Alexander Kluge, Schlachtbeschreibung, Olten/Freiburg i.Br.: Walter 1964; jüngste Fassung in: ders., Chronik der Gefühle, Bd. 1: Basisgeschichten, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2000, S. 509-793. Die im folgenden Text enthaltenen Zitate beziehen sich auf die Erstausgabe bzw. unter Verwendung der Sigle „CdG I“ auf die Fassung von 2000.
Für Alexander Kluge gibt es keine abgeschlossenen Werke: „Bücher halten nicht still. Sie sind auch nie ‚beendet‘“.1 So ist es auch im Fall der „Schlachtbeschreibung“ nicht bei der Erstausgabe von 1964 geblieben. Kluge versteht seine Bücher als „work in progress“, als „Baustellen“ und als Produkte einer Sammlertätigkeit, die nicht beendet werden kann. Ein Buch wie die „Schlachtbeschreibung“ ist in diesem Sinne lediglich ein kleiner Teil eines stetig wachsenden und sich immer wieder aufs Neue verändernden multimedialen Netzwerks, das nicht nur literarische Texte umfasst, sondern auch philosophische Arbeiten, Kinofilme und Fernsehmagazine. Bis heute sind nicht weniger als sieben zum Teil sehr stark voneinander abweichende – gekürzte, erweiterte, neu arrangierte und um Abbildungen ergänzte – Ausgaben des Stalingrad-Buchs erschienen. Die vorerst letzte (gedruckte) Überarbeitung stammt aus dem Jahr 2000, als Kluge sein erzählerisches Gesamtwerk, ergänzt durch neu entstandene Texte, unter dem Titel „Chronik der Gefühle“ in einer umfangreichen zweibändigen Ausgabe versammelte. Darin findet sich die „Schlachtbeschreibung“ – als ein Kapitel unter vielen – in einen neuen Zusammenhang gestellt.2
Problematisch ist zunächst schon der Versuch einer Genre-Zuordnung. Die „Schlachtbeschreibung“ erschien zuerst ohne expliziten Gattungshinweis. In späteren Ausgaben wurde das Buch mit dem Zusatz „Roman“ versehen, der jedoch in der jüngsten Fassung wieder getilgt wurde. Die Sekundärliteratur definiert den Text unter anderem als „literarische Collage“, „dokumentarische Prosamontage“, als „historischen Roman“, „Stalingrad-Roman“ oder etwa auch – unter Verwendung eines Begriffs, den Kluge selbst in Anlehnung an die Poetik Theodor Fontanes gebraucht – als „Vielfältigkeitsroman“.3 „Liest man das Buch“, so Rainer Stollmann in seiner Einführung zu Kluges Werk, „kommt einem auch der Begriff ‚Roman‘ noch eng vor, denn im Grunde kümmert sich dieses Buch nicht einmal um die Differenzierung zwischen Geschichtswissenschaft und Literatur.“4
2
Bei ihrem Erscheinen Mitte der 1960er-Jahre stieß die „Schlachtbeschreibung“ nicht zuletzt aus diesem Grund auf Unverständnis und eine durchaus ablehnende Resonanz. Von einem „Fehlschlag“ war in den Rezensionen ebenso die Rede wie von „intellektueller Hochstapelei“, „literarischer Scharlatanerie“ und dem Vorwurf, der Autor Kluge missbrauche das Vertrauen der Leser zu den historischen Fakten.5 Mittlerweile ist die Bedeutung des Buchs weniger umstritten, was auch anhand der im Zuge der Neufassungen von 1978 und 1983 verstärkt einsetzenden Forschungsliteratur deutlich wird.6 Harro Müller etwa sah in der Neufassung der „Schlachtbeschreibung“ 1988 ein Buch, das „aufgrund seiner geschichtstheoretischen Implikationen und seiner multimedialen Verfahrensweisen vermutlich den komplexesten und poetologisch raffiniertesten historischen Roman darstellt, der im 20. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum erschienen ist“.7 Was die frühen Rezensenten irritierte und die spätere Forschung dann verstärkt interessierte, ist Kluges „Versuch einer Ästhetik der Materialkonstruktion“,8 sein Umgang mit Dokument und Fiktion sowie die generelle Frage nach der literarischen Darstellbarkeit eines historischen Ereignisses wie der Schlacht um Stalingrad.
„Es geht um das bekannte Unglück von St.“, heißt es im Vorwort der Erstausgabe (S. 7). Ein Ereignis, so bekannt, dass die „durch häufige Nennung abgestumpften Namen“ (ebd.) vom Autor abgekürzt und damit zum Teil unkenntlich gemacht werden. Kluge versucht die Beschreibung des „organisatorischen Aufbaus eines Unglücks“ (ebd.). Die Chronologie der Ereignisse ist dabei durch die Abfolge der kriegerischen Auseinandersetzungen vorgegeben. Im Zentrum steht der Zeitraum von Mitte November 1942, kurz vor der Einkesselung der 6. Armee in Stalingrad, bis Anfang Februar 1943, als General Paulus kapitulierte und mit den überlebenden deutschen Soldaten in Kriegsgefangenschaft ging. Der geschichtliche Ablauf wird jedoch nicht eindimensional rekonstruiert, sondern aus einer Vielzahl zeitlich, räumlich und ideologisch unterschiedlich situierter Perspektiven mehrfach dargeboten.9 Ohne einen personalen oder allwissenden Erzähler wird das zum Teil widersprüchliche Material von Kluge vielschichtig montiert: Neben einem dreifachen chronologischen Durchlauf der Ereignisse in Form eines „Rechenschaftsberichts“ (S. 9), der aus dem täglichen Wehrmachtsbericht zitiert, dem Kapitel „Pressemäßige Behandlung“ (S. 33), das die vertraulichen Tagesparolen des Reichspressechefs wiedergibt, und den tagebuchartigen „Tagesläufen“ (S. 141) finden sich in der Erstausgabe etwa auch organisatorische „Richtlinien für den Winterkrieg“ (S. 51), Auszüge aus Feldpredigten, Erinnerungen von Offizieren, Soldaten und Ärzten in Interviewform, Beispiele für korrekte militärische Umgangsformen, historische Kriegspläne sowie die Besonderheiten der „Sprache der höheren Führung“ (S. 319). In einer „Rekapitulation“ geht Kluge Fragen nach wie: „Hätten die Generäle bis Weihnachten anders geführt als Hi.?“ (S. 262), „Was wußte Hi.?“ (S. 278) oder „Was taten die Russen?“ (S. 290).
Exakte Quellenangaben sucht man vergeblich, doch das gehört zu Kluges literarischem Programm. „Folgende Einrichtungen und Sammlungen wurden benutzt“, verrät der Autor in den Nachworten der Neufassungen: „Institut für Zeitgeschichte, München; Bundesarchiv; Berichte von Rückkehrern; privat zur Verfügung gestellte Befragungen; Funksprüche und Aktenunterlagen. [...] Insofern können die im Text beschriebenen Szenen dokumentarisch belegt werden. Die Szenen werden dadurch nicht dokumentarischer.“ (CdG I, S. 987) Hier äußert Kluge seinen generellen Zweifel am Realitätsgehalt historischer Dokumente. „Ein Unglück wie Stalingrad hat den Vorteil, daß es unmöglich mit zwei Augen zu sehen ist“, heißt es programmatisch gleich auf der ersten Seite der Neufassung (CdG I, S. 513) – eine Feststellung, die Folgen für Kluges Arbeitsweise hat, denn wer „in Stalingrad etwas sah, Aktenvermerke schrieb, Nachrichten durchgab, Quellen schuf, stützte sich auf das, was zwei Augen sehen können. Ein Unglück, das eine Maschine von 300.000 Menschen betrifft, ist so nicht zu erfassen.“ (CdG I, S. 987f.)
3
„Verhedderte“ Geschichte – Doppelseite aus Kluges „Schlachtbeschreibung“ (CdG I, S. 732f.). Verschiedene Medien, Realitäts- und Zeitebenen werden virtuos kombiniert; stellenweise wirkt dies beinahe satirisch. So heißt es in der Legende zum Porträtbild unten rechts: „Hitler konnte Paulus nicht zurückholen. In Dien Bien Phu verliert Frankreich seine Kolonien. Die Partei, die Gorbatschow auf der Krim nicht schützt, verliert ihre Zukunft. […] Das schreibt Xaver Holtzmann, links im Bild. An sich fachlich nicht zuständig; sein Spezialgebiet: Otto III. und die Jahrtausendwende.“
Die Konsequenz sind Mischformen aus Dokumentarischem und Fiktivem, aus Gefundenem und Erfundenem – Vielstimmigkeit und Polyperspektivität. Da Realismus im Sinne Kluges immer zweistimmig ist, also nicht nur aus einer objektiven, realgeschichtlichen Seite besteht, sondern auch aus einer subjektiven, antirealistischen Seite, kommt es auf die Dialektik dieser beiden Bereiche an. Eine realistische Darstellung müsse sowohl das Objektive berücksichtigen (Dokumentarismus, Nachrichten, Naturalismus) als auch das Subjektive, also antirealistische Gefühle wie Wünsche, Hoffnungen, Ironie, Protest und Skeptizismus.10 Das unterscheidet Kluges „Schlachtbeschreibung“ etwa von Walter Kempowskis „Echolot“, in dem der Autor sich auf einen strengen „Totaldokumentarismus“ beschränkt11 und nicht wie Kluge Dokumentarmaterial mit fiktiven Textelementen mischt.12 Erst dieses Prinzip jedoch ermögliche es, so Kluge, „Bilder zu schaffen, an denen sich Erfahrung kristallisieren kann“.13 Kluge wünscht sich aktive Rezipienten, die selbstständig nach Antworten und Auswegen suchen und die angesichts der vielen unerwarteten Brüche und Perspektivenwechsel selbst Zusammenhänge herstellen – Leser, die im Sinne Walter Benjamins zu „Mitwirkenden“ werden.14
Benjamin ist eines der wichtigsten Vorbilder für die Poetik des Sammlers und Chronisten Kluge. „Geschichte schreiben heißt also Geschichte zitieren“, notiert Benjamin in seinem „Passagen-Werk“.15 Was seine Arbeitsweise betreffe, sagt Kluge, würde er „immer im Material wühlen“, sich auf das Material verlassen, ganz so, „wie es Benjamin täte“.16 Die Unermüdlichkeit, mit der er dieses Projekt verfolgt, zeigt sich nicht zuletzt in den Erweiterungen und Umarbeitungen der immer reichhaltiger gewordenen „Schlachtbeschreibung“: Den neu arrangierten Kapiteln der Ur-Fassung hat Kluge zusätzliche Geschichten rund um den Themenkomplex Stalingrad zur Seite gestellt. Die Textsorten- und Perspektivenmontagen werden durch zahlreiche Fotografien, Karten und Zeichnungen ergänzt, was den vielstimmigen Eindruck der Erstausgabe noch verstärkt und den historischen Horizont erheblich ausweitet. „Nicht eine Geschichte, sondern viele Geschichten“,17 fordert Kluge im Begleitbuch zu seinem Film „Die Patriotin“, in dem Stalingrad ebenfalls eine Rolle spielt. Dass er auf diesem Thema nach Jahrzehnten noch beharre, habe „den Protestgrund, daß Erinnerungslosigkeit irreal ist“ (CdG I, S. 511). Um einer solchen Erinnerungslosigkeit entgegenzuwirken, gräbt er in der Vergangenheit – wie die Geschichtslehrerin Gabi Teichert in „Die Patriotin“. Hierfür hat wiederum Walter Benjamin den Weg gewiesen, wenn er in „Ausgraben und Erinnern“ schreibt: „Wer sich der eigenen verschütteten Vergangenheit zu nähern trachtet, muß sich verhalten wie ein Mann, der gräbt. Vor allem darf er sich nicht scheuen, immer wieder auf einen und denselben Sachverhalt zurückzukommen.“18
4
Mit der „Sorgfalt der Brüder Grimm“19 verfolgt Kluge die archäologischen Grabungen auf der „Baustelle Stalingrad“ und dringt dabei in immer tiefere historische Schichten vor. Im ersten Vorwort der „Schlachtbeschreibung“ hieß es zunächst, die „Ursachen liegen 30 Tage oder 300 Jahre zurück“ (S. 7). Später revidiert Kluge diesen Befund selbst als „irrtümlich“ und weitet den zeitlichen Horizont auf „mehr als 800 Jahre“ aus (CdG I, S. 989). Beschränkt sich der historische Kontext der Erstausgabe noch auf die deutsche Geschichte seit Friedrich dem Großen (S. 253), Napoleons gescheiterten Russlandfeldzug (S. 284), die preußische Militärtradition sowie historische Kriegspläne wie den Schlieffenplan und seine Folgen (S. 314-318), so öffnet Kluge das geschichtliche Blickfeld in den Neuausgaben erheblich in alle Richtungen: Bis zu König Barbarossa reicht nun der Blick zurück (vgl. CdG I, S. 751ff.) und zudem von Stalingrad an voraus, über die Gegenwart der jeweiligen Veröffentlichung, etwa den Deutschen Herbst 1977 (vgl. CdG I, S. 738f.), bis in die Zukunft des Jahres 2103 auf den Mond Mimas, wohin es eine Gruppe aus Stalingrad geflüchteter Offiziere nach zahlreichen Umwegen verschlägt (vgl. CdG II, S. 842-854). Während Kluges multiperspektivischer Ansatz einige auffällige Parallelen mit geschichtswissenschaftlichen Methoden und geschichtstheoretischen Grundannahmen hat, weicht sein universalhistorischer, ja mythisierender Zugriff andererseits dezidiert von geschichtswissenschaftlichen Erkenntnisweisen ab.
Die bisher letzte Erweiterung der „Schlachtbeschreibung“ schließlich erfolgte durch die Aufnahme des Buchs in die „Chronik der Gefühle“. Es handelt sich dabei weniger um eine inhaltliche Ausweitung des Texts als vielmehr um eine umfassende Erweiterung der Kontexte durch die Platzierung inmitten der vielen neuen Geschichten und Kapitel. Das Buch fügt sich nahtlos ein in den umfangreichen Erzählkosmos Kluges, der hier keine Grenzen mehr kennt – eine Sammlung und ein Netzwerk historischer Katastrophen und Menetekel vom „Jahr 2000 über 1989 bis zu Gilgamesch“ (CdG I, S. 5) und darüber hinaus; ein Panorama, das von einer vor 20 Milliarden Jahre v. Chr. beginnenden „Äonen-Chronik“ (CdG II, S. 952) bis zur jüngsten Jahrtausendwende reicht. Gerade im großen Rahmen der „Chronik der Gefühle“ wird dem Leser die anhaltende Aktualität der Beschäftigung mit Gewaltereignissen wie Stalingrad sowie ihren möglichen Ursachen und Folgen bewusst. Der Aufklärer Kluge versucht dies unermüdlich vor Augen zu führen, indem er seine Geschichten und Bücher beharrlich weiterschreibt und vernetzt. Kluge selbst ist es, der seine „Schlachtbeschreibung“ seit bald einem halben Jahrhundert immer und immer wieder neu gelesen hat.
1 Alexander Kluge, Lebensläufe, Frankfurt a.M. 1986, S. 279.
2 Die jüngste Bearbeitung der „Chronik der Gefühle“ liegt in Form einer Hör-Fassung von Karl Bruckmaier für den Bayerischen Rundfunk vor, an der sich Kluge auch selbst als Sprecher und Kommentator beteiligt hat (2009).
3 Alexander Kluge, Das Politische als Intensität alltäglicher Gefühle, in: ders., Fontane – Kleist – Deutschland – Büchner. Zur Grammatik der Zeit, Berlin 2004, S. 7-19, hier S. 12f. Kluge versteht unter einem „Vielfältigkeitsroman“ eine literarische Form, „die sich um Handlung […] nicht kümmert, dafür aber den Zusammenhang vieler Handlungen oder die Reflexion ausbreitet“ (S. 12).
4 Rainer Stollmann, Alexander Kluge zur Einführung, Hamburg 1998, S. 56.
5 Vgl. Günter Blöcker, Literatur als Teilhabe. Kritische Orientierungen zur literarischen Gegenwart, Berlin 1966, S. 116; Marcel Reich-Ranicki, Autor Klu. scheitert bei St. Ein Buch, das nicht nur sein Verfasser verschuldet hat, in: ZEIT, 12.6.1964.
6 Zur Rezeption der „Schlachtbeschreibung“ vgl. Winfried Siebers, Was zwei Augen nicht sehen können. Wahrnehmungsweisen, Möglichkeitssinn und dokumentarisches Schreiben in Alexander Kluges Schlachtbeschreibung, in: Christian Schulte (Hg.), Die Schrift an der Wand. Alexander Kluge: Rohstoffe und Materialien, Osnabrück 2000, S. 155-173, hier S. 155ff.
7 Harro Müller, Geschichte zwischen Kairos und Katastrophe. Historische Romane im 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1988, S. 20.
8 Bernhard Jussen, Die „Geschichte“ der Wissenschaft und die „Geschichte“ der Kunst, in: Kurt Wettengl (Hg.), Das Gedächtnis der Kunst. Geschichte und Erinnerung in der Kunst der Gegenwart, Ostfildern-Ruit 2000, S. 56-70, hier S. 67.
9 Vgl. Harro Müller, Alexander Kluges analytischer Realismus – Stichworte zu Schlachtbeschreibung, in: ders., Giftpfeile. Zur Theorie und Literatur der Moderne, Bielefeld 1994, S. 221-232, hier S. 222f.
10 Vgl. Stollmann, Alexander Kluge (Anm. 4), S. 31; Wolfgang Reichmann, Der Chronist Alexander Kluge. Poetik und Erzählstrategien, Bielefeld 2009, S. 90-105.
11 Harro Müller, Stalingrad und kein Ende. Zur Präsentation des Zweiten Weltkrieges in drei historischen Romanen, in: Wolfgang Küttler/Jörn Rüsen/Ernst Schulin (Hg.), Geschichtsdiskurs, Bd. 5: Globale Konflikte, Erinnerungsarbeit und Neuorientierungen seit 1945, Frankfurt a.M. 1999, S. 297-313, hier S. 310.
12 In einem Interview auf Kempowskis „Echolot“-Collagen angesprochen, erklärt Kluge, dass er mit Kempowski zwar die „Leidenschaft“ teile, sich jedoch in der Methode unterscheide: „Ich erfinde fast gar nichts, aber nicht alles was bei mir in Anführungszeichen steht, ist wirklich ein Zitat. Sie können sogar davon ausgehen: Je wahrscheinlicher Ihnen etwas vorkommt, desto mißtrauischer sollten Sie werden. Realistisch verhalte ich mich immer, da ich aber die Realität als die größte Lügnerin ansehe, sind für mich unsere Irrtümer manchmal genauere Zeugnisse als die sogenannten Facts.“ Es sei ein Fehler, „wenn man nur Material häuft: Grundsätzlich braucht man eine Gegenbewegung, eine Verdichtung. […] Autoren sind nicht dazu da, die Wirklichkeit zu verdoppeln – Phantasie hat die Wirklichkeit zu verdichten, komplexer zu zeigen.“ Volker Hage, Lakonie als Antwort: Alexander Kluge [Interview], in: ders., Zeugen der Zerstörung. Literaten und der Luftkrieg. Essays und Gespräche, Frankfurt a.M. 2003, S. 201-210, hier S. 207f.
13 Alexander Kluge/Rainer Stollmann, Die Entstehung des Schönheitssinns aus dem Eis. Gespräche über Geschichten mit Alexander Kluge, Berlin 2005, S. 64.
14 Vgl. Walter Benjamin, Der Autor als Produzent [1934], in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. II.2, Frankfurt a.M. 1977, S. 683-701, hier S. 696.
15 Ders., Das Passagen-Werk, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. V.1, Frankfurt a.M. 1982, S. 595 (dortige Hervorhebung).
16 Alexander Kluge/Gertrud Koch, Die Funktion des Zerrwinkels in zertrümmernder Absicht. Ein Gespräch, in: Rainer Erd u.a. (Hg.), Kritische Theorie und Kultur, Frankfurt a.M. 1989, S. 106-124, hier S. 110.
17 Alexander Kluge, Die Patriotin. Texte/Bilder 1-6, Frankfurt a.M. 1979, S. 40 (dortige Hervorhebung).
18 Walter Benjamin, Denkbilder, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. IV.1, Frankfurt a.M. 1972, S. 305-438, hier S. 400.
19 Alexander Kluge/Barbara Hoffmeister, „Sitzt, passt, wackelt und hat Luft“. Ein Gespräch mit Alexander Kluge über den poetischen Hausvater Kant, den geistigen Gartenbau und ein neues Motto für die alte Tante Aufklärung, in: ZEIT, 31.12.2003, S. 35.