- Systemische Vulnerabilität und Überlebensfähigkeit: Stress und Resilienz
- Stressforschung als »neue integrative Disziplin«
- Resilienz: Bruchstelle oder Schwelle?
Ort: London in den 1970er-Jahren. Filmplot: Nach einem Mordanschlag liegt der zutiefst zivilisationsmüde Schriftsteller John Morlar auf der Intensivstation einer städtischen Klinik im Koma. Er hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten und ist an lebenserhaltende Geräte angeschlossen. Aufzeichnungsapparaturen überwachen seine Lebensfunktionen. Die wichtigste Zeugin in dem Fall ist Dr. Zonfeld, die Psychiaterin, bei der Morlar in Behandlung war. Von ihr erfahren wir, dass Morlar überzeugt davon war, Katastrophen willentlich auslösen zu können. Sie betreffen fast durchweg fatale Zwischenfälle in großtechnischen Systemen. In Vorwegnahme der Ereignisse vom 11. September 2001 wird ein Verkehrsflugzeug in ein Hochhaus gelenkt. Live verfolgen wir das Desaster einer NASA-Raumfahrtmission, die im Film bezeichnenderweise »Achilles« genannt wird und auf den gescheiterten Apollo-13-Flug von 1970 anspielen dürfte. Aber auch in den ehrwürdigen Gemäuern Londons tun sich tiefe Risse auf. Während einer Benefizveranstaltung zur Fassadenrestaurierung, zu der auch die Queen anreist, stürzt die Kathedrale von Westminster über der Gemeinde zusammen. Morlars gehortete Zeitungsausschnitte über weltweite verheerende Ereignisse der vergangenen Jahre füllen mehrere Alben. Kommissar Brunel blättert darin und sagt nachdenklich: »Überschwemmungen, Tornados, Erdbeben, Massaker, Aufruhr, Metzeleien, Morde, Hungersnöte, Flugzeugabstürze: nichts als Katastrophen. [...] Wenn man das alles so gesammelt sieht, wird einem klar, mit wie vielen Katastrophen wir leben.«Der Film »The Medusa Touch«, deutsch »Der Schrecken der Medusa«, kam 1978 in die Kinos.[1] Dem antiken Medusen-Mythos zufolge ließ der Anblick des Gorgonenhauptes mit seinem wirren Schlangenhaar jeden Betrachter zu Stein erstarren. Über den Tod hinaus blieb der mörderische Schrecken der Medusa gewahrt. Ob als Trophäe des Perseus, der das abgeschlagene Medusenhaupt gegen seine Feinde einsetzte, oder als anhaltende Gehirnaktivität Morlars, der im Zustand des klinischen Lebenserhalts verharrt: Der Bann der Medusa, so die Filmbotschaft, wirkt nach. Vergeblich reißt der Kommissar dem Patienten die Beatmungsgeräte vom Leib. Wie vor der Medusa erstarrt Brunel schließlich vor dem Monitor, der die immer heftigeren Ausschläge in Morlars Gehirn aufzeichnet. Wie seismographisch bildet das Elektroenzephalogramm (EEG) die Erschütterungen der im selben Moment einstürzenden Kathedrale nach, deren Bilder von der BBC live in die Klinik übertragen werden.
Der Film verdeutlicht, dass Katastrophen in der westlichen Welt des 20. Jahrhunderts vor allem Ausfälle der Infrastruktur- und Versorgungssysteme bezeichnen. Seit dem 19. Jahrhundert gelten diese als Inbegriffe moderner Planungsprojekte, die Mitte des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt in den Ideen kybernetischer Regulation und Steuerung entfalteten.[2] Infrastruktursysteme bilden das Substrat der Moderne, ihr unsichtbares Fundament. Modern zu sein heißt dem Wissenschafts- und Technikforscher Paul Edwards zufolge, nicht nur mit, sondern in Infrastrukturen zu leben.[3] Meist erscheinen uns diese Systeme und ihre Routinen, wie die Wissenschaftsforscherin Susan Leigh Star es ausdrückte, »mundane to the point of boredom«.[4] Sie verlieren ihre Banalität erst im Moment des Zusammenbruchs, der ihre inneren Strukturen und Mechanismen zum Vorschein bringt.
»Der Schrecken der Medusa« entblößt die Anfälligkeit moderner technischer und auch institutioneller Infrastrukturen wie Schule, Kirche, Ehe und Justiz. Das Katastrophenmanagement bleibt nachsorgend: Räum- und Einsatzkommandos, Zivilschutz, polizeiliche Ermittlungen, medizinische Erstversorgung und technischer Lebenserhalt. Nicht zuletzt verweist die stete, aber vergebliche Arbeit der Therapeutin auf die Brüchigkeit des modernen Selbstverständnisses. Die Medusa, so die Botschaft, bedeutet keineswegs den Ausbruch aus der Normalität, sondern zeigt eine historische Situation an, in der Krisen und Katastrophenbewältigung an der Tagesordnung sind. Lange vor Ulrich Beck haben wir es gewusst: Die Moderne hat, geradeso wie die Filmfigur John Morlar, »a gift for disaster«, ein Händchen für Großschadenslagen aller Art. Becks Zeitdiagnose der Selbstbedrohungspotentiale moderner Gesellschaften zufolge ist die »Risikogesellschaft [...] eine katastrophale Gesellschaft. In ihr droht der Ausnahmezustand zum Normalzustand zu werden.«[5]
Sieht man von Becks eindimensionalem, homogenem und universalem Risikobegriff einmal ab, der selbst Gefahr läuft, einer funktionalistischen, zeit- und ortsunabhängigen Logik zu folgen, lässt sich die Moderne durchaus als Zustand »systemischer Vulnerabilität« beschreiben.[6] Die immer komplexeren Infrastrukturen, die mit dem Versprechen der fortwährenden Überwachung und Kontrolle entwickelt wurden, brachten doch immer neue Anfälligkeiten mit sich. Insofern heißt modern zu sein, dass es nicht mehr Zufälle sind, die in die gewohnten Ordnungen einbrechen, sondern Unfälle, Ausfälle und Notfälle, sichtbar gewordene ›Risse‹ im modernen Gesellschaftsvertrag mit der Natur.[7] Paul Virilio spricht vom »integralen Unfall«: Ob Blackout, Börsencrash oder Bevölkerungsexplosion, ob Stau oder Super-GAU, Server-Breakdown, nervous breakdown oder neuerdings der »Klimakollaps« – das Systemversagen ist das Erwartbare geworden, welches das Zufällige in Frage stellt.[8]
In diesem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, wie das Denken im System den Umgang mit Störungen und Belastungen, Krisen und Katastrophen seit den 1970er-Jahren veränderte. Ich folge der These, dass systemtheoretische Ansätze, angelehnt an kybernetische Konzepte des Kalten Kriegs, eine neue Haltung zum Kontrollverlust ermöglichten. Systeme sollten durch das flexible Zusammenwirken ihrer Elemente und Funktionen schnell auf Störungen jeder Art reagieren und sich neu organisieren können. In ihrer Struktur und ihren Regeln waren sie so abstrakt und zugleich so umfassend konzipiert, dass sie auf so unterschiedliche Formationen wie Transport- und Kommunikationssysteme, Nerven- und Finanzsysteme sowie Gesellschafts- und Ökosysteme bezogen werden konnten. Sie beruhten auf Versorgungsinfrastrukturen, die auf dieselbe Art und Weise funktionierten oder kollabierten. Am Beispiel der Systematisierung der menschlichen Persönlichkeit und der irdischen Umwelt möchte ich nachzeichnen, wie sich ein Ideal flexibler und anpassungsfähiger Systeme herausbildete, die auch unberechenbare, diskontinuierliche Veränderungen bewältigen sollten. Ob menschliche, umweltliche oder technische Systeme – das einkalkulierte Systemversagen wurde zur Bedingung für die Selbstoptimierung des Systems. Das Versagen wurde nicht mehr als ein das moderne Selbstverständnis unterlaufendes Problem aufgefasst, sondern als Motor der Evolution.
1. Systemische Vulnerabilität und Überlebensfähigkeit:
Stress und Resilienz
Das neue Systemverständnis wird in den empathischen Beobachtungen deutlich, die der Philosoph und Theologe Ivan Illich (1926–2002) kurz vor seinem Tod zur »A-mortalität« im »Zeitalter der Systeme« anstellte: »Um das zu illustrieren, könnte ich den Computer hochfahren und dir zeigen, was ein Crash ist, der Zusammenbruch eines Zustandes. Oder ich könnte dich in eine Intensivstation mitnehmen, wo über dem Patienten der Monitor der Hirnströme läuft und beobachtet wird, wann diese flach werden.«[9] Man könnte meinen, Illich habe sich direkt auf den Medusenfilm bezogen, wenn er A-mortalität als Bedingung und Effekt des Aufrechthaltens systemischer Zustände beschrieb: »Sterblichkeit und so etwas wie ein Immunsystem mit einer beschränkten Überlebenswahrscheinlichkeit oder ein Immunsystem, das noch nicht zusammengebrochen ist, haben nichts gemeinsam.«[10]
Das Maß für die systemische Überlebenswahrscheinlichkeit heißt Resilienz. Diese beschreibt die Fähigkeit eines Systems, akute Störungen und Stresssituationen zu bewältigen. Resilire ist der lateinische Ausdruck für federn, abprallen, zurückspringen.[11] Sein Gegenbegriff ist stringere, anspannen. Im mechanischen Sinne sind Anspannung bzw. Stress und Abfederung bzw. Resilienz direkt verwandt. In den folgenden Abschnitten werde ich kurz darlegen, wie stress und resilience zuerst in der englischen Werkstoffmechanik des 19. Jahrhunderts verwendet und dabei systematisch auf das Bedeutungsfeld der Elastizität bezogen wurden. Im 20. Jahrhundert wanderten Stress und Resilienz in die Physiologie, Psychologie und Ökologie und schließlich zurück in die Ingenieurwissenschaften. Der Zusammenhang von Stress- und Resilienzforschung in den verschiedenen Disziplinen ist jedoch bis auf die Materialforschung keineswegs evident. Es wird deshalb darum gehen, das chronologische und das disziplinäre Ineinandergreifen der Begriffe sowie die Ausdifferenzierung ihrer Bedeutungen nachzuzeichnen. Auf diese Weise möchte ich zeigen, wie es möglich wurde, dass Stress und insbesondere Resilienz auf so unterschiedliche Größen wie die Persönlichkeit als affektprozessierendes System, die Umwelt als belastetes Ökosystem und die Gesellschaft als soziotechnisches System bezogen werden konnten.
Während die Verwundbarkeitsstudien der Katastrophenforschung tendenziell auf Opfergeschichten hinausliefen, nahm die Resilienzforschung die entgegengesetzte Blickrichtung ein. Sie passte Störungen, Risiken und Unwägbarkeiten in das Selbstverständnis der Moderne ein und gab damit einer neuen Utopie der Beharrlichkeit Ausdruck. Resilienzforschung war immer auch Verträglichkeits- oder Erträglichkeitsforschung. Unfälle, Ausfälle und Notfälle ließen sich als Testfälle in die Entstehung und Entwicklung resilienter Systeme integrieren; sie stellten die Belastbarkeit und Fehlertoleranz von Systemen auf die Probe, um ihre Sicherheit und Überlebenswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Das resiliente System folgte dabei nicht dem linearen Ideal der Erholung, sondern es ging in neue stabile Konfigurationen über. Als multistabiles System war das resiliente System zwar exponiert und angreifbar, aber, wie die Medusa, nicht mehr zerstörbar. Diese Beharrlichkeit, die explizit als Antwort auf die Frage der Vulnerabilität moderner Gesellschaften und ihrer Umwelten formuliert wurde, war und ist ambivalent. Das Resilienzkonzept nahm zum einen eine problematische »Verkürzung von Leben auf Überleben« vor, wie es Wolfgang Sachs für die »Natur als System« treffend formulierte.[12] Zum anderen lud die Vorstellung der Unverwundbarkeit zu immer neuen Zumutungen und zu einer gleichsam opportunistischen Risikobereitschaft ein.
Die vorgestellten systemtheoretischen Ansätze, die im Rückgriff auf das frühe 19. Jahrhundert Stress und Resilienz in der Figur des multistabilen Systems verknüpften und sich seit den 1950er-Jahren in der Psychologie sowie seit den 1970er-Jahren in der Ökologie nachweisen lassen, sind westeuropäischer und amerikanischer Herkunft. Sie beschränken die Reichweite meines Beitrags insofern, als diese neu entwickelten systemischen Konzepte der Vorsorge und Absicherung keineswegs global geteilt wurden, sondern in bereits vorhandene Sicherheitskonzepte des Westens und besonders der USA in der Zeit des Kalten Kriegs eingelagert waren.[13] Die entsprechende Geschichte des Wandels von Sicherheitsparadigmen in der nicht-westlichen Welt bleibt weiter zu erforschen.
2. Stressforschung als »neue integrative Disziplin«
1976 erschien in der Zeitschrift »BioScience« ein programmatischer Artikel mit dem Titel »Stress Ecology«.[14] Mit Bezug auf den Mediziner Hans Selye und sein älteres, populäres Buch »The Stress of Life«[15] formulierten die Autoren, darunter der Begründer der US-amerikanischen Systemökologie Eugene Odum (1913–2002), eine neue, der Ökologie angemessene Definition von Stress als Systemstörung. Selye hatte mit dem Begriff Stress die psychosomatischen Reaktionen eines Körpers auf nicht spezifisch induzierte Veränderungen beschrieben. Ähnlich sollte das »Stress-Syndrom« eines Ökosystems den Systemzustand aufgrund von Veränderungen zusammenfassen, die entweder systemfremd (z.B. eine invasive Spezies) oder dem System eigen sein konnten (z.B. Wasser), aber exzessiv auftraten. In einem Zehn-Punkte-Plan listeten die Verfasser ihre Empfehlungen auf, um Ökosystemstörungen und -reaktionen künftig zu testen, zu bewerten und vorherzusagen. Am Ende des Programms sollte das integrative Forschungsfeld der Stressökologie mit neuen experimentellen Methoden und Ausbildungsgängen stehen. Das Ziel war es, Problemlösungen für bereits zu beobachtende und noch zu erwartende Umweltprobleme zu entwickeln.[16]
Mit Blick auf die anstehenden Aufgaben, so die Autoren, seien sowohl monodisziplinäre als auch fragmentierte und multidisziplinäre Ansätze der Stressforschung ein Luxus, den man sich nicht mehr leisten könne. Um die bislang noch zu wenig verstandenen Schnittstellen zwischen natürlichen und anthropogenen sozio-ökonomischen Systemeffekten angemessen zu erfassen, schlugen die Autoren vor, Störungsstudien, Stress-Evaluationen und Auswirkungsanalysen mit speziell geschultem Personal aus der Biologie und Physik wie aus der Soziologie durchzuführen. Solche Studien könnten Grundlagen- und Anwendungsbereiche der Forschung ausbalancieren sowie die Interaktion von Wissenschaft mit Praxisfeldern der Politik und der Industrie fördern.[17] Wissenschaft und Technik hätten sich so ausgiebig mit immer detaillierteren Systemkomponenten beschäftigt, dass sie darüber die Synthese vernachlässigt hätten. Ökosysteme seien das beste Beispiel für das zu wenig beachtete »Funktionsganze« (»functional wholes«).[18] Aus diesem Grunde seien so großmaßstäbliche und langfristige Probleme wie Umweltverschmutzung oder sozialer Aufruhr nicht gelöst worden. Dazu sei eine »Neue Ökologie« (»New Ecology«) erforderlich, die keine neue Interdisziplin (»interdiscipline«), sondern eine »neue integrative Disziplin« sein solle, gestützt durch Wissenschaftlerteams, die unterschiedliche Fähigkeiten in sich vereinten. Mit ihrem Programm setzten sich die Autoren auch von der kybernetischen Engführung auf neue Tools und technologische Infrastrukturen ab. Die künftige Wissenschaft müsse Holismus und Reduktionismus verbinden, wenn ihre Anwendungen dem Wohle der Gesellschaft dienen sollten.[19]
Dementsprechend adoptierte der Vorschlag der Ökologen nicht schlicht ein medizinisches Stress-Konzept zur Beschreibung umweltlicher Prozesse. Er war vor allem Ausdruck eines neuen Verständnisses der Natur als flexibles und anpassungsfähiges System, das auch willkürliche und diskontinuierliche Veränderungen bewältigen sollte. Was hier so programmatisch formuliert wurde, veränderte die Systemanforderungen und den Systembegriff selbst. In den 1970er-Jahren wurde der bisherige Idealzustand, das stabile Ökosystem, durch ein komplexeres Verständnis eines multistabilen Systems abgelöst, in dem mehrere Gleichgewichtszustände funktional sein konnten. Die Fähigkeit der anthropogen gestressten Umwelt, effektiv zu reagieren und in neue Gleichgewichte zurückzufinden, wurde als Resilienz bezeichnet.
Um zu erklären, wie die amerikanischen Ökologen die systemtheoretische Wende mit den Begriffen von Stress und Resilienz vollziehen konnten, werden im Folgenden kurz die Herkunft und der Wandel der Konzepte von der Elastizität in der Materialforschung über die Anpassungsleistung in der Physiologie bis hin zum intrinsischen Schutz in der Psychologie und schließlich zur Multistabilität in der Stressökologie skizziert. Stress erschien dabei zunächst anschlussfähiger an andere disziplinäre Kontexte als Resilienz. Es wäre aber zu einfach abzuleiten, dass die genannten Disziplinen dieselben Fragen gestellt oder gar verwandte Phänomene untersucht hätten. Sie konnten jedoch ähnliche Antworten erwarten zu einer Zeit, in der die Systemwissenschaften in einem universalisierenden Gestus Festkörper, Organismen, soziale Organisationen, technische Infrastrukturen und natürliche Umwelten nach gleichen Prinzipien beschrieben. Stress und Resilienz waren »travelling concepts«,[20] die ihre jeweilige Bedeutung ihrem Verwendungszusammenhang anpassten.
Materialforschung: Elastizität. Jedem Ingenieur und jeder Physikerin ist der Zusammenhang zwischen Spannung (stress) und Dehnung (strain) bei der mechanischen Verformung eines festen Körpers geläufig. Seit gut 200 Jahren findet in der Bruchmechanik der Young’sche Modul oder Elastizitätskoeffizient Verwendung. Diese Materialkonstante beschreibt die spezifische Starrheit oder Steifheit eines Materials. Der britische Augenarzt und Physiker Thomas Young (1773–1829), der zwischen 1801 und 1804 seine Vorlesungen über »Natural Philosophy and the Mechanical Arts« an der Royal Institution of Great Britain in London hielt und Belastungs- und Ermüdungsversuche an Festkörpern durchführte, stellte die These auf, dass die Arbeit der Verformung im Material wie in einem Bogen gespeichert werde. Bleibe die Belastung innerhalb des linearen Elastizitätsbereichs, kehre der Festkörper ohne erkennbare Spuren wieder in seinen Ausgangszustand zurück.[21]
Als resilience bezeichnete Young die maximale Dehnungsenergie per Volumeneinheit, die das Material aufnehmen könne, bevor es zur plastischen Verformung, zum Riss und schließlich zum Bruch komme. Streng genommen verwendete Young den Begriff der Resilienz nicht für gleichmäßige, sondern für impulsartige Belastungen. Während die Festigkeit (strength) eines Materials die aufzuwendende Kraft bzw. die Spannung bis zum Bruch bezeichnete, beschrieb Resilienz die besondere Qualität eines Materials, Dehnungsenergie zu speichern und elastisch abzufedern, ohne zu brechen. Eine ledergefederte Kutsche, ein hölzerner Tanzboden oder die seilvertäute Ladung eines Schiffs im Sturm waren solche reichlich strapazierten Objekte seiner Zeit, die Young als Beispiele dienten. Diese Materialien besaßen die Eigenschaft, auch hohe und plötzliche Belastungen aushalten zu können.
Physiologie: Anspannung und Anpassung. Britische Studien zum Festigkeits- und Formänderungsverhalten von Werkstoffen lieferten somit die ersten Beiträge zur Stressforschung, lange bevor sich die Physiologie, Psychologie und Stressökologie des 20. Jahrhunderts den Strapazen des modernen Lebens zuwandten. Als Vater der Stressforschung gilt dennoch gemeinhin der bereits erwähnte österreich-ungarisch-kanadische Mediziner Hans Selye (1907–1982), der in den 1930er-Jahren endokrinologische Tierversuche anstellte und die dabei beständig auftretenden Reaktionen als »Allgemeines Adaptationssyndrom« oder »Stress-Syndrom« bezeichnete, wobei der Begriff der Resilienz keine Rolle spielte. In den 1950er-Jahren publizierte Selye seine Ergebnisse: Stress sei die psychosomatische Reaktion des Körpers auf schädliche Einflüsse als hormonell gesteuerte Anpassung. Die physiologische Stressreaktion erfolge in drei Phasen – Alarm, Widerstand durch Adaptation und nachhaltige Erschöpfung.[22]
Selye bezog sich insofern auf den Stressbegriff der physikalischen und ingenieurwissenschaftlichen Materialforschung, als er selbst mechanistische Prinzipien zur Deutung von Körperprozessen wie Abnutzung und Überlastung aufrief, etwa indem er das zu seiner Zeit populär werdende Automobil als Metapher für die instandzuhaltende menschliche Effizienz nutzte.[23] Sein Allgemeines Adaptationssyndrom verließ jedoch die medizinische Diagnostik von linearen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Selye legte ein komplexes Wechselspiel zwischen äußeren Einflüssen und inneren Reaktionen im Körper zugrunde; er sah eine Bandbreite von Abwehr- und Anpassungsmechanismen sowie Prozessen der Gewöhnung und Überforderung. Von der Erforschung der unspezifischen körperlichen Reaktionen, die sich erst zusammengenommen als spezifisches einheitliches Syndrom darstellten, erhoffte sich Selye nichts weniger als eine Revolution der Medizin. Sein Konzept war auch deshalb erfolgreich, weil es die Vorstellung eines durch Selbstregulierung aufrechtzuhaltenden Gleichgewichts des lebenden Organismus übernahm, die der US-amerikanische Physiologe Walter B. Cannon (1871–1945) in den 1930er-Jahren propagiert hatte. Auch Cannon rekurrierte auf die Spannungs-Dehnungs-Relation der Materialforschung, indem er die physiologischen »stresses and strains of homeostasis« betonte.[24]
Der Medizinhistoriker Cornelius Borck hat die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beobachtete Stressbelastung als »Pathologie der Flexibilisierung« bezeichnet. Gesellschaftliche und individuelle Spannungen und Dehnungen können demnach als Symptome der westlichen Wohlstandsgesellschaften der Nachkriegszeit verstanden werden, die durch ungeahnten Wirtschaftsaufschwung und einen rapiden Wandel der sozialen Ordnungen gekennzeichnet waren.[25] Die Krisenphänomene der 1970er-Jahre wären diesem Modell folgend als gesellschaftliche und umweltliche Erschöpfungserscheinungen zu deuten – nach dem Industrialisierungsschub, dem steigenden Rohstoffkonsum und dem Weltbevölkerungswachstum. Der Mensch, so formulierte es der amerikanische Ökologe G. Evelyn Hutchinson 1970, setze der Biosphäre mit »destructive temper tantrums«, mit seinen zerstörerischen Wutanfällen, auf eine nicht gekannte Weise zu und drohe die Mensch-Umwelt-Beziehung aus der Balance zu kippen.[26]
Psychologie: Vulnerabilität und intrinsischer Schutz. Ungeachtet der um 1970 artikulierten Warnungen vor der anthropogenen Umweltzerstörung hielt der französisch-amerikanische Mikrobiologe und Umweltforscher René Dubos (1901–1982) im Jahr 1976 eine Vorlesung an der Accademia Nazionale dei Lincei in Rom mit dem Titel »The Resilience of Ecosystems«. Darin behauptete er, Ökosysteme besäßen »ein beträchtliches Vermögen, sich von traumatischen Erlebnissen zu erholen, selbst wenn diese katastrophisch wirkten«.[27] Auf der Höhe der ökologischen Krisenwahrnehmungen in der westlichen Welt erklärte Dubos seinem Publikum, warum bezüglich der Schäden, die der Umwelt durch menschliches Handeln und insbesondere durch technologische Innovationen zugefügt würden, kein Pessimismus angebracht sei.
Dubos verwendete nicht zufällig den medizinisch-psychologischen Begriff des Traumas, um die der Natur zugefügten Verletzungen und ihre »Mechanismen der Selbstheilung« zu beschreiben, die wiederum »den homöostatischen Mechanismen des tierischen Lebens analog« sein sollten.[28] In den 1960er-Jahren kam Resilienz auch als Begriff für die Belastbarkeit mancher Menschen bei psychotraumatischen Erschütterungen wie Vertreibung oder familiären Verlusten auf. Augenscheinlich waren diese Menschen intrinsisch geschützt – durch eine elastische Struktur emotionaler Bindungskräfte sowie durch eine außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit an äußere Umweltbedingungen wie Naturkatastrophen, Kriegs- und Gewalterfahrungen.[29] Ähnlich wie das ›Wissen‹ des Festkörpers um seinen Ausgangszustand in den atomaren Bindungskräften seiner Struktur gespeichert war, so schienen sich Menschen angesichts katastrophaler Lebensereignisse einer Unverformtheit zu erinnern, die durch emotionale Bindungen gesichert wurde.
In den 1950er-Jahren hatte der amerikanische Psychologe Jack Block (1924–2010) ein Persönlichkeitskonstrukt entwickelt, das er »ego-resiliency« nannte. Es beschrieb seine Beobachtung, dass sich manche Personen – meist Kinder – überraschend unbeeindruckt gegenüber widrigen Umständen zeigten, die eigentlich psychopathologische Folgen hätten haben müssen. Diese Personen verhielten sich demnach auch robust gegenüber psychologischen Erwartungen, denn sie zerbrachen nicht an traumatischen Erfahrungen, sondern erholten sich schneller und vollständiger von solchen extremen Belastungen als andere. Blocks Konzept der Resilienz als stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das er 1950 in seiner Dissertation formulierte und über das er Anfang der 1960er-Jahre publizierte, stellte seiner eigenen Mutmaßung zufolge die erste Verwendung des Resilienzbegriffs in der Psychologie dar.[30]
Resilienz saugte bald andere, für ähnliche Beobachtungen verwendete Begriffe in Psychologie und Psychiatrie auf. Retrospektiv führte Block den Erfolg des Resilienzkonzepts auf die positive Konnotation zurück: »Die Begriffe ›stress-resistent‹ oder ›überlebensfähig‹ erschienen offenbar zu wenig anmutig […].«[31] Resilienz dagegen sei ein »Begriff für alle Fälle« geworden.[32] Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht: »Die ›resiliente‹ Person ist intrinsisch geschützt, die ›nicht resiliente‹ Person ist intrinsisch gefährdet.«[33] An der wuchernden Verwendung des Begriffs kritisierte Block, dass die klinische Definition der Resilienz nicht erkläre, warum ein Mensch akuten oder chronischen Stress ›überlebe‹.[34]
Stress und Resilienz passten sich in den neuen Verwendungszusammenhang der Psychologie ein, doch ihre Mechanik blieb sperrig. Resilienz, so ein jüngerer Einwand, sei gar nicht in der Lage, psychologische Erklärungen zu liefern, und sei daher eine unpassende und unproduktive physikalische Metapher. Ein elastischer Festkörper durchlaufe keinerlei Reifungs- oder Entwicklungsprozess, er habe keine Erinnerung und keine Lernfähigkeit. Und umgekehrt: Bei Menschen mit posttraumatischen Stressstörungen nach unerwarteten Extrembelastungen ›springe nichts zurück‹.[35] Gleichwohl lässt sich eine Tradition des Denkens in Begriffen der Flexibilität auch in der Psychologie ausmachen. Schon seit den 1930er-Jahren untersuchte der deutsche Psychologe Kurt Lewin (1890–1947) die »Elastizität« systemischer Grenzen. In seiner eng an die Naturwissenschaften, insbesondere an die Mathematik und Physik angelehnten »Feldtheorie« bestimmte die Anordnung psychologisch relevanter »Vektorkräfte« das individuelle Verhalten. Nach Lewin war dieses als eine Funktion des jeweiligen Kraftfelds oder persönlichen »Umfelds« zu beschreiben, in dem Vergangenes und auch Zukünftiges gespeichert seien und das Gegenwärtige bedingten.[36]
Der bereits erwähnte Jack Block, der Lewins Modelle aufnahm, verstand Resilienz als einen systemischen Begriff, der Umweltbedingungen einbezog, um die effektive situative Reaktion eines Individuums zu beschreiben. Neben die zügige Erholung von Belastungen und eine hohe Frustrationstoleranz trat hierbei die Fähigkeit zur persönlichen Veränderung und Anpassung je nach Kontextanforderung. Block unternahm den Versuch, Resilienzfaktoren zu bestimmen sowie Skalen und Metriken zu konzipieren, um individuelle Belastbarkeit auch quantitativ zu erfassen. In den 1980er-Jahren war er der erste, der mit der Ego Resiliency Scale ein Maß für die Resilienz junger Erwachsener zwischen 18 und 23 Jahren vorlegte. Ein Interviewbogen mit 14 Fragen, die nach dem Prinzip der Selbsteinschätzung zu beantworten waren, diente als Inventar zur Erfassung der mentalen Stabilität und Verarbeitungskapazität der Person. Anhand des Grades der Zustimmung zu solchen Aussagen wie »I am generous with my friends« oder »I like different paths to familiar places« bestimmte Block das Ausmaß der persönlichen Resilienz.[37] Die Persönlichkeit beschrieb er als ein »Affekt-prozessierendes System«, das umgehend auf soziale, kulturelle und natürliche Bedingungen reagiere, um mit seiner Umwelt in ein (neues) Gleichgewicht zu treten.[38]
Stressökologie: Persistenz durch Multistabilität. Ein solches Elastizitätsverhältnis zwischen dem Menschen und seiner Umgebung beschrieb auch der Umweltbegriff selbst, der sich am Übergang zu den 1970er-Jahren als wissenschaftlicher und politischer Begriff neu formierte. Ende der 1960er-Jahre begannen Ökologen damit, einzelne belastende Umweltagenten bzw. »Stressoren« (z.B. Feuer, Pestizide, radioaktive Strahlung) zu identifizieren und »Stresseffekte« auf die strukturellen Systemparameter (z.B. Diversität) und die funktionalen Systemparameter (z.B. Material- und Energieflüsse) von Ökosystemen zu untersuchen. Doch diese Forschung blieb unsystematisch und unbefriedigend. »Sowohl in struktureller als auch in funktionaler Hinsicht bedarf es dringend einer Einigung auf einige ›weiße-Mäuse‹-Ökosystemparameter«, forderten Eugene Odum und seine Kollegen 1976.[39] Die medizinische Analogie der Labormaus sollte das Programm veranschaulichen, nach dem standardisierte Umweltindizes für verschiedene Größenordnungen von Ökosystemen zu entwickeln seien, um integrative Stressmodelle und prognostische Simulationen nach dem Prinzip der Zustandsvariablen zu erstellen.
Ähnlich wie Selyes Allgemeines Adaptationssyndrom die medizinische Diagnostik der linearen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verließ, so legten die Stressökologen ein komplexes Wechselspiel von Abwehr- und Anpassungsmechanismen zugrunde. Auch in der Natur sollten sich erst die unspezifischen Reaktionen eines Ökosystems als spezifisches einheitliches »Syndrom« darstellen. Das lebende System strebe nach einem Gleichgewicht, das durch Selbstregulierung aufrechterhalten werde – durch die physiologischen Spannungen und Dehnungen der Homöostase, wie sie Cannon propagiert hatte. Die Bedeutung der medizinischen Stressforschung für die Ökologie war dabei keineswegs unumstritten. Der amerikanische Umweltwissenschaftler Stanley Auerbach vom Oak Ridge National Laboratory in den USA gab zu: »Ich kann mir nicht helfen, ich muss mich fragen, wie wohl […] Selye auf das Konzept der ›Stresseffekte auf natürliche Ökosysteme‹ reagiert hätte.« Sicherlich, so Auerbach, hätte Selye sinniert: »Gibt es überhaupt ökologische Hormone?«, »Gibt es ein Ökosystem-Äquivalent für Adrenalin?«[40] Obgleich eher rhetorischer Art, waren Auerbachs Anmerkungen zugleich als Warnung vor der Verwendung von Begriffen gemeint, die mächtige und stimulierende, möglicherweise aber unangemessene Metaphern und Bilder kreierten und damit Missverständnisse oder falsche Generalisierungen produzierten.[41]
Auerbach stellte seine kritischen Fragen anlässlich eines Symposiums mit dem Titel »Stress Effects on Natural Ecosystems«, das 1977 an der Ohio State University in Columbus tagte.[42] Als Beispiel für das umstrittene Vokabular der Ökologie im Zusammenhang mit »Stresseffekten« führte Auerbach die Systemgröße »ökologische Stabilität« an, die in der Zeit der Grenzen exponentieller Wachstumsprozesse das Gebot der Stunde zu sein schien und stets mit exakten Test- und Zielfragen verbunden wurde. Die Club-of-Rome-Studie »The Limits to Growth« von 1972 etwa suchte Auerbachs Fragen für die ganze Erde und für einen Zeitraum von gut 100 Jahren zu systematisieren: »Bis zu welchem Grade können Belastungen absorbiert werden, bevor sie essentielle homöostatische Mechanismen eines Ökosystems zerstören?« Auerbach problematisierte das Vorgehen, einzelne Eigenschaften eines Ökosystems zu isolieren, sich auf einzeln messbare Variablen zu konzentrieren sowie aus unterkomplexen Betrachtungen Prognosen zum Systemverhalten abzuleiten.[43]
Die Vorstellung des resilienten Ökosystems setzte den Kontrapunkt zum Prinzip der Systemstabilität durch das ökologische Gleichgewicht, an dem Systemökologen wie Auerbach festhalten wollten. Der Vortrag des bereits erwähnten Ökologen René Dubos zur Resilienz von Ökosystemen aus dem Jahr 1976 liefert ein anschauliches Beispiel dafür, wie radikal das Konzept die bisherige Ökologie in Frage stellte. Resilienz, so Dubos, versetze die Natur in die Lage, die ihr durch den Menschen zugefügten traumatischen Ereignisse zu verkraften. Dabei sei die Rückkehr in ihren ursprünglichen Gleichgewichtszustand nur eine Alternative. Die originellere Variante sah Dubos in der Möglichkeit, einen kreativen Veränderungsprozess zu durchlaufen und neuartige Ökosysteme zu schaffen.[44] Andere ökologisch ebenso gut fundierte und ökonomisch produktivere Systemzustände seien denkbar, etwa neue Lebensräume, die auf die Bedürfnisse des Menschen aktiv zuzuschneiden seien.[45] Resilienz bedeute keineswegs Stabilität, sondern Adaptivität.[46] Dubos machte nicht so sehr die Reversibilität katastrophaler Ereignisse geltend, sondern setzte auf Evolution.
Stabilität als Fähigkeit eines Systems, nach einer temporären Störung zügig in den alten Gleichgewichtszustand zurückzukehren, wurde für das systemische Überleben als zunehmend belanglos erachtet. Bereits 1973 hatte der kanadische Ökologe Crawford Stanley (»Buzz«) Holling (Jg. 1930) die Resilienz als das Maß der Persistenz des Systems gepriesen – die nach seiner Ansicht viel wichtigere Fähigkeit, akute und willkürliche Störungen zu absorbieren und dennoch dieselben Beziehungen zwischen den Zustandsvariablen aufrechtzuerhalten.[47] Hollings Begriff der Resilienz lässt sich insofern auf Youngs Theorie der impulsartigen Belastungen beziehen, als er auch plötzliche und diskontinuierliche Veränderungen erfasste, wie sie zum Beispiel in der Populationsdynamik, beim Kollaps von Fischbeständen, bei der explosiven Vermehrung von Algen oder beim Ausbruch eines Virus auftraten. In den 1970er-Jahren wurde eine ganze Reihe solcher »Schwellen-« und »Bruchstellenphänomene« diskutiert, die multistabile Systeme je nach Randbedingungen in unterschiedliche Gleichgewichte überführten.[48]
Systeme konnten stark fluktuieren, also instabil sein, und dennoch (oder gerade deshalb) resilient bzw. überlebensfähig. Ähnlich wie die Psychologie die Resilienz als Fachbegriff für das »Wachsen an Krisen« ausgebildet hatte, konnten Ökosysteme Lernprozesse des systematischen Ausprobierens (»trial-and-error learning«) durchlaufen und von ihrem Versagen sogar profitieren (»survive and benefit from ›failures‹«).[49] Diese nicht-linearen, dynamischen Systeme waren ein Gegenmodell zur Auffassung einer deterministischen »naturgesetzlichen« und präzise prognostizierbaren Ereigniskette. Sie ließen die Idealvorstellung des steady state, des stationären Zustands oder Fließgleichgewichts, ebenso hinter sich wie die Vorstellung absoluter Systemgrenzen und maximaler ökologischer Tragfähigkeiten.[50]
3. Resilienz: Bruchstelle oder Schwelle?
Seit etwa zehn Jahren haben sich Stress und Resilienz nun zu Schlüsselkonzepten der Anpassungsforschung entwickelt, sowohl in der Psychologie als auch in der Klimafolgenforschung. Der Erfolg des Resilienzkonzepts gründet sich (im Vergleich etwa zur Politik der »Nachhaltigkeit«) darauf, dass Resilienz nichts anmahnt als den Erfolg selbst. Be resilient! ist Gebot, Erfolgsstrategie und Erfolgsgarant zugleich.[51] Das auf Resilienz setzende Katastrophenmanagement agiert weder vor- noch nachsorgend im herkömmlichen Sinne, sondern in neuer Weise präventiv. Es verlagert Zuständigkeiten in die betroffenen Subjekte und Organisationen. Beispielsweise verordnete die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA in der Folge der jüngsten Finanzkrise den Geldinstituten der Eurozone eine Zerreißprobe, den so genannten Bankenstresstest. Die geprüften Entwicklungen der Kapitalrückstellungen in den Szenarien der Krise, der Erholung und des Zusammenbruchs lassen sich in direkte Analogie zu Selyes Dreiphasenmodell stellen. Der »Stresstest«, der 2011 zum Wort des Jahres gewählt wurde, erzwingt durch erhöhte und wiederholte Beanspruchung die ständige Selbstoptimierung von Subjekten und Institutionen.
Auch im internationalen Finanzsektor und in den Wirtschaftswissenschaften vollzog sich eine Resilienzwende, die das keynesianische Ideal des steuerbaren makro-ökonomischen Gleichgewichts hinter sich ließ. Erfahrungen mit der Unsicherheit und Unvorhersagbarkeit der Märkte in der deregulierten globalen Ökonomie seit den 1990er-Jahren führten dazu, den Markt als ein komplexes dynamisches System zu begreifen. Der australische Soziologe und Ökonom Jeremy Walker und seine Kollegin, die Politikwissenschaftlerin Melinda Cooper, schlagen in einer Untersuchung neoliberaler Sicherheitsdiskurse den Bogen von der komplexen Theorie ökologischer Systeme zu einer komplexen Theorie ökonomischer Systeme.[52] Sie argumentieren, dass der neoliberale Markt keineswegs als entgrenzt missverstanden werden dürfe, sondern als ein mit immanenten Gesetzmäßigkeiten und Regeln ausgestattetes selbstorganisiertes System zu betrachten sei. Die Freiheit des Markts erlaube und erwarte neue Möglichkeiten des adaptiven Risikomanagements. Eine neue Strategie bietet beispielsweise das Portfoliomanagement als Prinzip der erfolgreichen Vermögensverwaltung durch Risikodiversifizierung, Verlustminimierung und Performancemaximierung unter Bedingungen der Kontingenz. Das Instrument des Portfolios wird inzwischen auch für das Biodiversitätsmanagement eingesetzt. Es verschmilzt Konzepte des natürlichen und des finanziellen Kapitals, der Investition und der Profitabilität; so verbindet es geradezu paradigmatisch systemökologische und systemökonomische Ansätze der Resilienz.[53]
In der Umweltforschung verschaffte die Deutung von Stress als Optimierungstraining dem Menschen als Problemverursacher Entlastung, denn nun galt: »Die Natur hilft sich selbst« (so als Motto ausgegeben zur Bewältigung der Ölpest am Golf von Mexiko 2010).[54] Im Jahr 2008 formulierte der Ökologe Josef Reichholf seine provokanten Thesen gegen die verbreitete Sehnsucht nach Balance und Harmonie der Menschen mit ihrer Umwelt: Diese Sehnsucht konserviere eine statische Weltsicht, die langfristig zur Erstarrung und zum Tod allen Lebens führe.[55] Ungleichgewichte hingegen dienten dem Antrieb der natürlichen, sozialen und technischen Evolution. Auch für die Natur also wurden »adversities«, Widrigkeiten, zu »challenges«, Herausforderungen, gewendet. Das Versagen selbst ermögliche den kreativen Lern- und Performanceprozess.
Neuerdings interessiert sich die Resilienzforschung vor allem für die »tipping points«, die systementscheidenden Umschlagpunkte. Naturwissenschaftlich bezeichnen solche Schwellen jene Momente des instabilen Gleichgewichts, an denen ein System von einem Zustand des stabilen Gleichgewichts in einen neuen, qualitativ anderen Gleichgewichtszustand kippt. Gesellschaftswissenschaftlich bezeichnen sie die Momente, an denen der Impuls, die Dynamik von Veränderungen unaufhaltsam wird. Die Frage ist nicht mehr, ob diese Dynamik rational zu steuern oder abzufedern sei. Die Frage lautet nun, welche Konsequenzen der erwartete Umschlag zeitigen wird. Dabei geht es nicht um ein Scheitern im systemimmanenten Sinne, sondern darum, die verschiedenen Formen der Übergänge und ihrer unterschiedlichen Ausgänge zu identifizieren. Vermittelt wird der Umschlag sowohl als Katastrophe wie auch als Chance, als magischer Moment, als Explosion neuer Möglichkeiten.
Zeigt Resilienz demnach eine historische Bruchstelle mit dem modernen Optimismus der Systemkontrolle an, oder vielmehr den Übergang zu einer neuen Form des Umgangs mit Unsicherheit und Kontingenz? Einiges spricht dafür, dass die modernistische Vorstellung überlebt hat, Unwägbarkeiten fest in die Struktur- und Funktionszusammenhänge sozialer, technischer und natürlicher Systeme einplanen zu können. Ob Materialfestigkeit, Persönlichkeitsbildung oder Öko-Engineering: Das Resilienzkonzept fordert immer auch dazu auf, Systeme sicherer zu entwerfen, indem fortwährend Soll- und Grenzwerte bestimmt werden. Das aktuelle Zwei-Grad-Ziel in der Klimadebatte beispielsweise kalkuliert einen moderaten Temperaturanstieg als nötigen »Bremsweg« ein und beziffert ihn als die global tolerable Grenze, an der das planetarische Ökosystem in einen alternativen (freilich für die meisten Menschen weit dysfunktionaleren) Zustand übergehen werde. Das relativ willkürlich bestimmte Zwei-Grad-Ziel ist ein Beispiel für eine Klimaumschlagpunktforschung, die an alten Idealen der Vorhersagbarkeit und der Steuerung festhält. Neben dieser ingenieurwissenschaftlichen Tradition mit operativem Ziel lässt sich aber auch die Akzeptanz oder gar Resignation angesichts der Vielfalt möglicher Versagensformen unter Bedingungen der Unsicherheit beobachten. Auf die präzise Vorhersagbarkeit der Zukunft will das Resilienzkonzept verzichten. Sein zentrales Prinzip ist das Wissen um Nichtwissen.[56] Resiliente Systeme entwerfen sich gleichsam als permanent ›in Bereitschaft‹.
Ist Resilienz also der passende Begriff für die fundamental neue Weise, in der moderne bzw. sich als nachmodern begreifende Gesellschaften ihre Herausforderungen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert formulieren und prozessieren? Der eingangs beschriebene Film »Der Schrecken der Medusa« führt die westliche Gesellschaft der 1970er-Jahre an diese Schwelle, an der sie ihre wachsenden inneren Spannungen nicht mehr wie gewohnt abfedern oder auf die Umwelt ablenken kann; sie taumelt zwischen der Lust am Kontrollverlust, technologischem Optimismus und hoher Risikotoleranz. Die Fernseh- und die Klinikmonitore zeichnen die immer bedrohlicher werdenden Amplituden auf. In der Form von John Morlars Hirnströmen, so der apokalyptische Ausblick des Films, richten sich die Spannungen auf Windscale, den Nuklearkomplex an der irischen See.
Heute ist Windscale unter dem Namen Sellafield bekannt. In der Folge der Strahlenkatastrophe von 1957, einem der schwerwiegendsten nuklearen Unfälle vor Tschernobyl, und weiterer massiver Störfälle wurde der Name zu Beginn der 1980er-Jahre gewechselt – eine fadenscheinige Strategie, die auf die performative Kraft der Sprache setzte, aber an den Risiken und Mängeln der Anlage, die bis heute zu Störfällen führen, nichts änderte. Die sozialen und technischen Systeme mögen komplexer, die intrinsischen Sicherheitsmechanismen aufwendiger geworden sein. Aber auch Jahrzehnte nach den folgenschweren Katastrophen in Windscale und Tschernobyl, dies zeigt der GAU im japanischen Atomkraftwerk Fukushima 2011, gibt es immer wieder erwartete oder unerwartete Ereignisse, die die vorhandenen Puffer überstrapazieren und Gefüge hinterlassen, die heillos dysfunktional sind.
Das Problem mit der Resilienz, so Walker und Cooper in Rückbezug auf Niklas Luhmanns Theorie komplexer sozialer Systeme, ist ihre Tendenz, Widerstand zu metabolisieren und sich so gegen Kritik zu immunisieren. Resilienz lässt sich aus der internen Dynamik komplexer, adaptiver und selbstreferenzieller Systeme nicht herausfordern, sondern muss unter substanziell anderen Konditionen verhandelt werden.[57] Die historische Forschung stellt solche Zugriffe bereit, um der Resilienz unter Bedingungen zu begegnen, die nicht systemtheoretisch gesetzt sind. Insbesondere für die Zeitgeschichte kann das Thema Resilienz wichtige Einsichten zu Querschnittsthemen der politischen Ökologie und Ökonomie liefern. Dies betrifft nicht nur die Umwelt- und Technikgeschichte oder die Geschichte der Systemtheorie, Kybernetik und Flexibilisierung. Als Forschungsperspektiven und -zugänge bieten sich auch die (zeit)historische Präventions- und Sicherheitsforschung sowie die Krisen- und Katastrophenforschung an.[58] Dabei wird es darauf ankommen, Disziplingrenzen und geographische Grenzen zu überschreiten, ohne den Komplexitätskonzepten der Systemtheorie aufzusitzen. Stattdessen sind die strukturellen Bedingungen und die handlungsleitenden Aspekte von Krisen und Katastrophen herauszuarbeiten, um deren jeweilige soziale, politische, technische und ökologische Beschaffenheit freizulegen.
Anmerkungen:
[1] The Medusa Touch (Der Schrecken der Medusa), mit Richard Burton (Morlar), Lino Ventura (Brunel), Lee Remick (Zonfeld), Regie: Jack Gold, GB/F, ITC Entertainment Group 1978; komplette (deutsche) Fassung unter <https://www.youtube.com/watch?v=QwcVVzIVGug>.
[2] Vgl. z.B. Dirk van Laak, Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas, 1880–1960, Paderborn 2004; ders., Weiße Elefanten. Anspruch und Scheitern technischer Großprojekte im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999; ders., Infra-Strukturgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 367-393.
[3] Paul N. Edwards, Infrastructure and Modernity: Force, Time, and Social Organization in the History of Sociotechnical Systems, in: Thomas J. Misa/Philip Brey/Andrew Feenberg (Hg.), Modernity and Technology, Cambridge 2003, S. 185-225, hier S. 186.
[4] Susan Leigh Star, The Ethnography of Infrastructure, in: American Behavioral Scientist 43 (1999), S. 377-391, hier S. 377.
[5] Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M. 1986, S. 31.
[6] Zur Kritik an Beck siehe z.B. Thomas Lemke, Gouvernementalität und Biopolitik, 2. Aufl. Wiesbaden 2008, S. 51; Gabriele Metzler, Demokratisierung des Risikos? Ulrich Becks »Risikogesellschaft«, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010), S. 323-327. Zur »systemic vulnerability«: Edwards, Infrastructure and Modernity (Anm. 3), S. 196.
[7] Siehe Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Berlin 1995.
[8] Paul Virilio, Der integrale Unfall, in: Christian Kassung (Hg.), Die Unordnung der Dinge. Eine Wissens- und Mediengeschichte des Unfalls, Bielefeld 2009, S. 7f. Siehe auch Charles Perrow, Normal Accidents. Living with High-Risk Technologies, Princeton 1999.
[9] Ivan Illich, Das Zeitalter der Systeme, in: ders., In den Flüssen nördlich der Zukunft. Letzte Gespräche über Religion und Gesellschaft mit David Cayley, München 2006, S. 183-194, hier S. 192, S. 191.
[10] Ebd., S. 192.
[11] Das Wort Resilienz ist in etlichen Sprachen geläufig (resilience, la résilience, la resilienza). Das Oxford English Dictionary führt die Verwendung von resilience zurück ins 17. Jahrhundert (mit Erstnennung in Francis Bacons Naturgeschichte Sylva Sylvarum von 1626, im Zusammenhang von Schallreflexion und Echo).
[12] Wolfgang Sachs, Natur als System. Vorläufiges zur Kritik der Ökologie, in: Scheidewege: Jahresschrift für skeptisches Denken 21 (1991/92), S. 83-97, hier S. 90.
[13] Siehe den Beitrag von Cécile Stehrenberger zur Katastrophenforschung im vorliegenden Heft. Zu den kybernetischen Steuerungsphantasien des Kalten Kriegs siehe Michael Hagner/Erich Hörl (Hg.), Die Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik, Frankfurt a.M. 2008, sowie Paul Erickson u.a., How Reason Almost Lost Its Mind. The Strange Career of Cold War Rationality, Chicago 2013. Zur historischen Sicherheitsforschung vgl. auch Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 7 (2010) H. 2: Sicherheit.
[14] Gary W. Barrett/George M. van Dyne/Eugene P. Odum, Stress Ecology, in: BioScience 26 (1976), S. 192ff.
[15] Hans Selye, The Stress of Life, New York 1956 (dt.: Streß beherrscht unser Leben, Düsseldorf 1957).
[16] Barrett/van Dyne/Odum, Stress Ecology (Anm. 14), S. 193.
[17] Vgl. Eugene P. Odum, The Emergence of Ecology as a New Integrative Discipline, in: Science 195 (1977), S. 1289-1293.
[18] Ebd., S. 1289.
[19] Ebd., S. 1291.
[20] Mieke Bal, Travelling Concepts in the Humanities. A Rough Guide, Toronto 2002; Birgit Neumann/Ansgar Nünning (Hg.), Travelling Concepts for the Study of Culture, Berlin 2012.
[21] Youngs Vorlesungen wurden zuerst 1807 und postum 1845 in neuer Edition publiziert. Thomas Young, A Course of Lectures on Natural Philosophy and the Mechanical Arts, 2 Bde., London 1807; ders., A Course of Lectures on Natural Philosophy and the Mechanical Arts, 2 Bde., hg. von P. Kelland, London 1845. Young gelang damit die Verallgemeinerung der Theorie der Elastizität, die Robert Hooke 1678 mit dem Federgesetz formuliert hatte, nach dem sich die Längenänderung eines festen Körpers proportional zu seiner Belastung verhielt.
[22] Selye, Stress of Life (Anm. 15); Lea Haller, Stress, Cortison und Homöostase. Künstliche Nebennierenrindenhormone und physiologisches Gleichgewicht, 1936–1960, in: NTM. Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 18 (2010), S. 169-195; Russell Viner, Putting Stress in Life: Hans Selye and the Making of Stress Theory, in: Social Studies of Science 29 (1999), S. 391-410.
[23] Hans-Georg Hofer, Von gestressten Körpern und kaputten Autos. Hans Selye (1907–1982) und das »Allgemeine Adaptionssyndrom«, in: Praxis. Schweizerische Rundschau für Medizin 95 (2006), S. 1347-1350. Siehe auch Hofers Beitrag im vorliegenden Heft.
[24] Cornelius Borck, Kummer und Sorgen im digitalen Zeitalter. Stress als Erfolgsprodukt der fünfziger Jahre, in: Archiv für Mediengeschichte 4 (2004), S. 73-83, Zitat Cannon S. 76; Walter B. Cannon, The Wisdom of the Body, New York 1932. Siehe auch Borcks Beitrag im vorliegenden Heft.
[25] Borck, Kummer und Sorgen (Anm. 24), S. 83.
[26] G. Evelyn Hutchinson, The Biosphere, in: Scientific American 223 (1970) H. 3, S. 44-53, hier S. 53.
[27] René Dubos, The Resilience of Ecosystems, lezione tenuta il 17 Dicembre 1976, Roma, Accademia Nazionale dei Lincei 1977, S. 12 (»great powers of recovery from traumatic experiences, even when these have been catastrophic«).
[28] Ebd., S. 6 (»mechanisms for self-healing which are analogous to the homeostatic mechanisms of animal life«).
[29] Suniya S. Luthar, Resilience in Development: A Synthesis of Research Across Five Decades, in: Dante Cicchetti/Donald J. Cohen (Hg.), Developmental Psychopathology, Bd. 3: Risk, Disorder, and Adaptation, 2. Aufl. Hoboken 2006, S. 739-795.
[30] Jack Block, Personality as an Affect-Processing System. Toward an Integrative Theory, Mahwah 2002, S. 20ff. (»What shall we mean by resilience?«), S. 25f. (zur Geschichte der »ego-resiliency«).
[31] »The terms, ›stress-resistant‹ or ›survivorship‹, apparently seemed somewhat graceless and soon were superseded by the connotatively more positive term, ›resilient‹.« Ebd., S. 21.
[32] Ebd., S. 20 (»a term for all seasons and reasons«).
[33] Ebd. »The ›resilient‹ person is intrinsically protected, the ›unresilient‹ person is intrinsically at risk.«
[34] Ebd., S. 21.
[35] Klaus E. Grossmann/Karin Grossmann, »Resilienz« – Skeptische Anmerkungen zu einem Begriff, in: Insa Fooken/Jürgen Zinnecker (Hg.), Trauma und Resilienz. Chancen und Risiken lebensgeschichtlicher Bewältigung von belasteten Kindheiten, Weinheim 2007, S. 29-38, hier bes. S. 29f.
[36] Kurt Lewin, Field Theory in Social Science, New York 1951 (dt.: Feldtheorie in den Sozialwissenschaften, Bern 1963).
[37] Jack Block/Adam M. Kremen, IQ and Ego-Resiliency: Conceptual and Empirical Connections and Separateness, in: Journal of Personal Social Psychology 70 (1996), S. 349-361.
[38] Block, Personality as an Affect-Processing System (Anm. 30), S. 130.
[39] »We urgently need to agree upon some ›white mice‹ ecosystem parameters in both structural and functional context.« Barrett/van Dyne/Odum, Stress Ecology (Anm. 14), S. 192.
[40] »Are there ecological hormones?«, »Is there an ecosystem equivalent of adrenaline?« Stanley I. Auerbach, Current Perceptions and Applicability of Ecosystem Analysis to Impact Assessment, in: The Ohio Journal of Science 78 (1978) H. 4, S. 163-174, hier S. 163.
[41] Ebd.: »The term stress has strong anthropomorphic connotations. Is there an operational definition for ecosystem stress? Should it be viewed as the analog of endocrinological stress – which is commonly viewed as deviation from homeostasis? Can we apply the same constraint to ecosystems? If so, what are the conceptual and operational problems associated with such an application?«
[42] The Ohio Journal of Science 78 (1978) H. 4, Double Symposium Issue »Stress Effects on Natural Ecosystems«/»Environmental Impact Assessment«, S. 160-236, URL: <https://kb.osu.edu/dspace/handle/1811/22042>.
[43] Auerbach, Current Perceptions (Anm. 40), S. 164.
[44] Dubos, The Resilience of Ecosystems (Anm. 27), S. 8, Hervorhebung im Original.
[45] Ebd., S. 12: »Nature often creates ecosystems which are inefficient, wasteful and destructive. By using reason and knowledge, human beings can manipulate the raw stuff of nature and shape it into ecosystems that have qualities not found in the wilderness.«
[46] Ebd.: »Resilience, however, does not imply stability. It means only the stability to persist, by overcoming the disturbance in one way or another – often by undergoing profound changes.«
[47] C.S. Holling, Resilience and Stability of Ecological Systems, in: Annual Review of Ecology and Systematics 4 (1973), S. 1-23, hier S. 14, S. 17.
[48] Siehe z.B. Robert M. May, Thresholds and Breakpoints in Ecosystems with a Multiplicity of Stable States, in: Nature 269 (1977), S. 471-477.
[49] C.S. Holling, Myths of Ecological Stability: Resilience and the Problem of Failure, in: C.F. Smart/W.T. Stanbury (Hg.), Studies on Crisis Management, Montreal 1978, S. 97-109, hier S. 104f.
[50] Vgl. Lance H. Gunderson/Craig R. Allen/C.S. Holling (Hg.), Foundations of Ecological Resilience, Washington 2010.
[51] Seit der Jahrtausendwende will alles resilient sein, was System hat: technische Systeme (»infrastructure resilience«), soziale Systeme (»community resilience«), institutionelle und politische Systeme (»organizational resilience«), Finanzsysteme (»financial resilience«), die moderne Ehe (»marital resilience«), selbst das Wissenschaftssystem (»academic resilience«). Für einen Überblick siehe Andrew Zolli/Ann Marie Healy, Resilience: Why Things Bounce Back, New York 2012. Die »Resilienzrevolution« vollzog sich hauptsächlich in der Verhaltensforschung, der Umweltpsychologie und der Katastrophenpsychiatrie sowie seit kurzem auch in der Umwelt- und Klimaforschung; siehe z.B. Jared M. Diamond, Collapse. How Societies Choose to Fail or Succeed, New York 2005; Patricia A. McAnane/Norman Yoffee (Hg.), Questioning Collapse. Human Resilience, Ecological Vulnerability, and the Aftermath of Empire, New York 2010. Ein kleinerer Teil der Literatur betrifft die Infrastrukturforschung (z.B. Strategien des Makro- und Geoengineering) sowie die Desasterforschung und den staatlichen Zivil- und Katastrophenschutz. Positiv auffallend in der Fülle aktueller Literatur: Filippa Lentzos/Nikolas Rose, Die Unsicherheit regieren. Biologische Bedrohungen, Notfallplanung, Schutz und Resilienz in Europa, in: Patricia Purtschert/Katrin Meyer/Yves Winter (Hg.), Gouvernementalität und Sicherheit. Zeitdiagnostische Beiträge im Anschluss an Foucault, Bielefeld 2008, S. 75-101; Fridolin S. Brand, Resilience and Sustainable Development: An Ecological Inquiry, Diss. Technische Universität München 2009. Eine ansprechende mediale Aufbereitung des Resilienzkonzepts liefert Gero von Randow, Homo sapiens, das Stehaufmännchen, in: ZEIT online, 15.8.2005, URL: <http://www.zeit.de/online/2005/33/resilienz>.
[52] Jeremy Walker/Melinda Cooper, Genealogies of Resilience. From Systems Ecology to the Political Economy of Crisis Adaptation, in: Security Dialogue 42 (2011) H. 2, S. 143-160.
[53] Sabine Höhler, Von Biodiversität zu Biodiversifizierung: Eine Neue Ökonomie der Natur?, in: Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte 37 (2014) H. 1: Rechnen mit der Natur. Ökonomische Kalküle um Ressourcen, hg. von Lea Haller/Sabine Höhler/Andrea Westermann, S. 60-77.
[54] »Die Natur hilft sich selbst«. Interview mit Hans-Jörg Barth zu den Folgen der Ölpest im Golf von Mexiko, 20.7.2010, URL: <http://www.tagesschau.de/ausland/oelpestinterview100.html>.
[55] Josef H. Reichholf, Stabile Ungleichgewichte. Die Ökologie der Zukunft, Frankfurt a.M. 2008, siehe Klappentext und S. 121.
[56] Studien zum Nichtwissen, zur Unsicherheit und zur Ignoranz erfreuen sich in der Wissenschafts- und Technikforschung großen Interesses. Siehe z.B. Stefan Böschen/Peter Wehling, Wissenschaft zwischen Folgenverantwortung und Nichtwissen. Aktuelle Perspektiven der Wissenschaftsforschung, Wiesbaden 2004; Nina Janich/Alfred Nordmann/Liselotte Schebek (Hg.), Nichtwissenskommunikation in den Wissenschaften. Interdisziplinäre Zugänge, Frankfurt a.M. 2012; Robert N. Proctor/Londa Schiebinger (Hg.), Agnotology. The Making and Unmaking of Ignorance, Stanford 2008.
[57] Walker/Cooper, Genealogies of Resilience (Anm. 52), S. 157.
[58] Siehe jüngst z.B. Ewald Frie/Mischa Meier (Hg.), Aufruhr – Katastrophe – Konkurrenz – Zerfall. Bedrohte Ordnungen als Thema der Kulturwissenschaften, Tübingen 2014; Andreas Killen/Nitzan Lebovic (Hg.), Catastrophes. A History and Theory of an Operative Concept, Berlin 2014; sowie den Sonderforschungsbereich »Dynamiken der Sicherheit: Formen der Versicherheitlichung in historischer Perspektive«, angesiedelt an der Philipps-Universität Marburg, der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung (<http://www.sfb138.de>), und den Leibniz-Forschungsverbund »Krisen einer globalisierten Welt«, an dem das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam beteiligt ist (<http://www.leibniz-krisen.de>).