dass im Grand Prix d’Eurovision de la Chanson 1982 „ausgerechnet eine deutschsprachige Interpretin mit einem Friedenslied bei den europäischen Nachbarn punktete“, kann nur im Rückblick verwundern.1 Im Gegenteil, es war ein professionell geplanter Zufall, dass der Produzent und Komponist Ralph Siegel und der Autor Bernd Meinunger mit „Ein bißchen Frieden“ – vorgetragen von Nicole – Erfolg hatten.2 Das Lied passte offenbar perfekt in die Zeit: Anfang der 1980er-Jahre gehörte „Frieden“ nicht allein in der Bundesrepublik zu den politisch und emotional besonders stark aufgeladenen Begriffen.3 Die Friedensbewegung mit ihren Protesten gegen den NATO-Doppelbeschluss war omnipräsent.4 Zudem war Großbritannien, das Gastgeberland des Grand Prix, just im April 1982 in einen „heißen“ Krieg verwickelt (dies hatten Siegel und Meinunger natürlich nicht vorausahnen können). Am Tag nach der Austragung des Wettbewerbs sollte der erste britische Flottenverband im Südatlantik eintreffen, um die kurz zuvor von Argentinien besetzten Falklandinseln zurückzuerobern. Nicole gewann daher auch das sonst deutschen Schlagern gegenüber wenig aufgeschlossene britische Publikum und hielt sich dort (mit der englischen Fassung) 2 Wochen an der Spitze der Charts.5 Völlig unangefochten holte sie mit 161 von 204 Punkten den Sieg und damit – nach 27 Jahren Grand Prix – diesen Preis zum ersten Mal „für Deutschland“.6

„Es ist wohl die Zeit und ihre Spannung, die in vielen Ländern ein bißchen dazu beigetragen hat, daß dieses Lied, das ein bißchen Hoffnung mit den einfachen schlichten Worten der Schlagermusik für den Frieden ausspricht, das Votum bekam“ – so kommentierte der Moderator der ARD den zunächst „erstaunlich“ wirkenden Erfolg der 1964 geborenen Gymnasiastin Nicole Hohloch.7 Selbst das Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) kam zähneknirschend zu der Erkenntnis, dass Nicole „eine Mission erfüllt“ habe – obwohl sie weder rhetorisch geschult noch musikalisch begabt sei. Sie habe „auf unprätentiöse Weise“ einen allgemeinen Wunsch nach Frieden zum Ausdruck gebracht.8 „Ein bißchen Frieden“ wurde zeitgenössisch auch als politisches Lied verstanden, obwohl Nicole (bzw. ihr Texter und Produzent) menschliche Friedenssehnsucht nur in sehr allgemeine, individuell-persönliche Begriffe fasste, ohne in der politischen Debatte über die Nachrüstung Stellung zu beziehen. Sie verfolge mit ihrem Lied keine politischen Absichten, gab Nicole im „BRAVO“-Interview entwaffnend zu Protokoll: „Politik interessiert mich nicht.“ Zwar imponierten ihr die Jugendlichen, die bei der Friedensbewegung mitmachten. „Aber ich glaube nicht, daß sie in der Welt etwas verändern können.“9

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BRAVO, 19.5.1982, Cover und S.22

Wird das Lied heute wie damals oft als politisch naiv, künstlerisch anspruchslos und musikalisch wenig innovativ belächelt,10 so war die Interpretin, der die „FAZ“ ein „mickriges Stimmchen“ attestierte, für den Anlass perfekt inszeniert. „Ein bißchen Frieden“ war das Resultat der professionellen Arbeit von Siegel und Meinunger, die in den 1980er-Jahren die deutschen Vorentscheidungen dominierten. Sie verstanden die Erfolgsbedingungen des Grand Prix und konnten das nationale Publikum ebenso für sich gewinnen wie die internationale Jury (die es 1982 noch gab). In der Endrunde hatten sie den ersten Platz mehrfach nur knapp verfehlt. 1980 und 1981 hatten sie mit „Theater“ (Katja Ebstein) und „Johnny Blue“ (Lena Valaitis) im europäischen Finale jeweils den zweiten Platz errungen und 1979 (in Israel) mit „Dschingis Khan“ einen viel diskutierten vierten Platz geschafft. Bis 1999 zogen Siegel/Meinunger regelmäßig in die Finalrunde ein.

Die kulturhistorische Signifikanz von „Ein bißchen Frieden“ erschließt sich besonders durch einen Blick auf die dahinter stehende Mannschaft. Siegel wollte ein Massenpublikum erreichen. Um beim Grand Prix zu gewinnen, musste er ein marktfähiges Produkt schaffen, das den Zeitgeist einfing. Während Siegel, so hat es Meinunger rückblickend nach 20 Jahren gesagt, 1982 „unbedingt ein Friedenslied machen“ wollte, habe er selbst, wenn überhaupt, „höchstens ein bißchen Frieden“ thematisieren wollen. Damit sei der Titel, „die Zeile“, gefunden worden.11 Diese Zeile wiederum hat sich zusammen mit dem visuellen Eindruck einer engelsgleich ausstaffierten Sängerin hinter einer übergroß wirkenden weißen Gitarre und der träumerischen, von Harfenklängen unterstützten Musik sowie mit dem Nimbus des erstmaligen bundesdeutschen Siegs als markantes kulturgeschichtliches Ereignis in das Kollektivbewusstsein eingegraben.

Nicole, Ein bißchen Frieden (Harrogate/Großbritannien, 1982)

Textlich und musikalisch enthält das Lied eine Dynamik, die durch überaus konventionelle stilistische Mittel wie das allmähliche Hinzunehmen von weiteren Instrumenten und Sängern sowie sukzessive Rückungen erzielt wird. Die Sängerin, deren Stimme den zerbrechlichen und kindhaften Eindruck unterstützt, setzt verhalten ein, beginnt bei sich selbst, vergleicht sich mit einer „Blume am Winterbeginn“, einem „Feuer im eisigen Wind“ und – einem für Kinder nachvollziehbaren Stereotyp – „mit einer Puppe, die keiner mehr mag“. In der ohne Refrain direkt anschließenden zweiten Strophe geht der Blick bangend nach oben: Nicole sieht am Himmel Wolken, hört die Schreie der Vögel, singt „aus Angst vor dem Dunkel“ ihr Lied und hofft, dass „nichts geschieht“. Dies konnte, ohne dass es im Text gesagt würde, im Kontext der Zeit Assoziationen an Atomkriegsängste wecken (wodurch die typische Angst des Kindes vor dem Dunkeln in einen anderen Referenzrahmen gestellt wird). Einträge auf (heutigen) Fanseiten legen entsprechende zeitgenössische Deutungen durch das Publikum nahe.12

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Der zweiten Strophe folgt der einmal wiederholte Refrain mit der Titelzeile, der den Wunsch nach Frieden, Träumen, Sonne und Liebe zum Ausdruck bringt – und danach, „daß die Menschen nicht so oft weinen“. Die dritte Strophe hebt erneut die Machtlosigkeit der Sängerin hervor und greift mit der Ohnmacht des Individuums angesichts überindividueller Mächte ein beliebtes Motiv der Musikgeschichte der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre auf:13

Ich weiß, meine Lieder, die ändern nicht viel
Ich bin nur ein Mädchen, das sagt, was es fühlt
Allein bin ich hilflos, ein Vogel im Wind
Der spürt, daß der Sturm beginnt

Im dramatischen Finale erhebt sich Nicoles Stimme über den vom Chor nun kontinuierlich wiederholten Refrain. Mit dieser weiteren Steigerung wird das Publikum angesprochen und von der Sängerin aufgefordert, in ihr Friedenslied einzustimmen: „Singt mit mir ein kleines Lied, daß die Welt in Frieden lebt.“ Der dahinter gelegte Refrain endet mit Zeilen der Hoffnung: „Ein bißchen Frieden, ein bißchen Liebe / daß ich die Hoffnung nie mehr verlier.“

Siegel/Meinunger bedienten sich musikalischer und lyrischer, aber auch visueller Klischees. Nicoles Erfolg ist im Rückblick insofern bemerkenswert, als die Jahre um 1980 eine Phase großer musikalischer Innovation in der westdeutschen Musikgeschichte waren. Jenseits des deutschsprachigen Schlagers setzte sich als Antwort auf anglo-amerikanische Rockgruppen nun deutschsprachige Populärmusik durch. „Krautrock“ und „Neue Deutsche Welle“ (NDW) hatten gerade auch mit politisch engagierten Texten Erfolg. Diesem Genre ist „Ein bißchen Frieden“ ganz und gar nicht zuzurechnen. Dennoch scheint der Schlager Anfang der 1980er-Jahre etwas von der politischen Unruhe der Zeit aufgenommen zu haben, allerdings mit einer stark unpolitischen Wendung.14 Andere Schlagersänger der Zeit nahmen sich ebenfalls des Themas „Frieden“ an, so etwa Hans Hartz mit „Die weißen Tauben sind müde“ (1982).

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„Ein bißchen Frieden“ ist nicht allein als Text- und Tondokument aufschlussreich, sondern auch als visuelles Zeugnis. Eine Suche nach Bildmaterial im Internet generiert zunächst vor allem Reproduktionen des Plattencovers der Single. Hier wird Nicole in der durch den Wettbewerb bekannten sitzenden Stellung abgebildet, im engelhaften Glitzerkostüm und mit ihrem Markenzeichen, der weißen Gitarre.15 Das Plattencover dürfte zu den markanten Ikonen der bundesrepublikanischen Kulturgeschichte gehören, weil es – jedenfalls von der mittleren (und älteren) Generation – sofort abgerufen und zugeordnet werden kann, wie überhaupt „Nicole“ als Stichwort auch in seriösen historiographischen Darstellungen sehr präsent zu sein scheint.16 In dem vom ZDF organisierten Wettbewerb „Unsere Besten“ wurde Nicole 2003 unter die „100 größten Deutschen“ gewählt.17 2005 landete „Ein bißchen Frieden“ in der Kategorie „Jahrhunderthits“ auf Platz 7.18

Der Erfolg von Siegel/Meinunger bzw. Nicole steht im Kontext des Wandels der politischen Kultur Anfang der 1980er-Jahre und der Konstruktion einer „geistig-moralischen Wende“ um 1980. Nicole wirkt wie ein Aushängeschild der nostalgischen Rückbesinnung auf die „Fünfziger“, welche mit dem Ende des sozialdemokratischen „Roten Jahrzehnts“ und dem Amtsantritt von Helmut Kohl als Kanzler zusammenfällt. Die Sängerin transportierte im zeitgenössischen Kontext als „konservativ“ bzw. christdemokratisch zu kategorisierende Werte wie Häuslichkeit, Familiensinn, sexuelle Zurückhaltung, kirchliche Bindung, Fleiß, Disziplin und Akzeptanz überkommener – auch geschlechtsspezifischer – Hierarchien.

Diesen konservativen Grundzug unterstreichen einerseits Nicoles Inszenierung im Wettbewerb 1982 sowie bei späteren Auftritten (mädchenhafte Unschuld, eine Szenerie wie am Lagerfeuer christlicher Pfadfinder, eine bewusst „katholische“ Ausstrahlung, Konzerte in Kirchen usw.), anderseits auch ihre Interviews und ihre Darstellungen in der Presse. „BRAVO“ lichtete sie im trauten Kreis einer intakten Familie ab, in ihrem Zimmer, das sich von demjenigen eines durchschnittlichen Teenagers nicht unterschied, und berichtete vom üblichen Alltag einer Gymnasiastin, mit langem Schulweg und Hausaufgaben. Nicole wurde als eine „Anti-Revoluzzerin“ gezeichnet; sie trage keine Miniröcke, trete nie in „einer durchsichtigen Bluse“ auf, „noch schminkt sie sich grellbunt“. Mit harten Jungs wie „Police-Boss“ Sting (der ihr im Hotel die Aufwartung machte) wusste sie in London nicht viel anzufangen. Sie stehe „eher auf Softies wie Barry Manilow“.19

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Die Gender-Dimension ist noch in anderer Hinsicht aufschlussreich: Im Grand Prix gibt es eine lange Tradition sehr junger Siegerinnen, die von älteren und arrivierten Männern inszeniert werden. Sehr junge Männer haben indes kaum Chancen auf den Titelgewinn. Nicole entsprach genau diesem Muster, an das im Jahr 2010 noch das Team Raab und Meyer-Landrut (auch Lena wird meist nur mit dem Vornamen genannt) anknüpfen konnte. Fotos zeigen Nicole als schutzbedürftiges Mündel mit den Impressarios des Showbusiness – etwa Dieter Thomas Heck, der ihr bei der „Hitparade“ schützend die Hand auf die Schulter legte.20 Auch das Video der Siegerehrung 1982 spricht Bände: Auf dem Weg zum Podium hält Siegel die Sängerin fest im Griff und bugsiert sie in die richtige Richtung. So bildete Nicole einen starken Kontrast zu erfolgreichen Musikerinnen wie Nena, die ganz und gar nicht diesen konservativen Rollenklischees entsprachen.

Nicht zuletzt stellt „Ein bißchen Frieden“ eine Quelle zur Selbstverständigung über den Ort der Bundesrepublik in der Welt dar. So hob die zeitgenössische Berichterstattung darauf ab (in Erinnerung an deutsche Bombenangriffe), dass Nicole „ausgerechnet in England“ reüssierte. Es war vermutlich auch ein Marketing-Trick, dass Nicole bei der traditionellen Wiederholung des Siegersongs diesen nicht allein in ihrer Muttersprache sang (wie es das Reglement des Wettbewerbs vorsah), sondern auch auf Englisch, Französisch und Niederländisch. Dass die aus dem Saarland stammende Nicole „in Fremdsprachen gut“ war („BRAVO“), dürfte nicht nur im Ausland positiv angekommen sein, sondern gerade beim (west)deutschen Publikum, das nach internationaler Anerkennung verlangte. Die Berliner „Tageszeitung“ zog 1982 diese erinnerungspolitischen Mechanismen durch den Kakao, reflektierte damit aber doch über bundesdeutsche Befindlichkeiten: „Endlich sind wir wieder wer. Nachdem wir uns in den letzten Jahren immer nur auf den letzten Rängen des Grand Prix […] herum gedrückt haben, […] hat sie es in diesem Jahr geschafft: Unsere Nicole. Ein sauberes und anständiges deutsches Mädel im einfachen, nicht so tief dekolletierten Kleid, die sich nicht scheute, selbst in die Saiten ihrer Klampfe zu greifen, hat unsere Hoffnungen in das deutsche Liedgut nicht enttäuscht. […] Daß ihr Sieg wohlverdient war, bewies der krönende Abschluß dieses festlichen und bewegenden Abends: Dank der hervorragenden humanistischen Bildung der jungen Deutschen sang sie das preisgekrönte Lied in allen Sprachen Europas.“21 Dieser Europabegriff war wohlgemerkt ein rein westlicher, selbst wenn anschließend auch eine russische und eine polnische Version des Lieds entstand.

Hört und sieht man „Ein bißchen Frieden“ nach 30 Jahren, so scheint sich hier der Zeitgeist der 1980er-Jahre exemplarisch auszudrücken. Indes sollte man den Song keineswegs als Gegensatz zu einer wachsenden Pluralisierung, Individualisierung und Konsumorientierung missverstehen, gegen die (wert)konservative Kreise im Zeichen der „Wende“ ostentativ kämpften. Im Gegenteil: Dass Nicole mit ihrem „kleinen Lied“ vom Frieden solchen Erfolg hatte, zeigt die Kommerzialisierung und „Vermassung“ gerade des volkstümlichen Schlagers ebenso markant wie eine nachhaltige und auch erwünschte Individualisierung.

Anmerkungen: 

1 So aber Sebastian Peters, Ein Lied mehr zur Lage der Nation. Politische Inhalte in deutschsprachigen Popsongs, Berlin 2010, S. 254.

2 Traditionell wird der Preis nicht Interpreten verliehen, sondern Komponisten und Textern.

3 Die Emotionengeschichte des Friedens in den 1980er-Jahren ist noch nicht geschrieben; wichtige Hinweise bei Susanne Schregel, Konjunktur der Angst. „Politik der Subjektivität“ und „neue Friedensbewegung“, 1979–1983, in: Bernd Greiner/Christian Th. Müller/Dierk Walter (Hg.), Angst im Kalten Krieg, Hamburg 2009, S. 495-520, und Judith Michel, „Richtige“ und „falsche“ Angst in der westdeutschen Debatte um den Nato-Doppelbeschluss, in: Patrick Bormann/Thomas Freiberger/Judith Michel (Hg.), Angst in den Internationalen Beziehungen, Göttingen 2010, S. 251-272; Philipp Gassert, Popularität der Apokalypse: Zur Nuklearangst seit 1945, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 61 (2011) H. 46, S. 48-54. Zur Kulturgeschichte der Atomkriegsangst bearbeitet Philipp Baur in Augsburg ein Dissertationsprojekt. Siehe demnächst ders., Nukleare Untergangszenarien in Kunst und Kultur, in: Christoph Becker-Schaum u.a. (Hg.), Die Nuklearkrise. Der NATO-Doppelbeschluss und die Friedensbewegung der 1980er Jahre, Paderborn 2012 (im Druck).

4 Zur Auseinandersetzung um den NATO-Doppelbeschluss vgl. Philipp Gassert/Tim Geiger/Hermann Wentker (Hg.), Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. Der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive, München 2011.

5 Vgl. BRAVO, 27.5.1982, S. 73; 3.6.1982, S. 57.

6 So die Formulierung bei Ingo Grabowsky/Martin Lücke, Die 100 Schlager des Jahrhunderts, Hamburg 2008, S. 66ff., hier S. 66. Ein vergleichbarer nationalpolitischer Tenor durchzieht die zeitgenössische (west)deutsche Berichterstattung; zur Signifikanz des Grand Prix für das nationale Selbstverständnis vgl. Irving Wolther, „Kampf der Kulturen“. Der Eurovision Song Contest als Mittel national-kultureller Repräsentation, Würzburg 2006.

7 Siehe den Live-Mitschnitt unter http://www.30jahre.nicole-4-u.de/, S. 7.

8 WWS [= Wolfgang Sandner], Friedens-Hit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.4.1982, S. 23.

9 Nicole: Politik interessiert mich nicht, in: BRAVO, 19.5.1982, S. 22.

10 Die zeitgenössische Kritik der seriösen Presse setzt sich in den historiographischen Darstellungen fort; vgl. z.B. Andreas Wirsching, Abschied vom Provisorium. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1982–1990, München 2006, S. 430.

11 Siehe das Interview von Stefan Niggemeier mit Bernd Meinunger, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.5.2002, S. 50, archiviert in: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/bernd-meinunger.

12 Vgl. die Darstellung auf einer dem Grand Prix gewidmeten Website (http://www.aufrechtgehn.de/2000/01/ich-bin-nur-ein-maedchen-dve-1982/): „Auch ich, damals fünfzehnjährig, fragte mich abends beim Einschlafen täglich, ob ich den nächsten Morgen noch erleben dürfte oder ich zwischenzeitlich als Ziel eines Sprengkopfes, von welcher Seite auch immer, herhalten müsste. Textzeilen wie ‚Ich singe aus Angst vor dem Dunkel mein Lied / und hoffe, dass nichts geschieht‘ trafen da den blankliegenden Nerv der Zeit. Kein Wunder, dass Nicole kam, sang und siegte.“ Als Kommentar aus der ehemaligen DDR (ebd.): „Damals war ich 13 und wußte auch nicht, wie lange ich noch zu leben habe, es konnte ja ganz schnell vorbei sein. Daher hat mich diese Schnulze aus dem bösen Westen richtig umgehauen.“

13 Carola Schormann, Klassik, Jazz, Schlager, volkstümliche Musik: Entgrenzung und Spezifizierung, in: Werner Faulstich (Hg.), Die Kultur der achtziger Jahre, München 2005, S. 169-180, hier S. 174.

14 Neben Schormann (Anm. 13) vgl. u.a. Winfried Longerich, „Da Da Da“. Zur Standortbestimmung der Neuen Deutschen Welle, Pfaffenweiler 1989; Jürgen Stark, „Tief im Westen“. Vom Krautrock bis zur Neuen Deutschen Welle, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Rock! Jugend und Musik in Deutschland, Berlin 2005, S. 62-70; Annette Vowinckel, Neue Deutsche Welle: Vom Kalten Krieg ins digitale Zeitalter, in: ZeitRäume. Potsdamer Almanach des Zentrums für Zeithistorische Forschung 2009, S. 185-195; Barbara Hornberger, Geschichte wird gemacht. Die Neue Deutsche Welle. Eine Epoche deutscher Popmusik, Würzburg 2011 .

15 Auch „BRAVO“ hat zur Ikonisierung beigetragen, da die klassische Pose als Poster in vielen Kinder- und Jugendzimmer gehangen haben dürfte (beigegeben als centerfold in der Ausgabe vom 6.5.1982).

16 Für die Kanonisierung von „Ein bißchen Frieden“ spricht, dass das Ereignis von 1982 in praktisch keiner jüngeren Gesamtdarstellung der deutschen Geschichte und Kulturgeschichte fehlt. Vgl. neben Wirsching, Abschied (Anm. 10), auch Edgar Wolfrum, Die Bundesrepublik Deutschland (1949–1990), Stuttgart 2005, S. 520; Axel Schildt/Detlef Siegfried, Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik von 1945 bis zur Gegenwart, München 2009, S. 361f.

17 Auf Rang 72 – noch vor Thomas Mann, Hermann Hesse, Gerhard Schröder, Reinhard Mey, Max Planck usw. Vgl. Guido Knopp/Peter Arens, Unsere Besten. Die 100 größten Deutschen, Düsseldorf 2003.

18 http://de.wikipedia.org/wiki/Unsere_Besten#Unsere_Besten_.E2.80.93_Jahrhunderthits.

19 Eine leichte Distanzierung schwingt auch in der „BRAVO“-Berichterstattung mit. Die Ambivalenz dieser Konstruktion eines traditionellen, auf Familienwerte angelegten Mädchen-Bildes in der Zeitschrift wird zudem dadurch deutlich, dass auf der Seite des Nicole-Porträts in einer Anzeige eine etwa gleichaltrige junge Frau für Schwangerschaftstests wirbt.

20 Vgl. die Abbildung in Grabowsky/Lücke, 100 Schlager (Anm. 6), S. 67.

21 Wir haben ein bißchen gewonnen!, in: Tageszeitung, 26.4.1982, S. 5.

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