„Teilung und Befreiung Europas“. Ideen für ein Museum des Kalten Krieges

Einleitung

Anmerkungen

Für den „Kalten Krieg“ gibt es eine Vielzahl von Definitionen und historiographischen Zugängen.1 In der Regel ist die Epoche zwischen 1947 und 1989/91 gemeint, wobei die Zeit ab 1917 als Vorspann oder auch die Transformationsphase nach 1991 mitunter in die Betrachtung einbezogen werden.2 Der Kalte Krieg wird häufig als ein „Weltanschauungskrieg“ charakterisiert,3 der durch die Bipolarität der Supermächte und ihrer jeweiligen politischen Allianzen, die atomare Aufrüstung und den stets angedrohten, aber in Europa nie offen ausgetragenen militärischen Konflikt gekennzeichnet war, während gleichzeitig Stellvertreterkriege in der so genannten Dritten Welt entfacht wurden. Die Zeit des Kalten Krieges bzw. des Ost-West-Konflikts und der Teilung Europas ist inzwischen gut erforscht, wegen des wachsenden Zeitabstands in der breiteren Öffentlichkeit aber nicht mehr allgemein präsent. Deshalb hat eine international zusammengesetzte Gruppe von Politikern und Wissenschaftlern im Juni 2008 den Aufruf zur Gründung eines „Museums des Kalten Krieges - Teilung und Befreiung Europas“ formuliert, das am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie eingerichtet werden soll.4 Auch unabhängig von der Frage, ob dieser Plan letztlich Erfolg haben wird, ist eine Debatte lohnend, wie sich die Epoche des Kalten Krieges museal präsentieren und verständlich machen lässt.5

Was „war“ der Kalte Krieg, welche Ereignisse und Strukturen sollen unter diesem Begriff zusammengefasst werden, um welchen Zeitraum und welche geografischen Räume geht es genau? Erst wenn solche Vorüberlegungen geklärt sind, kann der vielleicht noch schwierigeren Frage nachgegangen werden, was in einem Museum präsentiert werden soll und kann. Die Debatte muss jedoch nicht „bei Null“ beginnen, sondern kann sich zum einen auf vorhandene Forschungsergebnisse und zum anderen auf bereits existierende Ausstellungen zum Kalten Krieg stützen.

Für den gegenwärtigen Stand der historiographischen Diskussion erhellend ist der Ansatz Bernd Stövers, der die „Epoche des Kalten Krieges [...] als eine globale, multilineare und auf vielfache Weise politisch, kulturell, wirtschaftlich-sozial verflochtene Geschichte“ betrachtet.6 Die Politik- und Wirtschaftsgeschichte, die lange Zeit im Zentrum der Betrachtung des Kalten Krieges stand, wird also mittlerweile kulturhistorisch ergänzt. Dies schlägt sich auch in Ausstellungen nieder. So wurde im September 2008 in London die Schau „Cold War Modern. Design 1945-1970“ eröffnet7 und im Januar 2009 in Los Angeles die Ausstellung „The Art of Two Germanys/Cold War Cultures“.8 Neben dem alles überschattenden atomaren Wettrüsten ist der kulturelle Wettstreit der Systeme und ihrer Selbstdarstellungen in den Blick der Historiker gerückt: Wie haben sich die antagonistischen Mächte in Szene gesetzt, wie wurden sie von außen wahrgenommen, welche Objekte und Medien nutzten sie für den Wettbewerb? Die stärksten Sinnbilder des Kalten Krieges sind vermutlich die Atombombe oder auch der sowjetische „Sputnik“ und die Mondlandung. Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Orte und Bildwelten, die mit der Epoche des Kalten Krieges eng verbunden sind und zu Symbolen der Auseinandersetzung wurden. Ein herausragendes Beispiel ist die Stadt Berlin: Aufgrund ihres Viermächtestatus und durch die Mauer, die die Stadt in zwei Teile zerschnitt, war sie derjenige Ort in Europa, an dem der Kalte Krieg wohl am eindrücklichsten sichtbar wurde.

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Nach 1989 wurden die historischen Überreste der Berliner Mauer größtenteils abgerissen - aus dem verständlichen Wunsch heraus, die Hinterlassenschaften der DDR zu schleifen. Auf politischer Ebene sowie bei Historikern und Museumsfachleuten wuchs einige Jahre später indes das Interesse, das Gedenken an die Mauer und ihre Opfer zu festigen. Darüber hinaus gab und gibt es eine breite Nachfrage von Berlin-Touristen aus aller Welt nach baulichen Relikten, aber auch nach historischen Erklärungsansätzen des Kalten Krieges.

Im Juni 2006 stellte der damalige Berliner Kultursenator Thomas Flierl daher ein Konzept für die Gedenkstätten in Berlin und die Erinnerung an die Mauer vor. Darin wurden die Bernauer Straße als zentraler Gedenkort für die Mauer in Berlin und ein umfassendes Gedenkkonzept für die gesamte ehemalige Grenze in der Mitte der Stadt empfohlen.9 Das so genannte Mauerkonzept sah in einer der ersten Fassungen die Einrichtung eines Informationsortes am Checkpoint Charlie vor. Dieter Vorsteher vom Deutschen Historischen Museum Berlin und Konrad H. Jarausch vom Zentrum für Zeithistorische Forschung hatten schon vorab eine Ideenskizze für „Ein Museum zum Kalten Krieg im Nachkriegseuropa am Checkpoint Charlie in Berlin“ entwickelt. Gemeinsam mit der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße und dem „Nationaldenkmal Brandenburger Tor“ sollte das neue Museum unterschiedliche Themen der Erinnerung an den Kalten Krieg in Berlin vermitteln; den Schwerpunkt des Museums sollten internationale Dimensionen bilden. Das Konzept des Berliner Senats folgte zunächst dieser Idee.

Das heutige Stadtbild am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie
(Foto: Hans-Hermann Hertle)
 

Der Checkpoint Charlie war der Ort der Konfrontation sowjetischer und amerikanischer Panzer sowie der Ort, an dem die Westalliierten ihr Zugangsrecht nach Ost-Berlin durchsetzten. Als Sektoren-Übergang für Ausländer blieb er gerade internationalen Touristen im Gedächtnis. Deshalb wurde der ehemalige Grenzübergang auch in den verschiedenen Versionen des Arbeitsberichts zum „Gesamtkonzept Berliner Mauer“ der Senatskulturkanzlei als „Ort der Konfrontation der Weltmächte“ betitelt.10 Von der Idee eines Museums verabschiedete sich der Kultursenator im Jahr 2006 vorerst wieder, da sie als zu „anspruchsvoll, für den Ort als überdimensioniert und für zu aufwändig bewertet“ wurde. Als temporäre Lösung wurde eine „Bauzaunausstellung“ empfohlen, die nun seit 2007 am historischen Ort zu besichtigen ist.11 Neben den genannten pragmatischen Gründen waren parteipolitische Interessen dem Museumsplan zum Verhängnis geworden. Das „Mauergedenken“ und damit das Gedenken an die lokalen Opfer der Mauer sollte stärker in den Mittelpunkt rücken und nicht durch eine internationale Sicht auf den Kalten Krieg verdeckt werden. Inzwischen jedoch hat die Erinnerung an die Mauer einen festen Platz erhalten und ist in Form einer Stiftung seit September 2008 auch institutionell abgesichert. So kann die Idee eines Museums des Kalten Krieges wieder in den Blick genommen werden.

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Konrad H. Jarausch, der bereits an der Bauzaunausstellung mitgewirkt hat und zu den Initiatoren des erwähnten Aufrufs vom Juni 2008 zählt, skizziert in seinem hier veröffentlichten Beitrag Ansätze zu einer Historisierung des Kalten Krieges. Er erläutert chronologische und thematische Schwerpunkte, an denen sich der Aufbau einer Ausstellung orientieren könnte. Zu empfehlen seien „bildhafte Zuspitzungen der zentralen Aussagen“ sowie „eine breite europäische, in Teilen auch globale Perspektive“.

Hope Harrison verweist auf ein Beispiel für eine gelungene Präsentation des Themas. Im Center for Cold War International History Studies in Shanghai vermitteln verschiedene Installationen über eine Weltkarte sowie eine Zeitleiste eine Vorstellung von Orten und Ereignissen des Kalten Krieges. Entsprechende Informationen wünscht sich Harrison auch für Berlin. Zwar gebe es dort eine beachtliche Vielfalt von Museen, Gedenkstätten und Ausstellungen zur Erinnerung an die NS- und die DDR-Vergangenheit, doch fehle bisher ein Ort, der die politischen und lebensweltlichen Zusammenhänge des Kalten Krieges verständlich mache. Es geht Harrison also nicht um „Kleinteiligkeit und Spezialisierung“, sondern gerade um die von Kritikern der Museumsidee geforderte „historische Übersicht“.12

Jost Dülffer bevorzugt statt des Begriffs „Kalter Krieg“ den Terminus „Ost-West-Konflikt“. Einem umfassenden Museum des Kalten Krieges steht er eher skeptisch gegenüber; er plädiert für ein bescheideneres „Museum des geteilten Europas“. In Verbindung damit sei ein dezentrales Konzept sinnvoll, das die „vielfältige Erinnerungslandschaft in Berlin, in Deutschland, in Europa“ stärke - mit Hilfe des Internet, aber zum Beispiel auch mit Fahrradwegen.

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Dieser letztgenannte Aspekt verweist auf die Bedeutung von Ortserkundungen und Reiseerfahrungen, in der Gegenwart sowie bereits in der Zeit des Kalten Krieges selbst. Karl Schlögel nuanciert die individuelle Erinnerung an eine Epoche, die noch nicht lange vorüber ist und doch schon weit entfernt zu sein scheint. Er schildert die Passageriten, die spezifischen Atmosphären und nicht selten skurrilen Situationen im Osten wie im Westen, die für den Kalten Krieg (auch) charakteristisch waren - und die bisher eher in der Literatur als in der Historiographie aufscheinen. In einer künftigen Ausstellung müssten solche biographischen und autobiographischen, oftmals schwer zu fassenden Facetten ebenfalls berücksichtigt werden. Zahlreiche Alltagsobjekte - von der Plastiktüte über die Jeans bis hin zur Bibel in kyrillischer Schrift - würden sich bei entsprechender Einordnung als museale Bedeutungsträger anbieten.

Wie bei vielen zeitgeschichtlichen Ausstellungen wird es auch hier eine besondere Herausforderung sein, für ein sehr heterogenes Publikum unterschiedlicher Altersgruppen, Nationalitäten und Vorkenntnisse geeignete Angebote zu entwickeln. Der übliche fachwissenschaftliche Hinweis, dass die Materie (in diesem Fall: der Kalte Krieg) komplex sei, sollte jedoch nicht dazu führen, auf Präsentationsversuche in Form einer Ausstellung ganz zu verzichten. Die Frage, wie „die Welt das Wettrüsten überlebte“,13 verlangt fundierte und ansprechend gestaltete Antworten - auch deshalb, weil sie vielleicht mehr mit der Gegenwart zu tun hat, als wir es auf den ersten Blick annehmen.

Anmerkungen: 

1 Siehe etwa den Literaturüberblick von Fred S. Oldenburg, Der Kalte Krieg - Meistererzählungen, in: Archiv für Sozialgeschichte 48 (2008), S. 725-753.

2 So wird das Ende des Kalten Kriegs teilweise schon wieder angezweifelt; vgl. etwa Thomas Speckmann, Der neue Kalte Krieg, in: Internationale Politik 60 (2005) H. 5, S. 6-15; Erich Follath/Alexander Jung (Hg.), Der neue Kalte Krieg. Kampf um die Rohstoffe, München 2006; Peter Scholl-Latour, Der Weg in den neuen Kalten Krieg. Eine Chronik, Berlin 2008, 3. Aufl. 2009.

3 Bernd Stöver, Der Kalte Krieg, München 2003, S. 119.

4 Siehe http://markus-meckel.de/engagement/foerderverein-zentrum-kalter-krieg.html. Am 20. März 2009 wurde diese Initiative mit einer Diskussionsveranstaltung im Berliner Rathaus öffentlich präsentiert; siehe http://www.bfgg.de/projekte/jenseits-der-feindbilder.html.

5 Mit den jetzigen Beiträgen wird die frühere Debatte „Zwischen Event und Aufklärung: Zeitgeschichte ausstellen“ fortgeführt und konkretisiert (siehe Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 1+2 [2007], S. 160-222).

6 Bernd Stöver, Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen Zeitalters 1947-1991, München 2007, S. 27.

7 Siehe den Beitrag von Muriel Blaive in diesem Heft.

8 Unter dem Titel „Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen 1945-1989“ ist die Schau ab Mai 2009 im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und ab Oktober 2009 im Deutschen Historischen Museum Berlin zu sehen. Als Würdigung siehe bereits Hanno Rauterberg, Nun kann die Mauer fallen, in: ZEIT, 29.1.2009, S. 39f.

9 Siehe das Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer vom 12.6.2006: http://www.stiftung-berliner-mauer.de/en/uploads/test/gesamtkonzept.pdf.

10 Siehe Arbeitsbericht Gesamtkonzept Berliner Mauer vom 22.11.2005, S. 30; Arbeitsbericht Gesamtkonzept Berliner Mauer vom April 2006, S. 34 (unveröff. Papiere der Senatskanzlei).

11 Siehe Arbeitsbericht Gesamtkonzept Berliner Mauer vom 25.4.2006, S. 38; Arbeitsbericht Gesamtkonzept Berliner Mauer vom 2.5.2006, S. 47 (unveröff. Papiere der Senatskanzlei). Idee, Konzept und Realisierung der Bildergalerie an der Friedrichstraße/Checkpoint Gallery: Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart e.V., 2006; wissenschaftliche Beratung: Konrad H. Jarausch, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam.

12 Vgl. Heinrich Wefing, Checkpoint Erinnerung. Warum Berlin nicht auch noch ein Museum des Kalten Krieges braucht, in: ZEIT, 19.6.2008, S. 10. Wefing kritisiert polemisch eine „Ballung der Denkmalsprojekte“, unterscheidet aber nicht zwischen Denkmälern und Museen.

13 So der Untertitel von Spiegel Special Nr. 3/2008: Der Kalte Krieg.

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