Gewaltabkehr als gesellschaftliches Projekt

Leitbilder und Ambivalenzen in der Geschichte der Bundesrepublik

  1. Gewalt als Erfahrung, Möglichkeit und Tabu
  2. Die Bundesrepublik im Kontext westlicher Gesellschaften
  3. »Gewalt« und »Gewaltabkehr«
  4. Zugänge im Schnittfeld von Zeitgeschichte und Sozialwissenschaften

Anmerkungen

1. Gewalt als Erfahrung, Möglichkeit und Tabu

In seiner Rede auf einem Empfang in der Düsseldorfer Industriekredit-Bank im September 1969 bedauerte der BDI-Präsident Fritz Berg (1901–1979), dass man Teilnehmern eines wilden Streiks bei der Dortmunder Hoesch AG nicht mit Waffengewalt entgegengetreten sei. Man hätte »doch ruhig schießen sollen, einen totschießen, dann herrsche wenigstens wieder Ordnung«.[1] Der ehemalige Fahnenjunker der preußischen Gardepioniere bezog sich dabei auf eine Meldung der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, die auf ihrer Titelseite darüber berichtet hatte, dass nicht streikwillige Kollegen von streikenden Stahlarbeitern körperlich bedroht worden seien. Eine andere Gruppe habe das Vorstandsbüro gestürmt und anschließend versucht, sich gewaltsam Zutritt zur Villa eines Werksdirektors zu verschaffen. Dessen Ehefrau habe die marodierenden Malocher mit gezogener Waffe am Betreten ihres Anwesens gehindert.[2] Als die geladenen Repräsentanten der nordrhein-westfälischen Wirtschaft auf Bergs Worte mit Schweigen reagierten, setzte dieser noch einmal nach und erklärte, seine Aussage könne man ruhig zitieren.

BDI-Präsident Fritz Berg (Foto von 1955) (Wikimedia Commons, Publicon, Fritz Berg (1949-1971), CC BY-SA 4.0)
BDI-Präsident Fritz Berg (Foto von 1955)
(Wikimedia Commons, Publicon, Fritz Berg (1949-1971),
CC BY-SA 4.0)

Zwar musste die »FAZ« den Artikel kurze Zeit später zurückziehen, weil ihr Korrespondent Informationen ungeprüft übernommen hatte, die sich zum größten Teil als frei erfunden herausstellten.[3] Nur für den »äußersten Fall«, so räumte die Zeitung nachträglich ein, habe die Hausherrin eine Waffe bereitgelegt. Zu einer direkten Konfrontation zwischen Streikenden und der resoluten Dame sei es »dann aber glücklicherweise nicht gekommen«,[4] denn die von der Hoesch AG herbeigerufene Polizei hatte das Anwesen verlassen vorgefunden − von randalierenden Stahlkochern nirgends eine Spur.[5] Durch einen Teilnehmer der Veranstaltung in Düsseldorf erreichte Bergs provokante Rede die überregionale Presse, und die »Pistolen-Aktion«[6] war damit in der Welt. Daran konnte auch Bergs späterer Eingrenzungsversuch wenig ändern, er habe mit seinen Worten nur »Aufrührer« gemeint, nicht aber streikende Arbeiter generell.

Man könnte diesen Vorfall leicht als Beispiel für die tendenziöse Berichterstattung wirtschaftsliberaler Medien über bundesdeutsche Arbeitskämpfe in den 1960er-Jahren zu den Akten legen. Im Kontext eines Themenhefts über Gewalt und Gewaltabkehr ist er jedoch in mehrfacher Hinsicht erhellend:[7] Erstens verweist die bewaffnete Vorsorge der Dortmunder Manager-Gattin darauf, dass physische Gewalt – zumindest als Möglichkeitsform – in der aufgeheizten Situation eines gewerkschaftlich nicht regulierten Arbeitskampfs eine Option darstellte, und zwar sowohl als Gefahr, vor der man glaubte, sich schützen zu müssen, wie auch als Antwort auf Übergriffe von Streikenden. Zweitens spielte der für seine verbalen Rempeleien bekannte Kleineisen-Industrielle in einer unübersichtlichen Lage, die durch spontane Lohnbewegungen von Betriebsbelegschaften in der heißen Phase eines Bundestagswahlkampfs geprägt war, unverhohlen auf ordnungsstiftende Gewaltpraktiken rechter Freikorps zu Beginn der 1920er-Jahre an, die in der Erinnerungskultur des Ruhrgebiets tief verankert waren.[8] Drittens fielen die Reaktionen aus dem Arbeitgeberlager ambivalent aus. Während sich einige Wirtschaftsvertreter distanzierten, indem sie den Vorfall an die Presse durchstachen oder zumindest im Nachhinein auf Beschwichtigung bedacht waren – etwa durch den Erklärungsversuch, Bergs Intervention sei auch deswegen so kämpferisch gewesen, weil »wilde Streiks« der NPD in die Hände spielten –,[9] lässt das Schweigen von Bergs Düsseldorfer Zuhörern verschiedene Interpretationen zu: neben der Ablehnung auch die stillschweigende Zustimmung. Viertens zeigen die öffentlichen Reaktionen auf Bergs provokante Rede indes ebenso, dass Waffengewalt als Mittel zur Sicherung der inneren Ordnung bei Tarifkonflikten in der Bundesrepublik der 1960er-Jahre über keine Akzeptanz mehr verfügte.

Für Berg, einen der mächtigsten und politisch am besten vernetzten Wirtschaftsführer der alten Bundesrepublik, war der Reputationsverlust enorm.[10] Nicht nur das SED-Zentralorgan »Neues Deutschland« wähnte hier »dieselbe geistige Verfassung« am Werk, mit der 1918/19 eine »aufgeputschte Soldateska […] revolutionäre Arbeiter« ermordet habe.[11] Trotz eines weiteren nachgeschobenen Teildementis, bei dem Berg bestritt, den Schusswaffengebrauch zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung empfohlen zu haben, und sich auf die Annahme einer Notwehrsituation herauszureden versuchte,[12] musste er sich in der westdeutschen Medienöffentlichkeit als Ewiggestriger vorführen lassen. Die »Süddeutsche Zeitung« erinnerten seine »törichten und dreisten« Worte an die Zeiten, »in denen Fabrikherren Militär und Polizei gegen streikende Arbeiter mobilisiert« hatten. Der populäre WDR-Fernsehjournalist Werner Höfer empfahl dem Sauerländer »Schlagetot« schlichtweg »scheiden und schweigen«.[13] Auch der DGB forderte den Rücktritt des Altenaer Eisenwarenfabrikanten von seinem Posten, falls die Äußerung tatsächlich so gefallen sei, und sagte gemeinsame Auftritte mit dem BDI-Präsidenten bis auf Weiteres ab. Die Bundesregierung ließ durch ihren Sprecher Conrad Ahlers mitteilen, sie halte Bergs Äußerung für einen »schweren Fauxpas«.[14]

Waffengewalt als Extremform physischer Gewalt, so lässt sich diese Episode resümieren, war am Vorabend der sozialliberalen Koalition in der politischen Kultur der Bundesrepublik in unterschiedlichen Latenzformen präsent: als historische Erfahrung, als Möglichkeit, aber vor allem als Tabu und geächtetes Mittel der Auseinandersetzung. Mit diesen Koordinaten lässt sich zugleich ein analytisches Feld abstecken, in dem Prozesse der Gewaltabkehr stattfanden, die im Zentrum des vorliegenden Themenhefts stehen.

2. Die Bundesrepublik im Kontext westlicher Gesellschaften

Aus der Perspektive der späten 1960er-Jahre war die ostentative Verurteilung physischer Gewalt im öffentlichen Raum keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: In den meisten Ländern des Westens galt Gewalt in bestimmten Situationen als legitimes Mittel zur Aufrechterhaltung staatlicher Souveränität. Noch zu Beginn der Dekade hatten England und Frankreich auf dem afrikanischen Kontinent brutale Dekolonisierungskriege geführt, die vor allem im französischen Fall erhebliche Rückwirkungen auf die gesellschaftlichen Konfliktmuster der Kolonialmacht hatten.[15] In Großbritannien dauerten die bürgerkriegsähnlichen Zustände der nordirischen »Troubles« bis in die 1980er-Jahre an.[16] Und die Vereinigten Staaten erlebten im Kontext des Civil Rights Movement vielerorts den Einsatz ihrer Nationalgarden gegen protestierende Vertreter der Bürgerrechtsbewegung und Kritiker des Vietnamkriegs, in mehreren Fällen mit tödlicher Brutalität.[17] Charakteristisch für die Situation in den ersten Nachkriegsdekaden war in diesen Ländern daher eine starke Spannung zwischen dem anhaltend hohen Gewaltniveau außenpolitischer und innergesellschaftlicher Konfliktaustragungen und dem Bedeutungsgewinn von Menschenrechten als Orientierungspunkt politischen Handelns.[18]

Flower Power? Das Foto der Friedensgeste machte Sergeant Albert R. Simpson im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums während einer Demonstration gegen den Vietnam-Krieg am 21. Oktober 1967 vor dem Pentagon in Arlington/Virginia. (National Archives and Records Administration [NARA], Foto Nr. 111-CC-46331/Public Domain)
Flower Power? Das Foto der Friedensgeste machte Sergeant Albert R. Simpson im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums während einer Demonstration gegen den Vietnam-Krieg am 21. Oktober 1967 vor dem Pentagon in Arlington/Virginia.
(National Archives and Records Administration [NARA],
Foto Nr. 111-CC-46331/Public Domain)
Noch heute erinnern die Murals in Belfast an den Nordirland-Konflikt. Dieses Wandgemälde mit den Paramilitärs der Ulster Volunteer Force wurde 2004 aufgenommen. (Wikimedia Commons, Lasse1974, Glenbryne, CC0 1.0)
Noch heute erinnern die Murals in Belfast an den Nordirland-Konflikt.
Dieses Wandgemälde mit den Paramilitärs der Ulster Volunteer Force wurde 2004 aufgenommen.
(Wikimedia Commons, Lasse1974, Glenbryne, CC0 1.0)

Anders gestaltete sich die Entwicklung in der Bundesrepublik: Hier hatte es im Kontext der Debatte über die Notstandsgesetze bis zum Mai 1968 harte politische Auseinandersetzungen um das Spannungsverhältnis von staatlicher Gewalt und Grundrechten gegeben.[19] Allerdings war die Gewalthaftigkeit der westdeutschen Gesellschaft nach 1945 im Vergleich mit der ersten Jahrhunderthälfte signifikant zurückgegangen. Prozesse der Gewaltabkehr – so die Eingangsthese dieses Hefts – bewirkten hier eine markante Trendwende. Auch wenn man für die Gewaltkriminalität von anderen Konjunkturen ausgehen muss, ist offensichtlich, dass der Grad der Gewaltanwendung in vielen Bereichen wie der Sicherheitspolitik, den Arbeitsbeziehungen, Familie und Schule merklich sank.[20]

Vor diesem Hintergrund bedarf der Begriff der »Westernisierung« einer kritischen Reflexion, wenn er zur Erklärung der Entwicklung von Gewaltphänomenen in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen westlichen Industriestaaten herangezogen wird. Die Orientierung der Bundesbürger am Ideal westlicher Gesellschaften sorgte zwar in einigen gesellschaftlichen Teilbereichen, Institutionen und politischen Praktiken für eine »Umkehr«,[21] gleichzeitig handelte es sich bei den westlichen Vorbildern aber um Gesellschaften, die ihre eigene Gewaltgeschichte hatten. Wie dies mit dem Fortschrittsnarrativ einer generellen Gewaltabkehr zusammenpasst, wäre ebenfalls zu überprüfen.

»Ich bin für Zivil«: Die bayerische Gewerkschaftsjugend demonstriert im November 1954 in München gegen die geplante Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. (picture alliance/dpa)
»Ich bin für Zivil«:
Die bayerische Gewerkschaftsjugend demonstriert im November 1954 in München gegen die geplante Wiederbewaffnung der Bundesrepublik.
(picture alliance/dpa)

Am deutlichsten sind Prozesse der Gewalteinhegung und Gewaltabkehr für die Bundesrepublik im Bereich der äußeren Sicherheit zu greifen. Hier setzte bereits wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein ebenso rascher wie grundlegender Wandel ein. Dieser bezog sich erstens auf die außen- und militärpolitischen Leitkonzeptionen, indem er militärische Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele ächtete, die westdeutschen Streitkräfte als »Bündnisarmee par excellence«[22] ohne nationale Kommandostrukturen konzipierte und ihren Auftrag weitgehend auf die Landesverteidigung begrenzte. Zweitens sollte ein neues Selbstverständnis der traditionellen Sonderstellung des Militärs ein Ende setzen und Angehörige der Bundeswehr als »Staatsbürger in Uniform« zu Trägern einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft werden lassen. Ermöglicht wurden diese Achsendrehungen nicht nur durch die tatkräftige Mitwirkung der Alliierten, sondern auch durch eine anhaltende Diskreditierung des Militärischen. Klar zum Ausdruck kam diese markante Veränderung der Handlungspräferenzen in den Protesten gegen die Wiederbewaffnung während der 1950er-Jahre, in der Ostermarschbewegung, dem Widerstand gegen den NATO-Doppelbeschluss in den 1980er-Jahren und einer generellen Distanziertheit der Bundesdeutschen gegenüber ihren Streitkräften.[23] Auch die im internationalen Vergleich hohe Quote an Kriegsdienstverweigerern lässt sich als Zeichen dieser Distanzierung verstehen.[24]

Polizisten räumen die Sitzblockade vor dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, 14./15. Oktober 1983 (picture alliance/dpa/Wolfgang Eilmes)
Polizisten räumen die Sitzblockade vor dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein, 14./15. Oktober 1983
(picture alliance/dpa/Wolfgang Eilmes)

Im Bereich der inneren Sicherheit fanden ebenfalls erhebliche Wandlungsprozesse statt. Polizeiliche Aufgebote oder gar Militäreinsätze gegen streikende Arbeiter gehörten, wie die Reaktionen auf die Berg-Rede zeigen, in den Nachkriegsjahren eindeutig der Vergangenheit an.[25] Und auch die Polizei setzte, nachdem sie im Vor- und Umfeld der Studentenbewegung zunächst mit übertriebener Härte gegen Demonstranten vorgegangen war, zunehmend auf deeskalierende Konzepte, wie die nach den »Schwabinger Krawallen« von 1962 entwickelte »Münchner Linie«.[26] Hier unterschied sich die Bundesrepublik signifikant von ihren westeuropäischen Nachbarn, wo bis in die 1980er-Jahre brutale Übergriffe der Ordnungskräfte gegen Bürger, die ihr Streik- oder Demonstrationsrecht wahrnahmen, an der Tagesordnung waren.[27] Privater Waffenbesitz, wie er in der Berg-Affäre zum Thema wurde, war in der Bundesrepublik – anders als in den USA – an strikte Auflagen gebunden.[28]

Am 19. Dezember 1961 kommt es in Paris bei einer nicht genehmigten Demonstration von Gewerkschaften und linken Gruppierungen zu tätlichen Auseinandersetzungen – rund 100 Demonstranten und 34 Polizisten werden verletzt. (picture alliance/dpa-Report/UPI)
Am 19. Dezember 1961 kommt es in Paris bei einer nicht genehmigten Demonstration von Gewerkschaften und linken Gruppierungen zu tätlichen Auseinandersetzungen – rund 100 Demonstranten und 34 Polizisten werden verletzt.
(picture alliance/dpa-Report/UPI)

Im Alltagsleben sind auch schlagende Lehrer heutzutage – anders als etwa in Frankreich[29] – zu einer verpönten Restspezies geworden, wie nicht zuletzt stark skandalisierte Fälle von Gewalt gegen Schutzbefohlene in süddeutschen Internaten zeigen.[30] Während der letzten Jahrzehnte stand die Bekämpfung häuslicher Gewalt im Fokus juristischer Reformen, die den Schutz von Gewaltopfern nachhaltig gestärkt haben.[31] Gewaltsames Verhalten, so jedenfalls der erste Eindruck, wurde seit den 1950er-Jahren zunehmend in gesellschaftliche Randzonen abgedrängt und delegitimiert.

Doch was wie eine Erfolgsgeschichte kollektiven Lernens und gesellschaftlicher Zivilisierung nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und der NS-Diktatur anmutet, lässt bei näherer Betrachtung Bruchlinien, Ambivalenzen und Widersprüche erkennen, die einer vertieften Analyse bedürfen. Diese »Umkehr« war kein linearer Prozess, und sie mündete nicht in eine gewaltfreie Gesellschaft. Charakteristisch waren vielmehr Ungleichzeitigkeiten der Entwicklung in verschiedenen Handlungsfeldern, kontroverse Aushandlungsprozesse und auch gegenläufige Tendenzen. So wurden Staat und Gesellschaft mit neuen Formen von Gewalt konfrontiert, seit den 1970er-Jahren zunächst durch den linksextremen Terrorismus und nach dem Anschlag auf das Münchner Oktoberfest 1980 durch Delikte und Terroranschläge einer zunehmend militanteren rechten Szene gegen Migranten, Obdachlose und weitere Gruppen.[32] Zu den Ambivalenzen gehört auch, dass sich die Abkehr von der Gewalt auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen zeitversetzt und mit unterschiedlicher Intensität vollzog. Während sich in Politik und Gesellschaft nach der verheerenden militärischen Niederlage des Zweiten Weltkriegs relativ schnell die Einsicht durchgesetzt hatte, dass für die Bundesrepublik nur eine an Gewaltverzicht und europäischer Integration orientierte Außenpolitik denkbar war, gehörte körperliche Gewalt noch lange zum gängigen Repertoire häuslicher und schulischer Disziplinierung.

Plakat der »lesben presse berlin«, 1974 (Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung)
Plakat der »lesben presse berlin«, 1974
(Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung)

Schließlich haben Phänomene der Mikrogewalt in vielen gesellschaftlichen Teilbereichen nicht nur überdauert, sondern phasenweise auch wieder zugenommen. In den Debatten über Gewalt an Schulen wurde die Kritik an schlagenden Lehrern fast nahtlos von Klagen über Schüler abgelöst, die Gewalt gegen Mitschüler, Lehrer und Schuleinrichtungen ausüben; in der Welt des Sports wird Hooliganismus inzwischen als Dauerproblem verhandelt; ebenso sind gewaltsame Ausschreitungen im Umfeld von Demonstrationen fester Bestandteil der politischen Protestkultur geblieben. Auch die ungebrochene Anziehungskraft von gewalthaltigen Darstellungen in Filmen und Computerspielen legt den Schluss nahe, dass Gewalt in der Gegenwart nicht verschwindet, sondern auf eine andere – virtuelle – Ebene verlagert wird.[33] Jenseits des Entsetzens über einzelne Gewalthandlungen, aber auch der Faszination, die Gewalt zu allen Zeiten ausgelöst hat,[34] drehen sich die aktuellen öffentlichen Gewaltdebatten in Deutschland daher besonders um folgende Fragen: Welche sozialen und weltanschaulichen Wurzeln und Funktionen besitzt Gewalt in pluralistischen Gesellschaften? Welche Rolle spielt Ethnizität in gewaltsamen Auseinandersetzungen? Wie geschlechtsspezifisch sind Gewaltpraktiken? Wie lässt sich innergesellschaftliche Gewalt kontrollieren und abbauen? Wo beginnt und endet im Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols die (legale) Wehrhaftigkeit der demokratischen Ordnung, und wann droht die Staats-Gewalt Grundrechte auszuhöhlen?

3. »Gewalt« und »Gewaltabkehr«

Die begriffliche Bestimmung des Spannungsverhältnisses von Gewalt und Gewaltabkehr erweist sich als Herausforderung eigener Qualität, führt doch bereits die starke Bezogenheit von »Gewaltabkehr« auf den Gewaltbegriff und seine diskursiven Wandlungen zu analytischen Unschärfen. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Erstens neigt die historische Gewaltforschung dazu, Gewalt weniger als Normalität denn als Ausnahmezustand zu analysieren, der vorzugsweise dort in den Fokus gerät, wo ihre Intensität als entgrenzt wahrgenommen wird.[35] Damit werden aber die meisten Formen alltäglicher Gewalt ausgeblendet. Zweitens ist die öffentliche Wahrnehmung dessen, was als Gewalt bezeichnet und thematisiert wird, starken Veränderungen unterworfen, wobei der Gewaltbegriff in den Nachkriegsdekaden gerade bei Übergriffen im sozialen Nahfeld deutlich ausgeweitet wurde. Wie rasant solche Veränderungen geschehen können, zeigt die weltweite Resonanz auf die »#MeToo«-Debatte seit 2017. Praktiken sexueller Übergriffe in beruflichen Abhängigkeitsverhältnissen im Kultur- und Medienbereich, die jahrzehntelang weitgehend tabuisiert und ignoriert worden waren, wurden mit einem Schlag zum öffentlichen Skandal, der nicht nur sichtbare personelle Auswirkungen hat, sondern grundsätzliche Fragen an das Verhältnis der Geschlechter aufwirft. Während gerade durch die »#MeToo«-Kampagne Beispiele dafür ans Licht gekommen sind, wie gewalthaltig etablierte Strukturen sein können, birgt Johan Galtungs Begriff der »strukturellen Gewalt« die Gefahr einer inflationären Verwendung, die mehr benennt als erklärt.[36] Gewalt bleibt im Kern an die Leiblichkeit und Verletzbarkeit von Menschen gebunden, sie wird körperlich erfahren und »von Körpern an Körpern ausgeübt«.[37] Gleichzeitig würde sich die historische Gewaltforschung aber eine problematische Begrenzung auferlegen, wenn sie ihren Blick ausschließlich auf physische Gewaltanwendung richtete und psychische Gewalt ausblendete, denn diese ist so gut wie immer explizit oder implizit mit der Androhung körperlicher Gewalt verbunden.[38] Heuristisch wird deutlich, dass es eines Gewaltbegriffs bedarf, der zum einen unterschiedliche Bedeutungsvarianten einbezieht und zum anderen weder zu eng noch zu weit ist. Drittens schließlich steht eine originäre Begriffsfindung, die die Verhinderung, Begrenzung und Einhegung von Gewalt zu fassen sucht, vor der komplexen Aufgabe, inmitten bereits kursierender Wortschöpfungen terminologische Integrationskraft zu entfalten und analytischen Mehrwert zu erzeugen, ohne unreflektierte Normativität zu produzieren. Wie schwierig das ist, zeigt die Vielfalt der verwendeten Begriffe wie »Gewaltlosigkeit«, »Entgewaltung«, »Gewaltvermeidung«, »Kontrolle der Gewalt«, »Einhegung von Gewalt«, »Gewaltprävention«, »Zivilität«. Einige von ihnen sind eher normativ, andere beschreibend. Die meisten zeigen an, dass es nicht um eine Abschaffung innergesellschaftlicher Gewalt geht, sondern um ihre Regulierung. Verwendet werden die Begriffe allerdings häufig synonym, nicht analytisch differenzierend, und vielfach sind es die jeweiligen Themen und Quellen, die den begrifflichen Rahmen bestimmen.

Daraus ergeben sich mehrere Anforderungen an einen für die zeithistorische Analyse operationalisierbaren Begriff: Berücksichtigen muss er zum ersten das Verhältnis von staatlichem und gesellschaftlichem Handeln, zum zweiten das Prozesshafte aller Entwicklungen und Bemühungen um Gewaltabkehr (unabhängig von ihrem Erfolg und Scheitern), zum dritten die historische Ausgangssituation, in die der jeweilige Untersuchungsgegenstand eingebettet ist. Weiterhin sollte der Begriff die allmähliche Transformation von einer politischen zu einer allgemeinen kulturellen Delegitimierung von Gewalt ebenso einzuschließen vermögen wie die Reflexion über seinen normativen Gehalt.[39]

Die Ermordung John Lennons (1980) inspirierte den schwedischen Künstler Carl Fredrik Reuterswärd (1934–2016) zu seiner Bronzeskulptur »Non Violence«. Außer dem Exemplar vor dem UN-Hauptgebäude in New York (1988) gibt es zahlreiche weitere Versionen in Schweden, Deutschland, Frankreich, China, Mexiko und anderen Ländern. (Wikimedia Commons, ZhengZhou, Non-Violence sculpture in front of UN headquarters NY, CC BY-SA 3.0)
Die Ermordung John Lennons (1980) inspirierte den schwedischen Künstler Carl Fredrik Reuterswärd (1934–2016) zu seiner Bronzeskulptur »Non Violence«.
Außer dem Exemplar vor dem UN-Hauptgebäude in New York (1988) gibt es zahlreiche weitere Versionen in Schweden, Deutschland, Frankreich, China, Mexiko und anderen Ländern.
(Wikimedia Commons, ZhengZhou,
Non-Violence sculpture in front of UN headquarters NY, CC BY-SA 3.0)

Es wäre denkbar, solche Vorgänge als gesellschaftliche »Entgewaltung« zu beschreiben. Dieser Begriff wurde für die Erklärung des weitgehend friedlichen Verlaufs der ostdeutschen Revolution von 1989/90 eingeführt und in der Folge kontrovers diskutiert.[40] Er nimmt das Prozesshafte der Vorgänge auf und spiegelt den Charakter als politisches und gesellschaftliches Projekt wider, ohne dessen Ausgang zu präjudizieren, da er sowohl neue Gewaltkonjunkturen als auch ein partielles oder im Extremfall komplettes Scheitern nicht ausschließt. Allerdings verdeckt der passiv konstruierte Begriff weitgehend die Akteursebene und ihre Dynamik. Daher favorisieren wir »Gewaltabkehr« als flexiblen Dachbegriff, der mehrere Merkmale verbindet: Er bringt zum Ausdruck, dass es sich um Prozesse handelt, die zwar in der Bewegungsrichtung definiert, aber in ihrer Reichweite und dem Grad ihrer Durchführung offen sind; sie verlangen von den Prozessteilnehmern aktive Handlungen oder zumindest eine Haltung dazu.

Nach dem Schulmassaker in Parkland/Florida am 14. Februar 2018 organisierten Schülerinnen und Schüler im ganzen Land Proteste gegen die US-amerikanischen Waffengesetze und die National Rifle Association. Beim »National Walkout Day« einen Monat nach dem Anschlag fotografierte Lorie Shaull diese Demonstrantinnen vor dem Weißen Haus in Washington, DC. (Wikimedia Commons, Lorie Shaull from Washington, United States, Save my life not your gun, a student participating in National Walkout Day at the White House, Washington DC (39914351005), CC BY-SA 2.0)
Nach dem Schulmassaker in Parkland/Florida am 14. Februar 2018 organisierten Schülerinnen und Schüler im ganzen Land Proteste gegen die US-amerikanischen Waffengesetze und die National Rifle Association. Beim »National Walkout Day« einen Monat nach dem Anschlag fotografierte Lorie Shaull diese Demonstrantinnen vor dem Weißen Haus in Washington, DC.
(Wikimedia Commons, Lorie Shaull from Washington, United States, Save my life not your gun, a student participating in National Walkout Day at the White House, Washington DC (39914351005), CC BY-SA 2.0)

Dieser weit gesteckte Rahmen ergibt aber nur Sinn, wenn er durch eine Typologie der Gewaltabkehr ausgefüllt wird, die zwischen den Erfahrungen mit Makrogewalt in Nachkriegsgesellschaften und Phänomenen von Mikrogewalt in weitgehend befriedeten Gesellschaften unterscheidet. Auch wenn es dazu noch an einschlägiger empirischer Forschung mangelt, lassen sich einige Parameter der Typenbildung beschreiben; drei seien hier genannt.

Ausgehend von der Referenzfolie einer Kriegsgesellschaft, die auf umfassende Mobilisierung angelegt ist, wäre erstens zu unterscheiden zwischen Nachkriegsgesellschaften, in die die massiven Gewalterfahrungen des Kriegs noch unmittelbar hineinwirken, und Friedensgesellschaften mit hohem bzw. geringem Gewaltpotential. Da diese Abfolge nicht mit der Vorstellung eines linearen Zivilisationsfortschritts zu verwechseln ist und davon ausgegangen werden muss, dass Prozesse der Gewaltabkehr kontingent und reversibel sind, müsste neben der Kriegsgesellschaft konsequenterweise auch die Vorkriegsgesellschaft als historischer Referenzraum mitgedacht werden.

Der zweite Parameter beschreibt den jeweiligen Rahmen der Verarbeitung von Gewalterfahrungen, angefangen von der Privatsphäre über die gesellschaftliche Sphäre bis zur staatlichen Ebene. Hier wäre noch einmal zu differenzieren zwischen dem Agieren nach außen (Außenpolitik und Kriegführung) und nach innen (Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols).

Als dritter Parameter käme eine Unterscheidung nach äußeren Einflüssen (Vorgaben der Allierten, Standards internationaler Organisationen) und innergesellschaftlichen Lernprozessen in Frage. Richtet man den Fokus auf die gesellschaftliche Sphäre, so kann man für den Umgang mit häuslicher und sexueller Gewalt in den meisten europäischen Nachkriegsgesellschaften zunächst von einem hohen Grad der Tolerierung sprechen. Davon ausgehend setzt in Friedensgesellschaften mit hohem Gewaltpotential eine Skandalisierung ein, die in Friedensgesellschaften mit geringem Gewaltpotential in die Kriminalisierung von häuslicher und sexueller Gewalt mündet. Solche Übergänge sind freilich fließend, und sie sind keine Einbahnstraßen. Fließend sind auch die Übergänge von der gesellschaftlichen zur staatlichen Sphäre, denn die Kriminalisierung und Sanktionierung normverletzenden Verhaltens ist auch Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols.

4. Zugänge im Schnittfeld von Zeitgeschichte und Sozialwissenschaften

Wie Langzeituntersuchungen vor dem Hintergrund von Jugendprotesten in den USA, in Großbritannien und Frankreich herausgearbeitet haben, nahm die innergesellschaftliche Gewalt seit den 1960er-Jahren wieder zu.[41] Durch diese neue Gewaltkonjunktur erlebte die soziologische Gewaltforschung einen markanten Aufschwung, der bis heute nachwirkt. Historische Studien zur Rolle der Gewalt in den westlichen Nachkriegsgesellschaften standen in Anbetracht der Fülle der seit einigen Jahrzehnten veröffentlichten sozialwissenschaftlichen Analysen zunächst im Schatten der Soziologie.[42] Doch inzwischen hat sich eine Reihe von Historikerinnen und Historikern zu Wort gemeldet.[43] Dabei nehmen viele der geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen Bezug auf aktuelle Fragehorizonte und verstehen sich – unter Einbeziehung der Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg, in der NS-Diktatur, aber auch in der Weimarer Republik – als Beiträge zu einer Problemgeschichte der Gegenwart.[44]

Die Frage nach der Rolle der Gewalt und der Durchsetzung zivilisierter Umgangsformen steht im Kontext einer grundsätzlichen Kontroverse der internationalen Gewaltforschung.[45] Eine erste Interpretationslinie, in die sich das Bild einer pazifizierten Bundesrepublik nahtlos einzufügen scheint, gründet im Fortschrittsdenken der Aufklärung und des Frühliberalismus; sie basiert auf der Idee einer zunehmenden staatlichen Monopolisierung physischer Gewalt und zieht sich von Norbert Elias’ Werk »Über den Prozeß der Zivilisation« (1939) und Michael Foucaults These der Substitution physischer Gewalt durch indirekte Kontrolltechniken (1975) bis zu Steven Pinkers weit gespannter »Gewalt«-Geschichte (2011).[46] Allerdings ergeben sich für diese Argumentation in langfristiger Perspektive gravierende Probleme bei der Einordnung von Phänomenen extremer Gewalt im 20. Jahrhundert, angefangen von den Massenverbrechen in der stalinistischen Sowjetunion und im NS-Staat über die Völkermorde in Kambodscha und Ruanda bis zu den mörderischen Taten islamistischer Extremisten der jüngsten Gegenwart. In einem zivilisatorischen Fortschrittsnarrativ lässt sich solche Gewalt nur als Ergebnis kultureller Rückständigkeit oder als Rückfall in die Barbarei deuten, beziehungsweise als »Zivilisationsbruch«.[47]

Die Gegenposition geht davon aus, dass Massengewalt kein Sonderfall ist, sondern ein konstitutiver Bestandteil der Moderne.[48] Während von einer linearen Abnahme der Gewalt im Verlauf der Geschichte keine Rede sein könne,[49] böten gerade die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols, effiziente staatliche Verwaltungen, verbesserte technische Möglichkeiten und arbeitsteilige Verfahren sowie die Ansprüche eines umfassenden Social Engineering die Voraussetzungen für eine extreme Gewaltausübung, die im Holocaust sowie im nationalsozialistischen Rassen- und Vernichtungskrieg gipfelte. Gewalt sei mithin Ausdruck von Ambivalenzen der Moderne.[50]

Das vorliegende Heft wählt eine andere Perspektive, indem es nicht Phänomene der Gewaltgenese und Gewaltanwendung untersucht, sondern Modi der Verarbeitung von Gewalt und Praktiken der Gewaltabkehr ins Zentrum der Analyse stellt. Debatten über die Einhegung von Gewalt sind zyklische Begleiter der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Gewaltphänomenen. Dennoch steht die Verhinderung von Gewalt fast immer im Schatten der Berichterstattung über spektakuläre Formen von Gewalteskalation. Im Hinblick auf die Leitvorstellungen zivilisierter Gesellschaften müsste es indes genau umgekehrt sein: Nicht die Gewalt ist spektakulär, sondern dass Gewalt nicht passiert. Dieses Wahrnehmungsdefizit lässt sich vor allem damit erklären, dass Gewaltvermeidung und Deeskalation in den seltensten Fällen das Ergebnis gewaltpräventiver Großentwürfe sind. Sie werden in demokratischen Systemen durch kleinteilige Präventions- und Deeskalationsmaßnahmen erreicht, die es meist nicht in die Schlagzeilen schaffen. Wenn man die Perspektive wechselt und die Gewaltabkehr ins Zentrum der Forschung rückt, wird schnell deutlich, wie relevant das Thema für das Verständnis moderner Gesellschaften und ihrer Teilbereiche ist.

Erstens sind in der Langzeitperspektive der neueren europäischen Geschichte Friedenszeiten die historischen Ausnahmezustände. Nur vor dem Hintergrund massenhafter Gewalt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie den nachfolgenden spät- und postkolonialen Konflikten konnte sich in der westlichen Welt ein neues Regime des Sozialen durchsetzen, das zivile Umgangsformen und eine gewaltlose Konfliktaustragung favorisierte und honorierte. Insofern dient die Beschäftigung mit Gewaltabkehr auch dazu, Frieden und Gewaltreduktion als besondere, keinesfalls selbstverständliche zeitgeschichtliche Phänomene zu historisieren. Innerer Frieden erweist sich dabei nicht als ein Zustand, der sich mehr oder weniger naturwüchsig aus der Abwesenheit von Gewalt ergab, sondern als Ergebnis komplexer gesellschaftspolitischer Aushandlungsprozesse. Dieser Prozesscharakter der Gewaltabkehr mit all seinen Erfolgen und Misserfolgen tritt insbesondere unter sozialgeschichtlichem Blickwinkel zutage, wie die Beiträge des Themenhefts zeigen. Zudem hilft die Analyse von Wegen aus der Gewalt, die Verinselung einzelner zeithistorischer Epochen zu vermeiden, indem sie Kriegs- und Diktaturerfahrungen und deren Nachgeschichten analytisch aufeinander bezieht.

Zweitens spiegelt sich speziell für die Bundesrepublik in der Auseinandersetzung mit Gewaltabkehr die Genese einer sich allmählich verändernden Wertegemeinschaft. Eine gesellschaftsgeschichtliche Analyse institutioneller und juristischer Mechanismen zur Gewaltvermeidung liefert Bausteine, um die Demokratisierung der bundesdeutschen Gesellschaft und ihren Umgang mit destabilisierenden Faktoren genauer zu bestimmen.

Drittens ist der Umgang mit den extremen Gewalterfahrungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer noch eine frappierende Leerstelle in der europäischen Zeitgeschichte und bisher vornehmlich für erinnerungskulturelle Fragen und einzelne Opfergruppen untersucht, kaum aber im Hinblick auf die psychosozialen Effekte von Kriegstraumatisierungen »ganz normaler« Frauen und Männer im »Jahrhundert der Gewalt« (Eric Hobsbawm) und ihre Bedeutung für die Verfasstheit europäischer Nachkriegsgesellschaften.[51]

Eine methodisch fundierte Historisierung von Strategien, Praktiken und Grenzen der Gewaltabkehr steht für die Zeit nach 1945 noch am Anfang. Daher zielen die Beiträge des Themenhefts darauf ab, vor dem Hintergrund der massiven Gewalterfahrungen der ersten Jahrhunderthälfte und des anschließenden Kalten Kriegs mit historischen Tiefenbohrungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen Einblicke in Prozesse der Regulierung von Gewalt zu eröffnen und diese sowohl in diachroner Perspektive als auch im Vergleich westlicher Industriegesellschaften einzuordnen. Am Beispiel der Bundesrepublik konzentrieren sich mehrere Beiträge des Themenhefts auf Institutionen wie Schulen, Kinderheime und Gefängnisse. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie als geschlossene Einrichtungen selbst Orte besonderer Gewaltverhältnisse sind. Gleichzeitig legitimieren sie sich als gesellschaftlich notwendig, weil sie für sich in Anspruch nehmen, Schüler, Fürsorgezöglinge und Strafgefangene – mit unterschiedlichen Instrumenten der Verhaltensregulierung – zu zivilisierten Staatsbürgern zu erziehen, die ohne Gewaltanwendung miteinander umgehen (sollen). An ihnen lässt sich exemplarisch zeigen, wie in offenen Gesellschaften daran gearbeitet wurde und wird, soziale Standards zu definieren und durchzusetzen.

Im Mittelpunkt der Beiträge stehen folgende Fragen:

  • Gab es mittel- und langfristige Auswirkungen der Gewalterfahrungen in der ersten Jahrhunderthälfte, die die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Gewaltphänomenen nach 1945 beeinflusst haben?
  • Wie und von wem wurden Standards gewaltfreier Konfliktaustragung in einer pluralistischen Gesellschaft etabliert?
  • Mit welchen Mitteln wurde Gewalt in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen eingehegt, und in welchen Kontexten kam es zu ihrer punktuellen Entgrenzung?
  • Lässt sich die Entwicklung von Gewalt und Zivilität in der Bundesrepublik – in Relation zu anderen westlichen Industrienationen – in Prozesse der Westernisierung einordnen, oder wirkten hier vor allem Prägungen durch deutsche Gewalterfahrungen aus der ersten Jahrhunderthälfte nach?

Mit der Frage nach Gewaltabkehr als gesellschaftlichem Projekt soll das Themenheft neue Perspektiven auf den Wandel Westdeutschlands im internationalen Kontext eröffnen. Auch wenn die Geschichte der Bundesrepublik im Zentrum steht, bilden transnationale Faktoren den Rahmen der Analysen, etwa bei der Frage nach Einflüssen, wie sie nach 1945 von den westlichen Alliierten auf die entstehende Bundesrepublik ausgeübt wurden, oder bei der Frage nach der Bedeutung internationaler Organisationen wie dem Europarat oder der UNO, die bei der Definition von Schutzstandards gegen familiale Gewalt eine eigenständige Politik verfolgten. Dabei wäre auch zu erörtern, inwiefern die durch Migration und mediale Konfrontation mit Massakern und Genoziden an den Rändern Europas und in der »Dritten Welt« vermittelten Gewalterfahrungen auf bundesdeutsche Gewaltpraxen einwirkten und Einstellungen zu Gewalt in unterschiedlichen Milieus und Schichten der bundesdeutschen Gesellschaft veränderten.

Zu diskutieren ist weiterhin die Temporalstruktur der Gewaltabkehr. Welche Bedeutung hatten in diesem Zusammenhang die Zäsur von 1945 als Ausgangspunkt der Nachkriegsentwicklung, die Auswirkungen von »1968« oder das Ende der kommunistischen Diktatur? Das Ende des SED-Regimes wurde begleitet von dem Ruf »Keine Gewalt«. Das Gelingen der »friedlichen Revolution« in der DDR war genau in dem Moment absehbar, als Teile der SED-Führung sich entschieden, nicht mit massiver Gewalt gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen. Als historische Wendemarke steht 1989/90 aber auch für die umfassende Analyse von Gewalt und Gewaltabkehr in Westdeutschland. Dass die »Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt« der Bundesregierung im Januar 1990 einen umfassenden Bericht vorlegte, fand zunächst kaum öffentliche Aufmerksamkeit, da die detaillierten Handlungsvorschläge zur Gewaltprävention seit Anfang 1991 durch eine Welle ausländerfeindlicher Gewalt in den Hintergrund gedrängt wurden.[52] Pogromartige Ausschreitungen wie in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 oder Anschläge wie in Mölln im November 1992 und der in der lokalen Gesellschaft verwurzelte ausländerfeindliche Terror selbsternannter Bürgerwehren im sächsischen Freital 2015 führen uns vor Augen, wie fragil der zivilisatorische Fortschritt bis heute ist. Sie verweisen auch darauf, dass es sich bei der Abkehr von der Gewalt um ein Langzeitprojekt handelt, dessen Ausgang und Verlauf alles andere als vorhersagbar ist. Das von Fritz Berg 1969 geäußerte Bedürfnis, mit Gewalt »wieder Ordnung« zu schaffen, lässt sich jedenfalls nicht einfach als überwundene Vergangenheit einstufen.

Im April 2013 beschmierten Rechtsextreme das Haus des Bürgermeisters von Güstrow, als in der Stadt ein Asylbewerberheim eingerichtet werden sollte. Sie spielten dabei auf die fremdenfeindlichen Krawalle von Rostock-Lichtenhagen im August 1992 an. Später schrieb jemand das Wort »Nie« hinzu. (picture alliance/dpa-Zentralbild/Bernd Wüstneck)
Im April 2013 beschmierten Rechtsextreme das Haus des Bürgermeisters von Güstrow, als in der Stadt ein Asylbewerberheim eingerichtet werden sollte.
Sie spielten dabei auf die fremdenfeindlichen Krawalle von Rostock-Lichtenhagen im August 1992 an. Später schrieb jemand das Wort »Nie« hinzu.
(picture alliance/dpa-Zentralbild/Bernd Wüstneck)

Anmerkungen:

[1] Berg. Auf Notwehr gemünzt, in: Spiegel, 22.9.1969, S. 67f., Zitat S. 67.

[2] W. Th., Kommunisten schreiben sich die wilden Streiks zu, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.9.1969, S. 1. Die westdeutsche Ausgabe der »FAZ« vom selben Tag hatte den Tenor der Überschrift noch stärker zugespitzt: »Wilde Streiks von Linksradikalen geplant und geführt«.

[3] Frankfurter Allgemeine. So lebhaft, in: Spiegel, 15.9.1969, S. 99f. Vgl. auch: Der Streik und die Brandstifter, in: Unsere Zeit, 18.9.1969, S. 3.

[4] W. Th., Der Hoesch-Streik und die Villa Harders, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.9.1969, S. 4.

[5] Frau Harders sah nur Polizisten. Werksleitung, Arbeiter und Betriebsräte dementieren Sturm auf die Villa in Ergste, in: Ruhr-Nachrichten, 4.9.1969. Gegenüber den »Ruhr-Nachrichten« erklärte Frau Harders, sie und ihre Schwester seien »sehr aufgeregt« gewesen und hätten gemeinsam überlegt, »ob wir uns notfalls mit einer Pistole zur Wehr setzten sollten«.

[6] Pistolen-Aktion mit Nachspiel. Redete Präsident Berg dem Totschlag das Wort?, in: Neue Ruhr Zeitung, 16.9.1969.

[7] Das Themenheft greift Probleme auf, die im November 2015 bei der Tagung »Abkehr von der Gewalt? Der Umgang der westdeutschen Gesellschaft mit alten und neuen Formen gewaltsamen Handelns« am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam diskutiert wurden. Vgl. den Bericht von Franziska Rehlinghaus, in: H-Soz-Kult, 21.1.2016.

[8] Klaus Tenfelde, Bürgerkrieg im Ruhrgebiet 1918 bis 1920, in: Karl-Peter Ellerbrock (Hg.), Erster Weltkrieg, Bürgerkrieg und Ruhrbesetzung. Dortmund und das Ruhrgebiet 1914/18–1924, Dortmund 2010, S. 10-66.

[9] DPA-Meldung 254 id, 15.9.1969, Archiv der sozialen Demokratie (AdsD), Bonn, Sammlung Personalia/934.

[10] Berg gehörte als Gründungsvorstand der Staatsbürgerlichen Vereinigung zu den Schlüsselfiguren der verdeckten Finanzierung bürgerlicher Parteien. Als BDI-Präsident wurde er 1971 durch den konzilianteren Rolf Rodenstock abgelöst. Inwieweit die Affäre den Rücktritt des innerverbandlich bis dahin unangefochtenen Unternehmers einleitete, ist offen. Dass seine ruppige Art der Konfliktführung zunehmend als unzeitgemäß empfunden wurde, deutete nach Bergs Tod allerdings einer der Trauerredner an: »[…] manche Unbefangenheit [… sei] heutzutage nicht wiederholbar, fände, wie auch damals schon oft, kein allgemeines Verständnis mehr.« Otto Graf Lambsdorff, Gedenkrede am 9.2.1979, S. 2, AdsD, Sammlung Personalia/934.

[11] W. O., Herr Fritz Berg empfiehlt: »Ruhig totschießen«!, in: Neues Deutschland, 16.9.1969.

[12] R. M., Berg erläutert seine Äußerung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.9.1969, S. 1.

[13] Alle Zitate nach Friedrich Kassebeer, BDI-Präsident in der Schußlinie. »Einen totschießen, dann herrschte Ordnung«, in: Süddeutsche Zeitung, 17.9.1969.

[14] Regierung tadelt den BDI-Chef, in: Kölner Stadtanzeiger, 19.9.1969.

[15] Gerhard Altmann, Abschied vom Empire. Die innere Dekolonisation Großbritanniens 1945–1985, Göttingen 2005; Fabian Klose, Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt. Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien 1945–1962, München 2009.

[16] Brian Drohan, Brutality in an Age of Human Rights. Activism and Counterinsurgency at the End of the British Empire, Ithaca 2018, S. 151-186.

[18] Jan Eckel, Die Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern, Göttingen 2014, 2. Aufl. 2015.

[19] Boris Spernol, Notstand der Demokratie. Der Protest gegen die Notstandsgesetze und die Frage der NS-Vergangenheit, Essen 2008.

[20] Die bundesdeutsche Homizidrate (einschließlich Körperverletzung mit Todesfolge) entwickelte sich in den 1950er-Jahren zunächst rückläufig, stagnierte in den 1970er- und 1980er-Jahren und stieg seit 1989 wieder an. Noch deutlicher (und früher einsetzend) fällt der Anstieg bei den Körperverletzungsdelikten aus. Er ist aber aufgrund mehrfacher Änderungen in den Erfassungskriterien weniger eindeutig interpretierbar. Christoph Birkel/Helmut Thome, Die Entwicklung der Gewaltkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, England/Wales und Schweden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Halle 2004, S. 93, Abb. 3, S. 111, Abb. 37.

[21] Konrad H. Jarausch, Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945–1990, München 2004.

[22] Eckart Conze, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009, S. 97.

[23] Holger Nehring, Politics, Symbols and the Public Sphere. The Protests against Nuclear Weapons in Britain and West Germany, 1958–1963, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 2 (2005), S. 180-202; Philipp Gassert/Tim Geiger/Hermann Wentker (Hg.), Zweiter Kalter Krieg und Friedensbewegung. Der NATO-Doppelbeschluss in deutsch-deutscher und internationaler Perspektive, München 2011.

[24] Patrick Bernhard, Zivildienst zwischen Reform und Revolte. Eine bundesdeutsche Institution im gesellschaftlichen Wandel, 1961–1982, München 2005.

[25] Die Klage von Unternehmern über das betont zurückhaltende Handeln der Polizei auch bei an sich rechtswidrigen Werksblockaden bildete einen gängigen Topos in der Streikliteratur der 1950er-Jahre. Siehe etwa: Das mißhandelte Recht im bayerischen Metallarbeiterstreik 9. bis 31. August 1954. Weißbuch des Vereins der Bayerischen Metallindustrie, München 1955, S. 32-44.

[26] Peter Graf Kielmansegg, Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland, Berlin 2000, S. 279; Gerhard Fürmetz (Hg.), »Schwabinger Krawalle«. Protest, Polizei und Öffentlichkeit zu Beginn der 60er Jahre, Essen 2006; zurückhaltender bewertet die Reichweite dieses Wandels allerdings Klaus Weinhauer, Schutzpolizei in der Bundesrepublik. Zwischen Bürgerkrieg und Innerer Sicherheit: Die turbulenten sechziger Jahre, Paderborn 2003, S. 274-332.

[27] Dietmar Hüser, Vom »Un-Skandal« des Algerienkrieges zum »Post-Skandal« der Gedächtniskultur. Die Pariser Polizei-Repressionen vom 17. Oktober 1961, in: Andreas Gelz/Dietmar Hüser/Sabine Ruß (Hg.), Skandale zwischen Moderne und Postmoderne. Interdisziplinäre Perspektiven auf Formen gesellschaftlicher Transgression, Berlin 2014, S. 183-213; Gero Fischer, United we stand – divided we fall. Der britische Bergarbeiterstreik 1984/85, Frankfurt a.M. 1999.

[28] Dagmar Ellerbrock, Waffenkultur in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 64 (2014) H. 35-37, S. 40-46.

[29] Stefan Simons, Ohrfeige für Frankreich. Europarat-Rüge wegen Prügelstrafe, in: Spiegel Online, 4.3.2015.

[31] So im seit 2002 geltenden Gewaltschutzgesetz, das im Falle von Bedrohung und körperlichen Übergriffen die Möglichkeit der Verweisung eines Täters aus der gemeinsamen Wohnung vorsieht. In eine ähnliche Richtung zielt die 2011 erlassene Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

[32] Klaus Weinhauer, Terrorismus in der Bundesrepublik der Siebzigerjahre. Aspekte einer Sozial- und Kulturgeschichte der Inneren Sicherheit, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 219-242; Andrea Röpke/Andreas Speit (Hg.), Blut und Ehre. Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland, Berlin 2013.

[33] Birgitta Nedelmann, Schwierigkeiten soziologischer Gewaltanalyse, in: Mittelweg 36 4 (1995) H. 3, S. 8-17; Harald Welzer, Gewalt braucht kein Motiv, in: Ulrich Bielefeld/Heinz Bude/Bernd Greiner (Hg.), Gesellschaft – Gewalt – Vertrauen. Jan Philipp Reemtsma zum 60. Geburtstag, Hamburg 2012, S. 504-525.

[34] Hans-Georg Soeffner, Gewalt als Faszinosum, in: Wilhelm Heitmeyer/Hans-Georg Soeffner (Hg.), Gewalt. Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme, Frankfurt a.M. 2004, S. 61-85.

[35] So Thomas Lindenberger/Alf Lüdtke, Physische Gewalt – eine Kontinuität der Moderne, in: dies. (Hg.), Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit, Frankfurt a.M. 1995, S. 7-38, hier S. 17.

[36] Vgl. Peter Imbusch, »Strukturelle Gewalt«. Plädoyer für einen unterschätzten Begriff, in: Mittelweg 36 26 (2017) H. 3, S. 28-51; Michael Riekenberg, Auf dem Holzweg? Über Johan Galtungs Begriff der »strukturellen Gewalt«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 5 (2008), S. 172-177.

[37] Lindenberger/Lüdtke, Physische Gewalt (Anm. 35), S. 7 (Zitat); Heinrich Popitz, Phänomene der Macht, Nachdruck der 2., stark erweiterten Aufl. von 1992, Tübingen 2009 (zuerst 1986), S. 48.

[38] Gewalt als leibliche Erfahrung. Ein Gespräch mit Teresa Koloma Beck, in: Mittelweg 36 26 (2017) H. 3, S. 52-73, hier S. 66.

[39] Dabei lässt sich anknüpfen an Habbo Knoch/Benjamin Möckel, Moral History. Überlegungen zu einer Geschichte des Moralischen im »langen« 20. Jahrhundert, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 14 (2017), S. 93-111.

[40] Martin Sabrow (Hg.), 1989 und die Rolle der Gewalt, Göttingen 2012.

[41] Helmut Thome, Theoretische Ansätze zur Erklärung langfristiger Gewaltkriminalität seit Beginn der Neuzeit, in: Heitmeyer/Soeffner, Gewalt (Anm. 34), S. 315-345; Jan Philipp Reemtsma, Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, München 2009; Eric Dunning, Violence and Violence-Control in Long-Term Perspective. »Testing« Elias in Relation to War, Genocide, Crime, Punishment and Sport, in: Sophie Body-Gendrot/Pieter Spierenburg (Hg.), Violence in Europe. Historical and Contemporary Perspectives, New York 2009, S. 227-250; Eddie Hartmann, Violence: Constructing an Emerging Field of Sociology, in: International Journal of Conflict and Violence 11 (2017), S. 1-9.

[42] Peter Imbusch, Gewalt – Stochern in unübersichtlichem Gelände, in: Mittelweg 36 9 (2000) H. 2, S. 24-40; als Überblick zum aktuellen Diskussionsstand vgl. das Interview mit Wolfgang Knöbl in diesem Heft.

[43] Vgl. etwa Ian Kershaw, War and Political Violence in Twentieth-Century Europe, in: Contemporary European History 14 (2005), S. 107-123; James J. Sheehan, Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden, München 2009; Weinhauer, Schutzpolizei (Anm. 26), S. 274-332; Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 42 (2014): Politische Gewalt in Deutschland. Ursprünge – Ausprägungen – Konsequenzen, hg. von José Brunner, Doron Avraham und Marianne Zepp; Dirk Schumann, Gewalt als Grenzüberschreitung. Überlegungen zur Sozialgeschichte der Gewalt im 19. und 20. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte 37 (1997), S. 366-386; Jan C. Behrends, Gewalt und Staatlichkeit im 20. Jahrhundert. Einige Tendenzen zeithistorischer Forschung, in: Neue Politische Literatur 58 (2013), S. 39-58.

[44] Vgl. Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 5 (2008) H. 1: Gewalt: Räume und Kulturen, hg. von Jörg Baberowski, Klaus Große Kracht und Jan-Holger Kirsch.

[45] Felix Schnell, Gewalt und Gewaltforschung, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 8.11.2014; Teresa Koloma Beck/Klaus Schlichte, Theorien der Gewalt zur Einführung, Hamburg 2014, 2., korrigierte Aufl. 2017; Habbo Knoch, Einleitung. Vier Paradigmen des Gewaltdiskurses, in: Uffa Jensen u.a. (Hg.), Gewalt und Gesellschaft. Klassiker modernen Denkens neu gelesen, Göttingen 2011, S. 11-46.

[46] Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bde., 20., neu durchgesehene u. erweiterte Aufl. Frankfurt a.M. 1997 (siehe dazu auch den Beitrag von Teresa Koloma Beck in diesem Heft); Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a.M. 1977; Steven Pinker, The Better Angels of Our Nature. Why Violence Has Declined, New York 2011; dt.: Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit. Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel, Frankfurt a.M. 2011.

[47] Dan Diner (Hg.), Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, Frankfurt a.M. 1988.

[48] Peter Imbusch, Moderne und Gewalt. Zivilisationstheoretische Perspektiven auf das 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2005.

[49] Siniša Malešević, Forms of Brutality. Towards a Historical Sociology of Violence, in: European Journal of Social Theory 16 (2013), S. 273-291.

[50] Zygmunt Bauman, Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust, Hamburg 1992; ders., Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit, Hamburg 1992.

[51] Wichtige Ausnahmen bilden Svenja Goltermann, Die Gesellschaft der Überlebenden. Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg, München 2009; Alon Confino/Paul Betts/Dirk Schumann (Hg.), Between Mass Death and Individual Loss. The Place of the Dead in Twentieth-Century Germany, New York 2009; Lu Seegers/Jürgen Reulecke (Hg.), Die »Generation der Kriegskinder«. Historische Hintergründe und Deutungen, Gießen 2009; sowie mit einer weiteren Perspektive Richard Bessel, Violence. A Modern Obsession, London 2015.

[52] Zur Arbeit der »Gewaltkommission« siehe den Beitrag von Roland Eckert, Anette Schumacher und Helmut Willems im vorliegenden Heft.

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