Bevölkerungsstimmungen in der geschlossenen Gesellschaft

MfS-Berichte an die DDR-Führung in den 1960er- und 1970er-Jahren

Anmerkungen

1. Die „ruhigen Jahrzehnte“ der DDR als Forschungsproblem
 

Die 1960er- und 1970er-Jahre stehen in der Geschichte der DDR für die vergleichsweise ruhigen mittleren Jahrzehnte, gleichsam eingerahmt durch den Mauerbau 1961 als Stabilisierungsakt der kommunistischen Diktatur und die ersten akuten Symptome der finalen Krise Anfang der 1980er-Jahre. Die beiden Jahrzehnte teilen sich in die von ökonomischen Reformversuchen geprägte späte Ulbricht-Ära und die frühen Jahre unter Honecker mit der Förderung von sozialen Leistungen und Konsum für größere Kreise der Bevölkerung. Für die letztere Politik musste die DDR ihre Investitionsquote senken und sich zunehmend verschulden. Diese Belastungen erkannten Wirtschaftsfachleute schnell als langfristig existenzgefährdend - sie wuchsen sich in der Tat zur fundamentalen Systemkrise aus.

Aus globaler ökonomischer und gesellschaftlicher Perspektive waren die 1960er- und 1970er-Jahre eine Schlüsselperiode der Modernisierung, in der die beispiellose Nachkriegsprosperität endete und die informationstechnische Revolution hin zum postindustriellen Zeitalter und dem Aufbruch in die „zweite, reflexive Moderne“ begann.1 In der westdeutschen Konkurrenzgesellschaft kamen die gesellschaftlichen Modernisierungseffekte voll zum Tragen. Politische Kultur und Lebensstile wurden pluraler. Sie waren Kennzeichen der „Erfolgsgeschichte“ der Bundesrepublik als demokratisierter Gesellschaft. Mit dem Ausbau des Sozialstaates entstand ein Wohlstandsmodell von immenser Strahlkraft. Zugleich baute sich seit Mitte der 1970er-Jahre der Problemdruck eines Strukturwandels auf, an dem die westdeutsche Gesellschaft fortan laborierte, den sie aber zumindest ökonomisch-technologisch durchaus bewältigte, ohne dass er gesellschaftlich systemgefährdende Dimensionen angenommen hätte.2

Auch die DDR arbeitete sich an diesem Modernisierungsdruck ab. Sie entwarf Investitionsprogramme für die Zukunftsindustrien und versuchte, sich gesellschaftlich ein offeneres, lockeres Gepräge zu geben - auf einigen Gebieten durchaus mit Erfolg. Letztlich erwiesen sich aber die Imperative eines starren Systems der klassischen „politischen Ökonomie des Sozialismus“3 als unüberwindlich, dessen Maximen aus dem totalitären Zeitalter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammten. Unterm Strich blieb diese Phase eine „Stagnationsperiode“ - so die treffende Charakterisierung in der Sprache der sowjetischen Perestrojka.4 Die Frage, wie die Modernisierungsprozesse in der DDR „ankamen“ und welche Folgen sie dort hatten, ist für das Feld der Ökonomie schon breit behandelt worden,5 aber nicht in gleichem Maße für die Frage der politisch-mentalen Verfassung der DDR-Bevölkerung.6 In den genannten Jahrzehnten verschob sich die Generationenkonstellation: Zu den durch Krieg und Nachkrieg geprägten Kohorten gesellte sich eine jüngere Generation, deren Wertvorstellungen und Lebensträume durch das Leben unter den Verhältnissen der DDR geformt waren.7 Zugleich verlor die kollektivistische und egalitaristische Wertordnung der Gründerväter der DDR, die durch die Arbeiterbewegung in der Klassengesellschaft der Weimarer Republik geprägt war, an Geltungskraft - im Angesicht fortschreitender Ansprüche an materielle Standards und Individualität der Lebensgestaltung, die im Zeitalter der Massenkommunikation täglich aus dem Westen herüberdrangen.

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Im Rückblick erscheint diese „stille“ Phase der DDR-Geschichte als historische Etappe, in der nicht nur die Ursachen des ökonomischen Zusammenbruchs zu entdecken sind, sondern auch die Wurzeln der DDR-Müdigkeit und Zermürbung. Zugleich aber erscheinen die Bilder vom Lebensalltag im „entwickelten Sozialismus“ als historische Basis der „Ostalgie“ in der Vereinigungskrise, als Erinnerungsort einer harmonischen Vergemeinschaftung.8 Die Rekonstruktion von Haltungen und Meinungen der DDR-Bevölkerung kann dabei helfen, solche widersprüchlichen Sichtweisen zu überprüfen und einzuordnen. Das Spektrum möglicher Quellen ist breit: Eingaben, Ego-Quellen wie Tagebücher und private Briefe, in der DDR zugelassene Meinungsumfragen (Institut für Meinungsforschung, Zentralinstitut für Jugendforschung, Hörer-bzw. Zuschauerforschung des Deutschen Fernsehfunks, andere geheime soziologische Befragungen), die seit dem „Harvard Refugee Project“9 in der westlichen Kommunismusforschung erprobte Gegenüberlieferung in Form von Ausreiser- oder Stellvertreterbefragungen, retrospektive Befragungsprogramme10 sowie schließlich zeitgenössische Berichte, die die SED, die Blockparteien und Massenorganisationen oder auch staatliche Institutionen erstellten.

Die folgende Analyse bezieht sich auf eine spezielle Gattung des DDR-Berichtswesens: die Stimmungs- und Lageberichte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) an die SED-Führung. Sie sind bisher für eine Reihe von Krisensituationen (1953, 1956, 1961, 1968, 1981, 1989) sowie für speziellere Fragestellungen in die historische Forschung einbezogen, aber noch nicht für die systematische Analyse von Stimmungslagen und Wertorientierungen in ruhigeren Zeiten der DDR-Geschichte genutzt worden.11 Für eine solche Art von Stimmungsforschung, die auf Geheimdienstakten zurückgreift, gibt es besonders aus der NS-Forschung einen breiten Erfahrungsschatz und zugleich eine ausführliche Methodenkritik.12 So ist nach den geheimdienstlichen Eigenheiten dieser Berichterstattung zu fragen, aber auch nach den ideologisch bedingten Verzerrungen. Hier sollen zunächst die Rahmenbedingungen von „Öffentlichkeit“ in der staatssozialistischen Diktatur skizziert werden, unter denen jene Meinungsäußerungen entstanden, die die Geheimdienstberichte erfassten. Danach werden wesentliche Themenfelder der MfS-Berichterstattung vorgestellt und die Aussagen exemplarisch diskutiert.

2. Zur Problematik von Öffentlichkeit in der geschlossenen Gesellschaft

Für die Einordnung und Verwendung der in dem untersuchten Material versammelten Aussagen von DDR-Bürgern ist es notwendig, die Kontexte ihrer Entstehung näher zu bestimmen. Zudem ist die Frage zu diskutieren, ob und in welcher Form die MfS-Berichte Funktionen der für moderne Gesellschaften so zentralen Öffentlichkeit erfüllten bzw. ersetzten - eine These, die seit der Aktenöffnung Anfang der 1990er-Jahre immer wieder zu lesen ist.13

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Jürgen Gerhards und Friedhelm Neidhardt zufolge lässt sich „Öffentlichkeit“ definieren als „ein intermediäres System, dessen politische Funktion in der Aufnahme (Input) und Verarbeitung (Throughput) bestimmter Themen und Meinungen sowie in der Vermittlung der aus dieser Verarbeitung entstehenden öffentlichen Meinungen (Output) einerseits an die Bürger, andererseits an das politische System besteht“.14 Öffentlichkeit ist in modernen Gesellschaften so wichtig, weil sie die Steuerung der funktional ausdifferenzierten Teilsysteme wie Wirtschaft, Wissenschaft, Familie, Erziehungssystem, Recht, Politik, Kunst, Gesundheit usw. durch das politische System begleitet und koordiniert; daraus entsteht eine „öffentliche Meinung“. Drei Typen von Öffentlichkeit lassen sich unterscheiden:

• die so genannte kleine oder auch „Encounter“-Öffentlichkeit (Erving Goffman) zufälliger, episodenhafter Kommunikation im Bus, am Arbeitsplatz, in der Schlange im Geschäft usw.;

• die vorwiegend thematisch zentrierte Veranstaltungsöffentlichkeit (Diskussionen, Vereinssitzungen, Lesungen usw.), die hinsichtlich der Verbindlichkeit der Statements, aber auch der Strahlkraft der kollektiven Meinungsbildung eine mittlere Reichweite aufweist;

• die Massenmedienöffentlichkeit, die eine entwickelte Infrastruktur voraussetzt und für das Publikum relativ fern und abstrakt ist.

Diese drei Öffentlichkeitsebenen, so Gerhards und Neidhardt, sind „prinzipiell gleichrangig“ und funktionieren interdependent, weil sie sich hinsichtlich der jeweils unterschiedlichen persönlichen Rezeptions- und Partizipationschancen ergänzen. Sie gemeinsam schaffen Öffentlichkeit in jenem umfassenden, für die Funktionalität moderner Gesellschaften konstitutiven Sinne. Außerdem betonen Gerhards und Neidhardt, dass die öffentliche Meinung mit freien Wahlen als Legitimationsakten des politischen Systems verkoppelt sei.15

Im Staatssozialismus waren solche ausdifferenzierten, autonomen Öffentlichkeiten nicht zugelassen. Neben der politisch inszenierten Öffentlichkeit entstand allenfalls Encounter-Öffentlichkeit: „Unter repressiven Herrschaftsbedingungen wird sich Öffentlichkeit allein auf der Ebene von Interaktions-episoden konstituieren und selbst hier auf Immunisierungstaktiken angewiesen sein“16 - wie etwa doppeldeutige, ironische Ausdrucksweisen, die Verkleidung von Haltungen in nicht kriminalisierbaren Statements. Da es sowohl an der Autonomie der höheren Ebenen als auch an der Verkopplung zwischen den Öffentlichkeitssphären fehlte, kann man nicht von Öffentlichkeit in einem vollen diskursiven Sinne sprechen.

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Götz Aly hat diesen Grundtatbestand diktatorischer Gesellschaftsverfassung zum Anlass genommen, das Konzept „öffentliche Meinung“ für die NS-Herrschaft ganz zu verwerfen: „Anders als der Begriff Stimmung setzt öffentliche Meinung den republikanischen Verfassungsstaat voraus: allgemeine und parlamentarische Diskussionen, die gesellschaftlich gewollte und institutionell organisierte Differenz, die Gewaltenteilung, den freien Journalismus, das ständige Hin und Her um die gemeinsamen Angelegenheiten. All das fehlte im Dritten Reich. [...] Die Diktatur atomisierte die Gesellschaft. Das führte zu einer für totalitäre Regime typischen Entpolitisierung im Zeichen der Politik. [...] Eher müsste von unöffentlicher Meinung gesprochen werden, von Prozessen kollektiver Verständigung, die sich osmotisch in den subkutanen Schichten der Gesellschaft vollzogen. Ihnen haftete etwas Beschränktes, Verdruckstes an. Sie waren Ausdruck des individuellen, mit der Gesamtheit der Deutschen nur eingeschränkt rückgekoppelten Überzeugungswandels.“17

Im Vergleich dazu wird man für die DDR zu einem weniger absoluten Urteil kommen. Obwohl auch hier die Ermittlung von „Stimmungen“ bzw. von - wie es in der MfS-Sprache heißt - „Reaktionen der Bevölkerung“ strukturell darauf beruhte, dass sie nichtöffentlich erhoben und an höhere Instanzen übermittelt wurden, während eine öffentliche Meinungsbildung durch Rezeption und Austausch von Argumenten und Positionen unterbunden war, konnte es kleinräumig zumindest zu eingeschränkten Verständigungsprozessen kommen. Zudem übten die Westmedien für bestimmte Themen auch auf „Republikebene“ Rückkopplungsfunktionen aus.18 Schließlich lässt sich für die 1980er-Jahre auf der Ebene der Veranstaltungsöffentlichkeit durchaus eine Zunahme der Spielräume erkennen, sei es bei Dichterlesungen oder bei Veranstaltungen im Rahmen der Kirche - wenngleich stets ohne die Rückkopplung der einzelnen Veranstaltung über die Ebene der Massenmedien. Bereits in früheren Phasen gab es in Politik und Propaganda der SED-Führung immer wieder Manöver, die von der DDR-Bevölkerung zu Recht als Reaktionen auf Stimmungslagen aufgefasst wurden. Hierunter fällt sowohl die „Gegenpropaganda“ zu westlichen Medienmeldungen, die oftmals ohne Kenntnis der Ursprungsmeldung gar nicht zu verstehen war, als auch die kurz- und langfristige Ausrichtung der SED-Politik an einem politischen Vorstellungshorizont, in den neben bestimmten Ideologemen solche Stimmungen selektiert einflossen. Dies zeigt etwa die Durchsetzung der Wohlfahrtspolitik der 1970er-Jahre gegen das Votum führender Finanz- und Wirtschaftsexperten ganz deutlich, die Erich Honecker stets auch mit der Erwartungshaltung der Bevölkerung begründete.19

Insgesamt war für die staatssozialistische Gesellschaft die Existenz einer offiziellen Sphäre mit striktem Sprachreglement und einer Vielzahl von kleinräumigen „Kinderzimmergesellschaften“ typisch,20 in denen allerdings die Partizipation und Artikulation auf bestimmte Felder beschränkt war, während gerade große gesellschaftliche Themen tabu blieben - wie etwa die Frage nach der Legitimation des Systems, der grundlegenden Beschneidung von Menschenrechten usw. Die Unterbindung der diskursiven Funktion von Öffentlichkeit und die Kriminalisierung entsprechender Äußerungen brachte die SED-Führung in ein Dilemma, weil sie ja durchaus an Informationen über Meinungen im Volk interessiert war - nicht zuletzt um die Stabilität des Regimes einschätzen zu können -, sich aber zugleich mit dem Problem der „doppelten Meinung“ auseinandersetzen musste. Die Einwohner differenzierten offizielle und private Meinungen, die allerdings nicht strikt getrennt waren, sondern je nach Kontext in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen artikuliert wurden, wie es Ingrid Oswald und Viktor Voronkov für die sowjetische Gesellschaft formuliert haben: „Jeder Sowjetbürger lernte im Laufe seines Lebens sorgfältig zwischen dem zu unterscheiden, was er seinen Freunden und seinem Bekanntenkreis anvertrauen konnte, was er als offizielle Fassade vertreten mochte und was er für sich behalten wollte. Über die Demarkationslinien zwischen den einzelnen Kommunikationsräumen machte er sich keine Illusionen, weshalb er auch die grundsätzlich unterschiedlichen Regeln, die die jeweiligen Sphären regulierten, nicht miteinander verwechselte. Je nachdem, ob er einen Sachverhalt oder eine Meinung offiziell vertrat, privat-öffentlich diskutierte oder ganz privat bewertete, musste er sein Kommunikationsverhalten anpassen und in die der Situation gemäßen Rollen schlüpfen.“21 Diese Mehrdimensionalität der Meinungslandschaft gehörte auch in der DDR zu den Rahmenbedingungen jeglicher Berichterstattung an Führungsinstanzen und erschwert die Interpretation der Befunde.

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3. Das Profil der MfS-Berichterstattung

Die Berichterstattung des Ministeriums für Staatssicherheit war einer der Kanäle, durch die Stimmungsinformationen an die politische Führung der DDR flossen. Sie sollten die herrschaftsstabilisierende Funktion von Öffentlichkeit substituieren, ohne die herrschaftskontrollierende Funktion zuzulassen. Bei der historischen Analyse dieser geheimdienstlichen Form der Berichterstattung wird üblicherweise angenommen, dass hier stärker als in anderen Rapporten die verdeckten, nicht-öffentlichen Schichten der Meinungslandschaft beleuchtet worden seien. Die Gründe liegen auf der Hand: Es war Aufgabe des MfS, gerade „feindliche“, stabilitätsbedrohende Positionen ausfindig zu machen, und genau dazu hatte es mit seinem Überwachungsnetz der Post- und Telefonkontrolle sowie den inoffiziellen Mitarbeitern des MfS auch Möglichkeiten, die über die Einblicke anderer Berichterstatter hinausgingen.22 Gleichwohl unterschied sich die MfS-Berichterstattung von anderen Berichtslinien weniger grundlegend, als man es erwarten könnte. Auch sie konnte sich den Rahmenbedingungen und Einschränkungen öffentlicher Kommunikation im Staatssozialismus nicht entziehen und muss folglich innerhalb dieses Kontextes interpretiert werden.

Zunächst einige Grundinformationen zu den MfS-Berichten: Auf der zentralen Ebene produzierte das MfS von 1959 bis 1989 pro Jahr zwischen 140 und 340 Inlandsmeldungen, wobei sich die Spitzenjahre wie 1964 (324 Meldungen), 1965 (316 Meldungen) und 1973 (340 Meldungen) mit Ereignissen in den deutsch-deutschen Beziehungen in Verbindung bringen lassen - wie den Passierscheinabkommen für West-Berliner und der Umsetzung der Verhandlungsergebnisse im Zuge der Neuen Ostpolitik. Die Krisenjahre wie 1961, 1968, 1981 und schließlich die finale Krise 1989 zeigen zwar mit über 200 Berichten per annum ebenfalls überdurchschnittliche, aber keineswegs herausstechende Werte.23 Die Berichte waren als monothematische „Einzelinformationen“ aufgebaut und hatten typischerweise einen Umfang von zwei bis zehn Seiten, zu besonderen Anlässen auch mehr; bisweilen kamen umfangreichere Anhänge hinzu.

Von diesen Berichten widmeten sich jedoch nur maximal 15 pro Jahr den „Reaktionen der Bevölkerung“. Von einer gleichsam täglichen zentralen Stimmungsschau war das MfS weit entfernt. Der deutlich überwiegende Teil der Meldungen behandelte vielmehr bestimmte Ereignisse oder Probleme, zum Beispiel Grenzdurchbrüche, Produktionsunterbrechungen, Äußerungen von Kirchenvertretern etc. Hinzu kommen Mischfälle - wenn etwa über Betriebsunfälle in der Lebensmittelindustrie berichtet wurde, mit denen unruheträchtige Rückwirkungen auf die Versorgung einhergingen, oder auch über Bergwerksunglücke, die unter den Hinterbliebenen unweigerlich Gerüchte über Sicherheitsmängel hervorriefen.

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Zu den Adressaten der zentralen Berichterstattung konnten der Erste Sekretär bzw. Generalsekretär, weitere, fachlich zuständige Politbüromitglieder sowie Sekretäre und Abteilungsleiter im Apparat des SED-Zentralkomitees gehören, wie auch die jeweiligen Minister und andere Repräsentanten von Spitzeninstitutionen des Staatsapparates. Es bestand Geheimhaltungs- und Rückgabepflicht. Ähnliche Berichtssysteme gab es auf Kreis- und Bezirksebene, die jeweils die Ersten Sekretäre der SED-Parteileitungen mit den regional relevanten Nachrichten versorgten.

In den 1950er-Jahren hatte die Berichterstattung eine wechselvolle Geschichte: Nach dem 17. Juni 1953 lieferte das MfS zunächst eine zeitlich und thematisch sehr dichte Berichtsfolge, die streckenweise den Charakter von quasi militärischen Lageberichten im kalten Bürgerkrieg annahm und von der Furcht der SED- und MfS-Führung vor erneuten Unruhen geprägt war. Nach einer ersten Beschneidung der Berichterstattung auf Ulbrichts Geheiß 1957 reduzierte das MfS das Aufkommen und die Verteiler erheblich.24 Seit dieser Phase war das Profil der Berichterstattung zu Bevölkerungsstimmungen relativ stabil. Es gab jeweils die „Einzelinformationen“, hingegen keine regelmäßigen Querschnittsrapporte mehr wie Mitte der 1950er-Jahre.25

Das Themenspektrum in den 1960er- und 1970er-Jahren war breit, lässt aber erkennen, welche Felder das MfS bzw. seine Auftraggeber in Bezug auf die innenpolitische Stabilität für neuralgisch hielten. Während der Kriseneskalationen des Mauerbaus 1961 und der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 wurden jeweils über Wochen dichte Berichtsfolgen erstellt. Jenseits dieser zugespitzten Situationen gab es Berichtsfolgen im (annähernden) Tagesrhythmus, wie bereits erwähnt, anlässlich der Passierscheinabkommen mit dem West-Berliner Senat 1963 bis 1966, die zu Massenbesuchen von West-Berlinern in der DDR führten und deswegen das MfS in Alarmzustand versetzten. Allein zu den Passierscheinregelungen sind 42 umfangreiche Berichte erstellt worden. Diese Dichte verweist auf die besondere Aufmerksamkeit, die die DDR-Führung den innenpolitischen Rückwirkungen der deutsch-deutschen Verhandlungen bzw. des Einflusses Westdeutschlands widmete. Auch später bildeten die Ostpolitik der Bundesrepublik sowie vor allem die damit verbundenen praktischen Konsequenzen hinsichtlich Besuchs- und Reiseregelungen eines der Hauptthemen.

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Ein zweites Feld kontinuierlicher Berichterstattung waren das Lohn- und Arbeitsregime und damit verbundene Unruhepotenziale in den DDR-Betrieben. So berichtete das MfS zumindest in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre noch relativ häufig über angedrohte oder stattgefundene Arbeitsniederlegungen.26 Eng damit verwoben waren die Versorgungslage und die dafür ursächlichen Mängel und Produktionsunterbrechungen in Industrie und Landwirtschaft als drittes Hauptfeld, bis hin zu Fragen der Lebensmittelhygiene im Zusammenhang mit Salmonellenepidemien. Das vierte regelmäßig wiederkehrende Feld waren Bevölkerungsreaktionen auf propagandistische und politische Großereignisse wie Parteitage der SED und der KPdSU, die staatssozialistischen Wahlrituale oder außenpolitische Ereignisse wie der Mord an John F. Kennedy.

Unter den nur zeitweilig relevanten Themen lassen sich für die frühen 1960er-Jahre zum Beispiel die Nachwirkungen der Agrarkollektivierung und die Disziplinarlage in der Nationalen Volksarmee nennen, für die frühen 1970er-Jahre die Reaktionen auf die Verstaatlichung der verbliebenen halbprivaten Industriebetriebe. Schließlich gab es - den Aufgaben des MfS entsprechend - eine starke Aufmerksamkeit für „feindliche“ Aktivitäten, die sich (über Einzelanlässe hinaus) auch in Überblicken zur Lage unter Jugendlichen und Künstlern, an Hochschulen oder in den Kirchen niederschlugen.

4. Stimmungen in der Bevölkerung - Themen und Muster

Im Folgenden sollen die Konjunkturen der Berichterstattung sowie exemplarisch einige Einzelmeldungen für die 1970er-Jahre genauer analysiert werden. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, welche Haltungen und Positionen vom MfS als „Reaktionen der Bevölkerung“ präsentiert wurden und welche Rückschlüsse auf Wertbezüge und Selbstwahrnehmungen sich daraus ziehen lassen. Für die Wende von den 1960er- zu den 1970er-Jahren ist zunächst eine relativ dichte Berichtsfolge zu zwei Themen zu erkennen: zum einen die beginnende Annäherung der beiden deutschen Staaten, konkret die Treffen in Erfurt und Kassel sowie die Reaktionen auf den Moskauer Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion. Das zweite Thema war die kumulierende ökonomische Krise im Herbst 1970, die sich in einer Häufung von Versorgungsengpässen niederschlug. Damit verbunden war eine hohe Aufmerksamkeit für die möglichen Folgen der Unruhen in Polen im Dezember 1970.

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Diese Häufung von innenpolitischen Berichten ist auch deshalb bemerkenswert, weil sie fast alle an den ZK-Sekretär für Sicherheitsfragen, Erich Honecker, den Vorsitzenden des Ministerrates, Willi Stoph, den ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda, Werner Lamberz, sowie an eine Handvoll anderer Spitzenfunktionäre gerichtet waren, nicht jedoch an den gesundheitlich angeschlagenen, aber noch amtierenden Walter Ulbricht. Welche Absichten hinter diesem Verteiler auch immer standen: Die Berichte munitionierten Honecker mit Informationen über die drastischen Reaktionen der DDR-Bürger auf die Versorgungskrise. Zwar wurde Ulbricht bis wenige Wochen vor seiner Absetzung von Zeit zu Zeit noch mit außenpolitischen Meldungen versorgt,27 aber die letzte innenpolitische Meldung von Belang stammte vom März 1970; sie betraf den bevorstehenden Besuch Willy Brandts in Erfurt. Danach erreichten Ulbricht nur noch einige Meldungen zu Grenzzwischenfällen, versuchten Flugzeugentführungen usw.

Den Abschluss dieser Serie zu Wirtschaftsproblemen bildete ein Bericht vom Februar 1971 zur „Reaktion der Bevölkerung der DDR zu den Maßnahmen auf dem Gebiet der Einzelhandelsverkaufspreise“.28 Darin wurde über den Widerhall einer Reihe von Preissenkungen berichtet. Zwar wurde der Zusammenhang mit den Unruhen in Polen erwähnt, aber zugleich die positive Reaktion der Bevölkerung registriert. Im Grunde handelte es sich hierbei bereits um Begleitmusik zum von Honecker vorbereiteten Machtwechsel. In den folgenden drei Jahren setzten Meldungen zur Versorgung und zur materiellen Lage völlig aus, was eine absolute Ausnahme für die gesamte DDR-Geschichte darstellt. Die neue Parteiführung war bestrebt, die materielle Situation der Bevölkerung zügiger zu verbessern und daraus Legitimität zu schöpfen. Ob das Schweigen des MfS tatsächlich einem erwartungsvollen Verstummen der Kritik in der Bevölkerung geschuldet war oder vielmehr dem Bemühen, auf dem ambitioniertesten Feld der Gesellschaftspolitik Honeckers keine Negativmeldungen zu produzieren, muss dahingestellt bleiben.29

Stattdessen wurden die Reaktionen auf einige andere markante Entscheidungen der frühen Ära Honecker abgefragt, insbesondere die Änderung des Abtreibungsrechts 1972 und die Enteignung der halbstaatlichen Betriebe im gleichen Jahr. In diesen Meldungen ging es vor allem darum, die Stimmung in den jeweils neuralgischen Bevölkerungsgruppen zu fokussieren, also die konfessionell gebundenen Milieus und im anderen Falle die Komplementäre der zu enteignenden Betriebe, sowie jeweils die Blockparteien CDU und LDPD.30 In diese Reihe gehört auch eine Sammlung von Stimmen zur Amnestie zum 23. Jahrestag der DDR-Gründung.31

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Die Resonanz des deutsch-deutschen Verhandlungsprozesses in der DDR-Bevölkerung spielte in dieser Phase weiterhin eine wichtige Rolle. Sie führte schließlich zu einem Bericht für Erich Honecker und Propagandachef Werner Lamberz über Reaktionen der DDR-Bevölkerung auf die Bundestagswahl vom 19. November 1972, auf dessen Inhalt noch einzugehen sein wird. Mit diesem Bericht endete abrupt die Berichterstattung an die SED-Führung über „Reaktionen der Bevölkerung“. Zwei weitere Berichte zu Stimmungslagen, die offenbar bereits erarbeitet waren, wurden Ende 1972 nur noch innerhalb des Ministeriums verteilt; dann setzte für ein gutes Jahr eine absolute Funkstille in der Stimmungsberichterstattung an die Parteispitze ein. Diese Unterbrechung passt zu der für das System Honecker so typischen Wahrnehmungsverweigerung, die sich später etwa in der Schließung des Instituts für Meinungsforschung des SED-Zentralkomitees (1978) oder den Restriktionen für alle anderen Formen der Demoskopie und empirischen Sozialforschung, etwa des Zentralinstituts für Jugendforschung, niederschlug. Öffentlichkeitstheoretisch gesprochen belegt dies, dass selbst die „Einbahnstraßenöffentlichkeit“ des diktatorischen Systems nicht voll funktionierte, sofern über diesen Kanal Aussagen transportiert wurden, die das Weltbild bzw. das Erträglichkeitslevel der SED-Führung überschritten.

1974 begann die „Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe“ (ZAIG) stattdessen eine neue Berichtsreihe „Hinweise zu Reaktionen der Bevölkerung“ mit insgesamt 234 Lieferungen, die allerdings regelmäßig nur noch an den Minister und seine jeweils betroffenen Stellvertreter ging, nicht aber an externe Empfänger. Wie bereits 1957, als Ulbricht die MfS-Stimmungsberichte stark reduzierte, deuten die Umstände darauf hin, dass sich Honecker diese Art von Berichterstattung 1972 verbat. Damit waren die Kanäle, in denen das MfS solche Informationen verbreiten konnte, nicht völlig verstopft. Mielke selbst konnte seinen Kenntnisstand auch im persönlichen Gespräch mit Honecker oder im Politbüro nutzen. Einige Berichte der intern fortgeführten Reihe sind zudem für die externe Verbreitung präpariert worden (Entfernen der Hinweise auf MfS-Diensteinheiten, Verteilung von mehreren Exemplaren an den Minister usw.). Diese Praxis wurde offenbar in den 1980er-Jahren ausgedehnt, als die Krisenphänomene anwuchsen. Erst im Herbst 1989 nahm das MfS die politische Führung wieder offiziell in Verteiler dieser Berichtsserie auf: Die ersten „Hinweise zu Reaktionen der Bevölkerung“ wurden am 22. September 1989 verteilt.32 Es folgten noch wenige, umso dramatischere Berichte, später auch an den neuen Generalsekretär Egon Krenz und den neuen Ministerpräsidenten Hans Modrow - bevor das MfS und seine Nachfolgeorganisationen endgültig aufgelöst wurden. Gleichwohl verweisen die Konjunkturen der Rezeption durch die politische Führung auf die fragile Rolle der MfS-Berichterstattung als Öffentlichkeitsersatz.

Auch auf der Ebene der Zuordnungen von Mehrheits- und Minderheitsmeinungen, von Positionen zu bestimmten sozialen Gruppen ist ein ideologisierter Bias unübersehbar. Die MfS-Berichte folgten in den 1960er-Jahren stark den Spielregeln des „sozialen Klassentheaters“,33 konstatierten also stets, dass die überwiegende Bevölkerungsmehrheit bzw. die Arbeiterklasse der SED-Politik zustimmten, während sie kritische Stimmen grundsätzlich als minoritär darstellten und prekären Bevölkerungsgruppen zuordneten. Im Laufe der 1970er-Jahre verschoben sich die Akzente: Je drängender die Auswertungsoffiziere Krisenphänomene wahrnahmen, desto häufiger gingen sie dazu über, das „Klassentheater“ nur noch der Form halber zu befolgen und ausführlich kritische Stellungnahmen zu präsentieren. Dies verkompliziert die heutige Auswertung: In der darstellerischen Grundstruktur mischte sich die ideologisch strukturierte Weltsicht mit den Kommunikationspraktiken der Encounter-Öffentlichkeiten, also den begrenzt kritischen, doppelbödigen, an offizielle Sprachregelungen anknüpfenden Äußerungen. Deshalb gilt für die MfS-Berichte letztlich der gleiche Vorbehalt wie etwa auch für die Eingaben an staatliche Stellen: Sie weisen eine Tendenz auf, kritische Haltungen nur gedämpft wiederzugeben und mit systemkonformen Argumentationsmustern zu kombinieren. Bis zum Zusammenbruch im Herbst 1989 ist es dem MfS aufgrund dieser Denkstruktur schwergefallen, die Bevölkerungsmehrheit als „feindlich-negativ“ zu klassifizieren, obwohl die zusammengetragenen Sachaussagen die massenhafte Loyalitätsverweigerung bereits deutlich erkennen ließen.

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Wie die Informationen zu Meinungen in der Bevölkerung innerhalb des MfS generiert, aggregiert und analysiert wurden, ist noch nicht im Einzelnen erforscht. Irreführend wäre jedenfalls die Annahme, das MfS sei in der Lage gewesen, flächendeckend persönliche Haltungen gleichsam ungefiltert einzufangen. Die eigentliche Stärke lag vielmehr darin, Äußerungen aus der episodischen Öffentlichkeit zu erfassen - am Arbeitsplatz, unter Nachbarn, in der Warteschlange beim Einkauf. Dies war nach den Erkenntnissen der IM-Forschung das Hauptaktionsfeld der inoffiziellen Mitarbeiter.34

Ausgehend von diesen Vorüberlegungen sollen einige Berichte exemplarisch auf ihre inhaltlichen Aussagen hin beleuchtet werden. Welche Anhaltspunkte liefern sie zu den Stimmungen in den „ruhigen Jahren“? Wie gesamtdeutsch, wie westlich-demokratisch, wie sozialistisch, wie loyal liest sich das kolportierte Meinungsprofil? Wie „normalisiert“ war die Haltung im Vergleich zu den unruhigeren Jahrzehnten zuvor und danach?

Das Dauerthema der deutsch-deutschen Beziehungen fand mit der heißen Phase der Neuen Ostpolitik und den damit einhergehenden Vertragsverhandlungen eine schnell wachsende Resonanz. Dabei kippte in der MfS-Darstellung im Laufe der Jahre 1969/70 der Akzent: Während es Anfang 1969 zur Frage der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR noch hieß, „breite Teile der Bevölkerung hielten sie für eine Grundsatzforderung, die von der Verhandlungsdelegation der DDR konsequent vertreten und durchgesetzt werden müsse“,35 erschien nach Abschluss des Moskauer Vertrags 1970 die DDR schon als Blockierer. „In allen Schichten der Bevölkerung“ würden nun Spekulationen angestellt wie diese: „Ein Abgehen von der Primärforderung nach völkerrechtlicher Anerkennung wäre unumgänglich. [...] Die DDR solle davon abgehen, die völkerrechtliche Anerkennung zu einer ‚Prestigefrage‘ auszuweiten.“36

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Stattdessen rückten die praktischen Ergebnisse der Verhandlungen ins Zentrum, insbesondere die Reisemöglichkeiten einschließlich der Hoffnung, dass die Mauer auch von Ost nach West wieder durchlässig bzw. durchlässiger werden würde. Fast zehn Jahre nach dem Mauerbau war das Bewusstsein für die „Anomalie“ der deutsch-deutschen Situation offenbar schnell geweckt. So berichtete das MfS, DDR-Bürger würden „häufig“ erwarten, dass es menschliche Erleichterungen gäbe, und sogar über die „Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen an der Staatsgrenze“ und „die weitere Annäherung beider Staaten, bis zur Wiedervereinigung Deutschlands“ spekulieren.37 Im Zuge der Unterzeichnung des Verkehrsvertrages 1972 berichtete das MfS dann über eine Welle von rund 2.000 Anfragen von DDR-Bürgern, die gern nach Westdeutschland reisen wollten und sich nun nach den neuen Möglichkeiten dafür erkundigten.38 Und immer wieder tauchte die Erwartung auf, die deutsch-deutsche Annäherung könne zu einer „Liberalisierungswelle“39 in allen gesellschaftlichen Bereichen der DDR führen.

Als Kulminationspunkt dieser Stimmungslagen kann man den bereits erwähnten Bericht über die Bundestagswahl im November 1972 betrachten. Dort hieß es zur Wahrnehmung durch die ostdeutsche Bevölkerung: „Die Bundestagswahlen in der BRD wurden mit großem Interesse verfolgt, wobei von breiten Bevölkerungskreisen betont wurde, der Ausgang der Wahlen würde großen Einfluss auf die weitere politische Entwicklung in Europa und auf das Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten nehmen.“40 Es folgte ein Satz, der in seiner Doppeldeutigkeit Bände spricht: „Der von der SPD/FDP errungene Wahlsieg wurde von der Bevölkerung der DDR überwiegend begrüßt.“ Diese Haltung entsprach der offiziellen SED-Position, die auf Verhandlungserfolge und die Anerkennung der DDR setzte, war darüber hinaus aber mit den „verschiedensten Illusionen und Erwartungen“ verbunden: „An der Spitze solcher Haltungen stehen die Auffassungen, allein die SPD mit Brandt an der Spitze habe mobilisierend auf die gesamte Entwicklung in Europa gewirkt.“ In Osteuropa kündige sich damit ein „Demokratisierungsprozess“ an, während die DDR zu einer „Nachtrabpolitik“ gezwungen sei. Schließlich beschrieb das MfS die charismatische Wirkung Willy Brandts: Die DDR-Bürger seien ihm dankbar, weil er soviel für sie erreicht habe; er sei der „deutsche Friedenskanzler“ und habe außergewöhnliche staatsmännische Fähigkeiten. Brandt mache eine „lebensnahe und arbeiterfreundliche Politik“. Mit diesen aus MfS-Sicht „politisch unklaren“ Positionen verbanden sich weitere Rückfragen: „Befindet sich die BRD unter Führung der SPD als Arbeiterpartei auch auf dem Weg zum Sozialismus?“ Und schließlich: „Ist die Wahl des Bundestages in der BRD hinsichtlich ihres ‚demokratischen Vorgehens‘ nicht ein ‚Beispiel‘ für die DDR?“

Bemerkenswert ist die Intensität, mit der die Ostdeutschen die westdeutschen Entwicklungen als unmittelbar relevant rezipierten, so dass sie - in Überschätzung der damaligen Möglichkeiten - selbst eine grundlegende Revision der deutschen Teilung unter demokratischen Vorzeichen für denkbar hielten. Insbesondere die persönliche Bewunderung, die laut diesem Bericht Willy Brandt in der DDR-Bevölkerung weiterhin (und vielleicht noch mehr als während seines Besuchs in Erfurt 1970) als „Staatsmann“ und als Sozialdemokrat genoss, dürfte Erich Honecker zu schaffen gemacht haben. Das „Institut für Meinungsforschung“ beim SED-Zentralkomitee war im gleichen Jahr zu ganz ähnlichen Befunden gekommen: „80 Prozent“ der DDR-Bevölkerung hätten ihre Sympathie für Brandt und seine Politik erklärt.41 Hier konzentrierten und personalisierten sich zentrale Problemfelder der Westpolitik Honeckers: die Attraktivität der Bundesrepublik, die Erfolge der „Arbeiterpartei“ SPD in Westdeutschland und der damit verbundene Wohlstandsschub für ihre Klientel, das Vorbild demokratischer Wahlen und eben der erhoffte unmittelbare Nutzen der Neuen Ostpolitik für die DDR-Bürger, was Reisen und persönliche Kontakte über die Grenze hinweg betraf.

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Ihr vorläufiges Ende fand die Berichterstattung zu Brandt am 13. Mai 1974 mit einer Sammlung von Stimmen zum Rücktritt des Bundeskanzlers. Die DDR-Bevölkerung habe mit „Verwunderung, Überraschung“ reagiert und zum Teil auch „eine gewisse Bestürzung über den Rücktritt Brandts“ geäußert. „Erneut wurde sichtbar“, so heißt es weiter, „dass seiner Person von einem bestimmten Teil unserer Bevölkerung, der dem MfS bereits früher als Brandt-freundlich bekannt war (z.B. ehemalige Angehörige des Mittelstandes, ehemalige Mitglieder der SPD in der Hauptstadt Berlin, Angehörige der Intelligenz, evangelische Pfarrer und Personen mit gering entwickeltem politisch-ideologischen Bewusstseinsstand), Sympathie entgegengebracht wird [...].“42 Eine Quantifizierung des „bestimmten“ Teils vermied das MfS. Ein „nicht unbedeutender Teil“ der Bevölkerung habe allerdings auch „mit einem gewissen Stolz und mit Freude die Leistungen des MfS und seines Kundschafters [Günter Guillaume] gewürdigt“.43

Das westdeutsche Vorbild demokratischer Wahlen spielte auch in den Stimmungsberichten zu den Kommunalwahlen 1974 und 1979 eine Rolle, wenngleich das MfS konstatierte, dass „politisch-ideologische Unklarheiten“ in dieser Frage nur „im kleinen Kreis“ aufgetaucht seien. So notierte das MfS 1974 als Stimmen aus der Bevölkerung: „Warum werden die Kandidaten aller Parteien gemeinsam im Block auf einer Liste gewählt? Ist es richtig, dass offen gewählt wird, oder wird damit das Wahlergebnis beeinflusst?“44 Bei Wahlen sei alles programmiert, und Bürger, die geheim abstimmen würden, seien „Repressalien“ ausgesetzt. „Die Wahlen zielten darauf ab, die Bürger zu ‚Duckmäusern und Ja-Sagern‘ zu erziehen. [...] Ein hoher Prozentsatz der Bürger der DDR würde nur zur Wahl gehen, weil andernfalls persönliche Nachteile befürchtet würden“. Schließlich vermerkte das MfS das Statement: „Man könne in der DDR nicht von ‚freien Wahlen‘ sprechen; dazu müsse man sich die BRD zum Vorbild nehmen.“45 1979 hieß es hierzu: „Nur eine geringe Anzahl bekanntgewordener Meinungsäußerungen ist gegen den demokratischen Charakter unserer Wahlen [...] gerichtet (Wahlen seien eine Farce, Ergebnisse stünden im voraus fest, SED gebe den Ton an und bestimme alles).“46

Inwiefern sich hinter der geringen Artikulationsbereitschaft tatsächlich auch ein verringertes Interesse an der Frage demokratischer Wahlen niederschlug, muss offen bleiben. Zumindest hatten die DDR-Bürger gelernt, aus dem Akklamationsritual des „Faltengehens“ Vorteile zu ziehen, indem sie ihre Wahlteilnahme an die Erfüllung sozialpolitischer Zusagen wie die Zuweisung einer besseren Wohnung durch die Staatsorgane knüpften. Insofern lassen die Berichte erkennen, wie sich unter den Bedingungen der Sozialpolitik Honeckers eine eigene Aushandlungskultur entwickelte.

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Nach der Lücke der frühen 1970er-Jahre fand auch das eigentliche Topthema der Berichte zurück auf die Tagesordnung: die materielle Lage der DDR-Bevölkerung und das daraus resultierende Risiko destabilisierender Unzufriedenheiten. Schwerpunkte lagen auf Versorgungsengpässen, Preiserhöhungen und dem Zugang zu Westwaren. Die Berichte lesen sich wie eine Konjunkturkurve der Sozialpolitik: Ab 1975 setzten erneut Klagen über schleichende oder offene Preiserhöhungen und Versorgungsmängel ein.

Ein geradezu klassisches Beispiel für die mehrdeutigen Artikulationsmuster der „kleinen Öffentlichkeit“ und zugleich für die enge Beziehung zwischen SED-Politik und Reaktionen der Arbeiterschaft sind die Erkundungen im Vorfeld des IX. Parteitags 1976. Das MfS registrierte eingangs ein „großes Interesse“ am Entwurf des neuen Parteiprogramms und der Direktive für die Volkswirtschaft sowie eine „tiefe Befriedigung der Werktätigen“ über den Kurs der SED. Im Kontrast zu dieser „überwiegend globalen Zustimmung“ gebe es jedoch in „starkem Maße“ eine „einseitige Orientierung“ auf die „Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen, sozialpolitische Maßnahmen, Ziele und Aufgaben im jeweiligen Tätigkeitsbereich“ und „die Entwicklung der Territorial- und Wohnbereiche“. Dies gehe mit „spekulativen Erwartungen“ einher, wie der Einführung der 40-Stunden-Woche, höheren Löhnen, mehr Urlaub sowie höherer und früherer Rente. „Nicht als massenwirksam“ eingeschätzt wurden „gehässige“ Äußerungen „in individuellen Gesprächen und im kleinen Kreis“ über den harten Kurs in der Außenpolitik, die Missachtung des „Geistes von Helsinki“ oder Bemerkungen wie „‚oben‘ weiß man nicht, was ‚unten‘ los ist“.47

Im Hinblick auf die materielle Lebenslage der DDR-Bürger, das erklärte Hauptfeld des Legitimitätsstrebens in der Ära Honecker, waren die ruhigen Jahre schon wieder vorbei. 1977 spitzte sich die Stimmung zu. Ein Bericht vom September des Jahres enthielt wenige lobende Worte über die Sozialpolitik und den Wohnungsbau; im Grunde handelte es sich um eine Alarmmeldung.48 Dies machte schon der Eröffnungssatz unmissverständlich klar: „Nach vorliegenden Hinweisen aus der Mehrzahl der Bezirke der DDR zeichnet sich in den letzten Wochen in der Reaktion der Bevölkerung der DDR, insbesondere unter Arbeitern, eine Tendenz zunehmender Unzufriedenheit ab. In den Diskussionen werden teilweise skeptische, resignierende, pessimistische und negative Meinungen bis hin zu aggressiven Argumenten deutlich.“49 Viele Arbeiter würden ihr Missfallen auch in „stärkerer emotioneller Art“ zum Ausdruck bringen. Diese Unzufriedenheit entzündete sich akut an zwei Problemen: dem Ausbau des Intershop-Netzes und der eingeschränkten Kaffeeversorgung, auch bekannt geworden als „Kaffeekrise“ des Jahres 1977. Es machten sich Gerüchte über Warnstreiks für die Teilauszahlung des Lohnes in Westgeld breit, und Wut herrschte über den Versuch, preisgünstigen Kaffee durch ein Mischgetränk mit Getreidekaffee zu ersetzen. Hier wird der Bericht sogar sehr deutlich: „Zunehmend sind zum ‚Kaffee-Mix‘ abfällige Bezeichnungen im Umlauf, die bis zu politischen Witzeleien, in denen führende Funktionäre verunglimpft werden, reichen.“50 Der Volksmund hatte schnell die Bezeichnung „Erichs Krönung“ parat (nach der bekannten westdeutschen Kaffeesorte „Jacobs Krönung“), was im MfS-Bericht allerdings so deutlich nicht gesagt wurde.51

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Über den akuten Aufruhr hinaus, den die SED durch eine kostspielige Kehrtwende in ihrer Importpolitik alsbald korrigierte, registrierte das MfS eine Stimmungslage, die an die paternalistische Fürsorgepflicht appellierte, die „Partei der Arbeiterklasse“ weiterhin beim Wort nahm und zugleich nüchtern-fatalistisch artikulierte, dass die SED offenbar weder willens noch in der Lage sei, ihre Bringschuld im Rahmen des realsozialistischen Gesellschaftsvertrages und des so gepriesenen Egalitarismus zu erfüllen. Das „ungenügende Vertrauensverhältnis zwischen Führung und Werktätigen“ äußere sich in einer „unzureichenden und teilweise unverständlichen Informationspolitik, die dazu ermuntere, auf andere Kanäle auszuweichen“. Auch die Verwahrlosung der Produktionsstätten und die allgemeine „Lotterwirtschaft“ würden der Führung angekreidet - „für den Arbeiter in der DDR ginge der Wohlstand ‚langsam aber sicher zu Ende‘“. Und schließlich kam das MfS zu dem Fazit: „In stärkerem Umfang wird in vorgenannten Zusammenhängen von drei oder vier in der DDR vorhandenen ‚Personenkategorien‘ gesprochen“ - erstens den Arbeitern, Rentnern und anderen Bürgern mit niedrigem Einkommen ohne Westgeld; zweitens Bürgern mit höherem Einkommen für Exquisitgeschäfte; drittens den Besitzern von Westgeld mit Zugang zum Intershop; sowie viertens „privilegierte[n] Personen und hohe[n] Funktionäre[n], die in ‚besonderen Läden‘ kaufen würden, teure Westwagen führen und in keinerlei Hinsicht von irgendwelchen Sparmaßnahmen betroffen seien“.52

Der Intershop blieb in all seiner Widersprüchlichkeit ein Dauerbrenner: Gerade Arbeiter beklagten sich über die Ungerechtigkeiten der doppelten Währung. Ausgerechnet „jener Teil der DDR-Bevölkerung, der ehrlich seiner Arbeit nachgehe und keine Gelegenheit zum Erwerb westlicher Devisen habe, müsse sich dadurch zwangsläufig benachteiligt fühlen“.53 Stattdessen werde „jener Teil der DDR-Bevölkerung bevorteilt, der keine positive Einstellung zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR besitze“ und sich „bis zur Würdelosigkeit“ um Westkontakte zum Zweck des Devisenerwerbs bemühe. Es bedarf freilich noch der genaueren Analyse, wessen Positionen hier tatsächlich wiedergegeben wurden, denn eine solche Haltung entsprach auch den unmittelbaren Interessen der MfS-Mitarbeiter und anderer Angehöriger der Arkanapparate. Ein Jahr später sorgten dann allerdings westliche Medienmeldungen über eine angeblich bevorstehende Einschränkung des Zugangs zum Intershop für „Hamsterkäufe“, und der „zum Teil wahllose Umsatz der im persönlichen Besitz befindlichen westlichen Zahlungsmittel“ erzeugte nicht weniger Unruhe - nun bei jenen, die sich im Besitz entsprechender Devisen befanden.54

Ein weiteres Thema, dem sich keine speziellen Berichte widmeten, das bei verschiedensten Anlässen aber immer wieder auftauchte, war die Frage einer adäquaten Öffentlichkeit selbst. In nahezu jedem Bericht wurden Westmedien als Urheber von Gerüchten erwähnt, und fast ebenso häufig wurden Stimmen von DDR-Bürgern kolportiert, die sich beklagten, dass über dieses oder jenes Thema in der DDR-Presse nicht informiert werde. So hieß es in einem Bericht über Reaktionen nach dem Absturz eines NVA-Düsenjägers in ein Cottbuser Neubauviertel, die Bürger seien „gespannt, wie die Bezirkszeitung ‚Lausitzer Rundschau‘ über diesen Vorfall informieren werde“, denn am Tag nach dem Absturz hatten die Medien keinerlei Meldung gebracht. „Dabei wurde geäußert, westliche Massenmedien würden über derartige Vorfälle jeweils aktueller und sofort berichten.“55 Hier schloss sich der Kreis: Das MfS berichtete über klassische News-Themen und über die damit verbundenen kritischen Debatten, wie sie in demokratischen Öffentlichkeiten in den Massenmedien repräsentiert und ausgetragen worden wären, in der DDR aber nur auf der Ebene von kleinen, lokalen Öffentlichkeiten oder bestenfalls vereinzelt in Veranstaltungsöffentlichkeiten artikulierbar waren. Eine direkte Rückkopplungsmöglichkeit war damit nicht verbunden, auch wenn es vorkam, dass das MfS bzw. die Parteiführung entsprechend politisch oder propagandistisch reagierte.

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Die Themenkonstellation, die für die späten 1970er-Jahre in den verschiedenen Berichtslinien der DDR zu finden ist, hat Mark Allinson zu einer ironischen Replik auf die These einer „Normalisierung“ der DDR-Gesellschaft veranlasst: Das Jahr 1977 sei insofern ein „ganz normales Jahr“ der DDR-Geschichte gewesen, als sich in ihm bereits alle zum Systemzusammenbruch führenden Problemlagen nachweisen ließen.56 Auf Basis des heutigen Wissens über die in den 1980er-Jahren einsetzende Erosion kann man in der Tat erkennen, dass sich wesentliche Spannungsfelder - wie die Reaktionen auf die materiellen Versprechungen der frühen Ära Honecker - schon in den 1970er-Jahren bildeten, sofern sie nicht ohnehin Dauerfaktoren waren, die auch in diesen „ruhigen Jahren“ unterhalb der Schwelle breiter Artikulation präsent blieben - wie die strukturelle Westorientierung der Bevölkerung.

5. Fazit

Für eine umfassende Rekonstruktion von Bevölkerungsstimmungen und darunter liegenden Wertorientierungen liefern die hier angestellten exemplarischen Erkundungen erste Orientierungspunkte. Als zeithistorische Quellen sind die MfS-Berichte dazu geeignet, sich ein qualitativ differenziertes Bild von in der DDR artikulierten Einstellungen und Meinungen zu machen, insbesondere auf der Ebene der „kleinen Öffentlichkeit“. Für die 1960er- und 1970er-Jahre, in denen die Potenziale der Loyalitätsverweigerung geringer waren als zuvor und danach, unterstreichen die Befunde die subkutane Präsenz tabuisierter Problemthemen, zeigen aber auch einen gewissen Wandel: Die explizite Orientierung am Ziel der Wiedervereinigung und der Grenzöffnung ging nach relativ euphorischen Erwartungen an die Neue Ostpolitik bald wieder zurück.

Häufigkeit, Intensität und Inhalte der Berichte zu deutsch-deutschen Fragen unterstreichen nicht nur den Stellenwert des westdeutschen Konkurrenzsystems in der Feindperzeption der SED-Führung und im politischen Bewusstsein der Bevölkerung. Seit dem Mauerbau brachten alle Annäherungen zwischen den beiden deutschen Staaten praktisch aus dem Stand Kataloge von Wünschen und Erwartungen hervor. Diese begannen mit den Besuchsmöglichkeiten für westliche Verwandte und steigerten sich schnell zu Forderungen nach Reisefreiheit, Liberalisierung des Systems und Demokratie. Auch die Berichte zu den Akklamationsritualen der „Wahlen“ waren immer wieder von Bemerkungen gespickt, die keinen Zweifel daran lassen, wie genau die DDR-Bevölkerung sich ihrer Lage in Hinblick auf demokratische Partizipation und Legitimation bewusst war. Bei allem Wandel, der sich aus der fehlenden persönlichen Anschauung des Westens und der nachlassenden verwandtschaftlichen Bindung auf Seiten der jüngeren Generation von DDR-Bürgern ergab, und bei aller Aussichtslosigkeit der Hoffnungen auf eine rasche Überwindung der Situation blieb dieser Stachel der „Anormalität“ doch ein Kontinuum der ostdeutschen mentalen Gesellschaftsverfassung.

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Auf der anderen Seite erschöpften sich die Wertorientierungen der DDR-Bürger nicht in der Selbstwahrnehmung als gleichsam „verhinderte“ Bundesbürger. Auf dem Gebiet von Lohn, Arbeit und Konsum entfaltete sich ein informeller, facettenreicher Diskurs, der neben dem Blick auf den westlichen Lebensstandard von der dialogischen Auseinandersetzung mit den programmatischen Postulaten des Egalitarismus und der Orientierung am Wohl der „Werktätigen“ lebte. Die Versorgungssituation und die materielle Lage entwickelten eine immer stärkere Virulenz, weil sie als Topoi der SED-Politik offiziell anerkannt waren und Probleme damit artikulierbar wurden. Zudem setzte nach ambitionierten Anfängen der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ seit Mitte der 1970er-Jahre der finale ökonomische Sinkflug der DDR ein, was die Bevölkerung in den praktischen Auswirkungen sofort registrierte. Dass die dabei vertretenen egalitären Gesellschaftsvorstellungen keineswegs nur einer rhetorischen Anpassungsleistung geschuldet waren, zeigte sich später in der stabilen Affinität der ostdeutschen Bevölkerung für sozialistische Programmatik über den Zusammenbruch der DDR hinaus.57 Zugleich enthielten die vom MfS notierten Statements Gesellschaftsbilder und Selbstwahrnehmungen, die sehr sensibel die Dimensionen und Praktiken der Ungleichheit im Staatssozialismus aus der Perspektive des machtlosen Untertanen benannten: Privilegien für Funktionäre und Parteimitglieder, Westgeldbesitzer und Reisekader.

In vielerlei Hinsicht sind die MfS-Berichte zu Stimmungslagen eng verwandt mit den Serien der SED, des FDGB usw. Mit der Konzentration auf die wirklichen oder vermeintlichen „Feind“-Potenziale setzten sie gleichwohl einen eigenen Akzent und stießen zuweilen in Tabu-Regionen vor, die sonst eher ausgespart wurden. Da das überwachungsstaatliche Instrumentarium, insbesondere das IM-Netz als „Hauptwaffe“ des MfS, gerade auf die Durchdringung und Ausforschung der informellen, situativ hergestellten Öffentlichkeitsformen ausgerichtet war, haben sie einen ganz eigenen Quellenwert.

Neue Fragen wirft die genauere Analyse der Berichterstattungspraxis für deren Funktion als Öffentlichkeitsersatz auf: Zwar handelte es sich fraglos um ein Öffentlichkeitssurrogat zum Zweck der Herrschaftsstabilisierung, dem die diskursive Funktion der Herstellung einer öffentlichen Meinung fehlte. Doch selbst diese „Einbahnstraßenöffentlichkeit“, also die Information der Führung über die Stimmung der Untertanen als Justierungsinstrument für Politik und Propaganda, funktionierte nur eingeschränkt, weil bestimmte Botschaften offenbar eine Wahrnehmungsabwehr auslösten, wie die Zäsur von 1972 deutlich erkennen lässt. Diese Abwehr gehört zum Gesamtbild einer politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Modernisierungsblockade in der DDR, die unter veränderten außenpolitischen Rahmenbedingungen schließlich zur Implosion des Systems führte.

Anmerkungen: 

1 Charles S. Maier, Two Sorts of Crisis? The „long“ 1970s in the West and the East, in: Hans Günter Hockerts (Hg.), Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts, München 2004, S. 49-62; vgl. auch Konrad H. Jarausch (Hg.), Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008.

2 Vgl. Ralph Jessen, Bewältigte Vergangenheit - blockierte Zukunft? Ein prospektiver Blick auf die bundesrepublikanische Gesellschaft am Ende der Nachkriegszeit, in: Jarausch, Das Ende der Zuversicht? (Anm. 1), S. 177-195; aus der umfangreichen Literatur Konrad H. Jarausch, Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945-1995, München 2004; Thomas Hertfelder/Andreas Rödder (Hg.), Modell Deutschland. Erfolgsgeschichte oder Illusion?, Göttingen 2007; Edgar Wolfrum, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 2006.

3 János Kornai, Das sozialistische System. Die politische Ökonomie des Sozialismus, Baden-Baden 1995.

4 Vgl. Tatjana Saslawskaja, Die Gorbatschow-Strategie, Wien 1989, S. 60-72.

5 André Steiner, Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, München 2004; vgl. die Beiträge in Christoph Boyer/Peter Skyba (Hg.), Repression und Wohlstandsversprechen. Zur Stabilisierung von Parteiherrschaft in der DDR und der ČSSR, Dresden 1999.

6 Zu apodiktisch hierzu: Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5: Von der Gründung der beiden deutschen Staaten bis zur Vereinigung 1949-1990, München 2008.

7 Dorothee Wierling, Geboren im Jahr Eins. Der Jahrgang 1949 in der DDR, Berlin 2002; Annegret Schüle/Thomas Ahbe/Rainer Gries (Hg.), Die DDR aus generationengeschichtlicher Perspektive. Eine Inventur, Leipzig 2006.

8 Vgl. die analogen Überlegungen zur sowjetischen und postsowjetischen Gesellschaft bei Boris Dubin, Gesellschaft der Angepassten. Die Brežnev-Ära und ihre Aktualität, in: Osteuropa 57 (2007) H. 12, S. 65-78; Alexei Yurchak, Everything Was Forever, Until It Was No More. The Last Soviet Generation, Princeton 2006.

9 Alex Inkeles/Raymond Bauer, The Soviet Citizen. Daily Life in a Totalitarian Society, Cambridge 1959.

10 Vgl. zu Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Polen, Russland und der Slowakei Ivan Szelenyi/Donald J. Treiman, Social Stratification in Eastern Europe After 1989: General Population Survey, online unter URL: http://dataarchives.ss.ucla.edu/da_catalog/da_catalog_titleRecord.php?studynumber=M653V1.

11 Vgl. u.a. Armin Mitter/Stefan Wolle, Untergang auf Raten. Unbekannte Kapitel der DDR-Geschichte, München 1993; Dietrich Staritz, Geschichte der DDR, erweiterte Neuaufl. Frankfurt a.M. 1996.

12 Vgl. aus der neueren Literatur: Peter Longerich, „Davon haben wir nichts gewusst!“ Die Deutschen und die Judenverfolgung, München 2006; Eric Johnson/Karl-Heinz Reuband, What we knew. Terror, Mass Murder and Everyday Life in Nazi Germany, Cambridge 2005; mit eigener Methodik: Götz Aly (Hg.), Volkes Stimme. Skepsis und Führervertrauen im Nationalsozialismus, Frankfurt a.M. 2006. Aly urteilt gewohnt pointiert (S. 13): „In den bislang gängigen zeitgeschichtlichen Arbeiten wird nach einem fragwürdigen Rezept verfahren: Man nehme die Berichte des Sicherheitsdienstes (‚Meldungen aus dem Reich‘), vermenge sie sorgsam mit Mutmaßungen über die Volksstimmung, die sich etwa in Goebbels’ Tagebüchern und in amtlichen Quellen finden, und füge der so gewonnenen Masse nach Belieben Ingredienzen aus Feldpostbriefen und privaten Tagebüchern hinzu - und schon scheint klar, wie sich die deutsche Gesellschaft zur Zeit des Dritten Reiches gefühlt haben wird. [...] Beweisen kann man damit fast alles und folglich nichts.“ An diese Stelle setzt Aly sein Konzept einer methodisch strenger kontrollierten „historischen Demoskopie“ anhand von stärker objektivierbaren Faktoren wie etwa der Häufigkeit des Vornamens „Adolf“ bei der Namensgebung für männlichen Nachwuchs.

13 Vgl. das Vorwort in: Bernd Florath/Armin Mitter/Stefan Wolle (Hg.), Die Ohnmacht der Allmächtigen. Geheimdienste und politische Polizei in der modernen Gesellschaft, Berlin 1992, S. 10. Vgl. zur Diskussion: Armin Mitter/Stefan Wolle (Hg.), Ich liebe euch doch alle! Befehle und Lageberichte des MfS Januar - November 1989, Berlin 1990, S. 8-11; Ralph Jessen, Staatssicherheit, SED und Öffentlichkeit, in: Jens Gieseke (Hg.), Staatssicherheit und Gesellschaft. Studien zum Herrschaftsalltag in der DDR, Göttingen 2007, S. 157-163.

14 Jürgen Gerhards/Friedhelm Neidhardt, Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit: Fragestellungen und Ansätze, in: Stefan Müller-Doohm/Klaus Neumann-Braun (Hg.), Öffentlichkeit, Kultur, Massenkommunikation, Oldenburg 1991, S. 31-90, hier S. 34f.

15 Ebd., S. 50-56. Insofern ist der modernisierungstheoretische Ansatz von Gerhards/Neidhardt strenger gefasst als der Öffentlichkeitsbegriff der jüngeren Historiographie zum Staatssozialismus, der bereits die staatliche Propaganda und den kleinräumigen, episodischen Austausch als spezifisch sozialistische Formen von Öffentlichkeit betrachtet. Vgl. Adelheid von Saldern, Öffentlichkeit in Diktaturen. Zu den Herrschaftspraktiken im Deutschland des 20. Jahrhunderts, in: Günther Heydemann/Heinrich Oberreuter (Hg.), Diktaturen in Deutschland - Vergleichsaspekte. Strukturen, Institutionen und Verhaltensweisen, Bonn 2003, S. 442-475; Gábor T. Rittersporn/Malte Rolf/Jan C. Behrends, Öffentliche Räume und Öffentlichkeit in Gesellschaften sowjetischen Typs. Ein erster Blick aus komparativer Perspektive, in: dies. (Hg.), Sphären von Öffentlichkeit in Gesellschaften sowjetischen Typs, Frankfurt a.M. 2003, S. 7-22; Martin Sabrow, Politischer Skandal und moderne Diktatur, in: ders. (Hg.), Skandal und Diktatur. Formen öffentlicher Empörung im NS-Staat und in der DDR, Göttingen 2004, S. 7-32. Diese geschärfte Definition bietet dem Historiker ein Instrument, den Modernisierungs- und den Legitimationsdruck zu untersuchen, der auf den staatssozialistischen Gesellschaften lastete und dessen mangelnde Bewältigung eine der zentralen Ursachen des Systemzusammenbruchs war.

16 Gerhards/Neidhardt, Strukturen und Funktionen (Anm. 14), S. 51.

17 Götz Aly, Historische Demoskopie, in: ders., Volkes Stimme (Anm. 12), S. 9-21, hier S. 9f.

18 Vgl. zu letzterem: Michael Meyen, Denver-Clan und Neues Deutschland. Mediennutzung in der DDR, Berlin 2003.

19 Vgl. Peter Skyba, Die Sozialpolitik der Ära Honecker aus institutionentheoretischer Perspektive, in: Boyer/Skyba, Repression und Wohlstandsversprechen (Anm. 5), S. 49-62; Hans-Hermann Hertle, Wunderwirtschaft - Konsumsozialismus, in: ders./Stefan Wolle, Das war die DDR. Der Alltag im Arbeiter- und Bauernstaat, München 2004, S. 155-231.

20 Thomas Lindenberger, Die Diktatur der Grenzen, in: ders. (Hg.), Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR, Köln 1999, S. 13-44.

21 Ingrid Oswald/Viktor Voronkov, Licht an, Licht aus! „Öffentlichkeit“ in der (post-)sowjetischen Gesellschaft, in: Rittersporn/Rolf/Behrends, Sphären von Öffentlichkeit (Anm. 15), S. 3-61, hier S. 49f.

22 Vgl. als Überblick zur Quellengattung: Jens Gieseke, Annäherungen und Fragen an die „Meldungen aus der Republik“, in: ders., Staatssicherheit und Gesellschaft (Anm. 13), S. 79-98.

23 Vgl. die Übersicht nach Jahren ebd., S. 86.

24 Vgl. ausführlich ebd., S. 81-84.

25 Vgl. als Überblick zum Folgenden die Titelübersichten in: BStU (Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen), ZA (Zentralarchiv), ZAIG (Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe) 14383-14390, sowie die Berichte im selben Teilbestand.

26 Vgl. zur Frage von kollektiven Auseinandersetzungsformen im Betrieb Renate Hürtgen, Zwischen Disziplinierung und Partizipation. Vertrauensleute des FDGB im DDR-Betrieb, Köln 2005.

27 Information Nr. 365/71 (ca. Februar 1971): Unterrichtung des NATO-Rates in Brüssel und der westdeutschen Botschaft in Paris zu den Gesprächen Kohl - Bahr (Verteiler: Ulbricht, Honecker, Stoph, Axen, Winzer, Florin, Kohl); vgl. den Titeleintrag und Verteiler lt. BStU, ZA, ZAIG 14386, Bl. 48.

28 Information Nr. 130/71; BStU, ZA, ZAIG 1898.

29 Vgl. zur Konsumentwicklung: Steiner, Von Plan zu Plan (Anm. 5), S. 187-191; Peter Skyba, Gesellschaftliche Strukturen und sozialpolitische Denk- und Handlungsfelder 1971-1981, in: Christoph Boyer/Klaus-Dietmar Henke/Peter Skyba (Hg.), Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 10: 1971-1989. Deutsche Demokratische Republik. Bewegung in der Sozialpolitik, Erstarrung und Niedergang, Baden-Baden 2008, S. 70-115.

30 Information Nr. 85/72 über die Reaktion der Bevölkerung der DDR auf den gemeinsamen Beschluss des Politbüros des ZK der SED und des Präs. des MR der DDR zur Ausarbeitung einer gesetzlichen Regelung über die Schwangerschaftsunterbrechung; BStU, ZA, ZAIG 2005; Information Nr. 123/72: Stellungnahme von Komplementären, Besitzern von Privatbetrieben und Funktionären befreundeter Parteien zur 4. Tagung des ZK der SED; BStU, ZA, ZAIG 2014; Information Nr. 152/72: Reaktionen und Verhaltensweisen von Komplementären, Besitzern von Privatbetrieben und Funktionären befreundeter Parteien im Zusammenhang mit dem Beschluss der 4. Tagung des ZK der SED; ebd.; Information Nr. 286/72: Bisher auftretende Probleme und Reaktionen unter den Komplementären, Besitzern von Privatbetrieben und Funktionären der befreundeten Parteien in Durchführung der Beschlüsse der 4. Tagung des ZK der SED; ebd.

31 Information Nr. 999/72 über die Reaktion der Bevölkerung der DDR zum Beschluss über eine Amnestie aus Anlass des 23. Jahrestages der Gründung der DDR (nicht weitergeleitet); BStU, ZA, ZAIG 2080.

32 Vgl. Walter Süß, Staatssicherheit am Ende. Warum es den Mächtigen 1989 nicht gelang, eine Revolution zu verhindern, Berlin 1999, S. 232-235. Zur MfS-Berichterstattung 1988/89 vgl. Jens Gieseke, „Seit langem angestaute Unzufriedenheit breitester Bevölkerungskreise“. Das Volk in den Stimmungsberichten des MfS, in: Klaus-Dietmar Henke (Hg.), Revolution und Vereinigung 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte, München 2009 (erscheint im August).

33 Uta Stolle, Traumhafte Quellen. Vom Nutzen der Stasi-Akten für die Geschichtsschreibung, in: Deutschland Archiv 30 (1997), S. 209-221, hier S. 211.

34 Die Kommunikationspsychologie des Informantenwesens zeigt, dass die Hemmschwellen der Berichterstattung größer wurden, je enger die persönliche Beziehung des Observierten zum IM war. Natürlich gab es eine Vielzahl von Fällen, in denen die Führungsoffiziere dank der Techniken der „operativen Psychologie“ diese Hemmschwellen überwanden, aber trotzdem herrschte die Tendenz, eher aus dem sekundären Bekanntenkreis zu berichten (Nachbarn, Kollegen, Bekannte usw.). In den Stimmungsberichten sind rein private Äußerungen häufig explizit als solche gekennzeichnet, insbesondere wenn sie sehr „negativ“ waren.

35 Information Nr. 294a/70 über die Reaktion der Bevölkerung der DDR zum bevorstehenden Treffen Stoph - Brandt in Erfurt, 17.3.1970; BStU, ZA, ZAIG 1799.

36 Information Nr. 863/70 über die Reaktion der Bevölkerung der DDR auf den Abschluss des Vertrages UdSSR - BRD und die Reise von Brandt nach Moskau, o.D.; BStU, ZA, ZAIG 1844, Bl. 10.

37 Information Nr. 294a/70 (Anm. 35), Bl. 7f.

38 Information Nr. 609/72 über verstärkte Anfragen von Bürgern der DDR, besonders an staatliche Organe, über Reisemöglichkeiten in die BRD und nach Westberlin, 28.6.1972; BStU, ZA, ZAIG 2049, Bl. 1.

39 Information Nr. 863/70 (Anm. 36).

40 Information Nr. 1100/72 über die Reaktion der Bevölkerung der DDR zur Politik der Brandt/Scheel-Regierung im Zusammenhang mit dem Ergebnis der Bundestagswahl vom 19.11.1972, 5.12.1972; BStU, ZA, ZAIG 2095, hier Bl. 2. Die folgenden Zitate Bl. 3ff., Bl. 13.

41 Vgl. Die Marx-Töter, in: Spiegel, 21.11.1972, S. 39-44, mit Faksimile des Befragungsbogens. Vgl. ferner Siegfried Suckut, Willy Brandt in der DDR. Oder: Die Schwierigkeiten des MfS mit der „Autoritätsperson im Weltmaßstab“, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2008, S. 170-182.

42 Erste Hinweise zur Reaktion der Bevölkerung der DDR zum Rücktritt Brandts vom Amt des Bundeskanzlers, 13.5.1974; BStU, ZA, ZAIG 4088, Bl. 2.

43 Ebd., Bl. 5.

44 Hinweise zur Reaktion der Bevölkerung der DDR in Vorbereitung der Kommunalwahlen, 10.5.1974; BStU, ZA, ZAIG 4087, Bl. 5; Hinweise zu Reaktionen der Bevölkerung in Vorbereitung der Kommunalwahlen am 20. Mai 1979, 8.5.1979; BStU, ZA, ZAIG 4139; Bl. 4.

45 Hinweise, 10.5.1974 (Anm. 44), Bl. 7f.

46 Hinweise, 8.5.1979 (Anm. 44), Bl. 4.

47 Information über erste Reaktionen unter der Bevölkerung der DDR auf die in Vorbereitung des IX. Parteitages veröffentlichten Materialien, 3.2.1976; BStU, ZA, ZAIG 4100.

48 Hinweise auf Tendenzen der Unzufriedenheit in der Reaktion der Bevölkerung der DDR, 12.9.1977; BStU, ZA, ZAIG 4119.

49 Ebd., Bl. 2.

50 Ebd., Bl. 18.

51 Vgl. Stefan Wolle, Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989, Berlin 1998, S. 200; Volker Wünderich, Die „Kaffeekrise“ von 1977. Genußmittel und Verbraucherprotest in der DDR, in: Historische Anthropologie 11 (2003), S. 240-261.

52 Wie Anm. 48, Bl. 4-7.

53 Hinweise über Reaktionen verschiedener Bevölkerungskreise der DDR zur Erweiterung des Handelsnetzes der Intershop-Läden und des in diesem Handelsnetz eingesetzten Warensortiments, 17.2.1977; BStU, ZA, ZAIG 4108, Bl. 3.

54 Hinweise über die Reaktionen und Auswirkungen im Zusammenhang mit von westlichen Massenmedien verbreiteten Behauptungen über bevorstehende Neuregelungen der Einkaufsmöglichkeiten im Intershop für DDR-Bürger, 6.9.1978; BStU, ZA, ZAIG 4127.

55 Information über erste Reaktionen von Bürgern der Bezirksstadt Cottbus zum Flugzeugabsturz der NVA Cottbus am 14.1.1975, 15.1.1975; BStU, ZA, ZAIG 4092, Bl. 4; 2. Information über Reaktionen von Bürgern [...], 18.1.1975; BStU, ZA, ZAIG 4088.

56 Mark Allinson, 1977 - the GDR’s most normal year?, in: Mary Fulbrook (Hg.), Power and Society in the GDR, 1961-1979: The ‚Normalisation‘ of Rule?, Oxford 2009, S. 253-277.

57 1991 bis 2006 hielten jeweils 73 bis 81 Prozent (Zustimmungswerte: „Stimme voll zu“ und „Stimme eher zu“) der Ostdeutschen den Sozialismus prinzipiell für eine „gute Idee, die nur schlecht ausgeführt wurde“; Datenhandbuch ALLBUS 1980-2006, Köln 2007, S. 115.

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