Von der Exportförderung zur Straftat

Die Kriminalisierung der Auslandskorruption in der Bundesrepublik Deutschland seit 1990

  1. Tolerierte Bestechung im Rechtsstaat und
    der Beginn der »Compliance Revolution«
  2. Die Unternehmerschaft:
    Von der Abwehrhaltung zur Antikorruptionskoalition
  3. Die parlamentarische Debatte:
    Vom Tabu zum Streitthema
  4. Internationaler Druck als Katalysator
    der innenpolitischen Debatte
  5. Die Fortsetzung der Debatte
    im Zeichen der großen Skandale der 2000er-Jahre
  6. Resümee:
    Rückzugsgefechte beim zögerlichen Abschied vom Korruptionskonsens

Anmerkungen

[Der Aufsatz ist die Langfassung eines Vortrages auf dem 52. Deutschen Historikertag in Münster am 26.9.2018.]

Die Ansicht, dass Bestechung eine »nützliche Aufwendung« zum Anbahnen von Geschäften sei, hat nicht nur in Deutschland eine lange Tradition.1 In der Bundesrepublik und in der gesamten westlichen Welt außerhalb der USA war Auslandsbestechung bis Ende der 1980er-Jahre ein gängiges, von Behörden und Regierungen zumeist stillschweigend gebilligtes Mittel der Exportförderung. Das änderte sich in den 1990er-Jahren, ausgehend von den USA sowie vorangetrieben von einer zunehmend kritischen Zivilgesellschaft und der internationalen Staatengemeinschaft. Der folgende Beitrag schildert diesen Wandel und seine Auswirkungen auf die Praktiken deutscher Unternehmer ebenso wie auf die politischen Korruptionskompromisse in der Bundesrepublik bis in die Gegenwart.

Der Text beginnt mit einem historischen Rückblick auf den Umgang mit Bestechung bis hin zur sozialliberalen Koalition (1969–1982), bevor er die Gründe und den Verlauf der »Compliance Revolution« (Mark Pieth) beschreibt. In diesem Kontext kam es in der Bundesrepublik zu einer Debatte, in der es nicht darum ging, ob Auslandskorruption moralisch zu verurteilen sei, sondern darum, ob sie unter Strafe gestellt und ihre steuerliche Abzugsfähigkeit aufgehoben werden sollte. Ferner wurde darüber gestritten, wann Gesetzesänderungen angebracht seien und mit welchen Mitteln Korruption bekämpft werden dürfe. Der vorliegende Aufsatz2 fragt danach, welche Argumente in diesen Debatten zum Einsatz kamen, um die bis dahin geltende Rechtslage de facto zu verteidigen oder aber zu verändern. Es fanden auf unterschiedlichen Ebenen transnationale Austauschprozesse statt, die aber bislang nicht erforscht sind und deren Analyse den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde.3 Der Beitrag konzentriert sich stattdessen auf die Positionen der Unternehmerschaft und der im Bundestag seit den 1990er-Jahren vertretenen Parteien. Die Einflüsse der Antikorruptionslobby und der internationalen Staatengemeinschaft werden dabei deutlich, ohne deren Entwicklung hier im Einzelnen nachzeichnen zu können.4

Die nähere Untersuchung des bundesdeutschen Diskurses mit so manchen kleinteiligen Schritten des parlamentarischen Betriebes liefert wichtige Einsichten in die Wahrnehmung, Praxis und Rechtfertigung der Auslandskorruption. Dies erklärt nicht primär die »Compliance Revolution« der 1990er-Jahre, sondern vielmehr, warum Auslandskorruption in einem Rechtsstaat über viele Jahrzehnte die Unterstützung von Politik und Gerichten fand.

1. Tolerierte Bestechung im Rechtsstaat und
der Beginn der »Compliance Revolution«

Der Begriff Korruption wird einerseits als Synonym für Bestechung verwandt, unter der man das Versprechen oder Gewähren unberechtigter Vorteile (aktive Bestechung) oder das Einfordern bzw. die Entgegennahme solcher Vorteile (passive Bestechung) versteht. Charakteristisch ist das Nebeneinander von Regelverletzung und do ut des (lat. »ich gebe, damit Du gibst«), die Beeinflussung des Handelns eines anderen zur Erlangung eines unberechtigten Vorteils.5 Andererseits gibt es einen weiteren Begriff von Korruption im Sinne von Verderbtheit, Machtmissbrauch und Betrug. Die 1993 gegründete Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI) sprach zunächst von Amtsmissbrauch, verwendet aber seit dem Jahr 2000 eine breitere Definition, die lautet: »Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil«.6

Moderne Staatlichkeit und funktionierende Märkte erfordern die Sanktionierung von Regelverstößen. In Westeuropa wurde im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus das Ideal eines unabhängigen Anstaltsstaates mit unbestechlichen Beamten postuliert. In einem langen Prozess bildeten sich nationale Rechtssysteme heraus, die Korruption verhindern sollten.7 Allerdings blieben Gesetzesverstöße auch in gefestigten Rechtsstaaten ein großes Problem. Dies zeigt das Beispiel des auf dem Fundament des preußischen Beamtenstaates gründenden Deutschen Kaiserreiches von 1871. Beamtenbestechung definierte der neue Staat als Straftat. Das Reichsstrafgesetzbuch drohte empfindliche Geldbußen und Zuchthaus bis zu fünf Jahren an. Die Bestechung von nichtbeamteten Amtsträgern und Geschäftsleuten behandelte das Gesetz jedoch nicht. Außerdem galt das Verbot der Beamtenbestechung nur für Deutsche, sodass die Bestechung ausländischer Amtspersonen für den deutschen Staat keine Straftat darstellte. Mehr als 125 Jahre lang blieb dies so.

Bestechung im geschäftlichen Verkehr war im Inland wie im Ausland weithin akzeptiert. Das änderte sich auch nach 1975 nicht, als das Verbot der Beamtenbestechung auf den gesamten öffentlichen Dienst im Inland ausgedehnt wurde. Die Aufwendungen für die Bestechung von Angestellten in der Privatwirtschaft blieben weiter – wie bei jeglicher Art der Bestechung im Ausland – steuerlich absetzbar. Somit wurden Verstöße gegen das Recht anderer Länder nicht nur akzeptiert, sondern auch gefördert. Die Bundesrepublik stand damit keineswegs allein; es handelte sich um eine gängige Praxis aller großen Industrienationen. Wurden in diesem Kontext strafbare Bestechungen aktenkundig, durften die Finanzbehörden sie aufgrund des Steuergeheimnisses nicht der Staatsanwaltschaft melden.8 Unternehmen konnten gegenüber dem Finanzamt sogar auf Belege verzichten, wenn – so das Bundesfinanzministerium in den 1970er-Jahren – »feststeht, daß die Schmiergelder tatsächlich gezahlt und betrieblich veranlaßt sind«.9 Die Finanzbehörden agierten gewissermaßen als Komplizen. Die Auslandskorruption wurde unter diesen Rahmenbedingungen zu einem integralen Bestandteil des »Exportwunders« der jungen Bundesrepublik. Zu Beginn der 1970er-Jahre stellte der Leiter der westdeutschen Auslandshandelskammern öffentlich fest: »Ob wir es wollen oder nicht, ohne Korruption sind in weiten Teilen dieser Welt Geschäfte nicht abzuschließen.«10

In den sozialliberalen Koalitionen unter Willy Brandt und Helmut Schmidt (1969−1982) war diese Praxis umstritten. Hans Matthöfer (SPD) sprach sich 1971 gegen die Abzugsfähigkeit aus. Als Entwicklungsexperte und Mitglied des IG-Metall-Vorstandes wusste er um die schädliche Wirkung der Korruption. Er schlug der UNO einen Anti-Korruptions-Kodex vor. Die Gegenposition vertrat Rainer Offergeld (SPD), 1975 bis 1978 Staatssekretär im Finanzministerium: »Entweder man macht da mit, oder man sitzt auf dem Trockenen.«11 In Matthöfers Amtszeit als Bundesfinanzminister (1978−1982) blieb die Abzugsfähigkeit erhalten. 1985 wurde der Auslandskorruption erneut höchstrichterliche Billigung zuteil. In einem BGH-Urteil hieß es: »Von einem deutschen Unternehmer kann […] nicht erwartet werden, daß er in den Ländern, in denen staatliche Aufträge nur durch Bestechung der zuständigen Staatsorgane zu erlangen sind, auf dieses Mittel völlig verzichtet […]. Er wird daher seinen Angestellten und Handelsvertretern, die bei der Bewerbung um solche Aufträge in ortsüblicher Weise mit Schmiergeldern arbeiten, nicht den Vorwurf einer Verletzung ihrer Dienst- oder Vertragspflichten machen können; er wird ihnen unter Umständen sogar die von ihnen verauslagten Schmiergelder […] ersetzen müssen.«12 Diese Art der Exportförderung schädigte die Bürger der betreffenden Länder durch überteuerte Rechnungen. Besonders in Entwicklungsländern zementierte Korruption die Armut und illegitime Machtstrukturen – so zumindest die Sicht der Kritiker.

Der Korruptionskonsens der Bonner Republik ließ sich nach der deutschen Einheit nicht lange halten, denn es gab auf internationaler Ebene einen grundlegenden Wandel in der Bewertung von Korruption. Dieser Prozess hatte mit dem größten politischen Skandal der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts begonnen. Im Zuge der Aufarbeitung der Watergate-Affäre war zutage getreten, dass praktisch alle US-Konzerne geheime Offshore-Konten besaßen, die sie für verdeckte Wahlkampfspenden und zur Bestechung im Ausland nutzten, was im Kalten Krieg den Feinden der USA Angriffsflächen bot. Daher wurde 1977 überwiegend aus außenpolitischen Gründen der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) verabschiedet, der die Bestechung ausländischer Offizieller und Politiker zur Erzielung unbilliger Vorteile zu einer Straftat machte, die mit hohen Geldstrafen und Haft bis zu fünf Jahren sanktioniert werden sollte.13 Da die USA zunächst als einziges Land weltweit die Auslandskorruption kriminalisierten, drängten die amerikanischen Unternehmen auf eine Internationalisierung oder aber Abschaffung des FCPA. Einstweilen wandten die amerikanischen Behörden den FCPA ohnehin nur selten an. Ein Umschwung kündigte sich in den 1990er-Jahren an, als verschiedene Konstellationen zusammentrafen.

Der Schweizer Kriminologe und Korruptionsforscher Mark Pieth spricht von einer »Compliance Revolution«,14 die innerhalb weniger Jahre zu einer markanten Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechtes sowie der Verfolgungspraxis führte. Folgende Faktoren verstärkten einander: Zu Beginn des Jahrzehntes entstanden Nichtregierungsorganisationen wie Business Crime Control (gegründet 1991 in Deutschland), Transparency International und Global Witness (beide 1993 gegründet, in Deutschland bzw. in Großbritannien), die öffentlichkeitswirksam auf eine scharfe Bekämpfung der Korruption drängten. In der Entwicklungspolitik vollzog sich nach dem Ende des Kalten Krieges ein Paradigmenwechsel, durch den funktionierende Institutionen und somit die Bekämpfung der Korruption als notwendige Voraussetzungen von Entwicklung erkannt wurden. Die Weltbank setzte unter ihrem 1995 berufenen Präsidenten James D. Wolfensohn die Korruptionsbekämpfung an die Spitze der entwicklungspolitischen Agenda. Zugleich rückte das Thema in den Fokus der Staatengemeinschaft. Wesentlich gestützt wurde dies von US-Präsident Bill Clinton, der die oft beklagte Benachteiligung amerikanischer Unternehmen beseitigen wollte. 1989 baten die USA die OECD, ein Abkommen gegen Auslandsbestechung zu erarbeiten. 1994 lagen erste Empfehlungen vor, die eine Kriminalisierung der Auslandskorruption und eine für alle OECD-Mitglieder verbindliche Konvention verlangten. Tatsächlich kam es – nach Überwindung vieler Widerstände – Ende 1997 zur Verabschiedung der Anti-Bribery Convention der OECD, die 1999 in Kraft trat und alle Signatarstaaten verpflichtete, die aktive Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe zu stellen. In den unmittelbar folgenden Jahren schufen die Staaten, auch die Bundesrepublik, entsprechendes nationales Recht.

Buchcover von 2003.
Der Jurist und langjährige Weltbank-Manager Peter Eigen hatte Transparency International (TI) 1993 gegründet. Sein vielbeachtetes Buch »Das Netz der Korruption« trug dazu bei, das Thema Auslandskorruption stärker in die Öffentlichkeit zu tragen. Dass der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker das Vorwort zu dem Buch beisteuerte, belegt die in wenigen Jahren gewachsene Reputation der Nichtregierungsorganisation TI – und verstärkte sie weiter.

Die 1990er-Jahre waren eine Art »Sattelzeit« der systematischen Strafverfolgung von Korruption, die in den 2000er-Jahren ungemein an Schärfe gewann. Der Gesetzgeber reagierte damit auf die fortschreitende Globalisierung seit den späten 1980er-Jahren, durch die sich die Berührungspunkte westlicher Unternehmen mit nicht-westlichen Auftraggebern und damit auch die Korruptionschancen vervielfacht hatten. Die tiefgreifende Veränderung der Rechtslage und Rechtspraxis15 ging einher mit kontroversen Debatten, bei denen der Bedeutungsgewinn des investigativen Journalismus, der Einfluss der neuen zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die Vereinfachungen der internationalen Kommunikation, nicht zuletzt durch das Internet, die Rahmenbedingungen von Grund auf veränderten. Kriminelles Handeln westlicher Konzerne auch jenseits von Korruption kam nun immer häufiger ans Licht. Die Öffentlichkeit wurde zunehmend sensibler, was auch an inländischen Korruptionsfällen lag. In Deutschland schreckte 1990 der Transnuklear-Prozess die Menschen auf, als bekannt wurde, dass die für Transport und Entsorgung von Atommüll zuständige Nukem-Tochter Transnuklear ihre Aufträge durch die Bestechung von Mitarbeitern diverser Atomkraftwerke erhalten hatte und den Müll unsachgemäß »entsorgt« hatte.16 Der Münchner Klärwerksskandal beschäftigte 1991 bis 2001 die Gerichte und die Medien.17 In ihm spielte mit Siemens ein global operierendes Unternehmen eine zentrale Rolle, das damals – noch gänzlich unbemerkt – ein weltweites Korruptionsnetzwerk unterhielt. Diverse Elektrounternehmen hatten Mitarbeiter bayerischer Kommunen bestochen und überteuerte Rechnungen gestellt. Im Jahr 2000 flog zudem der Kölner Skandal um den Bau einer überdimensionierten Müllverbrennungsanlage im Wert von 500 Mio. Euro auf. Schmiergelder und verdeckte Parteispenden hatten die Auftragsvergabe beeinflusst.18 Diese Vorfälle lösten umso mehr Empörung aus, da die Forderung nach »Transparenz« an Bedeutung gewonnen hatte. Sie galt zunehmend als elementares Bürgerrecht, als Ausweis gelebter Demokratie. Korruption fand dagegen im Dunkeln statt und wurde somit als Verletzung guter Regierungs- und Unternehmensführung (»good governance«) eingeordnet.19

In den 1990er-Jahren vollzog sich ein Wertewandel, und zwar in der gesamten westlichen Welt. Dabei entstand ein transnationaler Antikorruptionsdiskurs. Korruption und ihre sozial schädlichen Folgen galten vermehrt als drängendes Problem der Weltgesellschaft und der betroffenen Nationalstaaten. Beschrieben die Medien Korruption lange als pathologisches Verhalten einzelner, besonders »gieriger« Täter, konstatierten sie in den 1990er-Jahren zunehmend den systemischen Charakter des Deliktes als ein generelles Übel der Marktwirtschaft.20 Anstelle von »bad apples« prangerte man nun »rotten roots« an, sodass ein hoher politischer Handlungsbedarf entstand.21 Zugleich zeichnete sich unter dem Druck der internationalen Staatengemeinschaft und der neuen zivilgesellschaftlichen Akteure eine Verschärfung der Rechtslage ab.

2. Die Unternehmerschaft:
Von der Abwehrhaltung zur Antikorruptionskoalition

Für diejenigen deutschen Unternehmen, die regelmäßig mithilfe von Bestechungen Aufträge im Ausland akquirierten, war das offene Reden über die Korruption ärgerlich und beunruhigend. Es handelte sich für sie um bewährte Praktiken, die als unverzichtbar galten, um international konkurrenzfähig zu sein. Eine Kriminalisierung gefährdete aus ihrer Perspektive den geschäftlichen Erfolg und denjenigen der Exportnation Deutschland. Diese weitverbreitete Ansicht konnte man aber seit den frühen 1990er-Jahren praktisch nicht mehr öffentlich vertreten. Intern wurden die Überzeugungen umso vehementer artikuliert. Als bei Siemens um 1990 ein Rundschreiben forderte, dass sich alle Mitarbeiter gesetzeskonform verhalten müssten und bei Anklagen wegen Bestechung vom Unternehmen nicht unterstützt würden, kam es – so ein damaliger Vorstand – zu einem »Megaaufstand« der Vertriebsorganisation, »wie ich ihn noch nie erlebt habe«. Das Argument lautete, dass man 20 Prozent Umsatz verlieren würde. Davor habe man im Vorstand »Respekt« gehabt.22 In der Folge nahm die Auslandskorruption sogar zu. Siemens versagte etwa im Klärwerksfall den angeklagten Managern keineswegs den Rechtsbeistand und rechnete die Haft sogar auf die Dienstzeit an.

Der Bundestags-Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre befasste sich im Jahr 2000 auch mit Korruption im Allgemeinen. Bei seiner Anhörung wies der ehemalige Chefjustiziar von Thyssen auf die Alltäglichkeit der Praktiken hin: »Wir unterhalten uns ja nicht zwischen Jungfrauen. Ich denke einmal, das ist ein Thema, das jedem verständigen Deutschen geläufig sein müsste.«23 Die öffentliche Trivialisierung von Korruption und ihre Stilisierung zur Notwendigkeit waren in dieser Zeit recht selten, widersprachen sie doch den veränderten Sagbarkeitsregeln. Als der Untersuchungsausschuss dem Verdacht nachging, Siemens habe in den 1980er-Jahren der CDU 1 Mio. DM oder mehr zukommen lassen, und diverse Spitzenmanager vorlud, sagte der frühere Finanzvorstand aus, dass die Siemens AG seit 1982 keine politischen Spenden mehr entrichtet habe. Allerdings hätten Tochtergesellschaften »eigenständig« und ohne seine Kenntnis »über Spenden zu entscheiden« gehabt. Es gebe auch »im Ausland Konten für sogenannte nützliche Aufwendungen […], die ihm nicht gemeldet werden mussten. […] Es sei nicht kontrolliert worden, ob die nützlichen Aufwendungen letztlich zu Parteispenden genutzt worden seien.«24 Dabei erstaunt nur auf den ersten Blick, mit welcher Nonchalance Bestechung im Ausland zugegeben wurde, denn dieses Eingeständnis diente dazu, den Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung abzuwehren. Zwar war die Bestechung in der Bundesrepublik vormals legal gewesen, zum Zeitpunkt der Aussage aber eine Straftat, die rückwirkend nicht geahndet werden konnte.

Ein solch unbekümmertes öffentliches Eingeständnis korrupter Praktiken findet sich nur selten. Bei Siemens bemühte man im Jahr 2000 zunächst noch die alte Schablone vom »Fehlverhalten Einzelner« bzw. einer kleinen »Bande«25 – nach belegter Korruption in Singapur und Verdachtsfällen in Spanien und Südkorea, ja selbst nachdem die Staatsanwaltschaft 2006 mit Hundertschaften der Polizei die Firmenzentrale durchsucht hatte und dem Verdacht einer gigantischen Auslandskorruption nachging. Während die Unternehmensführung das Fehlverhalten im eigenen Hause taktisch klug verurteilte und die Unterstützung der Ermittlungen zusagte, drangen aus dem Arbeitnehmerlager Stimmen an die Öffentlichkeit, die der Auffassung vieler im Konzern entsprachen. Die Zeitschrift »Siemens Dialog« der IG Metall kritisierte die »Scheinheiligkeit« der Presse, die »allgemeine Empörung über einen ganz normalen Vorgang« verbreite. Jeder wisse, dass »in den Emerging Markets […] Korruption nun mal zum Geschäft gehört«. Dasselbe gelte für Infrastrukturinvestitionen in Europa. Man tue »erschreckt über […] Verfehlungen einzelner«, denke »aber nicht darüber nach, dass diese systematisch bedingt sind durch die Natur von Geschäft und Kunden«. »Globalisierung ist Globalisierung und kennt keine Moral. Da bleiben die Hände nun mal nicht sauber.«26 In der akuten Krisensituation, die Ängste vor Arbeitsplatzverlusten provozierte, war den Autoren dieser Zeilen im Jahr 2006 offenbar nicht bewusst, dass es schon längst nicht mehr allein um Moral, sondern um strafrechtlich relevante Delikte ging, nämlich um die seit 1998 bzw. 2002 illegale Bestechung ausländischer Amtsträger bzw. privater Angestellter.27

Das Bewusstsein für die neue Rechtslage hatte sich noch nicht überall verbreitet. Verständnis für Auslandsbestechung kam auch von einigen prominenten Kommentatoren, etwa von dem Historiker Arnulf Baring und dem Schriftsteller Martin Walser.28 Letzterer hielt die Strafverfolgung von Managern für eine medien- und neidgetriebene, zudem sehr deutsche Manie, während in Frankreich »kein Hahn danach kräht, ob Unternehmen bestechen«. Zu Siemens sagte Walser, dass »bis zu einer gewissen Ebene alle wissen, wir müssen bestechen, aber wir müssen für den Fall des Falles die Spitze davon freihalten. Dann ist das eine sehr solide, vernünftige Konstruktion.«29 Diese öffentlichen Äußerungen blieben indes Ausnahmen, und kein einziger Manager griff sie auf.30

Eine wesentlich subtilere Kommunikationsstrategie verfolgte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der 1995 »Empfehlungen für die gewerbliche Wirtschaft zur Bekämpfung der Korruption in Deutschland« publizierte. Darin wurde Korruption in allen Formen verurteilt, und Maßnahmen zur Prävention wurden vorgestellt. Korruption verzerre »zu Lasten aller Unternehmen […] den Wettbewerb« und schädige »die Reputation der deutschen Industrie«. Vielsagend hieß es aber, dass im Ausland »Ausnahmen« zulässig sein müssten, »vor allem wenn ein Markt dies von allen Wettbewerbern verlangt«.31 Der BDI sprach sich also für eine funktionale, wettbewerbsorientierte Ablehnung der Inlandskorruption aus, ließ aber ein Hintertürchen für Auslandskorruption offen, bei der man ja nicht Täter, sondern Opfer oder zumindest Mitläufer sei. Damit vermied man den Eindruck der Fundamentalopposition und präsentierte sich als Teil des Antikorruptionslagers.

Im selben Jahr veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Tagung zum Thema »Korruption in Deutschland«, auf der sich der BDI-Geschäftsführer lebhaft gegen Korruption aussprach, aber »ein isoliertes Manipulieren am Steuersystem«, also die Streichung der Absetzbarkeit von Bestechungsgeldern, mit drei Argumenten ablehnte. Erstens würden Schmiergelder oft verdeckt als Beraterhonorare oder Vermittlungsprovisionen gezahlt, sodass ein Abzugsverbot ins Leere liefe. Zweitens wäre ein Verbot der Abzugsfähigkeit nicht vereinbar mit der »Wertneutralität des Steuerrechts«. Für die Finanzverwaltung sei es gleichgültig, wie Einkommen erzielt würden. Dem »Nettoprinzip« zufolge müssten alle Betriebsausgaben abgezogen werden. Da Gewinne jeder Art, auch der »Dirnenlohn« oder die Einkünfte von Drogendealern, steuerpflichtig seien, müssten auch die zu ihrer Erzielung aufgewendeten Ausgaben abzugsfähig bleiben. Drittens wären die Finanzämter bei im Ausland gezahlten Bestechungsgeldern befugt, den Empfänger an die entsprechende ausländische Steuerbehörde weiterzugeben. Daher würden deutsche Unternehmen meist auf das Absetzen von der Steuer verzichten.32 Letzteres war ein Scheinargument, da die Finanzämter häufig keinen Beleg verlangten und somit niemanden melden konnten. Geregelt wurde diese Praxis durch ein Schreiben des Bundesfinanzministers von 1994: »Bei Zahlungen an ausländische Empfänger soll das Finanzamt auf den Empfängernachweis verzichten, wenn feststeht, daß die Zahlung im Rahmen eines üblichen Handelsgeschäfts erfolgte […].«33

Ähnlich argumentierte der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT). In einer Pressemeldung hieß es 1996: Korruptionshandlungen im Ausland seien verwerflich, »es sei aber nicht Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, für die Sauberkeit des Beamtenapparates fremder Staaten zu sorgen«. Eine »Verschärfung der Strafvorschriften« habe »nur eine beschränkte Wirkung. Das Strafrecht greife erst, wenn die Tat geschehen und der Täter überführt worden sei.« Prävention sei daher wichtiger. Die »Nichtanerkennung der steuerlichen Absetzbarkeit im Ausland gezahlter Schmiergelder« sei »weder steuersystematisch noch vom Ergebnis her zu rechtfertigen«.34

Nachdem sich 1997 die Rechtslage verändert hatte bzw. die neuen Gesetze absehbar waren, schwenkte ein Teil der Wirtschaft rhetorisch um und stellte die Kriminalisierung der Auslandskorruption gleichsam als ihr ureigenes Projekt dar. Im Mai 1997, also sieben Monate vor Unterzeichnung der OECD-Konvention, sprachen sich Vertreter von 16 europäischen Unternehmen in einem offenen Brief an die Wirtschaftsminister der OECD-Staaten explizit für die Kriminalisierung der Auslandskorruption und das Ende ihrer steuerlichen Absetzbarkeit aus: »[…] there is widespread awareness that corruption undermines the foundations of our democratic societies and our market economies. […] While domestic bribery is already prohibited in all EU member states, most states do not criminalise bribery of foreign officials; this despite a 1994 Recommendation by the OECD […]. Clearly, EU countries should act in a prompt and coordinated manner to enforce the OECD Recommendation. […] Another key to fight bribery is to eliminate tax deductibility for foreign bribes. As businessmen, we call on the EU states to eliminate the scourge of bribery from international as well as domestic transactions.«35

Zu den acht deutschen Unterzeichnern gehörten unter anderem Vertreter von Siemens, Daimler-Benz, Bosch, ABB und der Metallgesellschaft. Damit stellten sich einige Unternehmen mit gravierenden Bestechungsfällen an die vorderste Front der Antikorruptionsbewegung, während die Mehrzahl der deutschen Firmen noch schwieg. Die Vermutung liegt nahe, dass man von der Existenz des Themas im eigenen Hause wusste – wenngleich nicht in allen Details – und das Problem durch international einheitliche Normen langfristig aus der Welt zu schaffen hoffte. Zugleich gab es eine taktische Komponente. Einer der Unterzeichner sagte im Rückblick, dass im Mai 1997 der »Zug« in Richtung Kriminalisierung »abgefahren« gewesen sei. »Nachdem sich abzeichnete, wohin die Reise geht«, habe er den offenen Brief unterschreiben können.36 1998 trat Siemens als eines der ersten deutschen Großunternehmen Transparency International (TI) als korporatives Mitglied bei, wurde jedoch 2006 als Reaktion auf die Enthüllungen um den Korruptionsskandal ausgeschlossen.

Die Unterstützung für TI und das Eintreten für die Kriminalisierung der Auslandskorruption blieben in der deutschen Unternehmenslandschaft der 1990er-Jahre seltene Ausnahmen. Vorherrschend waren eine zumeist stille Ablehnung und Verzögerungstaktiken, häufiger noch Ignoranz und Gleichgültigkeit. Eine von TI 1999 durchgeführte Umfrage unter internationalen Managern ergab, dass nur 6 Prozent mit der OECD-Konvention vertraut waren und 13 Prozent sie teilweise kannten, während 38 Prozent sie gar nicht kannten und 43 Prozent lediglich davon gehört hatten.37 In vielen Großunternehmen führten die Gesetzesänderungen nicht zu einem Wandel der Korruptionspraxis und der Mentalität der Mitarbeiter. Siemens blieb im Wesentlichen zumindest bis 2004, vielfach bis 2006, früheren Zuständen verhaftet. Die vielen Rundschreiben, die über das neue Recht informierten und Auslandskorruption untersagten, wurden oft Gegenstand von Spötteleien nach dem Motto »gelesen, gelacht, gelocht«.38 Bei Compliance-Schulungen grinsten sich Mitarbeiter zum Teil wie Schulbuben an. Ein Manager teilte dem Chief Compliance Officer sein Unbehagen über die vielen Rundschreiben explizit mit: »Bitte keine Papiere mehr«.39 Die sechs hauptamtlichen Mitarbeiter der Compliance-Abteilung, die 461.000 Mitarbeiter (2005) kontrollieren sollten, waren im Unternehmen nicht sehr beliebt und galten vielen als realitätsfremde Außenseiter. Dass die neuen Gesetze dann unter anderem bei Siemens (ab 2006), Daimler (2008), MAN (2009), Ferrostaal (2010) und der Deutschen Telekom (2011) konsequent und mit zum Teil empfindlichen Strafen angewendet wurden, kam für manchen Manager überraschend, denn man hatte die gesellschaftliche und juristische Debatte letztlich nicht mit dem gebührenden Ernst wahrgenommen.

Interessant ist auch das taktisch motivierte Umschwenken des BDI. Nachdem die Kriminalisierung gekommen und die steuerliche Abzugsfähigkeit gegangen war, verlor die bisherige Argumentation ihren Sinn. Bei der Neuauflage der BDI-Empfehlungen von 2002 wurde auf die Websites von TI und OECD verwiesen; die zuvor abgelehnten, nun ergangenen Gesetzesänderungen wurden als sinnvoll und im Sinne des BDI dargestellt. »Durch Vorbild, Erziehung und Überzeugungsarbeit verbunden mit sachgerechter Kontrolle ist ein Klima zu schaffen, das der Gleichgültigkeit gegenüber ethischen Werten vorbeugt. […] Unternehmen können hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten.«40 Das Hauptaugenmerk lag auf Prävention und Ethik, während die in der politischen Diskussion geforderte weitere Verschärfung der Gesetze nicht angesprochen wurde. Der 2002 erreichte strafrechtliche Status quo schien zu genügen. Nun sei es an den Unternehmen selbst, die neuen Gesetze, die man zuvor abgelehnt oder ignoriert hatte, engagiert umzusetzen.

3. Die parlamentarische Debatte:
Vom Tabu zum Streitthema

SPIEGEL-Cover 19/1976. Der Lockheed-Skandal hielt in den 1970er-Jahren die USA in Atem. In der Bundesrepublik gab er Anlass zu Beschuldigungen gegen den früheren Verteidigungsminister Franz Josef Strauß.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie der Lockheed-Affäre41 thematisierte die Bundespolitik Auslandskorruption gar nicht. Die vermeintliche Bestechung des früheren Verteidigungsministers Franz Josef Strauß durch den US-Rüstungskonzern Anfang der 1960er-Jahre und die gravierenden Versäumnisse der Aufklärung verursachten in den Bundestagswahlkämpfen 1976 und 1980 Nachbeben sowie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.42 Trotz der sich intensivierenden Diskussionen auf internationaler Ebene fasste die Bundespolitik das Thema lange Zeit nicht an. In einer Aktuellen Stunde im Bundestag zu den »Exporterfolgen der deutschen Wirtschaft« wurde es 1984 mit keinem Wort erwähnt, obwohl die Auswirkungen der westdeutschen Exporte auf die Entwicklungsländer durchaus ein Thema waren. Die Diskussionsbeiträge changierten zwischen Stolz (Union/FDP) und Kritik an den ökologischen und sozialen Folgen (SPD/Grüne).43

Erst ab 1993 wurde im Bundestag vermehrt über Auslandskorruption gesprochen. Die vorgebrachten Positionen lassen sich zumindest anfangs in das Schema Regierungsparteien contra Opposition einordnen. Es war die SPD-Fraktion, die Anfang 1993 die Debatte eröffnete und die Bundesregierung aufforderte, die steuerliche Absetzbarkeit von Bestechungsgeldern im In- und Ausland abzuschaffen. Es gehe um die internationale »Glaubwürdigkeit deutscher Politik«. Die Bundesrepublik begünstige faktisch »ein aktives Bestechungsverhalten im Ausland«.44 Der Antrag wurde im Juni 1994 im Finanzausschuss gegen die Stimmen der Oppositionsparteien abgelehnt.45

Anfang 1994 hatte die PDS/Linke Liste mit einer Kleinen Anfrage nachgelegt, die das Finanzministerium zu einer ausführlichen Antwort zwang. Es sprach sich vehement für die Beibehaltung der Abzugsfähigkeit aus. Schmiergelder seien »Betriebsausgaben«, die den Gewinn minderten. »Ob die Zuwendung verboten oder sittenwidrig ist, hat […] für die steuerliche Beurteilung keine Bedeutung«, wie der Bundesfinanzhof in den 1980er-Jahren bekräftigt habe. »Die Berücksichtigung des in- und ausländischen Strafrechts bei der Durchführung der Besteuerung wäre von der Finanzverwaltung auch praktisch nicht zu leisten.« Ferner gebe es für den deutschen Fiskus gar kein Problem, denn die Bestechungsgelder würden ja »bei der Kalkulation des Auftragsentgelts berücksichtigt« und somit in Deutschland besteuert. Was der Fiskus durch den Abzug als Betriebsausgaben verliere, hole er mit der Besteuerung des überhöhten Verkaufspreises wieder herein. »Somit ergibt sich im Inland wirtschaftlich keine Ergebnisminderung. Vielmehr trägt der ausländische Auftraggeber […] diese Kosten.« Der Nachteil dieses Auftraggebers durch überteuerte Rechnungen wurde also explizit hingenommen, ja fast sogar begrüßt. Zudem müsse man berücksichtigen, »daß solche Zahlungen nicht selten Voraussetzung für die Erteilung von Aufträgen« seien. »Nähere Angaben hierzu kann die Bundesregierung in Ermangelung genauerer Erkenntnisse nicht machen.«46 Die fiskalische Logik zeigte kein Verständnis für die Schädlichkeit der Korruption außerhalb der Bundesrepublik.

Es folgten die zu erwartenden Argumente, nämlich »daß ein steuerliches Abzugsverbot deutsche Unternehmen bis hin zu einer Gefährdung von Arbeitsplätzen benachteiligen würde«, zumal in den meisten Industrieländern der steuerliche Abzug gängige Praxis sei. Zudem ließen sich »Schmiergeldzahlungen […] nicht eindeutig von Provisionen abgrenzen«47 – was durchaus realistisch war. Daher wollte die Bundesregierung 1994 alles beim Alten lassen. Anfang 1995 verteidigte Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) diese Position noch einmal, was zu scharfer Kritik in einem Kommentar der »ZEIT« führte: »Aber es geht nicht nur ums Geld, sondern um die Glaubwürdigkeit des Staates. Der kann nicht einerseits die Korruption als Wegbereiter des organisierten Verbrechens bekämpfen, andererseits aber die Schmiergelder […] steuerlich wie normale Ausgaben […] im Geschäftsbetrieb behandeln. Damit sinkt die ohnedies gesunkene Steuermoral nur noch tiefer.«48

Ebenfalls Anfang 1995 legte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen sehr weitgehenden Antrag vor, der neben der Streichung der Abzugsfähigkeit die Kriminalisierung der Auslandskorruption, Straffreiheit bei Selbstanzeigen sowie die Schaffung von Sonderdezernaten und einer zentralen Dokumentationsstelle forderte. In der ausführlichen Begründung wurden die »Bedrohung der moralischen Grundlagen unserer Gesellschaft«, die Verzerrung des Wettbewerbs und die Blockierung von Entwicklungschancen genannt. »Die Lasten […] tragen neben den Ärmsten der Armen in den Ländern der Dritten Welt letztendlich auch die Bevölkerung[en] der Industrie­nationen.«49 Der Antrag fand keine Mehrheit.

Doch nachdem 1994 mit den ersten Empfehlungen der OECD für eine Kriminalisierung der Auslandskorruption klar wurde, in welche Richtung die internationale Entwicklung ging, und sich die Bundesregierung schon wegen außenpolitischer Überlegungen nicht dagegen sperren konnte, drehte sich der Wind. Die starren Fronten zwischen Regierung und Opposition gerieten in Bewegung: Die Bayerische Staatsregierung sprach sich im Mai 1995 klar gegen die Abzugsfähigkeit aus. Im Juli 1995 bezeichnete nun auch Waigel Korruption als »Krebsübel«. Er sei bereit, die steuerliche Absetzbarkeit zu beenden, »wenn es weiterhilft«. Innenminister Manfred Kanther (CDU) stieß in die gleiche Kerbe, obwohl die Streichung »nicht überbewertet werden« solle.50 Von einer Kriminalisierung war noch nicht die Rede, aber das Ende der Abzugsfähigkeit wurde – zwar ohne große Euphorie – auch für die Union vorstellbar.

Es folgte eine halbherzige Maßnahme, die mit bemerkenswerter Chuzpe die Abzugsfähigkeit de jure einschränkte, aber sie de facto erhielt. Im Oktober 1995 wurde das Jahressteuergesetz 1996 verabschiedet. Es verbot einen Abzug, falls einer Bestechung strafrechtliche Konsequenzen oder die Verhängung eines Bußgeldes gefolgt waren. Damit blieben im Ausland gezahlte Bestechungsgelder weiter voll abzugsfähig und im Inland nur sehr wenige Fälle ausgenommen, da die meisten aufgrund fehlender Strafanträge von Privatpersonen nicht verfolgt wurden. Ermittlungen von Amts wegen waren ja weiterhin nicht möglich.51 In den Beratungen spielte das Thema kaum eine Rolle. Die Regierung war der Ansicht, den Rufen nach einer Verschärfung des Steuerrechts Genüge getan zu haben. Die SPD triumphierte in völliger Verkennung der Sachlage, »daß wir endlich die Abzugsfähigkeit von Bestechungs- und Schmiergeldern abgeschafft haben«.52 Die Regierung behauptete, die steuerliche Abzugsfähigkeit gestrichen zu haben, was die meisten Medien ungeprüft übernahmen. Die sachkundigeren Experten von TI kritisierten dagegen eine »Irreführung der Öffentlichkeit«: »In 99 von 100 Fällen« könnten Schmiergeldzahlungen »auch weiterhin abgesetzt werden«.53

Diese unbefriedigende Konstellation gab Anlass zu weiteren Reformvorschlägen. Wenige Wochen später ging dem Bundestag ein Entwurf des Bundesrates auf Initiative des Landes Berlin mit Unterstützung von Bayern und Sachsen-Anhalt zu, der eine einschneidende Verschärfung der Verfolgung von aktiver und passiver Bestechung im Inland enthielt. Die Maximalstrafe sollte nun 10 Jahre Gefängnis betragen, Bestechung ein Offizialdelikt werden, das bisher die Verfolgung erschwerende Kriterium der »Unrechtsvereinbarung« entfallen. Mit der Telefonüberwachung und einer Kronzeugenregelung sollten die Strafverfolgungsbehörden scharfe Waffen erhalten.54 Die Verschiebung der Korruption in den Bereich der schweren Kriminalität ließ bei der Wirtschaft die Alarmglocken läuten und ging aus Sicht der Regierung weit über das Vorstellbare hinaus, sodass der Antrag 1997 schließlich abgelehnt wurde.

Mit den Grenzen der staatlichen Eingriffe in elementare Bürgerrechte trat nun ein weiteres Spannungsfeld hinzu, das aus anderen Kontexten wie der Terrorismus­bekämpfung stammte und die Situation verkomplizierte. In den Debatten wurden nämlich von Anwälten und dem Deutschen Richterbund, aber auch von den Grünen rechtliche Bedenken vorgebracht (Schutz der Privatsphäre, Verhältnismäßigkeit). Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hielt den Antrag für zu weitgehend; Prävention sei wichtiger als Strafverschärfungen. Die geltenden Gesetze »reichen grundsätzlich aus«,55 und zudem müsse man die internationale Abstimmung abwarten. Norbert Geis (CDU) relativierte die Brisanz des Themas, als er verkündete: »Wir leben nicht in einer Bananenrepublik […].«56 SPD und Grüne kritisierten die Ausklammerung der Auslandskorruption. Gegen die Telefonüberwachung, die in die »Rumpelkammer des Strafprozeßrechtes« gehöre, sprachen sich FDP und Grüne aus.57 FDP und SPD waren gegen eine Kronzeugenregelung. Ingomar Hauchler (SPD) pochte auf eine Einbeziehung der Auslandskorruption, die »zu einer globalen Krankheit« und einer »logische[n] Folge eines neuen […] Manchesterkapitalismus« geworden sei. Deutsche Unternehmen wie Siemens würden routinemäßig im Ausland bestechen und darin kein Unrecht erblicken. Aus Sicht der Manager sei »jeder […] naiv, der glaubt, dagegen vorgehen oder nicht mitmachen zu können«.58 Das politische Gegenargument lautete, dass man internationalen Vereinbarungen nicht vorgreifen dürfe und daher zunächst stillhalten müsse.

Der Vollständigkeit halber ist anzufügen, dass die SPD im März 1995 einen weiteren Gesetzesantrag eingebracht hatte, der die Streichung der Abzugsfähigkeit für internationale und innerdeutsche Bestechungsgelder vorsah.59 Dies wurde von der Regierungsmehrheit abgelehnt. Ein Jahr später erging es einem ähnlichen Antrag genauso. Er forderte zudem die Erhöhung des Strafrahmens und ein Informationssystem zum Ausschluss korruptionsbelasteter Unternehmen von öffentlichen Aufträgen.60

Gleichsam als Gegenposition brachten die Regierungsparteien im September 1996 einen Entwurf ein, den sich die Regierung im Dezember unverändert zu eigen machte.61 Dieser bezog sich nur auf das Inland und ignorierte die im April des Jahres ergangene OECD-Empfehlung, die alle Mitgliedsstaaten zur Abschaffung der steuerlichen Abzugsfähigkeit aufforderte. Durch die Neufassung von § 299 Strafgesetzbuch (StGB) konnten die Staatsanwaltschaften im Fall vermuteter Angestelltenbestechung in Deutschland bei einem »besonderen öffentlichen Interesse« initiativ werden. Ansonsten durften sie nur auf Strafantrag hin ermittelten. Der Strafrahmen stieg von einem Jahr auf drei Jahre Haft. Damit wurde der Komplex aus dem in diesem Punkt wirkungslosen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) herausgenommen, das eine Strafanzeige vorausgesetzt hatte, und dem StGB zugeordnet. Es sollte deutlich werden, »daß es sich bei Bestechungen in diesem Bereich nicht um Fälle der ganz leichten Kriminalität handelt«.62 Da die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes ein höheres Schutzgut sei, wurden dort in besonders schweren Fällen nun Haftstrafen von bis zu 10 Jahren möglich. Härtere, in der allgemeinen Diskussion präsente Maßnahmen zur Abschreckung wie eine wirkungsvolle Gewinnabschöpfung bei den Unternehmen, die bedingungslose Streichung der Absetzbarkeit, ein Korruptionsregister, die Telefonüberwachung und eine Kronzeugenregelung fehlten in dem Entwurf, der im August 1997 Gesetzeskraft erlangte.

4. Internationaler Druck als Katalysator
der innenpolitischen Debatte

Die Bundesregierung hatte bereits im September 1996 das »Erste Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften« unterzeichnet, das die Mitgliedsstaaten verpflichtete, die Bestechung von Amtsträgern in anderen EU-Staaten strafrechtlich zu verfolgen.63 Damit war eine Grundsatzentscheidung gefallen, gegen die sich Minimalisten in den Regierungsparteien, die vor einer Kriminalisierung der Auslandskorruption zurückschreckten, nun schlechterdings nicht mehr stellen konnten. Hinzu kam die von der Bundesrepublik im Dezember 1997 unterzeichnete OECD-Konvention, mit der sich Deutschland völkerrechtlich verbindlich zur Kriminalisierung der Bestechung ausländischer Amtsträger verpflichtet hatte. Diese Schritte veränderten die Debatte im Bundestag schlagartig. Es war also nicht erst der Regierungswechsel hin zu Rot-Grün im Herbst 1998, der langjährige Blockaden auflöste. Im April 1998 brachte die christlich-liberale Regierung einen Entwurf ein, der bereits im September 1998 unmittelbar vor der Bundestagswahl als Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG) Gesetzeskraft erlangte.64 Es stellte aus- und inländische Amtsträger gleich, klammerte jedoch die Angestelltenbestechung inklusive der steuerlichen Abzugsfähigkeit der für sie aufgewendeten Mittel aus. Die SPD kritisierte den Entwurf als inkonsequent, stimmte ihm aber ebenso wie die PDS zu. Die Grünen enthielten sich.65

Im Herbst 1998 bestand nun die geradezu absurde Situation, dass Auslandskorruption strafbar geworden war, dass man die für sie aufgewendeten Summen aber fast immer noch steuerlich absetzen konnte, nämlich dann, wenn keine rechtskräftige Verurteilung oder kein Bußgeldbescheid ergangen war. Diese Ungereimtheit löste die neue Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder rasch auf. Der im November 1998 vorgelegte und im März 1999 angenommene Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes unterband die Abzugsfähigkeit für Bestechungsgelder, die in Deutschland gezahlt worden oder an ausländische Amtspersonen geflossen waren. Zahlungen an ausländische Angestellte in der privaten Wirtschaft wurden weiterhin nicht erfasst.66

Im Dezember 1998 kehrten sich die früheren Fronten um, als die CDU/CSU ein Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vorschlug, das in »besonders schweren Fällen der Bestechlichkeit und Bestechung« sowie bei Kinderpornographie die Telefonüberwachung erlaubte.67 Korrupte Manager und Sexualstraftäter fanden sich nun Seite an Seite in einem Gesetzentwurf der Union. Er führte zu sehr hitzigen Diskussionen und wurde im Dezember 1999 mit Stimmen von SPD, Grünen, FDP und PDS abgelehnt.68 Dies ist nicht ohne die Kontroverse um den »Großen Lauschangriff« zu verstehen. Im Frühjahr 1998 war die »akustische Wohnraumüberwachung« zu Zwecken der Strafverfolgung durch eine Grundgesetzänderung ermöglicht worden, was zu lebhaftem Widerspruch und einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht führte, das 2004 die Zulässigkeit auf besonders schwere Straftaten begrenzte.69 In dieser aufgepeitschten Debatte kam der Entwurf der Union gerade recht, um die Grenzen der Grundrechtseingriffe aufzuzeigen. Vielfach wurde befürchtet, dass der Staat immer häufiger zur Telefonüberwachung greifen und die Bundesrepublik in der EU einen Spitzenplatz einnehmen würde. Die Regierungspartei SPD vollbrachte das Kunststück, einem von ihr in der Opposition formulierten Vorschlag argumentativ entgegenzutreten. Die Ausdehnung der Telefonüberwachung war angesichts der rechtsstaatlichen Sensibilität des Themas insbesondere mit dem Koalitionspartner nicht zu machen. Volker Beck (Grüne) kritisierte den »populistische[n] Charakter des neuerlichen Vorstoßes der Union […]. Während Sie sich jahrelang geweigert haben, das […] immer wieder geforderte bundesweite Korruptionsregister einzuführen, nehmen Sie nun die Bekämpfung der Korruption als Vorwand für Ihr Lieblingskind, nämlich den Lauschangriff auszuweiten.«70 Die PDS sprach von einem »untaugliche[n] und gefährliche[n] Weg«. Während das linke politische Spektrum und die FDP aus ganz unterschiedlichen Motiven eine schärfere Verfolgung korrupter Manager verhinderten, beharrte die CDU vergeblich auf einer harten Linie: »Wer Bestechung und Korruption wirklich bekämpfen will, kommt an diesem Mittel nicht vorbei.«71

Zunächst sollte das aber nicht der Fall sein, wie auch die anderen genannten Ermittlungsmethoden vorerst nicht weiter diskutiert wurden. Noch 2002 lehnte der Bundesrat eine Initiative der rot-grünen Regierung zur Einführung eines bundesweiten Registers »unzuverlässiger Unternehmen« ab, nachdem der Antrag den Bundestag passiert hatte. Der auf drei Jahre befristete Ausschluss von öffentlichen Aufträgen hätte eine scharfe Waffe im Kampf gegen alle Formen der Wirtschaftskriminalität werden können. Die Bayerische Staatskanzlei sprach sich gegen das Register aus. Werde ein Unternehmen für einen Korruptionsfall bestraft, dürfe man es durch eine Auftragssperre nicht ein zweites Mal belangen. »Das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge wird auf diese Weise für vergabefremde Zwecke instrumentalisiert.« »Was wir nicht wollen, ist eine Diskriminierung der Wirtschaftsunternehmen […].«72

Mit dem IntBestG von 1998 war die Bestechung ausländischer Amtsträger zwar verboten, aber die Bestechung von Angestellten im privaten Sektor des Auslandes weiterhin legal. Der im Kampf gegen die Korruption hervorgetretene Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner appellierte 1999 an die Bundesregierung, nicht bei der Bekämpfung der inländischen Bestechung und beim öffentlichen Dienst stehenzubleiben. Er forderte nationale Zentralstellen und zeitgemäße Ermittlungsinstrumente.73 Diesem Urteil schloss sich auch der Schweizer Kriminologe Mark Pieth an, der Vorsitzende der OECD Working Group on Bribery. Seiner Ansicht nach war im Jahr 2000 Korruption immer noch der Normalfall bei Auslandsgeschäften westlicher Konzerne. Zudem habe sich das Verbot der steuerlichen Absetzbarkeit »bei vielen Konzernprüfern und Finanzämtern noch nicht herumgesprochen«.74

Wieder bedurfte es des Drucks von außen, nämlich der Expertenkritik und Maßnahmen der EU, bevor sich der deutsche Gesetzgeber bewegte. Im Dezember 1998 hatte die EU gemeinsame Schritte zur Abwehr von internationaler Korruption im privaten Geschäftsverkehr beschlossen. Sie begründete dies ausschließlich mit dem marktliberalen Grundsatz, dass »Bestechung den lauteren Wettbewerb verzerrt, die Grundsätze einer Öffnung und Liberalisierung der Märkte […] in Frage stellt und der Transparenz und Öffnung des internationalen Handels zuwiderläuft«.75 Die Schäden in den Ländern, in denen Bestechungsgelder flossen, wurden mit keinem Wort erwähnt. Es dauerte fast dreieinhalb Jahre, bis die Bundesregierung reagierte und im Frühjahr 2002 einen Gesetzentwurf vorlegte, der dem § 299 StGB (Verbot der Angestelltenbestechung im Inland) Absatz 3 hinzufügte, demzufolge die Strafbestim­mungen »auch für Handlungen im ausländischen Wettbewerb« gelten.76 Der Entwurf, der nun lediglich europarechtliche Verpflichtungen umsetzte, durchlief ohne weitere Diskussionen das Gesetzgebungsverfahren und erlangte im August 2002 Gesetzeskraft. Damit wurde ein vorläufiger Schlussstrich unter die langen und kontroversen Debatten um die juristische Bewertung der Korruption gezogen. Sie war nun im In- und Ausland strafbar, unabhängig davon, ob sie Amtsträger oder Angestellte der Privatwirtschaft betraf.77

Dass es jetzt eine klare juristische Ächtung der Auslandskorruption gab, darf nicht mit einem Sieg des Rechtsstaates über die Bestechung verwechselt werden. Alte Formen der Verschleierung wie die Beauftragung formal unabhängiger Intermediäre scheinen nach Einschätzung von Insidern und Korruptionsexperten nun vermehrt zur Anwendung gekommen zu sein. So wurden an Vermittler legale Provisionen gezahlt oder hohe Margen gewährt, von denen sie Teile als Schmiergelder an Auftraggeber weiterreichten. In solchen Fällen ist nur sehr schwer festzustellen, bei wem die eigentliche Verantwortung liegt. 2018 deckte der Rechercheverbund von NDR, WDR und »Süddeutscher Zeitung« zahlreiche Fälle nach genau diesem Muster im chinesischen Gesundheitswesen auf, die zu einer Welle von Verurteilungen durch chinesische Gerichte geführt haben. Unabhängige Zwischenhändler profitierten von enormen Margen beim Weiterverkauf von Produkten westlicher Konzerne, sodass sie über hohe Summen für verdeckte Zahlungen verfügten. Siemens Healthineers, die inzwischen selbstständige Gesundheitssparte, wickelte 2018 ca. 75 Prozent des Chinageschäfts über Dritte ab und erklärte zwar, diese regelmäßig zu überprüfen, gab aber unumwunden zu: »Es bestand nie ein Zweifel daran, dass der Einsatz von Distributoren […] ein Risiko in Bezug auf Compliance darstellt.«78

5. Die Fortsetzung der Debatte
im Zeichen der großen Skandale der 2000er-Jahre

Nach 2002 trat die Diskussion um die Korruption deutscher Firmen im Ausland vorerst in den Hintergrund. Angesichts massiver Skandale, von Siemens (2006) bis Daimler (2010), flammte sie aber wenige Jahre später wieder auf. Siemens stellte den größten bis dahin bekannt gewordenen Korruptionsfall dar. Das Unternehmen betrieb ein global agierendes Bestechungsnetzwerk. Die US-Behörden fanden allein für den Zeitraum von 2001 bis 2007 mindestens 5.300 dubiose Zahlungen. Die Untersuchung resultierte in einer Rekordstrafe in den USA und in Deutschland von 1,6 Mrd. US-Dollar und zahlreichen Auflagen.79 Der Fall Siemens machte Rechtsgeschichte, da erstmals deutsche und amerikanische Behörden eng kooperierten. Gleichwohl traten auch die Unzulänglichkeiten der Aufklärung zutage. Die Ermittlungen wurden von der Münchner Staatsanwaltschaft initiiert, aber im Wesentlichen von einer US-Anwaltskanzlei durchgeführt, da weder die deutschen Staatsanwaltschaften noch die US-Behörden auch nur annähernd die personellen Ressourcen besaßen, um solche gigantischen Fälle aufzuarbeiten. Es war in Deutschland ferner wegen des in den 1990er-Jahren geltend gemachten Schutzes der Privatsphäre unmöglich, die kriminellen Machenschaften durch Abhöraktionen aufzudecken oder in Gerichtsverfahren Kronzeugen aufzurufen. Bei den privaten Ermittlungen benutzten die US-Anwälte auch in Deutschland ein Amnestieprogramm, in dem persönliche Vorteile wie der Verzicht auf Entlassungen für belastende Aussagen gegenüber Dritten angeboten wurden. Das spielte sich in einer juristischen Grauzone ab und wurde von vielen Siemensianern als Ausdruck von »Stasi-Methoden« verabscheut.80

Der Siemens-Korruptionsskandal, der ab 2006 ans Licht kam,
lenkte den Blick der Medien, der Politik und der Justiz auf den bis dahin größten Korruptionsskandal der Bundesrepublik. Siemens hatte in vielen Ländern mit sehr hohen Summen systematisch bestochen. Die Vorsitzenden des Aufsichtsrates und des Vorstandes mussten zurücktreten und über 300 Manager den Konzern verlassen. Neben das Entsetzen über die Dimension des Falles trat in der Öffentlichkeit das Unverständnis darüber, dass nicht ein einziger Siemens-Topmanager strafrechtlich belangt werden konnte.
Die Verantwortlichen kamen allesamt mit zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen im Rahmen von Vergleichen mit der Siemens AG ausgesprochen glimpflich davon. Der Konzern zahlte an amerikanische und deutsche Behörden Geldbußen in der Rekordhöhe von zusammen 1,6 Mrd. US-Dollar.
(Martin Erl, 2007; <https://www.toonpool.com>)

Nach dem Beginn des Siemens-Skandals Ende 2006 wurden weitere Gesetzesänderungen vorgenommen. In Umsetzung einer EU-Richtlinie81 legte die Regierung der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel im April 2007 einen Gesetzentwurf zur »Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen« vor, der in den wesentlich verlängerten Katalog schwerer Straftaten, die eine solche Überwachung rechtfertigen, besonders massive Fälle der Bestechung aufnahm. Die geradezu banale Begründung lautete, dass »Korruptionsdelikte […] dadurch gekennzeichnet« seien, »dass sie typischerweise heimlich zwischen den Tatbeteiligten begangen werden […], so dass regelmäßig auch keine Zeugen vorhanden sind«.82 In den Debatten wurden vor allem erneut die Eingriffe in Persönlichkeitsrechte kritisiert. Das erweiterte Gesetz galt ab Jahresbeginn 2008.83

Im August 2007 zielte ein Entwurf der Bundesregierung darauf ab, Tätern für »Aufklärungs- und Präventionshilfe« bei schweren Straftaten, zu denen auch entsprechende Korruptionsfälle zählten, Strafmilderung oder -freiheit zuzusagen.84 Damit bestand die Möglichkeit, nach amerikanischem Vorbild Deals mit Angeklagten einzugehen und geschlossene Korruptionsnetzwerke aufzubrechen. Bislang war dies in der Bundesrepublik nur bei der Terrorismusbekämpfung und bei kriminellen Vereinigungen statthaft. Kritik kam von Anwaltsverbänden und dem Deutschen Richterbund, die ein »fragwürdiges Handeln mit Verbrechen« befürchteten. Niemand solle sich, so die Linkspartei, seiner gerechten Strafe entziehen können: »Justitia wägt, sie handelt nicht.«85 Die Gefahr von Falschaussagen sei groß. Der Entwurf erlangte im September 2009 dennoch Gesetzeskraft.

Die Einführung eines zentralen Korruptionsregisters, das Unternehmen wirksam von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausschließt, traf auf größte Widerstände.86 Nach langem Stillstand begannen 2004 einzelne Bundesländer mit dem Aufbau von Sperrregistern, die zum Teil (wie in Hamburg) zwischenzeitlich abgeschafft und wieder neu eingeführt worden waren. Während in einigen Bundesländern gar keine Register bestanden und in anderen nur zweistellige Zahlen erfasst wurden, schloss das Berliner Korruptionsregister bis 2011 mehr als 2.300 Firmen von öffentlichen Aufträgen aus,87 was eine abschreckende Wirkung entfaltet haben dürfte. Im Nachbarland Brandenburg dagegen gab es kein solches Register. Insgesamt entstand eine chaotische Struktur, denn auch die Eintragungsvoraussetzungen variierten je nach Bundesland.

Der von den Grünen eingebrachte Gesetzentwurf für die Einführung eines bundes­weiten Registers wurde durch die Koalitionsmehrheit (Union und FDP) wiederholt abgelehnt bzw. blockiert.88 Der Entwurf von 2012 berücksichtigte In- und Auslandskorruption, aber auch andere Delikte wie Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit; er sah Sperrfristen von bis zu fünf Jahren vor. Auf das Register sollten auch ausländische Behörden Zugriff erhalten. Das war offensichtlich zu radikal für die Mehrheit des Parlaments, denn auf diese Weise wären Exportinteressen massiv beeinträchtigt worden.

Es dauerte weitere vier Jahre, bis das Thema erneut den Bundestag beschäftigte. Ursächlich dafür waren das Drängen der Bundesländer, die mit ihren eigenen Registern unzufrieden waren, und der Zwang zur Umsetzung eines EU-Richtlinien-Pakets zur Modernisierung des Vergaberechts.89 Im April 2017 legte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Einführung eines bundesweiten Wettbewerbsregisters vor, das die Landesregister ersetzt. Dieses soll vom Bundeskartellamt geführt werden. Nicht nur Korruption, sondern auch ein längerer Katalog anderer Delikte von Subventionsbetrug bis Steuerhinterziehung, von Geldwäsche bis Schwarzarbeit soll zu einer Eintragung führen. Es ist die Möglichkeit der vorzeitigen Löschung bei nachgewiesener »Selbstreinigung« geplant. Ansonsten werden Eintragungen nach drei bzw. fünf Jahren gelöscht. Bei Aufträgen über 30.000 Euro besteht eine Abfragepflicht für öffentliche Auftraggeber in Deutschland. Die Informationen werden vertraulich behandelt und ausländischen Behörden nicht zur Verfügung gestellt. Es soll aber »perspektivisch« geprüft werden, ob man »auf internationaler, insbesondere auf europäischer Ebene und im Kreis der G 20« künftig besser zusammenarbeiten könne.90 Das Gesetz wurde im Juli 2017 bei Enthaltungen der Grünen und Linken angenommen. Das Register soll Ende 2020 in Betrieb gehen.91

Die Linke kritisierte, dass »die Bundesregierung wie im Umgang mit Wirtschaftskriminalität mal wieder die mildeste Umsetzung« wählte.92 Es gebe zahlreiche Schlupflöcher. Unternehmen könnten leicht Tochterfirmen gründen, um dem Register auszuweichen. Die »Selbstreinigung« lade zum Missbrauch ein, da sie nicht durch die Kartellbehörden kontrolliert werden solle. Auch die Grünen forderten eine Verschärfung. Die SPD jedoch triumphierte geradezu. Obwohl sie gegen die früheren Entwürfe der Grünen gestimmt hatte, rechnete sich die SPD diesen Entwurf als eigenen Erfolg an.93

Es handelt sich in der Tat um ein moderates und angesichts der Debatten der 1990er-Jahre sehr spätes Gesetz, das nur die öffentliche Auftragsvergabe innerhalb Deutschlands betrifft, diese aber zentralisiert und die Vergabe für die Behörden damit wesentlich vereinfacht. Privaten oder ausländischen Auftraggebern steht das Register nicht zur Verfügung. Die vorbelasteten Unternehmen werden also in dieser Hinsicht geradezu abgeschirmt.

6. Resümee: Rückzugsgefechte beim
zögerlichen Abschied vom Korruptionskonsens

Lange wurde die Auslandskorruption von bundesdeutschen Akteuren als legitimes Mittel der Exportförderung angesehen und auch die innerdeutsche Angestelltenbestechung de facto toleriert. In der Deutschland AG herrschte ein zumeist stillschweigender Korruptionskonsens, der Politik, Behörden, Unternehmen und Gewerkschaften einschloss. Es war ein von vielen Blockaden und Umleitungen verzögerter, sehr langer Prozess, bis die weitverbreitete Akzeptanz durch eine eindeutige Strafbarkeit und entsprechende Ermittlungsinstrumente abgelöst wurde. Das Jahr 2002 stellt mit der Durchsetzung der Kriminalisierung einen ersten Meilenstein dar, dem sich 2006, 2007 und 2017 weitere verschärfende Gesetze anschlossen.

Auf diesem langen Weg gab es keine explizite Fundamentalopposition, da dies dem Wandel der öffentlichen Wahrnehmung und den Sagbarkeitsregeln widersprochen hätte. Die Schädlichkeit der Korruption auf allen Ebenen – von der Verschärfung der sozialen Ungleichheit vor allem in Entwicklungsländern bis zur Täuschung von Anlegern und Aktienbörsen – war Mitte der 1990er-Jahre nicht mehr zu bestreiten. Zudem konnte man sie nicht mehr als pathologisches Fehlverhalten Einzelner abtun. Daher gab es auch nur wenige Stimmen, die offen zugaben, dass sie Auslandskorruption für unverzichtbar hielten. Diese Auffassung war in der Wirtschaft und in Teilen der Politik weit verbreitet, aber eben nicht mehr ohne Schaden artikulierbar.

Transparency International erstellt auf Basis von Expertenbefragungen und anderen verfügbaren Daten jährlich einen »Korruptionswahrnehmungsindex« und versucht damit auf die Politik einzuwirken. In rot bis dunkelrot markierten Staaten ist die Korruption besonders gravierend. Deutschland erreicht im Vergleich mit anderen Ländern stets relativ günstige Werte, aber noch 2019 hieß es: »In Deutschland sollten die Transparenz bei der Parteienfinanzierung verbessert und die Regeln zur Mandatsträgerbestechung verschärft werden.«
(Karte von 2010, Wikimedia Commons/Public Domain;
vgl. auch <https://www.transparency.de/cpi/>)

Der langwierige Wandel im Umgang mit der Auslandskorruption – von der Exportförderung zur Straftat – hing entscheidend damit zusammen, dass sich in der Debatte verschiedenste diskursive Felder überlagerten, sodass Widersprüche entstanden. Union und FDP fühlten sich einerseits der liberalen Marktlogik verpflichtet, die Korruption als Behinderung des freien Wettbewerbs verurteilte. Andererseits trieb sie die Sorge einer potentiellen Beschädigung deutscher Exportchancen um, weshalb sie vor harten Maßnahmen zurückschreckten. Neben nationalen Wirtschaftsinteressen wirkten die von NGOs kanalisierte und verstärkte öffentliche Meinung sowie das zunehmende politische Gewicht internationaler Verpflichtungen. Im linken Spektrum war die Lesart von Korruption als einem Grundübel des Kapitalismus verbreitet, aber die Bereitschaft zur Verschärfung der Gesetze zumindest zeitweilig durch die Sorge um Arbeitsplätze und die Verletzung von Bürgerrechten gehemmt. Diejenigen, die eine Kriminalisierung der Auslandskorruption eigentlich ablehnten, befanden sich in einem Rückzugsgefecht. Offen vertreten konnten sie ihre Position nicht mehr. Ihre fintenreiche Argumentation – Prävention sei wirksamer als Bestrafung, die Steuersystematik erzwinge die Absetzbarkeit von Bestechungsgeldern, oder andere Länder würden zulasten deutscher Unternehmen weiter bestechen – konnte die Entwicklung zwar verzögern, aber nicht aufhalten.

Die Wirtschaft verteidigte die steuerliche Absetzbarkeit anfangs hartnäckig. In der Politik betätigten sich die Regierungen Kohl und Merkel zunächst überwiegend als Bremser. Die entscheidenden Impulse für eine wirksame Bekämpfung der Auslandskorruption kamen von außen, zuerst vor allem von den USA und der von ihr beeinflussten OECD, später jedoch überwiegend von der EU sowie von Experten und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Ohne diese Anstöße wäre die Entwicklung noch langsamer verlaufen. Dieser Wandel ist ein Beispiel dafür, dass die politische und rechtliche Europäisierung und Globalisierung als ein formidables Gegengewicht zu wirtschaftlicher Macht wirken kann, die bislang im nationalen Rahmen größere Durchsetzungschancen besessen hatte. Auch wenn es bis 2002 dauerte, war es in diesem Kräfteparallelogramm für die Unternehmen letztlich nicht zu verhindern, dass alle Formen der Auslandskorruption unter Strafe gestellt wurden und nicht mehr steuerlich abzugsfähig waren. Die naheliegenden, für eine Umsetzung dieser Gesetze notwendigen Ermittlungsinstrumente wurden erst zwischen 2008 und 2017 geschaffen. Dabei optierte man in der Bundesrepublik für moderate Varianten, die deutsche Exportinteressen schonten und vor radikaleren Maßnahmen nach dem Vorbild der in der Korruptionsbekämpfung führenden USA zurückschreckten – etwa zentralisierte Ermittlungen, die Einführung eines Unternehmensstrafrechtes, die Etablierung eines detaillierten Lobbyistenregisters, Anreize und Schutz für Whistle­blower sowie die Einschaltung privater Ermittler. Die Vertraulichkeit des Bundesregisters wird eine effektive Antikorruptionspolitik auch weiterhin erschweren. Gleichwohl hat sich eine »Compliance Revolution« vollzogen, als deren Folge Auslandskorruption für die bestechenden Unternehmen mit erheblichen Risiken verbunden ist. Sie bemühen sich daher, Korruption durch Vorbeugemaßnahmen, Kontrollen und teure Compliance-Abteilungen zu verhindern. Was dies für die Praxis des internationalen Geschäftsverkehrs bedeutet, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Korruption bleibt ein großes Problem. Die Ära einer mehr oder weniger offenen Korruptionskultur dürfte aber zumindest in den westlichen Industriestaaten endgültig der Vergangenheit angehören.


Anmerkungen:

1 Zur Geschichte der Korruption siehe Rudolf Jandt, Korruption in der deutschen Geschichte 1870–1945, in: Jürgen Bellers (Hg.), Politische Korruption. Vergleichende Untersuchungen, Münster 1989, S. 15-37; Jens Ivo Engels/Andreas Fahrmeir/Alexander Nützenadel (Hg.), Geld – Geschenke – Politik. Korruption im neuzeitlichen Europa, München 2009; Alexander Nützenadel, Politische Ökonomie der Korruption. Bestechung, Klientelismus und Institutionenwandel um 1900, in: Michael Wildt (Hg.), Geschichte denken. Perspektiven auf die Geschichtsschreibung heute, Göttingen 2014, S. 120-130; Jens Ivo Engels, Alles nur gekauft? Korruption in der Bundesrepublik seit 1949, Darmstadt 2019.

2 Ein Teil der Überlegungen ergab sich aus den gemeinsam mit Cornelia Rauh durchgeführten Arbeiten zur jüngeren Geschichte der Siemens AG und ihres Korruptionsskandals. Einige weitere Anregungen entstammen der von mir betreuten unveröffentlichten Masterarbeit von Cornelius Rauhut, Die Debatte um die Kriminalisierung der Auslandskorruption. Untersuchung der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Akteure zwischen 1994 und 2002, Universität Göttingen 2018. Einige der dort ausgewerteten Quellen wurden auch für diesen Aufsatz genutzt. Ich danke Herrn Rauhut für deren Überlassung.

3 Besonders spannend wäre es, genauer zu verfolgen, wie die Bundesregierung auf der OECD- bzw. der EU-Ebene agierte.

4 Zur Geschichte der Korruptionsbekämpfung in epochenübergreifender und internationaler Perspektive siehe Ronald Kroeze/André Vitória/Guy Geltner (Hg.), Anti-Corruption in History. From Antiquity to the Modern Era, Oxford 2018. Speziell zur Bundesrepublik Engels, Alles nur gekauft? (Anm. 1), S. 143-255.

5 Zur Theorie siehe Christian Höffling, Korruption als soziale Beziehung, Opladen 2002; Peter Graeff/Jürgen Grieger (Hg.), Was ist Korruption? Begriffe, Grundlagen und Perspektiven gesellschaftswissenschaftlicher Korruptionsforschung, Baden-Baden 2012, 2., überarb. und ergänzte Aufl. 2019 (mit Tanja Rabl statt Jürgen Grieger als Mithg.); Diego Gambetta, Corruption. An Analytical Map, in: Emmanuel Kreike/William Chester Jordan (Hg.), Corrupt Histories, Rochester 2004, S. 3-28; Christian Fleck/Helmut Kuzmics (Hg.), Korruption. Zur Soziologie nicht immer abweichenden Verhaltens, Königstein/Ts. 1985; Harald Bluhm/Karsten Fischer (Hg.), Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Macht. Theorien politischer Korruption, Baden-Baden 2002; Birger P. Priddat/Michael Schmid (Hg.), Korruption als Ordnung zweiter Art, Wiesbaden 2011.

6 <https://www.transparency.de/ueber-uns/was-ist-korruption/>. Zu TI siehe Engels, Alles nur gekauft? (Anm. 1), S. 200-216; zur Definition ebd., S. 208.

7 Jens Ivo Engels, Die Geschichte der Korruption. Von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2014. Vgl. auch Jacob van Klaveren, Korruption im Ancien Régime, in: Fleck/Kuzmics, Korruption (Anm. 5), S. 92-104; Christine Landfried, Korruption und politischer Skandal in der Geschichte des Parlamentarismus, in: Rolf Ebbighausen/Sighard Neckel (Hg.), Anatomie des politischen Skandals, Frankfurt a.M. 1989, S. 130-148; Niels Grüne/Simona Slanička (Hg.), Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation, Göttingen 2011.

8 Gertrude Lübbe-Wolff, Die Durchsetzung moralischer Standards in einer globalisierten Wirtschaft, in: Heinrich von Pierer/Karl Homann/Gertrude Lübbe-Wolff, Zwischen Profit und Moral. Für eine menschliche Wirtschaft, München 2003, S. 73-104, hier S. 86.

9 Zit. in: »Und alle wollen sie ein Bakschisch«, in: Spiegel, 3.5.1976, S. 38-55, hier S. 52.

10 Zit. in: Daniela Decurtins, Siemens. Anatomie eines Unternehmens, Frankfurt a.M. 2002, S. 244.

11 Zit. in: »Und alle wollen sie ein Bakschisch« (Anm. 9), S. 39.

12 Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Urteil vom 8.5.1985, IV a ZR 138/83, veröffentlicht in: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, 94. Bd., Köln 1985, S. 268-275, hier S. 272, S. 269.

13 Ausführlich dazu Hartmut Berghoff, From the Watergate Scandal to the Compliance Revolution. The Fight against Corporate Corruption in the United States and Germany, 1972–2012, in: Bulletin of the German Historical Institute Washington 53 (2013) H. 2, S. 7-30, hier S. 16-21; ders., Von Watergate zur Compliance Revolution. Die Geschichte der Korruptionsbekämpfung in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, 1972–2014, in: ders./Cornelia Rauh/Thomas Welskopp (Hg.), Tatort Unternehmen. Zur Geschichte der Wirtschaftskriminalität im 20. und 21. Jahrhundert, Berlin 2016, S. 19-46.

14 Mark Pieth, Die weltweite Compliance-Revolution, in: Ursula Weidenfeld (Hg.), Nützliche Aufwendungen? Der Fall Siemens und die Lehren für das Unternehmen, die Industrie und Gesellschaft, München 2011, S. 75-84; David Jackman, The Compliance Revolution. How Compliance Needs to Change to Survive, Singapore 2015.

15 Vgl. Philipp Horrer, Bestechung durch deutsche Unternehmen im Ausland. Strafrechtsentwicklung und Probleme, Frankfurt a.M. 2011; Simone Mölders, Bestechung und Bestechlichkeit im internationalen geschäftlichen Verkehr. Zur Anwendbarkeit des § 299 StGB auf Sachverhalte und Auslandsbezug, Frankfurt a.M. 2009; Ioannis N. Androulakis, Die Globalisierung der Korruptionsbekämpfung. Eine Untersuchung zur Entstehung, zum Inhalt und zu den Auswirkungen des internationalen Korruptionsstrafrechts unter Berücksichtigung der sozialökonomischen Hintergründe, Baden-Baden 2007; Elisa Hoven, Auslandsbestechung. Eine rechtsdogmatische und rechtstatsächliche Untersuchung, Baden-Baden 2018.

16 Vgl. Gregor Haschnik, Massive Missstände in der Atomindustrie, in: Frankfurter Rundschau, 12.1.2018.

17 Vgl. Cornelia Rauh, »Verhältnisse wie in Kolumbien«? Der Münchner »Klärwerksskandal« 1991 bis 2001 und die Siemens AG, in: Berghoff/Rauh/Welskopp, Tatort Unternehmen (Anm. 13), S. 151-171.

18 Vgl. Christoph Kotowski, Der Kölner Müllskandal. Wie aus einer kommunalen Affäre ein bundesweites Desaster wurde, in: Bodo Hombach (Hg.), Skandal-Politik! Politik-Skandal! Wie politische Skandale entstehen, wie sie ablaufen, was sie bewirken, Marburg 2012, S. 166-172.

19 Vgl. etwa Joseph E. Stiglitz, Transparency in Government, in: World Bank (Hg.), The Right to Tell. The Role of Media in Economic Development, Washington 2002, S. 27-44, und Engels, Alles nur gekauft? (Anm. 1), S. 173-178, S. 274-283. Seit den 1990er-Jahren verbreiteten sich Informationsfreiheitsgesetze und zivilgesellschaftliche Vereinigungen, die verborgene Informationen veröffentlichen und oft den Begriff »watch« oder »control« im Namen führen.

20 Das ist das Hauptergebnis von Inga Köster, Das Geschäft mit der Neugier – Zur Skandalisierung von Korruptionsfällen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine Inhaltsanalyse deutscher Printmedien, unveröffentlichte Masterarbeit Universität Göttingen 2017.

21 John Micklethwait/Adrian Wooldridge, The Company. A Short History of a Revolutionary Idea, New York 2003, S. 154.

22 Interview mit ehemaligem Siemens-Vorstand, 25.11.2011.

23 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/9300, 13.6.2002, hier S. 522 (wörtliche Rede).

24 Ebd., S. 215 (Wiedergabe der Aussage des Siemens-Finanzvorstandes in indirekter Rede).

25 Zit. in: Walter Ludsteck, Unglücksfall Korruption, in: Süddeutsche Zeitung, 12.2.2000; Thomas Fromm, Bandenkriminalität bei Siemens, in: Financial Times Deutschland, 23.11.2006.

26 Hang zur Doppelmoral, in: Siemens Dialog der IG Metall, 23.11.2006.

27 Konkret hatten das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG) und die Neufassung von § 299 StGB die Gesetzeslage vollständig verändert. Dies wird im Folgenden noch erläutert.

28 Vgl. Hans Leyendecker, Korruption zahlt sich nicht aus, in: Süddeutsche Zeitung, 2.12.2006; Edo Reents, Die Angst in voller Blüte, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.7.2008.

29 Interview mit Martin Walser, in: Capital, 1.8.2008.

30 Zum weiteren Gang des Verfahrens gegen Siemens vgl. Hartmut Berghoff, »Organised Irresponsibility«? The Siemens Corruption Scandal of the 1990s and 2000s, in: Business History 60 (2018), S. 423-445. Ausführlich Hartmut Berghoff/Cornelia Rauh, Die große Transformation. Die Geschichte der Siemens AG im Zeitalter der Globalisierung, 1966–2011, München 2015 (unveröffentlichtes Manuskript im Unternehmensarchiv der Siemens AG; die geplante Publikation ist bislang unterblieben).

31 BDI, Empfehlungen für die gewerbliche Wirtschaft zur Bekämpfung der Korruption in Deutschland [1995], in: Heinz Reichmann/Winfried Schlaffke/Werner Then (Hg.), Korruption in Staat und Wirtschaft, Köln 1997, S. 110-117.

32 Vgl. Arnold Willemsen, Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schmiergeldzahlungen – ein Statement, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Korruption in Deutschland, Berlin 1995, S. 133-137.

33 BMF-Schreiben vom 3.8.1994 (Bundessteuerblatt I), S. 472.

34 Deutscher Industrie- und Handelstag, DIHT-Meinung. Eine Auswahl aus den DIHT-Nachrichten und DIHT-Informationen im Jahre 1996, Berlin 1996, S. 102f.

36 Interview mit ehemaligem Siemens-Vorstand, 25.11.2011.

37 Vgl. Britta Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle. Eine kriminologisch-strafrechtliche Analyse, Neuwied 2002, S. 47.

38 Dinah Deckstein/Jörg Schmitt, Konzerne. Gelesen, gelacht, gelocht, in: Spiegel, 1.10.2007, S. 100-102. Diese Darstellung entspricht auch meinen Erkenntnissen, die sich aus Akten und Interviews ergaben. Interview mit ehemaligem Siemens-Manager, 24.2.2013, und Interview mit Rechtsanwalt, 11.8.2011.

39 Zit. in: Anne Seith, Siemens-Affäre, in: Spiegel Online, 28.7.2008.

40 BDI, Korruption verhindern – Empfehlungen des BDI, 2. Aufl. Berlin 2002, Sp. 4-5.

41 Vgl. Wolfgang Schmidt, Starfighter/Lockheed, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Skandale in Deutschland nach 1945, Bielefeld 2007, S. 76-85.

42 Deutscher Bundestag, Drucksache 8/3835, 20.3.1980.

43 Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 10. Wahlperiode, 110. Sitzung, 12.12.1984, S. 8205-8238.

44 Deutscher Bundestag, Drucksache 12/4104, 13.1.1993, S. 2.

45 Deutscher Bundestag, Drucksache 12/8468, 8.9.1994 (Sitzung am 23.6.1994).

46 Deutscher Bundestag, Drucksache 12/7043, 10.3.1994, S. 2f.

47 Ebd., S. 3, S. 7.

48 Verdorben, in: ZEIT, 3.2.1995.

49 Deutscher Bundestag, Drucksache 13/617, 17.2.1995, S. 1, S. 7f.

50 Zit. nach: Bundesregierung zur Bekämpfung der Korruption entschlossen, in: Süddeutsche Zeitung, 24.7.1995.

51 Vgl. Mölders, Bestechung (Anm. 15), S. 236.

52 Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 13. Wahlperiode, 53. Sitzung, 8.9.1995, S. 4476 (Karl Diller).

53 Pressemitteilung TI, 17.3.1999.

54 Deutscher Bundestag, Drucksache 13/3353, 18.12.1995.

55 Bundesrat, Stenographischer Bericht, 690. Sitzung, 3.11.1995, S. 511.

56 Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 13. Wahlperiode, 125. Sitzung, 26.9.1996, S. 11209.

57 Ebd., S. 11216.

58 Ebd., S. 11227.

59 Deutscher Bundestag, Drucksache 13/742, 9.3.1995.

60 Deutscher Bundestag, Drucksache 13/4118, 14.3.1996.

61 Deutscher Bundestag, Drucksache 13/5584, 24.9.1996; Drucksache 13/6424, 5.12.1996.

62 Deutscher Bundestag, Drucksache 13/5584, 24.9.1996, S. 15f.

63 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 313/01, 23.10.1996 (Unterzeichnung 27.9.1996).

64 Deutscher Bundestag, Drucksache 13/10428, 20.4.1998.

65 Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 13. Wahlperiode, 244. Sitzung, 24.6.1998, S. 22648f., S. 22652. Gleichzeitig wurde das erste Protokoll der EU durch das EU-Bestechungsgesetz ratifiziert, sodass die Bestechung von Amtsträgern in anderen EU-Staaten strafbar wurde.

66 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/23, 9.11.1998, S. 5, S. 169, und Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht, 25. Sitzung, 4.3.1999.

67 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/162, 8.12.1998.

68 Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht, 77. Sitzung, 3.12.1999, S. 7109.

69 Vgl. Maximilian Warntjen, Heimliche Zwangsmaßnahmen und der Kernbereich privater Lebens­gestaltung. Eine Konzeption im Anschluss an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung, BVerfGE 109, 279, Baden-Baden 2007.

70 Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht, 16. Sitzung, 21.1.1999, S. 1103-1116, hier S. 1108.

71 Ebd., S. 1110 (Sabine Jünger) und S. 1115 (Volker Kauder). Ein ähnlicher Gesetzentwurf der Union scheiterte 2002: Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6539, 3.7.2001, und Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, Stenographischer Bericht, 218. Sitzung, 21.2.2002.

72 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/9356, 11.6.2002, und Bundesrat, Stenographischer Bericht, 780. Sitzung, 27.9.2002, S. 448-450, hier S. 449.

73 Wolfgang Schaupensteiner, Korruption in Deutschland – Das Ende der Tabuisierung, in: Mark Pieth/Peter Eigen (Hg.), Korruption im internationalen Geschäftsverkehr. Bestandsaufnahme, Bekämpfung, Prävention, Neuwied 1999, S. 131-147; Britta Bannenberg/Wolfgang Schaupensteiner, Korruption in Deutschland. Portrait einer Wachstumsbranche, 3., überarb. und erweiterte Aufl. München 2007.

74 Interview mit Mark Pieth, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.12.2000.

75 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Gemeinsame Maßnahme vom 22.12.1998 betreffend die Bestechung im privaten Sektor (98/742/JI), 31.12.1998, S. L 358/2.

76 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/8998, 13.5.2002; <https://lexetius.com/StGB/299,3>.

77 Vgl. Horrer, Bestechung (Anm. 15), S. 258f., S. 105, S. 118, S. 263f.

78 Zit. in: Christoph Giesen/Klaus Ott/Nicolas Richter, Schöner Schein, in: Süddeutsche Zeitung, 28.9.2018.

79 Berghoff, »Organised Irresponsibility«? (Anm. 30).

80 Interview mit Siemens-Manager, 13.2.2013.

81 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft, Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.3.2006, 13.4.2006, S. L 105/54.

82 Deutscher Bundestag, Drucksache 16/5846, 27.6.2007, S. 41.

83 Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Stenographischer Bericht, 124. Sitzung, 9.11.2007, S. 12993-13006.

84 Deutscher Bundestag, Drucksache 16/6268, 24.8.2007.

85 Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Stenographischer Bericht, 120. Sitzung, 24.10.2007, S. 12583-12589, hier S. 12588, S. 12586.

86 »Blacklisting« bzw. »Whitelisting« haben eine lange Tradition und wurden etwa in der frühen Verbraucherschutzbewegung der USA um 1900 gegen Firmen mit unfairen Arbeitspraktiken eingesetzt. Das deutsche Vergaberecht erlaubt bei öffentlichen Aufträgen den Ausschluss von Unternehmen, die nicht fachkundig, leistungsfähig, zuverlässig oder gesetzestreu sind. Insofern wäre ein Bundesregister nur eine technisch optimierte Durchsetzung längst etablierter Rechtsgrundsätze.

87 Julie Wiehler, Das Berliner Korruptionsregister bleibt bestehen, in: Vergabeblog.de, 13.1.2011, Nr. 8416.

88 Deutscher Bundestag, Drucksache 16/4459, 28.2.2007; Drucksache 16/9780, 25.6.2008; Drucksache 17/11415, 7.11.2012.

89 Amtsblatt der Europäischen Union, Richtlinie 2014/23/EU, 28.3.2014, S. L 94/1; Richtlinie 2014/24/EU, 28.3.2014, S. L 94/65; Richtlinie 2014/25/EU, 28.3.2014, S. L 94/243. Diese Richtlinien waren bis zum 18.4.2016 in deutsches Recht umzusetzen, was der Bundesrepublik fristgerecht nicht gelang.

90 Deutscher Bundestag, Drucksache 18/12051, 24.4.2017, S. 11, S. 17.

92 Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, Stenographischer Bericht, 231. Sitzung, 27.4.2017, S. 23414 (Thomas Lutze).

93 Vgl. Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, Stenographischer Bericht, 237. Sitzung, 1.6.2017, S. 24247 (Marcus Held).

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