1/2014: Offenes Heft

Aufsätze | Articles

Wie für viele neue Staaten und »Entwicklungsländer« in der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg spielten transnationale Dynamiken des Wissenstransfers auch für das 1948 gegründete Israel eine wichtige Rolle. Eine geradezu staatstragende Funktion kam dabei der entstehenden Raumplanung zu. Die israelischen Planungseliten waren durch ihr Studium und durch Grundannahmen des »Social Engineering« eng mit der deutschen Wissenskultur und speziell mit der Raumordnung verflochten – auch über die Zäsur von 1945 hinweg. Der Aufsatz untersucht die Rezeption der Theorie »zentraler Orte« im Kontext des ersten, meist als »Sharonplan« bezeichneten israelischen Nationalplans von 1951. Die 1933 durch Walter Christaller publizierte Theorie hatte auch einen konzeptionellen Eckpfeiler des »Generalplans Ost« gebildet, den die SS bzw. der »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums« (RKF) nach 1939 zur »Germanisierung« der eroberten Ostgebiete entwickelt hatte. Die Ambivalenz der israelischen Rezeptionslinie wird anhand der Biographien dreier Planer geschildert (Eliezer Brutzkus, Artur Glikson, Ariel Kahane).

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Transnational Paths of Spatial Planning. The Israeli National Plan of 1951 and Its Reception of the ›Central Place‹ Theory

Similarly as in many new states and ›developing countries‹ in the era after World War II, transnational knowledge transfer was of fundamental importance for the State of Israel, founded in 1948. In this context, politicians and planners regarded the emerging discipline of spatial planning as essential for state-building. In terms of their academic backgrounds and their basic assumptions regarding ›social engineering‹, the Israeli planning elites were strongly influenced by the German culture of knowledge, especially its concept of Raumordnung – even beyond the caesura of 1945. The article examines the reception of the ›Central Place‹ Theory within the framework of the first Israeli National Plan of 1951, commonly known as the ›Sharon Plan‹. The theory, originally published in 1933 by Walter Christaller, had been a conceptual cornerstone of the Generalplan Ost (›General Plan for the East‹), which the SS respectively the Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums (RKF, ›Reich Commissioner for the Strengthening of Germandom‹) had developed after 1939 with the aim of ›Germanising‹ the conquered Eastern territories. The article outlines the ambivalence of the Plan’s reception in Israel by tracing the biographies of three planners (Eliezer Brutzkus, Artur Glikson, Ariel Kahane).

Die Arbeitsumstände der westlichen Korrespondenten, die während des Ost-West-Konflikts aus der Hauptstadt der Sowjetunion berichteten, waren ein alltäglicher Ausdruck gerade jener widersprüchlichen politischen Entwicklungen, über die sie eigentlich informieren wollten, zu denen ihnen aber oft der Informationszugang und die erforderlichen Übermittlungswege versperrt waren. Der Beitrag beleuchtet die Hindernisse, mit denen die Journalisten um 1960 zu kämpfen hatten und die ihnen selbst nur in zweiter Linie berichtenswert erschienen. Wie gingen die Journalisten an der Schnittstelle zwischen Ost und West mit solchen Schwierigkeiten um? Wenn man die Tätigkeit der westlichen, speziell der westdeutschen Korrespondenten in Moskau näher betrachtet, wird es möglich, ein vielschichtiges und präzises Bild des Ost-West-Konflikts jenseits der außenpolitisch-diplomatischen Ebene zu erhalten sowie die in den westlichen Medien verbreiteten Nachrichten als kontextgebundene Produkte zu analysieren.

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›The War of Nerves Has Meanwhile Intensified‹. Western Moscow Correspondents in the Krushchev Era and Changes in Censorship Practices around 1960

The circumstances under which Western correspondents reported from the capital of the Soviet Union during the Cold War were an everyday exemplification of precisely those contradictory political developments which they wanted to report, but often could not – due to a lack of access and of transmission possibilities. The article examines how the journalists struggled with these obstacles, which they considered newsworthy only secondarily, at a key intersection between East and West. Scrutinising the activities and interactions of Western – and especially West German – correspondents in Moscow exposes a multi-layered picture of the Cold War beyond the levels of foreign policy and diplomacy. Moreover, it enables us to analyse the news reported in Western media as products of a specific context.

Die Automatisierung der industriellen Produktion hat innerhalb der Geschichtswissenschaften bislang erstaunlich wenig Aufmerksamkeit gefunden. An einem Fallbeispiel, der Halle 54 bei Volkswagen in Wolfsburg, widmet sich der Aufsatz den Grenzen der (Voll-)Automatisierung, wie sie in den 1980er-Jahren sichtbar wurden. Die Halle 54, eröffnet 1983, wurde zeitgenössisch als »Modell des technischen Fortschritts« bezeichnet. Hier hatte VW in einem weltweit beachteten Versuch die komplizierte Endmontage zu 25 Prozent automatisiert. Die anfangs gefeierten Roboter erwiesen sich jedoch schnell als fehlerhaft. Der Beitrag analysiert insbesondere das Mensch-Maschine-Verhältnis und dessen damalige Bewertung. Das Fallbeispiel verdeutlicht zum einen die aufgeregten Diskurse der 1980er-Jahre um eine scheinbare Wiederentdeckung menschlicher Überlegenheit gegenüber der Maschine; zum anderen zeigt es die Grenzen der Vollautomatisierung in der Endmontage, die bis heute als zu schwierig für Roboter gilt. Gleichwohl führten diese Erfahrungen nicht zu einer prinzipiellen Abkehr von der Automatisierung, sondern vielmehr zu einer »angepassten Automatisierung«.

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Volkswagen's Hall 54 and the Limits of Automation. Thoughts on the Relationship between Man and Machine in the Industrial Production of the 1980s

The automation of industrial production has received surprisingly little attention among historians. Based on a case study of Hall 54 at the Volkswagen plant in Wolfsburg, this article considers the limits of (complete) automation in the 1980s. Hall 54, opened in 1983, was at the time heralded as a ›model of technological progress‹. In a move followed with great interest around the world, VW promised to automate 25 percent of the complicated final assembly. However, the robots, initially celebrated, quickly proved deficient. This paper analyses the relationship between man and machine and how it was assessed at the time. The case study illustrates the ostensible rediscovery of human superiority compared to machines and shows the limits of complete automation in final assembly, which to this day is considered too complicated for robots. Nevertheless, these experiences did not lead to the renunciation of automation in principle, but rather to an ›adjusted automation‹.

Bildessay | Visual Essay

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Debatte | Debate

Quellen | Sources

  • Stephan Scholz

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    Fotografien in der medialen Erinnerung an Flucht und Vertreibung

  • Klaas Voß

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