Abstract

Tobias Becker

Die Allgegenwart der NS-Zeit in Massenmedien und Populärkultur ist heute nichts Besonderes mehr. Als jedoch seit Beginn der 1970er-Jahre in der Bundesrepublik in rascher Folge viele neue Bücher, Filme und Ausstellungen über Adolf Hitler herauskamen, erschien dies vielen als suspekt, wenn nicht gar als gefährlich: Vor dem Hintergrund des sich formierenden Rechtsradikalismus beschwor die »Hitler-Welle« das Gespenst einer »Nazi-Nostalgie« herauf. Warum dieser von heute aus gesehen vielleicht befremdliche Begriff damals nahelag, demonstriert der vorliegende Aufsatz. Er trägt zu einer Historisierung des Nostalgie-Konzepts bei und akzentuiert dessen politische Aufladung. Zugleich benutzt er den Begriff und die Debatte, um die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in den 1970er-Jahren genauer zu ergründen. In der Konzentration auf Hitler und mit der Ausblendung der NS-Verbrechen als Gesellschaftsgeschichte stand die »Hitler-Welle« einerseits in der Kontinuität der 1950er-Jahre. Andererseits wies sie nach vorn, nämlich auf die in der Bundesrepublik 1979 ausgestrahlte US-Serie »Holocaust«, deren Resonanz ohne die vorangegangene »Hitler-Welle« kaum zu verstehen ist, sowie auf den »Historikerstreit« der 1980er-Jahre.

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He Was Never Gone.
›Hitler Wave‹ and ›Nazi Nostalgia‹ in 1970s West Germany

Today, the omnipresence of the Nazi period in mass media and popular culture does not seem particularly remarkable. But when in the 1970s many new books, films and exhibitions about Adolf Hitler appeared in quick succession, observers found this suspicious, if not outright dangerous: Against the background of growing right-wing radicalism, the ›Hitler wave‹ evoked the spectre of ›Nazi nostalgia‹. Retrospectively, the term may appear strange. Why it nevertheless seemed right at the time is the subject of this article, which uses the term and the debate surrounding it to explore how West Germans engaged with the Nazi past in the 1970s. By concentrating on Hitler and ignoring the National Socialist crimes as social history, the ›Hitler wave‹ continued the apologetic tradition of the 1950s. At the same time, it pointed to the future, setting the stage for the reception of the American television series Holocaust – whose explosive impact in West Germany can only be fully understood against this background – as well as foreshadowing the Historikerstreit (Historians’ Debate) of the 1980s.

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