Viele Übersichtsdarstellungen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts stützen sich auf das »konsumistische Narrativ«: die These, dass die Arbeitsgesellschaft der ersten durch die Konsumgesellschaft der zweiten Jahrhunderthälfte abgelöst worden sei. Betrachtet man dagegen die im Aufsatz besprochenen jüngeren arbeits- und konsumgeschichtlichen Studien, wird erstens deutlich, dass die Etablierung arbeitsgesellschaftlicher Phänomene im Laufe des 20. Jahrhunderts nur langsam erfolgte. Zweitens gewannen konsumgesellschaftliche Strukturen und Angebote nicht erst seit dem »Wirtschaftswunder« der Zeit nach 1945 an Bedeutung, sondern bereits in der ersten Jahrhunderthälfte. Konsum- und arbeitsgesellschaftliche Aspekte, so die These, etablierten sich im deutschsprachigen Raum nahezu parallel. Erstere ersetzten letztere nicht – vielmehr ergänzten sie sich. Vor diesem Hintergrund wird abschließend nach Ansätzen gefragt, die über das konsumistische Narrativ hinausführen.
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From Work Society to Consumer Society? Critique of a Leitmotif of German-Language Contemporary Historiography
Quite a number of accounts of the history of the twentieth century are based on the ›consumerist narrative‹: They claim that the work society of the first half of the century was replaced by the consumer society of the second half. However, the current scholarship in labour and consumption historiography discussed in this article makes it clear that, on the one hand, aspects of a work society only emerged slowly over the course of the twentieth century. On the other hand, consumerist phenomena became important well before the post-WWII ›economic miracle‹. They therefore complemented work society rather than replacing it. Against this background the author asks, in the final section, how contemporary historiography might overcome the pitfalls of the consumerist narrative.