Abstract

Sören Eden

Ernst Fraenkels Buch »Der Doppelstaat«, 1941 in den USA erschienen und erst 1974 auf Deutsch publiziert, weist trotz seiner zentralen Stellung in der Forschung zur NS-Herrschaft eine lückenhafte Rezeptionsgeschichte auf. Der Aufsatz plädiert dafür, das Werk als Rechtsgeschichte zu verstehen. Am Beispiel des Arbeitsrechts wird aus einer praxeologischen, Fraenkel folgenden Perspektive deutlich gemacht, wie und warum sich die Grenzen zwischen Normen- und Maßnahmenstaat verschoben. Diese Kategorien bezeichnen nicht etwa den Gegensatz zwischen Staat und Partei; vielmehr ist genauer nach dynamischen Grenzüberschreitungen und Rechtsaneignungen zu fragen. Dargelegt wird, wie das privatrechtliche Gepräge des Arbeitsrechts staatlich durchdrungen wurde, sodass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Subjekten zu Objekten des Rechts der Arbeit wandelten. Möglich wurde dies nur durch das maßnahmenstaatliche Handeln sämtlicher Instanzen aus Verwaltung, Justiz und Polizei. »Treuhänder der Arbeit« und Gestapo dehnten das System der »Arbeitserziehungslager« immer weiter aus. Das Recht verlor sukzessive seine herrschaftsbeschränkende Funktion und geriet zu einem Herrschaftsmittel. Nicht mehr die Gerichte kontrollierten die Verwaltung, sondern die Behörden lenkten die Gerichts- und Rechtspraktiken.

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Fraenkel’s Dual State – A History of Law. Labour Law and Politics during the Nazi Dictatorship

Despite its central relevance for our understanding of the Nazi regime, Ernst Fraenkel’s book The Dual State, first published in the United States in 1941 and (re)translated into German in 1974, has received unequal attention from various historical angles. The article argues that Fraenkel’s work should be understood as a history of law. With a focus on labour law and using a praxeological approach that follows Fraenkel’s perspective, it illustrates how and why the boundaries between the normative state and the prerogative state shifted. However, we should not regard Fraenkel’s categories as describing a strict opposition between state and party; rather, we must investigate more thoroughly the dynamics and appropriations beyond these boundaries. The article shows how the state penetrated the private realm of labour law, thereby transforming employers and employees from subjects to objects of labour law. This was only possible because all entities – including administrative, judicial and police authorities – acted together. ›Trustees of Labour‹ and the Gestapo continued to expand the system of ›corrective labour camps‹. As a consequence, the law gradually ceased to limit those in power and became instead an instrument of domination. In the end, the courts no longer controlled the administration; it was now the authorities that controlled the judicial and legal practices.

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