Heidelberg, Beirut und die »Dritte Welt«

Palästinensische Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland (1956–1972)

  1. Struktur und Ereignis: Eine lange Geschichte des Wendejahres 1967
  2. Nach 1967: Palästinensische Politik in der Welt und in Westdeutschland
  3. Fazit

Anmerkungen

Am 23. März 1970 veröffentlichte die Beiruter Wochenzeitung »al-Hurriya« (»Die Frei­heit«) auf ihrer Titelseite das Foto einer Demonstration in Heidelberg unter der Überschrift: »Die deutsche Linke und die palästinensische Widerstandsbewegung«. In der Ausgabe widmete sich ein dreiseitiger Artikel diesem Thema. »Al-Hurriya« – zu diesem Zeitpunkt eine wichtige Publikation der Demokratischen Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) – hob nicht nur die pro-palästinensische Mobilisierung in der Bundesrepublik hervor, sondern auch spezifische Entwicklungen in Heidelberg. Abgedruckt wurde unter anderem die arabische Übersetzung eines gemeinsamen Aufrufes des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) Heidelberg und der Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS) zu einer »Palästina Demonstration«. Im Februar 1970 war dieser Aufruf in der Heidelberger SDS-Zeitschrift »Rote Kommentare« erschienen.1

[Anm. der Red.: Am Textende (vor den Anmerkungen) findet sich ein Abkürzungsverzeichnis für diesen Beitrag.]

Der Artikel aus »al-Hurriya« wirft ein Schlaglicht auf lokale Netzwerke, die zu Beginn der 1970er-Jahre palästinensische Gruppen und Teile der radikalen Linken in der Bundesrepublik verbanden. So zitierte der Text etwa Joscha Schmierer, der Mitglied des SDS-Bundesvorstandes und Befürworter der antizionistischen Wende im Verband war, zu dem Anschlag auf ein jüdisches Altenheim in München.2 Zu den Verantwortlichen der in dem Artikel übersetzten Ausgabe der »Roten Kommentare« gehörte unter anderem Jochen Noth, ebenfalls Mitglied des SDS-Bundesvorstandes und Teilnehmer einer im Sommer 1969 von der DFLP mitorganisierten Reise nach Jordanien.3 An der Schnittstelle zwischen dem SDS Heidelberg und der DFLP bewegte sich auch Muhammad ‘Awda,4 spätestens seit Mitte der 1960er-Jahre Student in Heidelberg.5 Die in Beirut erschienene Wochenzeitung verweist so auf eine Reihe von Personen, die Anfang der 1970er-Jahre Teil eines Austausches zwischen der Bundesrepublik und dem Libanon waren.

Bei »al-Hurriya« handelte es sich keineswegs um einen Einzelfall. Auch andere in Beirut erscheinende palästinensische Periodika wie »Shu’un Filastiniyya«6 (»Palästinensische Angelegenheiten«) und »al-Hadaf«7 (»Das Ziel«) veröffentlichten in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren Texte, die sich mit palästinensischen Verbindungen zu Teilen der radikalen Linken in der Bundesrepublik auseinandersetzten. Der vorliegende Beitrag analysiert diese Texte als Teil eines noch kaum ausgewerteten Archivs zur Geschichte palästinensisch-westdeutscher Beziehungen. Ich konzentriere mich dabei auf Verbindungen zu Akteuren, die aus der Studentenbewegung und der Außerparlamentarischen Opposition hervorgingen.8 Der Begriff »Archiv« verweist hier auf verschiedene, in unterschiedlichen Ländern verstreute Sammlungen, die aufgrund der Nichtexistenz eines zentralisierten Nationalarchivs als Quellenkorpus für palästinensische Geschichte für die Zeit vor 1993 dienen können.9 Für diesen Aufsatz genutzt wurden vor allem die Sammlungen des Institute for Palestine Studies in Beirut, des Orient-Instituts Beirut und der Princeton University Library, zudem online verfügbare Materialien des Projekts »The Palestinian Revolution« an der Universität Oxford und der Palestine Poster Project Archives. In der Forschung zu palästinensischen Gruppen und zur radikalen Linken in Westdeutschland haben insbesondere arabischsprachige Quellen bisher so gut wie keine Rolle gespielt.10 Angesichts zahlreicher Studien zu den Beziehungen zwischen der radikalen Linken, Israel und palästinensischen Gruppen stellt sich jedoch die Frage: Wie verändern sich Perspektiven auf die deutsch-palästinensischen und deutsch-israelischen Beziehungen, wenn man arabischsprachige Quellen einbezieht?

Im Folgenden soll dies in drei Schritten beantwortet werden. Zunächst geht es darum, die Periodisierung neu zu diskutieren. Während die existierende Literatur vor allem auf 1967 als Anfangsdatum einer pro-palästinensischen Mobilisierung in der Bundesrepublik fokussiert, möchte ich einer längeren Geschichte nachspüren, deren Anfänge in den späten 1950er-Jahren liegen. Zweitens sind die Akteure neu zu betrachten. Es soll gezeigt werden, dass durch die Auswertung arabischsprachiger Quellen mitunter andere, bisher weniger wahrgenommene Akteure in den Blick geraten. Der vorliegende Aufsatz untersucht dabei insbesondere die Bedeutung der palästinensischen Diaspora in der Bundesrepublik, die häufig eine Mittlerrolle zwischen palästinensischen und westdeutschen Gruppen einnahm. Der veränderte Fokus führt drittens zu einer neuen Interpretation dieser Geschichte. Annette Vowinckel hat im Zusammenhang palästinensisch-westdeutscher Beziehungen in den 1970er-Jahren von einer »Verlängerung der deutschen Geschichte in den Nahen Osten« gesprochen.11 Quinn Slobodian bietet mit Blick auf die Rolle von »foreign students« für den studentischen Aktivismus der 1960er-Jahre eine andere mögliche Einordnung solcher Prozesse als »von außen« kommend.12 Doch wie weit »außen« waren Akteure, die in Heidelberg Texte für eine Wochenzeitung im Libanon verfassten? Welche Folgen ergeben sich aus der Konzeptualisierung solcher Akteure als »ausländisch«? Mit Hilfe dieser Fragen soll im Folgenden belegt werden, dass es sich bei dem genannten Beispiel aus »al-Hurriya« um mehr als nur eine Kuriosität der bundesdeutschen Zeitgeschichte handelt. Vielmehr veranschaulicht das Studium arabischsprachiger Quellen die Begrenztheit einer nationalen Perspektive auf ein Phänomen, das ebenso von lokalen und globalen Kontexten geprägt war.

1. Struktur und Ereignis:
Eine lange Geschichte des Wendejahres 1967

In mehreren Darstellungen der Verbindungen zwischen palästinensischen Gruppen und westdeutschen radikalen Linken bildet das Jahr 1967 den Anfangspunkt. Als Folge des Sechstagekrieges vom Juni 1967 wendete sich die Stimmung in Teilen des linken Milieus in der Bundesrepublik allmählich gegen Israel. Während Medien wie die »Bild«-Zeitung oder der »Spiegel« mit deutlicher Faszination über die israelischen Erfolge gegen die Truppen aus Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Irak berichteten, äußerten sich linke studentische Gruppen zunehmend kritisch über Israel.13 Im September 1967 verabschiedete der SDS eine Resolution, in der unter anderem zu lesen war: »Der SDS verurteilt die israelische Aggression gegen die antiimperialistischen Kräfte im Nahen Osten.«14 Ab 1969 führte diese Dynamik zur Gründung von Palästina-Solidaritätskomitees an einigen Universitäten. Es folgten erste Reisen westdeutscher Student*innen in palästinensische Lager im Nahen Osten.15 Einige Darstellungen spannen von hier einen Bogen zu dem versuchten Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in West-Berlin am 9. November 1969 und zu den Verbindungen bewaffneter Gruppen wie der Revolutionären Zellen und der Roten Armee Fraktion (RAF) zur Fatah oder der Volksfront zur Befreiung Palästinas – Spezialkommando (PFLP-SC) in den 1970er-Jahren.16

Arabischsprachige Quellen verdeutlichen zunächst, dass diese Erzählung einer zeitlichen Erweiterung bedarf. Sie zeigen, dass bereits vor dem Sechstagekrieg eine politisch aktive palästinensische Diaspora in der Bundesrepublik entstanden war. In einem Artikel, der 1971 in »Shu’un Filastiniyya« erschien, beschrieb der ehemalige Vorsitzende der Generalunion Palästinensischer Studenten in der Bundesrepublik, Abdallah Frangi (geb. 1943),17 rückblickend den palästinensischen Aktivismus an westdeutschen Universitäten. Frangi zufolge entschied sich eine größere Zahl von Palästinensern18 bereits nach der Suezkrise im Herbst 1956, in Westdeutschland zu studieren. Dabei hätten die niedrigeren Lebenshaltungskosten dazu beigetragen, dass vor allem Palästinenser aus mittleren und ärmeren Schichten in die Bundesrepublik migrierten. Auch aufgrund dieser sozialen Zusammensetzung habe sich die palästinensische Diaspora in Westdeutschland im Vergleich zu den Studienorten reicher arabischer Familien in den USA und England durch eine politische Mobilisierung ausgezeichnet.19 In seiner 2011 auf Deutsch erschienenen Autobiographie wiederholte Frangi ähnliche Überlegungen und fügte ein politisches Argument an: dass die Suezkrise »England und Frankreich [...] diskreditiert« habe, wohingegen sich »Deutschland [...] in unserer Region nie unbeliebt gemacht« habe.20

Der Fatah-Funktionär William Nassar (geb. 1946) schildert in seiner 2005 auf Arabisch publizierten Autobiographie, dass er sich nach seinem Schulabschluss im Jahr 1964 für einen Deutschkurs am Goethe-Institut in Amman einschrieb (das 1961 eröffnet worden war), mit dem Ziel, anschließend zum Studium in die Bundesrepublik zu gehen: »Deutschland war damals der Traum von vielen jungen Menschen. Diejenigen, die nicht als Studenten dorthin gingen, wollten als Arbeiter oder als Touristen ins Land.«21 Zu diesem Zeitpunkt war William Nassars Bruder, Nabil Nassar, bereits als Medizinstudent in Frankfurt a.M. eingeschrieben, wo er gemeinsam mit Abdallah Frangi für die Fatah tätig war.22 Neben Frangi, der ebenfalls Medizin studierte und später unter anderem erster Generaldelegierter der palästinensischen Autonomiebehörde in der Bundesrepublik (1993–2005) wurde, verbrachten noch weitere Schlüsselfiguren der Fatah in den 1960er-Jahren eine prägende Zeit in der Bundesrepublik: Hani al-Hassan, späterer Innenminister der Palästinensischen Autonomiebehörde (2002/03), studierte Ingenieurwissenschaften in Darmstadt; Amin al-Hindi, Direktor des Geheimdienstes der Palästinensischen Autonomiebehörde zwischen 1994 und 2005, und Hayil ‘Abd al-Hamid, enger Vertrauter Salah Khalafs, des langjährigen Vizevorsitzenden der PLO, studierten Volkswirtschaft in Frankfurt; auch Dawud Barakat, in den 1980er-Jahren Vertreter der PLO bei der österreichischen Regierung und letzter PLO-Botschafter in der DDR, hielt sich Mitte der 1960er-Jahre zum Studium in Frankfurt auf.23

Verschiedene Faktoren erschweren es, die Größe der palästinensischen Diaspora in der Bundesrepublik der 1950er- und 1960er-Jahre zu schätzen. Westdeutsche Behörden ordneten arabischsprachige Menschen, die auf dem Gebiet des ehemaligen Völkerbundsmandats für Palästina geboren waren, häufig nach ihrer Staatsangehörigkeit bzw. ihrer Staatenlosigkeit ein.24 Da es keinen palästinensischen Staat gab, tauchen in vielen Akten bundesdeutscher Behörden keine Palästinenser*innen auf. Diese Praxis konnte zu Verwirrungen führen, wie im Fall einer Ermittlungsakte, die »Jaffa, Jordanien« als Geburtsort eines West-Berliner Studenten angab.25 Wie der Historiker Lutz Maeke festgestellt hat, war die Situation an westdeutschen Universitäten ähnlich. Statistiken zu palästinensischen Student*innen aus dieser Zeit fehlen, da diese entweder als »staatenlos« oder als Bürger*innen von Staaten wie Syrien, dem Libanon oder Jordanien geführt wurden.26 Dabei kommunizierten einige Zeitgenossen durchaus, dass es sich etwa bei jordanischen Staatsangehörigen um Menschen handeln konnte, die aus dem 1950 von Jordanien annektierten Westjordanland stammten oder aus dem israelischen Kernland nach Jordanien geflüchtet waren.27 Frangi beschreibt in seiner Autobiographie, wie die Frage der Staatsbürgerschaft zu einer unterschiedlichen Selbstidentifizierung von Migranten aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland führen konnte. Er schildert den Gazastreifen, dessen Einwohner*innen nach der Gründung Israels und dem Rückzug der Briten aus der Region zu Staatenlosen wurden, für die 1950er-Jahre als Ort einer »Nation im Anfangsstadium«.28 In Frankfurt seien ihm später dann Menschen aus dem Westjordanland begegnet, die sich aufgrund des Fehlens dieser Erfahrung als Jordanier bezeichnet hätten.29 Das Entstehen einer neuen palästinensischen Nationalbewegung mit einem veränderten Nationalbewusstsein zeichnete sich seit Ende der 1950er-Jahre ab.30

Eine quantitative Schätzung der palästinensischen Diaspora in der Bundesrepublik ist auch insofern schwierig, als die Behörden die Zahl von Arbeitsmigranten aus Jordanien und dem Libanon nicht angeben konnten.31 Am 25. November 1964 bemerkte Bundespräsident Heinrich Lübke in einem Gespräch mit dem jordanischen König Hussein, dass sich derzeit 4.200 »Gastarbeiter aus Jordanien [...] illegal« in der Bundesrepublik aufhielten.32 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser definitorischen und statistischen Schwierigkeiten gehen Schätzungen über die Anzahl von Palästinenser*innen in der Bundesrepublik stark auseinander. Man kann jedoch annehmen, dass sich kurz vor dem Sechstagekrieg einige Tausend Menschen in der Bundesrepublik aufhielten, die als Teil einer palästinensischen Diaspora bezeichnet werden können.33

In seinem Artikel für »Shu’un Filastiniyya« von 1971 erklärte Frangi, dass die hohe Zahl von Universitätsstädten die Organisation studentischer Gruppen in der Bundesrepublik erleichtert habe. Eine dominierende Hauptstadt, in der sich alle Aktivitäten konzentrieren, wäre dabei eher hinderlich gewesen.34 Besonders für die 1959 gegründete Fatah entwickelten sich Studenten- und Arbeitergruppen in der Bundesrepublik schnell zu einer wichtigen Basis.35 Auch für die Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS) nahm Westdeutschland eine maßgebliche Rolle ein, was sich nicht zuletzt 1964 in der Wahl Hani al-Hassans zum Vorsitzenden der Generalversammlung der GUPS in Kairo zeigte.36 Neben der Fatah und der GUPS lassen sich auch Hinweise auf die Präsenz anderer Gruppen an westdeutschen Universitäten finden – wie der Bewegung Arabischer Nationalisten (ANM), aus der nach 1967 die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und die Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (DFLP) hervorgingen.37

Im November 1965 veröffentlichte die libanesische Zeitschrift »al-Usbu‘ al-‘Arabi« (»Die arabische Woche«) einen sechsseitigen Artikel über die Probleme »arabischer Studenten« in der Bundesrepublik. Autor des Artikels war ‘Arif Hajjaj, 1943 in Jaffa geboren und seit 1961 Student der Politikwissenschaft, Geschichte und des Völkerrechts in Heidelberg.38 Sein Artikel basierte auf Interviews mit Student*innen aus unterschiedlichen Ländern an westdeutschen Universitäten, unter denen sich auch Muhammad ‘Awda befand. ‘Awda war, laut Artikel, zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender einer palästinensischen Vereinigung in Heidelberg; einige Jahre später spielte er dort als Mitglied der DFLP und des SDS eine prominente Rolle.39 Hajjaj erklärte, dass sich für arabische Studenten in der Bundesrepublik unter anderem Schwierigkeiten aus deutschen Vorurteilen gegenüber »Arabern« ergäben: »Viele Deutsche glauben immer noch, dass Araber ein rückständiges, primitives Leben führen [...], mehr als eine Frau heiraten [...] und das Kamel und der Esel [bei ihnen] die einzigen Fortbewegungsmittel sind!!«40 Trotzdem sei der Aufenthalt eines arabischen Studenten in der Bundesrepublik ein Gewinn, denn er rufe »ein starkes Gefühl der Verantwortung für seine Heimat und sein kulturelles und intellektuelles Erbe« hervor. So sei ein arabischer Student in Westdeutschland schnell in einer Situation, in der er »die Angelegenheiten seiner Länder gegenüber Deutschen verteidigen muss, an erster Stelle die Frage Palästinas«.41

Foto aus der libanesischen Zeitschrift »al-Usbu‘ al-‘Arabi« (»Die arabische Woche«) von 1965, das gemeinsam mit dem Artikel zu arabischen Studenten in der Bundesrepublik veröffentlicht wurde. Laut Bildunterschrift zeigt es die »Diskussion einiger Probleme« in einem Münchener Studentenverein.
(aus: al-Usbu‘ al-‘Arabi 335 [1965], S. 36-41, hier S. 37)

Der Artikel betonte schließlich auch die Relevanz lokaler Initiativen für die politische Tätigkeit arabischer Studenten in der Bundesrepublik. Es wurde geschildert, wie ein Student in einem Wohnheim einen Kurs organisierte, in dem arabische und andere Studenten gemeinsam Themen ihrer Wahl diskutierten. So habe es bereits Sitzungen zu »Algerien nach Ben Bella«, zur »Revolution im Jemen« oder zur »palästinensischen Sache« gegeben. Durch diese Initiative, so der Artikel, »lernen sie sich kennen, sympathisieren mit ihren Anliegen und verstehen ihre Probleme«.42 Mehrere rückblickende Darstellungen betonen ebenfalls die Relevanz der lokalen Infrastruktur für Arbeiter und Studenten in westdeutschen Städten. Hani al-Hassan erinnert sich etwa, wie er Hayil ‘Abd al-Hamid 1958 zum ersten Mal in der Mensa der Universität Frankfurt sah – beide stiegen später zu zentralen Figuren der Fatah in Westdeutschland auf.43 In seiner Autobiographie schreibt William Nassar, dass er 1966 Studenten- und Arbeiterwohnheime quer durch die Bundesrepublik bereiste, um Kontakte zu Mitgliedern verschiedener palästinensischer Gruppen zu pflegen – von Karlsruhe und Stuttgart über Frankfurt, Mainz und Aachen bis nach Hamburg.44 Abdallah Frangi schildert in seiner Autobiographie, dass er sich in Frankfurt »einmal die Woche im Club der ausländischen Studenten in der Robert-Mayer-Straße« mit Hani al-Hassan traf.45 Überhaupt habe Frankfurt Anfang der 1960er-Jahre einen »internationalen Kosmos« geboten, in dem sich »junge Menschen aus der Dritten Welt« begegnet seien. Palästinenser hätten hier etwa Lateinamerikaner und Iraner kennengelernt.46

In der bundesdeutschen Öffentlichkeit dominierte zu dieser Zeit das Bild eines israelisch-arabischen Konflikts.47 Nicht zuletzt baute diese Wahrnehmung auf der zentralen Rolle von Ägypten, Syrien und Jordanien sowie des Panarabismus auf. So zirkulierten in den frühen 1960er-Jahren antizionistische, zum Teil antisemitische Texte auf Deutsch etwa in Form von Veröffentlichungen des ägyptischen »Informationsamtes« oder der Jahrbücher der »Freunde der deutsch-arabischen Verständi­gung«.48 Quellen auf Arabisch zeigen jedoch, dass zur gleichen Zeit in der Bundesrepublik Migranten aktiv waren, die ein ausdrücklich palästinensisches politisches Projekt verfolgten. Obgleich verschiedene Spielarten des Panarabismus einen wichtigen Referenzpunkt bildeten, handelte es sich bei Gruppen wie der Fatah, der GUPS oder Teilen der ANM nicht einfach um einen verlängerten Arm Ägyptens oder Syriens, sondern um explizit palästinensische Gruppen.49 Publikationen, die in der Diaspora zirkulierten, zielten dabei mitunter auf die Stärkung der palästinensischen Nationalbewegung. So erinnerte sich der Fatah-Funktionär Hani Fakhury in einem Oral-History-Interview, dass er die zwischen 1959 und 1964 in Beirut erscheinende Zeitschrift »Filastinuna« (»Unser Palästina«) regelmäßig an die Gruppe um Hani al-Hassan in die Bundesrepublik schickte.50 Eine zentrale Botschaft der Zeitschrift sei es gewesen, ihre Leser daran zu erinnern, dass die »palästinensische Sache« Vorrang vor allem anderen haben müsse.51

Ebenso wie eine palästinensische Nationalbewegung bereits in den frühen 1960er-Jahren existierte, waren zu dieser Zeit schon Überlegungen zur Vorbildfunktion nationaler Befreiungsbewegungen in Algerien, Vietnam oder Kuba in palästinensischen Kreisen verbreitet. Besonders in Algier kam es zu einem Austausch zwischen Vertretern der noch jungen Fatah, des algerischen Front de Libération Nationale (FLN) und der kubanischen Regierung.52 Auch in einflussreichen Publikationen, die nicht mit der Fatah affiliiert waren, wie »al-Hurriya« oder der in Israel erscheinenden Zeitschrift »al-Jadid« (»Das Neue«), fanden sich bereits vor 1967 Hinweise auf die steigende Bedeutung nationaler Befreiungsbewegungen in der »Dritten Welt« für palästinensische Gruppen.53 Einige linke palästinensische Autoren bemühten sich darum, ihre Politik in eine globale Konstellation zu integrieren, in der die Kämpfe der »Dritten Welt« als Teil eines weltweiten »antiimperialistischen« Projekts verstanden wurden.54 In der Bundesrepublik waren diese Überlegungen bis zum Sechstagekrieg jedoch nur einem begrenzten Publikum zugänglich, da sie meist auf Arabisch verfasst waren.

Die Ereignisse von 1967 spielten ohne Frage eine zentrale Rolle für den aufkeimenden Antizionismus und für die Sympathien zugunsten palästinensischer Gruppen in Teilen der westdeutschen radikalen Linken. Ohne die strukturellen Veränderungen in den Jahren zuvor wären die dabei entstehenden Verbindungen jedoch kaum denkbar gewesen. In den frühen 1960er-Jahren zeigten sich drei Entwicklungen, die spätere Verbindungen erst ermöglichten: das Entstehen einer politisch aktiven palästinensischen Diaspora in der Bundesrepublik; dadurch bedingt eine stärkere Zirkulation von Texten zwischen dem Nahen Osten und Westdeutschland; schließlich eine aufkeimende Diskussion von Modellen »nationaler Befreiungsbewegungen« der »Dritten Welt« im Umfeld palästinensischer Gruppen. Das Ereignis des Sechstagekrieges schrieb diesen Strukturen wiederum eine neue Bedeutung zu. Sie wurden nun zum sozialen und ideellen Fundament für die Verbindungen zwischen palästinensischen Gruppen und radikalen Linken in der Bundesrepublik.

2. Nach 1967: Palästinensische Politik in der Welt und in Westdeutschland

In der Zeit nach dem Sechstagekrieg wirkten sich mehrere Faktoren auf den Einstellungswandel von radikalen Linken gegenüber Israel aus. Historiker*innen haben gezeigt, wie die pro-israelische Berichterstattung des Springer-Verlages, die »Dritte-Welt«-Solidaritätsbewegung ebenso wie judenfeindliche Klischees bei der Parteinahme für palästinensische Gruppen eine Rolle spielen konnten.55 Die veränderte Strategie palästinensischer Gruppen selbst ist dabei aber noch kaum zum Gegenstand einer Untersuchung geworden. Gleichzeitig ist es genau dieser Aspekt, auf den arabischsprachige Quellen ein Schlaglicht werfen.

Die Niederlage der arabischen Staaten im Sechstagekrieg hatte wichtige Auswirkungen auf die Zusammensetzung palästinensischer Organisationen. Zwischen 1967 und 1969 stiegen Gruppen wie die Fatah und die aus der ANM hervorgegangene PFLP zu zentralen Elementen in der PLO auf. Diese Gruppen waren seit ihrem Entstehen eng mit studentischem Aktivismus in der Diaspora verbunden. Sie hoben sich dabei von älteren Akteuren wie dem ersten PLO-Vorsitzenden Ahmad al-Shuqairi (1964–1967) ab, die mit der Steuerung durch arabische Regierungen und der Oberschicht im nunmehr besetzten Westjordanland in Verbindung gebracht wurden. Bereits 1965 hatte die Fatah den bewaffneten Kampf gegen Israel als eigenständige palästinensische Strategie ausgerufen. Spätestens mit der Schlacht von Karama, einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen der israelischen Armee und bewaffneten palästinensischen Kräften nahe der jordanischen Grenze zum Westjordanland im März 1968, wurde die Strategie wiederholter Angriffe von »Guerillas« (fida’i, Plural fida’iyin56) zu einem wichtigen Merkmal palästinensischer Politik. Die im Juni 1968 von der PLO in Kairo verabschiedete Palästinensische Nationalcharta bezeichnete die fida’iyin als zentrales Element der Befreiungsbewegung. 1969 wurde mit Jassir Arafat schließlich der Anführer der Fatah zum Vorsitzenden der PLO.57

Die Internationalisierung palästinensischer Politik war eine entscheidende Veränderung, die mit dem Aufstieg von Gruppen wie der Fatah und der PFLP einherging. Der Horizont möglicher Verbündeter reichte nun zunehmend über Orte wie Kairo, Damaskus und Beirut hinaus. Zu den panarabischen Allianzen traten Verbindungen, die sich bereits vor 1967 abgezeichnet hatten. Verschiedene palästinensische Publikationen diskutierten jetzt detailliert Maos Konzept des »Volkskrieges«, die Schriften Che Guevaras oder die Strategie, aus Palästina und Israel das »nächste Vietnam« zu machen.58 Hierbei spielte das Prinzip der internationalen Solidarität eine wichtige Rolle. In den späten 1960er-Jahren nahm der Kontakt zu sich als »progressiv« verstehenden Organisationen und Regierungen in verschiedenen Teilen der Welt eine prominente Stellung ein, von der Black Panther Party in den USA über die kubanische Regierung bis hin zur Volksrepublik China.59 Auch politische Gewalt und diplomatische Initiativen wandelten sich in diesem Zusammenhang. Flugzeugentführungen und Angriffe auf israelische Einrichtungen außerhalb des Nahen Ostens waren ebenso Teil einer Internationalisierung des israelisch-palästinensischen Konflikts wie Bemühungen bei den Vereinten Nationen, die 1974 in Arafats Rede vor der Generalversammlung in New York gipfelten. Der Historiker Paul Thomas Chamberlin hat diese neue palästinensische Strategie nach 1967 als eine »globale Offensive« bezeichnet.60

Die Aktivitäten palästinensischer Gruppen in der Bundesrepublik müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden. Sie bauten auf zwei Elementen auf: dem Verständnis palästinensischer Politik als Teil nationaler Befreiungsbewegungen der »Dritten Welt« und den Übersetzungsleistungen der palästinensischen Diaspora. Mit dem Aufstieg von Gruppen wie der Fatah kamen auch in der Bundesrepublik anstelle von »Arabern« verstärkt »Palästinenser« und deren nationale Ziele in den Blick. Dabei machte nicht zuletzt das Selbstverständnis dieser Gruppen, Teil nationaler Befreiungsbewegungen in der »Dritten Welt« zu sein, sie deutlich anschlussfähiger für die radikale Linke in der Bundesrepublik. Von Mao bis Fanon rekurrierten beide Seiten häufig auf dieselben Theorietexte, die eine gemeinsame politische Sprache ermöglichten. Eben diese Sprache spiegelt den globalen Kontext wider, in den die westdeutsch-palästinensischen Beziehungen eingebettet waren. Der Verweis auf ein »nächstes Vietnam«, Anleihen bei Che Guevara oder Mao-Zitate bauten auf der Idee auf, dass die Kämpfe der »Dritten Welt« und die Politik in den Metropolen unmittelbar verbunden seien. Kontakte zu Palästina-Solidaritätsbewegungen in anderen Ländern, wie Frankreich oder Italien, weisen ebenfalls darauf hin, dass es sich nicht einfach um einen bilateralen Austausch handelte. 1969 druckten sowohl die westdeutschen Zeitschriften »SDS-Info«61 und »Al-Djabha – Die Front«62 als auch »al-Hurriya« Ausschnitte aus einem Text von Gérard Chaliand über die fida’iyin ab, der ursprünglich auf Französisch in »Le Monde Diplomatique« erschienen war.63 »Al-Hurriya« präsentierte Chaliands Text gemeinsam mit anderen Zeitschriftenartikeln als Teil »weltweite[r] Echos der Erfahrung der Demokratischen Volksfront«.64

Dieser Artikel präsentierte Gérard Chaliands Bericht über die fida’iyin aus »Le Monde Diplomatique« unter anderem gemeinsam mit einem Bericht aus der französischen Zeitschrift »AfricAsia. Le journal du tiers monde«.
(aus: al-Hurriya 490 [1969], S. 11)

Wie dieses Beispiel bereits andeutet, beflügelten die Veränderungen nach 1967 die Zirkulation von Informationen, Texten und Symbolen zwischen dem Nahen Osten und der Bundesrepublik. Hierbei spielten Übersetzungsleistungen auf verschiedenen Ebenen eine wichtige Rolle. Ebenjene palästinensische Diaspora, die seit den späten 1950er-Jahren in der Bundesrepublik entstanden war, passte nun die globale Offensive an nationale und lokale Besonderheiten an. Übersetzungen spielten sich zunächst auf einer sehr praktischen Ebene ab. In seinem Artikel für »Shu’un Filastiniyya« von 1971 betonte Frangi, dass palästinensische Gruppen mit dem Sechstagekrieg begonnen hätten, vermehrt Texte auf Deutsch zu veröffentlichen.65 In seiner Autobiographie hebt Frangi die Rolle seiner »deutsche[n] Mitarbeiterin Inge Presser« in diesem Zusammenhang hervor, denn Presser habe als Lektorin »die Feinheiten der deutschen Sprache« beherrscht.66 Ab 1968 erschien die von Abdallah Frangi und Nabil Nassar in Frankfurt herausgegebene Zeitschrift »Resistentia Schrif­ten«.67 Hier wurden etliche palästinensische Erklärungen oder Zeitschriftenartikel aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzt. Frangi zufolge fanden die »Resistentia Schriften« vor allem im linken Milieu Leser*innen.68 Er bekräftigte, dass es dabei insbesondere um den »Ton« ging: »Was […] wohl in erster Linie zum Erfolg [der ›Resistentia Schriften‹] beitrug, war, dass wir auf jegliche Demagogie verzichteten. Wenn aus Damaskus Beiträge in diesem unglaubwürdigen, triumphalistischen Stil bei uns eintrafen, wanderten sie gleich in den Papierkorb. Es war eben auch eine Frage des Tons.«69

Übersetzungen aus dem Arabischen ins Deutsche fanden sich bald auch in anderen Veröffentlichungen. In der Heidelberger Zeitschrift »Al-Djabha – Die Front« gab es Übersetzungen aus der Beiruter Zeitung »al-Anwar« (»Die Lichter«) und aus »al-Hurriya«; die Periodika »Freies Palästina«70 und »Revolution bis zum Sieg«71 veröffentlichten Übersetzungen aus »Filastin al-Thawra«72 (»Palästina der Revolution«) und »Shu’un Filastiniyya«.73

In manchen Fällen wurden auch Texte aus dem Deutschen ins Arabische übertragen; »al-Hurriya« veröffentlichte beispielsweise Übersetzungen aus »Rote Kommen­tare«74 und »Agit 883«.75 Besonders häufig ging es in arabischen Texten jedoch um die Erklärung eines spezifischen Kontexts. In einem Artikel vom Januar 1972 stellte »Shu’un Filastiniyya« etwa die Besonderheiten der westdeutschen Medienlandschaft und deren Berichterstattung über »den palästinensischen Widerstand« vor. Auf acht Seiten präsentierte der Autor verschiedene Publikationen, von der »Süddeutschen Zeitung« über »Bild« bis hin zu »Quick« und »konkret«.76 Über die »ZEIT« war zu lesen, dass Artikel zu den fida’iyin eine Ansammlung von »Klischees« seien, »in welche der Deutsche gewöhnlich verfällt, wenn er über Araber spricht, denn ›Araber‹ ist beim Deutschen ein bedeutungsschweres Wort mit zahlreichen Konnotationen«. Die Bandbreite dieser Klischees, so der Artikel weiter, reiche von »Tausend und einer Nacht« bis hin zu »den Erzählungen von Karl May«. In einer Fußnote fügte der Autor hinzu, dass fast jeder deutsche Jugendliche die Abenteuergeschichten von Karl May gelesen habe, die »natürlich kein wahres Bild des Orients vermitteln«.77

Bereits 1968 veröffentlichte »al-Hurriya« mehrere Artikel über die westdeutsche Studentenbewegung und deren Verhältnis zu Israel. Im Mai erschien ein zweiseitiger Text über die »Gedanken des Philosophen Herbert Marcuse und ihren Einfluss auf die Revolution der Studenten«, der mit einem Foto von Marcuse und einer Demonstration in West-Berlin illustriert wurde.78 Im September konnten die Leser*innen von »al-Hurriya« durch einen »arabischen Studenten in Deutschland« Details über die Proteste anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Leopold Sédar Senghor in Frankfurt erfahren. Der Autor hob dabei besonders die Rolle von Daniel Cohn-Bendit hervor. Dieser werde in arabischen Medien oft falsch dargestellt. Er sei ein »marxistischer Revolutionär«, der sich für die »Revolutionäre der Dritten Welt« einsetze und sich immer gegen Israel und den Zionismus positioniert habe. Die Beschreibung endete mit einer Schelte: »Was bei euch passiert, wird schnell an die europäische Linke übermittelt. Es macht es schwer für uns und wir wissen nicht, was wir ihnen sagen sollen, wenn die Medien progressiver arabischer Staaten aus ihnen Zionisten machen!«79 In den nächsten Jahren brachte »al-Hurriya« weitere Artikel über die Bundesrepublik. So berichtete die Wochenzeitung im Dezember 1969 über die Gründung eines Palästina-Solidaritätskomitees in West-Berlin.80 Im März 1970 folgte der eingangs zitierte dreiseitige Artikel zum Thema »Die deutsche Linke und die palästinensische Widerstandsbewegung«.81

Das Einpassen der globalen Offensive palästinensischer Gruppen in einen westdeutschen Kontext umfasste allerdings nicht nur Texte. In seiner Autobiographie beschreibt Frangi, wie er 1968 Ostermärsche besuchte mit dem Ziel, den Vietnam-Slogans neue palästinensische Pendants hinzuzufügen. »Ho-Ho-Ho-Chi-Minh« sollte ergänzt werden durch »Ha-ha-ha, al Fatah ist da!«82 Ein Jahr später tauchte eben jener Slogan im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Vortrag des israelischen Botschafters Asher Ben-Natan an der Universität Frankfurt wieder auf.83 Der weitere Kontext palästinensischer Politik zeigt, dass es sich bei der Orientierung am vietnamesischen Vorbild nicht um eine Eigenheit der Bundesrepublik handelte. Vielmehr spiegelte Frangis Handeln die generelle Strategie palästinensischer Gruppen wider, ihr Vorgehen in den globalen Zusammenhang nationaler Befreiungsbewegungen der »Dritten Welt« zu integrieren.

Die erste Reise von Mitgliedern der RAF in den Nahen Osten verdeutlicht schließlich die Bedeutung einer weiteren Übersetzungspraxis.84 Als Ulrike Meinhof, Andreas Baader und Gudrun Ensslin 1970 über den Libanon und Syrien nach Jordanien reisten, meldete der Vertreter der Bundesrepublik in Beirut an das Auswärtige Amt, dass die Unterstützung der Gruppe durch »palaestinensische Kreise« eine Festnahme und Auslieferung erschwert habe (Rechtschreibung des Originals übernommen): »Wie sich nachtraeglich ergab, is[t] bereits am flughafen ein gut deutsch sprechender jordanier (?) in begleitung der gruppe aufgetreten [...] untere grenzinstanzen teilten schliesslich mit, dass der grenzuebergang auf libanesischer wie auf syrischer seite von [fida’iyin] bewerkstelligt worden ist.«85

Welche Effekte zeitigte das Einpassen der globalen Offensive in einen westdeutschen Kontext? Im Fall bewaffneter Gruppen wie der RAF oder der Bewegung 2. Juni haben Historiker*innen argumentiert, dass die Reisen in palästinensische Lager eine wichtige logistische Hilfe boten, die zur Entwicklung neuer Formen politischer Gewalt in der Bundesrepublik beitrug.86 Andere Beispiele verdeutlichen, dass sich vor allem die Zirkulation von Informationen, Argumenten und Symbolen verstärkte. So fand sich um 1970 eine Reihe von Parolen aus dem Nahen Osten in der deutschen Palästina-Solidarität wieder. Der arabische Fatah-Slogan »thawra hatta al-nasr« wurde beispielswiese in deutscher Übersetzung als »Revolution bis zum Sieg« in mehreren Zeitschriften abgedruckt.87 Auch hier zeigen sich transnationale Verbindungen – in Italien war zur selben Zeit auf Plakaten bei Demonstrationen »Palestina Rivoluzione Fino Alla Vittoria« zu lesen. Die in Detroit erscheinende afro-amerikanische Zeitung »Inner City Voice« veröffentlichte im November 1969 einen Artikel mit der Überschrift »Revolution Until Victory – Palestine al-Fatah«. Und pro-palästinensische Poster auf Französisch verkündeten »lutte jusque à la victoire«.88

Ein weiterer Slogan tauchte im Zusammenhang mit dem versuchten Brandbombenanschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in West-Berlin am 9. November 1969 auf. Am Tag des Anschlages wurden verschiedene jüdische Einrichtungen in der Stadt mit den Worten »Schalom«, »Napalm« und »El Fatah« bemalt. Zudem wurde im Republikanischen Club ein Flugblatt mit der Signatur »Schwarze Ratten TW« (Tupamaros West-Berlin) sowie der Überschrift »Schalom und Napalm« ausgelegt.89 Fünf Monate zuvor war in »Agit 883« ein Text mit dem Titel »Napalm und Schalom« erschienen. Der Artikel, in dem es um die Auseinandersetzungen beim Vortrag des israelischen Botschafters an der Universität Frankfurt ging, bot dabei keine Erklärung oder auch nur einen Bezug zur Überschrift.90 Die Tupamaros West-Berlin und »Agit 883« waren allerdings weder die ersten noch die einzigen, die diese Parole nutzten. Seit Oktober 1969 veröffentlichte die Londoner Zeitschrift »Free Palestine« die Kolumne »Shalom and Napalm«.91 Bereits 1968 erschien in Beirut ein von Muhammad Ghani entworfenes Poster mit der Überschrift »Shalom & Napalm«.92 Vermutlich nahm das Poster, das eine verbrannte Menschenleiche zeigte, Bezug auf die Bombardierung der jordanischen Stadt al-Salt durch die israelische Luftwaffe im August 1968.93 Der Hinweis auf die Verwendung von Napalm fügte sich schließlich auch in die Assoziationen zu Vietnam ein und stieß ebenso bei Demonstranten in München wie bei afro-amerikanischen Aktivist*innen in den USA auf ein Echo.94

»Keine Mark und keinen Mann für ein zweites Vietnam«.
Beim Besuch des israelischen Außenministers Abba Eban im Februar 1970 demonstrierten arabische Studenten und Mitglieder der marxistisch-leninistischen Jugendorganisation »Rote Garde« in München gegen die israelische Besatzungspolitik sowie gegen bundesdeutsche Rüstungslieferungen.
(Fritz Neuwirth/Süddeutsche Zeitung Photo)

Als wohl bekanntestes Beispiel mit Palästinenser*innen assoziierter Symbole kann die Kufiya gelten, die in der Bundesrepublik schnell als »Palästinensertuch« oder »Arafat-Schal« Bekanntheit erlangte. Wie Sven Reichardt feststellt, war das Palästinensertuch bis Ende der 1970er-Jahre im linksalternativen Milieu zu einem wichtigen Bekleidungsstück geworden. Zu dieser Zeit hatte es sich als Symbol internationaler Solidarität etabliert, das einem Kleidungsmix aus grünen Parkas, Wollmänteln, Jeans oder Latzhosen hinzugefügt werden konnte.95 Medienpräsente palästinensische Ikonen wie Jassir Arafat und Leila Khaled trugen zur internationalen Popularisierung der Kufiya bei.96 Anfang der 1970er-Jahre prägte die Kufiya auch die Titelbilder diverser Veröffentlichungen von Palästina-Komitees in der Bundesrepublik.97

Darstellung der Kufiya
zusammen mit der »Mao-Bibel«
(aus: Materialien zum antiimperialistischen Kampf. Unterstützen wir den gerechten Kampf des palästinensischen Volkes!,
West-Berlin 1973)

Die Bildsprache hob dabei die Kufiya oft systematisch hervor, auch im Zusammenspiel mit anderen Symbolen wie den »Worten des Vorsitzenden Mao Tsedong«.98 In seiner Autobiographie schreibt Frangi, dass er bereits auf den Ostermärschen 1968 gezielt »Palästinensertücher« verteilt habe.99 Auch die Verbreitung der Kufiya war letztlich an eine Dynamik in der palästinensischen Nationalbewegung gebunden. Das Tuch markierte eine Unterscheidung zu früheren Vertretern der palästinensischen Nationalbewegung, die vor allem den Tarbush der urbanen Eliten getragen hatten. Im Rahmen des »arabischen Aufstandes« im Völkerbundsmandat für Palästina von 1936 bis 1939 begann sich die Kufiya als Zeichen einer Einheit von ländlichen und städtischen Bevölkerungsteilen ebenso wie von Ober-, Mittel- und Unterschicht in der palästinensischen Nationalbewegung zu verbreiten.100 Während der späten 1960er-Jahre zirkulierte dieses Kleidungsstück als wesentlicher Bestandteil der Darstellung von fida’iyin in arabischen Veröffentlichungen. Die Hervorhebung in westdeutschen Veröffentlichungen entsprach somit dem Bildprogramm von Publikationen wie »al-Hurriya« und »Shu’un Filastiniyya« ebenso wie arabischen Postern der Fatah und PFLP.101

Kufiya auf einem Titelbild der Zeitschrift »Shu’un Filastiniyya« vom November 1973, kurz nach dem Ende des Jom-Kippur-Krieges

In den Jahren nach dem Sechstagekrieg wurden schließlich auch Argumente zwischen deutschen und arabischen Publikationen ausgetauscht. Als »al-Hurriya« im März 1970 den genannten Artikel über »Die deutsche Linke und die palästinensische Widerstandsbewegung« veröffentlichte, wurden darin unter anderem jüngste Ereignisse in der Bundesrepublik diskutiert. So ging der Text auf die Brandstiftung in einem jüdischen Altenheim in München ein, bei der im Februar 1970 sieben Menschen getötet worden waren.102 Der Artikel zitierte dazu Joscha Schmierer mit der Aussage, dass das Feuer an den Reichstagsbrand von 1933 erinnere. Es sei möglich, so das Zitat weiter, dass die »israelischen Geheimdienste« für das Feuer verantwortlich seien, unter anderem mit dem Ziel, »wütende und rassistische Kampagnen gegen die [palästinensische] Widerstandsbewegung [...] und die deutschen sozialistischen Kräfte« zu rechtfertigen.103 Das antisemitische Argument eines »neuen Reichstagsbrandes«, in dem aus jüdischen Opfern Täter gemacht wurden, zirkulierte zu diesem Zeitpunkt bereits in Teilen der radikalen Linken in der Bundesrepublik.104 Mit dem Artikel in »al-Hurriya« wurde es auch auf Arabisch verbreitet.

Die Brandstiftung in München lenkt den Blick auf die Bedeutung von antisemitischer Gewalt und Stereotypen im Austausch zwischen palästinensischen Gruppen und Teilen der radikalen Linken. Zum Repertoire antisemitischer Topoi gehörte zu dieser Zeit unter anderem die Gleichsetzung des Staates Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland. Diese Argumentation fand sich sowohl in Texten palästinensischer Gruppen als auch in Publikationen der radikalen Linken. Eine zugespitzte Variante dieser Gleichsetzung stellte die Kurzformel von »Nazi-Israel« dar.105 Bereits im Juli 1967 hatte etwa ein Vertreter Ceylons auf dem Treffen der Afro-Asiatischen Solidaritätsorganisation in Kairo von einem »neuen Nazi-Israel« gesprochen.106 Die im Juli 1968 verabschiedete Neufassung der PLO-Charta bezeichnete den Zionismus als Bewegung, die »faschistisch-nazistisch in ihren Mitteln« sei.107

Im Herbst 1972 nutzte »al-Hadaf« eben jenes Bild in einer Kritik der Bundes­republik. Nach dem Angriff auf die israelischen Sportler bei den Olympischen Spielen in München hatten westdeutsche Behörden diverse Maßnahmen gegen Reisende aus arabischen Staaten und Palästinenser*innen in der Bundesrepublik beschlossen. In den Wochen nach dem Attentat wurden zwischen 200 und 300 Palästinenser*innen aus der Bundesrepublik abgeschoben, Einreisen von Bürger*innen arabischer Staaten deutlich erschwert sowie die Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS) und die Generalunion Palästinensischer Arbeiter (GUPA) verboten.108 Im Oktober erschien daraufhin eine Ausgabe von »al-Hadaf«, die sich fast ausschließlich diesem Thema widmete. In der Zeitschrift war zu lesen, dass die »kriminelle und bösartige Kampagne« gegen »arabische Bürger in Westdeutschland [...] an die alten Methoden der Nazis« erinnere.109 Der Text suggerierte Kontinuitäten und Affinitäten zwischen dem Nationalsozialismus, der Bundesrepublik und Israel. Die Titelseite verbildlichte dieses Argument: Sie zeigte eine Spielkarte mit den Köpfen von Willy Brandt und Adolf Hitler. In der linken oberen Ecke, über Brandts Kopf, war eine Kombination aus Davidstern und Hakenkreuz zu sehen – eine Visualisierung des »Nazi-Israel«-Topos, die auch in manchen Publikationen der radikalen Linken in der Bundesrepublik auftauchte.110

Die Heterogenität der Palästina-Solidarität in der Bundesrepublik ebenso wie die Anzahl unterschiedlicher palästinensischer Gruppen erschweren jedoch Verallgemeinerungen. Es waren gerade die zum Teil sehr verschiedenen politischen Positionen, welche ein einheitliches Vorgehen innerhalb der PLO ebenso wie eine vereinigte Pro-Palästina-Bewegung in der Bundesrepublik verhinderten.111 Die hier analysierten Quellen weisen in diesem Zusammenhang auf die Relevanz lokaler Kontexte für die Ausformung palästinensisch-westdeutscher Beziehungen hin. Arabische Texte unterstreichen, dass Gruppen wie die DFLP oder die Fatah in ganz bestimmten Städten wie Heidelberg und Frankfurt verankert waren.

Wichtig waren letztlich persönliche Kontakte und palästinensische Mittler vor Ort. Wie die Fälle des »arabischen Studenten« aus Frankfurt auf den Seiten von »al-Hurriya«, des »gut Deutsch sprechenden Jordaniers« während des Zwischenaufenthaltes der RAF in Beirut oder von Abdallah Frangi auf den Ostermärschen von 1968 zeigen, spielte die Diaspora eine zentrale Rolle in der Verbreitung palästinensischer Politik. Sie fügte die nach 1967 begonnene globale Offensive in den Kontext der Bundesrepublik ein. Erklärtes Ziel der Artikel in »al-Hurriya«, »al-Hadaf« oder »Shu’un Filastiniyya« war es, die Kenntnisse über die Besonderheiten der Bundesrepublik zu fördern. Hierzu gehörte ein besseres Verständnis der politischen Konstellationen, in denen sich ein in »progressiven arabischen Ländern« als »Zionist« bezeichneter Akteur wie Daniel Cohn-Bendit als »marxistischer Revolutionär« und Verbündeter der Palästinenser entpuppen konnte. Erklärungsbedarf gab es aber auch bezüglich der Tatsache, dass westdeutsche Zeitungen in der Berichterstattung über »Araber« mitunter bei Bildern aus den Romanen von Karl May landeten.

Der Angriff auf die Olympischen Spiele von 1972 führte paradoxerweise zu einer wachsenden Palästina-Solidarität in der Bundesrepublik. Die Abschiebungen zahlreicher Palästinenser*innen sowie das Verbot von GUPS und GUPA mobilisierten eine Koalition, die sich zunehmend für die Rechte von »Ausländern« einsetzte.112 Auch palästinensische Publikationen kommentierten diesen Einschnitt. 1974 war in »Shu’un Filastiniyya« zu lesen: »Die Solidaritätsbewegung mit der Palästinensischen Revolution [...] begann 1970 eine deutliche Form anzunehmen. In der Vergangenheit erlebte sie [...] eine Situation des Stillstandes und der Zersplitterung, bis die wahre Aktivität 1972 begann.«113 Zwar mit strategischem Eigeninteresse, aber durchaus übereinstimmend mit der Bewertung späterer Historiker*innen sah die Beiruter Zeitschrift die Solidaritätsbewegung nach dem Gewaltakt von München im Aufschwung begriffen. In den folgenden Jahren zeigten sich jedoch bald Risse. Während in der Bundesrepublik die Palästina-Solidarität in den späten 1970er-Jahren entlang ideologischer Bruchstellen zu zersplittern begann und sich zunehmend kritische Stimmen zu einem linken Antisemitismus äußerten, nahm auch auf palästinensischer Seite das Interesse an der »Dritte-Welt«-Solidaritätsbewegung ab.114 Mit dem libanesischen Bürgerkrieg seit 1975 sowie der iranischen Revolution und dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan 1979 rückten alternative Koalitionen innerhalb einer »islamischen Welt« in den Blick.115 Im Libanon verließen beispielsweise einige palästinensische Akteure um 1980 marxistische und maoistische Gruppen und wandten sich nun islamistischen Gruppen zu.116 Auch diese Entwicklung lässt sich als Teil eines weltweiten Niedergangs der »Dritte-Welt«-Solidarität seit Ende der 1970er-Jahre verstehen.117

3. Fazit

Zwischen den späten 1950er- und den frühen 1970er-Jahren gewannen palästinensische Gruppen einen prominenten Platz in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Ankunft von arabischsprachigen Migrant*innen, die im Gebiet des ehemaligen britischen Völkerbundsmandats für Palästina geboren waren, schuf in den Jahren vor dem Sechstagekrieg eine palästinensische Diaspora in Westdeutschland. Diese spielte im Rahmen der globalen Offensive palästinensischer Gruppen nach 1967 eine Schlüsselrolle, indem sie die palästinensische Politik in den Kontext der Bundesrepublik übersetzte. Hieraus ergaben sich vielfache Austauschprozesse, die sich auf der Ebene unterschiedlicher Praktiken beobachten lassen – von Bekleidungsstilen bis hin zu politischen Parolen –, welche die Politik-, Kultur- und Sozialgeschichte der 1970er-Jahre beeinflussten.

Die Einbeziehung arabischsprachiger Quellen ermöglicht ein besseres Verständnis derartiger Prozesse. Die historische Analyse sollte nicht nur eine Seite des Austausches betrachten; das Studium allein von deutschen Quellen verrät wenig über wechselseitige Transfers. Gleichzeitig handelt es sich bei dem Zugang, den palästinensische Dokumente gewähren, um mehr als eine bloße Erweiterung der deutschen Zeitgeschichte. Dies zeigt sich vor allem in Fragen der Periodisierung, der Akteure und der Interpretation. Es ist deutlich geworden, dass die Bildung einer palästinensischen Diaspora in der Bundesrepublik vor 1967 entscheidend für die Verbindungen zu Teilen der radikalen Linken nach dem Sechstagekrieg war. Während es schwierig sein mag, eindeutige Kausalitäten für den zunehmenden Antizionismus in der radikalen Linken zu belegen, kann man doch die These vertreten, dass die westdeutsche Palästina-Solidarität ohne das Vorhandensein einer politisch aktiven palästinensischen Diaspora eine andere Gestalt angenommen hätte.

Zeitgenossen wie Hani al-Hassan, Abdallah Frangi und Muhammad ‘Awda wirkten am Aufbau palästinensischer Gruppen in der Bundesrepublik mit und schlugen später Brücken zu Kommilitonen, etwa im SDS in Frankfurt und Heidelberg. Historische Darstellungen der Verbindungen zu palästinensischen Gruppen stützen sich allerdings weiterhin vor allem auf Selbstbeschreibungen aktiver oder ehemaliger Mitglieder der radikalen Linken. Die 2011 auf Deutsch erschienene Autobiographie Frangis hat hier bereits zu einem veränderten Bild beigetragen. Die Einbeziehung arabischsprachiger Quellen macht eine noch breitere Palette von Akteuren der palästinensischen Diaspora sichtbar. Diese Quellen unterstützen eine Beobachtung jüngerer Studien zur Geschichte der Bundesrepublik: Sie verdeutlichen den Einfluss von Migrant*innen auf die Geschichte Westdeutschlands.118

Doch wie lassen sich die hier geschilderten Prozesse analytisch fassen? Zunächst verweisen Austauschprozesse zwischen palästinensischen Gruppen und Teilen der westdeutschen radikalen Linken auf grenzüberschreitende Dynamiken um 1970. Bereits in zeitgenössischen Reflexionen waren politische Gewalt und Proteste an so unterschiedlichen Orten wie Saigon, Amman und München miteinander verbunden. Auch Historiker*innen haben die neue palästinensische Politik nach 1967 als Teil eines globalen Zusammenhangs beschrieben, der nicht zuletzt auf der Vorstellung einer »Dritte-Welt«-Solidarität basierte.119 Gleichzeitig weisen die Verbindungen zwischen palästinensischen Gruppen und Teilen der radikalen Linken in der Bundesrepublik jedoch über eine solche globale Perspektive hinaus. In den Übersetzungspraktiken, die palästinensisch-westdeutschen Beziehungen zugrunde lagen, zielten Zeitgenossen regelmäßig gerade auf das Einpassen ihrer globalen Offensive in lokale und nationale Kontexte. Eine Perspektive auf palästinensisch-westdeutsche Beziehungen, welche Palästinenser*innen als »ausländische« Akteure in einer »deutschen« Geschichte betrachtet, riskiert es, diese unterschiedlichen Kontexte einzuebnen und alternative oder komplementäre Zugänge auszuschließen. Die mannigfaltigen Verbindungslinien zwischen deutscher, israelischer und palästinensischer Geschichte zeigen die Bandbreite der hier relevanten historischen Kontexte.

Die Untersuchung einer Gruppe grenzüberschreitender Akteure, wie sie die palästinensische Diaspora darstellt, bietet eine Alternative zum nationalen Tunnelblick. Eine solche Diaspora-Geschichte schafft nicht nur eine konzeptionelle Klammer zwischen israelischer, palästinensischer und deutscher Geschichte. Sie führt auch in Archive in verschiedenen Nationalstaaten, im vorliegenden Fall häufig in Archive im Nahen Osten. Für die Geschichte der Bundesrepublik, für Selbst- und Fremdwahrnehmungen, Transfers und Verflechtungen versprechen die dortigen Quellen neue Einsichten. Wie ich in diesem Aufsatz argumentiert habe, können ein Zeitschriftenarchiv in Beirut oder eine in Ramallah erschienene Autobiographie andere, teils ungewohnte Perspektiven auf wichtige Kapitel der deutschen Zeitgeschichte eröffnen. Solche Recherchewege und Interpretationsachsen wären in der zukünftigen Forschung noch weiter auszubauen.

Abkürzungen  
ANM Arab Nationalist Movement
(Bewegung Arabischer Nationalisten)
DFLP Democratic Popular Front for the Liberation of Palestine
(Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas)
FLN Front de Libération Nationale
(Nationale Befreiungsfront)
GUPA Generalunion Palästinensischer Arbeiter
GUPS Generalunion Palästinensischer Studenten
PA AA Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes
PFLP

Popular Front for the Liberation of Palestine
(Volksfront zur Befreiung Palästinas)

PLO

Palestine Liberation Organization
(Palästinensische Befreiungsorganisation)

RAF Rote Armee Fraktion
SDS Sozialistischer Deutscher Studentenbund

 


 

Anmerkungen:

1 Al-Yasar al-Almani wa Harakat al-Muqawama al-Filastiniyya [Die deutsche Linke und die palästinensische Widerstandsbewegung], in: al-Hurriya 507 (1970), S. 10-12; Aufruf zur Palästina Demonstration am Montag, in: Rote Kommentare 2 (1970), S. 1f. Ich bedanke mich bei Evelyn Runge, Annette Vowinckel, Jan-Holger Kirsch, Pascal Eitler, Christoph Kalter und Liina Mustonen für ihre Hinweise und Kommentare.

2 Vgl. Jeffrey Herf, Undeclared Wars with Israel. East Germany and the West German Far Left 1967–1989, New York 2016, S. 284-287; dt.: ders., Unerklärte Kriege gegen Israel. Die DDR und die westdeutsche radikale Linke, 1967–1989. Aus dem Englischen übersetzt von Norbert Juraschitz, Göttingen 2019. Auf den markanten Inhalt von Schmierers Äußerungen werde ich später noch eingehen; s.u., Kap. 2.

3 Wolfgang Kraushaar, Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus, Hamburg 2005, S. 121.

4 Der Name wird in zeitgenössischen deutschen Publikationen als Mohamed Odeh transkribiert.

5 Quinn Slobodian, The Borders of the Rechtsstaat in the Arab Autumn: Deportation and Law in West Germany, 1972/73, in: German History 31 (2013), S. 204-224, hier S. 207, Anm. 22; Joscha Schmierer, Der Zauber des großen Augenblicks. 1968 und der internationale Traum, in: Lothar Baier u.a., Die Früchte der Revolte. Über die Veränderung der politischen Kultur durch die Studentenbewegung, Berlin 1988, S. 107-126, hier S. 120; Mohamed Odeh, Die Dekolonisation Palästinas unter Einbeziehung der Strategie der Demokratischen Volksbefreiungsfront, in: Forum Academicum 2/3 (1969), S. 21-23. Zu den Verbindungen zwischen der DFLP und dem SDS Heidelberg siehe auch Martin Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses, Frankfurt a.M. 1994, S. 77f.

6 »Shu’un Filastiniyya« ist die seit 1970 erscheinende Zeitschrift des Forschungszentrums der PLO. Zu diesem Zentrum siehe Jonathan Marc Gribetz, When The Zionist Idea Came to Beirut: Judaism, Christianity, and The Palestine Liberation Organization’s Translation of Zionism, in: International Journal of Middle East Studies 48 (2016), S. 243-266, hier S. 245f.

7 »Al-Hadaf« ist die seit 1969 erscheinende Zeitschrift der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP).

8 Zur Haltung anderer linker Gruppen und Parteien, etwa der SPD, zum palästinensisch-israelischen Konflikt siehe ebenfalls Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5).

9 Zur Problematik eines fehlenden palästinensischen Nationalarchivs bis zum Beginn des Oslo-Friedensprozesses siehe etwa Lila Abu-Lughod, Palestine: Doing Things with Archives, in: Comparative Studies of South Asia, Africa, and the Middle East 38 (2018), S. 3-5; Hana Sleiman, The Paper Trail of a Liberation Movement, in: Journal of Arab Studies 24 (2016), S. 42-67.

10 Vgl. etwa Wolfgang Kraushaar, »Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?« München 1970: über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus, Reinbek bei Hamburg 2013; Herf, Undeclared Wars with Israel (Anm. 2); Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5); Thomas Skelton-Robinson, Im Netz verheddert. Die Beziehungen des bundesdeutschen Linksterrorismus zur Volksfront für die Befreiung Palästinas (1969–1980), in: Wolfgang Kraushaar (Hg.), Die RAF und der linke Terrorismus, Bd. 2, Hamburg 2006, S. 828-904; Martin Jander, German Leftist Terrorism and Israel: Ethno-Nationalist, Religious-Fundamentalist, or Social-Revolutionary?, in: Studies in Conflict and Terrorism 38 (2015), S. 456-477. Eine Ausnahme bildet die aufschlussreiche Monographie von Ido Zelkovitz, wobei dort der Fokus auf den Aktivitäten palästinensischer Student*innen in der gesamten Welt liegt: Ido Zelkovitz, Students and Resistance in Palestine. Books, Guns, and Politics, London 2015.

11 Annette Vowinckel, Der kurze Weg nach Entebbe oder die Verlängerung der deutschen Geschichte in den Nahen Osten, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 1 (2004), S. 236-254.

12 Quinn Slobodian, Foreign Front. Third World Politics in Sixties West Germany, Durham 2012; eine ähnliche Interpretation deutscher Zeitgeschichte in einem globalen Kontext findet sich auch bei Axel Schildt (Hg.), Von draußen. Ausländische intellektuelle Einflüsse in der Bundesrepublik bis 1990, Göttingen 2016.

13 Vgl. etwa Vowinckel, Der kurze Weg nach Entebbe (Anm. 11), S. 241-246; Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 65-82.

14 Zit. nach Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 77.

15 Ebd., S. 76-82.

16 Kraushaar, »Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf« (Anm. 10); Herf, Undeclared Wars with Israel (Anm. 2).

17 In Anlehnung an die deutschen Publikationen Frangis unter diesem Namen wird im Fließtext diese Schreibweise verwendet. Bei Texten, die auf Arabisch verfasst wurden, wird in den Fußnoten die transkribierte arabische Schreibweise benutzt: ‘Abd Allah al-Ifranji.

18 Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich vermutlich überwiegend um männliche Studierende. Ich habe in den Quellen für die Zeit vor 1967 zumindest keine Hinweise auf palästinensische Studentinnen gefunden. Die Autobiographie von Sumaya Farhat-Naser (geb. 1948) weist auf die Präsenz palästinensischer Studentinnen in der Bundesrepublik nach dem Sechstagekrieg hin: Sumaya Farhat-Naser, Thymian und Steine. Eine palästinensische Lebensgeschichte, Basel 1995.

19 ‘Abd Allah al-Ifranji, Al-Haraka al-Tullabiyya wa Nidaluha min ajli Filastin fi Urubba al-Gharbiyya [Die Studentenbewegung und ihr Kampf für Palästina in Westeuropa], in: Shu’un Filastiniyya 4 (1971), S. 259-262.

20 Abdallah Frangi, Der Gesandte. Mein Leben für Palästina, München 2011, S. 83.

21 William Nassar, Taghribat Bani »Fath«. Arba‘un ‘Amman fi Mataha Fathawiyya [Das Exil der Söhne der »Fatah«. Vierzig Jahre in einem Fatah-Labyrinth], Ramallah 2005, S. 22. Ein ähnlicher Kommentar findet sich in den Erinnerungen von Hani al-Hassan, der schreibt, dass zu Beginn der 1960er-Jahre bereits »viele palästinensische Studenten und Arbeiter« in der Bundesrepublik waren: Hani al-Hassan, al-Masira wa al-Nidal al-Mutawasil [Der Weg und der kontinuierliche Kampf], in: Dhikrayat Ma‘a al-Shahid Hayil ‘Abd al-Hamid Abu al-Hawl [Erinnerungen an den Märtyrer Hayil ‘Abd al-Hamid Abu al-Hawl], o.O. 1992, S. 133-166, hier S. 138.

22 Vgl. Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 100; Kraushaar, »Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf« (Anm. 10), S. 260-270.

23 Vgl. auch Zelkovitz, Students and Resistance in Palestine (Anm. 10), S. 22-26; Yezid Sayigh, Armed Struggle and the Search for State. The Palestinian National Movement, 1949–1993, Oxford 1997, S. 87; Nassar, Taghribat Bani »Fath« (Anm. 21), S. 69; Lutz Maeke, DDR und PLO. Die Palästinapolitik des SED-Staates, Berlin 2017, S. 473f. In Materialien des Frankfurter Universitätsarchivs zu soziologischen Lehrveranstaltungen wird Dawud (Daoud) Barakat als Teilnehmer von Walter Rüeggs Proseminar »Geschichte der Soziologie im Überblick« im Wintersemester 1966/67 aufgeführt: <https://wiki.studiumdigitale.uni-frankfurt.de/SOZFRA/index.php/Soziologische_Lehrveranstaltungen_von_1949-1973_-_Archivbestaende_der_Goethe-Universitaet_Frankfurt>, 2.80.

24 Je nach ihrem Aufenthaltsort konnten Palästinenser unterschiedliche Reisedokumente beantragen. Im Gazastreifen stellte bis 1967 die ägyptische Militärverwaltung Reise- und Ausweisdokumente aus. So reiste Abdallah Frangi beispielsweise 1962 mit einem »Laissez-Passer« in die Bundesrepublik ein. Vgl. Ilana Feldman, Police Encounters. Security and Surveillance in Gaza under Egyptian Rule, Stanford 2015, S. 31-34, S. 76; Anne Elizabeth Irfan, Internationalising Palestine: UNRWA and Palestinian Nationalism in Refugee Camps, 1967–82, Diss. London School of Economics and Political Science 2018, S. 74; Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 11.

26 Maeke, DDR und PLO (Anm. 23), S. 91.

27 Siehe hierzu auch ein Schreiben des Botschafters der Bundesrepublik in Jordanien vom 16. Mai 1964, in dem er die Einreise jordanischer »Fremdarbeiter« mit dem »Flüchtlingsproblem« des Landes in Verbindung brachte: PA AA B 36 197.

28 Zur Staatenlosigkeit der Bewohner des Gazastreifens zwischen 1948 und 1967 siehe auch Feldman, Police Encounters (Anm. 24), S. 31f.

29 Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 46.

30 Siehe auch Maha Nassar, Brothers Apart. Palestinian Citizens of Israel and the Arab World, Stanford 2017, S. 114-145.

31 Der Fokus der Debatte lag auf Migration aus Jordanien. Allerdings notierte das Landesarbeitsamt Baden-Württemberg 1965, dass aufgrund zahlreicher Aufenthaltsverbote »der illegale Zugang von Jordaniern und Libanesen [...] endlich aufgehört hat«. PA AA B 36 197.

32 Aufzeichnung zum Treffen zwischen dem Bundespräsidenten und König Hussein am 25. November 1964, PA AA B 36 187.

33 Die meisten Schätzungen beziehen sich auf die 1960er- und frühen 1970er-Jahre. In seiner Autobiographie vermutet Nassar, ohne eine Quelle zu nennen, dass 1965 rund 20.000 Palästinenser*innen in der Bundesrepublik lebten: Nassar, Taghribat Bani »Fath« (Anm. 21), S. 22. Frangi schätzt in seiner Autobiographie, dass es Mitte der 1960er-Jahre etwa 25.000 waren: Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 101. Der »Spiegel« rechnete 1972 mit einer Zahl von 3.000, »Quick« dagegen mit 35.000 Paläs­tinenser*innen in der Bundesrepublik: »Der Araber – dem ist nicht zu trauen«, in: Spiegel, 18.9.1972, S. 24-34, hier S. 26; Kraushaar, »Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf« (Anm. 10), S. 550. Mit Blick auf die DDR schreibt Lutz Maeke, dass sich bis 1970 sehr wenige Palästinenser*innen zum Studium in dem Land aufhielten: Maeke, DDR und PLO (Anm. 23), S. 91.

34 Vgl. al-Ifranji, Al-Haraka al-Tullabiyya (Anm. 19), S. 259.

35 Vgl. Zelkovitz, Students and Resistance in Palestine (Anm. 10), S. 21-24.

36 Vgl. ebd., S. 25f. Laut Hani al-Hassan wurde die erste Ortsgruppe der GUPS in der Bundesrepublik um 1961 in Frankfurt a.M. und Darmstadt gegründet: al-Hassan, al-Masira wa al-Nidal (Anm. 21), S. 149.

37 Nassar, Taghribat Bani »Fath« (Anm. 21), S. 71. Ebenso war in Darmstadt wahrscheinlich eine kleine, von Hayil ‘Abd al-Hamid geführte Gruppe mit dem Namen »‘Arab Filastin« (»Araber Palästinas«) aktiv, die sich laut Faisal Hurani um 1963 der Fatah anschloss: Faisal Hurani, Hayil ‘Abd al-Hamid wa ›‘Arab Filastin‹: Jadwal Imtazaja bi-Lajjat al-Nahr al-Kabir [Hayil ‘Abd al-Hamid und die ›Araber Palästinas‹: Ein Bach vermischt sich mit dem Rauschen des großen Flusses], in: Dhikrayat (Anm. 21), S. 13-57, hier S. 55; al-Hassan, al-Masira wa al-Nidal (Anm. 21), S. 149; Marwan ‘Abd al-Hamid, al-Insan wa al-Mu‘allim [Der Mensch und der Lehrer], in: Dhikrayat (Anm. 21), S. 59-83, hier S. 70-72; Ihsan Bakir, Hadath fi Qartaj. Hayil ‘Abd al-Hamid Dima’ ‘ala Tariq al-Quds [Vorfall in Karthago. Hayil ‘Abd al-Hamid, Blut auf dem Weg nach Jerusalem], Kairo 1992, S. 78-84.

38 In deutschen Veröffentlichungen wird der Name als Aref Hajjaj transkribiert. Hajjaj wurde 1971 promoviert und ist Autor verschiedener Veröffentlichungen auf Deutsch. Zu den biographischen Angaben siehe Aref Hajjaj, Angekommen in Deutschland. Der Preis der Integration, Berlin 2010.

39 Vgl. Slobodian, The Borders of the Rechtsstaat (Anm. 5), S. 207, Anm. 22; Schmierer, Der Zauber des großen Augenblicks (Anm. 5), S. 120.

40 ‘Arif Hajjaj, al-Talaba al-‘Arab fi Almaniya. 10 Alaf Mushkila [Die arabischen Studenten in Deutschland. Zehntausend Probleme], in: al-Usbu‘ al-‘Arabi 335 (1965), S. 36-41, hier S. 37.

41 Ebd., S. 38.

42 ‘Arif Hajjaj, al-Talaba al-‘Arab fi Almaniya (Anm. 40), S. 40.

43 al-Hassan, al-Masira wa al-Nidal (Anm. 21), S. 137.

44 Nassar, Taghribat Bani »Fath« (Anm. 21), S. 67-73.

45 Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 98.

46 Ebd., S. 95. Zur Geschlechter-Frage siehe oben, Anm. 18.

47 Vgl. Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 58-67.

48 1964 ordnete das Landgericht Düsseldorf beispielsweise die Einziehung des vom ägyptischen Informationsamt herausgegebenen Buches »Das Problem der Palästina-Flüchtlinge« wegen »seines antisemitischen Charakters« an. In diesem Zusammenhang wurden auch die Jahrbücher des Vereins der »Freunde der deutsch-arabischen Verständigung« untersucht; vgl. PA AA B 36 187. Zur ägyptischen Propaganda in Westdeutschland vor 1967 siehe Daniel Rickenbacher, Arab States, Arab Interest Groups and Anti-Zionist Movements in Western Europe and the US, Diss. Universität Zürich 2017, S. 331-340.

49 Auch der Panarabismus palästinensischer Gruppen wie der ANM konnte einen Bezug auf die palästinensische Nation haben. Statt allein 1967 als einen Bruch im Panarabismus solcher Gruppen anzusehen, betont die neuere Literatur die Bedeutung früherer Ereignisse wie des Auseinanderbrechens der Vereinigten Arabischen Republik 1961: Sune Haugbølle, The New Arab Left and 1967, in: British Journal of Middle Eastern Studies 44 (2017), S. 497-512. Zur GUPS siehe Zelkovitz, Students and Resistance in Palestine (Anm. 10).

50 Hani al-Hassan zufolge begann die politische Zusammenarbeit zwischen ihm und Hayil ‘Abd al-Hamid in der Bundesrepublik 1961: al-Hassan, al-Masira wa al-Nidal (Anm. 21), S. 148f.

51 Interview des Projekts »The Palestinian Revolution« an der Universität Oxford mit Hani Fakhury, veröffentlicht am 8.9.2016: <https://www.youtube.com/watch?v=OzXxmSaUZFU>; zur Rezeption von »Filastinuna« in der Bundesrepublik siehe auch Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 99.

52 Jeffrey James Byrne, Mecca of Revolution. Algeria, Decolonization, and the Third World Order, Oxford 2016, S. 179f.; Interview des Projekts »The Palestinian Revolution« mit Muhammad Abu Maizar, veröffentlicht am 8.9.2016: <https://www.youtube.com/watch?v=Nsa3Ck6KcTo>.

53 Zu »al-Hurriya« siehe Haugbølle, The New Arab Left and 1967 (Anm. 49). Samih al-Qasim begann im Frühjahr 1967 Übersetzungen aus dem Gefängnistagebuch von Ho Chi Minh in »al-Jadid« zu veröffentlichen; siehe Maha Nassar, »My Struggle Embraces Every Struggle«: Palestinians in Israel and Solidarity with Afro-Asian Liberation Movements, in: Arab Studies Journal 22 (2014), S. 74-101, hier S. 87f.

54 Zur »Dritte-Welt«-Solidarität siehe etwa Christoph Kalter, Die Entdeckung der Dritten Welt. Dekolonisierung und neue radikale Linke in Frankreich, Frankfurt a.M. 2011; Dorothee Weitbrecht, Aufbruch in die Dritte Welt. Der Internationalismus der Studentenbewegung von 1968 in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 2012.

55 Vowinckel, Der kurze Weg nach Entebbe (Anm. 11), S. 241-246; Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 65-82.

56 In deutschen Texten auch als »Fedayin« oder »Fedajin« transkribiert.

57 Paul Thomas Chamberlin, The Global Offensive. The United States, the Palestine Liberation Organization, and the Making of the Post-Cold War Order, Oxford 2012, S. 14-42.

58 Siehe ebd., S. 14-75; Man Huwa al-Fida’i [Was ist ein Guerilla?], in: al-Hurriya 369 (1968), S. 12f.; nicht zuletzt klingt hier Che Guevaras Aufruf vom April 1967 durch: Che Guevara, Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam, Berlin 1967.

59 Michael R. Fischbach, Black Power and Palestine. Transnational Countries of Color, Stanford 2018; Chamberlin, The Global Offensive (Anm. 57).

60 Chamberlin, The Global Offensive (Anm. 57).

61 Zwischen 1968 und 1970 erscheinender Rundbrief des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes.

62 Zwischen 1969 und 1972 etwa vierteljährlich erscheinende Zeitschrift des Sozialistischen Palästina-Komitees Heidelberg; im Mai 1972 umbenannt in »Die Front – Zeitschrift zur Unterstützung des Befreiungskampfes der Völker des Nahen Ostens«. Vgl. Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 85f.

63 Gérard Chaliand, Die palästinensische Widerstandsbewegung ist eine entscheidende Kraft geworden, in: SDS-Info 2.25 (1969), S. 23-28; ders., Die palästinensische Widerstandsbewegung ist eine entscheidende Kraft geworden, in: Al-Djabha – Die Front 3/4 (1969), S. 7-10; Asda’ ‘Alamiyya li-Tajribat al-Jabha al-Sha‘biyya al-Dimuqratiyya [Weltweite Echos der Erfahrung der Demokratischen Volksfront], in: al-Hurriya 490 (1969), S. 11-13. Zur Rolle Chaliands in der »Dritte-Welt«-Solidarität siehe Kalter, Die Entdeckung (Anm. 54), S. 232-234.

64 Asda’ ‘Alamiyya (Anm. 63).

65 al-Ifranji, Al-Haraka al-Tullabiyya (Anm. 19), S. 261f.

66 Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 137.

67 Die Zeitschrift wurde unregelmäßig veröffentlicht, in den ersten drei Jahren etwa vierteljährlich.

68 Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 139.

69 Ebd., S. 138.

70 Ab 1975 erscheinende Zeitung der Palästinakomitees in Aachen, Hamburg, Göttingen, Kiel und Münster. Vgl. Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 87f.

71 Um 1974 erscheinende Zeitung des Palästinakomitees Göttingen.

72 Seit 1972 wöchentlich in Beirut erscheinende Zeitschrift der PLO.

73 Interview mit Nayef Hawatmeh, in: Al-Djabha – Die Front 2 (1969), S. 3-6; Die FPDLP über den jordanischen Bürgerkrieg, in: Al-Djabha – Die Front 10 (1971), S. 6-18; N. Giap, An Palästinas Boden hänge ich sehr!, in: Freies Palästina 1 (1975), S. 3-5; Die Juden in Beirut, in: Freies Palästina 3 (1976), S. 25f.; Ghassan Kanafani, Der Aufstand 1936–1939 in Palästina, in: Freies Palästina 5 (1976), S. 26-32; Birgit Sommer, Brief an die Redaktion, in: Freies Palästina 5 (1976), S. 33f.; Brief der PNF an den Palastinensischen [sic!] Nationalrat, in: Revolution bis zum Sieg 2 (ca. 1974), S. 14f.

74 Zwischen 1969 und 1970 erscheinende Zeitschrift des SDS Heidelberg.

75 Al-Yasar al-Almani (Anm. 1); Tashkil Lajnat Filastin fi Birlin al-Gharbiyya [Bildung eines Palästinakomitees in West-Berlin], in: al-Hurriya 493 (1969), S. 14f. »Agit 883« erschien ab Februar 1969 wöchentlich in West-Berlin. Ein weiteres Beispiel für solche Übersetzungen findet sich in »Shu’un Filastiniyya«. Die Zeitschrift veröffentlichte 1975 einen 34-seitigen Auszug aus Kenneth M. Lewans Buch »Die Bundesrepublik und die Palästinafrage« auf Arabisch: Kenneth M. Lewan, Almaniya al-Gharbiyya wa al-Sha‘b al-Filastini [Westdeutschland und das palästinensische Volk], in: Shu’un Filastiniyya 44 (1975), S. 85-119.

76 F. al-Mansur, Al-Muqawama al-Filastiniyya fi al-Suhuf al-Britaniyya wa al-Almaniyya wa al-Amirikiyya (1965–1971) [Der palästinensische Widerstand in den britischen, deutschen und amerikanischen Zeitungen (1965–1971)], in: Shu’un Filastiniyya 6 (1972), S. 78-103, hier S. 89-97.

77 Ebd., S. 90.

78 Afkar al-Failasuf Hirbirt Markus wa Ta’thiriha ‘ala Thawrat al-Tullab [Die Gedanken des Philosophen Herbert Marcuse und ihr Einfluss auf die Revolution der Studenten], in: al-Hurriya 413 (1968), S. 10f.

79 Kuhin Bindit Thawri [Cohn-Bendit ist ein Revolutionär], in: al-Hurriya 413 (1968), S. 2f., hier S. 2.

80 Tashkil Lajnat Filastin (Anm. 75).

81 Al-Yasar al-Almani (Anm. 1).

82 Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 140.

83 Ben-Natan niedergeschrien, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.6.1969, S. 23. Siehe dazu auch Zarin Aschrafis Aufsatz in diesem Heft.

84 Zu dieser Reise siehe auch Skelton-Robinson, Im Netz verheddert (Anm. 10), S. 853-857.

85 PA AA B 36 372.

86 Skelton-Robinson, Im Netz verheddert (Anm. 10).

87 Revolution bis zum Siege, in: Resistentia Schriften 6 (1969), S. 2-7; Abbildung auf der Ausgabe Resistentia Schriften 13 (1971); Revolution bis zum Sieg. Zeitung des Palästina Komitee Göttingen 2 (1974); Shanee Marks, Revolution bis zum Sieg: Eine Jüdin plädiert für die palästinensische Revolution, in: Pflasterstrand, Sondernummer September 1982: Palästina – Ein Alptraum der deutschen Linken, S. 28-35.

88 Abbildung eines Demonstrationszuges in: Resistentia Schriften 11 (1970), S. 13; Fischbach, Black Power and Palestine (Anm. 59), S. 100; Poster aus den Palestine Poster Project Archives: <https://www.palestineposterproject.org/poster/la-resistance-palestinienne>.

89 Kraushaar, Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus (Anm. 3), S. 26-37.

90 Napalm und Schalom, in: Agit 883 19 (1969), S. 3.

91 Salma al-Khalili, Shalom and Napalm, in: Free Palestine 2.5 (1969), S. 3.

93 So zumindest Amilcar Alencastre, El Fatah: les commandos arabes en Palestine, Algiers 1970, S. 81.

94 Der Einsatz von Napalm wurde etwa in Veröffentlichungen des Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) 1967 als Parallele zu Vietnam hervorgehoben; siehe Fischbach, Black Power and Palestine (Anm. 59), S. 41f.

95 Sven Reichardt, Authentizität und Gemeinschaft. Linksalternatives Leben in den siebziger und frühen achtziger Jahren, Berlin 2014, S. 629-648.

96 Zu Arafat und Khaled vgl. etwa Tony Walker/Andrew Gowers, Behind the Myth. Yasser Arafat and the Palestinian Revolution, New York 1992; Sarah Irving, Leila Khaled. Fighting for Palestine, London 2012.

97 Resistentia Schriften 13 (1971); Fedajin 2 (1971); al-Tahrir – Befreiung. Zeitschrift des Komitees zur Unterstützung der kämpfenden Völker im Nahen und Mittleren Osten 5 (1974); Freies Palästina 1 (1975); Flyer für eine Veranstaltung an der Technischen Universität Berlin am 19. November 1974, VL Piening, APO-Archiv.

98 Vgl. dazu Anke Jaspers/Claudia Michalski/Morten Paul (Hg.), Ein kleines rotes Buch. Die Mao-Bibel und die Bücher-Revolution der Sechzigerjahre, Berlin 2018.

99 Frangi, Der Gesandte (Anm. 20), S. 139f. Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 1968 in Sofia sind ein weiteres frühes Beispiel der Kufiya als Symbol für die Internationalisierung palästinensischer Politik. Bei der Eröffnungszeremonie trugen die palästinensischen Delegierten der israelischen kommunistischen Partei Rakah die Kufiya um den Hals: Nassar, Brothers Apart (Anm. 30), S. 165f.

100 Ted Swedenburg, Memories of Revolt: 1936–1939. Rebellion in the Palestinian Past, Fayetteville 2003, S. 32; Sherene Seikaly, Men of Capital. Scarcity and Economy in Mandate Palestine, Stanford 2015, S. 115-117.

102 Zu dem Brandanschlag siehe Kraushaar, »Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf« (Anm. 10).

103 Al-Yasar al-Almani (Anm. 1), S. 12.

104 Kraushaar, »Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf« (Anm. 10), S. 603.

105 Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 107f. Die Kombination aus Hakenkreuz und Davidstern mit der Bildunterschrift »Naziisrael« war etwa abgedruckt in der Zeitschrift des Palästinakomitees Bonn: Al-Thaura, Sondernummer zur Woche der Brüderlichkeit, 12.3.1972, S. 13.

106 Ceylon: Abdel Aziz A.A. Peoples’ Solidarity Association of Ceylon, in: Speeches Delivered to the Extraordinary Conference of the Afro-Asian Peoples’ Solidarity Organization, Vol. II: A.A.P.S.O. Extraordinary Conference: In support of Arab peoples in their struggle against imperialism and Israel, Kairo 1967, S. 31-35, hier S. 32.

107 Art. 22 der PLO-Charta von 1968: <https://www.palestine-studies.org/sites/default/files/Palestinian_national_charter.pdf>. Es existieren unterschiedliche Übersetzungen dieser Passage. In einer deutschen Übersetzung wird »fashiyya naziyya« als »faschistisch«, in einer englischen als »fascist and nazi« wiedergegeben; siehe: <http://palaestina.org/uploads/media/palaestinensische_nationalcharta.pdf> und <https://mfa.gov.il/mfa/foreignpolicy/mfadocuments/yearbook1/pages/33%20the%20palestinian%20national%20covenant-%20july%201968.aspx>. Ich habe mich hier nicht zuletzt für die Übersetzung »faschistisch-nazistisch« entschieden, da das Wort »naziyya« erst 1968 hinzugefügt wurde. Art. 19 der ersten PLO-Charta von 1964 hatte den Zionismus noch als Bewegung bezeichnet, die »faschistisch in ihrem Ziel und ihren Mitteln« sei: <https://www.palestine-studies.org/sites/default/files/uploads/files/28-5-1964b.pdf>. Vergleiche zwischen NS-Deutschland und dem Zionismus lassen sich bis in die 1940er-Jahre zurückverfolgen, wobei Gleichsetzungen nach 1967 Auftrieb erhielten. Siehe etwa Benny Morris, 1948: A History of the First Arab-Israeli War, New Haven 2008, S. 144.

108 Slobodian, The Borders of the Rechtsstaat (Anm. 5).

109 Al-Munaddamat al-Tullabiyya al-‘Arabiyya Tad‘u li-Darb Masalih Almaniya al-Gharbiyya fi al-Watan al-‘Arabi [Die arabischen Studentenorganisationen rufen zu einem Schlag gegen die westdeutschen Interessen in der arabischen Heimat auf], in: al-Hadaf 173 (1972), S. 2.

110 Vgl. Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 108.

111 Ebd., S. 107f.

112 Ebd., S. 83-85; Slobodian, The Borders of the Rechtsstaat (Anm. 5).

113 Fatima Abu al-Qasim, Yasar Almaniya al-Ittihadiyya wa Harakat Tadamunihi ma‘a al-Thawra al-Filastiniyya [Die bundesdeutsche Linke und ihre Solidaritätsbewegung mit der palästinensischen Revolution], in: Shu’un Filastiniyya 32 (1974), S. 142-149, hier S. 142.

114 Kloke, Israel und die deutsche Linke (Anm. 5), S. 98f.; Joseph Ben Prestel, When Threads Wear Thin: The West German Radical Left and Palestinian Groups at the End of the 1970s, in: TRAFO – Blog for Transregional Research, 8.8.2018.

115 Für eine kritische Diskussion der Karriere des Begriffs der »islamischen Welt« in den 1970er- und 1980er-Jahren siehe Cemil Aydin, The Idea of the Muslim World. A Global Intellectual History, Cambridge 2017, bes. S. 173-226.

116 Nicolas Dot-Pouillard, De Pékin à Téhéran, en regardant vers Jérusalem. La singulière conversion à l’islamisme des »Maos du Fatah«, Cahiers de l’Institut Religioscope 2 (2008); Jihane Sfeir, The Dis­enchantment of the Left: Two Memories of the Palestinian Struggle, in: TRAFO – Blog for Transregional Research, 5.6.2018.

117 Christoph Kalter, From global to local and back: the ›Third World‹ concept and the new radical left in France, in: Journal of Global History 12 (2017), S. 115-136.

118 Vgl. etwa Slobodian, Foreign Front (Anm. 12); Maren Möhring, Fremdes Essen. Die Geschichte der ausländischen Gastronomie in der Bundesrepublik Deutschland, München 2014; dies., Mobilität und Migration in und zwischen Ost und West, in: Frank Bösch (Hg.), Geteilte Geschichte. Ost- und Westdeutschland 1970–2000, Göttingen 2015, S. 369-410.

119 Fischbach, Black Power and Palestine (Anm. 59); Chamberlin, The Global Offensive (Anm. 57).

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