Unter denen, die vor der NS-Diktatur flüchteten, waren nicht wenige bildende Künstler/innen – so auch die deutsch-jüdische Bauhausfotografin Grete Stern (1904–1999), die 1935/36 nach Argentinien emigrierte. Trotz autoritärer politischer Tendenzen genoss sie dort deutlich mehr künstlerische Freiheit. Während der ersten beiden Amtszeiten des demokratisch gewählten Präsidenten Juan Domingo Perón (1946–1955), der sich vor allem in der staatlichen Kontrolle der Medien an den europäischen Faschismen orientierte, auf den sich wegen seiner Sozialpolitik jedoch auch linksgerichtete Bewegungen beriefen, veröffentlichte Stern in der Zeitschrift »Idilio« (»Idylle«) eine Serie von Fotomontagen. Nach einem Überblick zur peronistischen Kulturpolitik bildet die Einordnung dieser Montagen, die zusammen mit einer Traumdeutungs-Kolumne erschienen, den Schwerpunkt des Aufsatzes. In subtiler Weise kritisierte Stern soziokulturelle Missstände der Zeit. Zu einem ihrer Hauptthemen wurden die Geschlechterbeziehungen – ein Gebiet, auf dem sich das peronistische Regime nicht zuletzt in seiner umfangreichen Bildpropaganda rühmte, tiefgreifende Veränderungen hervorgebracht zu haben.


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Dream Images. Grete Sternʼs avant-garde photography in Peronist Argentina (1946–1955)

Among the refugees fleeing from the Nazi dictatorship were many artists – including the German-Jewish photographer Grete Stern (1904–1999), who had been trained at the Bauhaus and emigrated to Argentina in 1935/36. In spite of the authoritarian political tendencies, she enjoyed much greater artistic freedom there. During the first two terms of the elected president Juan Domingo Perón (1946–1955), whose main model for strict media control were European fascist regimes but who – because of his social policy – was later also invoked by leftist groups, Stern published a series of photomontages in the magazine Idilio (›Idyll‹). Following an overview of Peronist cultural policy, the focus of this article is the contextualization of these montages, which were published together with a column on dream interpretation. Stern subtly criticized sociocultural injustices of her time, one of her main topics being the relationship between genders. In this field in particular, the Peronist regime boasted in its extensive visual propaganda of having brought about significant changes.

In der Volksrepublik Ungarn erschien seit 1986 auf Initiative des Zentralkomitees der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (MSZMP) sowie des Politbüros die Publikumszeitschrift »Képes 7« (»Bebilderte Woche« oder »Die bebilderten Sieben«), die den Lesern als Vorzeigeprojekt der modernen sozialistischen Magazingestaltung angekündigt wurde. Anhand des turbulenten ersten Erscheinungsjahrs von »Képes 7« werden unterschiedliche Praktiken des Umgangs mit Fotografien beleuchtet. Wie sah die bislang kaum untersuchte sozialistische Bildpolitik bzw. Bildlenkung im Alltag aus? Die Bandbreite der Haltungen und Handlungen der Akteure reichte von der Übernahme von Fotos aus westlichen Zeitschriften (»Scherenarbeit«) über die Produktion eigener Reportagen bis hin zu massiven Konflikten um einzelne Bilder oder Themenfelder. Näher betrachtet werden Personen und Institutionen, die am Prozess der Bilderzeugung und massenwirksamen Verbreitung beteiligt waren. Der Aufsatz stützt sich auf die veröffentlichten Ausgaben von »Képes 7«, auf zeitgenössisches Archivmaterial sowie auf eigene Interviews mit ausgewählten Akteuren.


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Ideal Images, Mirror Images, Demonising Images. The Handling of Photographs in the Hungarian Magazine Képes 7 in the mid-1980s

Founded on the initiative of the Central Committee of the Hungarian Socialist Workers’ Party (MSZMP) and the Politburo, the weekly magazine Képes 7 was published in the Hungarian People’s Republic since 1986. The periodical was proclaimed a showcase of modern socialist magazine design. Based on the first eventful year of Képes 7, the article highlights different practices in the handling of photographs. What form did socialist ›image control‹ – a specific aspect of visual history, scarcely researched until now – take during the eighties in the day-to-day work at the editorial departments of illustrated magazines? The broad range of divergent attitudes and actions of the protagonists extends from copying photographs from Western magazines (›cut and paste‹) to the production of picture stories using original photographs and to massive conflicts about certain photos or subjects. Special attention is drawn to individuals or institutions who were involved in the process of creating photographs and presenting them to wider audiences. The article is based on the published issues of Képes 7, on archival sources and on interviews with some of the protagonists.

Fotografien haben für die historische Forschung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dienten sie vormals zumeist der Textillustration, werden sie inzwischen als eigenständige historische Quellen ernstgenommen.

Was vor einigen Jahren ein Schreckensszenario war, ist längst eingetreten. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs gilt schon heute: »Quod non est in google, non est in mundo.« Freilich, eine verkürzte Sicht.

Kommerzielle Bildanbieter entledigen sich zunehmend ihrer analogen Fotoarchive. Dabei geht es nicht selten um Millionen von Fotografien.

Im Sommer 1940 kam es in Moskau zu einer denkwürdigen Begegnung. Stalin hatte erfahren, dass sein Jugendfreund, Sergei Kawtaradze, verhaftet und in ein Lager gebracht worden war.

In den 1920er- und 1930er-Jahren gab es, ähnlich wie heutzutage, auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt Modemagazine unterschiedlicher Preisklassen, die sich unter anderem durch die in ihnen präsentierte Mode und Mo