This article explores the connection between genocide, language and language consciousness by tracing the strange biography of one Yiddish neologism: shabreven. During the Holocaust, the word came to mean both ›looting‹ and ›taking ownerless property‹. It stoked moral and etymological debate among Yiddish speakers in the Warsaw ghetto, while also occupying a prominent position in postwar Polish and Zionist discourses. The term shifted between different semantic, ethical and cultural fields, navigating a delicate balance between various meanings and norms. The discussions around this term help to shed light on key questions: What were the motivations for the study of Holocaust Yiddish neologisms? How did this early postwar Yiddish philological discourse differ from its parallel in German? Shabreven became both a symbol of the genocidal collapse of language and a tool for regaining victim agency in speech.
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Das verbale Erbe des Genozids.
Der Holocaust im Spiegel eines Wortes: shabreven
In diesem Aufsatz wird die Verbindung zwischen Völkermord, Sprache und Sprachbewusstsein untersucht, indem die seltsame Biographie eines jiddischen Neologismus nachgezeichnet wird: shabreven. Während des Holocausts bedeutete das Wort sowohl »plündern« als auch »sich herrenloses Eigentum nehmen«. Es rief moralische und etymologische Debatten unter den jiddischen Sprecher:innen im Warschauer Ghetto hervor; zudem nahm es in den polnischen und zionistischen Diskursen der Nachkriegszeit einen wichtigen Platz ein. Der Begriff bewegte sich zwischen verschiedenen semantischen, ethischen und kulturellen Feldern, verbunden mit einem heiklen Wandel von Bedeutungen und Normen. Die Diskussionen um diesen Begriff tragen dazu bei, Schlüsselfragen zu erhellen: Was waren die Beweggründe für die Untersuchung jiddischer Neologismen aus dem Holocaust? Wie unterschied sich dieser jiddische philologische Diskurs der frühen Nachkriegszeit von seinem Pendant im Deutschen? Shabreven wurde sowohl zu einem Symbol für den Zusammenbruch der Sprache im Genozid als auch zu einem Instrument für die wiedererlangte Handlungsfähigkeit von Verfolgten in der Sprache.