- Vereinnahmung des Peacekeeping durch die kanadischen Streitkräfte
- Vorbereitung des Peacekeeping Monument
- Intentionen und Repräsentation
- Enthüllung des Denkmals und Friedensdiskurs
- Symbole und Rituale: Die Perpetuierung der nationalen Selbstsicht
- Fazit und Ausblick
Vor etwa 30 Jahren, im September 1988, wurde der Friedensnobelpreis einer der bekanntesten Einrichtungen der Vereinten Nationen zuerkannt, den »United Nations Peacekeeping Forces«. Zeitgenössisch gehörten die UN-Blauhelm-Soldaten zu den wichtigsten Aushängeschildern der Weltorganisation. Daher war der Nobelpreis mehr als nur der Ausdruck des Dankes an die Soldatinnen und Soldaten vieler Länder, die Gesundheit und Leben zum Schutz eines mitunter brüchigen Friedens eingesetzt hatten. Der Preis wurde zu einer Zeit verliehen, als sich ein Ende des Kalten Krieges abzeichnete und die Vereinten Nationen durch den wiedergewonnenen Konsens im Sicherheitsrat neue Aktivitäten entfalteten. In diesem Sinne unterstützte das Nobelpreiskomitee die erneuerte internationale Zusammenarbeit – ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft. Die UN-Blauhelme, so erläuterte das Komitee seine Entscheidung, »represent the manifest will of the community of nations to achieve peace through negotiations«.[1] Damit standen die UN-Blauhelme im Zentrum der Hoffnungen auf eine neue Weltordnung, in der die Vereinten Nationen als Garant des Weltfriedens auftreten würden.[2]
In der Gruppe der Blauhelm-Soldaten, die am 10. Dezember 1988 den UN-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar zur Preisverleihung nach Oslo begleiten durften, befand sich auch ein kanadischer Unteroffizier.[3] Dies war folgerichtig, denn die kanadischen Regierungen hatten in den Jahrzehnten zuvor kontinuierlich die UN-Peacekeeping-Politik unterstützt, und Kanada gehörte lange zu den größten Truppenstellern bei Blauhelm-Missionen.[4] In der kanadischen Öffentlichkeit wurde die Preisverleihung daher wesentlich auf den eigenen Beitrag und die eigenen Soldaten bezogen. In den vielstimmigen Chor, der die kanadischen Blauhelm-Soldaten pries, stimmten etwas überraschend auch das kanadische Verteidigungsministerium (Department of National Defense, DND) und die Streitkräfte ein. Bis dato waren sie vornehmlich mit Kritik an den als überflüssig eingestuften und von der Kernaufgabe der Landesverteidigung im Rahmen der NATO wegführenden UN-Einsätzen hervorgetreten. Bei der rhetorischen Belobigung der kanadischen Blauhelm-Soldaten blieb es nicht: Einen Tag vor der offiziellen Verleihung des Friedensnobelpreises im Dezember 1988 und im direkten Bezug hierauf kündigte Verteidigungsminister Perrin Beatty die Errichtung einer Statue zu Ehren der kanadischen Peacekeeper an. Damit war die Idee zu dem weltweit ersten Denkmal zur Erinnerung an die Friedenseinsätze geboren, das später als »Peacekeeping Monument« bezeichnet werden sollte. Innerhalb weniger Wochen hatte sich das Peacekeeping von einer ungeliebten, wenn auch in der Öffentlichkeit hochgepriesenen Aufgabe der kanadischen Streitkräfte zu einem ihrer Aushängeschilder gewandelt.
Die große Popularität der Blauhelm-Soldaten in der kanadischen Öffentlichkeit führte indes dazu, dass Streitkräfte und Verteidigungsministerium über die Ausgestaltung und Wahrnehmung des Peacekeeping Monument nicht allein und nicht primär bestimmen konnten. Vielmehr trugen die Initiativen ziviler und zivilgesellschaftlicher Akteure dazu bei, dass das Denkmal, als es 1992 enthüllt wurde, weniger als militärisches Symbol, sondern als genereller Ausdruck kanadischen Selbstverständnisses wahrgenommen wurde. Anhand des Entstehungsprozesses des Peacekeeping Monument geht vorliegender Aufsatz der Frage nach: Wie reagierten politische Führung, Militär und kanadische Zivilgesellschaft auf die globale Umbruchsituation nach 1989/90? Das Grundproblem moderner Demokratien, Streitkräfte und militärische Einsätze sowie damit verbundene (Todes-)Opfer zu legitimieren, stellte sich nun auf veränderte Weise und in Konkurrenz zum national wie international wahrgenommenen Identifikationsangebot einer neuen (Welt-)Friedensordnung.
In Kanada waren sicherheitspolitische Herausforderungen schon länger mit dem Diskurs um die »internationale Persönlichkeit« des Staates und der Suche nach einer eigenen nationalen Identität verbunden: Ausgehend von einer zunächst als militärisch begriffenen Gründungsgeschichte Kanadas, einer Nation, die in den »Feuern« der beiden Weltkriege entstanden sei, gewann ab den 1960er-Jahren das Diktum von Kanada als friedliebender Nation breiteren Raum – ein Narrativ, das sich in der Öffentlichkeit zunehmend mit den kanadischen Blauhelm-Einsätzen verband, bis es sich um 1990 im Peacekeeping Monument symbolisch verdichtete. Beispielhaft zeigt sich so im gesellschaftlichen Diskurs um die kanadische postkoloniale Identität und besonders um das Peacekeeping Monument die Interdependenz globaler und nationaler Entwicklungen, wie sie auch neuere globalgeschichtliche Ansätze betonen.[5]
Dabei ist es kein Zufall, dass der kanadische Identitätsdiskurs gerade in der Auseinandersetzung um das Peacekeeping Monument kulminierte. Denn ein Denkmal in einer pluralen Gesellschaft funktioniert nicht als überzeitliche Legitimation einer herrschenden Interpretation, wie es die Denkmäler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts noch versuchten,[6] sondern als partizipatorisches Projekt, das im Zeitablauf veränderten Deutungen unterworfen ist.[7] Bei dem kanadischen Peacekeeping Monument handelt es sich – in Anlehnung an die Terminologie von Etienne François und Hagen Schulze – um einen neuen »Kristallisationskern des kollektiven Gedächtnisses«, der gesellschaftliche Aushandlungsprozesse um eine »nationale« Identität auch über das kanadische Beispiel hinaus plastisch zeigt.[8]
1. Vereinnahmung des Peacekeeping
durch die kanadischen Streitkräfte
Während des Kalten Krieges gehörten die kanadischen Streitkräfte fast durchgängig zu den größten Truppenstellern des UN-Peacekeeping. Im Zuge des sogenannten Zweiten Kalten Krieges nach dem NATO-Doppelbeschluss und der erneuten Blockadesituation im Sicherheitsrat war die kanadische Truppenpräsenz zwar zurückgegangen, am 1. August 1987 dienten aber noch immer 774 kanadische Soldaten bei drei UN-Missionen im Nahen Osten und auf Zypern. Damit stand Kanada auf Platz 6 der Truppensteller – hinter Schweden, Finnland, Norwegen, Ghana und Österreich.[9] Als im Rahmen des erneuten Tauwetters zwischen den verfeindeten Blöcken seit 1988 erstmals nach langer Zeit wieder neue Peacekeeping-Operationen begonnen wurden, gehörten ihnen wie selbstverständlich auch kanadische Soldaten an.[10]
Die schnelle Reaktion auf die gewandelte weltpolitische Situation zeigte, dass die kanadische Regierung gewillt war, das UN-Peacekeeping politisch zu unterstützen. Auch wenn sich die Intensität dieser Unterstützung in den zurückliegenden Dekaden unterschiedlich dargestellt hatte, so hatten doch alle kanadischen Regierungen seit Ende der 1940er-Jahre der Beteiligung an Blauhelm-Kontingenten und der Förderung der internationalen Sicherheitsarchitektur der UN hohe Priorität beigemessen. 1956, während der Suez-Krise, machte der damalige kanadische Außenminister Lester Pearson sogar den entscheidenden Vorschlag zur Errichtung der ersten größeren UN-Interventionstruppe, der United Nations Emergency Force. Dies sicherte ihm im Folgejahr den Friedensnobelpreis, der wiederum vor allem in der Rückschau als ein Preis für die kanadische Politik und die kanadische Gesellschaft insgesamt wahrgenommen wurde.[11] Hierauf aufbauend entwickelte sich in den Jahrzehnten danach ein gesellschaftliches Selbstverständnis, das die kanadischen UN-Blauhelm-Soldaten als Ausdruck kanadischer Werte und Identität idealisierte.[12]
Unter diesen Vorzeichen verwundert es nicht, dass bei den öffentlichen Reaktionen in Kanada auf die Bekanntgabe des Friedensnobelpreises 1988 neben den internationalen Implikationen die besondere Rolle herausgestellt wurde, die kanadische Peacekeeper in der Vergangenheit gespielt hatten und weiterhin spielten. Mitunter schien es, als ob das internationale Peacekeeping wesentlich eine kanadische Aufgabe gewesen sei, wenn – tatsächlich nicht zu Unrecht – darauf hingewiesen wurde, dass die Soldaten mit der Ahornflagge auf der Uniformjacke an mehr Missionen teilgenommen hätten als die Angehörigen anderer Staaten. 1988, so ein Kommentar in der damals einzigen landesweiten Tageszeitung »Globe and Mail«, stellte kein anderes Land mehr Soldaten als Kanada.[13]
Nicht nur Außenpolitiker und Medien beteiligten sich an dem Versuch, den Preis für Kanada zu reklamieren. Etwas überraschend traten auch Verteidigungsministerium und Streitkräfte als Unterstützer des UN-Peacekeeping hervor. Es war zwar verständlich, dass das Militär auf seine Leistungen hinweisen und auch der 81 Kameraden gedenken wollte, die bis dato bei UN-Einsätzen ums Leben gekommen waren.[14] Doch Art und Umfang der Kampagne, die den Nobelpreis und die neue Glorie des UN-Peacekeeping für die Streitkräfte zu vereinnahmen suchte, sind erklärungsbedürftig.
»More than 80,000 Canadians won Nobel Peace Prizes in 1988. In effect, that’s what happened on Sept. 29 in Oslo, Norway when the Nobel Committee announced that the 1988 Nobel Peace Prize had been awarded to United Nations military peacekeeping forces around the world.«[15] Diese pointierte Aussage fand sich gleich zu Beginn eines knappen Beitrags von Hauptmann Joanna Calder in »Sentinel«, dem offiziellen Magazin für die Angehörigen der kanadischen Streitkräfte. Schon die große Zahl unterstrich, wie stark sich die kanadischen Soldaten und somit das Militär insgesamt für das UN-Peacekeeping engagiert hätten. Der Preis gehe letztlich, so die Botschaft, an alle Kanadier in Uniform und per se an die kanadischen Streitkräfte.[16] Das Bild vom kanadischen Soldaten als Nobelpreisgewinner wurde nicht nur nach innen vermittelt, wie die Omnipräsenz der Peacekeeper in den folgenden Ausgaben des »Sentinel« zeigte,[17] sondern auch von der Medienöffentlichkeit bereitwillig aufgenommen.[18] Dank der Verleihung des Nobelpreises avancierten die kanadischen Blauhelm-Soldaten zum Gesicht der Streitkräfte, und das Peacekeeping erschien als deren vornehmste Aufgabe. Ein Artikel in »Globe and Mail« stilisierte das Peacekeeping zur »proudest peacetime tradition of the Canadian military«.[19]
Dieser Vorstellung mochte sich nun auch Verteidigungsminister Beatty nicht verschließen. Noch 1987 hatte er in dem von ihm verantworteten Verteidigungsweißbuch das Peacekeeping weitgehend ignoriert.[20] Seine Kehrtwendung wurde auch zeitgenössisch mit Erstaunen registriert. Während des Wahlkampfes im Herbst 1988 sprach Beatty vom Peacekeeping als der wichtigsten Aufgabe der Streitkräfte.[21] Noch pointierter formulierte es John Marteinson, Chefredakteur von »Canadian Defence Quarterly/Revue canadienne de défense«, der wichtigsten militärwissenschaftlichen Zeitschrift Kanadas, in seiner Einleitung zur Ausgabe vom Sommer 1989: »Peacekeeping, in the broadest sense of that word, is what the Canadian Forces are all about.«[22]
Nur auf den ersten Blick war damit aber eine neue Wertschätzung der blaubehelmten, leicht bewaffneten Friedenstruppen verbunden. Vielmehr ging es darum, die spezifische Art und den Umfang der Streitkräfte auch in Zeiten eines gewandelten Bedrohungsszenarios und des Ausfalls des sowjetischen Feindbildes mithilfe der rhetorischen Hinwendung zum Peacekeeping zu konservieren. Da dem Verteidigungsministerium und den Militärs durch den Zerfall der Sowjetunion die Argumente auszugehen drohten, warum eine bewaffnete Streitmacht überhaupt weiter notwendig sein sollte, die Finanzpolitiker aufgrund des großen Haushaltsdefizits bereits mit begehrlichen Augen auf das militärische Budget schielten und nicht nur aus den Reihen der Friedensbewegung die Forderung nach einer deutlichen Reduktion der Streitkräfte kam, schien der rhetorische Ausweg darin zu bestehen, den populärsten Aufgabenbereich nach vorne zu stellen. Mit dieser Strategie standen die kanadischen Streitkräfte nicht allein. Auch das NATO-Mitglied und soeben wiedervereinigte Deutschland diente der UNO nun eigene Truppen an.[23] »Peacekeeping«, so stellte Norman Hillmer bereits 1989 fest (damals noch als »Senior Historian« im kanadischen Verteidigungsministerium), »is a highly saleable commodity.«[24]
Tatsächlich musste mit der rhetorischen Neujustierung der kanadischen Verteidigungspolitik aber auch zumindest teilweise eine materielle Verstärkung einhergehen, um die Glaubwürdigkeit zu erhalten. Anders gesagt: Die durch den Wandel der internationalen Ordnung angestoßene Änderung der innenpolitischen Selbstdefinition der Streitkräfte erforderte praktische außen- bzw. sicherheitspolitische Reaktionen. Außen- und Innenpolitik, Rhetorik und Praxis bedingten sich gegenseitig und förderten auf diese Weise die Bereitschaft von Verteidigungsministerium und Militär, die UN-Peacekeeping-Missionen zu unterstützen. Daher standen Verteidigungsministerium und Streitkräfteführung in den folgenden Jahren den neuen Peacekeeping-Operationen offensichtlich viel aufgeschlossener gegenüber, als dies zuvor meist der Fall gewesen war.[25]
Die Haltung zum Peacekeeping veränderte sich jedoch nicht nur auf militärisch-politischem Gebiet, sondern auch innerhalb der militärischen Gemeinschaft. Lange waren die UN-Soldaten weitgehend von der militärischen Erinnerungskultur ausgeschlossen gewesen. Der im Einsatz gefallenen Blauhelm-Soldaten wurde nicht explizit gedacht. Selbst bei den jährlichen Zeremonien zum nationalen Volkstrauertag am 11. November, dem »Remembrance Day«, blieben die toten UN-Soldaten vor 1988 ausgespart. Ein Umdenken begann erst unmittelbar nach der Pressemitteilung des Nobelpreiskomitees vom September 1988 und der dann einsetzenden, aus Militär und Verteidigungsbürokratie stammenden Elogen auf die Blauhelm-Soldaten. Nur sechs Wochen später, am »Remembrance Day« im November 1988, durften die UN-Veteranen zum ersten Mal ihre blauen Barette tragen, und ihrer toten Kameraden wurde nun eigens mit Gebeten gedacht.[26]
Im Kontext dieser veränderten Stimmungslage ist die schon erwähnte Ankündigung von Verteidigungsminister Beatty zu sehen – einen Tag vor der offiziellen Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo –, dass in Ottowa eine Statue errichtet werden solle, um die kanadischen Peacekeeper zu ehren.[27] Die Entscheidung konnte zum einen an die neue Sensibilität bei der Erinnerung an die eigenen Blauhelm-Truppen anknüpfen. In diesem Sinne sollte das Denkmal die Bedeutung der UN-Soldaten innerhalb der militärischen Gemeinschaft stärken. Zum anderen wurde versucht, die neu propagierte Wertigkeit der Blauhelm-Soldaten und den veränderten politisch-militärischen Kurs symbolisch zu festigen. Das positiv besetzte Peacekeeping sollte sichtbar als zentrale Aufgabe der Streitkräfte im öffentlichen Bewusstsein verankert werden.[28]
2. Vorbereitung des Peacekeeping Monument
Der Anstoß für das Denkmal war eindeutig von außen gekommen. Globale Effekte führten unmittelbar zu nationalen Aneignungsprozessen.[29] Als direkte Reaktion auf die Nobelpreisverleihung an die UN-Blauhelm-Soldaten hatte das kanadische Verteidigungsministerium die Initiative ergriffen, primär um die eigenen Interessen zu sichern. Doch bei der Realisierung musste es sich mit zivilen Behörden abstimmen. Zunächst war wohl daran gedacht, eine Statue auf militärischem Grund und Boden zu errichten. Wegen der besonderen Signifikanz des Projektes für die kanadische Öffentlichkeit und wegen ihrer Zuständigkeit für alle national bedeutenden Bauvorhaben auf Bundesliegenschaften in Ottawa schaltete sich jedoch schon bald die staatliche Entwicklungsorganisation für die kanadische Bundeshauptstadt ein, die »National Capital Commission« (NCC). Sie übernahm schließlich gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium die Planung des Denkmals. Damit veränderten sich Umfang und Ziel des Projektes.[30]
Für die militärischen Verantwortlichen, repräsentiert durch deren Verbindungsmann Oberst John Gardam, stand die Erinnerung an die Soldaten vergangener, gegenwärtiger und künftiger Peacekeeping-Operationen im Mittelpunkt.[31] Ebenso eindeutig wie der Zweck des Erinnerungszeichens sollte auch die künstlerische Gestaltung sein. Der Vertreter des Verteidigungsministeriums erwartete konkrete Figuren, die die Tätigkeit der Blauhelm-Soldaten klar erkennbar visualisieren sollten. Eine abstrakte Darstellung des »Friedens« wurde von vornherein verworfen.[32]
Die NCC-Projektleitung hatte gemäß dem Mandat der Hauptstadt-Kommission und aufgrund anders gelagerter, zivilgesellschaftlicher Interessen hiervon abweichende Vorstellungen. Übergeordnetes Ziel der NCC war es, die Hauptstadt so zu gestalten, dass sie ihrer nationalen Bedeutung gerecht werde. Weil das kanadische Peacekeeping als positiv besetzt und öffentlich akzeptiert galt, könne ein entsprechendes Denkmal breite Bevölkerungskreise erreichen und die national verbindende Funktion der Hauptstadt herausstellen. Zugleich werde es »the very essence of the Canadian international role and our hope for the future« symbolisieren, wie ein interner NCC-Kommentar im Dezember 1991 formulierte.[33] In dieser Logik musste das Objekt repräsentativ sein und an einer zentralen Stelle der Stadt errichtet werden. Die künstlerische Gestalt war für die NCC-Verantwortlichen nicht von vornherein festgelegt, vielmehr sollte sie zunächst intern diskutiert und dann in einem Wettbewerb entwickelt werden. Im Gegensatz zu den Vorstellungen des Militärs wurde innerhalb der National Capital Commission eine Konzentration auf die humanitären Aspekte des Peacekeeping präferiert. Die NCC-Programmdirektorin Shirley Black fasste die Position ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Rückschau mit folgenden Worten zusammen: »Ottawa already had a war memorial. […] We wanted this to be the other side of that.«[34]
Das 1939 in Erinnerung an den Ersten Weltkrieg errichtete War Memorial, das in Ottawa fast direkt gegenüber dem Parlament steht, ist als zentrales Denkmal den in den Kriegen gefallenen kanadischen Soldaten gewidmet. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe von Bronzeplastiken, die Soldaten repräsentieren. Sie schieben gemeinsam ein schweres Feldgeschütz durch einen großen Bogen. Diese Gruppe symbolisiert nicht nur die Anstrengungen während des Krieges, sondern dient auch als Ausdruck des gemeinsamen Aufbaus der kanadischen Nation durch den Ersten und später den Zweiten Weltkrieg. »A nation forged in fire« ist ein noch heute bemühter Gründungsmythos des postkolonialen Kanada.[35]
Erst eineinhalb Jahre nach der Ankündigung des Verteidigungsministers konnten fünf Bildhauer und fünf Landschaftsarchitekten eingeladen werden, ihre Vorschläge zur Gestaltung des Peacekeeping Monument in einem beschränkten Wettbewerb einzureichen. Die Vorgaben stellten einen Kompromiss zwischen den beiden staatlichen
Auftraggebern dar. Doch setzten sich für den Zuschnitt des Projektes im Wesentlichen die NCC-Vertreter durch.[36] Diese hatten darauf gedrungen, das Denkmal an einem der zentralen Plätze in der Innenstadt zu errichten, der direkt an den Confederation Boulevard grenzte – eine Serie von Straßen, die die symbolträchtigsten Bauten der Hauptstadt verbindet. Der ausgewählte Ort vereinigt ältere und neuere Hauptstadtrepräsentanzen. Er berührt den Sussex Drive, der im weiteren Verlauf zunächst zur Residenz des Premierministers und danach zum Sitz des Generalgouverneurs als Vertreter der Queen in Kanada führt. Von dem Platz aus ist der Peace Tower des Parlamentsgebäudes zu sehen. In direkter Nachbarschaft erhebt sich das Gebäude der kanadischen Nationalgalerie sowie genau jenseits des Ottawa River und somit in der Provinz Quebec das imposante Gebäude des kanadischen Nationalmuseums, zeitgenössisch »Canadian Museum of Civilization« genannt. Vis-à-vis zum gewählten Platz für das Denkmal war schon damals das neue Gebäude der Botschaft der Vereinigten Staaten geplant, die die größte ausländische Mission in Ottawa betreiben.[37]
Die geographische Bedeutung des Projektes wurde durch seine identitätspolitische noch übertroffen. Das Denkmal sollte sich, wie die Richtlinien für den Wettbewerb erklärten, an die gesamte kanadische Bevölkerung richten und deren positive Haltung zum Peacekeeping in einem vergemeinschaftenden Symbol zusammenführen: »Canadians are proud of the Nation’s peacekeeping activities. They view them as an integral part of their country’s role in world affairs. The choice of one of the most significant sites on Confederation Boulevard for the Peacekeeping Monument reflects expectations that it will become an important and familiar symbol to all Canadians.«[38]
Erweitert wurde auch die Aussage des Denkmals. Wie von den NCC-Vertretern gewünscht, sollte es nun die andere, als zeitgemäß aufgefasste Seite der kanadischen Streitkräfte abbilden. Die Richtlinien führten hierzu aus: »In the past, Canadians went to war. Their contribution is well symbolized by the War Memorial in the Nation’s Capital. […] The past 40 years have seen a dramatic shift in the role and purpose of the Canadian Armed Forces. Canada’s response to the preservation of world peace has become one of the proudest traditions of the Canadian military.«[39] Diese Interpretation repräsentierte die Essenz des zeitgenössischen Peacekeeping-Narrativs. Es schloss die Meistererzählung von der »nation forged in fire« ein und überführte sie in die Vorstellung von Kanada als friedliebender Nation – eine Vorstellung, die alle Kanadier einen sollte.[40]
Diese Aussage war breit anschlussfähig, blendete aber nicht nur die Beteiligung kanadischer Truppen an vielfältigen kriegerischen Handlungen vom Burenkrieg 1899 bis zum Golfkrieg 1991 aus, sondern ebenso die Deportation und Inhaftierung der japanischen Kanadier während des Zweiten Weltkrieges sowie den wenig friedlichen Umgang mit der indigenen Bevölkerung. Erst in jüngerer Zeit intensiv diskutiert wird der Kolonialismus auf eigenem Territorium, der die japanischstämmige Bevölkerung[41] sowie besonders die »First Nations«, wie sich die Indianer in Kanada nennen, und die Inuit bzw. die Eskimos ihrer Rechte und Lebensgrundlagen beraubte.[42]
Während die Zielvorgaben für die gewünschte Bedeutung des Denkmals wesentlich vom NCC bestimmt wurden, griffen die Richtlinien für die künstlerische Gestaltung primär die Vorgaben aus dem Verteidigungsministerium auf. Eindeutigkeit und Konkretheit waren hier die Prämissen.[43] Und tatsächlich erfüllte der Vorschlag des Wettbewerbssiegers diese Maßgabe: Der fünfköpfigen Auswahljury, der mit dem stellvertretenden Generalstabschef Generalleutnant David Huddleston nur ein militärischer Vertreter angehörte,[44] erschien die Figurengruppe, die die Peacekeeper repräsentieren sollte, als »alert, real, in charge«. Und ganz im Sinne der militärischen Vorstellungen zeige der Gewinner-Entwurf »the need for strength, action and command if one is to keep the peace, rather than expressing the calm end state of peace itself«.[45]
Insgesamt waren acht Wettbewerbsbeiträge eingegangen, die zum größten Teil versuchten, abstrakte Gestaltungsmerkmale mit realistischen Bronzeplastiken zu verbinden. In zwei Fällen bildeten solche Figuren den Mittelpunkt. Einer dieser beiden Vorschläge gehörte zum Design des Gewinners. Da es sich bei dem Projekt nicht nur um eine Skulptur handelte, sondern der gesamte Platz gestaltet werden sollte, bestand das erfolgreiche Team mit dem Bildhauer Jack K. Harman, dem Architekten Richard G. Henriquez und der Landschaftsarchitektin Cornelia Hahn Oberlander aus Angehörigen unterschiedlicher Disziplinen. Sie hatten ihrem Vorschlag, der im Verlauf des Realisierungsprozesses noch gewisse Änderungen erfuhr, bereits den Namen gegeben, den das Peacekeeping Monument auch nach seiner Enthüllung tragen sollte: »The Reconciliation/La réconciliation«.[46]
3. Intentionen und Repräsentation
Wie die Debatten im Vorfeld der Denkmalserrichtung und die Wettbewerbsrichtlinien sowie die künstlerische Gestaltung des ausgewählten Entwurfs zeigen, ging es darum, ein Symbol mit einer weitgehend eindeutigen Aussage zu schaffen. Insbesondere die naturalistischen Bronzeplastiken der drei Soldatenfiguren entsprachen in der künstlerischen Darstellung den zahlreichen Denkmalsfiguren auf dem Gelände des nahegelegenen Parlaments und denjenigen des War Memorial. Das Ziel, dem Peacekeeping Monument eine klare Botschaft zuzuweisen, zeigte sich zudem daran, dass trotz konkreter Darstellung die künstlerische Sprache des Objektes für diesen Zweck offensichtlich als nicht ausreichend angesehen wurde. Denn durch eine am Denkmal angebrachte Plakette wurde die buchstäbliche Interpretation gleich mitgeliefert. Dort ist seit der Enthüllung 1992 zu lesen: »Members of Canada’s Armed Forces, represented by three figures, stand at the meeting place of two walls of destruction. Vigilant, impartial, they oversee the reconciliation of those in conflict. Behind them lies the debris of war. Ahead lies the promise of peace: a grove, symbol of life.«[47] Diese Kurzzusammenfassung beschreibt zugleich die wesentlichen künstlerischen Elemente des Denkmals: eine sich vereinigende Mauer, die von drei Bronzefiguren gekrönt wird, und einen »heiligen Hain« aus Eichen in der nordwestlichen Ecke des Platzes.
Die aufstrebende Mauer gibt einen engen Weg frei, durch den der Besucher hindurchgehen kann. An diesem Weg liegen einzelne Granitblöcke, die Zerstörung symbolisieren. Konkret soll an die »Grüne Linie« in der zypriotischen Hauptstadt Nikosia erinnert werden, wo seit 1964 und noch zum Zeitpunkt des Denkmalbaus kanadische UN-Blauhelm-Soldaten patrouillierten.[48] In symbolischer Form wurde also ein historisches Ereignis aufgegriffen – das sich allerdings im Jahr der Enthüllung des Denkmals bereits überlebt hatte, denn 1992 zog die kanadische Regierung ihre Soldaten von der Insel ab.
Die immer höher werdenden Mauern vereinigen sich schließlich zu einem massiven Block, der wie der Bug eines Schiffes aussieht. Dort, hoch über dem Betrachter und zugleich entfernt von den Niederungen der Hinterlassenschaften des Krieges, stehen drei mehr als mannshohe Bronzefiguren, die kanadische Peacekeeper darstellen. Die Plastiken repräsentieren unterschiedliche, für die kanadischen Blauhelm-Truppen während des Kalten Krieges als typisch angesehene Aufgaben: einen Beobachter mit Fernglas, eine Wache mit geschultertem Gewehr und, kniend, eine Nachrichtensoldatin mit Funkgerät.[49] Auch hier erweist sich die historische Begrenztheit des konkreten Ausdrucks, denn in die bildliche Komposition konnte noch nicht mit einbezogen werden, wie sich die UN-Einsätze seit Anfang der 1990er-Jahre ausdifferenzierten. Einzig den Wandel in der Zusammensetzung der Streitkräfte nahm der Bildhauer auf, indem er eine weibliche Soldatenfigur schuf (seit 1989 dürfen Frauen auch in Kampftruppen des kanadischen Militärs dienen).[50]
Mit den drei Plastiken wurde nicht zuletzt die bis dahin kanonisierte bildliche Darstellung des kanadischen Peacekeeping fortgeschrieben. Besonders das typische Fotosujet des »erhöhten Beobachters«, der von oben herab das Einsatzgebiet überwacht, fand sich in den Plastiken des Peacekeeping Monument wieder, repräsentiert durch die Figur mit dem Fernglas. Die Beobachterplastik, die hoch auf der Mauer thront, visualisiert zum einen die behauptete Überparteilichkeit der kanadischen Peacekeeper, zum anderen stellt sie deren Überlegenheit heraus.
Ähnlich wie die wichtigsten Peacekeeping-Fotomotive, die während des Kalten Krieges veröffentlicht wurden, kommen auch die Peacekeeper des Denkmals ohne diejenigen aus, zu deren Schutz sie eingesetzt waren. Die verfeindeten Parteien werden nur sehr abstrakt mittels der sich gegenüberstehenden Mauern dargestellt. Die Objekte der angestrebten »Versöhnung« bleiben somit in der Symbolsprache der künstlerischen Gestaltung ausgespart. Analog zu den Fotos zeigt auch das Peacekeeping Monument vornehmlich das Eigene.[51]
Wie die Kunsthistorikerin Susan Hart argumentiert, geht es darum, dass sich die kanadischen Betrachter mit den Soldatenfiguren ebenso identifizieren wie mit denjenigen Figuren, die das National War Memorial vor dem Parlamentsgebäude bilden. Anders als auf dem Kriegsdenkmal bleiben die Plastiken auf der Mauer des Peacekeeping Monument aber merkwürdig distanziert voneinander. Die Figuren des Kriegsdenkmals schieben gemeinsam ein Geschütz durch einen Bogen; die bronzenen Peacekeeper stehen dagegen isoliert und ohne Blickkontakt zueinander über den Relikten des Krieges. Hart meint, dass auf diese Weise ungewollt die Isolation der Individuen in der modernen Welt zum Ausdruck komme – »and the true disunity of the modern nation state«.[52] Demzufolge halten die Plastiken also eine Interpretation bereit, die dem Ziel der Erbauer diametral entgegensteht, die Kanadier mittels des Peacekeeping Monument symbolisch zu einen.
Der nationale Auftrag wird durch die hoch über den Soldatenfiguren wehende kanadische Flagge zusätzlich betont. Es handelt sich eben nicht um die Flagge der Vereinten Nationen, die das Peacekeeping transnational und speziell in den Kontext der UN-Blauhelm-Truppen einordnen könnte. Diese Flagge war nicht gewollt. Zum einen sollte kein allgemeines Erinnerungszeichen für das UN-Peacekeeping geschaffen werden, auch wenn es sich um das erste Peacekeeping-Denkmal weltweit handelte.[53] Mittlerweile existieren zwar zahlreiche kleinere Erinnerungsorte in den Einsatzgebieten; größere Gedenkareale in den aussendenden Staaten sind aber bis heute selten.[54] Zum anderen wurde eine weit gefasste Definition des Peacekeeping angelegt, und es wurden solche Operationen mit einbezogen, die entweder nicht zu den Blauhelm-Missionen zählen oder überhaupt nicht unter der Ägide der UN gestanden hatten. Auf einer Tafel, die die Missionen aufführt, an denen Kanadier teilnahmen, sind auch der Korea-Krieg, die UN-Militäraktion gegen den Irak (Zweiter Golfkrieg) sowie die außerhalb der UN stehenden Einsätze bei den Kontrollkommissionen in Indochina genannt.[55]
Mauer, Soldatenfiguren und die Tafel mit den Einsatzdaten spiegeln im engeren Sinne die militärischen und politischen Zielsetzungen der staatlichen Auftraggeber wider: Erinnerung an die kanadischen Soldaten und nationale Vergemeinschaftung. Der Aspekt des Friedens und die humanitären Aufgaben, die die NCC-Projektleiterin in den Vordergrund zu rücken wünschte, sind in diesem Teil der Anlage nur mittelbar zu erkennen. Das Ziel des Peacekeeping, der Friede, wird eher von dem etwas abseits stehenden Hain repräsentiert. Damit wurde ein archaisches Symbol aufgegriffen. In den offiziellen Erläuterungen zum Entwurf der Wettbewerbssieger liest man hierzu, der »bosco sacro« sei »symbolic of the life and creativity that thrives in peace«.[56] Die Kunsthistoriker Hart und Gough konstatieren übereinstimmend, dass dieser Hain aus zwölf Eichen, die die zum Zeitpunkt der Errichtung des Denkmals existierenden zwölf Provinzen und Territorien Kanadas versinnbildlichen, künstlerisch und räumlich weitgehend zusammenhangslos zur übrigen Anlage stehe.[57] Auch dies entsprach der Intention, wie die erläuternde Tafel deutlich macht. Nicht der Frieden selbst, der als fernes Ziel gesehen wird, sondern die Schaffung des Friedens durch die Peacekeeper steht im Mittelpunkt. Diese Überlegungen blieben allerdings Wunschdenken. Denn trotz der klaren Intentionen der für das Denkmal Verantwortlichen wurde aus der kanadischen Gesellschaft heraus schon im Umfeld der feierlichen Eröffnung gerade der Friedenshain als zentrales Symbol aufgegriffen.
4. Enthüllung des Denkmals und Friedensdiskurs
Die Einweihung am 8. Oktober 1992 wurde nicht nur als nationales Ereignis zelebriert, das den Vorstellungen von Regierung, Bürokratie und Militär entsprach, sondern erwies sich auch als Ankerpunkt für eine weitere gesellschaftliche Uminterpretation des ursprünglich im engeren Sinne militärischen Denkmals. Wie für moderne Denkmalsprojekte typisch, partizipierten an der Deutung also unterschiedliche gesellschaftliche Akteure. Die Überschreibung des zunächst vom Verteidigungsministerium gewünschten Konzeptes hatte durch die Einbeziehung der Hauptstadt-Kommission bereits begonnen. Im Rahmen der Einweihungsfeierlichkeiten wurde sie dann nicht nur von den Trägern zivilgesellschaftlicher Interessen vorangetrieben, sondern auch vom Büro des Generalgouverneurs.
Da dieser als Vertreter der Königin in Kanada und somit höchster staatlicher Repräsentant die Enthüllung vornehmen sollte, musste sein Büro gemeinsam mit den Projektleitern von DND (Verteidigungsministerium) und NCC (Hauptstadt-Kommission) die Zeremonie vorbereiten. Wenn auch die Ziele weitgehend übereinstimmten, so gab es doch abweichende Interpretationen. Unstrittig war, dass die gemäß eigener Wahrnehmung herausgehobene Funktion der kanadischen Peacekeeper bei den internationalen Friedenseinsätzen besonders betont werden sollte. »Canada’s role in Peacekeeping activities was recognized in 1988 by the award of the Nobel Peace Prize to UN Peacekeepers«, stand unmissverständlich als erster Satz am Beginn eines Entwurfs für den amtlichen »Communications Plan Peacekeeping Monument« vom 2. April 1992.[58] Als Adressaten für diese Kernaussage waren sowohl die Bevölkerung insgesamt wie auch besonders die »zahllosen Angehörigen der kanadischen Streitkräfte und ihre Familien« vorgesehen.[59]
Der Versuch, mittels des Peacekeeping Monument die nationale Einheit zu bekräftigen, fand ebenfalls breite Zustimmung. Seit Jahrzehnten gehörte es zu den wichtigsten Aufgaben der jeweiligen Regierung, vor dem Hintergrund eines zunehmenden Gegensatzes zwischen der frankophonen und anglophonen Bevölkerung Kanadas das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. So betonten Generalstabschef de Chastelain und der Stellvertretende Minister (also Staatssekretär) des Verteidigungsministeriums Robert R. Fowler am 6. Dezember 1991 gegenüber der Vorsitzenden der NCC, Jean Pigott: »We are excited about the dedication of this monument as an occasion to underscore national unity [...].«[60]Auch über die Sphäre der politischen Amtsträger hinaus wurden die kanadischen Blauhelm-Soldaten als ein von allen Schichten, Sprachgruppen und Ethnien akzeptiertes Symbol nationaler Vergemeinschaftung und gesellschaftlicher Zusammengehörigkeit aufgefasst – eine Überzeugung, die die für das Denkmal verantwortlichen Beamten durch das neue Peacekeeping-Symbol noch zu fördern trachteten.
Obgleich die militärischen Vertreter dezidiert an die kanadischen Peacekeeper auch jenseits der UN-Missionen erinnern wollten, so untergruben sie ihre weit gefasste Interpretation durch den eigenen Vorschlag, die bei der Zeremonie anwesenden ehemaligen Blauhelm-Soldaten mit den blauen UN-Baretten auszustatten. Für die teilnehmende Öffentlichkeit musste das Peacekeeping Monument somit als UN-Blauhelm-Denkmal im engeren Sinne erscheinen. Diese Wahrnehmung wurde auch nach der Enthüllung von militärischer Seite weiter befördert.[61]
Die gemeinsamen Überzeugungen von Angehörigen der Streitkräfte auf der einen und Angestellten der zivilen Bürokratien auf der anderen Seite endeten jedoch bei der Frage, inwieweit das Peacekeeping Monument nicht nur die militärischen Friedenshüter ehren, sondern darüber hinaus auch die abstrakte Idee des Friedens insgesamt repräsentieren sollte. Gegen Letzteres wandte sich Oberst Gardam mit Verve. Am 2. Oktober 1992, nur wenige Tage vor der Einweihungszeremonie, ließ er dem Büro des Generalgouverneurs seine Korrekturen an dessen Redemanuskript zukommen. Der Offizier versuchte klarzustellen, das Peacekeeping Monument sei »dedicated to Canadian Peacekeepers, and not to an abstract concept of peace«. Er befürchtete insbesondere, dass eine private Initiative von »peace parks« das Peacekeeping Monument symbolisch überlagern könnte.[62] Letztlich kämpfte Gardam aber auf verlorenem Posten.
Die Ansprache, die Generalgouverneur Ramon Hnatyshyn anlässlich der Enthüllung des Denkmals am 8. Oktober 1992 hielt, zeigte, wie stark sich zumindest das offizielle kanadische Selbstverständnis in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hatte. Nachdem er die Rolle Kanadas und die Bedeutung der kanadischen Peacekeeper hervorgehoben hatte, stellte Hnatyshyn fest: »Canada was forged, not in the heat of battle, but in the light of reason, negotiation, and mutual respect. It is based on the belief that people can live together amicably, even when they have different ideas, experiences, and backgrounds. It has left us a legacy of preferring the peaceable solution, and we have been able to use our national experience as an international instrument of peace.«[63]
Wie anders hatte sich noch die Rede des damaligen Generalgouverneurs und ehemaligen Offiziers der beiden Weltkriege Georges Vanier zum Neujahr 1966 angehört: »I am in a position to declare that, not only in peace but in war as well, Canadians have shown they can leave a name, they can achieve an enviable reputation, among the nations. In two World Wars we were able to mobilize over 1 ½ million men and women. Yes, if you have any doubt about Canadian identity, come with me to Ypres, Vimy, Courcelette, Passchendaele, Dieppe, Ortona, and so many other battlegrounds. There you find 110,000 Canadians from all Provinces, lying side by side, who gave their lives in the defence of liberty and justice. Do you think they would have been willing to make the supreme sacrifice had they been an anonymous conglomeration without the tie of brotherhood, of countryhood?«[64]
Vanier hatte noch die »nation forged in fire« beschworen, die ihre Identität aus den militärischen Einsätzen in zwei Weltkriegen gezogen habe. Hnatyshyns Einweihungsrede von 1992 setzte einen gegenläufigen Schwerpunkt, in dem die Entwicklungen der Jahrzehnte zuvor aufgehoben waren: Für ihn wurde Kanada nicht in der Hitze der Schlacht geschmiedet, sondern durch friedliche Streitbeilegung. Dies habe Kanada befähigt, international als Friedensstifter aufzutreten. Es war in dieser Einschätzung also nicht mehr primär die militärische Tradition, sondern das – historisch allerdings verkürzte – Selbstverständnis als friedliebende Nation, das die kanadischen Peacekeeper zu einem Symbol der Einheit machte.
Ganz explizit setzte sich der Generalgouverneur über die Sprachregelungen der Verteidigungsbürokratie hinweg, als er seine Rede mit dem Satz beendete: »Ultimately, it is a monument to the search for peace, the most durable and worthy yearning alive in the world today.«[65] Hiermit erklärte er das Peacekeeping Monument zu einem Ausdruck kanadischen Friedenswillens per se. Er artikulierte damit zum einen ein verändertes Selbstverständnis der kanadischen Gesellschaft, zum anderen waren seine Worte ein Echo auf die weltweiten politischen und gesellschaftlichen Erwartungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts – Erwartungen, die wesentlich auf die Vereinten Nationen und, wie die Nobelpreisverleihung von 1988 gezeigt hatte, auch auf die UN-Blauhelm-Einheiten projiziert wurden. Selbst wenn der Generalgouverneur mit seinen Ausführungen nicht den Nerv der militärisch Verantwortlichen traf, so doch denjenigen von engagierten Teilen der kanadischen Zivilgesellschaft.
Denn diese hatten sich in Abstimmung mit, aber doch weitgehend unabhängig von der offiziellen Vorbereitung für die Enthüllungszeremonie bereits ideell des Peacekeeping Monument bemächtigt. Den Rahmen boten die Feierlichkeiten zum 125. Jahrestag der Konföderation, also der begrenzten staatlichen Unabhängigkeit Kanadas. Im Zuge des »Canada 125 Project«, das landesweit entsprechende Maßnahmen förderte, entwickelte das »International Institute for Peace Through Tourism« eine Idee zur Gestaltung und Benennung von »Friedensparks« in Kanada. Der Leiter des Instituts, Louis J. D’Amore, war in Tourismuskreisen wohlbekannt. 1988 hatte er die erste internationale Konferenz in Vancouver organisiert, die sich mit den Möglichkeiten friedlicher Entwicklungen durch Tourismus beschäftigte – eine Veranstaltung, die von rund 800 Teilnehmern aus 67 Staaten besucht worden war. Die Konferenz empfahl, weltweit »Places for Peace« zu schaffen. Diese sollten von der Tourismusindustrie gemeinsam mit Umwelt- und Friedensgruppen realisiert werden.[66] D’Amores Engagement bewegte sich also in einem Grenzraum zwischen der wirtschaftlichen und der zivilgesellschaftlichen Sphäre sowie auch zwischen internationalen und nationalen Zusammenhängen.[67]
Ziel der Initiative »Peace Parks Across Canada« – die letztlich die Empfehlung der Konferenz von Vancouver aufgriff – war es, in den zu errichtenden oder zu benennenden Parks jeweils einen Friedenshain aus zwölf Bäumen zu pflanzen, der dem Hain des Peacekeeping Monument entsprechen sollte. Doch nicht nur gestalterisch wurde die Nähe zu der Anlage in Ottawa gesucht. Vielmehr sollten die meisten »Friedensparks« auch schon parallel zur Enthüllungszeremonie in der kanadischen Hauptstadt eingeweiht werden. Damit war es gerade der Friedensaspekt, der aufgegriffen und im ganzen Land verbreitet wurde.
Denn der Vorschlag erwies sich als höchst erfolgreich. In Kanada entstanden etwa 400 dieser Parks. In Zeitungsanzeigen des »Canada 125 Project« wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, ihre Kommunalverwaltungen zur Benennung eines »Friedensparks« zu bewegen.[68] Doch benötigten die regional Verantwortlichen diesen zusätzlichen Anstoß kaum. Soweit überliefert, waren die Reaktionen der Tourismusbüros, Parkverwaltungen und anderen Organisationen enthusiastisch. Zum Beispiel schrieb das »Greater Montréal Convention and Tourism Bureau« am 6. Januar 1992: »This project exemplifies in a very visible fashion one of the cornerstones of our Canadian personality and behavior.«[69] Die unterstützenden Verbände umfassten schließlich den kanadischen Städtetag (»Federation of Canadian Municipalities«), die Canadian Parks/Recreation Association, Heritage Canada, Friends of the Earth, World Wildlife Fund Canada, Rotary International und die Tourism Industry Association of Canada – also ein Spektrum, das quer durch die kanadische Gesellschaft ging.[70]
Es war dieses Projekt, dessen Auswirkungen Oberst Gardam fürchtete. Und tatsächlich wurde das einzige Element des Denkmals, das den Frieden an sich symbolisierte – der Hain –, aus dem Ensemble herausgegriffen und in ganz Kanada reproduziert.[71] Auf diese Weise wurde die spezifische Erinnerung an die Peacekeeper in den größeren Diskurs um den Frieden eingebettet. Das Peacekeeping Monument war gesellschaftlich umgewidmet worden. Die breite Akzeptanz, die das Denkmal fand, hatte ihren Preis: Die vermeintliche Integrationskraft wurde durch eine Vielfalt an Zuschreibungen erkauft.[72] So stieß es in einem breiten Spektrum der kanadischen Zivilgesellschaft auf Zustimmung, von der Friedensbewegung über die United Nations Association in Canada bis zu Veteranenorganisationen.[73] Das Peacekeeping wurde auch dank des Denkmals zu einem integrierenden Ausdruck der kanadischen »imagined community«.[74]
5. Symbole und Rituale:
Die Perpetuierung der nationalen Selbstsicht
Das Peacekeeping Monument war von Verteidigungsministerium und Hauptstadt-Kommission bewusst als nationales Symbol konstruiert worden. Es sollte, wie schon die Richtlinien für den künstlerischen Wettbewerb vorgegeben hatten, zu einem Ort wiederkehrender Vergemeinschaftungsangebote werden.[75] Bereits die Einweihungszeremonie war ein solches öffentliches Ereignis, das politische, militärische und religiöse Semantiken vereinte. Den Charakter einer Militärparade nahm die Veranstaltung dadurch an, dass die Hälfte der Zeit für den Vorbeimarsch der Veteranen reserviert war; parallel hierzu überflogen Militärflugzeuge das Denkmal.[76] Religiöse Bedeutungszuschreibungen manifestierten sich nicht nur in den Gebeten, die der protestantische Generalkaplan und sein römisch-katholischer Amtskollege sprachen, sondern auch in der Bezeichnung, die für die Versammlung der Peacekeeping-Veteranen anlässlich der Feierlichkeiten gewählt worden war. Ein Aufruf, mit dem DND-Projektdirektor Gardam im August 1992 alle ehemaligen und aktiven Peacekeeper auf die Enthüllungszeremonie in Ottawa hingewiesen hatte, stand unter dem bemerkenswerten Titel »Peacekeeping Pilgrimage«.[77] Dies griff die besondere Beziehung der ehemaligen Peacekeeper, zu denen auch Oberst Gardam gehörte, zu ihrer internationalen Tätigkeit auf, die emotional über den Dienst an anderen Orten oder in anderen Zusammenhängen hinausging. Die Wortwahl verweist aber auch auf einen angenommenen oder zumindest propagierten sakralen Charakter des Denkmals – eine Sakralität, die bei Versuchen politischer Sinnvermittlung nicht außergewöhnlich ist.[78]
Doch blieb der konkrete Ort nicht für staatliche und militärische Akte reserviert. Am 14. Oktober 1994 erinnerte die United Nations Association in Canada (UNAC) in Gegenwart des Generalgouverneurs am Peacekeeping Monument nicht nur an die UN-Blauhelm-Soldaten und beging den weltweiten United Nations Day, sondern startete zugleich die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Gründung der UN. Zivilgesellschaftliche Gruppen bemächtigten sich also auch des physischen Ortes – in diesem Fall als Ort der Erinnerung nur an die UN-Peacekeeper bzw. an die Vereinten Nationen insgesamt.[79]
Die zivilgesellschaftliche Umwidmung des Denkmals setzte sich im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends unter dem veränderten Vorzeichen des »Krieges gegen den Terror« nach den Angriffen auf das World Trade Center und das Pentagon vom 11. September 2001 fort. Am Peacekeeping Monument manifestierte sich wiederholt symbolisch die Kritik an der kriegerischen Rolle Kanadas in Afghanistan. Es wurde mehrfach mit Graffiti besprüht, Anfang April 2008 mit einem dezidierten Hinweis auf tote afghanische Zivilisten. Zugleich diente das Denkmal als Startpunkt oder Ziel von Protestveranstaltungen gegen den kanadischen Militäreinsatz in Afghanistan.[80]
Im Kontext dieser Auseinandersetzungen und der dezidierten Nationalisierung der Außenpolitik ließ die kanadische Bundesregierung 2008 den nationalen »Peacekeepers’ Day« (9. August) einführen,[81] der die offizielle Erinnerung partiell aus ihrem internationalen Kontext löste. Ort der zentralen Veranstaltung ist ebenfalls das Peacekeeping Monument. Die jährlichen Feierlichkeiten werden gemeinsam organisiert von der Canadian Association of Veterans in UN Peacekeeping (CAVUNP), den kanadischen Streitkräften, dem Ministerium für Veteranenangelegenheiten und der Bundespolizei RCMP.[82]
Jenseits ritualisierter Aufmärsche hatte die Errichtung des Peacekeeping Monument besonders in den 1990er-Jahren Politik, Verwaltung und Militär inspiriert, dessen Erscheinungsbild auf unterschiedlichen Wegen weiter zu verbreiten. Das Denkmal und vor allem die drei dort installierten Plastiken avancierten zum zentralen Erkennungssymbol des kanadischen Peacekeeping. Obwohl die Streitkräfteführung eine breite Definition von Peacekeeping vorgegeben hatte, wurde das Denkmal sogar in deren eigenen Veröffentlichungen zumindest visuell mit den UN-Operationen gleichgesetzt.[83]
Wie gern sich Politik und Verwaltung des Peacekeeping Monument bedienten, zeigen vor allem die Ein-Dollar-Sonderprägung von 1995, die die drei Soldatenfiguren des Denkmals abbildete,[84] und die Stiftung einer »Canadian Peacekeeping Service Medal« im Jahr 2000. Auch sie zierte das gleiche Motiv; über den Figuren war allerdings noch eine Friedenstaube eingefügt – ein durchaus ungewöhnliches Symbol für eine militärische Auszeichnung und ein weiterer Hinweis darauf, wie stark das Peacekeeping Monument und das Peacekeeping generell in den gesellschaftlichen Friedensdiskurs integriert waren. Anders als die Dollar-Münze richtete sich die Medaille nur an einen ausgewählten Kreis. Sie diente zur Anerkennung von soldatischen Leistungen und zur Vergemeinschaftung in der militärischen Community. Doch war die Breitenwirkung trotzdem erheblich: Vom 6. September 2000, dem Stiftungstag, bis zum 1. Juni 2012 waren bereits 74.718 Medaillen verliehen worden.[85]
Den größten Verbreitungsgrad hatte sicher der 10-Dollar-Schein mit Referenzen auf das UN-Peacekeeping. Von 2001 bis 2006 wurde er gedruckt und ausgegeben. Er zeigte auf der Rückseite im Hintergrund den stilisierten Rundbogen des War Memorial und rechts im Vordergrund einen alten Militärveteranen mit zwei Kindern. Links davon ist eine Soldatin in der typischen und allgemein bekannten Pose des UN-Beobachters zu sehen, der durch ein Fernglas schaut. Oberhalb lässt sich in französischer und englischer Sprache die Inschrift »Im Dienst des Friedens« entziffern. Weiter links findet sich eine weiße Taube im Flug. Offiziell hieß das Motiv »Remembrance and Peacekeeping«. Die Soldatin wurde mit einem blauen Barett abgebildet, das gemäß den Erklärungen der »Bank of Canada« für die kanadische Luftwaffe stand. Ohne diesen Hinweis konnte das blaue Barett aber eher als UN-Kopfbedeckung interpretiert werden. Wie die Münze verdeutlicht dieser Geldschein, dass das (UN-)Peacekeeping zur Jahrtausendwende als im wahrsten Sinne des Wortes prägender Ausdruck des kanadischen Staates und seiner Gesellschaft offiziell propagiert und öffentlich wahrgenommen wurde.[86]
Auch außerhalb Ottawas wurde diese Sicht zivilgesellschaftlich unterstützt. In Winnipeg, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Manitoba, wurde auf Initiative der örtlichen Gruppe der kanadischen UN-Veteranenorganisation CAVUNP ein kleines Denkmal aus drei Säulen errichtet, ein »Peacekeeping Cairn« (siehe unten). Es erinnert seit dem 8. August 2004 primär an die UN-Blauhelm-Soldaten; das Wappen der Vereinten Nationen ist auf der mittleren Säule eingraviert. Zugleich wird die Symbolik des Peacekeeping Monument aufgegriffen: Die linke Säule, die die Vergangenheit repräsentiert, zeigt die Canadian Peacekeeping Service Medal, auf der das Figurenensemble aus Ottawa abgebildet ist. Die Stelen befinden sich in einem kleinen »Memorial Park« mit weiteren Monumenten, die überwiegend an militärische Ereignisse erinnern. Auch wenn die Idee aus den Reihen ehemaliger Soldaten kam, gehörten sie als Angehörige einer UN-Veteranenorganisation doch zur Zivilgesellschaft. Neben der Stadt Winnipeg trugen sie und weitere Veteranenorganisationen zur Finanzierung des Denkmals bei.[87]
James E. Young, der maßgebliche Werke zu künstlerischen und architektonischen »Formen des Erinnerns« an den Holocaust publiziert hat, betont, »a monument and its significance are constructed in particular times and places, contingent on the political, historical, and aesthetic realities of the moment«.[88] Die Denkmäler, die an die kanadischen UN-Peacekeeper erinnern sollen, angefangen mit dem Peacekeeping Monument in Ottawa, unterscheiden sich hinsichtlich ihrer ästhetischen Annäherung.[89] Der »Krieg gegen den Terror« und besonders der Einsatz kanadischer Soldaten in Afghanistan haben die Formen einer Reihe später errichteter Denkmäler geprägt, die neben den UN-Peacekeepern auch an die gefallenen kanadischen Soldaten in Afghanistan erinnern.[90] Hier zeigt sich die gegenüber den frühen 1990er-Jahren veränderte globale Sicherheitslage, die auf die nationale Memorialkultur zurückwirkt. Doch sind die eigenen Blauhelm-Soldaten seit der Errichtung des Peacekeeping Monument in Ottawa jenseits aller innen- und außenpolitischen Veränderungen ein fest etablierter Teil der nationalen Erinnerungsrituale. So erweist sich das kanadische Peacekeeping weiterhin als Ausdruck einer nationalen Identität, die militärische Tradition und die Selbstwahrnehmung als internationaler Friedensstifter verbindet.[91] Am 1. Juli 2017 wurde in Peterborough in der kanadischen Provinz Ontario das Modell für ein neues »UN Peacekeepers Memorial« enthüllt, das gemeinsam von der Stadt Peterborough und der lokalen UN-Veteranen-Organisation getragen wird. Es ist ausschließlich den kanadischen UN-Blauhelm-Soldaten gewidmet; vermitteln soll es »the spirit of peacekeeping and the role that Canada plays in bringing peace to the world«.[92] Dabei stehen die Memorialkultur und die nationale Wertschätzung der Blauhelme seit mittlerweile rund zwei Jahrzehnten in einem Spannungsverhältnis zu den bereitgestellten militärischen Ressourcen in den Friedensmissionen. Ende 2017 rangierte Kanada mit nur 43 UN-Angehörigen (Polizisten, Militärexperten und/oder Soldaten) auf Platz 76 der truppenstellenden Länder.[93]
Angestoßen durch die veränderte internationale Lage wurde mit dem Peacekeeping Monument in Kanada ein nationales Symbol geschaffen,[94] das weit über die ursprünglichen Intentionen der kanadischen Verteidigungsbürokratie hinausging, die die Streitkräfte in einer Periode möglicherweise nachlassender außenpolitischer Spannungen, schmalerer Verteidigungsbudgets und global artikulierter Hoffnungen auf eine friedvolle Weltordnung neu positionieren wollte. Die zunächst eng gefassten Ziele wurden im gesellschaftlichen Diskurs, der sowohl langfristige innerkanadische Entwicklungen wie auch die weltweite Friedensrhetorik aufnahm, zum Teil überschrieben.
Gerade durch die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse um das Denkmal wurde das Peacekeeping zu einem wesentlichen Ausdruck kanadischer Selbstbeschreibung. Dabei gelang es, mit den Peacekeeping-Veteranen auch die zunächst intendierte Zielgruppe einzubeziehen. Das Denkmal verband die kriegerischen Gründungserzählungen Kanadas mit der zivilgesellschaftlichen Eigenwahrnehmung von Kanada als einer friedvollen Nation. Die Bedeutungszuschreibung, die das Peacekeeping Monument erhielt, erweist sich als prototypisch für die moderne, partizipatorische Sinnbildung bei Denkmalssetzungen in plural verfassten Staaten.
Nach der Enthüllung des Peacekeeping Monument im Oktober 1992 hielten darüber hinausgehende Erinnerungszeichen und Rituale Einzug in den Kanon nationaler Symboliken, die der Vergemeinschaftung der kanadischen Gesellschaft dienten. Die Erinnerungsorte, Plastiken und Denkmäler, die Münzen, Geldscheine und Medaillen, die Feiern, Aufmärsche und Versammlungen – sie alle entsprechen den Kriterien, die Herfried Münkler als wesentliche Bestandteile eines politischen Mythos identifiziert hat. Insbesondere bei der Errichtung des Peacekeeping Monument stand weniger der konkrete politische Handlungszusammenhang der unterschiedlichen Peacekeeping-Einsätze im Mittelpunkt, sondern mehr die übergreifende Sinnverheißung für das Gemeinwesen, in dem das Denkmal dessen vergangene und gegenwärtige Friedensliebe behauptet und diese als Zukunftsaufgabe fortschreibt.[95]
Die Befestigung des nationalen Peacekeeping-Mythos diente indes nicht nur zur Identitätsfindung nach innen, sondern ermöglichte auch eine umfassende politische und militärische Beteiligung Kanadas an den neuen Aufgaben des UN-Peacekeeping seit dem Ende des Ost-West-Konflikts. Analog zu anderen westlichen Demokratien konnten Streitkräfte und militärische Einsätze unter Rückgriff auf das Peacekeeping legitimiert werden. Auf Basis eines besonders starken gesellschaftlichen Rückhalts avancierten die kanadischen Regierungen zu Wortführern eines umfassenden Peacekeeping-Engagements.[96] Zeitweilig stellten die kanadischen Streitkräfte mehr Soldaten als jeder andere Staat. 1990 kam jeder zehnte Blauhelm-Soldat aus dem nördlichsten Staat der amerikanischen Hemisphäre.[97] In Kanada zeigte sich, wie globale und nationale Entwicklungen wechselseitig aufeinander wirkten.
Allerdings war dieser Effekt zeitlich beschränkt. Nicht zuletzt durch die Krise des Peacekeeping in den 1990er-Jahren, hervorgerufen durch die gescheiterten UN-Missionen in Jugoslawien, Somalia und Ruanda, an denen jeweils auch kanadische Soldaten teilgenommen hatten, erlahmte das Engagement. Zwar wurden Blauhelm-Operationen von den kanadischen Regierungen weiterhin verbal unterstützt, die Soldaten blieben aber zu Hause. Nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 und dem Einsatz kanadischer Truppen in Afghanistan änderte sich auch die Rhetorik. Insbesondere während der Regierungszeit des konservativen Premierministers Stephen Harper (2006–2015) wurde schließlich die Peacekeeping-Tradition als solche angegriffen.[98] Auf internationaler Ebene korrespondierte dies mit einem zurückhaltenden Blauhelm-Engagement der meisten westlichen Staaten und einer während der Regierungszeit des US-Präsidenten George W. Bush (2001–2008/09) abnehmenden Bedeutung der UNO.
Doch trotz aller kriegerischen Rhetorik und des faktischen Kriegseinsatzes in Afghanistan blieb in großen Teilen der kanadischen Bevölkerung das Peacekeeping als Leitbild sowohl für die Ausrichtung der Streitkräfte wie für die Selbstbeschreibung als Nation bestehen.[99] Das traditionelle Peacekeeping-Narrativ überstand also zwei Jahrzehnte weitgehender außenpolitischer Blauhelm-Abstinenz, und das Peacekeeping Monument war ein einigendes gesellschaftliches Symbol. Erst in jüngerer Zeit, nach dem Amtsantritt von Premierminister Justin Trudeau im November 2015, nähern sich die gesellschaftliche Selbstbeschreibung und die – postulierte – außenpolitische Orientierung wieder an. Inwieweit die Regierung hierbei primär verbal gesellschaftliche Erwartungen bedient, ob es vorwiegend um ein erneuertes außenpolitisches »Branding« von Kanada[100] als Peacekeeping-Unterstützer geht oder doch ein substantieller Einsatz eigener Truppen erfolgen wird, muss sich noch zeigen.[101] Die offene Frage lautet also, ob das kanadische Peacekeeping weiterhin (nur) als Monument eigenen Selbstverständnisses oder erneut als Ausdruck aktiven internationalen Gestaltungswillens begriffen werden wird.
Anmerkungen:
[1] The Nobel Peace Prize 1988, Pressemitteilung vom 29.9.1988.
[2] Vgl. ebd.; Der Preis für den Frieden, in: ZEIT, 9.12.1988. Grundlage des vorliegenden Aufsatzes ist mein Forschungsprojekt, das von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert wurde. Die aus dem Projekt hervorgegangene Habilitationsschrift »UN-Blauhelme zwischen nationaler Mythologisierung und internationalem Konfliktmanagement. Kanada und die Politik des Peacekeeping im 20. Jahrhundert« (Ruhr-Universität Bochum 2015) wird gegenwärtig für eine Veröffentlichung im Verlag Ferdinand Schöningh vorbereitet.
[3] Vgl. Joanna Calder, Nobel Laureates, in: Sentinel 25 (1989) H. 1, S. 12f.
[4] Vgl. Schulte, UN-Blauhelme (Anm. 2).
[5] Vgl. Iris Schröder, Die Wiederkehr des Internationalen. Eine einführende Skizze, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 8 (2011), S. 340-349, hier S. 342, S. 345. Zur lokalen, regionalen und nationalen Rückbindung der Globalgeschichte vgl. Sebastian Conrad, Globalgeschichte. Eine Einführung, München 2013, S. 90; Boris Barth/Stefanie Gänger/Niels P. Petersson, Einleitung. Globalisierung und Globalgeschichte, in: dies. (Hg.), Globalgeschichten. Bestandsaufnahme und Perspektiven, Frankfurt a.M. 2014, S. 7-18, hier S. 15.
[6] Vgl. für den deutschen Fall exemplarisch Thomas Nipperdey, Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert [1968], in: ders., Gesellschaft, Kultur, Theorie. Gesammelte Aufsätze zur neueren Geschichte, Göttingen 1976, S. 133-173, hier S. 135 et passim. Zu den Denkmälern und Erinnerungszeichen, die die »Nationswerdung« Kanadas durch den Ersten Weltkrieg für künftige Generationen hervorheben, vgl. z.B. Susan Elizabeth Hart, Sculpting a Canadian Hero: Shifting Concepts of National Identity In Ottawa’s Core Area Commemorations, PhD thesis, Concordia University, Montreal 2008, S. 96-110; Jean Martin, Vimy, April 1917: The Birth of Which Nation?, in: Canadian Military Journal 11 (2011) H. 2, S. 32-38.
[7] Vgl. den Überblick in Jan-Holger Kirsch, Nationaler Mythos oder historische Trauer? Der Streit um ein zentrales »Holocaust-Mahnmal« für die Berliner Republik, Köln 2003, S. 28-39.
[8] Vgl. Etienne François/Hagen Schulze, Einleitung, in: dies. (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte. Eine Auswahl, München 2005, S. 7-12.
[9] Vgl. Annex 1 zu dem Bericht »Canada and Peacekeeping – An Overview«, o.D., verantwortlich: Lieutenant-Colonel R.G. Edwards, Defence Relations Division, Department of External Affairs (DEA), Library and Archives Canada (LAC), RG 25, vol. 12559, file 21-14-1, pt. 14; Summary of United Nations Peace-Keeping Forces by Countries as at 1 August 1987, ebd., vol. 11491, file 21-14-1, pt. 15.
[10] Vgl. Manon Tessier/Michel Fortmann, The Conservative Approach to International Peacekeeping, in: Nelson Michaud/Kim Richard Nossal (Hg.), Diplomatic Departures. The Conservative Era in Canadian Foreign Policy, 1984–93, Vancouver 2001, S. 113-127; Jack L. Granatstein, Canada’s Army. Waging War and Keeping the Peace, Toronto 2002, S. 397; Schulte, UN-Blauhelme (Anm. 2), Kap. 11.
[11] Vgl. Jan Erik Schulte, Ein nationaler Weg: Kanada und die Schaffung der UN-Blauhelme in der Suez-Krise 1956, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 68 (2009), S. 49-74; Michael K. Carroll, Pearson’s Peacekeepers. Canada and the United Nations Emergency Force, 1956–67, Vancouver 2009.
[12] Vgl. Norman Hillmer, Peacekeeping: Canada’s Inevitable Role, in: Michael A. Hennessy/B.J.C. McKercher (Hg.), War in the Twentieth Century. Reflections at Century’s End, Westport 2003, S. 145-165, bes. S. 145, S. 147f.; Schulte, UN-Blauhelme (Anm. 2), passim; Colin McCullough, Creating Canada’s Peacekeeping Past, Vancouver 2016.
[13] Vgl. A Prize for the UN Peacekeepers, in: Globe and Mail, 4.10.1988, S. 6 (Leitartikel).
[14] Vgl. Calder, Nobel Laureates (Anm. 3), S. 12.
[15] Ebd.
[16] Vgl. Interview des Vf. mit dem ehemaligen kanadischen Generalstabschef John de Chastelain, Ottawa, 25.9.2009.
[17] Vgl. Sentinel 25 (1989) H. 1, 2, 3, 5; 26 (1990) H. 1, 3, 5, 6; 27 (1991) H. 4; 28 (1992) H. 4, 5, 6; 29 (1993) H. 1, 2, 4, 5.
[18] Vgl. Peacekeeping »challenge«, in: Sentinel 25 (1989) H. 1, S. 12.
[19] Paul Koring, Role as Peacekeepers Now Proudest Tradition of Canadian Military, in: Globe and Mail, 30.9.1988, S. 12; auch zit. in Hillmer, Peacekeeping (Anm. 12), S. 154.
[20] Vgl. Norrin M. Ripsman, Big Eyes and Empty Pockets: The Two Phases of Conservative Defence Policy, in: Michaud/Nossal, Diplomatic Departures (Anm. 10), S. 100-112, hier S. 103.
[21] Vgl. David G. Haglund/Peter L. Jones, Canada, the »Lessons« of Peacekeeping, and Central America, Kingston 1989, S. 1f.
[22] John Marteinson, Peacekeeping, in: Canadian Defence Quarterly/Revue canadienne de défense 19 (1989) H. 1, S. 5. Dem Beirat der Zeitschrift gehörte von Amts wegen der Generalstabschef an, was die Nähe der Zeitschrift zu den Streitkräften verdeutlicht.
[23] Vgl. Reiner Pommerin, Vom »Kalten Krieg« zu globaler Konfliktverhütung und Krisenbewältigung – Militärgeschichte zwischen 1990 und 2006, in: Karl-Volker Neugebauer (Hg. im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes), Grundkurs deutsche Militärgeschichte, Bd. 3: Die Zeit nach 1945. Armeen im Wandel, München 2008, S. 272-395, hier S. 326, S. 328. Zur Reduktion der westlichen Verteidigungsbudgets vgl. Wilfried von Bredow, Militär und Demokratie in Deutschland. Eine Einführung, Wiesbaden 2008, S. 210.
[24] Norman Hillmer, Peacemakers, Blessed and Otherwise, in: Canadian Defence Quarterly/Revue canadienne de défense 19 (1989) H. 1, S. 55-58, hier S. 55. Vgl. auch Haglund/Jones, Canada (Anm. 21), S. 36f.; Granatstein, Canada’s Army (Anm. 10), S. 379.
[25] Die Bereitwilligkeit, Truppen für die UN-Mission in Somalia bereitzustellen, kann hierfür als Beispiel dienen. Vgl. David Bercuson, Significant Incident. Canada’s Army, the Airborne, and the Murder in Somalia, Toronto 1996, S. 221.
[26] Vgl. Remembrance will include Peacekeepers, in: Globe and Mail, 11.11.1988, S. 1f.
[27] Vgl. Calder, Nobel Laureates (Anm. 3), S. 12; Peace efforts recognized, in: Globe and Mail, 10.12.1988, S. 5.
[28] Gemäß einer Meinungsumfrage vom Januar 1989 waren bereits zu diesem Zeitpunkt weitaus mehr Kanadier über die Aufgaben der Streitkräfte im Bereich des Peacekeeping als im Rahmen der Landesverteidigung informiert. Vgl. Michel Fortmann/Édouard Cloutier, The Domestic Context of Canadian Defence Policy: The Contours of an Emerging Debate, in: Canadian Defence Quarterly/Revue canadienne de défense 21 (1991) H. 1/Special No. 2, S. 14-18, hier S. 17.
[29] Vgl. Hubertus Büschel, Internationale Geschichte als Globalgeschichte – Prämissen, Potenziale und Probleme, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 8 (2011), S. 439-445, hier S. 443.
[30] Zur künstlerischen Gestaltung vgl. Peter Gough, Peacekeeping, Peace, Memory: Reflections on the Peacekeeping Monument in Ottawa, in: Canadian Military History 11 (2002) H. 3, S. 65-74; ders., ›Invicta Pax‹ Monuments, Memorials and Peace: an analysis of the Canadian Peacekeeping Monument, Ottawa, in: International Journal of Heritage Studies 8 (2002), S. 201-223; Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6). Einblicke in die Vorgeschichte des Denkmals bietet John Roberts, Nation-Building and Monumentalization in the Contemporary Capital: The Case of Ottawa-Hull, with particular Reference to the Peacekeeping Monument and the Canadian Tribute to Human Rights, M.A. thesis, Carleton University, Ottawa 1998, S. 115-134.
[31] Minutes of Meeting on Peacekeeping Monument Dedication Day vom 30.1.1992, 6.2.1992, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 1.
[32] Vgl. Jill Robinson, Head Ministerial Speechwriting Unit DND, an Mary Percy, Government House, 2.10.1992, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 2; vgl. McCullough, Creating (Anm 12), S. 181.
[33] Zit. nach Roberts, Nation-Building (Anm. 30), S. 116.
[34] Zit. nach ebd., S. 131.
[35] Vgl. Jonathan F. Vance, Death so Noble. Memory, Meaning, and the First World War, Vancouver 2000, S. 45; Susan Phillips-DesRoches, Canada’s National War Memorial: Reflection of the Past or Liberal Dream?, M.A. thesis, Carleton University, Ottawa 2002; Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6) S. 92-110, S. 114.
[36] Vgl. Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 115-117, S. 128-132.
[37] Vgl. Gough, Peacekeeping (Anm. 30), S. 66; Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 117-123.
[38] Peacekeeping Monument. Competition Guideline, vorgelegt vom Department of National Defense/National Capital Commission, o.O., o.J., S. 1f. Siehe auch Jean E. Pigott, Chairman NCC, an Judith A. Larocque, Secretary to the Governor General, 8.5.1991, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 1.
[39] Peacekeeping Monument, Competition Guideline (Anm. 38), S. 1.
[40] Vgl. Schulte, UN-Blauhelme (Anm. 2), passim. Siehe auch Jonathan F. Vance, Stahl und Stein, Fleisch und Blut. Die Kontinuität des Kriegstotengedenkens, in: Manfred Hettling/Jörg Echternkamp (Hg.), Gefallenengedenken im globalen Vergleich. Nationale Tradition, politische Legitimation und Individualisierung der Erinnerung, München 2013, S. 329-356, hier S. 349.
[41] Siehe den neueren Ansatz von Iyko Day, Alien Intimacies: The Coloniality of Japanese Internment in Australia, Canada, and the U.S., in: Amerasia Journal 36 (2010) H. 2, S. 107-124; zur älteren Debatte Peter Ward, Evacuation, in: A.D. Gilbert/C.M. Wallace/R.M. Bray (Hg.), Reappraisals in Canadian History. Post-Confederation, Scarborough 1992, S. 400-423; J.L. Granatstein/G.A. Johnson, The Evacuation of the Japanese Canadians, 1942: A Realist Critique of the Received Version, in: ebd., S. 424-448.
[42] Vgl. James S. Frideres/René R. Gadacz, Aboriginal Peoples in Canada, 9. Aufl. Toronto 2012; Cole Harris, Making Native Space. Colonialism, Resistance, and Reserves in British Columbia, Vancouver 2002; Grace Li Xiu Woo, Ghost Dancing with Colonialism. Decolonization and Indigenous Rights at the Supreme Court of Canada, Vancouver 2011.
[43] Vgl. Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 124.
[44] Die weiteren Mitglieder waren Dr. Alan Gowans, ein Kunst- und Architekturhistoriker, Eleonor Rose Milne, Kanadas offizielle Bildhauerin, Moshe Safdie, Architekt der kanadischen Nationalgalerie, und Peter Jacobs, Professor für Landschaftsarchitektur an der Université de Montréal. Vgl. National Capital Commission/Department of National Defence (Hg.), The Peacekeeping Monument Competition. Creating a National Symbol, Ottawa 1991, S. 8.
[45] Report of the Jury, 14.11.1990 (Bericht als Teil von: The Peacekeeping Monument Competition study kit, Ottawa: NCC, 1991); zit. nach Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 126.
[46] Vgl. The Peacekeeping Monument Competition (Anm. 44).
[47] Zit. nach Gough, Peacekeeping (Anm. 30), S. 69f.; Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 129.
[48] Vgl. Gough, Peacekeeping (Anm. 30), S. 69f.
[49] Vgl. Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 129f.
[50] Hart interpretiert die Haltung und Funktion der weiblichen Soldatenfigur als Gender-typisch, denn sie verweist die weibliche Repräsentantin auf eine untergeordnete, kommunikative Funktion, im Gegensatz zu den beiden hoch aufgerichteten Plastiken, die direkte militärische Funktionen zum Ausdruck bringen und männliche Soldaten darstellen. Vgl. ebd., S. 135f.
[51] Vgl. Schulte, UN-Blauhelme (Anm. 2), Kap. 10; siehe auch die Aufforderung von McCullough, Creating (Anm 12), S. 198, das Leid der Bevölkerung in den Einsatzgebieten zu bedenken.
[52] Vgl. Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 136f. (Zitat auf S. 137). Siehe auch Gough, Peacekeeping (Anm. 30), S. 71; ders., ›Invicta Pax‹ (Anm. 30), S. 219.
[53] Vgl. ders., Peacekeeping (Anm. 30), S. 68f.
[54] Ein solcher Gedenkort, das »National Australian Peacekeeping Memorial«, wurde am 14. September 2017 in der australischen Hauptstadt Canberra eingeweiht. Vgl. die Website der United Nations Association of Australia: <https://www.unaa.org.au/divisions/australian-peacekeepers-memorial-project/>.
[55] Vgl. Programm der Einweihungszeremonie: »Dedication. The Reconciliation. Canada’s Peacekeeping Monument«, 8.10.1992.
[56] The Peacekeeping Monument Competition (Anm. 44), S. 11.
[57] Gough, Peacekeeping (Anm. 30), S. 70, S. 72; Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 134f.
[58] Communications Plan Peacekeeping Monument, 2.4.1992, NCC Archives; vgl. auch Communications Plan Peacekeeping Monument, Juni 1992, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 1.
[59] General de Chastelain und Deputy Minister Fowler, DND an Jean Pigott, Chairman NCC, 6.12.1991, NCC Archives (Central Records Operations, 710-2-1).
[60] Ebd. Vgl. auch Telegramm, 20.12.1991, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 1.
[61] Vgl. Minutes of Meeting on Peacekeeping Monument Dedication Day vom 30.1.1992, 6.2.1992, und Agenda for Meeting vom 29.5.1992, o.D., ebd.
[62] Vgl. (einschließlich des Zitats) Jill Robinson, Head Ministerial Speechwriting Unit DND, an Mary Percy, Government House, 2.10.1992, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 2.
[63] Rede R.J. Hnatyshyn, 8.10.1992, ebd.
[64] His Excellency the Governor-General’s New Year’s Message. Recorded for Radio and Television by C.B.C. Monday 13.12.1965. Not for release by the Press before 10 P.M., 31.12.1965, S. 2, Archives of Ontario, RG 2-82-1, file Core Curriculum 1976, MA 120.
[65] Rede R.J. Hnatyshyn (Anm. 63).
[66] Vgl. Zeitschriftenausschnitt »Recreation Canada«, März 1990, S. 30, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 1.
[67] Vgl. insges. LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 1; Gough, Peacekeeping (Anm. 30), S. 72, S. 74, Anm. 19.
[68] Vgl. Canada 125. Here’s More of What’s going On!, in: Globe and Mail, 5.9.1992, S. C8.
[69] Greater Montréal Convention and Tourism Bureau an International Institute, 6.1.1992, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, file HNAT 830-46, pt. 1.
[70] Vgl. Entwurf einer Pressemitteilung für das Peace Parks-Projekt, 8.6.1992, ebd.
[71] Kritisch zur langfristigen Bedeutung des Hains: McCullough, Creating (Anm 12), S. 183f.
[72] Vgl. Gough, Peacekeeping (Anm. 30), S. 72.
[73] Vgl. Interviews des Vf. mit Joan Broughton, Public Information Officer United Nations Association in Canada, Ottawa, 16.9.2008; mit Ernie Regehr, Mitbegründer und ehemaliger geschäftsführender Direktor der Friedensinitiative Project Ploughshares, Waterloo, 27.10.2008; mit Robert O’Brien, Oberst a.D., Chairman of the Board of Directors Canadian Association of Veterans in UN Peacekeeping (CAVUNP), Ottawa, 5.6.2009.
[74] Siehe hierzu Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, erweiterte Neuausg. Frankfurt a.M. 1996 (engl. Erstausg.: Imagined Communities. Reflections on the Origins and Spread of Nationalism, London 1983).
[75] Vgl. Peacekeeping Monument. Competition Guideline (Anm. 38), S. 2.
[76] Vgl. Detailed Itinerary Thursday, October 8, 1992, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, HNAT 830-46, pt. 2.
[77] Peacekeeping Pilgrimage, 21.8.1992, ebd.
[78] Zur Sakralität von deutschen Nationaldenkmalsentwürfen im frühen 19. Jahrhundert und der zeitgenössischen Bezeichnung eines Denkmalbesuchs als »Wallfahrt« vgl. Nipperdey, Nationalidee (Anm. 6), S. 138, S. 154; zu den als »Wallfahrten« bezeichneten Fahrten zum kanadischen Vimy-Denkmal des Ersten Weltkrieges siehe Vance, Death so Noble (Anm. 35), S. 69f., und zur Sakralität von politischer Sinnvermittlung insgesamt Herfried Münkler, Wirtschaftswunder oder antifaschistischer Widerstand – politische Gründungsmythen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, in: Hartmut Esser (Hg.), Der Wandel nach der Wende. Gesellschaft, Wirtschaft, Politik in Ostdeutschland, Wiesbaden 2000, S. 41-65, hier S. 47; Andreas Dörner, Politischer Mythos und symbolische Politik. Sinnstiftung durch symbolische Formen am Beispiel des Hermannsmythos, Opladen 1995, S. 88f.; Insa Eschebach, Öffentliches Gedenken. Deutsche Erinnerungskulturen seit der Weimarer Republik, Frankfurt a.M. 2005.
[79] Vgl. Ramon John Hnatyshyn an Michael Oliver, President UNAC, 24.10.1994, und Douglas Roche, Chairman Canadian Committee for the Fiftieth Anniversary of the United Nations der UNAC an Hnatyshyn, 10.11.1994, LAC, RG 7 G 30, vol. 74, HNAT 830-46, pt. 2.
[80] Vgl. Anti-war graffiti defaces peacekeeping Monument, in: CTV Ottawa News, 4.4.2008 (mit Abb.); McCullough, Creating (Anm 12), S. 189f.
[81] Am 9. August 1974 erlitten die kanadischen Streitkräfte ihre größten Verluste an einem Tag bei einer UN-Mission: Neun Blauhelm-Soldaten starben, als ihr Flugzeug über der libanesisch-syrischen Grenze von syrischen Raketen abgeschossen wurde. Vgl. Vance, Stahl und Stein (Anm. 40), S. 350.
[82] Vgl. National Peacekeepers’ Day, URL: <http://www.veterans.gc.ca/eng/remembrance/history/canadian-armed-forces/peacekeeping>.
[83] Vgl. Canadian Defence Quarterly/Revue canadienne de défense 22 (1992) H. 1, Special No. 2; siehe auch den Umschlag des offiziösen Buchs von John Gardam, The Canadian Peacekeeper, Burnstown 1992, das ebenfalls die drei Plastiken des Peacekeeping Monument zeigt.
[84] Zur Gestaltung der kanadischen 1-Dollar-Münzen seit den 1930er-Jahren vgl. die Angaben auf der Website der kanadischen Münzanstalt; McCullough, Creating (Anm 12), S. 187-189.
[85] Vgl. Canadian Peacekeeping Service Medal (CPSM), URL: <http://www.veterans.gc.ca/eng/remembrance/medals-decorations/details/129>.
[86] Vgl. Canadian Journey Series (2001–2006), URL: <http://www.bankofcanada.ca/banknotes/bank-note-series/canadian-journey/> (Button »Design«). Weitergehende Erklärungen, so auch der Hinweis auf das Barett der Luftwaffe, fanden sich auf einer älteren Internet-Seite der Bank of Canada, die inzwischen nicht mehr verfügbar ist.
[87] Vgl. Council Minutes, 23.6.2004, Minute No. 515, Item No. 1: Community Incentive Grant – Canadian Association of Veterans in United Nations Peacekeeping LGen RR Crabbe Chapter File PR-2.6(34), City Clerk’s Department, City of Winnipeg (für die Übersendung des Dokuments danke ich Martin Comeau, Archivist, City of Winnipeg Archives); Peacekeeping Cairn, Winnipeg, mit Auszügen aus der Winnipeg Free Press vom 7.8., 9.8., 18.8.2004, URL: <http://www.cavunp-winnipeg.com/pk-cairn>.
[88] James E. Young, Memory and Counter Memory: The End of the Monument in Germany, in: Harvard Design Magazine, Fall 1999, S. 6; hier zit. nach Hart, Sculpting a Canadian Hero (Anm. 6), S. 98. Siehe auch James E. Young, Formen des Erinnerns. Gedenkstätten des Holocaust, Wien 1997; ders., Nach-Bilder des Holocaust in zeitgenössischer Kunst und Architektur, Hamburg 2002.
[89] Zu weiteren Denkmälern in Kanada vgl. die Auflistung bei Vance, Stahl und Stein (Anm. 40), S. 350f.
[90] Vgl. Cheryl Browne, Peacekeepers recognized at ceremony in Angus, in: The Barrie Examiner, 9.8.2016; McCullough, Creating (Anm 12), S. 196.
[91] Vgl. den 2008 eröffneten Cobequid Veterans Memorial Park in Bass River, Nova Scotia, der an die Veteranen der verschiedensten kanadischen Militäreinsätze einschließlich des UN-Peacekeeping erinnert und eine Skulptur aufweist, die den Frieden als Sieger über den Krieg zeigt: <http://www.veteranmemorialpark.com/home.html>.
[92] Peacekeepers memorial design unveiled in Peterborough, in: The Peterborough Examiner, 1.7.2017.
[93] Summary of Troop Contributing Countries By Ranking, 31.12.2017. An der Spitze stehen Äthiopien (8.420), Bangladesch (7.246) und Indien (6.697).
[94] Zu Nationalisierungseffekten globaler Interaktionen vgl. Schröder, Wiederkehr (Anm. 5), S. 344f.; Büschel, Internationale Geschichte (Anm. 29), S. 440.
[95] Vgl. Münkler, Wirtschaftswunder (Anm. 78), S. 46f.; ders., Politische Mythen und nationale Identität. Vorüberlegungen zu einer Theorie politischer Mythen, in: Wolfgang Frindte/Harald Pätzolt (Hg.), Mythen der Deutschen. Deutsche Befindlichkeiten zwischen Geschichten und Geschichte, Opladen 1994, S. 21-27, hier S. 21.
[96] Vgl. Jens Fey, Multilateralismus als Strategie. Die Sicherheitspolitik Kanadas nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, Köln 2000, S. 281.
[97] Vgl. Tessier/Fortmann, The Conservative Approach (Anm. 10), S. 121.
[98] Vgl. Schulte, UN-Blauhelme (Anm. 2), Kap. 13 und Kap. »Zusammenfassung und Ausblick«.
[99] Vgl. ebd.; McCullough, Creating (Anm 12), S. 3.
[100] Vgl. Evan H. Potter, Branding Canada. Projecting Canada’s Soft Power through Public Diplomacy, Montreal 2009.
[101] Skeptisch zum letztgenannten Punkt: Lee Berthiaume, Canadian peacekeeping contribution reaches new low under Liberals, in: Globe and Mail, 23.10.2017; The Liberals fudge their peacekeeping promise – and with good reason, in: Globe and Mail, 15.11.2017 (Leitartikel).