Politische Polarisierung in den USA, anno 1964

Barry M. Goldwater als Präsidentschaftskandidat und sein Gespenst

  1. Von Goldwater zu Trump – und zurück?
  2. Barry M. Goldwater:
    Botschaften, Narrative, Feind- und Weltbilder
  3. Gegenreaktionen und der mediale Raum als Kampfgebiet
  4. Entgrenzung des politischen Wettbewerbs oder
    Goldwaterismus als Krankheit:
    »The Unconscious of a Conservative«
  5. Fazit: Goldwaterismus, Trumpismus und die Geschichte der Gegenwart

Anmerkungen

[Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 170320015 – Sonderforschungsbereich (SFB) 923 »Bedrohte Ordnungen« (Eberhard Karls Universität Tübingen) im August, September und Oktober 2019. Für Kommentare, Kritik und Anregungen danke ich (in Stellvertretung weiterer Personen) Angelika Lange, Jürgen Martschukat, Tim Schanetzky, Kim Sandra Schulz, Gion Wallmeyer sowie allen Teilnehmer:innen des Oberseminars des Seminars für Zeitgeschichte (Eberhard Karls Universität Tübingen) bei Johannes Großmann im Wintersemester 2021/22. Georg Schild (Eberhard Karls Universität Tübingen) danke ich für die Möglichkeit, die Arbeit an diesem Text aufzunehmen.]

1964: Der Mann – Anzug, akkurate Scheitelfrisur, Hornbrille, um die 30 Jahre – raucht. Die vorangegangenen zweieinhalb Minuten haben ihn sichtlich aufgewühlt. Gerade hatte er über einen Republikanischen Präsidentschaftskandidaten gesprochen, der ihn durch unglaubwürdiges Auftreten, offenkundige Nähe zu politisch extremen Elementen und außenpolitische Verantwortungslosigkeit zutiefst beunruhige und erschrecke. Konsterniert hält er fest: In dieser Situation werde, ja müsse er den Gegenkandidaten der Demokraten unterstützen – nicht um die Partei, sondern um das Land zu schützen.1

2016 begegnet man demselben Mann erneut. Ähnlich gekleidet und frisiert, aber sichtbar gealtert, mit schwacher Stimme und nunmehr ohne Glimmstängel sitzt er vor der Kamera. Wieder spricht er zum Zuschauer, und abermals drückt er sein tiefes Unbehagen über den Kandidaten seiner eigenen Partei aus, der sich mutwillig außerhalb von Rationalität, Verantwortung und Republikanischer Tradition positioniere: »[H]e is a different kind of man. This man scares me.« Die Nominierung jenes Demagogen sei »a bad mistake«. Wiederum kündigt der Mann an, entgegen seiner eigentlichen politischen Überzeugung für die Demokratische Alternative zum Republikaner zu stimmen – ein »Geständnis«, aber noch mehr ein Appell, es ihm gleichzutun.2

»Senator Goldwater […] a very different kind of man.«
»Donald Trump […] this man scares me.«

Bei jenem Brillenträger handelte es sich um den (Republikanischen) Schauspieler William Bogert (1936–2020)3 und bei den solche Beklemmung hervorrufenden Kandidaten um Barry M. Goldwater und Donald J. Trump. Ersterer war 1964 als Senator von Arizona und Leitfigur des rechten Parteiflügels Herausforderer des US-Präsidenten Lyndon B. Johnson (LBJ) gewesen; Letzterer war als Unternehmer, Entertainer sowie Verkörperung einer neuen rechtspopulistischen Zeitströmung 2016 Antagonist der Demokratin Hillary R. Clinton. »Confessions of a Republican« lautete der Titel beider Werbespots, die in zwei unterschiedlichen Zeitebenen das gleiche Narrativ entfalteten: Eine der beiden großen Parteien der USA sei durch eine Verkettung von zuvor schwer denkbaren Ereignissen in den Bann (rechts-)extremer Elemente geraten. Über eine obskure, aber charismatische Führungsfigur versuchten jene Gruppierungen die Partei Abraham Lincolns nun als Werkzeug für im Kern unamerikanische Bestrebungen zu missbrauchen – mit hochriskanten Folgen für Partei, Land und Weltfrieden. Angesichts der existentiellen Gefahr mache bloße Passivität gegenüber dieser Entwicklung jeden Republikaner mitschuldig.

Diese Darstellungen zweier Republikanischer Präsidentschaftsbewerber und der von ihnen vertretenen Ideen waren jeweils Teil einer Negativkampagne der Demokratischen Partei in einer Wahlkampfsituation, die von erheblicher Polarisierung geprägt war. Nicht ohne Logik bediente sich 2016 die politische Konkurrenz explizit der Analogie zwischen beiden Politikern, denn Goldwater war von LBJ 1964 an den Wahlurnen regelrecht deklassiert worden: 43 Mio. gegen 27 Mio. Stimmen; dabei konnte der Republikaner lediglich sechs Staaten gewinnen.4 Diese Niederlage Goldwaters und der Erdrutschwahlsieg des nach dem Mord an John F. Kennedy ins Amt gelangten Johnson schienen zu beweisen, dass die US-amerikanische Wählerschaft die Annäherung an jede Form des ideologisch »Extremen« genauso ablehne wie allzu polarisierende Kandidaten. Es lag nahe, den Fall Trump als vergleichbare Extremsituation zu lesen und in der politischen Auseinandersetzung auch so darzustellen. Die Neuauflage von »Confessions of a Republican« sollte den historischen Irrweg der Republikaner entlarven und zu einer ähnlich hohen Niederlage von Trump beitragen. In diesem Fall allerdings wiederholte sich Geschichte nicht, wie im Herbst 2016 klar wurde – Trump gewann.

1. Von Goldwater zu Trump – und zurück?

In diesem Essay betrachte ich die Weltbilder, Feindbilder und Narrative des Goldwaterismus in den 1960er-Jahren. Dabei steht die Polarisierung und Polemisierung des Präsidentschaftswahlkampfes 1964 ebenso im Mittelpunkt wie die mediale Erzeugung von Bedrohungswahrnehmungen. Abschließend wird die Frage diskutiert, in welchen Aspekten sich der Goldwaterismus und der Trumpismus sowie ihre zeitlichen Kontexte unterscheiden oder ähneln. Grundsätzlich wird hier die These vertreten, dass die durch den Goldwaterismus ausgelöste gesellschaftlich-politische Polarisierung den Entwicklungen späterer Jahrzehnte vorgriff und auch einige ideologische Kernpunkte bemerkenswerte Parallelen zeigen. Goldwater war keinesfalls eine Fußnote in der Geschichte der US-amerikanischen Politik, sondern in vieler Hinsicht begann mit ihm ein neues Kapitel der Rechten, das bis heute andauert.5

Die in »Confessions (2016)« postulierte Einordnung Trumps als Wiedergänger Goldwaters reihte sich in eine Debatte ein, die etwa seit dem Frühjahr desselben Jahres in Medien und Öffentlichkeit an Fahrt gewonnen hatte und sich teilweise über die Wahlen hinaus fortsetzte.6 Inhaltlich fokussierten die meisten Beiträge auf die jeweilige Dynamik des politischen Richtungskampfes innerhalb der Republikanischen Partei und die (divergierenden) Biographien der beiden Akteure, wobei die ideologischen Fundamente von Goldwaterismus und Trumpismus weniger betrachtet wurden. Vor diesem Hintergrund wurden primär die gravierenden Unterschiede im Nominierungsprozess und die jeweilige Rolle als politischer In-/Outsider als Argumente für die Problematik einer vergleichenden Perspektive ausgemacht.7

In der Forschung zum US-Konservatismus werden oftmals die ideologischen Kontinuitäten seit den 1960er-Jahren betont.8 Man könne die Vorgänge des Jahres 2016 nicht verstehen »without going back to 1964 and reengaging the longer story of right-wing extremism«, hielt etwa der Journalist E.J. Dionne fest.9 Auch einige Republikanische Renegaten, die durch den Aufstieg Trumps vom Mainstream ihrer Partei an den Rand gedrängt wurden und diese daraufhin ganz verließen, sahen im Trumpismus den aus der Geschichte ableitbaren Siegeszug schon länger zirkulierender Ideen und Vorstellungen. Der Parteistratege Stuart Stevens, ein langjähriger Mitarbeiter von Mitt Romney, sprach 2020 von Trump als »the logical conclusion of what the Republican Party became over the last fifty or so years«. An dieser politischen Figur sei »nothing strange or unexpected«.10 Max Boot, Publizist, politischer Berater und lange Jahre eine der prominentesten Stimmen des US-amerikanischen Konservatismus, bilanzierte 2018 die langfristige Wirkung des »extremist«11 Goldwater auf die US-Rechte als Ganzes: »[H]is example continued to inspire conservatives for decades, making clear that extremism is embedded in the DNA of the modern conservative movement.«12 Boot bezeichnete sich in diesem Kontext selbst als »Rockefeller Republican«, in Anlehnung an Goldwaters damaligen Antipoden Nelson A. Rockefeller, 1964 Anführer des moderaten Flügels der Republikaner.13

Eine Figur aus dem Republikanischen Kosmos, die für die ideologische Verbindung zwischen Goldwater und Trump wie kaum eine zweite stand, war die konservative Aktivistin Phyllis S. Schlafly (1924–2016). Schlafly war erstmals 1964 mit dem in Millionenauflage gedruckten Buch »A Choice Not an Echo« in Erscheinung getreten, das zu einer Art Bibel der Goldwater-Bewegung wurde. In diesem Werk, einer Mischung aus politischem Pamphlet, Enthüllungsbuch und Verschwörungsschrift, warnte Schlafly in eindringlichen Worten vor dem mächtigen Einfluss von politisch-medialen Eliten (»kingmakers«), die durch undemokratische Hinterzimmerpolitik bereits seit 1936 über das Schicksal der Republikanischen Partei und damit auch des Landes entscheiden würden.14

»A Choice Not an Echo«, 1964: Als preiswertes Paperback erreichte
Phyllis Schlaflys programmatische Kampfschrift ein Millionenpublikum.

Dem stellte sie einen (konservativen) Volks- oder Mehrheitswillen gegenüber, der sich im unkorrumpierbaren Senator aus Arizona manifestiere und 1964 die Chance zu einem nationalen Paradigmenwechsel biete. Um die »America Last policies of the past 30 years«15 zu überwinden, müsse das amerikanische Volk nur den Mut haben, den Ideen und dem politischen Machbarkeitswillen Goldwaters zum Sieg über liberalen16 Defätismus und Fatalismus zu verhelfen: »Likewise, there are numerous simple solutions for most of the problems that confront our country today. Barry Goldwater is the man who can cut through the egghead complexities in Foggy Bottom and solve these problems for us. [...] There is a very simple solution to what to do about the problem of world Communism: just stop helping the Communists. The Soviet empire would die of its own economic anemia if Democratic Administrations didn’t keep giving it massive blood transfusions, such as the sending of 64 million bushels of American wheat. There is a very simple solution to the problem of peace and disarmament. It was given to us by the Father of Our Country, George Washington. The formula is as good today as when he said it: ›If we desire to secure peace […], it must be known that we are at all times ready for war.‹ Finally, there is a very simple solution to what to do about the whole ›looney‹ mess in Washington today – elect Barry Goldwater, the man with the courage to give us simple solutions.«17

Schlafly bot so bereits 1964 eine Melange aus ideologischen Ankerpunkten, die sich mit den Botschaften späterer Jahre deckten: ein vehementer Anti-Internationalismus, das Heilsversprechen politischer Simplizität, die Ablehnung von (liberalem) Intellektualismus, der Anspruch auf unanfechtbare militärische Überlegenheit, die populistische Kategorisierung der Gesellschaft in Eliten und Volk sowie die Anklage von liberalem Appeasement. Im Unterschied zu anderen Anhänger:innen oder Gegner:innen Goldwaters lebte sie lange genug, um noch als hochbetagte Frau zu einer glühenden Unterstützerin von Trump zu werden, mit dessen Auftreten sich für sie ein Kreis schloss. In ihrer letzten Publikation »The Conservative Case for Trump« schrieb sie, ihren Buchtitel von 1964 noch einmal aufgreifend: »Donald Trump might seem an unlikely candidate to some, but he offers the American public something it’s been yearning for: ›a choice, not an echo‹; a candidate not intimidated by political correctness or the liberal media.«18 Aufgrund der Niederlage Goldwaters in den Präsidentschaftswahlen von 1964 vermied Schlafly eine direkte Gleichsetzung mit Trump. Stattdessen stellte sie den Bezug indirekt her – über den siegreichen Ronald Reagan als Vollender des Goldwaterismus und die Analogie von den »Outsidern«, die unbequeme Wahrheiten und den »Volkswillen« gegen liberale Lebenslügen und eine politische Kaste professioneller Blender verteidigen würden. Genau wie Reagan biete Trump die Perspektive von außen auf das politische System, und genau wie Reagan werde er dafür attackiert.19

Im politischen Ahnenmythos der US-Konservativen wurde der hohe Sieg Reagans bei den Präsidentschaftswahlen 1980 als verzögerter Triumph Goldwaters gelesen, wie es etwa der konservative Journalist George F. Will nach dem Tode Goldwaters 1998 ausdrückte: »We – 27,178,188 of us – who voted for him in 1964 believe he won, it just took 16 years to count the votes.«20 Reagans Karriere als Politiker begann eben in Goldwaters Wahlkampf 1964, als er durch seine als Kampagnenfilm genutzte Rede »A Time for Choosing« enormes Aufsehen erregte. Für viele Zeitgenoss:innen wurde dieser Auftritt zum politischen Erweckungserlebnis, da Reagan dort die Weltbilder und Botschaften des Goldwaterismus mit seinem eigenen charismatischen Auftreten verband, das sich der Erfahrung als Schauspieler verdankte.21

Barry Goldwater und Ronald Reagan,
Los Angeles 1964: Lehrmeister und Schüler?
(Wikimedia Commons, Public Domain)

Habe Reagan somit den Ideen Goldwaters verspätet zum Sieg verholfen, stand Trump aus Schlaflys Sicht für die Renaissance jenes echten Konservatismus der »Reagan Revolution«, der als Gegenentwurf zur mutwilligen Verfälschung durch »the left-wing view of America and American History«22 sowie den Götzen des Internationalismus23 verstanden werden müsse. Das Auftreten Trumps ordnete Schlafly in ein weites historisches Panorama ein, das bis zu den Anfängen der Vereinigten Staaten zurückreiche: »The American Revolution was an uprising to conserve and restore the colonists’ ›rights of Englishmen.‹ The Reagan Revolution was a movement to conserve and restore the principles that had made America great. The Trump Revolution follows in that pattern – it is a conservative revolt to conserve and restore American greatness. The Trump Revolution is about building America back up rather than tearing her down as a place that needs to be fundamentally transformed as Obama pledged to do. The Trump Revolution is about ending the lies of political correctness, so that we can deal honestly with the serious problems we face. […] In the end, it is really about affirming American Exceptionalism – reminding ourselves, and acting on the principle, that America is a force for good and a place that has rewarded many, rather than the horribly guilty, racist, sexist country of leftist mythology.«24

Phyllis Schlafly erlebte den Ausgang der Wahl und damit die scheinbare Bestätigung ihres Lebenswerkes nicht mehr. Sie starb zwei Monate vor dem 8. November 2016 und kurz vor der Veröffentlichung von »The Conservative Case for Trump« mit 92 Jahren. Trump selbst, den sie bereits vor dem Beginn der Vorwahlen als Hoffnungsträger der US-Rechten ausgerufen hatte,25 sprach auf der Beerdigung der Aktivistin und stellte sich dort als in ihrer Tradition stehend dar.26

2. Barry M. Goldwater:
Botschaften, Narrative, Feind- und Weltbilder

Für was stand der Goldwaterismus in seiner Zeit? Goldwater inszenierte sich als David im Kampf gegen den liberal-staatlichen Goliath. Dabei hatte er sich schon 1961 als Patron des einfachen, nicht in »pressure groups« organisierten und deshalb von der Politik ignorierten, aber doch die Mehrheit im Land stellenden »Forgotten American« ins Spiel gebracht.27 Geboten wurde das Narrativ von der Geiselnahme des Staates durch den Demokratischen Gegner, der Amerika aus Machtstreben und Gier in eine korrupte Oligarchie verwandelt habe. Nicht die Interessen der Nation und der Menschen würden von diesem Establishment vertreten, sondern die Herrschaft der Wenigen über die Vielen werde zementiert – was ein Verrat an allem sei, für das die Vereinigten Staaten eigentlich stünden. Folglich sei auch der Kampf gegen die Auswüchse dieser Eliten-Herrschaft ein Akt des Patriotismus. So stilisierte sich Goldwater als standhafter Einzelkämpfer gegen eine übermächtige, zentralisierte Maschinerie, die »special interests« als Gemeinwohl maskiere, aber auf Kosten der Mehrheit im Land Macht und Reichtum anhäufe: »The Johnson Administration is a clear amalgam of big pressure groups. […] The Johnson Administration, because of this, I charge, cannot truly represent the national interest. It is dominated by special interests. Its policies are written by-and-for pressure groups und its votes, dependably, come from them.«28

Barry Goldwater auf einer Wahlkampfveranstaltung, Dallas 1964: »[A] rugged individualist who swam against the political tide.« (Hillary Clinton)
(picture-alliance/AP Images/Fred Kaufman)

Die Erzählung vom Goldwaterismus als aus der Masse der »normalen«, einfachen US-Bürger:innen entstandenen »Bewegung« war nicht ohne Hintergrund konstruiert worden. Goldwaters Aufstieg zum Anführer des Konservatismus und darauffolgend zum Nominierten der Republikanischen Partei lief über eine damals beispiellose Graswurzelkampagne, in der auch unzählige sehr junge Amerikaner:innen für radikale politische Veränderung im Land eintraten und so den Charakter der Partei, gegen den Widerstand der Parteieliten, grundlegend beeinflussten.29 Finanziert wurde die Kampagne auch durch eine hohe Anzahl an Kleinspenden, die nicht von Verbänden oder Firmen, sondern von Einzelpersonen stammten. Während die Demokraten 69 Prozent ihrer Finanzmittel durch Spenden in Höhe von 500 US-Dollar aufwärts einnahmen, waren es bei Goldwater nur 28 Prozent. Er war ein Kandidat, der bei seinen Auftritten starke emotionale Reaktionen hervorrief, positiv wie negativ.30 Trumps spätere Gegenspielerin Hillary Rodham Clinton, die einem konservativen Elternhaus entstammte, war während des Wahlkampfes 1964 ein sogenanntes »Goldwater Girl«. Im Rückblick brachte sie ihre damaligen politischen Empfindungen folgendermaßen auf den Punkt – dies kann als repräsentativ für viele andere Unter­stützer:innen gelten: »I liked Senator Goldwater because he was a rugged individualist who swam against the political tide.«31 Zeitgenössische Widersacher wie der Historiker Richard Hofstadter empfanden diese Form der politischen Mobilisierung und den Goldwaterismus in der Republikanischen Partei allerdings nicht als Akt der Emanzipation, sondern als besorgniserregenden Aufstieg eines irrationalen Kults »linked to him [d.h. Goldwater] by strong idealogical ties and a messianic faith«.32

Unterstützer:innen von Goldwater im Wahlkampf, Portland 1964: Ein Erlöser Amerikas?
(picture-alliance/TopFoto/Chicago History Museum)

In der außenpolitischen Perspektive Goldwaters stellte sich die jüngste Vergangenheit der USA als eine Serie von Niederlagen, Demütigungen und Ernüchterungen dar. Weltpolitik wurde als ein Nullsummenspiel gelesen, in dem die Vereinigten Staaten Gefahr liefen, dauerhaft auf der Verliererstraße zu landen, da die alte Demokratische Regierung durch ihre Naivität die Feinde Amerikas zur Offensive motiviert und ihnen Zugewinne ermöglicht habe. Global betrachtet habe die liberale Außenpolitik nur einer gestörten Ordnung Vorschub geleistet und damit eine Bilanz des Schreckens, ja der Schande vorzuweisen. Die Realität Demokratischer Politik sei die Propagierung des Appeasements und der Ausverkauf US-amerikanischer Interessen an die Feinde des Landes gewesen, lautete Goldwaters Anklage.33

Die USA befänden sich in einem heißen Krieg, der keine Metapher, sondern blutiger Ernst sei und von der bisherigen Regierung nicht als solcher erkannt, ja sogar mutwillig aus ideologischen Gründen heruntergespielt werde. Dabei sei die Annahme und auch der Gewinn dieses Kampfes ohne Alternative.34 Goldwater malte dabei ein zutiefst verstörendes Bild der geopolitischen Situation: »There is no goal, course, or purpose. There is only sudden death in the jungles and slow strangulation of freedom. We willingly risk, at every turn, defeat in the cold war. We risk a tomorrow in which, backed against the wall of our indecision, we will face no choice but surrender or holocaust.«35 Jedes Zurückweichen des Westens auf dem Globus sei letztlich ein Schritt hin zum atomaren Dritten Weltkrieg (speziell der Friedensaktivismus der frühen 1980er-Jahre nutzte den Begriff »nuclear holocaust« später exzessiv) oder zum Untergang der westlichen Lebensweise.

Die innenpolitischen Gegner Goldwaters weigerten sich in dieser Schreckenserzählung, den Verlust amerikanischer Potenz und das Auftrumpfen geostrategischer Gegner anzuerkennen. Dass Goldwater die unbequeme Wahrheit über den globalen Niedergang der USA aussprach, machte die harschen Reaktionen darauf so zu keiner Überraschung. Die gegen ihn und seine Lösungsangebote gerichtete Propaganda von der vorgeblichen Unberechenbarkeit und Gefährdung bestehender Ordnung sei durchschaubar und selbst irrational.36 Jene internationale Ordnung mitsamt dem durch sie bewirkten Verlust amerikanischer Autonomie, der Verschwendung von Ressourcen und Geld an andere Staaten oder internationale Institutionen und der Negierung genuin nationaler Interessen seien im Gegenteil Grundübel, die Goldwater zu überwinden versprach.37 Er befand sich damit im Widerspruch zu seinen Demokratischen Kontrahenten, die die außenpolitische Rolle der Vereinigten Staaten gänzlich anders interpretierten und erstrebten. Sowohl Kennedy als auch Johnson waren, wie es der kanadische Historiker Andrew Preston ausdrückt, »patriotic Cold War politicians through and through, but more importantly they were liberal internationalists to their core«.38

Es waren Goldwaters Ansprüche auf eine politisch-militärische Vormachtstellung und die damit einhergehende Kampfansage an Gegner wie die Sowjetunion oder China, die Ängste vor unkalkulierbaren Konsequenzen für den Weltfrieden erzeugten: »The real cause of the deterioration can be simply stated. Our enemies have understood the nature of the conflict, and we have not. They are determined to win the conflict, and we are not. […] If an enemy power is bent on conquering you, and proposes to turn all of his resources to that end, he is at war with you: and you – unless you contemplate surrender – are at war with him. Moreover – unless you contemplate treason – your objective, like his, will be victory. Not ›peace‹, but victory.«39 Hier schlug in erheblichem Maße auch die Hochphase der atomaren Bedrohung durch, wobei Goldwater die Gefahr durch Kernwaffen zum Teil in Frage stellte. So hatte er im Mai 1964 den Einsatz von Atomwaffen gegen den Ho-Chi-Minh-Pfad ins Gespräch gebracht und durch diesen Tabubruch für ein heftiges, äußerst negatives Echo gesorgt.40

Wahlwerbespot von Ronald Reagan, der Goldwater 1964 vehement verteidigte:
»Do you honestly believe that Barry want his sons and daughters involved in a war?«
Ironischerweise sollte dieser »große« Krieg unter Goldwater nie kommen,
dafür aber der »kleine« Krieg in Indochina unter Lyndon B. Johnson
im selben Jahr voll beginnen.

Nicht nur außenpolitisch stand Goldwater für eine radikale Abkehr vom Status quo, sondern auch in Bezug auf sein Staatsverständnis und seine Wirtschaftspolitik. Goldwaters Forderungen hierzu liefen auf eine Überwindung der New-Deal-Reformen hinaus, also auf den massiven Rückbau des Sozialstaates und der staatlichen Ausgaben für Gesellschaft und Infrastruktur. Der sich in Goldwaters Augen auch ökonomisch manifestierende Kollektivismus sollte einer neuen Ära des Individualismus, der Freiheit und des prosperierenden Unternehmertums weichen. Die von LBJ verheißene »Great Society« sei nicht nur unamerikanisch, sondern das mutwillige Abgleiten in den Sozialismus und gar Verrat an der amerikanischen Idee, als deren Bewahrer sich Goldwater im Wahlkampf so eifrig inszenierte.41 Ebenso widersetzte sich Goldwater gesellschaftspolitischen Entwicklungen, die für das progressive Amerika jener Zeit bedeutsam waren. Er war nicht pauschal gegen Bürgerrechtsgruppen eingestellt, lehnte den Civil Rights Act von 1964 jedoch ab, da er den Einfluss Washingtons auf die Bundesstaaten so gering wie möglich halten wollte und vor einem allmächtigen Zentralstaat warnte.42 Die in dieser Zeit in US-Großstädten vermehrt auftretenden Unruhen nutzte er wiederum explizit, um so den Niedergang der öffentlichen Sicherheit zu beklagen und dafür den liberalen Zeitgeist verantwortlich zu machen: »It is on our streets that we see the final, terrible proof of a sickness which not all the social theories of a thousand social experiments has even begun to touch. Crime grows faster than population, while those who break the law are accorded more consideration than those who try to enforce the law. Law-enforcement agencies – the police, the sheriffs, the F.B.I. – are attacked for doing their jobs. Law breakers are defended. Our wives, all women, feel unsafe on our streets.«43

George A. Parker wandte sich 1964 im Vorfeld des Parteitages der Republikaner beim Republican Platform Committee in San Francisco direkt an Goldwater. Parker war ein Republikanischer Delegierter aus dem District of Columbia und fragte den Kandidaten, ob er als Präsident den Civil Rights Act durchsetzen würde, gegen den Goldwater als Senator zuvor gestimmt hatte. Goldwater reagierte äußerst gereizt, aber bejahte die Frage letztlich (»You are questioning my integrity […].«).
(picture-alliance/Associated Press)

Solche »Law and Order«-Narrative waren auch als klarer Appell an weiße Wähler:in­nen in den Südstaaten gedacht, da so ehemalige Anhänger:innen der Demokraten überzeugt werden sollten, die »Civil Rights« nur als Angriff auf ihre Freiheit und Kultur verstehen wollten.44 Ein von Goldwater selbst wieder zurückgezogener Kampagnenfilm mit dem Titel »Choice«, der kaum verhohlen rassistische Tendenzen ent­hielt, löste im Wahlkampf enorme Verstörung aus.45

Ein Film, von dem sich Goldwater distanzierte,
aber dennoch eine Exegese des Goldwaterismus:
»Choice«, 1964. Zwei Amerikas wurden darin gegenübergestellt:
altes/echtes und neues/falsches, ländliches und urbanes,
Vergangenheit und Gegenwart, Ordnung und Chaos, Glaube und Morallosigkeit,
»Glory glory hallelujah« und Jazz, John Wayne und LBJ, weiß und schwarz.

Verunsicherung und Ablehnung rief zudem Goldwaters mutmaßliche Offenheit für politisch radikale Gruppierungen hervor. Nelson A. Rockefeller, Gouverneur von New York und der Goldwater unterlegene Konkurrent des moderaten Flügels, hatte nach Goldwaters Sieg auf dem Nominierungs-Parteitag von 1964 davor gewarnt, dass die Republikaner Gefahr liefen, von extremistischen Gruppen unterwandert zu werden. Er bezog sich hierbei explizit auf Kommunisten, den Ku-Klux-Klan sowie auf die John Birch Society, implizierte dabei aber, dass ein Sieg Goldwaters solchen Elementen Auftrieb verschaffen oder gar die Umsetzung ihrer Ziele ermöglichen könnte.46 Von den 1.308 Delegierten (und 1.008 »alternates«) des Parteitages in San Francisco waren etwa 100 Personen selbst Mitglieder der John Birch Society (JBS),47 nur 14 waren Afro-Amerikaner.48 Jene JBS war eine rechtsradikale Organisation, die sich Anti-Kommunismus, Anti-Internationalismus und Verschwörungsdenken auf die Fahnen geschrieben hatte. In der Weltsicht der vom ehemaligen Geschäftsmann und Buchautor Robert W. Welch Jr. geführten Organisation waren viele Bereiche des US-amerikanischen Lebens bereits von Kommunisten gelenkt.49 Die Appelle an paranoide Empfindungen gingen so weit, dass Welch in seiner seit Mitte der 1950er-Jahre zirkulierenden Schrift »The Politician« den Vorwurf erhob, es handle sich bei US-Präsident Dwight D. Eisenhower um einen kommunistischen Agenten. Inwieweit Welchs polarisierende Behauptungen in diesem speziellen Fall der offiziellen Position der JBS entsprachen, war umstritten, aber das in der US-Öffentlichkeit entstehende Bild der Organisation wurde dadurch massiv geprägt.50 Aus Welchs Sicht wiederum waren Goldwaters »Americanist principles« mit den Zielen und Wertvorstellungen der JBS annähernd deckungsgleich.51

Allerdings stellte die Unterstützung durch Welch und die JBS für Goldwater ein delikates Problem dar, weil die Assoziation mit der radikalen, nach semi-konspirativen Grundsätzen operierenden Organisation52 die Akzeptanz der Goldwater-Bewegung in der breiteren US-Öffentlichkeit erheblich gefährdete. Dies stand Goldwater und seinem Verbündeten William Buckley, dem Herausgeber des konservativen Sprachrohrs »National Review«, klar vor Augen.53 Infolgedessen distanzierte sich Goldwater von Welch und dessen Aktivismus, weigerte sich aber, die JBS als Ganzes zu diskreditieren, da die grundlegenden Ziele der Organisation und der Mehrheit ihrer Mitglieder unterstützenswert seien.54 Die Gründe dafür, dass Goldwater sich nicht eindeutiger von der JBS abgrenzte, waren vielfältig. Es hing zusammen mit persönlichen Loyalitäten Goldwaters, ideologischer Nähe zu den Grundsätzen der Organisation, der intensiven Unterstützung seiner Kampagne durch zahlreiche Mitglieder der JBS und einem schlichten Trotz gegen liberale Diffamierungsversuche – denn Goldwater und seine Berater verstanden sich keinesfalls als »extrem«; dies sei nur die politische Linke.55 Historiker wie Matthew Dallek haben die damalige Absetzung der US-Rechten um Goldwater und Buckley von der JBS als oberflächlich und dem späteren Aufstieg des Trumpismus Vorschub leistend kritisiert.56

3. Gegenreaktionen und der mediale Raum als Kampfgebiet

Phyllis Schlaflys Buch »A Choice Not an Echo« war 1964 nicht das einzige mediale Vehikel, das die Mobilisierung für Goldwater und die Abrechnung mit seinen politischen Gegnern zum Ziel hatte. Der damalige Wahlkampf erlebte erstmals den Boom einer neuen Form von in Millionenauflagen extrem günstig als Paperbacks in Umlauf gebrachten Pamphleten, die sich als seriöse Sachbücher tarnten, aber die Diffamierung des politischen Gegners betrieben. Sie wurden von kaum etablierten Autoren verfasst, im rechten Regnery- oder auch im Selbstverlag publiziert und oftmals über unkonventionelle Vertriebswege an ihre Leser:innen gebracht. Die Inhalte liefen auf die Verdammung nicht-konservativer Politik als unamerikanisch hinaus. Schon die Publikationsorte in der US-Provinz, abseits der Ostküstenmetropolen, spiegelten ihren anti-elitären und anti-zentristischen Ansatz.57 Zeitgleich erschienen auch einige Bücher, die wiederum mit Goldwater hart ins Gericht gingen, beispielsweise »Barry Goldwater. Extremist of the Right« von Fred J. Cook.58 Die Polarisierung und Polemisierung des medialen politischen Ringens wurde von der Johnson-Regierung und Teilen der liberalen Medienöffentlichkeit ebenfalls forciert. Der eingangs erwähnte Fernsehspot »Confessions of a Republican« (1964) oder auch die berüchtigte »Daisy-Ad«, in der die Entscheidung zwischen Goldwater und Johnson als die schlichte Wahl zwischen nuklearem Massensterben und dem Überleben in Frieden inszeniert wurde, setzten das Medium Fernsehen effektiv dazu ein, vor Goldwater als beinahe diabolischer Figur zu warnen.59 Dabei lieferte Goldwater der Gegenseite durch sein Auftreten als ungekünstelt kommunizierender (Anti-)Politiker mehr als reichlich Munition für »negative ads aimed at scaring the bejesus out of numerous Americans«, wie es David Farber formuliert.60

Präsidentschaftswahlkampagne von Tony Schwartz für Lyndon B. Johnson 1964: »Peace, Little Girl«/»Daisy-Ad«. Krieg, Frieden und Werbung im Atomzeitalter – oder: Goldwater als apokalyptischer Reiter

Der Widerstand, der Goldwater aus den damaligen Massenmedien entgegenschlug, war erheblich. Gegen den langjährigen Trend sprach sich eine deutliche Mehrheit der US-Tageszeitungen explizit für den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten aus. 445 Zeitungen unterstützten Johnson, 368 traten für Goldwater ein, wobei dies auf das jeweilige Lesepublikum hochgerechnet ein Verhältnis von 27,6 Millionen zu 9,7 Millionen bedeutete.61 Nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Ablehnung in der politisch-medialen Öffentlichkeit war außergewöhnlich. Goldwater hatte auf dem Nominierungsparteitag in San Francisco klar gemacht, dass er sich ideologisch nicht selbst verleugnen und seine Überzeugungen auch als Präsidentschaftskandidat vehement verteidigen werde: »I would remind you that extremism in the defense of liberty is no vice. And let me remind you also that moderation in the pursuit of justice is no virtue.«62

16. Juli 1964, San Francisco:
Goldwaters berühmteste Sätze und die Reaktion im »Cow Palace«

Dieser Anspruch, die zugrundeliegende Ideologie und die Tatsache, dass Goldwaters Fraktion die innerparteiliche Nominierung überhaupt erringen konnte, erzeugten das Schreckensbild eines neuen amerikanischen Autoritarismus, das durch parteiinterne Gegner wie die Strömung um Rockefeller, durch Präsident Johnsons Demokraten und durch einen großen Teil der Medien in der Folgezeit weiter in den öffentlichen Raum projiziert wurde. Es war das Narrativ von Goldwater als extremistischem Demagogen, der sich durch seinen verantwortungslos radikalen Nationalismus und seine fanatische Anhängerschaft zur Übernahme Amerikas aufschwinge und hierbei die Grenzen des Sagbaren nach rechts verschiebe, bis sich die Maßstäbe einer westlichen Demokratie auflösten.63

Zu einem Zeitpunkt, als das Ende des Zweiten Weltkrieges nicht einmal zwei Dekaden zurücklag, sprach etwa Martin Luther King Jr. von »dangerous signs of Hitlerism in the Goldwater Campaign«,64 und der Demokratische Gouverneur von Kalifornien warnte: »The stench of fascism is in the air.«65 Lincolns Partei, so urteilte die »New York Times«, sei dabei, sich in eine »right-wing splinter group« zu verwandeln. Dass Goldwater Kandidat habe werden können, sei »a disaster for the Republican Party and a blow to the prestige and to the domestic and international interests of the United States«.66 Ob solche sich als liberal verstehenden Individuen und Medien wirklich an die faschistische Analogie glaubten, ist dabei gar nicht unbedingt relevant. Wichtiger ist, dass sich derartige Deutungen und Zuschreibungen in der damaligen Öffentlichkeit etablieren konnten. Hierbei wurde auf Seiten Präsident Johnsons nicht nur mit Angst, sondern auch mit Humor und Spott als Werkzeugen zur Diffamierung gearbeitet. Dass Goldwater und seine Ideen einmal Amerika regieren könnten, musste der Öffentlichkeit als irrwitzige Wahnidee, als schlechter Scherz kommuniziert werden. Jack Valenti, Werbefachmann und Berater des Präsidenten, schrieb diesem während des Wahlkampfes 1964: »We ought to treat Goldwater not as an equal, who has credentials to be President, but as a radical, a preposterous candidate who would ruin this country and our future. Method: Humor, barbs, jokes, ridicule. If we lambast him in rebuttal, if we answer his charges seriously, if we accept him as a legitimate candidate, we will be elevating him.«67 Berühmt wurde in diesem Kontext die Verballhornung von Goldwaters eigenwillig defensivem Wahlkampfslogan »In your heart, you know heʼs right!«. Seine Gegner machten daraus schlicht und diffamierend: »In your guts, you know heʼs nuts!«68

Civil-Rights-Aktivisten, verkleidet als Anhänger des Ku-Klux-Klans, protestierten im Juli 1964 beim Parteitag der Republikaner in San Francisco gegen Goldwater.
(Library of Congress, Public Domain, Foto: Warren K. Leffler [1926–2014])

Dabei kann man von einer dynamischen Polarisierung sprechen: In dem Maße, wie sich der mediale Mainstream von Goldwater distanzierte und in Teilen fast apokalyptisch warnte, steigerten sich auch Goldwaters Unterstützer:innen in ihrer anti-medialen Einstellung und legten so die Fundamente für das später große Popularität erlangende Narrativ vom »liberal media bias«.69 Offen blieb zunächst, welchen Effekt diese Konstellation für die Mobilisierung der Wähler:innen haben würde. Wie es Martin Breckheimer in seiner Dissertation über die Goldwater-Bewegung ausgedrückt hat, war es »diese paradoxe Gleichzeitigkeit von großer Intensität, hohem Aktivitätsgrad und zentrifugalen Abwanderungsbewegungen, die auf die Beobachter verwirrend wirkte und eine verläßliche Einschätzung der wahren Stärke Goldwaters erschwerte«.70

Unmittelbar nachdem Goldwater die Wahl vernichtend verloren hatte, übte er heftige Kritik an der medialen Berichterstattung und der angeblichen Diffamierung seiner Person: »I have never seen or heard of in my life such vitriolic, unbased attacks on one man as has been directed to me.«71 Als Grund für den Wahlausgang sah er die effektive Propaganda gegen alles Nicht-Liberale und die staatlich institutionalisierte Machtposition seiner Gegner:innen. Einer solchen Konstellation könnten Konservative in Zukunft einzig durch den Aufbau eines größeren eigenen Medienapparates entgegentreten: »We have to be constantly on television, and so forth and so on, to build over some kind of a […] machine that can cope with this vast power of the federal machine.«72 Hier schwang gar der Vorwurf korrupter Strukturen mit.

Den »Wahlkrieg« des Jahres 1964 hatte Goldwater auch deshalb verloren, da sowohl er persönlich wie auch seine politischen Ideen in einem bis dato kaum vergleichbaren Ausmaß als irrational, systemgefährdend oder schlicht undenkbar rezipiert und verformt wurden. Über die Breite und Schärfe des Anti-Goldwaterismus merkte etwa Goldwaters Vertrauter William F. Buckley Jr. 1966 in seiner eigenen Fernsehshow vor Sarkasmus triefend an: »It seems to me clear that the opposition to Goldwater was very highly energized, was hyperbolic. They seemed finally to divide into two schools of thought. One thought that Goldwater, primarily, wanted to be President so that he could start a nuclear war. Another thought that he wouldn’t start a nuclear war until he first committed the old people to euthanasia and pulled out the stops in the Tennessee Valley and flooded all the people and so on.«73

4. Entgrenzung des politischen Wettbewerbs oder
Goldwaterismus als Krankheit:
»The Unconscious of a Conservative«

Wie außergewöhnlich stark Goldwater für Teile Amerikas ein Bedrohungsgefühl erzeugte und wie dabei die Grenzen des politischen Wettbewerbs erodierten, illustriert auch die durch die politische Einflussnahme von US-Psychiater:innen gegen ihn ausgelöste Kontroverse. Im Sommer 1964 verschickte das vom New Yorker Journalisten Ralph Ginzburg herausgegebene politische Magazin »Fact« an 12.356 US-amerikanische Psy­chiater:innen ein Schreiben mit folgender Frage: »Do you believe Barry Goldwater is psychologically fit to serve as President of the United States?« Auf diese halbrhetorische Frage reagierten insgesamt 2.417 Personen.74 »Fact« setzte folgende Schlagzeile auf das Cover: »1,189 Psychiatrists Say Goldwater Is Psychologically Unfit To Be President!«

Magazin »Fact«, September/Oktober 1964
(Wikimedia Commons, Public Domain)

Unterschlagen wurde dabei, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten diese Aussage so niemals getroffen hatte. Ginzburgs einleitender Essay setzte bereits den Ton, indem er von oder über Goldwater getätigte Zitate mit mentalen Krankheitsbildern in Verbindung brachte. Goldwaters scharfe Warnungen vor kommunistischer Welteroberung und inländischer Unterwanderung durch sozialistische Strömungen (»Stop the spread of socialism at home and Communism abroad«75) wurden als Ausdruck einer wahnhaften Störung interpretiert und dabei in direkte Nähe zu Adolf Hitler gerückt, da beide einen vergleichbar krankhaften Verfolgungswahn gehabt hätten.76 Die Verbindung zur Paranoia wiederum wurde auch von einzelnen psychiatrischen Expert:innen im Hauptteil des Heftes gezogen: »Goldwater is the champion of paranoids, who, in extreme cases, see him as a Messiah sent to save them from these imagined threats […]. For the first time in a national election these people have a champion of their own and they are making the most of it. The danger is that those citizens who are usually more stable will have their latent paranoid tendencies aroused to the extent of also seeing Goldwater as a savior.«77

Andere Kommentare sprachen von einem »megalomaniac«. Goldwater mobilisiere »a tremendous following from amongst cranks, crackpots, seekers of easy answers, racially bigoted and destructive elements of the South and West«.78 Er sei »emotionally unstable, impulsive, inadequately informed, and opinionated«,79 »reflects the ideals of the lunatic fringe of the right«.80 Aufgrund seiner charakterlichen Defizite sei er zum Schlimmsten fähig: »[He] may for personal glory sacrifice the future of the world.«81 Zu ähnlich extremen Schlussfolgerungen kam auch der Direktor einer psychiatrischen Klinik auf Long Island: »Senator Barry Goldwater gives the superficial appearance of solidity, stability, and honesty. However, my impression is of a brittle, rigid personality structure, based on a soft-spoken continuous demand for power and authority and capable of either shattering like crystal glass or bolstering itself by the assumption of a paranoid stance and more power over others.«82 Jener Psychiater ließ sich im Gegensatz zu vielen anderen Befragten mit seinem Namen zitieren, hielt dabei allerdings fest: »In allowing you to quote me, which I do, I rely on the protection of Goldwater’s defeat at the polls in November; for if Goldwater wins the Presidency, both you and I will be among the first into the concentration camps.«83 Die Trennlinien zwischen Konservatismus und Faschismus, zwischen Demokratie und Diktatur lösten sich in diesem Denken auf.

Es gab allerdings auch Stimmen, die gerade Goldwaters Standpunkte als Ausdruck eines gesunden und rationalen Geistes interpretierten, der sich mit jedem Recht der Welt gegen eine kollektive Wahnstimmung aus Ignoranz und Selbsthass erhebe: »Can pro-Americanism, anti-Communism, and pro-individual freedom and initiative really be as terrible as the communication media would have us believe?«84 Im Verständnis dieser Gruppe sollten Goldwaters Kritiker ihr eigenes mentales Verhältnis zur Realität hinterfragen: »He is mature enough to be a realist, and to adopt to the world as it is, and does not subscribe to the illusions (and/or delusions) of the visionary ›one-worlders‹.«85 Dass es in der öffentlichen Wahrnehmung zur propagandistischen Verfälschung seiner Aussagen und Ziele komme, liege nicht in Goldwaters Macht, sondern gehe auf das Konto von liberalen Meinungsführer:innen: »I believe that Barry Goldwater’s public statements, when not distorted or misinterpreted, indicate him to be a thoughtful, capable person with great respect for his country and his fellow man.«86 Schon der Versuch von »Fact« sei verdammenswert, Individuen, die ihr Leben der medizinischen Hilfe anderer Menschen verschrieben hätten, für die perfide Hetze gegen Goldwater einzuspannen, um solche Agitation letztendlich noch zu legitimieren: »I can assure you that no self-respecting, clinically-minded, and sincere physician or psychiatrist will answer it.«87

Ähnlich vernichtende Kritik folgte von Seiten der American Psychiatric Association (APA), die sich bereits nach dem Versenden des »Fact«-Briefes scharf vom Vorgehen des Magazins distanziert hatte.88 Nach der Auslieferung des Heftes »The Unconscious of a Conservative« wandte sich der Präsident der APA, Daniel Blain, in einem Statement an die US-amerikanische Öffentlichkeit und verurteilte jeden Versuch der Politisierung seiner Profession und ihrer Angehörigen. Er sprach seinen Kolleg:innen explizit das Recht ab, ihre beruflich-fachliche Position zur politischen Mobilisierung oder Agitation einzusetzen.89

Dass es sich bei dem Vorgehen von »Fact« um eine eklatante Normverletzung gehandelt habe, die sich nicht wiederholen dürfe – zu dieser Ansicht kam nach der Wahl auch Goldwater selbst. Er strengte gegen das Magazin und dessen Verantwortliche 1966 ein Gerichtsverfahren wegen des Vorwurfs der Verleumdung (»Defamation«) an, das zuerst vor einem New Yorker Gericht und danach 1969 in Berufung verhandelt wurde. Goldwater gewann diese Prozesse, da die Rechtsprechung es in beiden Fällen als erwiesen ansah, dass bei den Beklagten eine »Schädigungsabsicht« (»actual malice«) erkennbar sei. Herausgeber Ginzburg, Chefredakteur Boroson und das zu diesem Zeitpunkt bereits eingestellte »Fact« wurden zur Zahlung von insgesamt 75.000 US-Dollar verurteilt. Was die an der Sonderausgabe des Magazins beteiligten psychiatrisch tätigen Personen betraf, ergaben sich keine juristischen Konsequenzen.90 Die Involvierung von »Mental Health« in den öffentlichen Prozess des politischen Wettbewerbs, Diskurses oder Kampfes wurde schließlich in den Ethikleitlinien der APA durch die Einführung der »Goldwater Rule« 1973 als unzulässig eingestuft. Psychiatrisch tätige Personen sollten keine Urteile oder Ferndiagnosen über Menschen des öffentlichen Lebens publik machen.91 Jener Grundsatz hielt sich im Großen und Ganzen während der folgenden Jahrzehnte und führte dazu, dass sich eine Situation wie 1964 auch während vergleichbar polarisierender Wahlkämpfe in den Vereinigten Staaten so nicht wiederholte – bis 2016.92

5. Fazit: Goldwaterismus, Trumpismus und
die Geschichte der Gegenwart

Die politischen, kulturellen, gesellschaftlichen und technologischen Verhältnisse der 1960er- und 2010er-Jahre unterscheiden sich fundamental. Dazu kommt der zentrale Unterschied, dass Goldwater nie ins Weiße Haus gelangte, Trump aber entgegen jeder Erwartung 2017 Präsident wurde. Als Trump 2016 politisch mobilisierte, zeigten sich indes auch frappierende Ähnlichkeiten. Es ergeben sich gleichermaßen interessante Differenzen und Analogien der politischen Ideologien, der gesellschaftlichen Debatten, der Inszenierungsstrategien und der medialen Bedingungen.

5.1. Differenzen. Die in den Vereinigten Staaten heute so virulenten Themen wie Einwanderungspolitik, gesellschaftlich-religiöse Streitpunkte (das Recht auf Abtreibung), Identitätspolitik und der Schutz von Minderheiten, das Gesundheitssystem oder Frauenrechte prägten nicht im gleichen Maße die Debatten der mittleren 1960er-Jahre. Diese Fragen rückten nach 1964 aber bald auf die Agenda. Wie Goldwater 52 Jahre zuvor stieß Trump in weiten Teilen der US-Leitmedien auf extreme Ablehnung, und die Warnung vor einer exzeptionellen Gefahr für das politische System der USA durch seine Kandidatur mobilisierte erhebliche Teile der Bevölkerung. Die Unterschiede zu 1964 lagen allerdings zum einen darin, dass eine machtvolle Medien-Maschinerie, wie sie Goldwater gefordert hatte, 2016 etwa in Form des Fernsehsenders Fox News tatsächlich existierte. In der damit geschaffenen konservativen (Gegen-)Öffentlichkeit konnten alternative Narrative zu den anti-trumpistischen Untergangserzählungen jener als »liberal« deklarierten und denunzierten Medien etabliert werden. Dazu konnten Gegendarstellungen präsentiert und eigene Diffamierungen des politischen Gegners gesendet werden. Seit Fox News 1996 auf der nationalen Bühne in Erscheinung getreten war, hatte es der Sender geschafft, eine konservative Gegenwelt zu erzeugen und zu verankern.93 Oder, wie Nicole Hemmer es ausdrückt: »Fox News represented the culmination of a half century of conservative hopes.«94 Die Existenz einer eigenen Infrastruktur zur politischen Beeinflussung war zwar neu, nicht aber die Grundtendenz der weltanschaulichen Separierung. Wie der Politikwissenschaftler Daniel C. Hellinger argumentiert, stellte sich die mediale Situation 2016 in Bezug auf ideologische Polarisierung ähnlich dar, wie es zum ersten Mal Mitte der 1960er-Jahre zu beobachten gewesen war: »[I]n the Trump era we have transitioned, in a trend that can be traced back at least to Reagan years, if not the Goldwater candidacy, to media silos that separate us into camps.«95 Vieles fing also mit Goldwater an.

Diese politisch-propagandistische Infrastruktur erweiterte sich durch das Internet und speziell durch Social Media in einer Weise, die die Wirkmacht der »klassischen« Medien massiv schwächte. Mit Hilfe von Social Media konnte Trump in hoher Frequenz selbst gewählte Themen etablieren, rhetorische Angriffe auf Gegner in absurder Zahl durchführen, landesweite (oder gar globale) Aufmerksamkeit generieren sowie seine konservativ-populistischen Narrative ganz ungefiltert verbreiten.96 Dabei gelang es ihm, durch Zuspitzung, Polemik oder glatte Falschbehauptungen umfassende Reaktionen von etablierten Medien zu erzeugen. Im Sinne der »Aufmerksamkeitsökonomie« unserer Gegenwart97 konnte der Trumpismus diese von ihm denunziatorisch und in völliger Verdrehung der Tatsachen als Überbringer von »Fake News« gelabelten Organe so trotz inhaltlicher Ablehnung für sich nutzbar machen.98 Mediale Aufmerksamkeit hatte auch Goldwater in hohem Maße erfahren und mobilisiert, aber erst Trump vermochte es, die aus der Werbebranche stammende Behauptung »any publicity is good publicity« in solcher Breite zu verifizieren.

Trump distanzierte sich auch nicht grundsätzlich von den rechtsextremen Gruppierungen im Jahr 2016. Stattdessen übernahm er nach Auffassung einiger Beobach­ter:innen die politischen Kommunikationsstrategien und verschwörungstheoretischen Grundnarrative der John Birch Society für die Konstruktion seiner politischen Agenda, indem er jenen 1964 von Richard Hofstadter geprägten Ansatz des »paranoid style« nutzte.99 Eine mit dem JBS-Vorsitzenden Welch Mitte der 2010er-Jahre gut vergleichbare Figur wie der über enorme Reichweite verfügende radikale Verschwörungstheoretiker Alex Jones (»InfoWars«) wurde von Trump hofiert, unterstützt sowie letztlich auch legitimiert – und vice versa. Eine solche Verbrüderung zwischen Elementen der extremen Rechten und dem Republikanischen Kandidaten kann als bis dato beispiellos bezeichnet werden.100 Während Goldwater Distanz zu Welch zu erzeugen versucht hatte, ohne den Rückhalt von dessen Bewegung zu verlieren,101 bestand Trumps Strategie darin, nicht nur die explizite, unmissverständliche Absage an extremistische Gruppierungen und Individuen zu vermeiden, sondern deren Taktiken, Narrative und Rhetorik bis zu einem gewissen Grad einfach zu übernehmen.102

Mit dem Auftreten von Trump 2015/16 wiederholten sich die Debatten um »The Unconscious of a Conservative«, wobei das Engagement von »mental health experts« gegen den Republikanischen Kandidaten nun deutlich umfassender war und keineswegs allseitig kritisiert wurde. Vielmehr entstanden daraus diverse Anti-Trump-Gruppierungen wie »Duty to Warn« oder »Citizen Therapists Against Trumpism«; dazu wurde vielfach die Aufhebung der »Goldwater Rule« gefordert.103 Offen bleibt, in welchem Maße dieser Paradigmenwechsel durch einen habituell-ideellen Wandel innerhalb der Professionen, die exzeptionell polarisierende und dezidiert auf Provokation zielende Figur Trump oder einen sehr basalen Prozess der gesamtgesellschaftlichen Blockbildung beeinflusst wurde.

5.2. Analogien. Ideengeschichtlich betrachtet handelte es sich bei Goldwaterismus und Trumpismus gleichermaßen um Varianten eines rechtskonservativen Amerikanismus. Der Begriff »Amerikanismus« bezeichnet die Zivilreligion oder Gemeinschaftsideologie im Kern des US-amerikanischen Nationalverständnisses und wechselte historisch zwischen liberalen/linken sowie konservativ/rechten Definitionen. Mit dem Fortschreiten des Kalten Krieges und den gesellschaftlichen Umwälzungen der 1960er-Jahre kann von einer Inbesitznahme des Konzepts durch die US-Rechte gesprochen werden, die bis heute anhält.104 Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Globalisierungs-/Internationalisierungssprünge, dem Aufstieg neuer und potentiell ebenbürtiger Systemrivalen sowie der befürchteten Erosion US-amerikanischer Omnipotenz im machtstrategisch-militärischen Bereich suggerierten Goldwaterismus und Trumpismus einen Ausweg durch die Reorientierung auf »amerikanische Interessen« und die damit verheißene Komplexitätsreduktion. Der Goldwaterismus richtete sich explizit gegen »internationalism«,105 und der Trumpismus definierte sich als »Americanism, not globalism«.106 Darin schwang bei beiden Protagonisten der nahezu sakrale Anspruch mit, die »ursprüngliche« Idee von Amerika gegen ihre angebliche links-modernistische Perversion zu verteidigen. Trump übernahm auch Goldwaters Narrativ der »vergessenen« Amerikaner und stellte sich dabei in fast messianischer Weise als Retter dieser vermeintlich marginalisierten Gruppe dar – die in beiden Fällen primär weiß gelabelt war.

Trumpismus und Goldwaterismus bargen massives Polarisierungs- und (Gegen-)Mobilisierungspotential (innerparteilich, national, global). Ebenso teilten sie die Versprechen, US-Interessen in der Welt ultimativ an erste Stelle zu setzen und den Feinden der USA entschlossen und gegebenenfalls gnadenlos entgegenzutreten, die vehemente Ablehnung von den Nationalstaat übersteigenden inter- und transnationalen Institutionen sowie den Anspruch, Amerika »wieder« zu Amerika zu machen und die Sackgasse nationaler Selbstverleugnung zu verlassen. Die Ideen Goldwaters und Trumps waren im Kontext ihrer jeweiligen Zeit die Zuspitzung Republikanischer Botschaften von US-amerikanischer Identität und ihrer Rolle in der Welt. Goldwater und Trump sahen die USA in einem globalen Kampf, bei dem nicht Kompromisse, Beschwichtigung oder gar Rückzug die Lösung sein könnten, sondern nur das Streben nach einem (eher diffus bleibenden) amerikanischen »Sieg«. Das Beharren auf einer falschen, die Feinde der USA privilegierenden Stabilität sei ein Verrat an der Essenz von Amerika, dem eine andere, neue Dynamik der globalen Veränderung durch US-Stärke entgegengesetzt werden müsse.

Goldwaterismus und Trumpismus berührten dazu in zweierlei Hinsicht die Frage nach historischer Exzeptionalität. Zum einen fußten beide Zeitströmungen fundamental auf dem Selbstverständnis der USA als weltgeschichtlich und moralisch in jeder Hinsicht positiv aufgeladenem Zivilisationsprojekt, für das infolgedessen ganz eigene Maßstäbe gelten. Zum anderen wurde das Erscheinen beider Akteure auf der nationalen Bühne von politischen Gegnern und einem erheblichen Teil der US-Öffentlichkeit als exzeptioneller Bedrohungsmoment gelesen, in dem der geschichtlich gewachsene Grundkonsens dessen in Mitleidenschaft gezogen werde, was an Werten, Idealen und Zielen in demokratischem Wettbewerb und politischer Praxis der USA als legitim oder eben »amerikanisch« angesehen werden könne. Zu Ende gedacht konnte sogar der Fortbestand des amerikanischen Experiments selbst durch Goldwaterismus und Trumpismus in Frage gestellt werden.

Goldwater und der Protest gegen ihn, Ohio 1964:
Exzeptionelle Bedrohungskonstellation?
(United Archives/TopFoto/Süddeutsche Zeitung Photo)

Auch wenn der historische Kontext sich in einem halben Jahrhundert vielfältig gewandelt hatte, blieben einige Narrative somit erstaunlich konstant und ähnelten sich politische Dynamiken eklatant. Dies gilt auch, nachdem man von 2017 bis 2021 die historische Erfahrung einer Trump-Präsidentschaft gemacht hat und in diesem Kontext festhalten muss: Goldwater hatte trotz der ihm teils zugeschriebenen Diabolie die konstitutionellen Regeln der US-amerikanischen Demokratie immer akzeptiert. Er entwickelte sich in den späteren Jahren seines Lebens zu einem auch überparteilich respektierten Sicherheitspolitiker, der dem US-Senat bis 1987 diente.107 Hingegen unternahm der politische Hasardeur Trump 2020/21 nach seiner Niederlage den erfolglosen Versuch, die Regeln der US-Demokratie außer Kraft zu setzen. Insofern ließe sich bilanzieren: Trumpismus ist der Goldwaterismus des 21. Jahrhunderts, aber entkoppelt von dessen institutionellen Grenzen und moralischen Grundsätzen, rhetorisch stärker vulgarisiert sowie zur Ersatzreligion erhoben. Barry M. Goldwater war 1964 die Blaupause für eine Polarisierung, die später umso extremer wiederkehrte.


Anmerkungen:

1 Democratic National Committee, Confessions of a Republican (1964), in: YouTube, 9.7.2014.

2 Hillary for America, Confessions of a Republican (2016), in: YouTube, 18.7.2016.

3 Bogert trat bereits vor der Produktion bzw. Veröffentlichung von »Confessions of a Republican (2016)« vereinzelt bei TV-Sendern wie MSNBC auf, wo er die Analogien zwischen 1964 und 2016 und seine Ablehnung gegenüber Trump betonte. Uploads der alten Version hatten im Vorfeld bei YouTube Millionen von Klicks erhalten. Siehe exemplarisch Rachel Maddow, Echoes Of Barry Goldwater Seen in Donald Trump Campaign, in: Rachel Maddow, MSNBC, in: YouTube, 3.5.2016.

4 Vgl. Rick Perlstein, Before the Storm. Barry Goldwater and the Unmaking of the American Consensus, New York 2001, S. 513.

5 Vgl. hierzu etwa auch Andrew E. Busch, More Than a Trace. Political Periods, Presidential Losers, and the Goldwater and McGovern Experiences, in: The Forum. A Journal of Applied Research in Contemporary Politics 12 (2014), S. 465-480.

6 Siehe etwa Fred Barnes, Trump and the Ghost of Barry Goldwater, in: Wall Street Journal, 26.6.2016; Manfred Berg, Eine extreme Alternative, in: ZEIT, 25.2.2016, S. 17; John Dean, Don’t Compare Trump’s Presidential Campaign to Barry Goldwater’s, in: Verdict, 27.5.2016; Jeffrey Frank, From Goldwater to Trump: When Parties Fail to Stop Alarming Candidates, in: New Yorker, 1.3.2016; Ed Kilgore, Why Trump’s Takeover of the GOP Doesn’t Mirror Goldwater’s, in: New York/Intelligencer, 6.8.2019; David M. Shribman, The Goldwater Era Changed the GOP, so Could the Trump Nomination, in: Boston Globe, 16.7.2016; Alan Ware, Donald Trump’s Hijacking of the Republican Party in Historical Perspective, in: Political Quarterly 87 (2016), S. 406-414.

7 Dabei kritischer speziell: Dean, Don’t Compare (Anm. 6); Kilgore, Trump’s Takeover (Anm. 6); Ware, Donald Trump’s Hijacking (Anm. 6).

8 Siehe etwa Eugene Joseph Dionne Jr., Why the Right Went Wrong. Conservatism – From Goldwater to Trump and Beyond, New York 2016; Charles J. Holden/Zach Messitte/Jerald Podair, Republican Populist. Spiro Agnew and the Origins of Donald Trump’s America, Charlottesville 2019; Torben Lütjen, Partei der Extreme. Die Republikaner. Über die Implosion des amerikanischen Konservatismus, Bielefeld 2016.

9 Dionne, Why the Right Went Wrong (Anm. 8), S. 471, ebenso dort S. 16 und S. 39.

10 Stuart Stevens, It Was All a Lie. How the Republican Party Became Donald Trump, New York 2020, S. 4.

11 Max Boot, The Corrosion of Conservatism. Why I Left the Right, New York 2018, S. 168.

12 Ebd., S. 169.

13 Ebd., S. 200.

14 Phyllis S. Schlafly, A Choice Not an Echo, 3. Aufl. Alton 1964, S. 6.

15 Ebd., S. 97.

16 Der Begriff »liberal« wird in diesem Text gemäß seiner gegenwärtigen US-Auslegung als deckungsgleich mit politisch »links« genutzt.

17 Schlafly, Choice (Anm. 15), S. 83-85.

18 Phyllis Schlafly (with Ed Martin and Brett M. Decker), The Conservative Case for Trump, Washington 2016, S. ix.

19 Ebd., S. xvii-xix.

20 George F. Will, The Cheerful Malcontent, in: Washington Post, 31.5.1998, S. C07.

21 Siehe zu »A Time for Choosing« und dem später darum errichteten Kult: Eric D. Patterson/Jeffry H. Morrison (Hg.), The Reagan Manifesto. »A Time for Choosing« and Its Influence, Cham 2016.

22 Schlafly, Conservative Case (Anm. 18), S. 108.

23 »[The idea] that America is a country tarred by racism and nationalism that needs to be taken down a peg or two for a more just and egalitarian world order.« Ebd., S. 108f.

24 Ebd., S. 140f. (dortige Hervorhebung).

27 Gemeint waren mit »pressure groups« etwa »labor unions, racial groups, civil liberties groups, consumer groups, nationality groups, cooperatives, educational associations, and even so-called cultural and artistic groups«. Barry M. Goldwater, The Forgotten American Part I: A Statement of Proposed Republican Principles, Programs and Objectives, in: Human Events, 27.1.1961, S. 57-60, hier S. 57.

28 Barry M. Goldwater, Speech before the Annual Conference of UPI Editors and Publishers, Washington, D.C., 6.10.1964, S. 1-11, hier S. 4, in: ders., Campaign Speeches, 1964, Volume 3 [ohne Seitenangaben], in: Personal and Political Papers of Barry M. Goldwater. FM MSS 1. Greater Arizona Collection, ASU Library, Arizona State University, Tempe, AZ, URL: <https://prism.lib.asu.edu/items/76434>. Ebenso ders., Text of Goldwater’s Speech Formally Opening Presidential Campaign, 3.9.1964, in: New York Times, 4.9.1964, S. 12.

29 Vgl. Lütjen, Partei der Extreme (Anm. 8), S. 44f.

30 Vgl. Robert Alan Goldberg, Barry Goldwater, New Haven 1995, S. 219. Siehe umfassender zum Goldwaterismus als »Grassroots Campaign«: Lisa McGirr, Suburban Warriors. The Origins of the New American Right, Princeton 2001, 2015 (new edition, with a new preface by the author), S. 111-146.

31 Hillary R. Clinton, Living History, New York 2004, S. 21.

32 Richard Hofstadter, A Long View: Goldwater in History, in: New York Review of Books, 8.10.1964.

33 Barry M. Goldwater, Address Accepting the Presidential Nomination at the Republican National Convention in San Francisco, 16.7.1964, in: Gerhard Peters/John T. Woolley, The American Presidency Project, URL: <https://www.presidency.ucsb.edu/node/216657>.

34 Barry M. Goldwater, Excerpts of Remarks by Senator Barry Goldwater before a Campaign Rally at the Manchester Armory, Manchester, N.H., 5.3.1964, S. 1-2, in: ders., Campaign Speeches, 1964, Volume 1 [ohne Seitenangaben], in: Personal and Political Papers of Barry M. Goldwater. FM MSS 1. Greater Arizona Collection, ASU Library, Arizona State University, Tempe, AZ, URL: <https://prism.lib.asu.edu/items/76436>.

35 Barry M. Goldwater, Speech by Senator Barry Goldwater before the California Republican Assembly at the Hacienda Hotel, Fresno, CA, 14.3.1964, S. 1-5, hier S. 3, in: ders., Campaign Speeches, 1964, Volume 1 (Anm. 34).

36 Barry M. Goldwater, Remarks by Senator Barry Goldwater, Delivered to the Republican Unity Conference, Hershey, PA, 12.8.1964, S. 1-6, hier S. 1f., in: ders., Campaign Speeches, 1964, Volume 2 [ohne Seitenangaben], in: Personal and Political Papers of Barry M. Goldwater. FM MSS 1. Greater Arizona Collection, ASU Library, Arizona State University, Tempe, AZ, URL: <https://prism.lib.asu.edu/items/76435>.

37 Barry M. Goldwater, Why Not Victory? A Fresh Look at American Foreign Policy, New York 1962, S. 17f.; ders., Where I Stand, New York 1964, S. 62f.

38 Andrew Preston, John F. Kennedy and Lyndon B. Johnson, in: Steven Casey/Jonathan Wright (Hg.), Mental Maps in the Early Cold War Era, 1945–1968, New York 2011, S. 261-280, hier S. 268.

39 Barry M. Goldwater, The Conscience of a Conservative, Shepherdsville 1960, 22. Aufl. New York 1964, S. 91; dt. Übersetzung: Das Gewissen eines Konservativen, Göttingen 1964.

40 Vgl. Perlstein, Before the Storm (Anm. 4), S. 347f.

41 Exemplarisch zu Goldwaters Wirtschaft- und Staatsverständnis: Goldwater, Where I Stand (Anm. 37), S. 100-116; zu seiner Instrumentalisierung von US-amerikanischen Gründungsmythen siehe ders., What Does America Stand for? A Talk Given at Notre Dame University, 1964, in: Personal and Political Papers of Barry M. Goldwater. FM MSS 1. Greater Arizona Collection, ASU Library, Arizona State University, Tempe, AZ, URL: <https://prism.lib.asu.edu/items/76448>.

42 Vgl. Robert David Johnson, All the Way with LBJ. The 1964 Presidential Election, New York 2009, S. 123.

43 Goldwater, Opening Presidential Campaign (Anm. 28).

44 Vgl. Lütjen, Partei der Extreme (Anm. 8), S. 48.

45 Vgl. Dionne, Why the Right Went Wrong (Anm. 8), S. 57-59.

46 Vgl. Perlstein, Before the Storm (Anm. 4), S. 392.

47 Vgl. Goldberg, Goldwater (Anm. 30), S. 202.

48 Vgl. Johnson, All the Way with LBJ (Anm. 42), S. 134. Ein Zeitungsartikel sprach abweichend von »15 delegates and 26 alternates«. O.A., Negro Delegates Drop Plans to Walk Out as a Demonstration Against Goldwater, in: New York Times, 16.7.1964, S. 19.

49 Grundlegend zur JBS: D.J. Mulloy, The World of the John Birch Society. Conspiracy, Conservatism, and the Cold War, Nashville 2014.

50 Vgl. Terry Lautz, John Birch. A Life, New York 2016, S. 234-237.

51 Vgl. Rüdiger Bernd Wersich, Zeitgenössischer Rechtsextremismus in den Vereinigten Staaten. Organisation, Ideologie, Methoden und Einfluß, dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der John Birch Society, München 1978, S. 188.

52 Vgl. Mulloy, John Birch Society (Anm. 49), S. 10.

53 Vgl. Alvin S. Felzenberg, A Man and His Presidents. The Political Odyssey of William F. Buckley Jr., New Haven 2017, S. 143f.

54 Vgl. Lautz, John Birch (Anm. 50), S. 239.

55 Vgl. Mulloy, John Birch Society (Anm. 49), S. 92f.

56 Matthew Dallek, Debunking a Longstanding Myth About William F. Buckley, in: Politico, 31.3.2023; umfangreicher dazu ders., Birchers. How the John Birch Society Radicalized the American Right, New York 2023.

57 Vgl. Nicole Hemmer, Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics, Philadelphia 2016, S. 166-176.

58 Fred J. Cook, Barry Goldwater. Extremist of the Right, New York 1964.

59 Siehe detailliert zur »Daisy-Ad«: Robert Mann, Daisy Petals and Mushroom Clouds. LBJ, Barry Goldwater, and the Ad That Changed American Politics, Baton Rouge 2011.

60 David Farber, The Rise and Fall of Modern American Conservatism. A Short History, Princeton 2010, S. 113.

61 Vgl. Goldberg, Goldwater (Anm. 30), S. 223.

62 Goldwater, Presidential Nomination (Anm. 33).

63 Vgl. Perlstein, Before the Storm (Anm. 4), S. 392f.; Robert Mason, The Republican Party and American Politics from Hoover to Reagan, New York 2012, S. 201f.; Goldberg, Goldwater (Anm. 30), S. 223f.

64 Zit. nach Donald T. Critchlow, The Conservative Ascendancy. How the GOP Right Made Political History, Cambridge, Mass. 2007, S. 71.

65 Zit. nach Perlstein, Before the Storm (Anm. 4), S. 392.

66 O.A. [Editorial], The Goldwater Nomination, in: New York Times, 16.7.1964, S. 30.

67 Jack Valenti, Memorandum for the President, 7.9.1964, in: Mann, Daisy Petals and Mushroom Clouds (Anm. 59), Appendix, S. 133-135, hier S. 133 (dortige Hervorhebung).

68 Vgl. Scott John Hammond/Robert North Roberts/Valerie A. Sulfaro, Presidential Campaigns, Slogans, Issues, and Platforms: The Complete Encyclopedia, Volume I: Slogans, Issues, Programs, Personalities, and Strategies, Santa Barbara 2012, S. 231f.

69 Vgl. Hemmer, Messengers of the Right (Anm. 57), S. 162f.

70 Martin Breckheimer, Revolte auf der amerikanischen Rechten. Konservative Bewegung, Republikanische Partei und Senator Barry M. Goldwater 1958–1964, phil. Diss. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. 1992, S. 313.

71 Barry M. Goldwater, Text of Goldwater Statement on 1964 Election, S. 2, in: Personal and Political Papers of Barry M. Goldwater. FM MSS 1. Greater Arizona Collection, ASU Library, Arizona State University, Tempe, AZ, URL: <https://prism.lib.asu.edu/items/76473>.

72 Ebd.

73 Firing Line with William Buckley, The Future of the Republican Party, 26.5.1966, Transkript, S. 9, Hoover Institution Library and Archives, URL: <https://digitalcollections.hoover.org/objects/5947/the-future-of-the-republican-party>.

74 Warren Boroson, What Psychiatrists Say About Goldwater, in: Fact, September/Oktober 1964, The Unconscious of a Conservative: A Special Issue on the Mind of Barry Goldwater, S. 24-64, hier S. 24. Der Hefttitel war eine Anspielung auf den Bestseller »The Conscience of a Conservative« von 1960, mit dem sich Goldwater politisch profiliert hatte.

75 So ein von ihm während des Wahlkampfes prominent verwendeter Slogan. Exemplarisch etwa hier: Barry M. Goldwater, Campaign Speech at Milwaukee Arena, WI, 13.10.1964, S. 1-8, hier S. 3, in: ders., Campaign Speeches, 1964, Volume 3 (Anm. 28).

76 Ralph Ginzburg, Goldwater: The Man and the Menace, in: Fact, The Unconscious of a Conservative (Anm. 74), S. 3-22, hier S. 4.

77 Name Withheld, Boroson, What Psychiatrists Say (Anm. 74), S. 48.

78 Name Withheld, ebd., S. 26f., hier S. 26.

79 Anonymous, ebd., S. 53.

80 Henry A. Troy, ebd., S. 61.

81 Emy A. Metzger, ebd., S. 39.

82 G. Templeton, ebd., S. 24 (dortige Hervorhebung).

83 Ebd.

84 Gordon C.G. Thomas, ebd., S. 33.

85 John Paul McKenney, ebd., S. 31.

86 William F. Wagenbach Jr., ebd., S. 35.

87 Charles H. Brown, ebd., S. 44.

88 Vgl. American Psychiatric Association, Task Force Report 11: The Psychiatrist as Psychohistorian, Washington 1976, S. 1.

89 Vgl. ebd., S. 2.

90 Siehe United States District Court, S.D. New York, 27.12.1966: Goldwater v. Ginzburg, 261 F. Supp. 784 (S.D.N.Y. 1966), URL: <https://casetext.com/case/goldwater-v-ginzburg-2>; United States Court of Appeals, Second Circuit, 18.7.1969: Goldwater v. Ginzburg, 414 F.2d 324 (2d Cir. 1969), URL: <https://casetext.com/case/goldwater-v-ginzburg>.

91 »On occasion psychiatrists are asked for an opinion about an individual who is in the light of public attention or who has disclosed information about himself/herself through public media. In such circumstances, a psychiatrist may share with the public his or her expertise about psychiatric issues in general. However, it is unethical for a psychiatrist to offer a professional opinion unless he or she has conducted an examination and has been granted proper authorization for such a statement.« American Psychiatric Association, The Principles of Medical Ethics. With Annotations Especially Applicable to Psychiatry, Arlington, 2013 Edition, S. 9, Section 7.3, URL: <https://www.psychiatry.org/getmedia/3fe5eae9-3df9-4561-a070-84a009c6c4a6/2013-APA-Principles-of-Medical-Ethics.pdf>.

92 Beispielhaft erwähnt sei allerdings folgende Publikation, in der Psycholog:innen den Versuch unternahmen, detaillierte Psychogramme früherer US-Präsidenten zu erstellen, inklusive des damaligen Amtsinhabers George W. Bush: Thomas R. Faschingbauer/Steven J. Rubenzer, Personality, Character, and Leadership in the White House. Psychologists Assess the Presidents, Washington 2005; siehe außerdem exemplarisch in Bezug auf bereits aus dem Amt geschiedene Präsidenten: John D. Gartner, In Search of Bill Clinton. A Psychological Biography, New York 2008.

93 Zum Wandel der Medienwelt vgl. Michael Oswald, Die Tea Party als Obamas Widersacher und Trumps Wegbereiter. Strategischer Wandel im Amerikanischen Konservatismus, Wiesbaden 2018, S. 192-196. Schon in den ersten Jahrzehnten nach Goldwaters Kandidatur war es vor allem der religiösen Rechten in den USA zunehmend gelungen, ihre Narrative und Gegenwartsdeutungen über die Fernseh­nachrichtenkultur in die breite US-Öffentlichkeit einzuspeisen. Siehe Felix Krämer, Moral Leaders. Medien, Gender und Glaube in der USA der 1970er und 1980er Jahre, Bielefeld 2015.

94 Hemmer, Messengers of the Right (Anm. 57), S. 266.

95 Daniel C. Hellinger, Conspiracies and Conspiracy Theories in the Age of Trump, Cham 2019, S. 91.

96 Vgl. zu Trumps Umgang mit Twitter, auch in der Amtszeit 2017–2021: Thomas Gallagher, The Outsider on the Inside. Donald Trump’s Twitter Activity and the Rhetoric of Separation from Washington Culture, in: Atlantic Journal of Communication 27 (2019), S. 183-199; Yu Ouyang/Richard W. Waterman, Trump, Twitter, and the American Democracy. Political Communication in the Digital Age, Cham 2020; Peter Strohschneider, POTUS als Twitterer, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 12 (2018) H. 3, S. 61-75.

97 Angelehnt an die Begrifflichkeit von Georg Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München 1998.

98 Vgl. zur Perspektive der Medien und deren cleverer Instrumentalisierung durch Trump: Marjorie Randon Hershey, The Media: Covering Donald Trump, in: Michael Nelson (Hg.), The Elections of 2016, Washington 2018, S. 113-135.

99 Zac Gershberg, Rhetoric in a Transmedia Storytelling Campaign. How Trump Deployed the Paranoid Style in 2016, in: John Allen Hendricks/Dan Schill (Hg.), The Presidency and Social Media. Discourse, Disruption, and Digital Democracy in the 2016 Presidential Election, New York 2017, S. 174-188; Roderick P. Hart, Donald Trump and the Return of the Paranoid Style, in: Presidential Studies Quarterly 50 (2020), S. 348-365; grundlegend außerdem Hellinger, Theories in the Age of Trump (Anm. 95).

100 Vgl. David Neiwert, Alt-America. The Rise of the Radical Right in the Age of Trump, London 2017, S. 282-284.

101 Vgl. Mulloy, John Birch Society (Anm. 49), S. 92f.

102 Vgl. grundlegend Neiwert, Alt-America (Anm. 100).

103 Vgl. umfassend dazu John Martin-Joy, Diagnosing from a Distance. Debates over Libel Law, Media, and Psychiatric Ethics from Barry Goldwater to Donald Trump, Cambridge, UK 2020; ebenso Justin T. Piccorelli/R. McGreggor Cawley, The Case of Donald Trump and the Goldwater Rule. Politics and Professional Ethics Intertwined, in: Political Research Quarterly 75 (2022), S. 1313-1320.

104 Vgl. Michael Kazin/Joseph A. McCartin, Introduction, in: dies. (Hg.), Americanism. New Perspectives on the History of an Ideal, Chapel Hill 2006, S. 1-21, hier S. 6.

105 Goldwater, Why Not Victory? (Anm. 37), S. 129.

106 Donald J. Trump, Republican Nomination Acceptance Speech, Cleveland, OH, in: Politico, 21.7.2016.

107 Vgl. umfassend zur Biographie: Goldberg, Goldwater (Anm. 30).

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