
Translated by Felicitas Goodman, Oxford: Blackwell 1985.
Die Buchcover der deutschen Erstausgabe und der englischen Übersetzung zeigen einen Ausschnitt aus Paul Delvauxʼ Gemälde »Der Mann der Straße« von 1940.
Im Folgenden wird nach der deutschen Ausgabe von 1985 zitiert.
»Innerhalb kürzester Zeit wurden 150.000 Exemplare verkauft, so etwas kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.«1 Mit diesen Worten blickte der Ethnologe Hans Peter Duerr im Jahr 2009 auf sein Werk »Traumzeit« zurück, dessen Strahlkraft sich an den unzähligen Besprechungen in Fachzeitschriften und Feuilletons ablesen lässt.2 Der 1978 im linken, westdeutschen Syndikat Verlag publizierten Erstausgabe folgten in wenigen Jahren fünf weitere Auflagen.3 1985 erschien eine Neuausgabe bei Suhrkamp, die ihrerseits stetig nachgedruckt wurde (zuletzt 2021 bzw. seither als Print on Demand), und zudem eine Übersetzung ins Englische. Auf dem Rücken des roten Suhrkamp-Bandes prangt der Tribut der Schweizer Zeitung »Die Weltwoche« an ein »mittlerweile berühmt gewordenes Kultbuch«. Während der Paratext die »Traumzeit« diskursiv in die luftigen Höhen eines wie auch immer definierten Kanons erhebt, tat der Bergsteiger Reinhold Messner dies 1979 ebenso performativ wie wörtlich, indem er das Buch in seinem Rucksack zusammen mit Werken von Platon und Tolstoi auf den K2 trug.4 Auch wenn Duerr partout keinen »Klassiker« geschrieben haben will,5 muss er sich heute das Etikett des »meist gelesenen Ethnologen der deutschen Nachkriegszeit«6 gefallen lassen. Kurz: Bei der »Traumzeit« handelte es sich, um die Wortschöpfung eines Fachrezensenten zu gebrauchen, fraglos um einen »Ethnobestseller«,7 der auch als solcher beworben wurde.
Hans Peter Duerr, der in Mannheim 1943 in eine Arbeiter- und Kleinbürgerfamilie geboren worden war, hatte in Heidelberg zwischen 1963 und 1971 Ethnologie studiert und wurde mit einer erkenntnistheoretischen Arbeit über das ethnologische Fremdverstehen promoviert.8 Sein weiterer akademischer Weg verlief diskontinuierlich und war von Auseinandersetzungen mit Kolleg:innen geprägt. Er führte Duerr vereinzelt ins ethnologische Feld, etwa zu Beginn der 1980er-Jahre nach Oklahoma zu den Cheyenne, häufiger aber, mit Stationen in Berlin, Zürich, Kassel und Bremen, in die Lese- und Hörsäle der Universitätsstädte. Duerrs Vita ist daher gesäumt von einer beachtlichen Zahl an Publikationen, die sich vor allem kulturgeschichtlichen Themenkomplexen annehmen, wie der kritischen Auseinandersetzung mit der Zivilisationstheorie oder der im Nordfriesischen Wattenmeer versunkenen Stadt Rungholt. Bereits wenige Jahre nach dem Studienabschluss hatte er zudem die nach der bekannten Sponti-Phrase benannte Zeitschrift »Unter dem Pflaster liegt der Strand« ins Leben gerufen, die von 1974 bis 1985 (und ein letztes Mal 2013) im Karin Kramer Verlag erschien; sie vereinte Beiträge zu epistemologischen Fragen, anarchistischer Theorie, Übersinnlichem und indigenen Gesellschaften. Ein ähnliches thematisches Spektrum deckte dann auch die »Traumzeit« ab, die parallel zu dieser frühen Herausgebertätigkeit entstand.
Der genannte Erfolg dieses Textes lag darin begründet, dass er eine idealtypische Verkörperung der turbulenten epistemologischen Großwetterlage um 1980 war, die, wie Duerr im Vorwort zu einem späteren Buch schrieb, »im Zeichen der Rehabilitierung all dessen stand, was dem Prozess der Zivilisation zum Opfer gefallen war«.9 Heterodoxe Wissenschaftstheorien, die alternativen Lebensentwürfe der Neuen Sozialen Bewegungen sowie der populäre Psycho- und Esoterikboom bildeten den Hintergrund, vor dem sich inner- und außerhalb der Universitäten eine lauter werdende Rationalismus- und Modernisierungskritik mit einem Interesse an lokalen, verschütteten Wissensformationen und indigenen Kulturen verschränkte.10 Nachdem die Utopien von »1968« nicht in Erfüllung gegangen waren, hofften viele, in vormodernen bäuerlichen Traditionen oder außereuropäischen Gesellschaften Alternativen zum Fortschrittsdenken der Moderne zu finden.11 Duerr, der in der »Traumzeit« sämtliche Figuren des alternativen Wissens mobilisierte, die die zeitgenössische Suche nach gesellschaftlichen Auswegen und dem eigenen Innenleben anleiteten, schien diesen Wunsch gezielt zu bedienen. Der Titel war ihm zufolge »irgendwie voll im Trend, oder, genauer gesagt, fünf Minuten davor«.12 Neben dem Inhalt dürften die spielerische Schreibform und Duerrs sorgfältig kultiviertes Selbstverständnis als wissenschaftlicher Häretiker zur Attraktivität für ein breites Publikum beigetragen haben.
Die Haltung hinter der »Traumzeit« ist aber überraschender, als diese Ausgangsbeobachtungen es vermuten lassen. Angesichts der beachtlichen Resonanz, auf die sein Werk gerade im Alternativmilieu stieß, graute es Duerr davor, von den gegenkulturellen »Freaks« zu ihrem »Meister Propper« erhoben zu werden, da er sich mit ihrer intensiven Selbstfindung und Selbstthematisierung nicht anfreunden konnte.13 In einem aufschlussreichen Interview von 1979 machte sich der (damals) bekennende Anarchist lustig über die »Ideologienwelle […], die so etwas wie eine Infantilisierung des Menschen verkündet«,14 und gestand zugleich, dass ihm »dieses ständige Therapie- und Subjektivitätsgefasele in all seiner Anmaßung und Verklemmtheit ganz enorm gegen den Strich« gehe.15 Dementsprechend kritisch beurteilte er das wachsende »Netz der Ideologien- und Illusionsindustrie«,16 die die Beschäftigung mit dem Ich anleitete, besonders aber die Indienstnahme indigener Gesellschaften. Genauso dementierte Duerr einige Jahre später die nicht ganz unberechtigten Vermutungen über allfällige esoterische Überzeugungen seinerseits als »groteskes Missverständnis, das viel zum Erfolg dieses Buches beigetragen hat«.17 Es muss daher zwischen dem Lektürezusammenhang der Zeit um 1980 und dem Text der Publikation differenziert werden. Wer das Buch heute zur Hand nimmt, tut gut daran, den Inhalt nicht im von Duerr abgelehnten »Netz« aufzulösen, in dem es seit den späten 1970er-Jahren fraglos zirkulierte. Denn die »Traumzeit« war trotz ihres Potentials für spirituelle Sinnsuchende und bei allem Unterhaltungswert, der dem Autor durchaus wichtig war, zugleich ein sehr ernsthaftes Buch, das sich polemisch, aber engagiert mit dem Wissenschaftsbetrieb auseinandersetzte.
Der wissenschaftliche Anspruch offenbart sich zunächst in der eigenwilligen Kombination aus einem mäandrierenden Fließtext und einem äußerst umfangreichen Verweissystem, zwischen denen die Lesenden ganze 827 Mal hin- und zurückblättern müssen, wie ein etwas übergenauer Rezensent ausgerechnet hat.18 Mit 184 Seiten übertreffen die Endnoten, geht man nach der Erstausgabe, gar die 154 Seiten umfassenden Ausführungen des Haupttextes; weitere 59 Seiten stark ist das Literaturverzeichnis. Der dadaistische Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend, der mit Duerr eine langjährige Brieffreundschaft pflegte, konstatierte angesichts der Materialfülle treffend, dass »man das Buch als Proviantkiste und nicht einfach als Abendmahl oder Frühstück verwenden muss«.19 Es ist geprägt durch ein lebhaftes Nebeneinander von Abbildungen und Zitaten aus Filmen, Comics, literarischen Werken, historischem Material und wissenschaftlichen Abhandlungen, zwischen denen die Erzählstimme zuweilen untergeht. Nicht nur die mediale Beschaffenheit, sondern auch der Schreibstil hat es demnach in sich. Der Argumentation zu folgen sei, urteilte eine Religionshistorikerin in der »New York Times«, »rather like wandering stoned through the stacks of a very fine European library, browsing in the sections devoted to witchcraft, hallucinogens and orgiastic cults«.20 Ebenso musste sich ein sonst sehr beschlagener Wissenschaftsphilosoph eingestehen: »[…] what the end-product is I cannot say […].«21

populärkulturelle Zitate, eine Abbildung aus einem Kräuterbuch von 1669 und
nicht weniger als 14 Anmerkungen auf einer Doppelseite.
(aus: Hans Peter Duerr, Traumzeit. Über die Grenze zwischen
Wildnis und Zivilisation, Frankfurt a.M.: Syndikat 1978, S. 96f.)

(Mainzer Verlagsarchiv an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Universitätsbibliothek, Abteilung Archive und Sammlungen;
mit freundlicher Erlaubnis von Hans Peter Duerr)
Die »Traumzeit« ist in der Tat ein wilder Ritt. Nachdem Duerr die Leserschaft pro forma vor den Nachtschattengeistern gewarnt hat, widmet er sich direkt den »nachtfahrenden Weibern« des Mittelalters und der Frühen Neuzeit und den von ihnen genutzten Hexensalben (§ 1), um sodann die Göttin Diana/Artemis, die die nächtlichen Ausflüge durch die Wälder angeführt haben soll, auf eine vorindogermanische Göttin zurückzuführen (§ 2). Damit in der letzten Eiszeit angekommen, deutet Duerr die Kulthöhlen jener Erdgöttin als symbolische Gebärmutter, in der sich Leben und Tod kultisch berührt haben sollen, und verfolgt die von ihm gefundenen Ausläufer dieses Kults in Form von Bräuchen, Ritualen und Festen durch die Jahrtausende wieder zurück in Richtung Gegenwart (§ 3). Im Anschluss daran ergründet der Ethnologe die gesellschaftliche Funktion dieser kulturellen Formen und Praktiken der Transgression (§ 4) und zeichnet die zunehmende Unterdrückung der damit verbundenen Einsichten in Europa nach, was in eine Revision von Norbert Eliasʼ Zivilisationstheorie mündet (§ 5).22 Mit der daran anschließenden Frage nach der Erfahrung, die vormoderne wie indigene Menschen in den besprochenen Ausnahmesituationen mach(t)en (§ 6-8), in denen sie »wild« wurden respektive werden, und den gängigen, aber aus Duerrs Sicht unzureichenden wissenschaftlichen Versuchen, diese Erfahrung zu erklären (§ 9), geht das kulturhistorische in ein erkenntnistheoretisches Interesse über, das der adäquaten Beschreibung von Phänomenen gilt, die im Widerspruch zu einer entzauberten Welt stehen (§ 10-12). Im Zuge seiner Ausführungen verarbeitet Duerr Mythen, ethnographische Beschreibungen, volkskundliche Studien über »traditionale« Verhaltensmuster, archäologische Funde, schriftliche Zeugnisse aus der Vormoderne sowie Klassiker der Wissenschaftsphilosophie. Größen wie Ludwig Wittgenstein und Victor Turner treffen in diesem Amalgamat auf den deutschen Volkskundler und »Hexenprofessor« Will-Erich Peuckert, den anthropologisch geschulten Guru Carlos Castañeda oder den umstrittenen Nordamerika-Ethnologen Werner Müller. Was aber ist die zentrale Einsicht aus dieser breiten Lektüre?
Tief beeinflusst von der Religionsphänomenologie Mircea Eliades,23 versammelte Duerr eine große Palette an zeitlich und geographisch weit gestreuten Phänomenen der Initiation, der Ekstase und der Grenzerfahrung, die sich, von ihren historischen und sozialen Kontexten isoliert, in einem spezifischen Zustand des menschlichen In-der-Welt-Seins überlagern: einem Moment der Auflösung bestehender Ordnungen und der durch sie begründeten Trennungen, der die Einsicht in das eigene Sein und die es umgebende Gesellschaftsform ermöglicht. Dieser Moment, in dem sich alle Unterschiede zugunsten einer holistischen Weltsicht verflüchtigen, in dem die Zeitlichkeit irrelevant und der Ursprung der eigenen Existenz erfahrbar wird – die »Traumzeit«, wie ihn die Aboriginal People nennen –, war titelgebend für die Publikation. Gestützt auf die ausgebreiteten Liminalitätserfahrungen konstatierte Duerr, »daß in der archaischen Mentalität der Zaun, die Hecke, die den Bereich der Wildnis von dem der Kultur trennte, nicht nur keine unüberwindliche Grenze darstellte, sondern daß dieser Zaun zu gewissen Zeiten sogar niedergerissen wurde« (S. 106f.). Symbolisch für den »archaischen« Grenzverkehr zwischen Natur und Kultur steht in seinen Überlegungen die Denkfigur der mittelalterlichen Hexe, der hagazussa, »die auf dem Hag, der Hecke, dem Zaun saß, der hinter den Gärten verlief und das Dorf von der Wildnis abgrenzte, und […] somit ein Wesen [war], das an beiden Bereichen teilhatte« (S. 81). Aus dem breiten Materialkorpus destillierte Duerr die im Untertitel des Buches anklingende These, dass die Grenze zwischen Natur und Kultur, »Wildnis« und »Zivilisation« auf dem Weg zur Moderne immer schärfer gezogen und das Überwinden des Zauns gesellschaftlich zunehmend sanktioniert worden sei, sodass »sich die Hecke, auf der einst die hagazussa hockte, zu einer Mauer verfestigt hatte, die mit der Grenze der Wirklichkeit zusammenfiel« (S. 108). Oder in den abstrakteren Worten, die Duerr (trotz seiner damaligen Geringschätzung des marxistischen Theoriegebäudes) andernorts wählte: »Eine Kultur wie die unsrige hat die Dialektik zwischen Zivilisation und Wildnis nicht verstanden, oder genauer gesagt, sie hat sie geopfert zugunsten eines Dualismus.«24 In der »Traumzeit« tritt die alles rational durchdringende, gewaltsam fragmentierende Ontologie der westlichen Moderne als Kontrastfolie zur ganzheitlichen »archaischen Mentalität« auf und rückt schlussendlich an ihre Stelle.
Nicht wenige der steilen kulturhistorischen Thesen oder der omnipräsenten mythologisierenden und primitivistischen Deutungsmuster ließen sich aus heutiger Sicht leicht angreifen oder gar als Ausdruck eines dumpfen Antimodernismus denunzieren. Eine solche, etwas engherzige Relektüre liefe aber Gefahr, die Pointe von Duerrs Ausführungen zu übersehen: Sie münden in den Entwurf einer an die hagazussa angelehnten wissenschaftlichen Subjektposition. Diese ist primär als Abgrenzung vom gefühlten Status quo der ethnologischen Wissenspraxis zu betrachten. Denn die Ethnologie war für Duerr mit dem expansiven Verhältnis durchsetzt, das die Moderne gegenüber allem und allen jenseits des Zauns – der im Verlauf der Argumentation neben den gesellschaftlichen auch die kulturellen Grenzen metaphorisch markiert – an den Tag lege. Im anthropologischen Verstehen machte Duerr deshalb eine Form der intellektuellen Unterwerfung aus: »[D]as Fremde gilt als verstanden, wenn es in die vertrauten Kategorien übersetzt ist. Man reißt ›draußen‹ irgendwelche Dinge an sich, setzt mit ihnen in die eigene Kultur über und baut sie, die Fugen verspachtelnd, in deren Zusammenhang ein.« (S. 202f., Hervorhebungen im Original) Dem wissenschaftlichen Personal, das diese gedankliche Bewegung vollziehe, wies Duerr dementsprechend die Rolle von »Einordnungskräften« beziehungsweise einer »intellektuellen Polizei« zu (S. 203). Den meisten Fachvertreter:innen fehlt, folgt man ihm, schlicht das nötige Feingefühl. »Wenn die Ethnologen kommen, so lautet ein haitianisches Sprichwort, verlassen die Geister die Insel« (S. 204), bemerkte Duerr trocken. Bei aller Lust an der Provokation verbirgt sich hinter solchen Aussagen eine grundlegende Kritik an einem umfassenden Objektivitätsanspruch, der subjektive Momente in der Feldforschung systematisch ausblendet, und eine Sensibilisierung für die Macht des ethnographischen (Be-)Schreibens, notabene vor der auf die ethnologischen Darstellungsmodi abzielenden Writing-Culture-Debatte.25
Wissenschaftler:innen vom Typ der hagazussa sollten im Gegensatz zu den »Einordnungskräften« nicht allein auf die gewaltsame Übersetzung des Erlebten verzichten, sondern den Grenzübertritt als solchen anstreben. Statt der »Eingliederung des Werwolfs in die intellektuellen Menagerien, die unsere Kultur bereitstellt« (S. 204), sollten sie lieber »mit den Werwölfen heulen« (S. 207). Das alternative Wissenschaftsverständnis zielt demnach nicht auf die bloße Beschreibung eines Phänomens, sondern auf die Teilhabe daran. Der Preis für derartige Innensichten könne sogar sein, folgerte Duerr, »daß wir die Fähigkeit, solche Erlebnisse auf eine allgemein einsichtige Weise darstellen zu können, opfern müssen, um die Fähigkeit zu erlangen, derartiges erleben zu können« (S. 208, Hervorhebungen im Original). Das Ziel einer so verstandenen Feldforschung ist folglich keine Ethnographie im eigentlichen Wortsinn mehr, sondern eine für sich stehende, tiefgreifende »Erfahrung jenes anderen Teiles der Wirklichkeit, dessen Erleben die Bedingung der Selbsterkenntnis des Ethnologen ist« (S. 169f., Hervorhebung im Original). Aus Duerrs Sicht durchlaufen die Ethnolog:innen bei diesen Erfahrungen, ähnlich wie in den von ihm herausgegriffenen Momenten des Übergangs und der Auflösung, durch die Begegnung mit dem »Fremden« eine Art Initiation in die eigene Lebensform (ebd.). Das teilnehmende Beobachten in einem unbekannten (Um-)Feld ist seinem Verständnis nach nur um den Preis der Selbsttransformation zu haben. Das entfaltete Ideal verschiebt den Akzent dadurch so konsequent vom Beschreiben, Kontextualisieren und Erklären hin zum Erleben, dass die intersubjektive Überprüfbarkeit als Grundbedingung wissenschaftlichen Arbeitens nicht mehr gegeben ist. Ferner entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass dieses Erleben von jemandem propagiert wurde, der erklärtermaßen »kein erfahrener Feldforscher« war26 und dem Buch vorausschickte, dass es vor allem auf dem basiere, was dem Autor »in den Bibliotheken von Los Angeles und anderen unglücklichen Orten widerfahren« sei (S. 12). Duerr hielt damit an der älteren kulturhistorischen Richtung der deutschen Ethnologie fest (und tut dies bis heute), die wegen der verstärkten Rezeption der englischen Social Anthropology und der US-amerikanischen Cultural Anthropology in den 1970er- und 1980er-Jahren zunehmend empirischen, gegenwartsorientierten und theoriegeleiteten Ansätzen wich.27
Die Akzentuierung des erfahrungshungrigen Ichs wurzelt in Duerrs romantischem Wissenschaftsideal. Der subjektzentrierte Grenzgang hatte für ihn – weit von spirituellen Motiven entfernt – einen erkenntnistheoretischen Hintergrund, zumal das Getöse der Relativismusdebatte seine frühe Publikationstätigkeit begleitete, die besonders durch Thomas Kuhns Inkommensurabilitätsthese und Paul Feyerabends radikalen Methodenrelativismus in Gang gebracht worden war. Dass Duerr dem Kritischen Rationalismus mit Skepsis gegenüberstand, dürfte spätestens bei einem Blick auf die kräftigen Seitenhiebe in den Fußnoten augenscheinlich werden. Erstaunlicher und erhellender ist der Umstand, dass er sich trotz seiner Sympathien für das ketzerische Potential des Relativismus, insbesondere in der Ausformulierung Feyerabends, nicht zu ihm bekennen wollte. Diese Zurückhaltung ergab sich aus der Ablehnung der ihm immanenten Annahme, dass unterschiedliche Gesellschaften und ihre Erkenntnissysteme letztendlich nicht verglichen werden könnten. Der wissenschaftliche Zaunritt war ein gedankliches Vehikel, mit dem sich neben der etablierten Ethnologie und dem rationalistischen Ernst auch diese Auffassung entschieden kritisieren ließ. »Solche Thesen«, schrieb Duerr mit Bezug auf die Inkommensurabilitätsthese Kuhns, »hindern einen daran, über die Grenzen vorzustoßen […]. Doch der Grenzgänger des Wissens ist weder von dieser noch von der ganz anderen Welt. Er ähnelt vielmehr der hagazussa, die auf dem Zaun sitzt, [der] die Welten trennt.« (S. 158, Hervorhebungen im Original)
Das Ideal eines »Grenzgängers des Wissens« basiert mithin auf der Grundüberlegung, dass kulturelle Grenzen – die Duerr als gegeben ansah, ohne sie näher zu bestimmen – passierbar und Personengruppen von außen verstehbar seien. Dabei setzte Duerr voraus, dass Ethnolog:innen immer in ihrer eigenen Existenzweise verankert bleiben und dies für das Fremdverstehen kein Defizit, sondern »geradezu die Bedingung der Erkenntnis« sei (S. 212, Hervorhebung im Original). Den Vertreter:innen eines ausgeprägten Relativismus warf er demgegenüber vor, die einzelnen Lebensformen zu isolieren und die aus seiner Sicht wünschenswerte Pendelbewegung zwischen ihnen auszuschließen. In der Bildsprache des Autors bedeutet das: »[S]ie verzementieren die Fugen ihrer eigenen Zivilisation und beschneiden das Unkraut in deren Ritzen.« (S. 160f.) Diese Haltung vereine das relativistische mit dem rationalistischen Lager (S. 167). Der Angst vor der Überquerung des Zauns (Rationalismus) und dem Zweifel an der Möglichkeit eines Übertritts (Relativismus) hält die »Traumzeit« den Appell entgegen, den erfahrungsgeleiteten Grenzverkehr der Hexen und Schamanen zu praktizieren, sprich das »archaische« Bewusstsein für die andere Seite zu erlangen.
Duerr wusste sehr gut, dass diese Wissenschaftskonzeption, die den gängigen disziplinären und epistemologischen Standpunkten zuwiderlief, in seinem Fach nicht nur auf Zustimmung stoßen würde. Am Ende seiner Erläuterungen kokettierte er mit ihren allfälligen Konsequenzen: »Gewiß drohen demjenigen, der es unternimmt, Grenzerfahrungen zu machen, mannigfache Gefahren und Schwierigkeiten, wobei die Gefahr, in der ›scientific community‹ nicht für voll genommen zu werden, sicherlich die geringste Gefahr sein wird.« (S. 210) Duerr bekam diese Gefahr, die er in der Pose der demonstrativen Gleichgültigkeit belächelte, selbst hautnah zu spüren: beim Versuch, sich mit der »Traumzeit« zu habilitieren. Nachdem dieser Plan in Zürich an den Textstellen gescheitert war, die darauf hinwiesen, dass der Autor halluzinogene Drogen genommen hatte – »und zwar nicht zu knapp«28 –, versuchte er sein Glück in Bern, wo ein emsiger Professor für Ur- und Frühgeschichte, alarmiert von den nackten Frauen auf dem Cover, einen offenen Brief an den Kanton schrieb, in dem er darauf aufmerksam machte, dass sich hier ein Anarchist und Sexualneurotiker zu habilitieren versuche, der nur Professor werden wolle, damit er sich an den Studentinnen vergreifen könne.29 Aus einem Schreiben Duerrs an Feyerabend von Ende 1979 geht hervor, wie groß die Schwierigkeiten gewesen sein müssen, im akademischen Betrieb Fuß zu fassen: »Jetzt haben mir auch wohlwollende Leute gesagt, ich sei ›akademisch ein toter Mann‹, überall Haßreaktionen von den Uni-Leuten auf mein Buch, und ich solle mich nach einer anderen Arbeitsmöglichkeit umsehen.«30 Als ob dies nicht schon genug gewesen wäre, rümpften selbst Teile des subkulturell angehauchten ethnologischen Nachwuchses die Nase angesichts der breiten Aufmerksamkeit, die der Veröffentlichung zuteilwurde.31 »Der Erfolg hat mich also nicht so sehr mit vielen Leuten zusammengebracht, sondern eher entfernt. Natürlich war absehbar, dass das Establishment abweisend reagieren würde, darum kümmerte ich mich nicht weiter. Doch selbst der Umgang mit den Gleichaltrigen, die in eine ähnliche Richtung schauten wie ich, oder zumindest nicht zu den Etablierten gehörten, war nicht leicht«,32 resümierte der Autor.
Obwohl die Habilitation schlussendlich 1981 an der Gesamthochschule Kassel gelang, allerdings im Fach Philosophie, konnte Duerr erst ab Beginn der 1990er-Jahre eine Professur an der Universität Bremen bekleiden, für neun Jahre.33 Die in der »Traumzeit« sowie den begleitenden Interviews und Essays feinsäuberlich aufgebaute Rolle des wissenschaftlichen Außenseiters blieb folglich keine bloße Projektion. Mit seiner Publikation hatte sich Duerr in der Tat zum Grenzgänger gemacht – nicht zwischen unterschiedlichen Lebensformen oder dem Innen und Außen der eigenen Gesellschaft, sondern an den Rändern des disziplinären Feldes. Dies hatte er mit anderen unkonventionellen Ethnologen der 1970er- und 1980er-Jahre wie Fritz Kramer, Hubert Fichte und Hans-Jürgen Heinrichs gemeinsam.34 Und von einer vergleichbaren Position aus legten Friedrich Kittler und Klaus Theweleit mit ihren literaturwissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten im selben Zeitraum ebenso experimentierfreudige wie kontrovers diskutierte Gegen-den-Strich-Lektüren vor.35 Trotz seiner Kosten und Risiken war der wissenschaftliche Grenzgang folglich kein Einzelfall.
Mit dem Verweis auf Duerrs eher unsicheren akademischen Status erübrigt sich die Frage nach der wissenschaftlichen Wirkung der »Traumzeit« keineswegs, kündigte sich in ihrer Absicht, den Zaun der modernen Rationalität analytisch zu überwinden, doch die Dezentrierung der westlichen Wissenschaft in der Wissensforschung an.36 Nach einer anfänglichen Pluralisierungseuphorie zeichnet sich gegenwärtig ein erneutes Bedürfnis ab, die forschungsleitende Kategorie des »Wissens« enger zu fassen.37 Obwohl diese Bewegung angesichts der jüngsten Konjunktur der Wissenschaftsskepsis und des alten Relativismusproblems nicht unverständlich ist, dürften eindeutige Abgrenzungen nur schwer möglich sein, weil selbst wissenschaftliche Erkenntnisproduktion im engen Sinne durchaus irrationale Momente kennt.38 Die »Traumzeit« ist nach wie vor aktuell, weil sie just um das zur Debatte stehende Spannungsverhältnis von Rationalem und Irrationalem kreist, oder die Frage nach dem Drinnen und Draußen des Zauns stellt, wie ihr Autor sagen würde. Sie trägt uns auf, die darin angelegten Widersprüche ohne disziplinäre Scheuklappen zu ergründen und rationale Wissensformen in Relationen zu anderen Formen des Deutens und Glaubens zu fassen. Wie das gelingen kann, zeigen jüngere Arbeiten aus der Ethnologie, die unter dem noch vagen Label des Ontological Turn gehandelt werden und sich der Vielzahl der Existenzweisen annehmen.39 Philippe Descola, ein wichtiger Stichwortgeber dieses Umfelds, hat argumentiert, dass der bereits von Duerr kritisierte westliche Natur-Kultur-Dualismus nur eine mögliche, historisch gewordene Ontologie sei, die neben anderen Formen der Umweltwahrnehmung stehe.40 Und seine Schülerin Nastassja Martin erkor just »die Grenzen, die Ränder, die Liminalität, die Übergangszone, die Zwischenwelt« zu ihrem Arbeitsgebiet, innerhalb dessen sie Descolas Ideen weiterdenken will.41
Die Themen und Motive der »Traumzeit« spielen in solchen Diskussionszusammenhängen offensichtlich weiterhin eine Rolle. Wichtiger als die inhaltlichen Impulse dieses Buches ist aber der dahinterstehende Wille zur Erschütterung vermeintlicher Gewissheiten, der, wie der Frühneuzeit-Historiker Achim Landwehr betont hat, auch eine kritische Geschichtswissenschaft ausmacht.42 Es kann produktiv sein, sich nicht immer ganz sicher zu fühlen, wann Wissen »wirklich« Wissen ist, um stattdessen seine variablen Bestimmungen, die damit verbundenen Deutungskämpfe und die wechselnden epistemischen Grenzziehungen herauszuarbeiten und zu historisieren. Indem Hans Peter Duerrs »Traumzeit« Einsichten in die spezifische Verfasstheit und Produktion von »Wissen« um 1980 bereithält, gibt das Buch weiter zu denken.
Anmerkungen:
1 Dieter Haller, Interview mit Hans Peter Duerr, Heidelberg, 9.8.2009, S. 5.
2 Zur frühen Rezeption vgl. Rolf Gehlen/Bernd Wolf, Vorwort, in: dies. (Hg.), Der gläserne Zaun. Aufsätze zu Hans Peter Duerrs »Traumzeit«, Frankfurt a.M. 1983, S. 7-13. Die beiden Autoren schätzten fünf Jahre nach der Erstausgabe rund 170 Besprechungen im deutschsprachigen Raum (ebd., S. 7).
3 Anhand der Akten der Herstellungsabteilung des Syndikat Verlags lässt sich nachvollziehen, dass bis 1983 sechs Auflagen (die vierte und sechste jeweils mit einem Nachdruck) und insgesamt 35.000 Exemplare der »Traumzeit« produziert wurden. Mein herzlicher Dank gilt Cornelia Gisevius vom Mainzer Verlagsarchiv an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Universitätsbibliothek, Abteilung Archive und Sammlungen, die mir diese Information und die Aufnahmen aus dem Typoskript äußerst unkompliziert zur Verfügung gestellt hat. Zum Verlag siehe auch Thomas Gepp/Berthold Petzinna, Der Syndikat-Verlag. Ein Rettungsboot der 68er-Linken in der Krise?, in: Berthold Petzinna, Agenturen der Politik. Deutsche Verlage im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2022, S. 399-422; Ines Barner, Syndikat, in: dies. u.a. (Hg.), Über Bücher. 101 Texte und Bilder für Michael Hagner, Göttingen 2025, S. 178-181.
4 Gehlen/Wolf, Vorwort (Anm. 2), S. 8.
5 Haller, Interview (Anm. 1), S. 6.
6 Florian Mühlfried, Unherrschaft und Gegenherrschaft, Berlin 2022, S. 8.
7 Helmut Schindler, Rezension, in: Tribus 29 (1980), S. 171-174, hier S. 171.
8 Seine Dissertation erschien in stark überarbeiteter und erweiterter Form bei Suhrkamp: Hans Peter Duerr, Ni Dieu – ni mètre. Anarchische Bemerkungen zur Bewußtseins- und Erkenntnistheorie, Frankfurt a.M. 1974, Tb.-Ausg. 1985. Die genannten biographischen Daten stammen aus dem Interview von Dieter Haller (Anm. 1), S. 1f., S. 7.
9 Hans Peter Duerr, Sedna oder Die Liebe zum Leben, Frankfurt a.M. 1984, S. 9.
10 Zu dieser zeithistorischen Konstellation vgl. Nils Güttler/Margarete Pratschke/Max Stadler (Hg.), Wissen, ca. 1980, Zürich 2016; Niki Rhyner/Nils Güttler/Max Stadler (Hg.), Gegen|Wissen, Zürich 2020.
11 Zu dieser Suchbewegung und dem von ihr angestoßenen »Ethnoboom« vgl. Peter Braun, Kraut und Rüben oder Der Bann des Vegetabilen. Leonore Mau und Hubert Fichte im Feld der deutschen Ethnologie zwischen 1975 und 1985, in: ders./Manfred Weinberg (Hg.), Ethno/Graphie. Reiseformen des Wissens, Tübingen 2002, S. 213-242, hier S. 217; Rosa Eidelpes, Gegenkultur. Zur Rolle der »Primitiven« für die Zivilisationskritik um 1900 und die »alternative Ethnologie« um 1980, in: Detlef Siegfried/David Templin (Hg.), Lebensreform um 1900 und Alternativmilieu um 1980. Kontinuitäten und Brüche in Milieus der gesellschaftlichen Selbstreflexion im frühen und späten 20. Jahrhundert, Göttingen 2019, S. 107-123.
12 Hans Peter Duerr, Auf dem Zaun oder zwischen den Stühlen, in: ders., Frühstück im Grünen. Essays und Interviews, Frankfurt a.M. 1995, S. 114-128, hier S. 119.
13 Ders., Romantische Ethnologie, in: ders., Satyricon. Essays und Interviews, Frankfurt a.M. 1985, S. 107-121, hier S. 114.
14 Ebd., S. 118.
15 Ebd., S. 119.
16 Ders., Schau durch das Klatschen einer einzigen Hand hindurch, in: ders., Satyricon (Anm. 13), S. 142-160, hier S. 143.
17 Ders., Auf dem Zaun (Anm. 12), S. 119.
18 Schindler, Rezension (Anm. 7), S. 172.
19 Paul Feyerabend, Briefe an einen Freund, hg. von Hans Peter Duerr, Frankfurt a.M. 1995, S. 60. Zu Feyerabends Wirken vgl. etwa Michael Hagner, Wider den Populismus. Paul Feyerabends dadaistische Erkenntnistheorie, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 14 (2017), S. 369-375; Philipp Sarasin, »Anything goes«. Paul Feyerabend und die etwas andere Postmoderne, in: Geschichte der Gegenwart, 11.9.2019.
20 Wendy Doniger O’Flaherty, Reality With Witches in It, in: New York Times, 8.9.1985, S. 12 (Rezension).
21 Joseph Agassi, The Place of Sparks in the World of Blah∗, in: Inquiry 24 (1981), S. 455-469, hier S. 462 (Review Discussion). Duerr zitierte in der »Traumzeit« sowohl Arbeiten von Wendy Doniger als auch von Joseph Agassi.
22 Hier deutet sich bereits Duerrs fünfbändige Auseinandersetzung mit Elias an. Zu dieser Kontroverse vgl. Kenneth Anders, Die unvermeidliche Universalgeschichte. Studien über Norbert Elias und das Teleologieproblem, Opladen 2000; Michael Hinz, Zur Affektgeladenheit und zum Bedeutungswandel des Zivilisationsbegriffs. Norbert Elias, Wilhelm E. Mühlmann und Hans Peter Duerr im Vergleich, in: Annette Treibel/Helmut Kuzmics/Reinhard Blomert (Hg.), Zivilisationstheorie in der Bilanz. Beiträge zum 100. Geburtstag von Norbert Elias, Wiesbaden 2000, S. 71-103; Matthias Schloßberger, Rezeptionsschwierigkeiten. Hans Peter Duerrs Kritik an Norbert Elias’ historischer Anthropologie, in: Leviathan 28 (2000), S. 109-121.
23 Duerr gab Eliade zu Ehren gleich drei Sammelbände heraus: Hans Peter Duerr (Hg.), Sehnsucht nach dem Ursprung. Zu Mircea Eliade, Frankfurt a.M. 1983; ders. (Hg.), alcheringa oder die beginnende Zeit. Studien zu Mythologie, Schamanismus und Religion, Frankfurt a.M. 1983; ders. (Hg.), Die Mitte der Welt. Aufsätze zu Mircea Eliade, Frankfurt a.M. 1984.
24 Ders., Romantische Ethnologie (Anm. 13), S. 108 (Hervorhebung im Original).
25 James Clifford/George E. Marcus (Hg.), Writing Culture. The Poetics and Politics of Ethnography, Berkeley 1986. Für einen Überblick zu den Themen und Positionen, die die sozialwissenschaftliche Methodendebatte seither nachhaltig mitbestimmen, vgl. auch Eberhard Berg/Martin Fuchs (Hg.), Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation, Frankfurt a.M. 1993, 4. Aufl. 2016.
26 Duerr, Auf dem Zaun (Anm. 12), S. 123.
27 Zur Transformation der bundesdeutschen Ethnologie in diesem Zeitraum vgl. Dieter Haller, Die Suche nach dem Fremden. Geschichte der Ethnologie in der Bundesrepublik 1945–1990, Frankfurt a.M. 2012, S. 217-240; Thomas Bierschenk/Matthias Krings/Carola Lentz, World Anthropology with an Accent. The Discipline in Germany since the 1970s, in: American Anthropologist 118 (2016), S. 364-375.
28 Haller, Interview (Anm. 1), S. 5.
29 Ebd.
30 Feyerabend, Briefe (Anm. 19), S. 77.
31 Vgl. etwa die hämischen Rezensionen im Trickster 3 (1979), S. 54, und 4/5 (1980), S. 93. Das Entgelt für die Werbeannonce (s.o., Abb. 2) nahm die Zeitschrift aber offenbar dennoch gern.
32 Haller, Interview (Anm. 1), S. 5.
33 Ebd., S. 8. Auch Thomas Hauschild hielt fest, dass Duerrs »Versuche, im akademischen Beruf Fuß zu fassen, […] letztlich Episoden« blieben (Thomas Hauschild, Heiliger Sex, in: ZEIT, 1.10.2020, S. 51).
34 Zu diesen Fachvertretern, ihrem Wissenschaftsstil und seinen genealogischen Vorläufern vgl. Stefan Wellgraf, Die surrealistische Avantgarde. Randfiguren der deutschen Ethnologie der 1970er und 1980er Jahre, in: Katrin Amelang/Silvy Chakkalakal (Hg.), Abseitiges. An den Rändern der Kulturanthropologie, Berlin 2015, S. 54-67; Stefan Wellgraf/Anja Schwanhäußer, Ethnografischer Surrealismus. Versprechen und Stil einer »wilden« Ethnologie, in: Claudia Mareis/Christof Windgätter (Hg.), Wild Thing. Unordentliche Prozesse in Design und Wissenschaft, Berlin 2018, S. 77-100; Anja Schwanhäußer/Stefan Wellgraf, From Ethnographic Surrealism to Surrealist Ethnographies, in: Reconstruction. Studies in Contemporary Culture 15 (2015) H. 3.
35 Friedrich Kittler, Aufschreibesysteme 1800/1900, München 1985; Klaus Theweleit, Männerphantasien, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1977/78. Siehe dazu auch Sven Reichardt, Klaus Theweleits »Männerphantasien« – ein Erfolgsbuch der 1970er-Jahre, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 3 (2006), S. 401-421.
36 Zur Relativierung des westlichen Wissenschaftsideals im zeithistorischen Kontext vgl. Fabian Grütter u.a., Lokales Wissen. Clifford Geertz: Local Knowledge (1983), in: Monika Wulz u.a. (Hg.), Deregulation und Restauration. Eine politische Wissensgeschichte, Berlin 2021, S. 163-177.
37 Vgl. etwa Philipp Sarasin, Wie breit darf es denn sein? »Wissen« und kein Ende, in: Sandra Bärnreuther/Maria Böhmer/Sophie Witt (Hg.), Feierabend? (Rück-)Blicke auf »Wissen«, Zürich 2020, S. 17-23.
38 Zum Verhältnis von Wissenschaft und (Ir-)Rationalität vgl. überblicksartig Stefan Beck, Rationalität – Wissenschaft – Technik, in: ders./Jörg Niewöhner/Estrid Sørensen (Hg.), Science and Technology Studies. Eine sozialanthropologische Einführung, Bielefeld 2012, S. 221-244.
39 Dieses intellektuelle Projekt speist sich wesentlich aus den Arbeiten von Roy Wagner, Marilyn Strathern, Eduardo Viveiros de Castro und Bruno Latour. Für eine programmatische Konturierung, die zugleich eine Auseinandersetzung mit diesen Denker:innen ist, vgl. Martin Holbraad/Morten Axel Pedersen, The Ontological Turn. An Anthropological Exposition, Cambridge 2017, und für einen ersten Übersetzungsversuch in die Geschichtswissenschaft Caroline Arni, Nach der Kultur. Anthropologische Potentiale für eine rekursive Geschichtsschreibung, in: Historische Anthropologie 26 (2018), S. 200-223.
40 Philippe Descola, Jenseits von Natur und Kultur. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Mit einem Nachwort von Michael Kauppert, Berlin 2011.
41 Nastassja Martin, An das Wilde glauben. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer, Berlin 2021, hier S. 116. Vgl. zudem das inzwischen erschienene Nachfolgewerk: dies., Im Osten der Träume. Antworten der Even auf die systemischen Krisen. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer, Berlin 2024.
42 Achim Landwehr, Die Kunst, sich nicht allzu sicher zu sein. Möglichkeiten kritischer Geschichtsschreibung, in: WerkstattGeschichte 61 (2012), S. 7-14.
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