- Rückblick: Der westdeutsche Fernsehkrimi in den 1950er- bis 1970er-Jahren
- Schimanski – ein neuer deutscher Traum vom Kommissar?
- Fazit: Die Schimanski-Tatorte als Ausdruck von medialem und politisch-kulturellem Wandel
»Wie damals hinter’m Kohlenschacht
Der heut’ wie’n off’nes Grab stillliegt
Für wen hast du in dieser Nacht
Als Held die Fresse vollgekriegt?«
Klaus Lage[1]
»Viele Jugendliche könnten durch solche Sendungen zur Ansicht gelangen, daß Gewalt gegen Mitmenschen etwas Normales ist und zur Nachahmung empfohlen wird«,[2] schrieb eine Zuschauerin anlässlich der Ausstrahlung des ARD-Tatorts »Zweierlei Blut« mit Kommissar Schimanski (Götz George) am 22. Juli 1984.[3] Die »Bild«-Zeitung behauptete, Millionen Zuschauer seien »empört«, und der »Spiegel« zitierte Bremens Polizeipräsident Ernst Diekmann mit den Worten: »Geschmacklos, ekelerregend, undenkbar«.[4] Tatsächlich spielte Gewalt in diesem Film auch jenseits des im Fernseh-Krimi obligatorischen Mordes eine zentrale Rolle. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe gewaltaffiner Fußballfans, in deren Reihen der Mörder vermutet wird. Im Rahmen seiner verdeckten Ermittlungen wird der Kommissar von den Jugendlichen enttarnt, zusammengeschlagen und nackt auf dem Rasen des Fußballstadions drapiert. Die Misshandlung selbst wird jedoch nur angedeutet: Man sieht lediglich einige Fußtritte gegen den bereits am Boden liegenden Schimanski. Die Gewalt ist vor allem durch eine eindrucksvolle Gesichtsverletzung präsent, die der Polizist – wie auch in zahlreichen anderen Folgen der Serie – für den Rest der Handlung mit sich herumträgt.
Die oben zitierte Zuschrift kann als Teil eines Diskurses über Gewalt in den Medien verstanden werden, der in den 1970er- und 1980er-Jahren zunächst vor allem um den vermuteten schädlichen Einfluss des Fernsehens kreiste, später zunehmend auch um die sogenannten »Neuen Medien« Video und Computer.[5] Dementsprechend finden sich hier typische Diskursfiguren dieser Debatten: die besondere Schutzbedürftigkeit der Jugend, aber auch jene »Kurzschlussformel« (Isabell Otto), die einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen fiktionaler medialer Repräsentation und realem Leben unterstellt. Doch die Annahme, dieser Diskurs existiere quasi unabhängig von den im Fernsehen präsenten Darstellungen, griffe im Falle der Schimanski-Tatorte[6] zu kurz. Vielmehr polarisierte die seinerzeit als »Schmuddel-Kommissar«, »Prügel-Prolet«, »Großstadt-Cowboy« und »Ruhrpott-Rambo« etikettierte Ermittlerfigur wie keine zweite: »Werft den Prügel-Kommissar aus dem Programm«, titelte die »Neue Ruhr Zeitung« (NRZ) bereits unmittelbar nach der Ausstrahlung des ersten Schimanski-Tatorts »Duisburg-Ruhrort« im Sommer 1981.[7] Auch »Bild am Sonntag« (BamS) versuchte sich an einer Skandalisierung des neuen WDR-Tatorts, da er angeblich die Polizei und die Bewohner Duisburgs verunglimpfe.[8] Dass sich die Figur des handfesten Ruhrpott-Kommissars zum einzigen echten Star des Tatort-Universums entwickeln würde, zu einer Pop-Ikone mit bis heute treuer Fan-Gemeinde, war bei ihrem ersten Auftritt schwerlich abzusehen; selbst Günter Rohrbach, damals Geschäftsführer der verantwortlichen Produktionsfirma, hielt Schimanski anfangs für »nicht mehrheitsfähig«.[9]
Die generelle, bis heute ungebrochene Popularität von Krimis beim Publikum ist insofern erklärungsbedürftig, als dieses Genre in hohem Maße konventionalisiert ist: Stets geht es um die Verletzung einer elementaren Norm des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die im Folgenden durch erfolgreiche Überführung des Täters wieder geheilt wird. Die Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse mit dem Sieg des Guten am Ende erinnert an das ältere Genre des Märchens.[10] Bei der im Fernsehen vorherrschenden Serienform kommt noch hinzu, dass die Kontinuität stets über die Ermittlerfiguren hergestellt wird, weil eine Identifikation mit der »bösen« Seite der Normverletzung traditionell nicht in Frage kommt.[11] Allerdings existieren unterschiedliche Varianten: neben dem »Whodunit« (der auch für die Rezipienten offenen Suche nach dem Täter) ein Typ, bei dem eher die Ermittlungstätigkeit im Mittelpunkt steht (»Howhecatcheshim«); ferner können sich die Schwerpunkte zwischen Täter und Motiv einerseits und dem Leben der Ermittlerfiguren andererseits verschieben. Seit geraumer Zeit hybridisieren sich zudem die bekannten Varianten wie die klassischen Polizei- und Detektivgeschichten mit Thriller-Elementen.
Das Genre erweist sich somit innerhalb des festgelegten Rahmens als dynamisch und anpassungsfähig.[12] Trotz der unverkennbaren Tendenz zu anthropologischen Konstanten im Grundmuster kann man deshalb bezweifeln, dass es – jenseits einer Fassade aus zeitgeistigen Stoffen und Designs – ein »nahezu geschichtsloses dramaturgisches Konzept« darstellt, in dem »geschichtliche Erfahrungen von Veränderung und Veränderbarkeit aufgehoben [werden] zugunsten zeitlos gültiger Einsichten und Konsequenzen«.[13] Die zugrundeliegenden Normen sind eben keineswegs zeitlos. Gewiss ist allerdings, dass dem Krimi, der über Spannung Entspannung erzeugen möchte sowie auch ein Gefühl von Sicherheit durch die Schilderung von Devianz, diverse Paradoxien immanent sind.[14] Betrachtet man Unterhaltung als Form von Selbstvergewisserung, bei der nicht zuletzt das individuelle Verhältnis zum gesellschaftlichen Wert- und Ordnungshorizont ohne direkte Konsequenzen durchgespielt werden kann,[15] dann liegt es nahe, gerade in solchen Spannungen einen wichtigen Grund für die anhaltende Attraktivität dieser Form zu vermuten.
Dass fiktionale Unterhaltungssendungen zum Gegenstand einer Gesellschafts-, Mentalitäts- oder gar Politikgeschichte werden können, bedarf heute keiner besonderen Legitimation mehr.[16] Gerade das populäre Genre des Krimis scheint dafür prädestiniert zu sein, weil hier grundlegende gesellschaftliche Normen wie das Tötungsverbot und das staatliche Gewaltmonopol behandelt werden. Dabei geht es einerseits um deren rituelle Bekräftigung, im Sinne einer Bestätigung der existierenden Ordnung. Andererseits können Literatur und Film – wie jede Form der Kunst – gesellschaftliche Ordnungen kritisch beleuchten und zur Diskussion stellen. Das gilt prinzipiell auch für den Fernsehkrimi, der »in seinen besseren Exemplaren [...] ein zweideutiges Spiel zwischen Bestätigung und Infragestellung der gesellschaftlichen Grundlagen« treiben könne, so der Literaturwissenschaftler Michael Mandelartz.[17]
Eben dies soll im Folgenden Thema sein: Wie positionierten sich die Schimanski-Tatorte als Produktionen eines öffentlich-rechtlichen Senders vor dem Hintergrund der neuen, seit Mitte der 1980er-Jahre bestehenden privaten Konkurrenz im Spannungsverhältnis von Affirmation und Kritik staatlicher Ordnung? Welche Rolle spielten dabei Darstellungen von Gewalt? Schließlich deuten die eingangs erwähnten Skandalisierungsversuche und die Polarisierung der Debatte auf eine diskursive Zäsur. Dementsprechend wird in diachroner Perspektive auch nach der Vorgeschichte gefragt: Wie unterscheiden sich frühere Vertreter des bundesdeutschen Krimi-Genres in dieser Hinsicht von ihrem Pendant aus den 1980er-Jahren, und welche Rückschlüsse lassen sich daraus für den Wandel der politischen Kultur der Bundesrepublik ziehen?
1. Rückblick: Der westdeutsche Fernsehkrimi in den 1950er- bis 1970er-Jahren
Bis zum Ende der 1960er-Jahre hatte Kriminalität in der Fernsehunterhaltung der Bundesrepublik keinen festen Platz. Bis dahin musste sie entweder »außerhalb Deutschlands (und hier vorzugsweise in den westlichen Metropolen) spielen«[18] oder folgte, falls die Handlung ausnahmsweise doch in der Bundesrepublik angesiedelt war, einem pseudo-dokumentarischen Gestus, der sie als vermeintlich realistische Aufklärung über die Polizeiarbeit auswies. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür liefert »Stahlnetz« (NDR 1958–1968) als erste lang laufende Krimi-Serie im deutschen Fernsehen.[19] Jede Folge begann mit dem Text: »Dieser Fall ist wahr! Er wurde aufgezeichnet nach den Unterlagen der Kriminalpolizei.« Ganz explizit verfolgte der Regisseur und Erfinder der Reihe, der Journalist Jürgen Roland, dabei das Ziel, das Image der Polizei zu verbessern, das er durch den Nationalsozialismus beschädigt sah.[20] Dementsprechend stand hier der kriminalpolizeiliche Alltag im Mittelpunkt. Ein Fokus auf den einzelnen, »in Wahrheit nicht existenten Musterkommissar« sollte ebenso vermieden werden wie jeder »Thriller-Effekt«. Das erläuterte Roland gegenüber der Presse,[21] erkennbar bemüht um die Abgrenzung von US-amerikanischen Vorbildern.[22] Entsprechend gewaltarm ging es zu, und die Polizeiarbeit wurde als zuverlässige Wiederherstellung der Ordnung idealisiert. Überhaupt erschien die gesellschaftliche Ordnung hier nicht wirklich bedroht. Allenfalls wurde sie punktuell von einzelnen Kriminellen gestört, die zudem meist dem einschlägigen Milieu entstammten.
Die Abstinenz des bundesdeutschen Fernsehens im Hinblick auf fiktionale Krimis verdankte sich nicht zuletzt einem bildungsbürgerlich geprägten Diskurs, der populären Unterhaltungsangeboten generell kritisch gegenüberstand und das seinerzeit noch junge Medium hochkulturell profilieren wollte.[23] Krimis galten als triviales, also zu vermeidendes Genre, der »Gangster-Film« als Ausdruck negativer Amerikanisierungstendenzen. Das anhaltende Interesse des Publikums war jedoch schwer zu ignorieren. Daher kam es zu einem Kompromiss, der die Darstellungen als Teil von Aufklärung und Kriminalitätsprävention etikettierte. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet der vermehrte Ankauf von US-amerikanischen und britischen, stärker Action-orientierten Formaten durch die Fernsehsender in den 1960er-Jahren die Weiterentwicklung eines deutschen Gegenentwurfs vorantrieb.
Heraus kam dabei zunächst die ZDF-Serie »Der Kommissar« (1968–1976), die schon im Titel die Konzentration auf den Protagonisten Kommissar Keller (Eric Ode) erkennen ließ. Wie schon Jürgen Roland in »Stahlnetz« wollte Drehbuchautor Herbert Reinecker auch hier »ein ideales Bild der Polizei« entwerfen.[24] Allerdings verband sich dieses nun seriengerecht mit einer wiederkehrenden Hauptfigur und war auch nicht mehr an Rücksichten auf reale Begebenheiten gebunden. Hier war erstmals ganz verwirklicht, was der Autor und Regisseur Oliver Storz als »deutschen Traum« vom Kommissar bezeichnet hat: eine Vater-Figur, eine Art Über-Ich, die mit natürlicher Autorität und ruhiger Hand die Ordnung gegen alle Herausforderungen verteidigt.[25]
In den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren ging es dabei nicht selten um generationelle Konflikte. Dem »Kommissar« fiel die Rolle desjenigen zu, der mit einer Mischung aus Strenge und Verständnis die tradierten (klein)bürgerlichen Normen gegen die »verrückte« Lebenswelt einer Jugend aufrecht erhielt, die sich in den Verlockungen von Hedonismus, Konsum, sexueller Enthemmung und Anarchie zu verlieren drohe. Wenn das überkommene Dispositiv von »Ruhe und Ordnung«[26] in der Bundesrepublik noch einen Platz hatte, dann hier. Dass eine Figur, die derart fraglos Autorität verkörperte wie der »Kommissar«, so gut wie nie von der Waffe Gebrauch machen musste, liegt nahe.
Die späteren ZDF-Serien wie »Derrick« (Horst Tappert, 1974–1998) oder »Der Alte« (seit 1977, bis 1985 mit Siegfried Lowitz als Kommissar Köster) blieben dem Konzept der patriarchalischen Sachwalter staatlicher Autorität treu; auch hier wurden die Fälle nicht mit körperlichem Einsatz, sondern durch das Erfahrungswissen des Älteren gelöst. Klare Hierarchien zwischen dem Kommissar und seinen Mitarbeitern stützten dessen Autorität. Nach wie vor ging das konservative Ideal einer »guten« Ordnung bruchlos in den Protagonisten auf. Ähnliches galt auch für die meisten frühen Tatort-Kommissare wie den kleinbürgerlichen Trimmel (NDR 1970–1982, Walter Richter), Veigl aus München (BR 1972–1981, Gustl Bayerhammer) oder den Österreicher Marek (ORF 1971–1987, Fritz Eckhard). Im Tatort (seit 1970) trat allerdings in Gestalt von Kommissaren wie Finke (NDR 1971–1978, Klaus Schwarzkopf) und Haferkamp (WDR 1974–1980, Hansjörg Felmy) neben den Vaterfiguren auch ein deutlich jüngerer Typus des Kommissars auf, der mit weniger patriarchalischem Habitus agierte. Im Grunde handelte es sich dabei jedoch lediglich um eine verjüngte, technokratisch-liberalisierte Variante des Ideals vom »deutschen Kommissar«, die nun betont sachlich, wesentlich distanzierter, aber nicht weniger souverän und nach wie vor primär durch den Einsatz von Intellekt und Instinkt ihrer ordnungsstiftenden Aufgabe nachkam.
Immerhin war die Kriminalität im Tatort der 1970er-Jahre endgültig im Bürgertum angekommen: Fast immer ging vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels ein Verbrechen nun auf individuelle Verstöße gegen Moralvorstellungen zurück und diente dem Versuch, die bürgerliche Fassade aufrechtzuerhalten.[27] Gesellschafts- und sozialkritische Themen waren im Tatort noch kaum präsent; allenfalls dienten sie als Hintergrund zur Erhöhung einer realistischen Anmutung.[28] Terroristische Gewalt, wie sie die Gesellschaft zu jener Zeit vor allem in Form des Linksterrorismus beschäftigte, blieb vollständig ausgeblendet, ebenso die NS-Vergangenheit.[29]
Bereits in den 1970er-Jahren gab es mehrere erfolglose Versuche, das konservativ-staatstragende, patriarchalische Muster der Kommissarfiguren aufzubrechen. So polarisierte ab 1971 die von Wolfgang Menge geschaffene Figur des dandyhaften Zollfahnders Kressin (Sieghardt Rupp), die der WDR in die neue Tatort-Reihe einbrachte. Die Figur kann als eine Art Schimanski-Vorläufer gelten, jedenfalls mit Blick auf den Körpereinsatz in Action-Szenen einschließlich diverser heftiger Schlägereien und eher legerer Auslegung der Dienstvorschriften. Hinzu kam allerdings eine notorische Promiskuität, die dem »Anti-Beamten« (so der »Kölner Stadt-Anzeiger«) viel negative Zuschauerpost einbrachte. Rohrbach, damals noch Leiter der WDR-Fernsehspielabteilung, bemerkte nach dem frühen Ende der Figur 1973 resigniert: »Die Deutschen wünschen sich als Krimi-Kommissare Vaterfiguren. Jede Form von Selbstironisierung nehmen sie sehr übel.«[30]
Die moderaten Versuche des ZDF, seine Kommissare in den 1970er-Jahren vom betulichen Väter-Habitus zu befreien, scheiterten ebenfalls. Das galt für »Derrick«, der, so Darsteller Horst Tappert vor dem Serienstart, mit der »Melancholie und dem Zynismus eines Humphrey Borgart«[31] ausgestattet sein sollte, aber bekanntlich als konservativer »Moralbeutel« (so die »Süddeutsche Zeitung«) endete, der in Münchener Villenvororten individualpsychologisch oder psychopathologisch bedingten Morden nachspürte.[32] Noch vehementer abgelehnt wurde der Versuch 1977 bei der von Siegfried Lowitz gespielten Figur des »Alten«, die ursprünglich als »Mann mit durchlöcherter Moral«[33] konzipiert war. Gerade die Tatsache, dass der abgebrühte Kommissar bei seinen Fällen regelmäßig außerhalb der Legalität agierte, sollte die Figur interessant machen. Die aufwendig produzierte Pilot-Folge[34] war Action-orientiert, einschließlich ungewohnt drastischer Gewaltdarstellungen, was Kritik provozierte – auch wegen des Sendetermins am Ostermontag.[35] Schon nach der dritten Folge regte sich heftiger Protest der Polizei gegen die »kriminellen Methoden« des Kommissars, die dem Ansehen der Polizei schweren Schaden zufügen würden. Teile der Presse griffen dies auf und skandalisierten die vermeintliche Missachtung von Recht und Ordnung durch das ZDF. Unter dem Druck knickten die Verantwortlichen des Mainzer Senders rasch ein. Die Versuche von Darsteller Siegfried Lowitz und Produzent Helmut Ringelmann, das Konzept mit Verweis auf die notwendige Unterscheidung von Realität und Fiktion zu verteidigen, liefen ins Leere.[36] Vor dem Hintergrund der terroristischen Anschläge der Roten Armee Fraktion war im ZDF 1977 offenbar kein Fernsehkrimi möglich, der nicht ein ungebrochen positives Bild der Exekutive zeichnete.
2. Schimanski – ein neuer deutscher Traum vom Kommissar?
Wie geschildert, gab es schon vor den 1980er-Jahren Indizien dafür, dass die spezifisch deutsche Adaption des Fernsehkrimis als autoritäre und nahezu gewaltfreie Affirmationsinstanz von Recht und Ordnung nicht mehr völlig alternativlos war. Vielmehr hatten die »wiederholten politischen und/oder institutionellen Einschnürungen«[37] dazu geführt, dass der Fernsehkrimi Ende der 1970er-Jahre als krisenhaft wahrgenommen wurde. Aber es dauerte, bis die Schimanski-Tatorte in den 1980er-Jahren erfolgreich mit dem konservativ-staatstragenden Rollenmodell brechen konnten.
Schon der Anfang der ersten Folge »Duisburg-Ruhrort« ließ keinen Zweifel daran, dass hier eine Zäsur intendiert war: Die ersten drei Minuten führen nicht etwa wie gewohnt in einen Fall ein, beispielsweise durch den Fund der obligatorischen Leiche. Stattdessen sieht man einen muskulösen jüngeren Mann in Jeans und engem T-Shirt am Fenster einer Wohnung stehen und über die Skyline Duisburgs blicken, einen Dschungel aus klassischen Industriebauten, gewissermaßen ein Panorama des Niedergangs der Hochmoderne. Er scheint sich am Hintern zu kratzen. Der Soundtrack kommt aus einem Kassettenrecorder: »Leader of the Pack« von »The Shangri-Las«, ein Lied über ein bürgerliches Mädchen, das sich in den Boss einer Motorrad-Gang verliebt. In einer Zeile heißt es: »They said he came from the wrong side of town«, eine Anspielung auf Schimanskis Vergangenheit als Kleinkrimineller und Rocker. Die Wohnung ist unaufgeräumt, überall stehen leere Bierflaschen, auf der Spüle stapelt sich schmutziges Geschirr. Als sich keine saubere Pfanne findet, werden die Eier halt roh aus dem Glas geschluckt. Von der Wohnung geht es direkt in die Stammkneipe »Bierquelle«, wo über Pferdewetten und unbezahlte Deckel vom Vorabend diskutiert wird. Vor der Kneipe schreit der Kommissar seinen ersten Satz: »Hotte, Du Idiot, hör auf mit der Scheiße!« Der Angesprochene lässt sich davon nicht beeindrucken, ein Fernseher fliegt aus dem Fenster: »Scheiß Fernsehen, taugt sowieso nichts!«
Die letzte Szene kann als ironischer Kommentar gelesen werden, mit dem sich die jüngeren Autoren[38] von der Arbeit ihrer Vorgänger abgrenzten. Der neue Kommissar wurde quasi als Antagonist der bürgerlichen Vaterfiguren inszeniert: jung, körperbetont, eindeutig Teil eines proletarischen Milieus und definitiv kein Freund von Sekundärtugenden wie Disziplin, Pflichtbewusstsein und Ordnung. Zudem bestimmte nicht die professionelle Funktion des Kriminalpolizisten die Darstellung, sondern zunächst das Private – eine Genre-Variation, die im Fernsehkrimi fortan Schule machte und als Entsprechung der zunehmenden Individualisierungstendenzen in der Gesellschaft interpretiert werden kann.[39]
Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man den Wandel für eine schlichte Anpassung an den veränderten Zeitgeist der 1980er-Jahre halten. Doch der Bruch, der hier markiert wird, ging deutlich tiefer. Denn auch sonst bot die Figur des Horst Schimanski die perfekte Antithese zu den Kellers, Derricks und seinem direkten Vorgänger Haferkamp: Engagiert und (nicht selten privat) involviert statt distanziert, emotional und impulsiv statt mit jener kühlen Rationalität und Selbstbeherrschung ausgestattet, die die vorherigen Serienhelden ausgezeichnet hatte. Gerade was den Körpereinsatz anging, entsprach die Figur eher den virilen Action-Helden des Kinos als den bisherigen unsportlichen und asexuellen Detektivfiguren des deutschen Fernsehkrimis. Zudem agierte der Kommissar nun nicht mehr an der Spitze einer Hierarchie, sondern als Teil eines gleichberechtigten Teams. Zwar blieben die traditionellen »preußischen« Tugenden des deutschen Beamten in der Figur seines Partners und Freundes Christian Thanner präsent. Doch angesichts des kontrastiven Rollenmodells erschien dessen Beharren auf Disziplin, Konventionen und Regeln nicht selten als bürokratisch, spießig und zwanghaft, seine überlegene formale Bildung als oberlehrerhaft. Nicht Thanners Verstand oder sein Wissen führten in der Regel zur Lösung der Fälle, sondern Schimanskis Intuition, sein Engagement und seine Empathie.
Die bisherige affirmative Staatssemantik als weitgehend unhinterfragte Repräsentation von Rechtsstaatlichkeit sowie von Menschlichkeit und Gerechtigkeit kippte nun ins Negative. Bürokratisierung, Anonymität und fehlende Emotionalität des politisch-administrativen Systems, so der Eindruck, führten zu Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit. Zwar entsprachen die Filme insofern der Konvention des Genres, als auch hier kein Fall ohne Aufklärung blieb. Aber dies bedeutete keineswegs, dass am Ende die eigentlich Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden konnten. Gerade die mächtigen Drahtzieher »im Hintergrund« blieben für den Kommissar oft unerreichbar. Wenn dies überhaupt gelang, dann war es in der Regel kein Verdienst des Rechtsstaates, sondern eher das Ergebnis von Selbstermächtigung und Selbstjustiz.[40] Verkörperten die vorherigen Ordnungshüter als Sachwalter von »Normalität« das, was Max Weber als rationale Herrschaft bezeichnet hat, so stand Schimanski nun für den charismatischen, außeralltäglichen Typ.
Zu dem pessimistischen Bild des Staates passte ein völlig verändertes Bild von Kriminalität und Gesellschaft. Nun ging es nicht mehr um individuelle Abweichungen und die Verletzung bürgerlicher Normen. Stattdessen handelten die Schimanski-Tatorte unter anderem von Drogennetzwerken, internationalem Kinderhandel, Schutzgeld-Erpressungen und Waffenschiebereien. Mehrfach kam die Bedrohung von außen und ging auf die Aktivitäten ausländischer Extremisten oder Geheimdienste zurück.[41] Aus einem individuellen war ein strukturelles, grenzüberschreitendes und entsprechend schwer zu bekämpfendes Problem geworden. Meist waren mit der Lösung des Falls die eigentlichen Ursachen und Probleme nicht gelöst. Nicht minder unsicher und undurchschaubar erschien die Gesellschaft insgesamt. Sie war durch fragile Identitäten, soziale Fragmentierung, Materialismus und Egoismus sowie scheiternde Beziehungen und soziale Isolation gekennzeichnet. Gefühle von Ohnmacht und Bedrohung prägten das Bild der »Risikogesellschaft« (Ulrich Beck) und schufen den Eindruck »ontologische[r] Aussichtslosigkeit«.[42]
Dass Gewalt nun einen deutlich höheren Stellenwert bekam, lag also nicht nur an der stärkeren Action-Orientierung der Serie, die ihrerseits im Kontext der neuen, kommerziellen Konkurrenz ab Mitte der 1980er-Jahre gesehen werden muss. Vielmehr brachte dies sowohl die neue Qualität von Kriminalität mit sich als auch die charismatische Inszenierung des (gebrochenen) Helden. Letzterer verdankten sich die vielen impulsiven Ausbrüche gegen Verdächtige und Täter – wobei es selbstverständlich kaum je den Falschen traf; und selbst wenn, immer dienten die Übergriffe des Kommissars höheren Zielen: Schimanski schlug sich buchstäblich für eine bessere Welt – und trug selbst zahlreiche Blessuren davon.
Anders als in den Fernsehkrimis der 1970er-Jahre war Gewalt kaum mehr individuell motiviert, sondern das Resultat von Auseinandersetzungen unterschiedlicher sozialer Gruppen oder Ethnien. In »Blutspur«[43] (Arbeitstitel: »Polenblut«) trugen rivalisierende palästinensische Gruppen den Bürgerkrieg aus dem Nahen Osten nach Duisburg und standen dabei mit einem polnischen Kriminellen in Verbindung. Der Film provozierte Kritik, nicht nur wegen seiner – in dieser Form heute schwer vorstellbaren – Reduzierung von Ausländern auf Terroristen und Kriminelle. Auch die ungewöhnlich harten Gewaltszenen mit aus Maschinengewehren wild um sich schießenden Arabern und mehreren Sprengstoffanschlägen erregten seinerzeit Anstoß.[44]
Aber nicht immer kam die Gewalt in den Filmen von außen nach Deutschland. Mal entbrannte eine wilde Straßenschlacht um die Räumung von besetzten Häusern einer Abrisssiedlung, in der die Besetzer Autos anzündeten und Polizisten zusammenschlugen, während diese im Gegenzug brutal auf am Boden liegende Personen einprügelten.[45] Ein anderes Mal war es ein Polizeirevier nach einer Drogenrazzia, das ein chaotisches Bild bot: auffliegende Türen und Geschrei, Personen, die mit Gewalt vorgeführt wurden, Respektlosigkeiten gegenüber der Polizei und im Gegenzug Drohungen während der Verhöre.[46] So entstand das Bild einer Gesellschaft, die ihren Zusammenhalt verloren hatte und in der Ordnung – wenn überhaupt – nur noch mühsam mit roher Gewalt durchgesetzt werden konnte.
Das Bild, das von Polizei und Justiz gezeichnet wurde, war nicht mehr auf Bestätigung angelegt. Was bis Ende der 1970er-Jahre im Fernsehkrimi tabuisiert war, nämlich offene Kritik an den Methoden der Polizei und ihrer aktuellen Rechtslastigkeit oder auch Verweise auf die NS-Vergangenheit, gehörte nun dazu. In einem Fall ging die kriminelle Energie gegen Streikende sogar vom Bundeskriminalamt aus.[47] Vor allem aber galt die öffentliche Ordnung nicht länger als gerecht. Vielmehr schien sie faktisch häufig den Interessen der mächtigen und kriminellen Profiteure des Kapitalismus zu dienen, und dies auf Kosten der vermeintlich ehrlichen »kleinen Leute«. Indem die Polizei diese Ordnung verteidigte, machte sie sich zu Handlagern eines ungerechten Systems.[48]
Aber auch diese anti-etatistisch gewendete Perspektive kam nicht ohne die Projektionsfläche eines »deutschen Kommissars« aus. Nur handelte es sich jetzt um eine gewissermaßen »linke«, individualistische und sicher auch romantische Vision: Schimanski war ein eigensinniger Kämpfer, der sich mit vollem Einsatz, ohne Rücksicht auf Konventionen und gegen alle Widerstände des »Systems« dem Kampf um Gerechtigkeit (und eben nicht mehr: Recht) verschrieb – wenn nötig, auch mit körperlicher Gewalt. Der »deutsche Traum« vom Kommissar handelte nicht länger von der väterlichen Autorität eines »guten« Staates, sondern von der Authentizität des Individuums und seinem couragierten Einsatz für eine (etwas) bessere Welt.
3. Fazit: Die Schimanski-Tatorte als Ausdruck von medialem und politisch-kulturellem Wandel
Betrachtet man den westdeutschen Fernsehkrimi primär aus medienwissenschaftlicher Perspektive, dann erklärt sich die Zäsur der Schimanski-Tatorte als überfällige Erneuerung eines Genres, das an seine Grenzen gestoßen war und dringend innovativer Variationen bedurfte. Hinzu kam die Konkurrenz durch die neuen privatrechtlichen Fernsehsender, die sich ab Mitte der 1980er-Jahre gerade auf populären Feldern wie Sex & Crime zu profilieren versuchten. Explizitere Gewaltdarstellungen waren Teil dieser Tendenz. Die Entwicklung eines stärker Action-orientierten Konzepts, das zugleich den Individualisierungsschub der fortgeschrittenen Konsumgesellschaft aufnahm, war demnach Ausdruck der forcierten Entwicklung des Fernsehens zum Konsumgut.
Offen bleibt dabei allerdings, wieso entsprechende Ansätze in den 1970er-Jahren noch scheiterten und warum der bundesdeutsche Fernsehkrimi im Unterschied zu anderen Ländern so lange seine affirmative Tendenz behielt. Sicher spielte dabei die Nachwirkung eines hochkulturell profilierten, bildungsbürgerlichen Ideals eine Rolle, das den Krimi generell als »triviale« Form ansah, die nur schwer mit dem Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vereinbar sei. Erst recht galt das für explizite Gewaltdarstellungen, die als »amerikanisch« etikettiert wurden. Wenn sich das Genre auf dem Bildschirm schon nicht ganz vermeiden ließ, dann sollte es nur in Form einer »detektivischen« Variante gezeigt werden.
Aber auch der Verweis auf diskursive Kontinuitäten und Abgrenzungen genügt nicht, um die zögerliche und einseitige Adaption des Genres zu erklären. Vielmehr erscheinen die fast drei Jahrzehnte lang rein affirmative, nahezu gewaltbereinigte Rezeption des Genres und seine Fixierung auf autoritäre Vaterfiguren wie ein Reflex der Erfahrungen von Krieg und Zusammenbruch. Entgrenzte Gewalt und der Verlust von Ordnung und Sicherheit gehörten nach 1945 zum Erfahrungshorizont einer Mehrheit der Deutschen. Auch der Kalte Krieg wurde noch einige Zeit als starke Bedrohung wahrgenommen.[49] Entsprechend gering fiel offenbar die Neigung aus, seinen Feierabend vor dem Fernseher diesen Perspektiven zu widmen. Gefragt war Geborgenheit, die rituelle Vergewisserung, dass punktuelle Verstöße die neue, »gute« Ordnung in der Bundesrepublik nicht ernsthaft gefährden konnten. Eben dies war der sedierende Subtext älterer Serien wie »Der Kommissar« und seiner Nachfolger.
Mehr als 35 Jahre nach Kriegsende hatte nicht nur die Zahl derjenigen abgenommen, die solche Erfahrungen teilten. Hinzu kamen jetzt Jahrgänge, die erst nach dem Krieg geboren worden waren und ihr eigenes Verhältnis zur Bundesrepublik entwickelt hatten. In der entstehenden Konsumgesellschaft sozialisiert, unterschied sich ihre normative Orientierung klar von den »Sekundärtugenden« der Älteren. Die staatstragende Botschaft wich im Fernsehkrimi eher kritischen Tönen; an die Stelle von Beruhigung traten Thriller-Elemente. Nicht nur modisch und habituell entsprach Schimanski spürbar dem Geschmack der Jüngeren. Auch politisch-normativ bot sich hier eine Projektionsfläche für die zivilgesellschaftliche Emphase der (Post-)»68er«. Für deren Mütter und Väter blieben Serien wie »Derrick« allerdings noch gut eineinhalb Jahrzehnte im Programm.
Man kann diese Entwicklung – einschließlich der neuen Präsenz expliziter Gewalt auf den Bildschirmen – auch als Normalisierung, als eine Art von Gewöhnung der (West-)Deutschen an ihre Republik interpretieren: Deren Ordnung war inzwischen so etabliert, dass sie fiktional in Frage gestellt werden konnte, ohne dass dies sofort skandalisierbar war. Die »Suche nach Sicherheit«[50] als Paradigma der bundesrepublikanischen Geschichte war zumindest im Fernsehkrimi spürbar an ihr Ende gekommen.
Anmerkungen:
[1] »Faust auf Faust (Schimanski)«, Klaus Lage Band, EMI Records 1985; Titelsong zu dem Kinofilm und WDR-Tatort »Zahn um Zahn«, BRD 1985; Buch: Horst Vocks/Thomas Wittenburg; Regie: Hajo Gies.
[2] Leserzuschrift von Margit C. aus München, in: Hörzu, 10.8.1984, S. 77.
[3] WDR 1984; Buch: Felix Huby/Fred Breinersdörfer; Regie: Hajo Gies.
[4] Tatort. Das ganze Gesocks, in: Spiegel, 30.7.1984, S. 135f., hier S. 135.
[5] Vgl. Isabell Otto, Kriminelle Verbrecherjäger. Zur Selbstregulation von Mediengewalt, in: Irmela Schneider/Christina Bartz/Isabell Otto (Hg.), Medienkultur der 70er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945, Bd. 3, Wiesbaden 2004, S. 197-215; Jürgen Kniep, »Keine Jugendfreigabe!« Filmzensur in Westdeutschland 1949–1990, Göttingen 2010, S. 277-341; Tobias Haupts, Die Videothek. Zur Geschichte und medialen Praxis einer kulturellen Institution, Bielefeld 2014, S. 110-128.
[6] Gemeint ist damit und im Folgenden die ursprüngliche, von der Bavaria Film (bis 1987: Bavaria Atelier) im Auftrag des WDR produzierte, im Rahmen des ARD-Tatorts ausgestrahlte Serie. Die 29 Folgen mit dem Duisburger Ermittlerteam Horst Schimanski (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik) wurden zwischen 1981 und 1991 gesendet. 1997 bis 2013 erlebte die mittlerweile ikonische Schimanski-Figur ein spin-off außerhalb der Tatort-Reihe.
[7] WDR, 28.6.1981; Buch: Horst Vocks/Thomas Wittenburg; Regie: Hajo Gies. Zit. nach: Das ganze Gesocks (Anm. 4), S. 135.
[8] Christian Gottwaldt, Der Ruhrpott kocht: Sind wir alle Mörder und Trinker?, in: Bild am Sonntag, 5.7.1981.
[9] Vgl. Eike Wenzel, Nicht mehrheitsfähig. Interview mit Hajo Gies, in: ders. (Hg.), Ermittlungen in Sachen Tatort. Recherchen und Verhöre, Protokolle und Beweisfotos, Berlin 2000, S. 163-174, hier S. 169; Torsten Körner, Götz George. Mit dem Leben gespielt, Frankfurt a.M. 2008, S. 274f.
[10] Reinhold Viehoff, Der Krimi im Fernsehen. Überlegungen zur Genre- und Programmgeschichte, in: Jochen Vogt (Hg.), MedienMorde. Krimis intermedial, München 2005, S. 98-110, hier S. 93.
[11] Vgl. Knut Hickethier, Die umkämpfte Normalität. Kriminalkommissare in deutschen Fernsehserien und ihre Darsteller, in: Karl Emmert/Wolfgang Gast (Hg.), Der neue deutsche Kriminalroman. Beiträge zu Darstellung, Interpretation und Kritik eines populären Genres, Rehburg-Loccum 1985, S. 189-206, hier S. 189. Jüngere US-amerikanische Serien wie »The Sopranos« (1999–2007) oder »Breaking Bad« (2008–2013) scheinen mit diesem Grundsatz zu brechen; allerdings handelt es sich hier um satirische bzw. normativ ambivalente Darstellungen der Protagonisten.
[12] Lothar Mikos, Dem Verbrechen auf der Spur. Ästhetik der Gewaltdarstellung im Krimi, in: tv diskurs 20 (2002), S. 18-23; Viehoff, Der Krimi (Anm. 10), S. 99f.
[13] Brigitte Knott-Wolff, Programmqualität in der Fernsehkritik am Beispiel fiktionaler Programme, in: Peter Ludes/Helmut Schanze (Hg.), Medienwissenschaft und Medienwertung, Opladen 1999, S. 89-98, hier S. 94.
[14] Vgl. Karl Prümm, Der Fernsehkrimi – ein Genre der Paradoxien, in: Rundfunk und Fernsehen 35 (1987), S. 349-360.
[15] Vgl. Ralph Weiß, Unterhaltung mit dem elektronischen Dauergast. Zum Unterhaltungserleben mit dem Hörfunk, in: Louis Bosshart/Wolfgang Hoffmann-Riem (Hg.), Medienlust und Mediennutz. Unterhaltung als öffentliche Kommunikation, München 1994, S. 301-309.
[16] Vgl. u.a. Andreas Dörner, Politik im Unterhaltungsformat. Zur Inszenierung des Politischen in den Bildwelten von Film und Fernsehen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 49 (1999) H. 41, S. 17-25.
[17] Michael Mandelartz, Der Tatort und die Grenzen des Rechts. Der Fernsehkrimi als Ritual und als Kunst, in: Bungei Kenkyû [Studien zur Literatur; Bulletin der School of Arts and Letters, Meiji-Universität, Tokyo] 107 (2009), S. 1-38, hier S. 2.
[18] Hickethier, Die umkämpfte Normalität (Anm. 11), S. 193.
[19] Vgl. insbes. Nora Hilgert, Unterhaltung, aber sicher! Populäre Repräsentationen von Recht und Ordnung in den Fernsehkrimis »Stahlnetz« und »Blaulicht«, 1958/59–1968, Bielefeld 2013.
[20] Ebd., S. 80.
[21] Zit. nach ebd., S. 85.
[22] Das ZDF kopierte das semidokumentarische Konzept von »Stahlnetz« für seine Reihe »Das Kriminalmuseum« (1963–1970).
[23] Vgl. Christoph Classen, Ungeliebte Unterhaltung. Zum Unterhaltungs-Diskurs im geteilten Deutschland 1945–1970, in: Jens Ruchatz (Hg.), Mediendiskurse deutsch/deutsch, Weimar 2005, S. 209-233.
[24] Michael Schwarze, Das Ende der Keller-Familie. »Der Kommissar« nahm Abschied, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.2.1976, S. 21.
[25] Oliver Storz, Der Kommissar – Ein deutscher Traum, in: Fritz Hufen/Wolfgang Lörcher (Hg.), Phänomen Fernsehen. Aufgaben, Probleme, Ziele. Dargestellt am ZDF, Düsseldorf 1978, S. 285-293.
[26] Vgl. Achim Saupe, Von »Ruhe und Ordnung« zur »inneren Sicherheit«. Eine Historisierung gesellschaftlicher Dispositive, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010), S. 170-187; Thomas Lindenberger, Ruhe und Ordnung, in: Etienne François/Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, Bd. 2, München 2001, S. 469-484.
[27] Vgl. Dennis Gräf, Tatort. Ein populäres Medium als kultureller Speicher, Marburg 2010, S. 125, S. 144f.
[28] Vgl. Christian Hißnauer/Stefan Scherer/Claudia Stockinger, Föderalismus in Serie. Die Einheit der ARD-Reihe Tatort im historischen Verlauf, Paderborn 2014, S. 63, S. 75ff.
[29] Ebd., bes. S. 445-518; Christian Hißnauer, »Vergangenheitsbewältigung« im Tatort? NS-Bezüge in der ARD-Krimireihe, in: Repositorium Medienkulturforschung 7 (2014).
[30] Zit. nach Harald Keller, Anfang und Ende der Libertinage: Kressin – Zöllner ohne Schranken, in: Wenzel, Ermittlungen in Sachen Tatort (Anm. 9), S. 87-96, hier S. 94.
[31] Zit. nach Rolf Becker, TV-Serien. Mieser Eindruck, in: Spiegel, 2.12.1974, S. 164.
[32] Vgl. Ingrid Brück u.a., Der deutsche Fernsehkrimi. Eine Programm- und Produktionsgeschichte von den Anfängen bis heute, Stuttgart 2003, S. 171ff.
[33] Vgl. Florian Kain, Die Geschichte des ZDF 1977–1982. Geschichte des ZDF Teil III, Baden-Baden 2007, S. 65.
[34] »Der Alte – Die Dienstreise«, ZDF, 11.4.1977; Buch: Oliver Storz/Jochen Wedegärtner; Regie: Johannes Schaaf.
[35] Die Autoren »nervten mit Brutalität«, meinte etwa die Hörzu, 24.4.1987.
[36] Vgl. Kain, ZDF (Anm. 33), S. 57-72.
[37] Wolf-Dieter Lützen, Der Krimi ist kein deutsches Genre. Momente und Stationen zur Genregeschichte der Krimiunterhaltung, in: Emmert/Gast, Der neue deutsche Kriminalroman (Anm. 11), S. 162-181, hier S. 180.
[38] Hajo Gies, Jg. 1945; Horst Vocks (d.i. Horst Söhnlein), Jg. 1943; Thomas Wittenburg, Jg. 1934.
[39] Vgl. Viehoff, Der Krimi (Anm. 10), S. 100.
[40] Letzteres z.B. in den Folgen »Kielwasser« (1984), »Zahn um Zahn« (1985) und »Der Fall Schimanski« (1991).
[41] So z.B. in den Folgen »Duisburg-Ruhrort« (1981), »Der Tausch« (1986) und »Blutspur« (1989).
[42] Gräf, Tatort (Anm. 27), S. 207.
[43] ARD, 20.8.1989; Buch: Peter F. Steinbach; Regie: Werner Masten.
[44] Die Folge wurde daher zu einer sogenannten »Giftschrankfolge«, die lange Zeit nicht wiederholt wurde; vgl. <https://tatort-fans.de/tatort-folge-222-blutspur/>.
[45] »Zahn um Zahn« (1985); warum dort auch noch eine Rockergang mit Molotow-Cocktails um sich wirft, erschließt sich nicht.
[46] »Kielwasser«, ARD, 25.3.1984; Buch: Chiem van Houweninge; Regie: Hajo Gies.
[47] »Der Pott«, WDR, 9.4.1989; Buch: Axel Götz/Thomas Wesskamp; Regie: Karin Hercher. Der Film ist an den realen Arbeitskampf gegen die Schließung des Stahlwerks Rheinhausen 1987/88 angelehnt.
[48] Um die Verschiebung der Sagbarkeitsregeln wurde hinter den Kulissen heftig gerungen; zu Zensurbestrebungen vgl. Körner, George (Anm. 9), S. 275ff.; Wenzel, Interview mit Hajo Gies (Anm. 9), S. 168ff.
[49] Vgl. dazu die einschlägigen Umfragen des EMNID-Instituts aus den 1950er-Jahren; zit. bei Axel Schildt, Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und »Zeitgeist« in der Bundesrepublik der 50er Jahre, Hamburg 1995, S. 308f.
[50] Eckart Conze, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009.