NS-Forschung und Genozidforschung

Anmerkungen

Noch immer liegen NS- und Genozidforschung weit auseinander – und sind zugleich doch eng miteinander verbunden. Denn zum einen bildet der Holocaust für die Genozidforschung bis heute die Matrix der unterschiedlichsten Typologieversuche. Zum anderen gründet die These von der Singularität des Holocaust notwendig, obgleich meist nur implizit auf dem Vergleich mit anderen Massenmorden. Dennoch arbeiten beide Disziplinen bis heute vielfach nebeneinander her. NS-Forscher ignorieren die Forschungsergebnisse zu den übrigen Völkermorden im 20. Jahrhundert weitgehend und perpetuieren damit die Singularitätsthese durch den eigenen eingeengten, überwiegend nationalgeschichtlich-deutschen Horizont. Die zahlreichen Bücher zu Genoziden basieren hingegen oft auf einem Kenntnisstand des Holocaust, der aus den 1970er-Jahren stammt, und beziehen sich damit sich auf eine gänzlich veraltete Matrix, die wiederum die eigenen Schlussfolgerungen verzerrt.

Gerade weil die NS-Forschung inzwischen weit stärker als früher den Prozesscharakter des Holocaust untersucht, die komplexen Spannungsverhältnisse zwischen Zentrum und Peripherie, Struktur und Situation, Akteur und Institution, Intention und Funktion zu analysieren versucht, wäre die gegenseitige Kenntnisnahme und Aneignung der jeweiligen Forschungsansätze dringend geboten, damit sich beide Disziplinen aus ihren konzeptionellen Erstarrungen lösen können.

Um diese wechselseitigen Misswahrnehmungen und Fehlannahmen eingehender zu beleuchten und Anschlussmöglichkeiten sowie potenzielle Perspektiven auszuloten, haben wir fünf namhafte Forscher/innen befragt, die allesamt wichtige empirische Studien zur Massengewalt im 20. Jahrhundert vorgelegt und über ihr engeres Fachgebiet hinaus explizit den Blick für Vergleiche geöffnet haben: Jörg Baberowski, Mihran Dabag, Christian Gerlach, Birthe Kundrus und Eric D. Weitz. Bei den Antworten werden durchaus unterschiedliche Positionen und Gewichtungen deutlich, und es ist zu hoffen, dass die Diskussion fortgeführt wird.

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1. Ist es sinnvoll und notwendig, die NS-Forschung durch Impulse der Genozidforschung zu ergänzen – oder die NS-Forschung sogar der Genozidforschung als allgemeinerem Paradigma unterzuordnen? Inwieweit haben bisherige Arbeiten der Genozidforschung das Wissen über die NS-Zeit erweitert oder verändert? Besteht durch den vergleichenden Blick die Gefahr einer Relativierung des Nationalsozialismus?

Jörg Baberowski: Die Forschung über die Geschichte des Nationalsozialismus war lange Zeit eine Geschichte der Deutschen und ihrer Opfer. Sie hatte kaum etwas über die europäische und die imperiale Dimension der nationalsozialistischen Vernichtungspraktiken zu sagen, weil nur wenige Historiker, die sich mit dem Nationalsozialismus befassten, das Interesse und die Sprachkenntnisse hatten, um ihre deutschen Geschichten in einen größeren Kontext zu stellen. Holocaust-Forschung war Deutschland-Forschung. Und als solche diente sie zugleich der politischen Pädagogik in der alten Bundesrepublik. Es waren aber nicht nur moralische und politische Fragen, sondern es war auch der enge Horizont der deutschen Historiker, der die Rede von der Einzigartigkeit des Holocaust begründete. Die Genozidforschung hat diesen Horizont erweitert, weil sich ihre Fragen nur durch den Vergleich unterschiedlicher Kontexte beantworten ließen. Denn wer wissen will, ob ein Verbrechen ein Genozid ist, muss das Verbrechen mit solchen vergleichen, die bereits als Genozid definiert wurden. Man konnte erfahren, dass staatlich organisierte Gewaltverbrechen und Vernichtungsexzesse auch andernorts auf der Welt geschehen waren und immer noch geschehen. Im Vergleich erweist sich erst die Bedeutung historischer Umstände, kultureller Prägungen und externer Zwänge, die das Denkbare zum Machbaren werden lassen. Im Angesicht des stalinistischen Massenterrors, der systematischen Tötung von Menschen nach Quoten im Kambodscha des Pol Pot und der Massaker in Ruanda wird niemand noch behaupten können, solche Gewalt sei nur von den deutschen Nationalsozialisten erzeugt worden. Man wird allenfalls sagen können, dass man nunmehr verstanden hat, was das Besondere des nationalsozialistischen Kontextes gewesen ist.

Aber es sind natürlich nicht nur die Anregungen der Genozidforschung, die die Historiker auf andere Gedanken bringen. Deutschland ist Teil einer größeren Welt geworden, und seine intellektuellen Eliten haben sich mit den Geschichten ihrer östlichen Nachbarn auseinandersetzen müssen, die nach 1989 ins Gesichtsfeld gerückt sind, sowie mit den Geschichten der Einwanderer, die in ihrem Land leben. Dabei hat sich gezeigt, dass die Welt und die in ihr erzählten Geschichten in der einen Geschichte nicht aufgehen. Produktive Verunsicherung – so könnte man dieses Geschehen nennen.

Wer vergleicht, relativiert. Vergleichen heißt, eine Sache im Lichte des Verglichenen zu sehen. Man bringt die verglichenen Gegenstände in eine Relation, wenn man vergleicht. So gesehen wird der Nationalsozialismus durch Vergleiche relativiert. Wie könnte es auch anders sein? Die Rede von der Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit des Nationalsozialismus ist Unfug. Wer vergleicht, setzt nicht gleich, sondern hebt das Besondere einer Sache heraus, die nur durch Kontrastierung überhaupt kenntlich wird. Wenn man die Herrschaftspraxis des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1938 mit dem Regierungssystem des britischen Parlamentarismus jener Zeit vergleicht, dann werden die Willkür und die Gewalt sichtbar, die die Nationalsozialisten in die Herrschaftspraxis einführten. Im Lichte des stalinistischen Terrors der 1930er-Jahre aber werden möglicherweise die bürgerlichen Sicherungen in den Vordergrund rücken, die es trotz allem in Deutschland immer noch gab. Sobald die Kriegsjahre ins Blickfeld geraten, verändert sich dieses Bild natürlich. Was der Nationalsozialismus jeweils war, das erfährt man nur, wenn man ihn mit anderen Formen der Herrschaftspraxis vergleicht. Und das ist es, was Historiker jetzt tun müssen, damit die Geschichte des Nationalsozialismus werden kann, was sie in Deutschland bisher nicht gewesen ist: eine Geschichte, die die Handlungen von Menschen in ihren verschiedenen Ermöglichungskontexten aus unterschiedlichen Perspektiven zu verstehen versucht.

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Mihran Dabag: Eine Ergänzung und Bereicherung der NS-Forschung durch Impulse der Genozidforschung ist sicherlich sinnvoll – etwa eine Erweiterung der Forschungen zur nationalsozialistischen Vernichtungspolitik mittels ihrer Einbindung in Untersuchungen zu Identitätspolitiken in der Moderne, die mit Visionen von Bevölkerungshomogenisierungen und Prozessen kollektiver Gewalt einhergehen. In dieser Hinsicht hat die NS-Forschung in jüngerer Zeit auch bereits von der Genozidforschung profitiert. Anders als die in der Tendenz reduktionistischen Totalitarismustheorien, die letztlich auf eine Engführung von Genozidpolitik und spezifischen Ausformungen autoritärer Staatlichkeit hinauslaufen, versucht die Genozidforschung gerade der Multi-kausalität gewaltförmiger Entwicklungen Rechnung zu tragen und Strukturmerkmale gewaltbereiter Gesellschaften zu typisieren.

Der vergleichende Zugriff bedeutet dabei keineswegs eine Relativierung des Nationalsozialismus, sondern dient seiner Einordnung in breitere historische und gesellschaftliche Kontexte. Relativierungstendenzen bestehen erst dann, wenn Einmaligkeit und Einzigartigkeit gegeneinander ausgespielt werden: Einmalig sind im Grunde alle historischen Ereignisse; sie wiederholen sich nicht in identischer Art und Weise. Einzigartig kann ein Ereignis nur im Vergleich mit anderen Ereignissen sein. Einzigartigkeit kann ein Ereignis aber auch nur im Hinblick auf bestimmte Faktoren beanspruchen, denn wenn alle Merkmale einzigartig wären, ließen sie sich nicht wissenschaftlich untersuchen – woher sollten sich dann die Maßstäbe und Bewertungskriterien ableiten lassen? Das heißt zugleich, dass Einzigartigkeit, Individualität und allgemeine Züge eines Ereignisses nicht im Ereignis selbst begründet liegen. Ihre Feststellung ist das Ergebnis der Beschreibung, Analyse und Bewertung von (historischen) Fakten mit Hilfe von begrifflichen Konstruktionen (beispielsweise dem Begriff „Genozid“).

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Christian Gerlach: Bis vor zehn oder fünfzehn Jahren sahen sich deutsche Forscher, wenn sie sich mit der Massenvernichtung in anderen Ländern beschäftigten, oft dem Vorwurf ausgesetzt, sie wollten NS-Verbrechen relativieren. Das hat sich aus vielfältigen Gründen allmählich geändert.

Geschichte dient in erster Linie dazu, nationale (und örtliche) Identität zu schaffen. Eine Hauptfunktion der westdeutschen NS-Forschung war es, das politische System und die gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu legitimieren. Da es eine Grundlage des Selbstverständnisses der hiesigen politischen Eliten und des Bildungsbürgertums ist, sich vom letztlich wenig erfolgreichen NS-System und nationalsozialistischen Anschauungen abzuheben, wird auch weiter Gewicht auf die NS-Forschung gelegt werden, um diese Unterschiede immer wieder herauszuarbeiten.

Nationale Identität wird heute aber auch in der Auseinandersetzung mit globalen Entwicklungen produziert. Deutschland ist ein mittelgroßes Land, dessen Führungsschichten es durch eine multilaterale Außenpolitik, die europäische Einbindung und die hochgradige Integration seiner Industrie in die Weltwirtschaft definieren.

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Wir leben im Zeitalter eines neuen Kolonialismus. In etlichen Weltregionen, von Bosnien bis Afghanistan und von Haiti bis zu den Salomonen-Inseln, sind humanitäre Protektorate entstanden – angeblich humanitäre. Hier oder in Irak, Kosovo, Osttimor und Somalia verstetigen sich ausländische Militär- oder Polizeipräsenz und/oder ausländische Verwaltungen, oder Einflussnahmen über die weitgehende Fremdfinanzierung des Haushalts, kombiniert mit juristischer Immunität für die Kolonialtruppen. Dies führt aber zu Dauerkrisen, nicht zuletzt da die auswärtige „Entwicklungspolitik“ die ökonomischen Probleme dieser Länder nicht löst, sondern Ungleichheit fördert und damit gesellschaftliche Spannungen fortschreibt.

Einige Völker können nicht selbst für ihre eigenen Angelegenheiten oder für Sicherheit sorgen, können keinen Frieden halten, oder sind einstweilen nicht in der Lage, Staaten zu bilden, die der rauen Konkurrenz zwischen den Nationen standhalten: Solche Argumente sind historisch wohlbekannt. Völkermord ist (neben Terrorismus) unter den Begründungen für diesen neuen Kolonialismus prominent vertreten. Im 19. Jahrhundert brachte der weiße Mann Zivilisation, im 21. bringt er Freiheit von Genozid. Dies ist nicht nur Sache der USA; auch Europäer und Australier errichten solche Kolonien. Deutschland ist Teil dieser Bewegung, und daher werden in den nächsten Jahren Forschungsgelder in die Genozidforschung fließen. Diese wird zunehmend öffentlich akzeptabel werden, und die NS-Forschung wird sich dieser neuen Konkurrenz stellen müssen, hierzulande und international. Da viele Entwicklungen während der Verfolgung der Juden so einzigartig nicht sind, wird sich das Bild des „Holocaust“ wandeln.

Solche Vorgänge unterliegen natürlich keiner restlosen Manipulation oder Kontrolle. Gleichzeitig wird die zunehmende Globalisierung Auswirkungen auf das historische Bewusstsein haben. Nach Arbeiten über Ruanda oder Kambodscha werden mit steigendem Interesse namentlich an Asien Werke über Massengewalt in China, Indien oder Pakistan entstehen und zur Modifizierung der stark von der Totalitarismustheorie geprägten Genozidforschung beitragen, ebenso wie die laufende Diskussion über koloniale „Genozide“. Die „Zentralität“ des „Holocaust“ wird dann in Frage stehen, quantitativ wie qualitativ. Diese Bewegung ist Teil des Trends zu World History oder Global History.

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So weit ist es aber noch lange nicht. „Holocaust“-Spezialisten und Genozidforscher (beides vorwiegend Europäer und Nordamerikaner) sind zwar im Allgemeinen keine Freunde, arbeiten jedoch mit sehr ähnlichen Erklärungsmustern. Eine bestimmte Interpretation der Vernichtung der Juden dient in der Genozidforschung als Prototyp, oder hat jedenfalls lange als solcher gedient (hierzu unten mehr).

Letztlich dürfte es auf wissenschaftlichem Gebiet wie auch in der so genannten Gedenkarbeit zu einer Art Fusion von Holocaust Studies und Genocide Studies kommen – zuerst international (Ansätze gibt es schon), dann aber auch in Deutschland. Doch hier wie in anderen Ländern werden Fälle von Massengewalt aus der eigenen Geschichte weiter einen Sonderstatus genießen, um kollektive Identität zu definieren oder abzuwandeln.

Birthe Kundrus: Die Forschung zu den nationalsozialistischen Massenverbrechen hat bemerkenswerte Ergebnisse vorgelegt. Wir wissen heute über keinen anderen Völkermord so viel wie über den Holocaust – und das trotz aller Bemühungen der Täter, Spuren zu verwischen, Dokumente zu zerstören. Zudem sind aus diesen Arbeiten Impulse für verschiedenste weitere methodische Zugriffe und Fragestellungen hervorgegangen, etwa zur Täterforschung. Insofern und eingedenk der Vorgeschichte der UN-Konvention gegen Völkermord und der ihr folgenden Wissenschaftsdisziplin der vergleichenden Völkermordforschung gilt es festzuhalten, dass zunächst die NS-Forschung die Genozidforschung angeregt hat. Dass diese beispielgebende Funktion auch viele Fallstricke barg und birgt, ist ein anderes Problem.

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Mittlerweile aber ist die NS-Forschung – oder eben genauer: die Forschung zu den nationalsozialistischen Massenverbrechen – an einen Punkt gekommen, an dem sie sich aus der engen Umklammerung einer wie auch immer definierten Nationalhistoriographie lösen sollte. Das heißt nicht, dass die Historisierung des Nationalsozialismus im Rahmen der deutschen Geschichte realisiert worden oder gar obsolet geworden wäre – im Gegenteil. Aber auch für den deutschen Fall ist es erkenntnisbringend, sich methodisch zu öffnen und die Genese, die Chronologien, die Dynamiken, die Ausmaße der Shoah mit anderen Schauplätzen massenhafter Gewalt zu vergleichen. Die Fragen: „Wie konnten Massenmorde geschehen?“ und „Warum geschahen diese unter deutscher Verantwortung?“ sind nicht zu trennen. Zudem: Die Frage, welchen Ort der Holocaust in den Verbrechen des 20. Jahrhunderts einnimmt, wird mit dem Fortschreiten der Zeit und neuen, jüngeren Generationen immer drängender werden. Schließlich: Vielleicht würden derartige komparative Ansätze auch bestimmten Schwächen der neueren NS-Forschung entgegenwirken. Nicht wenige Spezialstudien zum Holocaust oder zur Besatzungspolitik der letzten Jahre zeichnen sich durch eine akribische Detailfreudigkeit aus, die für einen größeren Kreis an Leserinnen und Lesern, auch und gerade an Studierenden, nicht immer nachvollziehbar ist, während gleichzeitig die „großen“ Fragen unbeantwortet bleiben.

Mein Plädoyer für eine größere Aufgeschlossenheit bedeutet aber keineswegs, die NS-Forschung „der Genozidforschung als allgemeinerem Paradigma unterzuordnen“. Dazu weist die vergleichende Völkermordforschung (noch?) zu viele konzeptionelle wie methodische Unvollkommenheiten auf. Dieser Befund erschwert es, den dritten Teil der Frage zu beantworten. Es gibt vermutlich kaum eine Fallstudie in der vergleichenden Genozidforschung, die sich nicht – und sei es nur punktuell – mit der Forschung zum Holocaust auseinandergesetzt hat. Damit ist zugleich aber auch ihr Manko beschrieben: Die Analysen hierfür sind in der Regel aus der Literatur übernommen; kaum einmal wird empirische Forschung betrieben. Umgekehrt muss man einräumen, dass nur wenige NS-Gewaltforscher sich für komparative Ansätze interessieren.

Die Gefahr einer Relativierung kann ich nicht erkennen. Kein Mord wird dadurch minimiert, dass es auch andere Morde und Mörder gibt. Außerdem ist in der Geschichtswissenschaft das Problem der Singularität immer ein relationales, nämlich als Verhältnis zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen. Die Shoah war ein singuläres Ereignis, der Völkermord in Ruanda auch. Gleichzeitig sind beides Ereignisse massenhafter entgrenzter Gewalt. Erklären müssen wir, wie sich in diesen Fällen das Anknüpfen an Traditionen mit der Genese von Neuem verband, worin das jeweils Neue der beiden Genozide bestand, ob es Faktoren gab, die die Gewaltverläufe in beiden Fällen beschleunigten (oder verlangsamten) oder ob beide Ereignisse zwar Hunderttausende bzw. Millionen Tote hinterließen, aber sonst nichts miteinander gemein hatten. Dieser letztgenannte Aspekt, dass es bei Vergleichen im Sinne einer Ergebnisoffenheit nicht nur um Ähnlichkeiten, sondern auch um Unterschiede geht, ist eine Möglichkeit, die die Genozidforschung in ihrem Bemühen, einen gemeinsamen, disziplinlegitimierenden Gegenstand zu definieren, zu schnell über Bord geworfen hat. Auch wenn es nicht einfach war und ist, sich mit einem komparativen Ansatz gegen die Phalanx der Holocaust Studies zu behaupten, scheint mir der eingeschlagene Weg, sich – bei allem internen Dissens über dessen Struktur und Regelmäßigkeiten – auf einen Typus „Genozid“ zu verständigen, heuristisch unbefriedigend. Selbst Michael Mann hat in seiner Studie eingestanden, dass der Holocaust „had to many peculiarities to fit easily into any general model“.1 Dan Diner hat die Tendenz zur Universalisierung jüngst auf den zutreffenden Begriff einer „Entzeitlichung“ bzw. „Entgeschichtlichung von Auschwitz“ gebracht.2 Dem ist hinzuzufügen, dass hier nicht nur Auschwitz entzeitlicht wird, sondern unter der Hand auch die anderen Vorgänge massenhafter Gewalt auf ein Metanarrativ der Gemeinsamkeit verpflichtet werden.

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Eric D. Weitz: Probably no other historical topics have been as intensively researched and written about as National Socialism and the Holocaust. In the West they have come to be understood as world-shattering events whose significance goes to the very core of what it means to be human and how people live together – or do not – in society. The metaphysical, and not only historical and political, meanings attached to National Socialism and the Holocaust have inspired deep, unending interest since the Nazi surrender on 8 May 1945 (and even before). On a rather more practical level, a vast archival trove has been open to historians since the late 1940s. No thirty-year-rule has applied to the documents seized by the United States and Britain in 1945 and which first entered into public knowledge at the International Military Tribunal at Nuremberg. Since 1989/90, archives held in the former Soviet Union and Soviet bloc countries have also become available to scholars, if somewhat more fitfully, and finally, the last cache of documents, those of the International Tracing Service, are now also becoming open.3

Nothing comparable exists for any other genocide or genocidal regime. None other has acquired the metaphysical stature of the Third Reich and the Holocaust, though one can and should ask why this is the case. To be sure, no other genocidal regime has had quite the territorial aims and seemingly limitless ambitions of Nazi Germany. But the intentional annihilation of almost the entire Herero population, of probably 1.2 million Armenians, of around 800,000 people classified as Tutsis, to name just a few, should kindle the same humanitarian revulsion, the same historical, political, and philosophical considerations of the human capacity for violence as the Holocaust has engendered.

To return to the more mundane: The archival record on other genocides is far less complete in comparison with what we have on the Holocaust. Only recently have the Ottoman archives become largely available to researchers. But how many scholars know Armenian (vital for the Dashnak archives held in Massachusetts and the archives of the Jerusalem Patriarchate of the Armenian Church) as well as Ottoman and modern Turkish? The Cambodian Genocide Program at Yale University and the Documentation Center of Cambodia in Phnom Penh have done incredible work collecting materials on the Cambo-dian Genocide, but only a literal handful of western-trained scholars read Khmer.4 Even fewer understand Kinyarwanda. And who can get at state documents in regard to the ongoing humanitarian crises in Sudan and Congo?

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The result has been that for our understanding of genocides in general, the model of National Socialism and the Holocaust has been predominant – with very mixed effects, to say the least. On the positive side, the sheer volume of what we know about the Third Reich and the sophisticated interpretive models that have developed have set a very high bar for scholarly research on other cases of genocide. Historians working on other global areas can only look with envy at the depth of publication and discussion, the extensive international networks, and the major institutional support for research that exist in regard to the Holocaust. But National Socialism and the Holocaust are ‘non-paradigmatic’ cases, as scholars like Elazar Barkan and Helen Fein have argued. The drive to make every other genocide look like the Holocaust, a drive present especially among diverse ethnic communities but which also sometimes appears in scholarly works, has done more to impede than advance understanding. The Holocaust is one specific case among a number that can be classified as genocides. It had its specific characteristics, but so has had every other genocide, and the comparative method allows one to identify both commonalities and specificities, thereby enhancing insights on individual cases and general patterns.

From the research on National Socialism and the Holocaust, scholars of other genocides have derived a number of critical points:

the centrality of war to the unfolding of genocides;
the critical importance of dehumanising rhetoric and policies toward target populations;
the significance of para-state agencies in carrying out the killings, and
the extensive complicity of dominant populations, at least in modern genocides.

The Armenian genocide, for example, was clearly a product of World War I, as the Holocaust was of World War II. However great were the discriminatory measures and violent pogroms directed against Armenians and Jews, respectively, only in the context of total war did the Young Turk and National Socialist regimes venture to carry out the systematic annihilation of the targeted populations. Paramilitary forces – the Tekilâti Mahsusa under the Young Turks, SS under the Nazis, Interhawame under Hutu Power – were mostly responsible for the direct killings. Yet in these and other instances, they operated with widespread popular support – from the local residents who moved into the homes and farms or seized the furniture of deported Armenians, Jews, or Bosnian Muslims or identified them for the killers.5

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But in the Rwanda case and in many other events of human rights abuses, including those carried out by communist regimes, the NS model is not particularly helpful in deciphering the origins and implementation of the genocide. The perpetrator/victim divide is not so clear-cut as during the Third Reich; human rights atrocities are wound up with civil wars; and the liberators who put a stop to genocides are hardly pristine, shining knights (if they ever are). The invasion of Rwanda in 1990 by Tutsi refugees organised into the Rwandan Patriotic Front (RPF) set off a civil war that then led, in 1994, to the coup by Hutu Power and the one hundred days of genocide. The victory of the RPF then put an end to the genocide – and led to the expansion of the war into neighbouring countries and a series of large-scale abuses carried out by RPF forces that constitute, at the very least, war crimes and crimes against humanity and probably also genocide. In these kinds of cases, it becomes even more important to decentre the Holocaust, to see it as one case among a variety of large-scale atrocities committed by modern regimes. We can identify some general common patterns, but should be very cautious in applying wholesale our understanding of the genocidal impulses of the Third Reich to other cases.

This also means that there is something to be gained for our understanding of National Socialism from a wider perspective. Researchers on National Socialism and the Holocaust have been notably averse to even contemplating this possibility. The entire institutional infrastructure of research, education, and memory runs against the adoption of a wider perspective. Implicitly and explicitly, the model of NS and Holocaust uniqueness prevails despite all the research advances over the last ten or fifteen years. But a global perspective suggests that the Holocaust was not unique, that it was one manifestation of the emergence of race and nation as the central categories of understanding human difference in the modern world.

None of this in any way suggests the relativisation of the Holocaust. Nearly twenty-five years have elapsed since the so-called Historians’ Dispute or Historikerstreit. The tendency to diminish the horrors of the Holocaust will always have to be fought on the political level and even in the world of scholarship. But it would be an utter travesty if we allowed Ernst Nolte to shape our scholarly agendas. Just because the first attempt at comparison in Germany was completely mendacious does not mean that we should lower our sights and only fearfully tread beyond the Holocaust. The Holocaust uniqueness thesis is long over, even if there are some people and many institutions that have not yet realised that this is the case. ‘Uniqueness’ is either a theological claim, which leaves little room for the research methods of the historian, or it is a mundane point, since every event is unique in time and place. Instead, there is far more to be gained by a global vision that recognises that not only Jews but other peoples have been victimised by states or settlers who denied their very right to exist in this world.

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2. Wo liegen die Leistungen und Grenzen des Genozid-Begriffs (für wissenschaftliche Zwecke)? Welche außerwissenschaftlichen Implikationen besitzt er? Welche alternativen Begriffe und Konzepte gibt es?

Jörg Baberowski: Der Genozid-Begriff ist ein politischer Begriff, mit dessen Hilfe Verbrechen klassifiziert, bekämpft und bestraft werden können. Juristen benötigen ihn, um feststellen zu können, ob ein Verbrechen vorliegt, das völkerrechtlichen Normen widerspricht und deshalb moralisch verurteilt oder gerichtlich bestraft werden kann. Damit eine solche Klassifizierung gelingt, kommt es darauf an, die Täter und ihre Absichten genau zu beschreiben und zu fixieren und die Opfergruppen klar zu benennen. Denn ohne überführte Täter kann es keine Anklage und keine Strafe geben. Im politischen Raum wird der Genozid-Begriff auch als Instrument in der Auseinandersetzung zwischen Staaten und Vertretern ethnischer Gruppen eingesetzt, weil Politiker als Sachwalter von Opfernationen moralische Vorteile erstreiten und ihre Gegner diskreditieren können. In solchen Auseinandersetzungen werden nicht nur gegenwärtige, sondern bisweilen auch weit zurückliegende Gewaltexzesse als Genozide bewertet und für die politische Kontroverse instrumentalisiert. Der Streit zwischen der Türkei und Armenien über die Frage, ob die Massaker des Jahres 1915 als Genozid zu bewerten seien und ob die türkische Regierung sich deshalb öffentlich schuldig bekennen müsse, ist nur das prominenteste Beispiel für den politischen Gebrauch des Genozidbegriffs.

Daran aber sind Historiker überhaupt nicht interessiert. Sie wollen nicht wissen, ob ein vergangenes Geschehen als Genozid zu klassifizieren ist; sie wollen auch keine Richter der Toten sein. Sie wollen vielmehr verstehen, wie es zu der Gewalttat kam. Der Genozid-Begriff verstellt den Blick für die Möglichkeiten und die Gewaltdynamik, die sich aus Kontexten, Handlungszwängen und Mentalitäten ergeben können. Denn er unterscheidet nicht zwischen Massenmorden, Vernichtungsexzessen, Massakern und Pogromen, sondern nur zwischen Intentionen und zwischen Opfergruppen. So gesehen müssten die Deportation der Kulaken in der Sowjetunion, die Hungersnot in der Ukraine, die Judenvernichtung der Nationalsozialisten oder die Vertreibung indianischer Ureinwohner in den USA als Genozide klassifiziert werden, wenn festgestellt würde, dass in den genannten Fällen Menschen aufgrund ihrer ethnischen, religiösen oder sozialen Abkunft kollektiv stigmatisiert und eliminiert wurden. Aber was wäre mit einer solchen Klassifizierung gewonnen? Und was sollen wir mit ihrem Gegenteil anfangen – wenn etwa festgestellt würde, die Deportation der Kulaken sei kein Genozid gewesen? Gewaltexzesse sind ungeachtet ihrer Intentionen verschieden. Und manchmal ähneln sie einander in ihrem Verlauf und ihren Folgen, wenngleich ihre Verursachungen verschieden sind. Es hängt von den Kontexten ab, welche Absichten und Möglichkeiten zur Entfaltung kommen können: von der Beschaffenheit der Gewalträume, den kulturellen Mustern der Gewaltpraxis, der Mentalität der Täter und den Kommunikationsstrategien. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Vernichtung der europäischen Juden ein Genozid war. Aber die nationalsozialistische Vernichtungspraxis war mehr als nur die absichtliche und planvoll herbeigeführte Ermordung von Juden. Sie war ein Verfahren zur Enthemmung von Tätern, sie öffnete die Schleusen für die Ermordung von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Geisteskranken, und sie verwandelte den Staatenkrieg in einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Anders gesagt: Gewaltexzesse geschehen, sie haben eine Dynamik und verändern sich. Der Begriff des Genozids ist jedoch statisch; er kennt nur klar benennbare Täter und Opfer, blendet Kontexte und Veränderungen aus und verstellt deshalb die Sicht auf das eigentliche Gewaltgeschehen. Dieses Geschehen aber wollen Historiker vergleichend verstehen. Dafür benötigen sie eine Typologie von Gewaltformen. Einen Genozid-Begriff brauchen sie nicht.

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Mihran Dabag: Die Tauglichkeit des Begriffs „Genozid“ ist neuerdings besonders im Kontext historischer Forschung problematisiert worden. Dabei werden zwei ineinander verschränkte Argumentationskomplexe vorgebracht:

Der Begriff Genozid sei eine in völkerrechtlichen Kontexten entstandene Kategorie. Die Überführung dieser normativen juristischen Kategorie in die historische Analyse verstelle den Blick auf die Dynamiken und die Kontingenz von Ereignisverläufen, weil er das historische Urteil auf die Letztentscheidung „Genozid ja oder nein“ reduziere.
Der Begriff „Genozid“ sei politisch aufgeladen, da er die besondere Schwere einer Tat festschreibe als das „Verbrechen der Verbrechen“. In der Konsequenz drohe auch die wissenschaftliche Verwendung des Genozidbegriffs in ein Ranking von Gewalterfahrungen zu führen, in eine Hierarchisierung von Leid. Darüber hinaus sei „Genozid“ zu einem „Kampfbegriff“ geworden, der letztlich für Interessenpolitiken der Opfergemeinschaften missbraucht werde. Diese doppelte Politisierung des Begriffs erschwere die historische Analyse.

Daher ist wiederholt angemahnt worden, den Begriff „Genozid“ als wissenschaftliche Kategorie aufzugeben und durch neutrale Begrifflichkeiten zu ersetzen.6 Alternativ wurden Begriffe wie „Massenmord“, „Massentötungen“ oder „Massaker“ vorgeschlagen.

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In solchen Argumentationen wird jedoch übersehen, dass der Begriff „Genozid“ zwar in rechtlichen Zusammenhängen entstanden ist, es sich jedoch nicht um einen juristisch-normativen Begriff im engeren Sinne handelt. Geprägt wurde der Begriff – anders als beispielsweise die Kategorie „Kriegsverbrechen“, deren Verwendbarkeit in den Geschichtswissenschaften überraschenderweise unproblematisch zu sein scheint – zunächst ja nicht, um einen Straftatbestand des Völkerrechts zu definieren, sondern um eine bestimmte Form politischer Gewalt von anderen Formen politischer Gewalt unterscheiden, sie beschreiben und begrifflich fassen zu können.7 Die juristisch-normative Dimension des Begriffs ist erst sekundär an ihn herangetragen worden.

Nicht zuletzt aus diesem Grunde sollte man die Tragweite einer Argumentation erkennen, die davon ausgeht, dass eine Integration des Genozidbegriffs in die historische Forschung ihre Neutralität gefährde, weil er diese Forschung mit der Frage „Ja oder Nein“ belaste. Besteht nicht gerade hierin die Gefahr, an eine problematische, zudem von der wohl kaum an der historischen Wahrheit orientierten Position der politischen Leugnung aufgezwungene Diskussion anzuschließen und so die Ebenen der wissenschaftlichen Erörterung einerseits und des politischen Standorts andererseits zu verschieben? Vielleicht wird erst durch eine solche Argumentation der ursprünglich deskriptive Begriff „Genozid“ im wissenschaftlichen Kontext politisiert und so als etablierte und unverzichtbare Kategorie zur Beschreibung der Struktur eines bestimmten Geschehens kollektiver Gewalt depotenziert.

Die Einführung scheinbar neutraler Alternativbegriffe und Konzepte wie „Massenmord“ oder „Massaker“ bietet zudem keinen erkennbaren Vorzug. Im Gegenteil: Die Applizierung neuer, abstrakter und zudem weitgehend unkonturierter Kategorien auf das historische Material birgt, wenn alle möglichen Formen kollektiver Gewalt unter derselben Kategorie subsumiert werden, eher die Gefahr der Verschleierung und Entdifferenzierung.8 Um solchen Tendenzen entgegenzuwirken, sollte der Genozidbegriff weiter geschärft werden. Dabei wäre es gerade die Aufgabe der Forschung über kollektive Gewalt und Genozid, die charakteristischen Strukturen und Zielsetzungen unterschiedlicher Gewaltpolitiken wie Krieg, Bürgerkrieg, Vertreibung, Massaker, „ethnischer Säuberung“ und schließlich Genozid zu differenzieren – nicht um eine Hierarchisierung des Schreckens vorzunehmen, sondern um die unterschiedlichen Formen kollektiver Gewalt klarer zu typisieren. Genozid, Massaker, ethnische Gewalt, Krieg und Bürgerkrieg lassen sich typologisch unterscheiden über die jeweils ausübenden Tätergruppen und Institutionen, über die Mechanismen von Öffentlichkeit, die ideologischen Rahmungen, die Motivationen und Zielsetzungen der Täter sowie die Argumente der Legitimation.9 „Genozid“ ist somit nicht ein Begriff, der die besondere Schrecklichkeit einer Gewalt benennt oder gar „auszeichnet“. Daher besteht das Ziel der Genozidforschung auch nicht primär darin, Opferzahlen zu ermitteln und daraus Bewertungen abzuleiten.

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Christian Gerlach: „Genozid“ ist ein politischer Kampfbegriff, der der politischen Ächtung von Massengewalt, der Vorbeugung, Intervention und Bestrafung dient, aber leider weniger der Analyse. Zwischen den meisten Forschern herrscht seit Jahrzehnten Uneinigkeit, wie „Genozid“ eigentlich zu definieren sei. Soweit sie sich doch auf ein Merkmal einigen können, ist das die Grundbedingung intent. Diese Vernichtungsabsicht, die „Genozid“ konstituieren soll, wird staatlichen Organen zugeschrieben. Genozidforschung widmet sich also Staatsverbrechen – tendenziell im Bemühen, langfristige Planung nachzuweisen, was jüngeren Erkenntnissen über die Genese der physischen Vernichtung der Juden, Armenier, Kulaken, Indianer usw. widerspricht. Eine weitere Implikation dieser Staatsfixierung ist die aus der Holocaustforschung wohlbekannte Trennung von „Tätergeschichte“ und „Opfergeschichte“, die wieder mit der gesellschaftlichen Funktion dieser Forschung zu tun hat: der Suche nach kollektiver Identität.

Wörtlich bedeutet „Genozid“ „Mord an einem Volksstamm“, was mindestens zwei Probleme in sich birgt: Erstens suggeriert dies – ähnlich wie die „ethnischen Säuberungen“ – eine (Kern-)Ursache (ethnischen oder Rassenhass) und schränkt den Betrachtungsgegenstand ein. Zweitens wurde in Wirklichkeit meist gar nicht nur eine Gruppe verfolgt (zum Beispiel nicht in NS-Deutschland, dem Osmanischen Reich, der Sowjetunion, Kambodscha, Ruanda, Osttimor, Indonesien, Ostpakistan/Bangladesh usw.).

Daher bin ich der Ansicht, dass „Genozid“ kein objektiv feststellbarer Tatbestand ist, sondern lediglich einen bestimmten Ansatz darstellt, wie über massenhafte Gewalt an Nichtkombattanten wissenschaftlich nachgedacht wird. Dieser Ansatz konzentriert sich auf für „genozidale“ Handlungen anfällige Regimes, auf die Art und Weise, wie sie bürokratische Apparate für Gewalt aktivieren oder Untertanen mobilisieren (etwa durch Propaganda), wie sie eine bestimmte Gruppe ausgrenzen und ihr die Humanität absprechen bzw. sie zur Gefahr erklären. Es wird ein Kern-Motiv zu isolieren versucht, das zumeist in der „Ideologie“ eines solchen Regimes (Rassismus, Klassendenken, religiöser Fanatismus) gesehen wird. Das Gegenmittel liegt dann auf der Hand – das Regime zu stürzen bzw. ein unverdächtiges politisches System zu schaffen.

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Demgegenüber schlage ich einen anderen Ansatz vor.10 In den von mir betrachteten „extrem gewalttätigen Gesellschaften“ werden mehrere Bevölkerungsgruppen Opfer von Massengewalt, an der sich aufgrund unterschiedlicher Motive, Werte und Interessen breite Bevölkerungsgruppen unterschied-licher Herkunft zusammen mit Staatsorganen beteiligen. Dieser Ansatz fragt stärker nach gesellschaftlichen Ursachen und Zusammenhängen. Mir scheint, dass gerade das komplexe und prozesshafte Zusammenwirken unterschiedlicher Gruppen und Motive die Verfolgung so rasant macht. Damit kann man etwa die unterschiedliche Intensität, die Formen und regionalen Schwerpunkte von Massengewalt sowie ihre Beschleunigung und ihr Verebben erklären. Dieser Ansatz soll auch dazu dienen, das Verhältnis zwischen physischer und struktureller Gewalt näher zu bestimmen, zum Beispiel zwischen Massenvernichtung, erzwungener Migration und Hungersnot. Er bietet zugleich eine neue Grundlage, um die Beziehungen zwischen ausländischer Einwirkung und örtlicher Entstehung von Gewalt zu analysieren, sowohl was imperialistische Gewalt und ihre lokalen Mitwirkenden als auch was äußere Einwirkungen zum Beenden der Gewalt betrifft. Verkürzt ausgedrückt, ist wegen der Verwurzelung der Gewalt in der Gesellschaft ein Ende nicht leicht zu erreichen. Es ist kein Zufall, dass äußere Interventionen so oft scheitern oder kaum zustandekommen.

Die oben skizzierten Vorstellungen von „Genozid“ sind selbstverständlich stark von der immer noch vorherrschenden intentionalistischen Interpretation der Ermordung der europäischen Juden geprägt. So versuchten insbesondere Diaspora-Armenier in ihren Werken nach 1945 lange Zeit zu beweisen, dass die Führung des Komitees für Einheit und Fortschritt frühzeitig die Vernichtung der Armenier beschlossen habe, und zwar aus Nationalismus und sogar Rassismus heraus, und dass die Morde zentral organisiert und weitgehend durch die mit der SS verglichene Teskilat-i Mahsusa (Spezialorganisation) ausgeführt worden seien, im Übrigen maßgeblich auf deutschen Einfluss hin. Damit sollte die Vernichtung der Armenier einerseits dem „Holocaust“ an die Seite gestellt werden, der andererseits in den extremsten Darstellungen aber eher eine Kopie des türkischen ‚Originals‘ oder Prototyps darstellte.

Umgekehrt wirkt sich die Genozidforschung bislang weitgehend als Verstärkung und Bestätigung des intentionalistischen Bilds vom „Holocaust“ aus, auch weil Genozidexperten meist sehr abstrakte Vergleiche anstellen und herkömmliche Interpretationen der Verfolgung der Juden zur Grundlage nehmen, anstatt sie empirisch zu hinterfragen. Immerhin haben Genozidforscher vielfach zu Recht in anderen Fällen auf ähnliche Prozesse, Strukturen, Ideen und Erfahrungen von Opfern wie bei der Judenverfolgung der 1940er-Jahre hinweisen können.

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Birthe Kundrus: Der wissenschaftliche Impetus der Genozidforschung besteht zu einem Gutteil darin, die Gewaltgeschichte der Moderne systematisch und differenziert zu erfassen und dabei vor allem ihrem Exzesscharakter auf die Spur zu kommen. Mit seiner Durchsetzung hat der Genozidbegriff die Aufmerksamkeit auf das Phänomen massiver Gewalt gelenkt und unseren Kenntnisstand etwa über Handlungslogiken, Gelegenheiten und Kontexte kollektiver Gewalt enorm verbreitert.11 Die Multidimensionalität des Begriffes Genozid scheint mir aber Segen und Fluch zugleich zu sein. Der Terminus mobilisiert und informiert; Juristen gibt er eine (wenngleich nicht unkomplizierte) Handhabe, so dass sie ihn verhalten positiv im Hinblick auf die Aburteilung von Tätern post festum beurteilen. Gleichzeitig jedoch durchziehen jede Diskussion um Genozide moralische und politische Untertöne, scheint die Selbstverortung auf der „richtigen Seite“ eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen, mit zum Teil irritierenden wissenschaftlichen Konsequenzen. Bezweifelt man einen Genozid zum Beispiel an den Native Americans, so wie jüngst Günter Lewy,12 verschärft sich der Ton der Auseinandersetzung, zumal im US-amerikanischen Kontext, gleich um einige Grade. Umgekehrt wiederum provoziert Erika Steinbach, wenn sie von einem Genozid an den Donauschwaben im Zuge ihrer Vertreibung aus Südosteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg spricht.13 Mit dieser Kampfrhetorik macht sie immerhin darauf aufmerksam, dass sich die Genozidforschung – wohl aus einem Abwehrreflex – bisher wenig mit diesen Exterritorialisierungen auseinandergesetzt hat.

Mein Haupteinwand zielt jedoch darauf, dass das Festhalten an dem Terminus und den Vorgaben und Vorannahmen, die die Konvention macht und an denen sich alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nolens volens abarbeiten, Einsichten über das empirisch höchst vielgestaltige Wesen von entgrenzter Gewalt versperrt. Mit dem Genozidbegriff wird das Wissen über Massengewalt vorstrukturiert und präformiert. Auch wenn Teile der Forschung mittlerweile den hohen Stellenwert des Faktors Intention zurechtgerückt und zumindest problematisiert haben, dass Einstellung und Verhalten, rassistische Utopien und ihre blutige Umsetzung nur lose aneinandergeknüpft sind,14 beherrscht immer noch ein schematisches Denken die Szenerie. Wenn ein so reflektierter Autor wie Dan Stone lapidar erklärt, dass im Fall der Sterilisierungen in den USA oder Großbritannien, die eben nicht in Massenmord mündeten, „eine zusätzliche Variable“ gefehlt habe, dann offenbart ein solches Statement ein „mechanistisches“ Verständnis von Akten entgrenzter Gewalt (wie Christian Gerlach es genannt hat).15 In anderen Untersuchungen werden Risikofaktoren – Ideologien der Differenz, Kriegssituationen, Exzesscharakter der Taten usw. – aufgedeckt, deren Plausibilität nicht anzuzweifeln ist. Nur sind diese Stationen der Gewalt keineswegs hinreichende Erklärungen. Sie erzählen lediglich die halbe Geschichte. Die Dynamiken, die sich aus dem Zusammenspiel oder dem Antagonismus dieser Faktoren ergeben, das Wechselspiel von Gelegenheiten und Bedingungen, von Initiativen in Zentrum und Peripherie, die den einmaligen Kontext des zu untersuchenden Gewaltereignisses darstellen, verschwinden hinter einer solchen „Faktorierung“.

Zu diesen Differenzierungsverlusten des Konzepts gehört auch das Desinteresse an teils kontingenten, teils chaotischen, teils nichtintendierten Beschleunigungsfaktoren wie externen Eskalationsschüben oder kriminellem Bereicherungsstreben. Statt sich den empirischen Fall vorzunehmen, so wie Bernd Greiner dies in seiner eindrucksvollen Studie zum Massaker in My Lai unternommen hat,16 wird häufig das in Frage stehende Ereignis mit einer imaginären Liste von Massengewalt-Merkmalen abgeglichen. Das erscheint mir wenig originell. Ob Critical Genocide Studies, wie sie Dirk Moses postuliert,17 hier Abhilfe schaffen können, wage ich nicht zu prognostizieren. Immerhin sind diese kritischen Ansätze ein Indiz für die internen Diskussionsprozesse der Genozidforschung. Interessanter fände ich es, neben dem in der NS-Forschung zu Recht betonten bewährten empirischen Zugriff einer Theorie der Gewalt mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Das hieße zunächst, sich über die eigenen Vorannahmen Rechenschaft abzulegen, was Gewalt ist und wie sie entsteht. Warum finden wir es offenbar erklärungsbedürftig, dass ganz normale Familienväter Massenmörder sein können? Welche physiologischen Vorgänge spielen bei Gewaltausübungen eine Rolle? Wieso glauben wir, wir könnten etwas über Gründe entgrenzter Gewalt aussagen, wo unsere Quellen doch vor allem Begründungen liefern?

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Eric D. Weitz: Genocide is a word invented in 1944 by Raphael Lemkin, a Polish-Jewish jurist who found refuge from Nazi persecution in the United States. He sought a word that would capture the enormity of the effort to exterminate an entire population, and he brought together the Greek word for group, ‘genus’, with the Latin suffix for murder, ‘-cide’. Although Lemkin had suffered very personally from the Holocaust – he learned after World War II that forty-nine members of his family had been killed by the Nazis – his humanitarian sensibility extended far beyond the tragic fate of Jews and included, especially, Armenians as well. Lemkin’s intellectual and political quest culminated in his book, Axis Rule in Occupied Europe (Washington 1944), in which he dealt with the word ‘genocide’. Lemkin then launched a virtual one-man campaign for an international treaty, an effort that resulted in the ‘Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide’, adopted by the United Nations General Assembly on 9 December 1948.

The Genocide Convention (as it is conveniently termed) was the product of long negotiations and compromises among the states represented in the draft-ing commission. The outcome significantly narrowed Lemkin’s original interpretation, which encompassed what we would now term ‘cultural genocide’, that is, the effort to erase a population’s identity if not its physical existence through repressive practices, such as banning a group’s language or religious practices. Instead, the Genocide Convention focuses for the most part (though not always consistently) on physical annihilation, the ‘intent to destroy’ a population group ‘in whole or in part’. The most controversial part of the Convention has concerned the qualifying populations, about which the drafters had long discussions. Ultimately, a broad consensus emerged around ‘national, ethnical, racial, or religious’ groups and the exclusion of populations defined by political affiliation or social class. It was not only the Soviet Union and its allies that sought the limited character of qualifying populations, as is often argued. In fact, all of the states involved in drafting the Convention, including the United States and its supporters, thought that membership in a political party or social class is far more malleable than ‘national, ethnical, racial, or religious’ identities, which purportedly have a much more permanent, even indelible character that defies individual choice.18 Moreover, the Genocide Convention was drafted in the wake of the Third Reich, whose most severe atrocities were, indeed, those committed against racially and nationally categorised populations.

Virtually all of the studies that began to appear in the 1990s were highly critical of the limited definition of qualifying populations. Most scholars challenged the exclusion of social and political groups. Helen Fein’s revised definition was one of the most compelling, though others were similar: ‘Genocide is sustained purposeful action by a perpetrator to physically destroy a collectivity directly or indirectly, through interdiction of the biological and social reproduction of group members, sustained regardless of the surrender or act of threat offered by the victim.’19

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Some analysts have gone further and have challenged the very utility of the term genocide for scholarly research. Genocide has meaning in international law, and in the 1990s, for the first time since the immediate postwar years, international tribunals began to prosecute individuals for war crimes, crimes against humanity, and genocide, though the latter was the hardest to prove. The special courts in the Hague for the former Yugoslavia and in Arusha for Rwanda (founded by the UN), although sometimes subject to scathing criticism, have rendered convictions for genocide; the slow accumulation of case law signifies a refining of the legal definition of genocide. However, Jacques Sémelin (among others) argues that scholars should not let their research be driven by a term of legal import which derived from political negotiation and compromise among the countries represented at the UN. Moreover, he argues that the term ‘massacre’ provides a more useful framework because it enables researchers to capture a wide variety of abuses without the limitations of the UN definition.20 Meanwhile, David Scheffer, a legal scholar and former US ambassador for war crimes, has proposed the encompassing term ‘atrocity crimes’ as a way of surmounting the often sterile debate in legal, political, and scholarly circles as to whether or not a particular event may be defined as genocide; often the discussion rages on in these rarefied realms while tens of thousands continue to die from atrocities committed by states, war lords, and paramilitary bands.21 Darfur is only the most excruciating example of this tendency.

While Sémelin and Scheffer offer compelling arguments, there is still validity to the notion that genocide is a very particular crime against humanity. If it proves successful, there is nothing left: an entire population group with its traditions, history, and culture is gone from the complex diversity of human existence. Moreover, every definition is a construct, an effort to capture as closely as possible the nature of reality, and no definition is perfect. The understanding conveyed by the Genocide Convention offers scholars an excellent framing for their research and room to point out its shortcomings as well.

3. Genozidforschung ist idealerweise interdisziplinär. Welchen Beitrag kann die Geschichtswissenschaft und speziell die Zeitgeschichtsforschung dabei leisten? Welche Anregungen aus Nachbardisziplinen sind umgekehrt für die Geschichtswissenschaft besonders wichtig, um zu einem komplexeren Verständnis von Genoziden zu gelangen?

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Jörg Baberowski: Historiker wissen, dass Gewaltereignisse einen historischen und kulturellen Ort haben, der diese Ereignisse erst verständlich macht. Historiker lesen Quellen, die ihnen zwar nicht vorschreiben, was gesagt werden muss, die aber das ausschließen, was nicht gesagt werden kann. Ihr Verfahren empirischer Kontextforschung ermöglicht es, ein Geschehen in überschaubaren Räumen und Zeitabschnitten aus unterschiedlichen Perspektiven zu beschreiben. Eine Genozidforschung, die sich nicht in der Abgleichung von Modellen und Schablonen erschöpfen will, müsste sich für die Anwendung derartiger Techniken öffnen. Einer solchen Öffnung werden sich aber auch die Historiker nicht verschließen können, die mit der Erforschung der Massengewalt im 20. Jahrhundert befasst sind. Gewalt ist nicht nur ein Mittel, um Menschen zu verletzen und zu töten; sie ist auch ein Mittel der Selbstüberwindung, ein Instrument der Vergemeinschaftung sowie ein Medium der Kommunikation und Symbolisierung. In den meisten Fällen fallen diese Eigenschaften der Gewalt zusammen. Was geschieht, wenn Menschen Gewalt ausüben, Gewalt erleiden, wenn sie Zeugen der Gewalt werden oder Furcht haben, der Gewalt zum Opfer zu fallen? Was geschieht mit dem Körper und der psychischen Verfassung des Menschen, wenn die Gewalt in ihm und durch ihn spricht? Was geschieht, wenn Gesellschaften mit Gewalt kontaminiert und die sozialen Beziehungen durch Gewalt verändert werden? Antworten auf solche Fragen werden Historiker nur bekommen, wenn sie sich von Ethnologen, Sozialpsychologen und Medizinern belehren lassen. Denn eine Forschung, die von all dem nichts weiß, wird dem Anspruch, die Geschichte der Gewalt als interaktives Geschehen zu beschreiben, nicht gerecht werden.

Mihran Dabag: Wenn man die gesamtgesellschaftliche Dimension von kollektiver Gewalt und Genozid ernstnimmt, müssen strukturvergleichende Forschungen zu diesen Gegenständen notwendig interdisziplinär sein. Die am Einzelfall orientierte, Teilaspekte eines Ereignisses beleuchtende historische Forschung ist im interdisziplinären Forschungsdesign der Genozidforschung ein zentraler und unverzichtbarer Aspekt, liefert sie doch nicht zuletzt das Material für historisch gesättigte Vergleichsstudien, bei denen der spezifisch historische Ereigniszusammenhang jedes Falles beachtet werden muss. Um zu einem komplexeren Verständnis von Genoziden zu gelangen, ergänzt die Genozidforschung die historische Analyse unter anderem durch sozialwissenschaftliche, insbesondere sozialpsychologische Forschungsansätze, die unerlässlich sind für die Untersuchung von Mechanismen von Öffentlichkeit, von Ideologien, Konsensbildung, Vorurteilen und Rassismus, Prozessen von Entschlussbildung und Entschlossenheit zur Durchführung der Tat, von Strategien der Legitimation, Selbstbildern der Täter, Intentionen und Motivationen.

Christian Gerlach: Das größte Problem der Genozidforschung ist ihre empirische Schwäche. Dies fällt beim Besuch jeder einschlägigen Tagung auf. Genozidforschung ist als akademisches Feld von modellorientierten nordamerikanischen Sozialwissenschaftlern begründet worden. Oft werden immer noch auf Basis der Lektüre jeweils einiger genereller Werke pro „Fall“ großzügige Theorien aufgestellt. Nicht selten werden dabei bloße Annahmen fortgeschrieben, Detailstudien ausgelassen und neueste Forschungsergebnisse übersehen. Die Geschichtswissenschaft kann mit emsiger Archiv- und Detailarbeit helfen, die Diskussion zu versachlichen. Im Gegensatz zu einem eher schematischen, starren und deterministischen Verständnis können Historiker den Prozesscharakter und die Dynamik offener Situationen hervorheben, aus denen sich Massengewalt entwickelte. Daraus ergäbe sich dann auch ein konzeptioneller Beitrag, mit dem schon viel gewonnen wäre. Im Gegenzug kann es den Geschichtswissenschaftlern nicht schaden, sich vergleichenden Perspektiven und breiteren Kontextualisierungen zu öffnen und sich mehr mit Theorie auseinanderzusetzen. Gerade die so genannte Holocaustforschung erscheint nicht gerade theorielastig, besonders wie sie in Deutschland praktiziert wird.

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Birthe Kundrus: Die Genozidforschung ist im doppelten Sinne ein Kind des 20. Jahrhunderts. Sie reflektiert nicht nur die Massenmorde dieser Zeit, sondern auch den veränderten Werte- und Normenhorizont, die gestiegene Sensibilität für entgrenzte Gewalt. An dieses wichtige Moment der historischen Selbstverortung als Disziplin zu erinnern wäre das eine. Ein zweites Moment knüpft an diese Ambiguität an, nämlich das beharrliche Bemühen, dem Phänomen der Moderne auf die Sprünge zu kommen – ein Unterfangen, zu dem die Geschichtswissenschaft, und nicht allein die Zeitgeschichte, weiterhin Wesentliches beizutragen hat. Umgekehrt hielte ich es für aufschlussreich, verstärkt Anregungen zum Beispiel aus der Anthropologie aufzunehmen und den Akt des Tötens, also die performative Ebene, stärker in die Analyse einzubeziehen. Wie in der konkreten Situation von Opfer und Täter verschiedenste Momente von Differenzproduktion, von Tötungslegitimationen (ob die von oben angebotenen oder die vor Ort konstruierten), von Ritualität, Expressivität und Inszenierung zusammentreffen, ist bislang wenig in den Blick genommen worden.

Eric D. Weitz: Contemporary history is the critical discipline for the investigation of genocides. The historian’s methods are absolutely necessary for the reconstruction and analysis of the events, and historians bring the necessary knowledge to the reading of documents and interviews with participants. In North America, the huge proliferation of undergraduate college and university courses on the Holocaust, often taught by people without the requisite historical knowledge, is a source of great worry (at least to me and I am sure to many fellow historians).

That said, Political Science, Anthropology, and Psychology have a great deal to offer. In the 1950s and 1960s political scientists in North America operated with a historical sensibility and with many of the same methodologies as historians. Recall that Raul Hilberg was trained by Franz Neumann and taught his entire career in a political science department. Political Science has lost that historical orientation, although there are, just recently, a few glimmers of change. But the effort to pull together large numbers of cases and make generalisable hypotheses can be very instructive.22

Modern genocides are social events that require the mobilisation of large numbers of people to do the work of repression and killing. Here, Anthropology and Psychology are most helpful.23 How people are killed is very significant. The brutalisation of killings and the desecration of the body constitute rituals that tell us a great deal about the perpetrators. Studying the bureaucratic process of genocide, a central aspect for a very long time of research on National Socialism, only gives us a part of the picture.

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4. Insbesondere die globalgeschichtliche Dimension der Genozidforschung stellt die Einordnung der Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus vor neue Fragen. Ist die Forschung über den Holocaust eurozentrisch und auf staatliche Gewaltpraxen konzentriert, wie sie sich im europäischen neuzeitlichen Nationalstaat herausgebildet haben? Gelingen mit der Genozidforschung neue Blicke auf Akteure, Motive und Gewaltdynamiken, auch hinsichtlich der NS-Vernichtungspolitik?

Jörg Baberowski: Die bisherige Forschung über die Geschichte des Holocaust war nicht allein eurozentrisch, sie war vielfach nur eine Geschichte der Deutschen. Der Holocaust war in dieser Forschung ein deutsches Verbrechen, während die Kollaborateure, die ukrainischen KZ-Wachmannschaften, die Gewalttaten von Russen, Ungarn, Ukrainern, Litauern und Rumänen marginalisiert oder ganz ausblendet wurden. Die Genozidforschung hat den Horizont erweitert und die Sicht auf andere Massenvernichtungsexzesse freigelegt; sie hat es überhaupt erst ermöglicht, die Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen in eine international vergleichende Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts einzuordnen. Nur über den Umweg der Genozidforschung sind den Historikern die Augen für die Kontexte geöffnet worden, in denen solche Verbrechen denkbar, planbar und machbar waren. Vor allem aber zeigt die vergleichende Genozidforschung, dass überall, wo die Massenvernichtung von Menschen geplant und exekutiert wurde, Gewalträume eröffnet werden, Täter zugerichtet und enthemmt werden müssen. Sie verweist auf den Krieg als Ermöglichungsraum des Genozids. So gesehen führt die vergleichende Genozidforschung, sofern man sie von ihren moralischen Prämissen trennt, zur Historisierung und Kontextualisierung der Massenvernichtungsexzesse.

Aber es gibt noch einen anderen Grund, der die Forschung über den Nationalsozialismus und seine Gewaltpotenz verändert hat: Seit dem Ende des Kommunismus in Ostmittel- und Osteuropa sind nicht nur die Archive geöffnet worden, die über die Verbrechen des stalinistischen Gewaltsystems Auskunft geben. Durch die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten sind auch die Erinnerungen an die Diktaturen des 20. Jahrhunderts verändert und erweitert worden. Diese Sensibilisierung für die Vielfalt der Erfahrungen im Europa des 20. Jahrhunderts ist zugleich eine Widerlegung der Behauptung, das Vernichtungssystem des Nationalsozialismus sei eine deutsche, einzigartige Tat gewesen, die nicht verglichen werden dürfe.

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Mihran Dabag: Sicherlich ist die Forschung über den Holocaust zunächst eurozentrisch in dem Sinne, dass sie sich mit einem Ereignis beschäftigt, welches in Europa und im engen Kontext des Vergemeinschaftungsprogramms des europäischen Nationalstaats stattgefunden hat. Andererseits hat sich das Modell der Nation und des Nationalstaats als ein Exportschlager Europas in die Welt erwiesen. So stehen auch die Völkermorde, die außerhalb Europas begangen wurden (dies gilt exemplarisch für die Genozide an den Armeniern und den Völkermord in Ruanda sowie zumindest mittelbar für die Gewaltpolitik der Roten Khmer in Kambodscha) in einem unübersehbaren Zusammenhang mit der in die außereuropäische Welt transferierten Idee des homogenen Nationalstaats. Allein auf dieser zunächst abstrakten Ebene zeigen sich wichtige Berührungspunkte von Forschungen zur NS-Vernichtungspolitik mit der globalgeschichtlichen Dimension der Genozidforschung.

Hinsichtlich der Akteure, Motive und Gewaltdynamiken in Genozidprozessen kann die interdisziplinär orientierte Genozidforschung insbesondere deshalb wichtige Einsichten eröffnen, weil sie eine grundlegende Unterscheidung vornimmt zwischen Intentionalität einerseits und der Motivationalität einzelner Täter andererseits. Erst die differenzierende Analyse dieser beiden Ebenen sowie ihrer Relationen kann den Blick auf die gesamtgesellschaftliche Verwicklung des Einzelnen in die Gewaltpolitik sowohl für die Einzelfallforschung als auch für komparative Studien öffnen. Besondere Bedeutung kommt dabei einer Untersuchung der sozio-kulturellen Rahmungen von Motivationen zu, also der vielschichtigen Rückgebundenheit des Handelns der Akteure an kulturelle Sinnzusammenhänge. Strukturvergleichende Genozidforschung war und ist nicht zuletzt Ursachenforschung, d.h. sie setzt sich zur Aufgabe, notwendige und hinreichende Bedingungen zu bestimmen, die Genozide ermöglichen können.

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Christian Gerlach: Gewiss ist die Forschung über die NS-Vernichtungspolitik eurozentrisch, auch in dem Sinne, dass sie die Judenvernichtung als Angelpunkt der Weltgeschichte und Gipfel des Bösen konstruiert, obwohl in der Regel nicht komparativ gearbeitet wird. Die Forschung über NS-Gewalt ist vor allem auch „Holocaust“-zentrisch. Sechs bis acht Millionen nichtjüdische Todesopfer deutscher Herrschaft spielen weder in der Forschung noch im vielgerühmten deutschen öffentlichen Gedenken wirklich eine Rolle, vor allem soweit es sich um Ausländer handelte.

Würde man sich der Geschichte der nichtjüdischen Opfer stärker widmen, ließe sich die historische Verantwortung noch weniger leicht auf staatliche Stellen abwälzen. Schon im Hinblick auf die Verfolgung der Juden hat die einseitige Zuweisung der Verantwortung an den Staat einige merkwürdige Aspekte. So war zum Beispiel die SS keine staatliche Organisation. Halbwegs improvisierte paramilitärische Verbände wie der Volksdeutsche Selbstschutz in Polen oder die Milizen der Volksdeutschen in Transnistrien ermordeten zehntausende Juden. Bei Pogromen in vormals sowjetisch annektierten Gebieten wurden ebenfalls Zehntausende getötet; allein mit dem Hinweis auf die Aufstachelung oder Organisation der Litauer, Letten, Polen, Ukrainer oder Moldawier durch Deutsche kann man dies kaum erklären. Die Forschung zur Denunziation ausländischer Zwangsarbeiter seitens deutscher Bürger ist unterentwickelt; immerhin nahm die Jagd nach „arbeitsvertragsbrüchigen“ Ausländern von 1943 bis 1945 die meiste Zeit der Gestapo in Anspruch, und meist beruhte dies auf Anzeigen. Noch mehr als bisher könnte man sich in der Forschung Nicht-nationalsozialisten als Tätern innerhalb und außerhalb der Apparate widmen: in Militär, Polizei, Zivilverwaltungen, unter einfachen Bürgern, Jugendlichen. Daher reicht es vielleicht nicht ganz aus, nach der „Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus“ zu fragen. Von der Genozidforschung sind hier kaum Impulse zu erwarten, solange sie sich ebenfalls auf Staatsverbrechen, Politik statt Praxis, eine Opfergruppe und so definierte ideologische Kernmotive konzentriert, anstatt sich für die verschiedenen Mischungen individueller oder kollektiver Handlungsantriebe zu interessieren.

Birthe Kundrus: Die erste Teilfrage ist etwas seltsam. Schließlich war der Holocaust ein europäisches Ereignis, mit allerdings universalen Folgen, und seine Akteure waren vor allem staatlich legitimiert, wenngleich die SS dem klassischen Staatsverständnis nicht mehr entsprach.24 Ich fände es – neben dem erwähnten Desiderat einer theoretisch informierten Gewaltgeschichte – schon einen Gewinn, wenn man stärker als bislang die basale Anregung aus der Genozidforschung aufgreifen würde, nämlich zu vergleichen. Dazu müssten nicht nur monochrome und diachrone Vergleiche gehören – zwischen West- und Ostfront, zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg, zwischen asymmetrischen und nicht-asymmetrischen Kriegskonstellationen, zwischen kolonialen und nationalsozialistischen Herrschaftsformen. Vielmehr würde ich darunter auch Studien fassen, die nach Transfers fragen, nach Rezeptionen oder Perzeptionen. Anstatt zum Beispiel flott Kontinuitäten zwischen kolonialen und nationalsozialistischen Genoziden nahezulegen, wäre es aufschlussreicher zu ermitteln, welche Funktionen der deutsche – wichtiger noch: der europäische – Imperialismus für die Vorstellungswelten und Handlungsweisen der NS-Elite sowie ihrer regionalen und lokalen Satrapen aufwies. Oder ein anderes spannendes Thema: Welche Wissensbestände für bestimmte Problemkonstellationen (wie etwa Vertreibungen) haben die Deutschen von Russland (oder Italien oder Japan) rezipiert, und wo hat man sich auch abgrenzen wollen?

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Eric D. Weitz: Certainly the historiography on the Holocaust has been state-centered. Raul Hilberg, in a somewhat ironic mirror of the Nuremberg Tribunal, very explicitly avoided using personal testimonies in his pioneering work on the Holocaust.25 Vahakn Dadrian followed a similar track in his empirically rich but interpretively flawed study of the Armenian Genocide.26 For the Holocaust especially it sometimes seems that we have two entirely separate literatures, one on the perpetrators and written largely by historians, and another consisting of memoirs, autobiographies, novels, and poems written by and about victims. Omer Bartov, for one, has been an eloquent critic of this divide. But the ground is shifting, and for two reasons. The first concerns the general broadening of topics and methodologies in the discipline of History, including social history and oral history. Alltagsgeschichte provides very important intellectual tools for getting at the mentalities and life-worlds of perpetrators and victims. Second, the limited access to written documentation and its often limited quality has made oral history a vital methodology for historians of genocides. Ben Kiernan’s major study on the Cambodian genocide is based significantly (though hardly exclusively) on extensive interviews he conducted, and the same is true of Alexander Hinton’s work also on Cambodia and of Scott Strauss’s very significant book on the Rwandan Genocide.27 Historians of National Socialism and the Holocaust have much to gain from these studies. They demonstrate that the Holocaust can best be understood within a broader, global context of modern regimes that try to purify the populations within their domain, and that a broad array of methodologies enriches our understanding of both perpetrators and victims.

Anmerkungen: 

1 Michael Mann, The Dark Side of Democracy. Explaining Ethnic Cleansing, Cambridge 2005, S. 503.

2 Dan Diner, Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust, Göttingen 2007, S. 38, S. 116.

3 Jan Erik Schulte, Nationalsozialismus und europäische Migrationsgeschichte: Das Archiv des Internationalen Suchdienstes in Arolsen, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 4 (2007), pp. 223-232.

4 See http://www.yale.edu/cgp/, with links to the Documentation Center and others.

5 Michael Mann, The Dark Side of Democracy (fn. 1), seems to me very much mistaken in his claim that ethnic cleansings and genocides require only a very small number of killers.

6 Vgl. etwa Christian Gerlach, Nationsbildung im Krieg: Wirtschaftliche Faktoren bei der Vernichtung der Armenier und beim Mord an den ungarischen Juden, in: Hans-Lukas Kieser/Dominik Schaller (Hg.), Der Völkermord an den Armeniern und die Shoah, Zürich 2002, S. 347-422, hier S. 348-352; Birthe Kundrus/Henning Strotbek, „Genozid“. Grenzen und Möglichkeiten eines Forschungsbegriffs – ein Literaturbericht, in: Neue Politische Literatur 51 (2006), S. 397-423, hier S. 422f.; Jacques Sémelin, Säubern und Vernichten. Die politische Dimension von Massakern und Völkermorden, Hamburg 2007, S. 335ff.

7 Raphael Lemkin, Axis Rule in Occupied Europe, Washington 1944, Kap. 9.

8 Vgl. hierzu ausführlich Kristin Platt, Perspektiven und Aufgaben der Genozidforschung, in: Zeitschrift für Genozidforschung 6 (2005) H. 1, S. 8-41, hier S. 21ff.

9 Der Versuch einer solchen Typologie findet sich bei Mihran Dabag, Modern Societies and Collective Violence: The Framework of Interdisciplinary Genocide Studies, in: Graham C. Kinloch/Raj P. Mohan (Hg.), Genocide. Approaches, Case Studies, and Responses, New York 2005, S. 37-62, hier S. 41ff. „Genozid“ wird dort typisiert als die „mit dem ausgesprochenen Ziel der Extermination geplante und ideologisch begründete Auslöschung einer spezifischen Bevölkerungsgruppe als solcher aus der Mitte einer Gesellschaft mit der Absicht, den visionären Selbstentwurf einer homogenen Gesellschaft in Identität von Volk, Kultur, Territorium und Herrschaft durch die Vernichtung des als nicht-integrierbar definierten ‚Anderen‘ in kürzester Frist zu verwirklichen. Genozid ist somit ein gesamtgesellschaftliches, jeweils singuläres Verbrechen, das sich in national spezifischen Transformationsprozessen vollzieht.“

10 Vertiefen werde ich diese Argumente in meinem Buch Extremely Violent Societies: Mass Violence in the Twentieth Century (in Vorbereitung, unter Vertrag mit Cambridge University Press und dva). Siehe als Skizze auch Christian Gerlach, Extremely Violent Societies: An Alternative to the Concept of Genocide, in: Journal of Genocide Research 8 (2006), S. 455-471.

11 Einen hervorragenden problemorientierten Überblick zu Strukturmerkmalen von Massakern und Völkermorden bietet Sémelin, Säubern und Vernichten (Anm. 6).

12 Günter Lewy, Can there be genocide without the intent to commit genocide?, in: Journal of Genocide Research 9 (2007), S. 661-674.

13 Erika Steinbach in einem Interview vom Sommer 2006, siehe ... (Anm. der Red.: Link nicht mehr verfügbar).

14 Vgl. Harald Welzer, Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden, Frankfurt a.M. 2005; Christian Geulen, Geschichte des Rassismus, München 2007.

15 Dan Stone, History, Memory and Mass Atrocity. Essays on the Holocaust and Genocide, London 2006, S. 224; Christian Gerlach, Das Konzept „extrem gewalttätige Gesellschaften“. Überlegungen zu NS-Deutschland, der Sowjetunion 1929–1953 und dem Spätosmanischen Reich 1913–1923, in: Alfred Gottwaldt/Norbert Kampe/Peter Klein (Hg.), NS-Gewaltherrschaft. Beiträge zur historischen Forschung und zur juristischen Aufarbeitung, Berlin 2005, S. 40-47; ders., Extremely Violent Societies (Anm. 10).

16 Bernd Greiner, Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam, Hamburg 2007.

17 A. Dirk Moses, Theoretical Paper: Toward a Theory of Critical Genocide Studies [April 2008], online unter URL: http://www.massviolence.org/Toward-a-Theory-of-Critical-Genocide-Studies

18 See William Schabas, Genocide in International Law. The Crime of Crimes, Cambridge 2000.

19 Helen Fein, Genocide: A Sociological Perspective, in: Current Sociology 38 (1990) H. 1, pp. 1-126, here p. 24. See also Frank Chalk/Kurt Jonassohn, The History and Sociology of Genocide. Analyses and Case Studies, New Haven 1990.

20 Jacques Sémelin, Purifier et détruire. Usages politiques des massacres et génocides, Paris 2005.

21 David Scheffer, Genocide and Atrocity Crimes, in: Genocide Studies and Prevention 1 (2006), pp. 229-249, and the symposium in the subsequent issue.

22 See, for example, Manus I. Midlarsky, The Killing Trap. Genocide in the Twentieth Century, Cambridge 2005, and Benjamin A. Valentino, Final Solutions. Mass Killing and Genocide in the Twentieth Century, Ithaca 2004.

23 For example, James E. Waller, Becoming Evil. How Ordinary People Commit Genocide and Mass Killing, 2nd ed. New York 2007; Alexander Laban Hinton, Why Did They Kill? Cambodia in the Shadow of Genocide, Berkeley 2004; and Alexander Laban Hinton (ed.), Genocide. An Anthropological Reader, Malden 2002.

24 Vgl. Michael Wildt, Geschichte des Nationalsozialismus, Göttingen 2008.

25 Raul Hilberg, The Destruction of the European Jews, Chicago 1961.

26 Vahakn N. Dadrian, The History of the Armenian Genocide. Ethnic Conflict from the Balkans to Anatolia to the Caucasus, 3rd ed. Providence 1997.

27 Ben Kiernan, The Pol Pot Regime. Race, Power, and Genocide under the Khmer Rouge, 1975–79, New Haven 1996; Hinton, Why Did They Kill? (fn. 23); and Scott Strauss, The Order of Genocide. Race, Power, and War in Rwanda, Ithaca 2006.

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