In Bewegung versetzt

Forschungen zum Archiv des Kunstethnologen Hans Himmelheber

  1. Der Kunstethnologe – die Kunst der Eisenbahnlinie
  2. Annäherung an das Archiv – Archivwerdung von Bildern, Objekten, Texten
  3. Reworking the Archive – Das Archiv als Untersuchungsfeld
  4. Feldforschungen zum und im Archiv – RestudyReturn
  5. Künstlerische Forschung am und im Archiv –
    Linien zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Anmerkungen

Während der Abschlusskonferenz des interdisziplinären Forschungsprojektes »Objekt – Bild – Text« im April 2023 sprang der Wissenschaftler und Performancekünstler Désiré Amani mitten in seinem Vortrag mit einem eleganten Satz auf den Tisch im Seminarraum und fügte seiner und unserer Auseinandersetzung mit dem Archiv von Hans Himmelheber eine neue Dimension hinzu. »Reworking the Archives«, so der Titel der Konferenz, wurde sichtbar als (wiederholte) körperliche und emotionale Arbeit, als visuelles und multimediales Ereignis. Als Amani mit seiner eigenen Performance interagierte, die kurz vorher in der ebenfalls aus dem Projekt hervorgegangenen Ausstellung »Look Closer« im Museum Rietberg Zürich stattgefunden hatte, aktivierte er das Archiv jenseits wissenschaftlicher und musealer Grenzen und versetzte es in Bewegung.

Désiré Amani, ivorischer Wissenschaftler und Künstler, bei seiner Performance während der Konferenz zum Archiv von Hans Himmelheber: Amani reagiert auf die Filmaufnahmen seiner früheren Performance in der Ausstellung »Look Closer«. (Universität Zürich, April 2023, Foto: Gesine Krüger)
Désiré Amani, ivorischer Wissenschaftler und Künstler, bei seiner Performance während der Konferenz zum Archiv von Hans Himmelheber: Amani reagiert auf die Filmaufnahmen seiner früheren Performance in der Ausstellung »Look Closer«.
(Universität Zürich, April 2023, Foto: Gesine Krüger)

Unser gemeinsames Forschungsprojekt, angesiedelt an der Schnittstelle von Ethnologie und Geschichte, widmete sich dem Archiv des deutschen Kunstethnologen und Sammlers Hans Himmelheber (1908–2003). Es handelte sich um eine Kooperation zwischen dem Museum Rietberg Zürich und dem Historischen Seminar der Universität Zürich, zu der im Laufe der Zeit zahlreiche Künstlerinnen und Künstler mit eigenen Fragen und Perspektiven an das Archiv eingeladen wurden.1 Himmelheber ist deshalb so interessant, weil seine Theorien zur Künstlerpersönlichkeit einen Paradigmenwechsel für das Studium der materiellen Kultur Afrikas eingeleitet haben: Nun richtete sich der Blick von der als anonym wahrgenommen »tribalen« Kunst auf diejenigen, die die Objekte geschaffen hatten.

Ziel des Projektes war es, die Produktion von Wissen über die Kunst Afrikas multiperspektivisch und translokal zu analysieren. Wir haben uns mit Himmelhebers unterschiedlichen Rollen als Sammler, Händler, Reisender, Wissenschaftler und Vermittler beschäftigt, ohne jedoch seine Biographie zu schreiben. Uns interessierte sein Archiv, denn das »Feld«, das Himmelheber bereist hat, ist hier in Form von zahlreichen Objekten, tausenden von Fotografien und vielen Filmen, einigen Tonaufnahmen sowie Regalmetern von Schriftverkehr und Dokumenten abgebildet und präsent. Wir haben in Restudies2 seine Forschungsmethoden rekonstruiert, zugleich das Archiv selbst zum Gegenstand der Forschung gemacht und es schließlich im digitalen Projekt »Africa Art Archive« in eine neue mediale Form gebracht.3

Zettelkasten von Hans Himmelheber, »Völkerkunde nach Themen«, 1960–1970 (Schriftenarchiv Museum Rietberg, HH.08-01, Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)
Zettelkasten von Hans Himmelheber, »Völkerkunde nach Themen«, 1960–1970 (Schriftenarchiv Museum Rietberg, HH.08-01, Foto: Rainer Wolfsberger,
© Museum Rietberg Zürich)
Hans Himmelheber filmte den Bildhauer Banga Sjui bei der Arbeit in Biegjue, Côte dʼIvoire, 1976. (Museum Rietberg, FHH 330-17, Fotograf*in unbekannt, © Museum Rietberg Zürich)
Hans Himmelheber filmte den Bildhauer Banga Sjui
bei der Arbeit in Biegjue, Côte dʼIvoire, 1976.
(Museum Rietberg, FHH 330-17, Fotograf*in unbekannt,
© Museum Rietberg Zürich)

Zwischen 1933 und 1976 führte Himmelheber insgesamt vierzehn Forschungs- und Sammelreisen nach Afrika und einmalig auch nach Alaska durch. Er fotografierte und filmte Künstler bei der Arbeit,4 protokollierte ihren Schaffensprozess, befragte sie zu ihrem Werdegang und ihren ästhetischen Vorlieben, kaufte Masken, Figuren und Alltagsgegenstände. Das im Laufe seines Lebens zusammengetragene multimediale Archiv aus Bildern, Texten und Objekten geht auf diesen spezifischen Forschungsansatz zurück, denn Himmelheber wollte wissen, wer hinter den Werken stand, die auf dem westlichen Kunstmarkt als anonyme Tribal Art gehandelt wurden,5 wer also die Objekte aus welchen Motiven geschaffen hatte und wie sie stilistisch und technisch angefertigt worden waren.6 Die Multimedialität spiegelt insofern nicht nur Himmelhebers Forschungsmethoden wider, sondern auch seinen Kunstbegriff, der viele zeitgenössische Annahmen über die Kunst Afrikas in Frage stellte.

Im Zentrum unseres Projektes stand die Wissensproduktion in und um das Archiv Himmelheber aus historischer und ethnologischer sowie kuratorischer und künstlerischer Perspektive. Dabei wurden in unserer inter- und transdisziplinären Zusammenarbeit Himmelhebers ethnographische Forschungen und Befunde zur historischen Quelle. Umgekehrt konnten seine historischen Arbeiten und Überlegungen ethnologisch befragt werden. »Archiv« und »Feld« sind dabei historisch und gegenwärtig in vielfacher Weise verknüpft. Bei der Auseinandersetzung mit Himmelhebers Archiv, seinem Nachlass aus Dokumenten, Filmen, Fotos und Objekten in zahlreichen Museen und im Familienbesitz, ist ein neues Archiv entstanden, das aufgrund von familiären Verbindungen und dank seines kunstethnologischen Ansatzes ans Museum Rietberg gelangte, wo es in digitaler Form weiterwächst und bearbeitet werden kann. Mit mehreren – auch künstlerischen – Restudies wurden Himmelhebers Feldforschungen bzw. Forschungen im Feld nachvollzogen und neu eingeordnet.7

Auch das Archiv wurde zum in unterschiedlicher Weise erkundeten Feld, und unsere Reisen in dieses »Feld« wiederum Bestandteil des von den Nachkommen geerbten, dem Museum als Schenkung überlassenen und durch die Bearbeitung (auch digital) neu geschaffenen Archivs Himmelheber. Dabei kamen wir immer wieder auf Himmelhebers Kunstbegriff zurück, den er zwar nicht systematisch entwickelt und auch immer wieder variiert hat, der aber nichtsdestotrotz einflussreich für die Kunstethnologie und die Kunstgeschichte Afrikas besonders in den USA war8 und sich in seinem Archiv niederschlägt. Denn hier zeigt sich Himmelhebers Form der Wissens­produktion, die auf dem in Schrift und Bild dokumentierten Wissen der von ihm aufgesuchten Künstler, ihren Werken und Auffassungen basierte: Sie selbst waren zentrale Wissensproduzenten im Kontext von Himmelhebers neuen Ideen zur Kunst Afrikas.

Im Laufe des Projektes sind immer mehr aktuelle künstlerische Positionen zu unseren eigenen Forschungen hinzugekommen. Für die Ausstellungen »Fiktion Kongo. Kunstwelten zwischen Geschichte und Gegenwart« (2019/20)9 und »Look Closer. Kunst Afrikas im Archiv Himmelheber« (2023) haben wir mit Künstlerinnen und Künstlern aus den Regionen in der heutigen Côte d’Ivoire und der Demokratischen Republik Kongo zusammengearbeitet, wo Himmelheber gereist ist und geforscht hat. Sinzo Aanza, Désiré Amani, Sammy Baloji, Fiona Bobo, Obou Gbais, Michèle Magema, Yves Sambu und David Shongo haben sich intensiv mit seinem Archiv, vor allem den Fotos und teilweise auch den Objekten auseinandergesetzt. Das gilt ebenso für die im letzten Projektjahr durchgeführten Black Swiss Art/ist Residencies von Titilayo Adebayo (New Kyd), Cherry-Ann Morgan (Cherrypye) und Teddy Pratt.10 Die künstlerischen Positionen haben mit ihren kreativen Methoden der Kritik neue Perspektiven auf das Archiv sowie auf die historische und aktuelle Wissensproduktion zur Kunst Afrikas eröffnet.11

Ausstellungsansicht »Fiktion Kongo« mit der Installation »The Lord is dead, long life to the Lord« des kongolesischen Künstlers Sinzo Aanza (geb. 1990), basierend auf dem Archiv von Hans Himmelheber (Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)
Ausstellungsansicht »Fiktion Kongo« mit der Installation
»The Lord is dead, long life to the Lord«
des kongolesischen Künstlers Sinzo Aanza (geb. 1990),
basierend auf dem Archiv von Hans Himmelheber
(Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, Foto: Rainer Wolfsberger,
© Museum Rietberg Zürich)

Wie Philipp Messner in seiner disziplinenübergreifenden Auseinandersetzung mit Funktionsweisen und Wesen des Archivs erläutert hat, lässt sich ein klassisch historisches, vom Provenienzprinzip geleitetes Verständnis vom Archiv äußerst produktiv mit einem künstlerisch-kulturwissenschaftlichen Archivdiskurs zusammendenken. Dies wurde auch im Projekt deutlich, in dem wir den schriftlichen Nachlass mit der Objektsammlung sowie den Fotos und Filmen als Gesamtheit des Archivs Himmelheber verstanden und vereint haben. Daraus ergab es sich, den Fokus schon früh auf Ausstellungen und digitale bzw. digitalisierte Formen der Ergebnissicherung und Vermittlung zu legen.

1. Der Kunstethnologe – die Kunst der Eisenbahnlinie

Seit sich um die Jahrtausendwende in Kunst, Wissenschaft und Museen der Blick zunehmend auf das Archiv und die Sammlung als Forschungsgegenstände gerichtet und die koloniale Provenienzforschung auch im Sinne einer Selbsterforschung von Institutionen an Bedeutung gewonnen hat, lässt sich der Archival Turn wohl kaum mehr zurückdrehen bzw. wegdenken.12 Das Archiv des 1908 in Karlsruhe geborenen und 2003 in Heidelberg gestorbenen Kunstethnologen Hans Himmelheber ist dabei in doppelter Hinsicht ein lohnendes Forschungsfeld: Himmelheber, der nie an einer Universität oder einem Museum angestellt war und sich und seine Familie mit dem Verkauf von in Afrika erworbenen Objekten finanzierte, kuratierte zeitlebens selbst sein multimediales Archiv, das ihm Arbeits- und Erkenntnismittel war. Dazu gehört die gesamte Buchhaltung ab 1945 – Teile seines Archivs wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört – über seinen Handel mit Kunst- und Alltagsobjekten, aber auch mit botanischen und zoologischen Spezimen.13 Darüber hinaus versuchte er Fotos zu verkaufen und hatte eine systematisch angelegte Fotosammlung, die ihm unter anderem bei Vorträgen, Publikationen und in der Lehre an der Columbia University diente. In der engen Vernetzung von Bildern, Objekten und Texten zeigt dieses Archiv aber vor allem Himmelhebers Ideen zu einer Theorie der Kunst Afrikas, seinen innovativen Forschungsansatz etwa zum Porträt,14 seine Überlegungen und pionierhafte Arbeitsweise. Die von uns für das »Africa Art Archive« erarbeiteten biographischen Stationen weisen ihn als politisch interessierten und informierten, zudem umfassend belesenen Forscher aus, der sich problemlos innerhalb der kolonialen Strukturen bewegte und diese für sich zu nutzen wusste. Dabei blieben von ihm schon früh entwickelte ethische und ästhetische Kriterien zeitlebens Leitlinien seiner Urteile über »gute« Kunst, über »Fälschungen« und interessante Innovationen.

Hans Himmelheber ließ sich beim Kauf von Objekten in Saundi in der Baule-Region fotografieren, um seine Erwerbspraktiken zu dokumentieren und zu legitimieren. Côte dʼIvoire, 1934 (Museum Rietberg, FHH 82-30, Fotograf*in unbekannt, © Museum Rietberg Zürich)
Hans Himmelheber ließ sich beim Kauf von Objekten
in Saundi in der Baule-Region fotografieren, um seine Erwerbspraktiken
zu dokumentieren und zu legitimieren. Côte dʼIvoire, 1934
(Museum Rietberg, FHH 82-30, Fotograf*in unbekannt,
© Museum Rietberg Zürich)

Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Ethnologie an den Universitäten Berlin und München führte Hans Himmelheber seine erste Forschung zu Bildhauern der Baule-Region in der Côte dʼIvoire durch und veröffentlichte dazu 1934 seine ethnologische Dissertation, die von Augustin Krämer an der Universität Tübingen betreut worden war. Himmelheber publizierte äußerst viel, er war ein produktiver und in gewisser Weise »multipler« Autor, der es verstand, sich auf ganz unterschiedliches Publikum einzustellen. Er veröffentlichte zu einem breiten Themenspektrum sowohl in Form klassischer ethnologischer Aufsätze und Monographien als auch in Gestalt populärer Schriften. Die behandelten Gebiete reichten von der Kunst Afrikas – Skulptur, Maskenwesen, Materialien und Techniken, Fälschungen und Innovationen – über Religion, Lebensweisen und individuelle Lebensgeschichten bis hin zu Märchen, Tiergeschichten, Erzählungen und Sagen.15 Neben seinen zwölf Büchern sind die rund fünfzig wissenschaftlichen Artikel in deutschsprachigen, und ab den 1960er-Jahren auch in internationalen, Fachzeitschriften besonders hervorzuheben, verstand sich Himmelheber selbst doch in erster Linie als Forscher und Autor. Anschaulich beschrieb er in den Fachartikeln seine kunstethnologischen Forschungen zu ästhetischen Prinzipien, Künstlertum, Werkprozessen und Fragen des Kulturwandels.

Je nach Publikationsort und Themen änderte Himmelheber seinen Duktus und nahm in seinen Texten verschiedene Rollen ein: als Sammler und Kunsthändler, Wissenschaftler, Kunstkenner, Ethnograph und Erzähler. Und manchmal wechselte er seine Rollen auch in ein und demselben Medium. Dies wird beispielhaft deutlich anhand von drei Artikeln, die er während seiner eineinhalbjährigen Forschungs- und Sammelreise durch die belgische Kolonie Kongo 1938/39 für die von der Association des amis de lʼart indigène in Kinshasa neu gegründete Zeitschrift »Brousse« zu schreiben begann. Hier heißt es: »Wenn ich mich in meinem ersten Artikel über die Kunst der Bayaka an Ethnographen und in meinem zweiten Artikel über die Kunst der Batshiok an Kunsthistoriker und Künstler gewandt habe, wähle ich diesmal den Standpunkt des Sammlers, sei er nun Antiquitätenhändler, Sammler-Liebhaber oder Museumsdirektor.«16

Titelseite der Zeitschrift »Brousse« (Kinshasa, 1939), in der Himmelheber seine Forschungsergebnisse von einer Reise 1938/39 in Belgisch-Kongo publizierte
Titelseite der Zeitschrift »Brousse« (Kinshasa, 1939),
in der Himmelheber seine Forschungsergebnisse
von einer Reise 1938/39 in Belgisch-Kongo publizierte

In den Artikeln verarbeitete Himmelheber die neuesten Erkenntnisse aus seinen Studien zu verschiedenen Regionen und vor allem zu Künstlern in der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Bemerkenswert ist dabei, dass er in den ersten beiden Artikeln noch klare ethnische Zuordnungen zu treffen schien, während es beim letzten Artikel für ihn schwieriger wurde, Kunst und Künstler der »Bakuba« eindeutig zu klassifizieren – weshalb er den Begriff konsequent in Anführungszeichen setzte. Nicht nur handele es sich bei dem Wort um eine Fremdbezeichnung aus der Baluba-Sprache, mit der verschiedene, kulturell und sprachlich sehr ähnliche Nachbargruppen zusammenfasst wurden; auch die regionale Bezeichnung »Art du Kasai« sei falsch, weil die meisten »Bakuba«-Gruppen in einem anderen Verwaltungsdistrikt leben würden. »Wenn Sie unbedingt einen regionalen Begriff wollen, wäre es korrekt, prosaisch ›Eisenbahnkunst‹ zu sagen, denn unsere Stämme leben alle in der Nähe der großen Eisenbahnstrecke, die von Port-Francqui nach Katanga führt.«17

Mit dem Begriff »Eisenbahnkunst« verwies Himmelheber luzide auf die Bedeutung der kolonialen Infrastrukturen für die Konstruktion von Identität und den Kunstkanon der damaligen Zeit, löste diese Einsicht im gleichzeitig benutzten Begriff der »Stämme« aber fast wieder auf.18 Doch in allen drei Artikeln hinterfragte er Vorstellungen einer »authentischen«, »traditionellen« Kunst Afrikas, die sich in Europa besonders Anfang des 20. Jahrhunderts festgesetzt hatten. Basierend auf seinen Beobachtungen und Interviews mit Bildhauern der damaligen Zeit kritisierte er beispielsweise das Alter als Kriterium des Wertes eines Objektes für Museen und Sammler: »Egal, was unsere Experten in Europa sagen, man wird selten eine Bayaka-Maske finden, die zum Zeitpunkt des Kaufs älter als zwei oder drei Jahre war.«19 Und er führte weiter aus, dass es »sehr oberflächlich« sei, dem »Faktor Alter« bei der Wertschätzung der Kunst Afrikas Priorität zu geben.20 Dass Objekte neu waren, galt für Himmelheber nicht als Einwand gegen ihre Qualität, ganz im Gegenteil. Maskenmacher wollten mit ihren ungewöhnlichen Kreationen das Publikum immer wieder aufs Neue überraschen. Dies würdigte Himmelheber in seinen Publikationen, in denen er über ästhetische und stilistische Innovationen nachdachte und interessante Objekte als Fotos publizierte.

Hans Himmelheber fotografierte einen Yaka-Bildhauer beim Bemalen einer Initiationsmaske. Demokratische Republik Kongo, 1938/39 (Museum Rietberg, FHH 167-11, Foto: Hans Himmelheber, © Museum Rietberg Zürich)
Hans Himmelheber fotografierte einen Yaka-Bildhauer
beim Bemalen einer Initiationsmaske.
Demokratische Republik Kongo, 1938/39
(Museum Rietberg, FHH 167-11, Foto: Hans Himmelheber,
© Museum Rietberg Zürich)

Himmelheber war zwar in sehr offener, wenig vom Kunstmarkt bzw. herkömmlichen Ansichten zur Kunst Afrikas beeinflusster Weise auf der Suche nach »guter Kunst«, wandte aber ein persönlich geprägtes Verständnis als Experte für »schöne Gestaltung« an. Dabei interessierte er sich in erster Linie für dörfliche Agrargesellschaften in den gängigen Regionen, aus denen Objekte, zumeist Masken und Statuen, auf den europäischen und US-amerikanischen Markt kamen. Das Neue in seiner Forschung war, dass er die Künstler, die er befragte und bei der Arbeit beobachtete, als Zeitgenossen ansah. Zunächst untersuchte er jedoch vor allem die gesellschaftliche Bedeutung von Künstlern (und gab ihre Namen in seiner ethnologischen Dissertation von 1934 teils nur mit Initialen an). So ist auch sein vielleicht einflussreichstes Werk zu Kunst und Künstlern Afrikas (1960) ganz klassisch nach Kunstregionen geordnet.21 Erst ab den 1960er-Jahren begann er (unter anderem beeinflusst durch seinen Stiefsohn Eberhard Fischer) sich mehr für individuelle Künstlerpersönlichkeiten zu interessieren. Vor allem die lange, gemeinschaftlich durchgeführte Forschung zu Sabou bi Boti ist hervorzuheben, die 1993 in Himmelhebers erste mitherausgegebene Monographie eines klassischen Bildhauers mündete.22 Obwohl Himmelheber weiter den Kunstprovinz-Ansatz verfolgte, berücksichtigte er immer stärker »Kulturkontakt« und »Kulturwandel« als Einflussfaktoren auf das Kunstschaffen. Mit diesen Themen, seinen empirischen Studien, seinen innovativen Methoden sowie seinem Interesse für die gesellschaftliche Einbettung von Kunst und für die Künstlerpersönlichkeiten zählt er zu den Pionieren einer neuen Kunstgeschichte Afrikas.

Links: Hans Himmelheber gab die erste Monographie des Bildhauers Sabou bi Boti (ca. 1920–2001) mit heraus und dokumentierte den Herstellungsprozess dieser Sauli-Maske im Detail. Tibeita, Guro-Region, Côte dʼIvoire, 1975 (Museum Rietberg, FHH 384-5, Foto: Hans Himmelheber, © Museum Rietberg Zürich) Rechts: Sauli-Maske von Sabou bi Boti mit Szene von Dan-Akrobaten. Tibeita, Guro-Region, Côte dʼIvoire, 1975 (Museum Rietberg, 2014.1, Geschenk Eberhard und Barbara Fischer, Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)
Links: Hans Himmelheber gab die erste Monographie des
Bildhauers Sabou bi Boti (ca. 1920–2001) mit heraus und
dokumentierte den Herstellungsprozess dieser Sauli-Maske im Detail.
Tibeita, Guro-Region, Côte dʼIvoire, 1975
(Museum Rietberg, FHH 384-5, Foto: Hans Himmelheber,
© Museum Rietberg Zürich)
Rechts: Sauli-Maske von Sabou bi Boti mit Szene von Dan-Akrobaten.
Tibeita, Guro-Region, Côte dʼIvoire, 1975
(Museum Rietberg, 2014.1, Geschenk Eberhard und Barbara Fischer,
Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)

2. Annäherung an das Archiv –
Archivwerdung von Bildern, Objekten, Texten

Himmelhebers Archiv war eine – von der kolonialen bis weit in die postkoloniale Zeit – stetig wachsende Ablage zur Dokumentation seiner vielfältigen Tätigkeiten und zugleich ein beständig umsortiertes Arbeitsinstrument, das im Dienst seiner Forschungen und des Erwerbs seines Lebensunterhaltes stand. Es ist hinsichtlich des von ihm erforschten Kunstschaffens keine systematische, für die Nachwelt angelegte Überlieferung, auch wenn Himmelheber hoffte, dass seine Enkelin die private Objektsammlung mit der dazugehörigen Dokumentation und Forschung einmal übernehmen würde. Unsere heute an das Archiv herangetragenen Fragen werden nicht immer beantwortet; das Material führt aber zu neuen Fragen, unerwarteten Richtungen, Umwegen und Überraschungen, etwa zur Entdeckung, dass Himmelheber ein begeisterter Hochschullehrer war. Seine Lehrtätigkeit an der Columbia University (1966 und 1969) weckt noch heute rege Erinnerungen der ehemaligen Studierenden, inzwischen selbst um die 80 Jahre alt, die Himmelhebers großen Einfluss auf ihre eigene Tätigkeit als Kunstethnologen, Kunsthistorikerinnen und Kuratorinnen betonen.23

Dozentenausweis von Hans Himmelheber für die Columbia University, New York 1969 (Museum Rietberg, HH.05-01, © Museum Rietberg Zürich)
Dozentenausweis von Hans Himmelheber
für die Columbia University, New York 1969
(Museum Rietberg, HH.05-01, © Museum Rietberg Zürich)

Das Archiv gelangte in einem langsamen Prozess der Annäherung an das Museum Rietberg, wobei Himmelhebers Ideen das Museum schon lange beeinflusst hatten. Denn noch zu seinen Lebzeiten entstanden hier mehrere Ausstellungen, die gemeinsam kuratiert mit seinem Stiefsohn Eberhard Fischer bzw. von diesem mit der Enkelin Clara Himmelheber Objekte, Fotos und Texte zeigten.24 Dabei stand Hans Himmelhebers Kunst- und Künstleransatz im Vordergrund, also das Bemühen, die Schöpfer der Werke nicht als anonym gebliebene Handwerker, sondern als individuelle Künstlerpersönlichkeiten zu begreifen. Bei den gezeigten Objekten handelte es sich allerdings noch um Leihgaben, denn das multimediale Archiv Himmelheber, wie es heute am Museum Rietberg besteht, wurde erst in den Jahren zwischen 2013 und 2023 aufgebaut.25

Zehn Jahre nach Himmelhebers Tod (2003) erhielt das Museum Rietberg etappenweise den umfangreichen Nachlass von seiner Familie. Zunächst übergab die Erbengemeinschaft 2013 das Fotoarchiv mit rund 15.000 Bildern an das Museum und finanzierte dessen Erschließung, was dadurch erleichtert wurde, dass 2018 im Kuratorium eine eigene Stelle für Fotografie ins Leben gerufen wurde.26 2013/14 kam eine große Schenkung von Textilien, Masken und Figuren hinzu, die Himmelheber 1938/39 in Belgisch-Kongo erworben hatte und die nie zum Verkauf vorgesehen war. Sie gehörte als Familienschatz zu seiner Privatsammlung und war zunächst als Dauerleihgabe im Museum. Für die Dokumentation und Erforschung essentiell war die Übergabe des Schriftenarchivs 2017, das Eberhard Fischer nach dem Tod seines Stiefvaters sukzessive von Heidelberg in die Schweiz transferiert hatte.27 Für das Schriftenarchiv wurde im Rahmen des Projektes und als Teil einer Masterarbeit am Historischen Seminar der Universität Zürich ein Findmittel erstellt.28 In einem weiteren wichtigen Schritt überließ der jüngste Sohn Martin Himmelheber im Jahr 2018 dem Museum 484 Objekte aus dem Erbe seines Vaters. Auch Eberhard Fischer und seine Ehefrau Barbara schenkten dem Museum über einen Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 385 von Himmelheber erworbene Objekte, darunter aus dem Kunsthandel zurückgekaufte Stücke. Neben den Schenkungen der Familie erwarb das Museum einige Artefakte mit der Provenienz Himmelheber gezielt auf dem deutschen und französischen Kunstmarkt. Nach den Fotos, Objekten und Schriften wurde dem Museum 2022 auch der filmische Nachlass Himmelhebers geschenkt.

Bei der Archivwerdung und Musealisierung finden unterschiedliche Prozesse statt, welche die Materialität und Medialität betreffen. So werden Schwarz-Weiß-Abzüge von Fotografien zu inventarisierten und konservierten Museumsartefakten und in Digitalisate umgewandelt. Objekte werden vermessen, nummeriert, gelagert. Sie werden zu kategorisierten Einträgen in der Datenbank. Dokumente werden sortiert und in Findbüchern verschlagwortet. Das materielle Archiv ist im Wortsinn in Bewegung: Objekte wechseln ihren Ort, Texte werden in Archivschachteln gelegt, Fotos im Kühlraum gesichert, Kopien aus anderen Archivbeständen hinzugefügt, Schenkungen erweitern den Bestand, Bilder werden in Herkunftsgesellschaften gebracht, etwas wandert vom Depot in die Ausstellung, von der Schachtel an die Wand. Und das Material ist metaphorisch in Bewegung: So richtig es ist, dass »Archive selbst bestimmte Epistemologien ermöglichen bzw. verstellen«, hängen diese doch davon ab, »was in Archive überführt wird, also von wo aus wir Wissen oder Geschichte produzieren, und was gar nicht erst ins Archiv eintritt«.29

Paillard-Bolex-Filmkamera von Hans Himmelheber, mit aufgeklebten Instruktionen (Leihgabe Martin Himmelheber, Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)
Paillard-Bolex-Filmkamera von Hans Himmelheber, mit aufgeklebten Instruktionen
(Leihgabe Martin Himmelheber, Foto: Rainer Wolfsberger,
© Museum Rietberg Zürich)

Noch offen ist, was mit den familiären Reliquien wie Rasierpinsel oder Klappstuhl sowie der Foto- und Filmausrüstung Himmelhebers passieren soll, die dem Museum bei einem Erinnerungsworkshop von der Familie überreicht wurden. Da sich das Museum Rietberg als Kunstmuseum definiert, sprengen diese persönlichen Gegenstände eines Forschers die bisherigen Kategorien und Strukturen der Institution. Für die Ausstellung »Look Closer« allerdings waren gerade die Foto- und Filmkameras mit der dazugehörigen Ausstattung von großem Interesse, weil Himmelheber nicht nur ein begeisterter Fotograf war, sondern die fotografische Dokumentation auch zu seiner wissenschaftlichen Methode gehörte. Was aber sollte mit seinem Rasierpinsel geschehen, übrigens wie alles aus seinem Besitz sorgfältig mit kleinen Etiketten in seiner sauberen Handschrift ausgestattet? Der niedrige Klappstuhl, auf dem er saß, wenn er die Künstler beobachtete, passt zwar ebenfalls nicht in die gängigen Kategorien des Museums Rietberg, gibt uns jedoch Auskunft darüber, dass Himmelheber buchstäblich auf Augenhöhe das künstlerische Schaffen der meist am Boden sitzenden Künstler beobachtet hatte. Zudem zeigt die sorgfältige Pflege der Gegenstände auch etwas von Himmelhebers Charakter, selbst wenn seine Biographie nicht im Mittelpunkt unseres Projektes stand.

Solche »unpassenden« Gegenstände wurden nach Himmelhebers Tod von seiner Familie weiterhin geschätzt und aufbewahrt. Mit der Übergabe an das Museum waren Geschichten verbunden, die nach unserem Verständnis ebenfalls zum – immateriellen – Archiv Himmelheber gehören. Bei diesen Geschichten handelte es sich nicht nur um liebevoll im Familienkreis weitererzählte Anekdoten, sondern wir erhielten Auskunft über Himmelhebers Arbeitsweise, über seine Reisen und über Aspekte seines Verhaltens, die wir anhand der Fotos, Briefe und Tagebücher nicht erschließen konnten. Dies ist umso wichtiger, als die Familienmitglieder Mitforschende waren, mit unterschiedlichen Erwartungen und Expertisen.

3. Reworking the Archive
Das Archiv als Untersuchungsfeld

Ein wichtiger Unterschied zwischen Archiven und anderen Formen der Sammlung und Speicherung von Zeugnissen der Vergangenheit besteht darin, dass Archivgut in Form von Dokumenten und Akten – in einem engeren Sinne von Behörden und Verwaltungen, in einem weiteren Sinne auch von Firmen, Familien und Einzelpersonen – »anfällt«, während Sammlungen und Dokumentationen im Idealfall thematisch angelegt werden und durch gezielte Ankäufe bzw. Schenkungen entstehen. Für das Himmelheber-Archiv gilt beides: Es handelt sich um eine von ihm selbst angelegte, erworbene Sammlung und zugleich um ein vielfältiges privates Schriftenarchiv, das im Laufe des Lebens »angefallen« ist. In seiner Gesamtheit aber ist es die multimediale Dokumentation seiner Arbeit anhand von Fotos, Filmaufnahmen, Objekten und Texten, mündlichen Überlieferungen und Alltagsgegenständen (die zwar noch keinen Ort gefunden haben, aber Teil des Archivs in unserem breiten Verständnis sind).

Die Unterscheidung von Sammlung und Archiv ist für Museen grundsätzlich relevant, unabhängig davon, ob sie über Schriftenarchive verfügen. Denn sie bewahren entaktualisierte Gegenstände, die »nicht nur der Repräsentation kultureller Alterität und Vielfalt, sondern auch als Quellen der Forschung dienen«.30 Dabei handelt es sich um eine doppelte Entaktualisierung und Dekontextualisierung; bereits der Übergang der Objekte in das Museum löst sie notwendig aus ihrem praktischen/kulturellen Kontext und ihrer Verwendung. Zudem befindet sich der Großteil der Objekte in einem unsichtbaren Depot und selten wie im Fall des Museums Rietberg in einem öffentlich zugänglichen Schaudepot. Diese »Archivfunktion« sei den ethnologischen Museen, und das gilt auch für Kunstmuseen wie das Museum Rietberg, im Laufe der Zeit immer stärker zugewachsen, wie der Ethnologe Christian Feest schreibt, denn mit der Erweiterung der Sammlungen und der dadurch notwendigen Einrichtung von Magazinen und Depots dienten die Objekte schon aufgrund ihrer schieren Menge nicht mehr vorrangig der Schaustellung, sondern wurden archiviert.31 Dabei ist jedoch ein wichtiger Unterschied, ob das Depot als Archiv »offen oder verschlossen ist, ob es als ein Ort der Abschiebung, Vertagung, Unsichtbarmachung, des Verdrängens und Vergessens fungiert oder als ein Ort der Öffnung, Annäherung und der Aktualisierung genutzt werden kann«.32

Im Fall des Archivs Himmelheber sind die Bestände zwar größtenteils wohlverwahrt im Depot – aufgeteilt in das Fotoarchiv, die Objektsammlung und das Schriftenarchiv. Die beiden Ausstellungen »Fiktion Kongo« und »Look Closer« haben das Archiv aber in seiner Vernetztheit gezeigt. Das digitalisierte »Africa Art Archive« macht das »Archiv im Depot« zu einem Ort der Öffnung, Annäherung und Aktualisierung.

3.1. Zeitlichkeit, Lücken und Materialität im Archiv. Archive vernichten Zeit,33 indem sie das, was sie beherbergen, zunächst einmal entaktualisieren. Allerdings wird Zeit nicht einfach negiert oder zerstört, sondern eher übereinandergeschichtet, denn mit der Bewertung der Relevanz von Archiviertem für kommende Generationen und Forschungsinteressen geht eine Voraussage in der Gegenwart einher, was von der Vergangenheit für die Zukunft bewahrt bleiben soll. Und insofern stimmt ebenfalls, dass »der Drang in die Zukunft« dem Archiv »immanent« ist »als Ressource für gemeinsame Erzählungen, die immer wieder neu geschrieben werden müssen«.34 Und noch eine weitere Zeitebene findet sich im Archiv: Es enthält auch vergangene Ideen darüber, was einmal als bewahrenswert galt bzw. welches Selbstbild in die Zukunft transportiert werden sollte. Archive sind insofern »Verteilerknoten zwischen Zeiten«.35 Arbeit am und im Archiv aktualisiert es immer wieder. So hat die Familie das Archiv von Hans Himmelheber weiter kuratiert, und mit seiner Bearbeitung in unserem Projekt ist es nicht nur ein Forschungsgegenstand der Geschichtswissenschaft und der Ethnologie geworden, sondern darüber hinaus auch ein Ausgangspunkt künstlerischer Projekte.

Schon diese Bemerkungen zu Zeit und Zeitlichkeit deuten an, dass Archive keineswegs allein »passive« Speicher sind, also Ablageorte für Ausgeschiedenes und Vergangenes, sondern dass sie aktives Handeln auf unterschiedlichen Ebenen erfordern: Zunächst werden anfallendes Archivgut sowie geschenkte Sammlungen von Objekten und Bildern übernommen, geordnet und erschlossen, bevor sie überhaupt für Forschungen und Ausstellungen nutzbar werden, und umgekehrt kann das Material durch die Nutzung in Bewegung gesetzt werden. Archive »dienen […] nicht bloß der Anhäufung von Beständen, sondern schaffen entscheidende Infrastrukturen für die Produktion und den Transfer von Wissen«.36

In diesen Infrastrukturen spielen Lücken eine wichtige Rolle. Sie ergeben sich nicht nur, sie sind nicht bloß ein Resultat der notwendigen Vorsortierungsprozesse, sondern sie konstituieren jedes Archiv. Daher folgen wir der inzwischen zum Bonmot gewordenen Aufforderung der US-amerikanischen Anthropologin Ann Laura Stoler, »to move from archive-as-source to archive-as-subject«.37 So ist auch die Frage wichtig, was fehlt, was ausgelassen wird, wo sich Leerstellen finden. Im Fall des Archivs Himmelheber betrifft dies etwa Frauen – als Künstlerinnen, als Mitforschende und als Wissensvermittlerinnen. Archive sind selbst »kulturelle Artefakte«, »die auf institutionellen Strukturen aufbauen, die bestimmte Arten von Wissen auslöschten, einige geheim hielten und andere aufwerteten«, so Stoler in einem weiteren grundlegenden Text zum Kolonialarchiv, den sie gemeinsam mit Frederick Cooper geschrieben hat. Dort heißt es weiter: »Was das Archiv selbst konstituiert, was aus ihm ausgeschlossen ist, welche Nomenklaturen zu bestimmten Zeiten verwendet werden, sind [sic] selbst zentraler Bestandteil des Kolonialismus und substanziell für seine Kulturpolitik.«38 Die Lücken konstituieren also ihrerseits Wissen. Archive ordnen und zerstören andere Ordnungen, sie überliefern und lassen aus.

An Himmelhebers Archiv ist besonders, dass er gerade das Andere verstehen und erforschen wollte, natürlich nach seiner Maßgabe und seinen Auffassungen, aber dennoch keine längeren stationären Feldforschungen vornahm. Dies mag zum Teil finanzielle Gründe gehabt haben. So brachte er jeweils Hunderte von Objekten für Museen und Galerien von seinen Reisen zurück, weshalb er auch dauernd auf der Suche nach Objekten zum Ankaufen war.39 Zudem ließ er – das ist eine der großen Leerstellen in seinem Archiv – die Kolonialzeit fast unerwähnt. Er interessierte sich für den Kulturwandel innerhalb afrikanischer dörflicher Gesellschaften, aber nicht für die Städte, für die Befreiungsbewegungen, für die afrikanische Moderne, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Austausch zwischen Intellektuellen aus den kolonisierten Gebieten und in der Diaspora in London, Paris und Berlin entstand. Und so ist gerade die Abwesenheit des Kolonialismus substanziell für Himmelhebers »Kulturpolitik«. Indirekt spielten der Kolonialismus und die Transformationen nach der Unabhängigkeit dennoch eine Rolle, denn auch wenn Himmelheber in seinen späten Studien neue gestalterische Tendenzen, den einheimischen Kunstmarkt sowie neue Formen der Kontaktkunst und Exportkunst erforschte, sah er den Verlust von Kunstpraktiken und Wissen sehr kritisch.40

Mit dem Archiv als eigenständigem Gegenstand der Untersuchung stellt sich neben der Frage der Zeitlichkeit und der Lücken zugleich die Frage nach der Materialität, denn sind nicht auch Papiere, Heftklammern, Archivschachteln, Aktendeckel etc. Dinge? Sie gehören notwendig zum Archiv und seiner Funktionsweise. Archivarbeit ist (auch) Handarbeit, das heißt Arbeit mit materiellen Objekten bzw. der Materialität von Objekten (Klammern werden aus Akten gezogen, Papiere in Archivschachteln verstaut, Objekte zur Restauration und ins Depot getragen, Fotografien aus Umschlägen hervorgeholt, Filmschachteln geöffnet usw.). Mit dieser Handarbeit ist eine gewisse Emotionalität verbunden. Man liest in privaten Briefen, die untersuchte Person wird vertrauter und dann wieder fremder, die Familie hält anderes für wertvoller als das Forschungsteam und manchmal entsteht Scham – über vereinzelte Äußerungen in Himmelhebers Tagebuch, die heute als unangemessen gelten müssen, oder über den eigenen Voyeurismus. Und schließlich zeigt sich die Materialität des Archivs, das Platz einnimmt, durch seine bloße Anwesenheit, durch die Notwendigkeit, mit ihm etwas zu machen, damit es überhaupt zugänglich wird. Dabei erzwingt es nichts, ermöglicht jedoch etwas.

»Modern Gué Gon (Moderner Maskenjunge)« des ivorischen Künstlers Obou Gbais (geb. 1992) in der Ausstellung »Look Closer«, basierend auf Filmschnipseln des Archivs Himmelheber (Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)
»Modern Gué Gon (Moderner Maskenjunge)«
des ivorischen Künstlers Obou Gbais (geb. 1992)
in der Ausstellung »Look Closer«,
basierend auf Filmschnipseln des Archivs Himmelheber
(Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg,
Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)

Wenn der ivorische Künstler Obou Gbais aus langen Papierstreifen, auf denen Ausdrucke aus der Datenbank von Himmelhebers Reisefotografien abgebildet sind, ein modernes Maskenkostüm schafft, kommen verschiedene Aspekte zusammen: die Handarbeit, die Emotionalität sowie die Zeitlichkeit und Materialität des Archivs; die Möglichkeit, es in Bewegung zu versetzen und für eigene Erkenntnisprozesse jenseits des Aktenstudiums zu nutzen.41 Die von Himmelheber auf Fotografien gebannten Maskenperformances, im Moment eingefroren und archiviert, werden mit dem sanft schaukelnden Maskenkostüm in eine spezifische Bewegung gebracht, immer noch im Museum, doch in einem Prozess der Wiederaneignung mit neuem Sinn versehen.

3.2. Vernetzung des Archivs. Susan M. Pearce, Historikerin und emeritierte Professorin für Museum Studies, bezeichnet in ihrem bereits 1992 erschienenen Buch die Gesamtheit aller in einem Museum verwahrten Sammlungsgegenstände und der auf sie bezogenen Schrift- und Bildquellen als Archiv. Mit dieser Perspektive stand sie im Grunde am Beginn des Archival Turn.42 Wenn wir Archive als Sammlungen von Dingen begreifen, können auch Sammlungen von Dingen Archive sein. Und mehr noch, die archivierten Dinge hinterlassen eine Spur von Papier (Registraturen und klassische Verwaltungsakten, Karteikarten, Inventarbücher, Sammlungsakten, Konservierungsprotokolle, Briefwechsel, Ausstellungstexte, Kataloge), und eine Spur von Papier geht ihnen voraus (Rechnungen, Fracht- und Zollpapiere, Feldnotizen, Objektlisten, Briefwechsel). Zudem werden die Objekte fotografiert, und so sind Bilder, Objekte und Texte im Archiv Himmelheber materiell und inhaltlich eng aufeinander bezogen.

Längst hat sich der Begriff des Archivs so sehr erweitert, dass er zu einer Metapher für alle möglichen Formen von Speichern, Sammlungen, Datenträgern, materiellen und immateriellen Erinnerungen geworden ist. Und selbst Landschaften, Flüsse, das ganze Leben oder gar der gesamte Planet können zum »Archiv« werden.43 Mit tragikomischem Impetus schreibt Brian M. Watson in einem Artikel der American Historical Society »Please Stop Calling Things Archives«. Er plädiert für eine saubere Unterscheidung zwischen Archiven im archivwissenschaftlichen Sinne und beispielsweise Sammlungen oder privaten Nachlässen, wendet sich aber besonders dagegen, einfach jede Form von Speicher als Archiv zu bezeichnen.44 Das lässt etwas Wichtiges außer Acht, denn auch Gesellschaften ohne schriftliche Überlieferung besitzen Archive, die in oralen Literaturen oder anhand von materiellen Objekten wie etwa den Relieftafeln aus Benin weitergegeben werden. Hier ist der Begriff keine Metapher, sondern eine Ausweitung des papierbasierten Verständnisses von Archiven und Geschichtsschreibung sowie den damit verbundenen Institutionen.45

Wenn mit einem weiten Archivbegriff alle Unterscheidungen zwischen gekauften und angefallenen, zwischen entaktualisierten und zur Aktualität gehörenden Dingen sowie weitere wichtige Unterscheidungen etwa zwischen Museum, Sammlung, Dokumentation und Archiv aufgehoben sind, so stand dies für uns doch am Beginn einer produktiven Reaktivierung von Himmelhebers Material: Indem wir Bilder, Texte und Objekte nicht nur nachträglich aufeinander bezogen, sondern analysieren konnten, wie sie bereits für den Ethnologen selbst eng ineinandergriffen, konnten wir sein Archiv als eine materialisierte Kunsttheorie verstehen. Dass im Archiv Himmelheber alles zusammenkommt, dass es sich um einen privaten Nachlass, ein Fotoarchiv, um eine geschenkte Sammlung und um ein klassisches Schriftenarchiv in einem Museum handelt, war geradezu Voraussetzung für diese Erkenntnis, wie das folgende Beispiel zeigt.

Links: Weibliche Bateba-Figur des Bildhauers Biniate Kambre, erworben von Hans Himmelheber nach der Dokumentation der Herstellung in Tiamne, Lobi-Region, Côte d’Ivoire, 1965 (Museum Rietberg, 2015.238, Foto: Rainer Wolfsberger, Geschenk der Erbengemeinschaft Hans Himmelheber, © Museum Rietberg Zürich) Rechts: Hans Himmelheber dokumentierte die Herstellung der Bateba-Figur durch Biniate Kambre 1965 auch mit seiner Foto- und Filmkamera. (Museum Rietberg, FHH 339-2, Foto: Hans Himmelheber, © Museum Rietberg Zürich)
Links: Weibliche Bateba-Figur des Bildhauers Biniate Kambre,
erworben von Hans Himmelheber nach der Dokumentation der Herstellung
in Tiamne, Lobi-Region, Côte d’Ivoire, 1965
(Museum Rietberg, 2015.238, Foto: Rainer Wolfsberger,
Geschenk der Erbengemeinschaft Hans Himmelheber, © Museum Rietberg Zürich)
Rechts: Hans Himmelheber dokumentierte die Herstellung der Bateba-Figur
durch Biniate Kambre 1965 auch mit seiner Foto- und Filmkamera.
(Museum Rietberg, FHH 339-2, Foto: Hans Himmelheber,
© Museum Rietberg Zürich)

Im Jahr 1965 führte Himmelheber eine dreiwöchige Forschung über die bis dahin nicht sehr bekannte Kunst der Lobi-Region im Norden der Côte dʼIvoire durch. Mit dem Künstler Biniate Kambre sprach er nicht nur lange über dessen Familie und seine Rolle als Wahrsager und Besitzer eines Schreins, sondern dokumentierte auch zum ersten Mal ausführlich den Herstellungsprozess einer Skulptur, die er anschließend vom Bildhauer erwarb. Er listete die Technik und die verwendeten Werkzeuge auf. Tagelang beobachtete er den Künstler und notierte sich im Minutentakt die einzelnen Arbeitsschritte sowie den Einsatz der Werkzeuge. Zugleich dokumentierte er alles mit Fotoapparat und Filmkamera.46 Man sieht also den Künstler im Film, weitere Fotografien, ein Detailprotokoll der Arbeitsschritte, die fertige Figur mit einem von Himmelheber beschrifteten Etikett plus Notizen für einen Artikel sowie den Artikel selbst, in dem Himmelheber seinen multimedialen Ansatz folgendermaßen beschrieb: »Als ich Biniate zuvor gefragt hatte, ob er vor mir eine Figur schnitzen wolle, damit ich ihn dabei beobachte und filme, war er sofort bereit. […] Während des Filmens und Photographierens führte ich Protokoll. […] Uhrzeit 15.55 Beginn der Schnitzarbeit.«47

 

Film von Hans Himmelheber
Biniate Kambre schnitzt eine Bateba-Figur
Côte dʼIvoire, Lobi-Region, Tiamne, 20./21. Februar 1965
(Foto-, Film- und Tonarchiv, Museum Rietberg Zürich)

 

Himmelhebers Notizen im »Minutentakt« zur Herstellung der Figur durch den Bildhauer Biniate Kambre, 1965 (Museum Rietberg, HH.01-01.11, © Museum Rietberg Zürich)
Himmelhebers Notizen im »Minutentakt«
zur Herstellung der Figur
durch den Bildhauer Biniate Kambre, 1965
(Museum Rietberg, HH.01-01.11,
© Museum Rietberg Zürich)

Ein weiteres Beispiel für die Vernetzung des Archivs sind Himmelhebers Vorlesungsmanuskripte aus der Zeit an der Columbia University. Anhand der Unterlagen lässt sich genau rekonstruieren, wie und was Himmelheber unterrichtet hat. Wir können seine schriftlichen Examensfragen nachvollziehen, wir erfahren, dass er mit seinen Studierenden in New York Galerien, Kunsthändler und Ausstellungen besucht hat, wir wissen, welche Fotos, Objekte und Filme er von seinen Feldforschungen vorgeführt hat, wie er seinen Zugang vermittelte und dass er seine Studierenden anregte, selbst vor Ort Künstler zu befragen, ihre Techniken zu beobachten und zu dokumentieren, um so die Objekte von ihren Schöpfern her zu betrachten und sie nicht in erster Linie nach den Kriterien des europäischen oder amerikanischen Kunstmarktes zu beurteilen. Leider gibt es keine Tondokumente seiner Vorlesungen – dies hatte Douglas Fraser, der mit Himmelheber freundschaftlich verbundene Professor für Kunstgeschichte und Archäologie an der Columbia University, zwar vorgeschlagen, aber Himmelheber war sein deutscher Akzent zu peinlich, und er gab zu bedenken, dass er bei Tonaufnahmen zum Mikrofon und nicht zu den Studierenden sprechen würde. Erstaunlicherweise existieren (nach dem jetzigen Stand unseres Wissens) aus der New Yorker Zeit auch keine Fotos mehr, obwohl Himmelheber ein so begeisterter Fotograf war und sich jeweils auf dem neuesten Stand der Technik bewegte. Zwar erwähnt er in einem Brief, ein Student habe ihn auf den Stufen der Bibliothek sitzend fotografiert, und dass er dieses Bild besonders gern betrachte – im Archiv haben wir es allerdings nicht gefunden.

4. Feldforschungen zum und im Archiv – RestudyReturn

Anhand von zwei Feldforschungen in der Côte d’Ivoire zeigt sich, wie multimediale historische Archive – etwa das hier vorgestellte von Himmelheber – ethnologisch erforscht und befragt werden können. Dabei ergeben sich durch die Berücksichtigung der heutigen indigenen Perspektiven neue Erkenntnisse über Himmelhebers Dokumente und Zugänge. Das historische Wissen wird aktualisiert oder auch in Frage gestellt, und gleichzeitig kommt neues Wissen hinzu.

Die Ethnologin Anja Soldat, mittlerweile Kuratorin am Kulturmuseum St. Gallen, bei der Restudy zu Hans Himmelheber in Lolobo, Baule-Region, Côte dʼIvoire, 2017 (Foto: Koffi Jaures)
Die Ethnologin Anja Soldat,
mittlerweile Kuratorin am Kulturmuseum St. Gallen,
bei der Restudy zu Hans Himmelheber
in Lolobo, Baule-Region, Côte dʼIvoire, 2017
(Foto: Koffi Jaures)

Im ersten Fall handelt es sich um eine Restudy zu Himmelhebers Erforschung der Baule-Kunst im Zentrum der Côte dʼIvoire. Auf Himmelhebers Spuren besuchte die Ethnologin Anja Soldat zwischen 2017 und 2022 dieselben Orte, die Himmelheber ab den 1930er-Jahren bereist hatte. In ihrer als Objektbiographie angelegten Restudy lehnte sie sich methodisch und theoretisch an Himmelhebers empirische Studie an. Ebenso wie er dokumentierte sie die Herstellung von goldplattierten Gegenständen in der Baule-Region, indem sie Notizen, Fotos und Filme machte. Dabei wiederholte sie nicht nur den Prozess der Entstehung von Himmelhebers Archiv, sondern ließ sich auch von seinen kunstethnologischen Interessen leiten. In langen Gesprächen befragte sie – wie Himmelheber Jahrzehnte zuvor – die Holzbildhauer und Goldplattierer nach ihrem beruflichen Werdegang, nach ihren künstlerischen Zwängen und Freiheiten. Sie interessierte sich ebenso wie er für die Materialität, die Bedeutung und die Symbolik der geschnitzten Objekte. Zentral für ihre Forschung war dabei Himmelhebers These, dass es in Afrika »L’art pour l’art« gebe, also Objekte ohne Funktion, die nur aus ästhetischen Gründen hergestellt und bewundert wurden bzw. werden.48

 

Film von Hans Himmelheber
Kurukuri Lela beim Goldplattieren eines Fliegenwedels
Côte dʼIvoire, Baule-Region, Assabonou, 1965
(Foto-, Film- und Tonarchiv, Museum Rietberg Zürich)

 

Kiste mit 24 goldplattierten Objekten der Baule-Region, die Hans Himmelheber dem Gouverneur François Reste schenkte. Im dazugehörigen Manuskript führte er 1933 seine These vom afrikanischen »Lʼart pour lʼart« aus. (Museum Rietberg, 2015.43a-x, Ankauf mit Mitteln des Rietberg-Kreises, Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)
Kiste mit 24 goldplattierten Objekten der Baule-Region,
die Hans Himmelheber dem Gouverneur François Reste schenkte.
Im dazugehörigen Manuskript führte er 1933 seine These
vom afrikanischen »Lʼart pour lʼart« aus.
(Museum Rietberg, 2015.43a-x, Ankauf mit Mitteln des Rietberg-Kreises,
Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)

Dabei konnte die Forscherin sowohl Kontinuitäten als auch den Bedeutungsverlust dieser Prestigeobjekte ausmachen, die heute zwar nur noch selten mit Gold plattiert sind, aber als Objekttyp für Zeremonien in Plastik nachgeahmt oder für traditionell anmutende Porträts in digitale Formen umgewandelt werden. Zugleich wurden Himmelhebers Kategorien wie »Kunst«, »Kunsthandwerk« oder »Künstler« hinterfragt.

Wie bereits Hans Himmelheber wendet Anja Soldat eine Methode der Visualisierung an, wenn sie Abzüge seiner Fotos zurückbringt und mit den Menschen vor Ort diskutiert.49 Während sich Himmelheber gegenüber den abgebildeten Personen erkenntlich zeigen wollte, stehen in Soldats Studie der Erkenntnisgewinn und die Wissensproduktion rund um die historischen Bilder im Vordergrund. Trotz der langen Zeitspanne gelang es ihr, Nachfahrinnen und Nachfahren der abgebildeten Personen ausfindig zu machen, so die Tochter eines Goldplattierers, den Himmelheber befragt hatte und die nun Neues über das Lebenswerk ihres Vaters berichten konnte. Das Porträt des Vaters ermöglichte der Frau einen ebenso unverhofften wie emotionalen Blick in die Vergangenheit. Aus der Fotografie als historischem Dokument der (Kunst-)Geschichte im Archiv Himmelheber wurde ein durch persönliche Geschichten und Erinnerungen bereichertes Familienfoto. Das neue Wissen, das auf diese Weise entsteht, ist an den Fragen des historischen Archivs von Himmelheber orientiert, wird jedoch durch ivorische Stimmen und Perspektiven aktualisiert. Wie Anja Soldat in ihrer Forschung zeigt, gibt es auch Momente der Irritation, wenn lokale Akteure kritisieren, dass ihr Wissen entwendet werde, ohne dass sie Zugang zu den westlichen Formen der Wissensproduktion wie einem Buch oder einer Ausstellung hätten bzw. davon profitierten.

Sossossi Afue, Interviewpartnerin von Anja Soldat, mit dem von Hans Himmelheber aufgenommenen Foto ihres Vaters in Assabonou, 2019 (Foto: Anja Soldat)
Sossossi Afue, Interviewpartnerin von Anja Soldat,
mit dem von Hans Himmelheber aufgenommenen
Foto ihres Vaters in Assabonou, 2019
(Foto: Anja Soldat)

Auch in der zweiten Studie wurden historische Fotos in die Côte d’Ivoire zurückgebracht, doch ging diese Arbeit methodisch und inhaltlich über die Fragen von Himmelhebers Archiv hinaus. Im Zentrum der Forschung der Historikerin Daniela Müller stehen das weibliche Kunstschaffen und die Bedeutung von Frauen in der Wissensproduktion zur Kunst Afrikas. Beides sind Themen, die Himmelheber nur am Rande untersucht hatte.50 Während die Recherchen zu Ulrike Himmelheber (1920–2015), seiner Ehefrau und wichtigsten Mitforschenden,51 im Archiv oder in Form von Oral-History-Interviews mit der Familie stattfanden, führte Daniela Müller im Nordwesten der Côte d’Ivoire 2021 und 2022 eine kurze Feldforschung zu den in der Dan-Region bedeutenden Zeremoniallöffeln von Frauen durch. Hans Himmelheber hatte 1965 einen Artikel über die »Wunkirle« genannten Würdenträgerinnen veröffentlicht, die mit ihren von Männern gefertigten Holzlöffeln bei Festlichkeiten auftraten, tanzten und Preislieder sangen.52 Gleichwohl sah er – im Einklang mit der damaligen Kunstgeschichtsschreibung über Afrika – die schöpferische Arbeit von Frauen als marginal an bzw. tat sie als »Handwerk« ab, obwohl sie als Künstlerinnen und Nutzerinnen, Besitzerinnen und Kennerinnen von Objekten eine wichtige Rolle in der Wissensproduktion zur Kunst Afrikas spielten und spielen. Diese historische Lücke im Archiv und in der Kunstgeschichte wird durch solche geschlechtersensible Forschung geschlossen und führt zu einer neuen, weiblich geprägten Wissensproduktion.

Links: Eine Frau mit einem Wakemia-Löffel, der ihr Porträt zeigt. Dah, Guere-Region, Côte dʼIvoire, 1968 (Museum Rietberg, FHH 346-1, Foto: Hans Himmelheber, © Museum Rietberg Zürich) Rechts: Das Archiv kehrt zurück – Diskussion der historischen Fotos von Hans Himmelheber mit Frauen während des Workshops zu Frauenwissen in der Fondation Koble des Mandé Sud, Man, Côte dʼIvoire, 2022 (Museum Rietberg, Foto: Daniela Müller, © Museum Rietberg Zürich)
Links: Eine Frau mit einem Wakemia-Löffel, der ihr Porträt zeigt.
Dah, Guere-Region, Côte dʼIvoire, 1968
(Museum Rietberg, FHH 346-1, Foto: Hans Himmelheber,
© Museum Rietberg Zürich)
Rechts: Das Archiv kehrt zurück –
Diskussion der historischen Fotos von Hans Himmelheber
mit Frauen während des Workshops zu Frauenwissen
in der Fondation Koble des Mandé Sud, Man, Côte dʼIvoire, 2022
(Museum Rietberg, Foto: Daniela Müller,
© Museum Rietberg Zürich)

Die Forschung fand in enger Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen der Fondation Koble des Mandé Sud statt, einem Kultur- und Dokumentationszentrum im Nordwesten der Côte dʼIvoire, mit dem das Museum Rietberg eine lange Partnerschaft verbindet.53 Vor allem der von uns gemeinsam durchgeführte Workshop »Savoir des femmes« im Juni 2022 sprengte dabei das Format einer klassischen Feldforschung und integrierte kuratorisch-partizipative Ansätze der Wissensproduktion. Auf Einladung der Fondation Koble nahmen zwei Dutzend Frauen aus benachbarten Dan-Dörfern am Workshop teil. Ausgangspunkt des Gesprächs über weibliches Wissen und Können in Vergangenheit und Gegenwart war dabei Himmelhebers Archiv. Eingeladen waren Töpferinnen, Mattenflechterinnen, Netzmacherinnen und Seifenproduzentinnen aus unterschiedlichen Generationen, um sich über das mit ihren Berufen verbundene Wissen untereinander auszutauschen und schließlich am letzten Tag ihre praktischen Fähigkeiten zu präsentieren. Hinzu kam eine Performance mehrerer Wunkirle-Würdenträgerinnen mit ihren in Himmelhebers Texten besprochenen und abgebildeten Zeremoniallöffeln. In solchen Momenten wird das Archiv gleichsam belebt und lebendig.

Während des Workshops wurden einige Texte Himmelhebers vorgelesen sowie Filme mit Frauentänzen und Frauengesang gezeigt. Als kleine Ausstellung waren zudem Fotos aus Himmelhebers Archiv zu sehen, die einen Zeitraum von 50 Jahren umfassten und Frauen in kreativen Berufen sowie bei festlichen Auftritten zeigten. Die Teilnehmerinnen des Workshops waren eingeladen, jeweils eines der Schwarz-Weiß-Bilder auszuwählen und zu erzählen, warum das Sujet für sie von Bedeutung war. Die daraus entstandenen Gespräche gingen vielfach über die Darstellungen auf den historischen Fotografien hinaus. Es war weniger von Belang – wie bei den Forschungen von Anja Soldat –, konkrete Personen auf den Fotos zu identifizieren. Vielmehr dienten die Bilder als Impulse für den Austausch der Frauen über ihre aktuelle Lebenssituation, ihre persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen. Dies konnten berührende Geschichten über Verlust oder Migration sein, aber auch einfach nur die Freude an einem Bild, auf dem Frauen bei einer Feier dargestellt waren. Immer wieder standen das Können und das damit verbundene Wissen im Vordergrund, aber auch das Verschwinden von Techniken und die mangelnde Weitergabe an Jüngere.

Besonders eindrücklich war der Beitrag der Würdenträgerin Marguerite Mahan aus Trienlie Daplé. Zur Feier der Initiation ihres Kindes schnitzte der ältere Bruder ihres Ehemannes ihr einen eigenen Löffel. Während des Workshops sprach sie erstmals über die spirituellen und nicht-öffentlichen Aspekte dieser Objekte. So werde Frauen mit Kinderwunsch in einem Zeremoniallöffel eine spezifische Medizinpflanze gereicht. Einem Neugeborenen werde Wasser mit dem Löffel eingeflößt, um die Gesundheit von Mutter und Kind zu garantieren. Offen redete Mahan über die Performativität und Emotionalität des Auftritts mit einem Löffel, wenn der Geist ihrer Vorfahrinnen ihre Schritte und Worte beeinflusse, sie ihre Energie und Kraft spüre und sich »außerhalb sich selbst« fühle. Zugleich ließen der bewegende Tanz und Gesang von Mahan, gemeinsam mit ihren Begleiterinnen, ihre Worte nachempfinden, und das Publikum wurde Teil der Performance.

Das geschlechterspezifische Wissen, das während dieses Workshops ausgetauscht wurde, ist zu einer aktuellen Erweiterung des Himmelheber-Archivs geworden, von den Frauen selbst gestaltet. Die Auseinandersetzung mit den Fotos wirkte auch zurück, weil die Frauen im offiziellen Kontext des Workshops – mit Forscherinnen aus der Schweiz, Vertreterinnen und Vertretern der Fondation Koble sowie des lokalen Fernsehens – selbstbewusst über ihr Können berichteten und ihren Anliegen Gehör verschafften. Die Akteurinnen und Akteure der Wissensproduktion sind nicht mehr allein auf europäischer, sondern auch auf afrikanischer Seite.

5. Künstlerische Forschung am und im Archiv –
Linien zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Ibou Diop, ein senegalesischer Literaturwissenschaftler, der sich in Berlin mit der Dekolonisierung von Museen befasst, schreibt, es sei doch selbstverständlich, dass es aus afrikanischer Perspektive Einsicht in die Archive brauche. Es seien »unsere Archive«: »In London. In Berlin. In Paris. All das Wissen – Berichte, Audio-Aufnahmen, Fotos, die Geschichten und die Objekte selbst. Wir brauchen das Wissen, wie die Länder kolonisiert wurden. Welche Tagebücher haben die Kolonisatoren geschrieben? Was dachten sie, ihre Frauen über uns? Welchen Alltag haben sie dort erlebt? Das könnte eine Gegenerzählung zu dem sein, was unsere Großeltern uns über die Kolonisatoren erzählt haben.«54

So wurde und wird das Archiv Himmelheber nicht nur von uns aus westlicher geschichtswissenschaftlicher, ethnologischer oder kuratorischer Perspektive erforscht, sondern auch Kunstschaffenden aus Afrika, aus der Karibik und der Diaspora zugänglich gemacht. Im Laufe des Projektes waren elf Künstlerinnen und Künstler aus der Côte d’Ivoire, der Demokratischen Republik Kongo, aus Nigeria, Sierra Leone sowie Trinidad und Tobago eingeladen, das Archiv Himmelheber zu ergründen und sich künstlerisch anzueignen.55 Dabei wurde die historische und ethnologische Befragung des Archivs mit der künstlerischen Forschung konfrontiert, was das Archiv noch einmal anders in Bewegung setzte, aktualisierte und zu einem Feld der Produktion von neuem, alternativem Wissen in der zeitgenössischen Kunst machte.56

Wie vielfältig und unterschiedlich das Archiv Himmelheber künstlerisch genutzt wird, zeigen die Beispiele von Michèle Magema und David Shongo.57 1977 in Kinshasa geboren, ist Magema eine der wenigen Frauen in der kongolesischen Kunstszene. Sie wuchs in Frankreich auf und studierte an der Kunsthochschule in Paris-Cergy. In ihrem Kunstschaffen verbindet sie Zeichnungen, Fotografie, Video und Performance; sie bringt ihre individuellen Erfahrungen mit kollektiver Erinnerung und Geschichte zusammen.58 Warum sie sich besonders für die Arbeit mit Archiven interessiert, wird treffend im Heft »Artist meets Archive« der Zeitschrift »Fotogeschichte« zusammengefasst: »Das Archiv, nicht zuletzt das fotografische, konstituiert eine Grauzone zwischen Erinnern und Vergessen; die künstlerische Intervention in dieses Archiv wiederum markiert vor allem jenen Prozess, in dem das auf lange Zeit gelagerte Material reaktiviert und die mit ihm verbundenen Erzählungen neu konfiguriert, anders akzentuiert, mit Gegenerzählungen oder Inkonsistenzen konfrontiert oder in ein anderes Bezugssystem verschoben werden.«59

In ihrer Installation »À la rencontre de nos souvenirs ou comment marcher sur nos terres« befasst sich Michèle Magema mit Himmelhebers Reise von 1938/39 durch die damalige Kolonie Belgisch-Kongo.60 Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Forschung sind die von Himmelheber fotografierten Landschaften, Dörfer und Menschen. Mit feinen Tuschestrichen zeichnet Magema deren Umrisse nach, entfernt und ergänzt Motive oder setzt farblich Akzente. Im performativen Akt des Nachzeichnens überschreibt Magema das Archiv mit ihrer eigenen Vorstellungswelt. Ein Mann steht plötzlich nicht mehr im Schlamm eines Flusses, sondern ist von einem grünen Blätterwerk umrankt. Der Blick einer Frau – vielleicht eine Vorfahrin – sticht hervor, nachdem Magema alles, was von ihr ablenken könnte, weggelassen hat. Die Künstlerin lädt die Betrachtenden ein, ihr in das Land ihrer Ahnen zu folgen und ihrer Geschichte zu begegnen.

Tuschezeichnung der kongolesisch-französischen Künstlerin Michèle Magema (geb. 1977) für ihre Installation von 2023, in der sie die Fotos von Hans Himmelheber während seiner Reise 1938/39 durch Belgisch-Kongo zu ihren eigenen Erinnerungen macht (Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, 2023.5.33, © Museum Rietberg Zürich)
Flussüberquerung in der Yaka-Region, Demokratische Republik Kongo, 1938/39 (Museum Rietberg, FHH 164-4, Foto: Hans Himmelheber, © Museum Rietberg Zürich)
Oben: Tuschezeichnung der kongolesisch-französischen Künstlerin
Michèle Magema (geb. 1977) für ihre Installation von 2023,
in der sie die Fotos von Hans Himmelheber während seiner Reise 1938/39
durch Belgisch-Kongo zu ihren eigenen Erinnerungen macht
(Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, 2023.5.33,
© Museum Rietberg Zürich)
Unten: Flussüberquerung in der Yaka-Region,
Demokratische Republik Kongo, 1938/39
(Museum Rietberg, FHH 164-4, Foto: Hans Himmelheber,
© Museum Rietberg Zürich)

In Magemas raumgreifender Installation mäandern weiße Linien über die Wände und durchbrechen die strenge Geometrie der gerahmten Zeichnungen. Dabei ist Himmelhebers Reiseroute im Kongo detailgetreu nachgezeichnet. Die grafischen Linien erinnern an Wege und Grenzen, die das Land durchschneiden, finden sich aber auch als Körperschmuck oder als Dekoration in der Schnitzkunst wieder. Indem Magema ihre Spuren auf den Wänden hinterlässt, schreibt sie sich gleichsam in die Architektur und Sammlung des Museums ein. Die dichte Hängung der Zeichnungen verweist zudem auf die Masse der von Himmelheber gemachten Fotos bzw. der von ihm erworbenen Objekte im Kongo – eine implizite Kritik an der Sammelwut von Forschungsreisenden der Kolonialzeit. Mit ihrer aus Linien bestehenden Installation erschafft Magema eine neue Topographie des Archivs. Als Forschende eignet sie sich das Archiv an, ordnet es neu und macht es zu einem Ort ihrer eigenen Erinnerung und Reflexion. Sie spricht hinsichtlich ihrer – auch körperlich anstrengenden und emotional herausfordernden – künstlerischen Arbeit von einem »reparierenden Ritual«.61

Installation von Michèle Magema, 2023: »À la rencontre de nos souvenirs ou comment marcher sur nos terres« (Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)
Installation von Michèle Magema, 2023:
»À la rencontre de nos souvenirs ou comment marcher sur nos terres«
(Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, Foto: Rainer Wolfsberger,
© Museum Rietberg Zürich)

Auch für den Künstler und Komponisten David Shongo, 1994 in Lubumbashi geboren, spielen Linien und Wege eine wichtige Rolle. Im Rahmen des Forschungsprojektes begab sich Shongo 2021 in der Demokratischen Republik Kongo auf eine mobile Feldforschung entlang der Route Himmelhebers von 1938/39.62 Entstanden ist ein mehrteiliges Werk aus Video- und Fotoarbeiten. Im Film »Lumène« sowie in der Fotomontage »Le point pour SOMAF« verarbeitet Shongo dabei die Suche nach seinem Vater, den er nie kennenlernte. Seine Recherche führt ihn an Orte in der Chokwe- und Kuba-Region, die auch Himmelheber besucht hatte. Den Chiefs und Würdenträgern, denen er begegnet, zeigt Shongo die Fotos der Landschaften und Menschen, die Himmelheber 80 Jahre früher vor Ort gemacht hatte. In den Gesprächen wird der Künstler mit den immer noch spürbaren Nachwirkungen der Kolonialzeit konfrontiert und trifft auf eine Gesellschaft, die – wie Shongo es sieht – ihrer Erinnerung und ihres Wissens beraubt wurde. Auf seinem Weg in die eigene Vergangenheit erfährt er aber auch Bruchstücke der Biographie seines Vaters, zum Beispiel, dass er ein Würdenträger der Chokwe war. Als forschender Künstler benutzt Shongo das Archiv Himmelheber wie eine Art »Familienalbum«, um die eigenen Recherchen zu seinem familiären Hintergrund voranzutreiben.

Foto- und Video-Installation des kongolesischen Künstlers David Shongo (geb. 1994) für die Ausstellung »Look Closer«, 2023 (Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, Foto: Rainer Wolfsberger, © Museum Rietberg Zürich)
Foto- und Video-Installation des kongolesischen Künstlers
David Shongo (geb. 1994) für die Ausstellung »Look Closer«, 2023
(Entstanden im Auftrag des Museums Rietberg, Foto: Rainer Wolfsberger,
© Museum Rietberg Zürich)

Neben diesem persönlichen Blick auf das Archiv hat Shongos Werk auch immer eine politische Dimension. Dies kommt vor allem in der Installation und Videoarbeit »Refund Fee« zum Ausdruck. Im Zentrum steht das Automobil als ein Symbol der Ausbeutung, Macht und Ungerechtigkeit. Himmelheber benutzte auf seiner Reise durch Belgisch-Kongo ein Auto, um möglichst viele Objekte in weit voneinander entfernten Orten erwerben und auf dem kolonialen Wegenetz transportieren zu können. In seinem Film belädt Shongo ein scheinbar harmloses Spielzeugauto aus Holz mit geschnitzten Figuren und lässt es von einer weißen Frau über holprige Wege und Straßen ziehen – immer tiefer hinein in den Kongo und zurück zu den Orten, die Himmelheber vor 80 Jahren besuchte. Die Motorisierung, Technisierung und Beschleunigung stehen sinnbildlich für die Aneignung des kulturellen Erbes durch westliche Sammler, aber auch für die bis heute andauernde Ausbeutung und den Extraktivismus von Metallen der Seltenen Erden im Kongo. Mit »Refund Fee« hinterfragt Shongo zudem die Restitution als einen Prozess der Wiedergutmachung.63 In einer umgekehrten Logik von Rückgabe – die Museen sollen ihre Schätze hergeben – mahnt er: »Give back what is important to you!«

Shongo transformierte das Archiv zum Mittel für die persönliche Recherche seiner Familiengeschichte sowie zur Kritik an der Geschichte und Gegenwart der kolonialen und postkolonialen Regime in der Demokratischen Republik Kongo. Mit seiner gleichzeitig persönlichen und politischen, wissenschaftlichen und aktivistischen Arbeit, seinem Changieren zwischen Intimität und Distanz erschließt er Ambivalenzen, Komplexität, Lücken und Probleme des Archivs. So ermöglicht gerade die multiperspektivische, insbesondere künstlerische Erforschung von Archiven, dass sie – gegen den Strich gelesen64 – zum »Material« neuer Epistemologien werden. Die Möglichkeiten der Archive können dabei zunächst »verborgen« sein und erst durch Interventionen wie ethnologische Feldforschungen, Museumspraktiken, Ausstellungen oder künstlerische Forschungen aufgedeckt, ausgeschöpft und erweitert werden. Unser Tun und unsere Fragen an das Archiv haben nicht nur zurück zu Texten geführt, sondern ebenso zu Interventionen, Performances und schließlich zum digitalen »Africa Art Archive«, das weiterwächst, benutzt wird und vielstimmig weiterlebt – auch jenseits unserer Kontrolle.


Anmerkungen:

1 Das Projekt »Objekt – Bild – Text. Verflochtene Wissensproduktion in Hans Himmelhebers Archiv zwischen Kunst Afrikas, Ethnologie und globalem Markt« wurde von 2018 bis 2023 vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert. Zu den Mitarbeiterinnen gehörten neben den Projektleiterinnen Prof. Dr. Gesine Krüger (Universität Zürich) und Dr. Michaela Oberhofer (Museum Rietberg Zürich) im Projektteam Daniela Müller, Anja Soldat, Esther Tisa Francini sowie zeitweise Jonas Lendenmann, Sara Oechslin und Dr. Nanina Guyer.

2 Restudies gehören zu den Methoden der Ethnologie. Es wird wiederholt eine Studie am selben Ort bzw. in derselben Forschungseinheit durchgeführt, um gesellschaftlichen Wandel zu dokumentieren und/oder theoretische Fragen zu beantworten. Siehe George K. Garbett, The Restudy as a Technique for the Examination of Social Change, in: Douwe G. Jongmans/Peter C. W. Gutkind (Hg.), Anthropologists in the Field, Assen 1967, S. 116-132; Tine Köhler/Maria Rumyantseva/Catherine Welch, Qualitative Restudies: Research Designs for Retheorizing, in: Organizational Research Methods 28 (2025), S. 32-57.

3 Um sowohl das Archiv als auch unsere Forschung international zugänglich zu machen, gehört zu den wichtigsten Projektergebnissen die neu entwickelte, vom Museum Rietberg gehostete Plattform in Deutsch, Englisch und Französisch: <https://www.africa-art-archive.ch>. Wir verstehen dies als Living Archive, das nun der Forschung, dem Fachpublikum und der breiten Öffentlichkeit vor allem auch in den von Himmelheber bereisten Ländern zur Verfügung steht und fortlaufend ergänzt wird.

4 Himmelheber interessierte sich kaum für die Kunst von Frauen – es handelt sich hier um eine der Leerstellen im Archiv, die wir in unserem Projekt untersucht und ein wenig geschlossen haben (dazu weiter unten).

5 Dies ist ein heute durchaus noch gängiger Begriff auf dem Kunstmarkt, wie etwa die Websites von Auktionshäusern und Galerien sowie die Zeitschrift »Tribal Art Magazine« zeigen.

6 Zur individuellen Handschrift und Autorschaft in der Kunst Afrikas siehe Eberhard Fischer/Lorenz Homberger, Afrikanische Meister. Kunst der Elfenbeinküste, Zürich 2014 (Katalog zur Ausstellung u.a. im Museum Rietberg Zürich und in der Bundeskunsthalle in Bonn).

7 Himmelheber hat keine klassisch stationäre Feldforschung durchgeführt, die mehrmonatige Aufenthalte und das Erlernen von Sprachen erfordert hätte. Sein vergleichender Ansatz verschiedener Kunstregionen verlangte eine mobile Forschung. Auch wenn er selbst diesen Begriff nie verwandte, erinnert seine Dokumentation der Herstellungsprozesse, Oral Traditions oder Maskenperformances an die teilnehmende Beobachtung als ethnographische Methode.

8 Siehe hierzu Peter Probst, Under Suspicion: Rereading Hans Himmelheber, in: Reworking the Archives, Himmelheber Working Papers, 3, 2024; Kerstin Pinther, Die Kunst Afrikas, München 2022; Peter Probst, What is African Art? A Short History, Chicago 2022.

9 Nanina Guyer/Michaela Oberhofer (Hg.), Fiktion Kongo. Kunstwelten zwischen Geschichte und Gegenwart, Zürich 2020.

10 Das Black Swiss Art/ist Residency Program fand 2023 im Kontext der Ausstellung »Look Closer« statt, kuratiert durch Jonas Lendenmann und Keabetswe Boccomino von Afrinova, einer digitalen Plattform für Kunst und Design Afrikas.

11 Mehrere Workshops mit Sinzo Aanza und Sammy Baloji, Museum Rietberg 2018–2021. Siehe auch Michaela Oberhofer, Sammy Baloji. Kasala as a New Way of Reworking Archives, in: Africa Art Archive, Multiple Readings, 9.10.2023; sowie Balojis Keynote bei der Konferenz »Reworking the Archive. Hans Himmelheber and African Art/ists«, Universität Zürich und Museum Rietberg, 12.–15.4.2023, URL: <https://www.youtube.com/watch?v=ttf_8xmj3wM>.

12 Sara Callahan, Art + Archive. Understanding the Archival Turn in Contemporary Art, Manchester 2022; Marcel Lepper/Ulrich Raulff (Hg.), Handbuch Archiv. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart 2016. Siehe auch Paul Basu/Ferdinand De Jong, Utopian Archives, Decolonial Affordances. Introduction to Special Issue, in: Social Anthropology 24 (2016), S. 5-19.

13 Zu Letzterem siehe Sarah Oechslin, Liberianische Tier-Metamorphosen: Die Naturkundlichen Sammlungen von Hans Himmelheber, in: Reworking the Archives, Himmelheber Working Papers, 7, 2024.

14 Hans Himmelheber, Das Porträt in der Negerkunst. Bericht über eine Versuchsreihe, in: Baessler-Archiv 20 (1972), S. 261-311; Angelika Böck/Stefan Eisenhofer (Hg.), StillePost. Versuchsanordnungen in Kunst und Wissenschaft, München 2004.

15 Eine Publikationsliste und PDF-Dateien seiner Werke finden sich unter <https://africa-art-archive.ch/objekt-bild-text/publikationen>.

16 »Si dans mon premier article, sur l’art de Bayaka, je me suis adressé aux ethnographes et dans le deuxième, sur l’art des Batshiok, aux historiens d’art et aux artistes, je choisis cette fois le point de vue du collectionneur, qu’il soit marchand d’antiquités, collectionneur-amateur, ou directeur de musée.« (Hans Himmelheber, Art et Artistes »Bakuba«, in: Brousse 1/1940, S. 17-30, hier S. 17, Übersetzung der Autorinnen.) Die beiden vorangegangenen Artikel: ders., Les masques Bayaka et leurs sculpteurs, in: Brousse 1/1939, S. 3-23; ders., Art et Artistes Batshiok, in: Brousse 3/1939, S. 17-31.

17 »Si vous voulez absolument un terme régional, il serait exact de dire prosaïquement ›l’art du Chemin de fer‹, parce que nos tribus vivent tous près du grand chemin de fer qui va de Port-Francqui au Katanga.« (Himmelheber, Art et Artistes »Bakuba« [Anm. 16], S. 19, Übersetzung der Autorinnen.)

18 In der afrikanischen Geschichte wird das europäische Konzept des »Stammes« schon lange kritisiert. Siehe etwa John Iliffes zu einem Bonmot gewordenen Satz: »The British wrongly believed that Tanganyikans belonged to tribes; Tanganyikans created tribes to function within the colonial framework.« John Iliffe, A Modern History of Tanganyika, Cambridge 1979, S. 318. Zu Himmelhebers Ambivalenz hinsichtlich afrikanischer Zeitgenossenschaft siehe Probst, Under Suspicion (Anm. 8); zu den Essentialisierungen ethnischer Zuschreibungen Till Förster, The Rise and Fall of Senufo Art: A Decolonial Perspective, in: Reworking the Archives, Himmelheber Working Papers, 4, 2024.

19 »Quoi qu’en disent nos experts en Europe, en trouvera rarement un masque Bayaka qui a eu plus de deux ou trois ans au moment où il a été acheté.« (Himmelheber, Les masques Bayaka et leurs sculpteurs [Anm. 16], S. 22f., Übersetzung der Autorinnen.)

20 Himmelheber, Art et Artistes »Bakuba« (Anm. 16), S. 28, Übersetzung der Autorinnen.

21 Hans Himmelheber, Negerkunst und Negerkünstler, Braunschweig 1960. In der Ausstellung haben wir das N-Wort vermieden und bei Exponaten überdeckt. Als Himmelheber sein Buch veröffentlichte, war nicht das Wort, sondern die Kombination mit »-kunst« und »-künstler« ein Skandalon. Himmelheber selbst benutzte das N-Wort sowohl respektvoll als auch pejorativ.

22 Eberhard und Barbara Fischer/Hans und Ulrike Himmelheber, Boti. Ein Maskenschnitzer der Guro, Elfenbeinküste. Notizen zu Persönlichkeit, Werkverfahren und Stil eines traditionellen Bildhauers in Westafrika, Zürich 1993. Eine französische Übersetzung erschien unter dem Titel: Boti. Un sculpteur de masques des Gouro, Côte dʼIvoire. Notes sur la personnalité, les procédés et le style d’un sculptuer traditionnel d’Afrique occidentale, hg. von der Fondation Koble des Mandé Sud und dem Museum Rietberg Zürich 2018.

23 Ein Beitrag zu diesen Erinnerungen ist für das »Africa Art Archive« in Vorbereitung.

24 Dazu gehörten: »Das Gold in der Kunst Ostasiens« (1974/75); »Die Kunst der Dan« (1976); »Zaire 1938/39. Kunstwerke Afrikanischer Meister der Yaka, Pende, Tshokwe, Lulua, Songye und Kuba: Feldfotos von Hans Himmelheber« (1993/94); sowie »Die Baule 1933 und 1934/35: Fotografien und Objekte eines westafrikanischen Volkes« (1996/97).

25 Davor gab es nur acht seiner Objekte im Museum: Die ersten drei Artefakte stammten nicht aus Afrika, sondern aus Himmelhebers Feldforschung in Alaska; sie gelangten 1984 ins Museum. Einige Jahre später (1985–1989) kaufte das Museum im Kunsthandel fünf Artefakte von Himmelhebers Afrikareisen an.

26 Zunächst wurden Himmelhebers Fotografien von Anja Soldat und Nanina Guyer digitalisiert und inventarisiert. Seit 2018 ist Nanina Guyer die neue Kuratorin für Fotografie.

27 Mit dem Interesse an der Historizität von Sammlungen sowie der kritischen Provenienzforschung zu ganzen Sammlungen und einzelnen Objekten haben auch die Museumsarchive im klassischen Sinne eine neue Bedeutung erlangt. Dies ist in unsere Forschung zum Archiv Himmelheber eingeflossen, denn es ist einzigartig darin, dass im von Sammlern und Galeristen geprägten Museum Rietberg die Werke bis auf ihre Schöpfer zurückverfolgt werden können.

28 Daniela Müller, Praxis und Theorie rund um das Schriftenarchiv Himmelheber im Museum Rietberg Zürich, in: Reworking the Archives, Himmelheber Working Papers, 6, 2024.

29 Brigitta Kuster/Britta Lange/Petra Löffler, Archive der Zukunft? Ein Gespräch über Sammlungspolitiken, koloniale Archive und die Dekolonisierung des Wissens, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft 20 (2019), S. 96-111, hier S. 99.

30 Christian Feest, Ungehobenes: Das Museumsarchiv, in: Iris Edenheiser/Larissa Förster (Hg.), Museums­ethnologie. Eine Einführung. Theorien, Debatten, Praktiken, Berlin 2019, S. 208-223, hier S. 208. Museen sind (neben ihren übrigen Funktionen) auch noch in anderer Hinsicht Archive: Sie besitzen Registraturen und klassische Verwaltungsakten, Briefwechsel und andere Papiere, die im Laufe der Zeit aus dem aktuellen Betrieb ausgeschieden werden, allerdings nur selten in einem professionell geführten Museumsarchiv aufbewahrt werden.

31 In ethnologischen Museen wird derzeit nur circa ein Prozent der Dinge ausgestellt. Feest, Ungehobenes (Anm. 30), S. 208.

32 Britta Lange, Aus dem Depot, in: Margit Berner/Anette Hoffmann/Britta Lange, Sensible Sammlungen. Aus dem anthropologischen Depot, Hamburg 2011, S. 205-218, hier S. 205.

33 Lorraine Daston, Introduction: Third Nature, in: dies. (Hg.), Science in the Archives. Pasts, Presents, Futures, Chicago 2017, S. 1-14, hier S. 11.

34 Uta M. Reindl/Ellen Wagner, Zukunftsressource Archiv. Kunst als Medium von Erinnerung und Imagination, in: Kunstforum International 280 (2022), S. 42.

35 Ebd.

36 Ebd.

37 Ann Laura Stoler, Colonial Archives and the Arts of Governance, in: Archival Science 2 (2002), S. 87-109, hier S. 87.

38 Dies./Frederick Cooper, Zwischen Metropole und Kolonie: Ein Forschungsprogramm neu denken, in: Claudia Kraft/Alf Lüdtke/Jürgen Martschukat (Hg.), Kolonialgeschichten. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen, Frankfurt a.M. 2010, S. 26-66, hier S. 53f.

39 Zur kritischen Einordnung von Himmelhebers Erwerbs- und Handelstätigkeit in Belgisch-Kongo siehe Michaela Oberhofer, Im Spannungsfeld zwischen Forschen und Sammeln: Hans Himmelheber im Kongo 1938/39, in: Guyer/Oberhofer, Fiktion Kongo (Anm. 9), S. 30-51, hier S. 30-38.

40 Anders lagen Himmelhebers Interessen in den USA. In fast täglichen Briefen an seine Frau Ulrike und an seine Kinder beschrieb er nicht nur den Alltag an der Universität, sondern gab auch seine Eindrücke des gesellschaftlichen Wandels wieder, insbesondere von der Emanzipation der schwarzen Bevölkerung, und bemerkte einen großen Fortschritt in der Zeit zwischen seinen beiden Gastprofessuren 1966 und 1969.

41 Obou Gbais zu seinem Maskenkostüm für die Ausstellung »Look Closer« im Museum Rietberg, 8.8.2023, URL: <https://www.youtube.com/watch?v=aka8jY1zsac&t=152s>.

42 Susan M. Pearce, Museums, Objects and Collections. A Cultural Study, Leicester 1992; Knut Ebeling, Die Lücken der Archive. Dekoloniale Neueingänge in die Archivtheorie, in: Kunstforum International 280 (2022), S. 54-59.

43 Ein Beispiel ist die Tagung »Archive der Umwelt. Naturwissenschaft und Geschichte« 2018 in Bern; siehe dazu den Bericht von Ariane Tanner: <https://doi.org/10.13098/infoclio.ch-tb-0166>; sowie »Das ganze Leben. Ein Archiv-Projekt«, Haus der Kulturen der Welt Berlin, 2018–2022: <https://archiv.hkw.de/de/programm/projekte/2018/das_ganze_leben_ein_archivprojekt/start.php>.

44 B.M. Watson, Please Stop Calling Things Archives. An Archivists Plea, in: Perspectives on History, 22.1.2021. Siehe hingegen Philipp Messner, Das Archivische – Konfigurationen zwischen Kunstdiskurs, Geschichtswissenschaft und Verwaltungspraxis, in: Gilbert Coutaz/Gaby Knoch-Mund/Ulrich Reimer (Hg.), Informationswissenschaft: Theorie, Methode und Praxis, Baden 2014, S. 283-303.

45 Carolyn Hamilton/Pippa Skotnes (Hg.), Uncertain Curature. In and Out of the Archive, Cape Town 2014.

46 Film von Hans Himmelheber über Biniate Kambre bei der Herstellung der Bateba-Figur, Tiamne, Lobi-Region, Côte dʼIvoire, 1965, URL: <https://africa-art-archive.ch/objekt-bild-text/filme>.

47 Hans Himmelheber, Figuren und Schnitztechnik bei den Lobi, Elfenbeinküste, in: Tribus 15 (1966), S. 63-87, hier S. 77f.

48 Anja Soldat, Von Assabonou nach Zürich und zurück: Eine Kiste, verschiedene Bedeutungen, in: Africa Art Archive, Multiple Readings, 17.3.2023.

49 Dies., In Fotografien verstecken sich viele Geschichten. Chancen und Gefahren beim Aufarbeiten eines ethnologischen Fotonachlasses, in: Augsburger Volkskundliche Nachrichten 21 (2015) H. 2, S. 28-50.

50 Daniela Müller, Women Researchers and Women’s Art in the Himmelheber Archive, Präsentation bei der Tagung »Reworking the Archive«, 2023.

51 Siehe besonders ihr Buch: Ulrike Himmelheber, Schwarze Schwester. Von Mensch zu Mensch in Afrika, Bremen 1957.

52 Hans Himmelheber/Wowoa Tame-Tabmen, Wunkirle, die gastlichste Frau. Eine Würdenträgerin bei den Dan und den Guéré (Liberia und Elfenbeinküste), in: Basler Beiträge zur Geographie und Ethnologie. Ethnologische Reihe, Bd. II: Festschrift Alfred Bühler, hg. von Carl A. Schmitz und Robert Wildhaber, Basel 1965, S. 171-181.

53 Das Museum Rietberg unterstützt seit 2014 die Fondation Koble. Eine Dokumentation von Hans Himmelhebers Forschungen zwischen den 1930er- und 1970er-Jahren zum künstlerischen Schaffen der Dan und Guro soll der Stiftung in Form eines Fotoarchivs zur Verfügung gestellt werden. Ein Publikationsprojekt übersetzt die Monographien und Künstlerbiographien von Hans und Ulrike Himmelheber ins Französische.

55 Michaela Oberhofer, Reimagining the Hans Himmelheber Archive of African Art, in: Tribal Art Magazine 109 (2023), S. 76-83.

56 Stefanie Diekmann/Esther Ruelfs, Artist meets Archive. Editorial, in: Fotogeschichte 167 (2023), S. 3-6. Zur künstlerischen Forschung: Christina Landbrecht, Künstlerische Forschung. Potenziale, Probleme, Perspektiven, Göttingen 2024.

57 Siehe dazu auch Nanina Guyer, Vorwärts in die Vergangenheit. Künstlerische Forschung und Mitautorenschaft in Hans Himmelhebers Fotografien aus dem Kongo 1938/39, in: Fotogeschichte 162 (2021), S. 13-21.

58 Dies., Michèle Magema – Pfade für die Erinnerung und Linien zur Wiedergutmachung, in: Africa Art Archive, Multiple Readings, 17.3.2023; Lesley Nicole Braun, The Moving Parts in Michèle Magemaʼs Body of Work, in: African Arts 53 (2020) H. 3, S. 22-29.

59 Diekmann/Ruelfs, Artist meets Archive. Editorial (Anm. 56), S. 3.

60 Das Werk ist inzwischen Teil der Sammlung im Museum Rietberg und wird dort permanent als Auftakt zur Afrika-Dauerausstellung gezeigt.

61 Michèle Magema, Rappelle-moi de ne pas oublier nos Territoires rêvés, in: Multitudes 81 (2020), S. 74-83, hier S. 79.

62 Siehe auch die begleitende Forschung der Historikerin Maguy Watunia, Sur les traces de Hans Himmelheber: le regard dʼune historienne congolaise, in: Reworking the Archives, Himmelheber Working Papers, 11, 2024.

63 Nanina Guyer, David Shongo. »Like Congo, I am Fiction and Future«, in: Africa Art Archive, Multiple Readings, 17.3.2023; David Shongo, Blackout Poetry, Idea’s Genealogy, in: Guyer/Oberhofer, Fiktion Kongo (Anm. 9), S. 104-111.

64 »Zwischen den Zeilen, gegen den Strich«. Ein Interview mit Carlo Ginzburg (Gudrun Gersmann), in: zeitenblicke 1 (2002) H. 1. Ann Laura Stoler plädiert dafür, koloniale Archive zunächst einmal »mit dem Strich« zu lesen, also ihre Logik nachzuvollziehen: Ann Laura Stoler, Along the Archival Grain. Epistemic Anxieties and Colonial Common Sense, Princeton 2009.

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