What have been the contributions of social memory studies to the discourse of German history, particularly about the Nazi past? This essay seeks to distinguish between the memory boom in politics and culture and the more durable insights of social theory and historiography about memory, including insights about this memory boom itself. In particular, it explores mythologies of ‘turning points’ in the discourse of memory, arguing that the attribution of such turning points is often overstated. To be sure, 1989 did mark significant ruptures. But comparing present debates to the Historikerstreit (historians’ dispute) of the mid-1980s, and the Historikerstreit to earlier debates shows that as much has stayed the same as has changed. We remember not just the Nazi past, but the previous ways in which we have remembered the Nazi past, and our mnemonic practices are as much comments on earlier practices as on the event itself.
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Was haben die neuen „Social Memory Studies“ zu den Diskursen über die jüngste deutsche Geschichte beigetragen, insbesondere zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit? Dieser Aufsatz versucht zu unterscheiden zwischen dem „memory boom“ in der Politik und der Kultur sowie den tieferen Einsichten der Sozialtheorie und der Geschichtswissenschaft, inklusive den Einsichten über den „memory boom“ selbst. Untersucht werden insbesondere die Mythologien von „Weichenstellungen“ in den Erinnerungsdiskursen, bei denen es sich oft um übertriebene Zuschreibungen handelt. Zweifellos markiert das Jahr 1989 wichtige Veränderungen. Doch vergleicht man gegenwärtige Debatten mit dem „Historikerstreit“ und diesen wiederum mit früheren Debatten, so zeigt sich, dass es neben Veränderungen auch etliche Kontinuitäten gibt. Wir gedenken nicht allein der NS-Vergangenheit, sondern beziehen uns im Gedenken ebenso auf frühere Praktiken dieses Gedenkens.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigten westdeutsche Katholiken eine ausgeprägte Neigung, an religiöse Wunder zu glauben – stärker als in anderen Phasen der modernen Geschichte. Im Zeitraum 1945–1954 berichteten Pfarreien von elf Marienerscheinungen und einem vielbeachteten Fall angeblicher Stigmata am Körper einer Gläubigen. Die bisherige Forschung hat die Popularität der vermeintlichen Wunderereignisse im Kontext des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen sowie des Kalten Kriegs interpretiert. Der Aufsatz ergänzt und differenziert dieses Bild: Die im Zusammenhang mit Marienvisionen entstehende breite Bewegung aus Landfrauen, örtlichen Priestern, KZ-Überlebenden und ehemaligen Kriegsgefangenen war nicht nur eine Reaktion auf den Kalten Krieg, sondern auch auf Amerikanisierung, die entstehende Konsumgesellschaft und die NS-Vergangenheit. Um die oft scharfen Anerkennungskämpfe zwischen Marienpilgern und kirchlicher Hierarchie genauer zu analysieren, stützt sich der Beitrag auf Pierre Bourdieus Konzept des „religiösen Felds“ und berücksichtigt zudem geschlechtergeschichtliche Aspekte dieser Auseinandersetzungen.
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After the Second World War, West German Catholics placed more faith in religious miracles than they did at almost any other period in the modern era. West German congregations reported eleven apparitions of the Virgin Mary to Church officials be-tween 1945 and 1954, as well as Europe’s most prominent twentieth century case of stigmata. Existing scholarship links the popularity of these alleged miracles to the ways in which Marian symbolism articulated anxieties about war trauma and the Cold War. This article illustrates how an interconnected movement of rural women, provincial priests, concentration camp survivors, and former prisoners of war based around Marian visions and stigmata emerged as a reaction not only to the Cold War, but also to Americanisation, consumerism, and the Nazi past. To frame the bitter conflicts between Marian pilgrims and Church hierarchy about the recognition of religious miracles, the article utilises Pierre Bourdieu’s concept of ‘religious field’. It also takes into account the gendered character of the conflicts.
Mit keinem anderen Bild verbindet sich der Schrecken des Vietnamkrieges und der Schrecken des Krieges im Allgemeinen so sehr wie mit dem Foto des Mädchens Kim Phúc. Die Aufnahme machte der vietnamesische Fotograf Nick Ut am 8. Juni 1972 in der Nähe des Dorfes Trang Bang. Sein vielfach ausgezeichnetes Bild wurde zu einer zentralen Ikone des 20. Jahrhunderts. Als solche führt sie im kollektiven Gedächtnis mittlerweile ein eigenes Leben und konstituiert eine Wirklichkeit, die mit der ursprünglich abgebildeten nur noch wenig gemein hat. Immer wieder ist das Bild politisch, kommerziell und religiös funktionalisiert und in neue Kontexte gestellt worden. Der Aufsatz rekonstruiert die politischen und medialen Zusammenhänge, in denen das Bild entstand. Zugleich verfolgt er den jedem großen Krieg nachfolgenden Prozess der Überzeichnung und Überschreibung der ursprünglichen Bilder sowie der mit wachsendem Zeitabstand zunehmenden Legenden- und Mythenbildung.
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No picture expresses the terror of the Vietnam War and the terror of war in general more radically than the photograph of the girl Kim Phúc. The picture was taken by the Vietnamese photographer Nick Ut on 8 June 1972 near the village of Trang Bang. His photograph, which has won several awards, has become a major icon of the twentieth century. It has taken on a life of its own in collective memory whose reality has little in common with the reality originally depicted. This image has been used for political, commercial and religious purposes, and placed in new contexts again and again. The article closely examines the circumstances in which the photograph was made in relation to political issues and the mass media. At the same time it considers the process of rewriting and refiguring original images which occurs in the wake of every major war along with the legends and myths that increase in proportion to the lapse of time.
Das HB-Männchen „Bruno“ war eine der erfolgreichsten Werbefiguren der Wirtschaftswunderzeit, dessen Popularität noch diejenige des Bundeskanzlers übertraf. Werbefachleuten gilt „Bruno“ als „Musterbeispiel für effiziente Markenführung“. Der Aufsatz geht der Entstehungsgeschichte dieser Werbefigur und der mit ihr verbundenen Werbestrategie nach. Gefragt wird nach den Bedingungen und dem Erfolgsrezept dieser Figur sowie nach den Gründen ihres späteren Niedergangs. Damit leistet der Aufsatz einen Beitrag zur Werbe-, Konsum- und Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik.
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‘HB-Männchen Bruno’ was one of the most successful advertising characters at the time of the German economic boom, or Wirtschaftswunder, in the 1950s and early 1960s. His popularity even exceeded that of the federal chancellor. It is widely accepted among advertising experts that ‘Bruno’ may be considered as a ‘classic example of efficient brand guidance’. This article traces the history of the origins of this advertising character and its underlying advertising strategy. Furthermore the article aims to reveal the formula underpinning the success of this figure as well as the conditions of its decline. The essay thus contributes towards the history of advertising, consumption and mentalities in the Federal Republic of Germany.