Die sozialistischen Vordenker Marx, Engels und Lenin begründeten die „sozialen Ursachen“ der Kriminalität mit dem herrschenden kapitalistischen Gesellschaftssystem, dessen „ökonomische Basis die Wurzel allen Übels“ sei.1 Das Verbrechen sei keine dem Menschen angeborene Eigenschaft, sondern „historisch entstanden und wird mit dem Sozialismus/Kommunismus allmählich überwunden“.2 Entsprechend teilte auch die DDR-Führung die Sicht, dass „mit der Liquidierung der Ausbeuterordnung in der DDR die wesentlichen Wurzeln der Kriminalität verschwunden [sind]. Das ermöglicht [es] erstmalig in der deutschen Geschichte, die Vorbeugung der Verbrechen zur Aufgabe der gesamten Gesellschaft zu machen.“3
Die besagte Prävention wurde unter anderem durch das 1952 eingeführte Amt des Abschnittsbevollmächtigen der Deutschen Volkspolizei personifiziert, der als „volksnaher“ Ansprechpartner in alltäglichen Sicherheitsbelangen auftrat. Zudem wurden vielschichtige, alle Bereiche des täglichen Lebens umfassende Propagandamaßnahmen initiiert, um Verbrechen vorzubeugen, aber auch um Staat und Bevölkerung gleichermaßen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Eine der quotenstärksten Propagandaoffensiven des Deutschen Fernsehfunks (DFF), seit seiner Etablierung einer der wichtigsten massentauglichen Multiplikatoren der sozialistischen Ideologie,4 war die Kriminalfilmreihe „Blaulicht“.5 Vom 20. August 1959 an flimmerte sie zunächst im Abstand von zwei bis drei Monaten mit einer durchschnittlichen Sendezeit von 60 Minuten über die stetig wachsende Zahl von DDR-Bildschirmen. Die letzte Folge wurde am 27. Oktober 1968 ausgestrahlt, nachdem die Abstände zwischen den einzelnen Folgen immer größer geworden waren. Die Korrespondenz zwischen west- und ostdeutschen Fernsehsendungen, im Fall von „Blaulicht“ besonders zur westdeutschen, vom NDR produzierten und unter der Regie von Jürgen Roland gedrehten Reihe „Stahlnetz“,6 sollte dabei stets mit bedacht werden. Schließlich war die Gefahr der televisuellen Republikflucht durch die reichweitenstarken Sender der ARD und des späteren ZDF immer präsent.
„Blaulicht“, Teil 9: „Kindermörder“ (1960), Produktionsfoto.
Zu sehen sind Oberleutnant Thomas (links, gespielt von Alexander Papendiek),
Hauptmann Wernicke (Mitte, gespielt von Bruno Carstens) und ein Teil des Produktionsteams, vermutlich während der Proben.
(Deutsches Rundfunkarchiv, Standort Potsdam-Babelsberg/Zimmermann. Der Urheber/Rechteinhaber bzw. ein Rechtsnachfolger ließ sich hier leider nicht ermitteln.)
Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen steht die audiovisuelle und zugleich fiktionale Quelle Kriminalfilm, anhand derer die DDR-eigene Repräsentation von Sicherheit, Ordnung und einer (wieder)hergestellten Polizeimacht herausgearbeitet werden soll. Das Ziel des Beitrags ist es, einen Einblick in die Mentalitätengeschichte der DDR in den 1960er-Jahren zu geben und in diesem Kontext vor allem dem subjektiven Sicherheitsempfinden der DDR-Bürger nachzuspüren. Zu beachten ist dabei einerseits, dass die Produktion von Filmen durch eine Reihe individueller Faktoren wie Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler etc. und im Falle der DDR durch staatliche Vorgaben bestimmt wurde.7 Andererseits verarbeitet der Zuschauer seine Fernseheindrücke individuell und interpretiert sie so, dass sie mit seinem Weltbild übereinstimmen. Es geht also nicht nur um reale Bedrohungen, sondern zumeist darum, was im öffentlichen Bewusstsein wahrgenommen bzw. innerhalb der SED-Elite als bedrohlich dargestellt wurde.
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Wenn Kriminalität in der sozialistischen Utopie als überwunden galt, wie konnten dann Fernsehkriminalität und real existierender Sozialismus für das Fernsehpublikum eine so erfolgreiche Symbiose eingehen? Eine Antwort für das beliebte Unterhaltungsformat (Fernseh-)Krimi sollte mehrere Faktoren berücksichtigen. Auf der einen Seite steht der Zuschauer mit all seinen Wünschen nach Information, Bildung und Unterhaltung, auf der anderen der Staat bzw. die Fernsehmacher des staatlich gelenkten DFF, die diesem Bedürfnis mittels eines geeigneten Programms nachkommen mussten und auch wollten. Warum der Krimi bei den Zuschauern so gut ankam, kann aufgrund fehlender Quellen nicht in Gänze rekonstruiert werden. Grundsätzlich gilt, dass für die Wahl eines Programms ein ganzes Bündel individueller Faktoren auszumachen ist (Interesse, Zeitbudget, sozialer Hintergrund, Sozialisation, Milieu, Bildungsgrad etc.). Möglich ist es jedoch, den Grad der Beliebtheit des Fernsehkrimis (für die späten 1950er-Jahre) anhand von Zuschauerbefragungen zu bestimmen. So ergab eine 1960 von der Abteilung „Außenverbindung“ des DFF durchgeführte Umfrage, dass von 461 Befragten 76,4 Prozent die Reihe „Blaulicht“ regelmäßig sahen und 99,1 Prozent sie als gut oder sehr gut einschätzten.8 Eine weitere Umfrage der neu geschaffenen Abteilung für Zuschauerforschung rechnete 1970/71 sogar 60 Prozent der – seit der ersten Umfrage rapide gewachsenen – Gesamtzuschauerschaft zu den „ausgesprochene[n] Freunde[n] des Krimis“.9
Die „Blaulicht“-Produzenten und das Ministerium des Innern, das die Produktion überwachte, hatten den Anspruch, echte, bereits aufgeklärte Kriminalfälle zu zeigen und dem Zuschauer die Arbeit der Polizei so authentisch und detailreich wie möglich vorzuführen. Hierzu heißt es in einer ersten Skizze Günther Prodöhls, des geistigen Vaters und Autors der „Blaulicht“-Reihe: „Wir wollen unsere Zuschauer mit der interessanten, verantwortungsvollen und erfolgreichen Arbeit unserer Kriminalpolizei bekanntmachen, wollen tüchtige Kriminalpolizeioffiziere zeigen, die nicht wie Sherlock Holmes ‚genial‘ und im Alleingang die Zuschauer verblüffen, sondern in zuverlässiger Kleinarbeit und überlegtem Zusammenwirken Erstaunliches leisten.“10
Das Zitat verweist auf eine Reihe vermeintlicher Selbstverständlichkeiten, zum Beispiel auf die angeblich stets erfolgreiche Arbeit der Kriminalpolizei. Der Erfolg dieser Arbeit ist dabei nur im Kollektiv möglich, ganz im Sinne sozialistischer Prämissen. Und dennoch wird auch die Leistung des Einzelnen bewertet, sind doch die Kriminalpolizeioffiziere „tüchtig“ und „zuverlässig“. Hier scheinen Tugenden durch, die den Ermittler nicht nur als Repräsentanten der staatlichen Ordnung darstellen, sondern ihn als Menschen, als Individuum auszeichnen. Der Zuschauer sollte sich mit den Helden des Fernsehkrimis identifizieren und so die ideologischen Botschaften des Sozialismus internalisieren.
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Um dem disparaten Zuschauerkreis dafür genügend Anknüpfungspunkte zu bieten, tauchten im „Blaulicht“ verschiedene Typen von Ermittlern auf, die stets im Team recherchierten. Dadurch sollten die Zuschauer emotional und langfristig an die Charaktere gebunden werden – an Hauptmann Wernicke (den Arbeiter), Oberleutnant Thomas (den Intellektuellen) und Leutnant, später Oberleutnant Timm (den jungen Ungestümen).11 Die beiden älteren Ermittler sind glücklich verheiratet und haben Kinder. Einzig Timm ist noch alleinstehend, aber in der selbstironischen Folge „Freizügigkeitsverkehr“ (1964) trifft auch er die „Frau fürs Leben“. Obwohl die Ehefrauen in den „Blaulichtern“ nur selten auftreten, sind sie in Privatgesprächen zwischen den Ermittlern stets präsent. Sie sind gleichberechtigt, selbstbewusst und familienorientiert und entsprechen damit in jeder Hinsicht dem von der ostdeutschen Frauen- und Familienpolitik vorgegebenen Idealbild.12 Zudem unterstützen sie die Arbeit ihrer Männer ideell wie materiell. Als Wernicke in der Folge „Das Kippentütchen“ des Nachts zu einem Einsatz gerufen wird, ist es seine Frau, die ihm Kleidung zurechtlegt, Brote und Kaffee bereitstellt.
Szenenfoto aus „Blaulicht“, Teil 1: „Tunnel an der Grenze“ (1959).
Die Personen von links nach rechts:
Volkspolizei-Meister Timm (gespielt von Horst Torka),
Oberleutnant Wernicke (Bruno Carstens),
Leutnant Thomas (Alexander Papendiek).
(Deutsches Rundfunkarchiv, Standort Potsdam-Babelsberg/Waltraut Denger.
Die Publikation erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Waltraut Dengers Rechtsnachfolger Florian Streuber.)
Doch nicht nur im Privatleben überzeugen die Ermittler durch überaus positives Auftreten; auch in ihrem Beruf treten sie dem Verbrechen überlegt und hartnäckig entgegen. Auf diese Weise gelang es dem Drehbuchautor Prodöhl, die vom Ministerium des Innern gestellten Ansprüche auf allen Ebenen zu erfüllen. War der Zuschauer von der Fähigkeit und moralischen Integrität des Ermittlers überzeugt und konnte sich sogar mit ihm identifizieren, fiel es ihm deutlich leichter, die vom Staat quasi nebenbei propagierten Normen und Werte zu akzeptieren – so zumindest die Intention.13
Zu ahnden und zu verurteilen waren unter anderem die Deliktgruppen Mord und Totschlag, Vergewaltigung bzw. sexueller Missbrauch (von Kindern), Raub, Körperverletzung, Diebstahl, Betrug, Brandstiftung, Widerstand gegen die Staatsgewalt bzw. die öffentliche Ordnung sowie Sachbeschädigung14 – die beiden letzteren meist im Zusammenhang mit Jugendkriminalität und Rowdytum –, aber auch Verkehrsdelikte. Orientiert an der Erzeugung von Spannung (suspense) und damit am Erfolg beim Publikum, wurden bestimmte Deliktarten präferiert. Doch nicht immer konnten Prodöhl und der jeweilige Regisseur auf einen Mord nach 20 Uhr setzen. Eine Häufung von Kapitalverbrechen im Fernsehen war ideologisch insofern unerwünscht, als die Überwindung alter, bürgerlicher Denkgewohnheiten (die als Hauptursache von Mord und Totschlag galten) zum ideologischen Rüstzeug der Reihe gehörte. Bankraub war sogar ein völliges Tabu, hätte er doch einerseits einen Angriff auf das Volksvermögen dargestellt, andererseits womöglich zu Spekulationen über die maroden Staatsfinanzen der DDR eingeladen.
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Der überragende Erfolg der Reihe (gemessen am inhaltlichen Zuspruch der Zuschauer sowie den Einschaltquoten) deutet darauf hin, dass die Delikte des „kleinen Mannes“ die Zuschauer ebenso interessierten wie das ständige Katz-und-Maus-Spiel um den Mörder. Gleichwohl ist nicht zu vergessen, dass die meisten DDR-Bürger westdeutsche Sender empfangen konnten und dass der westdeutsche Krimi stark auf die Lösung kniffeliger Todesfälle fixiert war – so auch das bereits erwähnte „Stahlnetz“. Diese Zustandsbeschreibung der westlichen Fernsehkrimilandschaft passte indes gut in das Argumentationsmuster der DDR, zumal Kriminalität in der DDR bis zum Bau der Mauer 1961 zu einem großen Teil auf den negativen Einfluss des Westens zurückgeführt wurde. Vor allem die offene Grenze West-Berlins wurde in der Propaganda zum Anlass für viele Straftaten stilisiert, und so spielte ein Großteil der „Blaulicht“-Folgen im Berliner Milieu. Nach dem Bau der Mauer verlor das Erklärungsmuster an Überzeugungskraft, da der „antifaschistische Schutzwall“ gerade diesen zerstörerischen Einfluss unterbinden sollte. Trotzdem war auf die westdeutschen Ordnungsstörer nicht gänzlich zu verzichten. So infiltrierte in „Blaulicht“ häufig westliches Gedankengut die Köpfe der DDR-Bürger, etwa durch „Schundromane“ wie in „Das Kippentütchen“ (1960) oder in Person von Westdeutschen, die nach dem Mauerbau in der DDR geblieben waren und dort kriminellen Machenschaften nachgingen; letzteres gilt unter anderem für die Folgen „Antiquitäten“ (1961) und „Leichenfund im Jagen 14“ (1968).
Die Bandbreite krimineller Energien der DDR-Bürger variierte von Kaninchendiebstahl („Bitte um mildernde Umstände“, 1962) über den Raub von über 100.000 Mark Lohngeldern in „Heißes Geld“ (1963) bis hin zum Kindsmord in „Prozeß Jutta H.“ (1964). Instruktiv ist ein Blick auf die Inszenierung der ostdeutschen Täter, die, wenn sie sich (schwerer) Verbrechen schuldig machten, entweder aus zerrüttetem Elternhaus stammten – ganz im Sinne der zeitgenössischen kriminologischen Forschung15 – oder der Intelligenz angehörten wie in „Nachtstreife“ (1967). Das Fehlen psychopathologischer Fälle sollte „Blaulicht“ nah an die Lebenswirklichkeit der Bevölkerung heranrücken. Ein durchschnittlicher DDR-Bürger war – so der in der Reihe vermittelte Eindruck – wenig gefährdet, kriminell zu werden, sofern er sich in einem ordentlichen (= sozialistischen) Elternhaus befand und sich vom Westen fernhielt. Gestört wurde das Sicherheitsempfinden im staatssozialistischen Fernsehkrimi vornehmlich durch „die anderen“, die Außenseiter. Der eigene Bürger, der sozialistische Staat sowie seine repressiven, militaristischen Methoden der Verbrechensbekämpfung wurden nicht in Frage gestellt.
Der beliebte Fernsehkrimi gab klare Regeln und soziale Normen für das menschliche Miteinander im Sozialismus vor. Dabei stieß er einerseits in das moralische Vakuum der Nachkriegsjahre vor; andererseits gab er dem Zuschauer einen Leitfaden für die Überwindung „bürgerlicher“ Werte an die Hand. Um den inneren Frieden der DDR zu stärken und Verbrechen aufzuklären, war neben der Arbeit der Polizei jedoch auch die Mitwirkung des einzelnen Bürgers wichtig. Die Kriminalreihen sollten daher nicht nur verbindliche Normen aufzeigen, die eine Unterscheidung von Gut und Böse, Recht und Unrecht ermöglichten, sondern sie sollten zugleich die „Erziehung der Menschen zur Wachsamkeit und [zur Unterstützung] der Deutschen Volkspolizei bei der Bekämpfung und Beseitigung von polizeilichen Schwerpunkten“ fördern, wie es in einer Stellungnahme des Ministerium des Innern zur Sendereihe „Blaulicht“ hieß.16 Und so werden in den einzelnen Folgen stets verständige Zeugen präsentiert, die versuchen, sich an alles zu erinnern, ihre Mitmenschen aufmerksam zu beobachten und im Falle eines Verbrechens sofort die Polizei zu alarmieren. Sind Zeugen nicht zur Zusammenarbeit mit der Polizei bereit, erscheinen sie als suspekt und verdächtig; meist erweisen sie sich sogar als (Mit-)Täter. Dass auch die Zuschauer dieses Erziehungspotenzial im Krimi sahen, belegt ein Zuschauerbrief an den DFF: „Krimis müßten so gestaltet werden, daß Zuschauer nicht nur Überlegungen anstellen, wer der Täter ist, sondern vielmehr auch prüfen, wodurch die Handlung des Täters begünstigt [wurde], was muß getan werden, um derartige Faktoren auszuschalten, wo existieren ähnliche Bedingungen und wie könnten sie beseitigt werden.“17
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Szenenfoto aus „Blaulicht“, Teil 1: „Tunnel an der Grenze“ (1959).
Links Staatsanwalt Siebert (gespielt von Werner Senftleben),
rechts Oberleutnant Wernicke (Bruno Carstens).
(Deutsches Rundfunkarchiv, Standort Potsdam-Babelsberg/Waltraut Denger.
Die Publikation erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Waltraut Dengers Rechtsnachfolger Florian Streuber.)
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Verlässliche Sicherheitsorgane, eine allzeit bereite „Kripo“ und wachsame Fernseh-Bürgerinnen und Bürger vermittelten in der Krimireihe „Blaulicht“ ein Gefühl von Sicherheit,18 von dem die Staatsmacht hoffte, dass es sich auch im ‚wahren Leben‘ einstellen möge. Eine tatsächliche Veränderung des subjektiven Sicherheitsempfindens durch die Rezeption von „Blaulicht“ lässt sich aufgrund fehlender Quellen indes nicht belegen. Angesichts hoher Flüchtlingszahlen bis 1961, scheiternder Wirtschaftspläne und einer Reihe weiterer, die DDR destabilisierender Einflüsse ging die Bedrohung der DDR nicht ausschließlich vom Westen aus, wie es diese und andere Sendungen propagierten. Vielmehr prägten die Widersprüchlichkeit des Systems und dessen Defizite den DDR-Alltag, was jedoch zwangsläufig beschwiegen wurde. Die reale Bedrohungslage öffentlich selbstkritisch anzusprechen – ob im Fernsehen oder einem anderen Medium – war unmöglich; schließlich sollte jedes Infragestellen der Regierungsorgane und damit jede Delegitimierung der DDR unterbunden werden.
Die Krimireihe „Blaulicht“ gibt also wenig Aufschluss über die tatsächliche Sicherheitslage in der DDR der 1960er-Jahre; sie gibt jedoch umso mehr Aufschluss über das Bedürfnis der Zuschauer nach Sicherheit vor bestimmten Formen von Kriminalität und besonders darüber, wie diese Kriminalität nach Ansicht von Polizeibehörden, Innenministerium und der Leitung des DFF zu bekämpfen sei: durch den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft, in der es Kriminalität nur noch so lange geben sollte, wie der Einfluss des Westens Bestand hatte – an der Mauer und in den Köpfen.19
1 Zit. nach Hochschule der Deutschen Volkspolizei (Hg.), Marx, Engels, Lenin über Gesetzlichkeit, öffentliche Ordnung und Sicherheit, Ursachen der Kriminalität und ihre Überwindung sowie Strafrechtspflege, Berlin 1978, S. 150.
2 Ebd., S. 135.
3 Bundesarchiv (im Folgenden: BA), DO 1/27689: Grundsatzlektion über die Arbeitsweise der Kriminalpolizei (Mai 1960), S. 107.
4 Jedes Medium der DDR unterlag bekanntlich einer strengen Zensur. Dennoch sei daran erinnert, dass die DDR mit Blick auf die bundesrepublikanische Sendekonkurrenz nicht auf populäre Unterhaltungsformate verzichten konnte und dass sich die politisch-ideologische Botschaft nicht nur in aggressiver, offener Form darbieten ließ.
5 Nahezu alle 29 Folgen sind im Deutschen Rundfundarchiv (DRA, Standort Potsdam-Babelsberg) überliefert. Die Regie führte in den Folgen 1 bis 14 Hans-Joachim Hildebrandt; in den Folgen 15 bis 25 Otto Holub; in den Folgen 26 bis 29 Manfred Mosblech, ein früherer Regieassistent Holubs. Das Drehbuch zu allen Folgen schrieb Günther Prodöhl; die Dramaturgie aller Folgen übernahm Evelyn Heyden-Kirst. Ich möchte an dieser Stelle Dr. Jörg-Uwe Fischer (DRA) für seine große Unterstützung bei Recherche und Sichtung der DDR-Krimis danken.
6 Sendezeitraum vom 12. Februar 1958 bis zum 14. März 1968.
7 Zensur meint im Falle des „Blaulichts“ die Einflussnahme des Ministeriums des Innern, das die Produktion in allen Schritten überwachte und dafür eigens einen Offizier abstellte.
8 DRA, H 074-00-02/B0004: Deutscher Fernsehfunk – Außenverbindung: Auswertung zum Fragekomplex Nr. 13, 29.6.1960. Umfragen und Veröffentlichungen zu (Medien-)Produkten der DDR sind per se kritisch zu betrachten, wollte die DDR doch ein möglichst positives Außenbild präsentieren. Die vorliegende Umfrage wurde für den internen Gebrauch erstellt, musste also die genannte Anforderung zunächst nicht zwingend erfüllen. Im Hinblick auf die Verlässlichkeit der Umfragewerte ist anzunehmen, dass der DFF gerade in den Anfangsjahren von einem starken Aufbauwillen geprägt war und deshalb wenig Interesse daran hatte, gefälschte Umfragedaten zu verwenden und dementsprechend schlechte Einschaltquoten zu riskieren. Dennoch scheinen einige Aussagen fast zu klar eine bestimmte Meinung zu bedienen, entweder für oder gegen die Sendereihe.
9 BA, DO 1/10534: Deutscher Fernsehfunk, Abt. Zuschauerforschung, Berlin 1971, S. 18.
10 Archiv Müncheberg, Günther Prodöhl – Kriminalreihe, o.D. [1958/59], o.S.
11 Die positive Resonanz belegt die bereits zitierte, 1960 durchgeführte Umfrage: Auswertung zum Fragekomplex Nr. 13 (Anm. 8): „Gottfried Reckstroh, Lehrer: … Ja, bleibende Standardfiguren der Kriminalpolizei regen an, die nächste Sendung auch zu sehen.“ / „Gerhard Baumgart, Sachbearbeiter: … Ich bitte sehr, die Standardfiguren zu belassen, wir haben uns doch schon so sehr an unseren Wernicke, Timm usw. gewöhnt.“ Die Bezeichnung der Dienstgrade ändert sich während der neunjährigen Produktionszeit. Beginnend mit Volkspolizei-Meister (Timm), Leutnant (Thomas) und Oberleutnant (Wernicke) werden die drei in Folge 8 („Die Butterhexe“) zu den hier angegebenen Dienstgraden befördert.
12 Vgl. Ute Schneider, Hausväteridylle oder sozialistische Utopie? Die Familie im Recht der DDR, Köln 2004; Ina Merkel, Leitbilder und Lebensweisen von Frauen in der DDR, in: Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka/Hartmut Zwahr (Hg.), Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 359-381.
13 Normen werden hier nicht nur als soziale Normen verstanden, die dabei helfen, zwischen Recht und Unrecht, Gut und Böse zu unterscheiden, sondern auch als Rechtsnormen, die den juristischen Rahmen dafür festlegen, welches kriminelle Verhalten von der Polizei untersucht und von der Justiz geahndet wird. An dieser Stelle muss ergänzt werden, dass die juristische Verurteilung der gezeigten Verbrechen im „Blaulicht“ keine Rolle spielte; es ging einzig um die Ergreifung des Täters oder das Aufzeigen seiner Motive.
14 Deliktkategorien übernommen aus dem Strafgesetzbuch der DDR von 1968. Zumindest terminologisch handelt es sich hierbei um systemunabhängige Deliktarten, die sich ebenso in der Polizeilichen Kriminalstatistik der Bundesrepublik wiederfinden.
15 Vgl. u.a. Erich Buchholz/Richard Hartmann, Zur Theorie von den Ursachen und Bedingungen der Kriminalität in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Schriftenreihe der Deutschen Volkspolizei 4 (April 1965), S. 321-334.
16 BA, DO 1/27689: Einschätzung der Sendereihe „Blaulicht“ des Deutschen Fernsehfunks (Entwurf), o.D. [ca. Mai 1960], S. 44.
17 Der Fernsehzuschauer, Dezember 1964, S. 78.
18 Vgl. Reinhold Viehoff, Der Krimi im Fernsehen. Überlegungen zur Genre- und Programmgeschichte, in: Jochen Vogt (Hg.), MedienMorde. Krimis intermedial, München 2004, S. 89-110, hier S. 93ff.
19 Erneut den Blick auf westdeutsche Produktionen gerichtet, feierte am 27. Juni 1971 „Polizeiruf 110“ Premiere. Das Pendant zum „Tatort“ verstand sich als Weiterentwicklung der „Blaulicht“-Reihe und blieb dem Prinzip einer realistischen Fallschilderung treu, die auch ohne Mord auskam. Das Prinzip fortfolgender Ermittlerkollektive wurde ebenfalls beibehalten. Durch das Installieren mehrerer Kommissare in verschiedenen Städten konnte dem Zuschauer eine größere Bandbreite geliefert und der Unterhaltungswert gesteigert werden. Ähnlich dem „Tatort“ etablierte sich dieses Format im Programm und Alltag des Fernsehzuschauers langfristig und findet bis heute seine Fortsetzung – auch im wiedervereinigten Deutschland.