1. Kulturgut Computerspiele
2. Technische Rahmenbedingungen für den Erhalt digitaler Kulturgüter
3. Die Emulatorenstrategie
Aus dem deutschen Handbuch für die erste Heimvideospielkonsole „Odyssey“ (USA, 1972)
(Scan: Computerspielemuseum)
„Computerspiele einschließlich anderer interaktiver Unterhaltungsmedien (Video-/Konsolen-, Online- und Handyspiele) haben in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Sie sind in Deutschland wirtschaftlich, technologisch, kulturell und gesellschaftlich zu einem wichtigen Einflussfaktor geworden. [...] Computerspiele transportieren gesellschaftliche Abbilder und thematisieren eigene kulturelle Inhalte. Sie werden damit zu einem bedeutenden Bestandteil des kulturellen Lebens unseres Landes und sind prägend für unsere Gesellschaft.“1 Wie der Beschluss des Deutschen Bundestags zur Einrichtung des Deutschen Computerspielpreises zeigt, der seit 2009 jährlich vergeben wird, werden Computerspiele mittlerweile auch von offizieller Seite als ebenso bedeutsam wahrgenommen wie andere, bereits etablierte Kulturgüter. Diese Entwicklung entspricht in ihrer Grundtendenz derjenigen anderer Medien wie Film oder Comic, deren kulturelle Bedeutung ebenfalls erst einige Zeit nach ihrer Erfindung gesellschaftlich anerkannt und staatlich gefördert wurde.2
Im Folgenden möchte ich vor allem zwei Ebenen näher beschreiben, die die Relevanz von Computerspielen für den Kontext einer Zeitgeschichte der Informationsgesellschaft ausmachen. Dies ist einerseits die kulturelle Ebene, die eine wesentliche Grundlage der gesellschaftlichen Anerkennung der digitalen Spiele darstellt. Die zweite Ebene ist technischer Art und steht im Zentrum der Herausforderung, die digitalen Kulturgüter unserer Zeit auch für zukünftige Generationen zu bewahren. Als komplexe, interaktive, digitale Artefakte sind Computerspiele dabei paradigmatisch: Wenn man Computerspiele bewahren kann, kann man auch alle anderen digitalen Kulturgüter bewahren. Wie sich zeigen wird, sind beide Ebenen miteinander verbunden: Die kulturelle Bedeutung der Computerspiele hat die Frage des Bewahrens sowohl gestellt als auch Lösungsvorschläge ermöglicht. Und die wesentlich in der Gamer-Community entwickelten Ansätze zur Bewahrung digitaler Kulturgüter tragen ihrerseits wieder zur kulturellen Bedeutung von Computerspielen bei.
Videospiel „River Raid“ (Activision, 1982) (Screenshot: Computerspielemuseum)
Computerspiele waren die ersten Anwendungen, die es Menschen ohne Computerfachkenntnisse ermöglichten, mit digitalen Werkzeugen, Informations- und Kommunikationskanälen umzugehen. Sie brachten weite Teile der Bevölkerung mit der Computertechnik in Kontakt. Aus heutiger Sicht können wir gerade anhand von Computerspielen die Tragweite der Digitalisierung unserer Gesellschaft erfassen und einen Ausschnitt der damit verbundenen Debatten betrachten. So zeigt das Videospiel „River Raid“ (Activision, 1982),3 das 1984 als erstes Medium dieser Art als jugendgefährdend indiziert wurde, wie die Durchsetzung der neuen digitalen Technologien weite Teile der Gesellschaft verunsicherte – und dass diese Verunsicherung zugleich selbst einem historischen Wandel unterliegt: Seit 2002 ist „River Raid“ vom Index gestrichen, da es nicht mehr als jugendgefährdend wahrgenommen wird.
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Neben solchen Verunsicherungen können wir auch feststellen, welche Faszination von den damals neuen interaktiven Möglichkeiten ausging und welche Rolle den digitalen Spielen bei der Etablierung der Informationsgesellschaft zukam. Denn nicht wenige der heutigen IT-Protagonisten machten ihre ersten programmiertechnischen Gehversuche auf Computern wie dem C64 (Commodore, 1982), die vor allem wegen ihrer Spielmöglichkeiten eine große Verbreitung fanden. Auch in Zukunft werden Computerspiele für Heranwachsende eine wichtige Funktion beim Erlernen von Kulturtechniken im Umgang mit digital gestützten Medien haben. Dabei ist es nicht nur ihre relativ einfache Bedienweise, die für ihre große Verbreitung verantwortlich ist, sondern auch die besondere mediale Form, wie sie Erzählungen und Figuren aus dem Kosmos anderer Medien aufgreifen und für uns spielbar machen. Dies ist ein Hauptunterschied zwischen digitalen und herkömmlichen Spielen und einer der Gründe, aus denen sich die kulturelle Bedeutung speist. Denn ihre Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, indem die Rezipienten zu aktiven Teilhabern werden, konstituiert wesentlich die emotionale Bindung, die die Spieler zu diesem Medium aufbauen. Und diese Leidenschaft wiederum erklärt, warum gerade in der Gamer-Community Lösungen für die kulturelle Überlieferung entwickelt wurden, die unter institutionellen Bedingungen große Geldbeträge gekostet hätten.
Die erste Initiative zur Bewahrung von Computerspielen ging – wie auch schon bei anderen Medien – von den Fans aus. So basierten zum Beispiel frühe Filmsammlungen wie diejenige der Cinémathèque française (gegründet 1936) oder des British Film Institute (gegründet 1933) ebenfalls auf privaten Sammlungen von Fans. Neu hingegen ist, dass die Idee zur Bewahrung von Computerspielen von Anfang an eng mit der Etablierung des Internet verknüpft war. Dieses erlebte Mitte der 1990er-Jahre durch die Etablierung des www-Standards just zu dem Zeitpunkt eine große Ausweitung, als die erste Generation der Spieler erwachsen geworden war und bemerkte, dass das Hobby von früher nicht mehr ohne weiteres zugänglich war. Da die Fans von Computerspielen technikaffin sind, waren sie eine der ersten Communities, die ihr Hobby ins Internet brachten. So kam es, dass man Mitte der 1990er-Jahre zwar noch kein Buch über die Geschichte der Computerspiele kaufen konnte, sich jedoch im Internet zunehmend mehr Spieler daran machten, diese Geschichte aufzuschreiben. Schnell entstanden erste Strukturen einer Computerspielgeschichte, die jedoch weniger auf Fakten basierte als auf mehr oder weniger belegten Erzählungen. Historische Genauigkeit wurde zwar angestrebt, doch war sie anfangs nicht systematisch und wissenschaftlich fundiert. Bedeutsamer ist für unseren Kontext, dass neben dieser ersten Geschichtsschreibung über Computerspiele auch große Archive und Metadatensammlungen entstanden,4 die ebenfalls von Fans zusammengetragen wurden. Zum Problem wurde allerdings rasch die Verfügbarkeit der originalen Plattformen, ohne die man die Spiele nicht verwenden konnte. Insofern waren die Fans der historischen Spiele darauf angewiesen, eigene Bewahrungsansätze zu erproben.
Zwei Aspekte dieses Prozesses seien besonders hervorgehoben. Erstens handelte es sich bei den Fangemeinschaften von Anfang an um globale Communities. Durch die technische Kommunikationsgrundlage Internet lag dies nahe. Die globale Ausdehnung der Fangemeinschaften war aber zugleich der Tatsache geschuldet, dass die Spiele von Anfang an als globales Medium produziert und verkauft wurden. Hier lassen sich partielle Unterschiede zu anderen Fangemeinschaften feststellen – so war und ist im Umkreis des Mediums Film die nationale Komponente deutlich ausgeprägter. Nationale Motive kommen bei Computerspielen und deren Anhängern zwar auch vor, scheinen aber etwas anders gelagert zu sein als bei traditionellen linearen Erzählmedien.
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Der zweite wichtige Aspekt besteht darin, dass es die Gamer-Community selbst war, die als Erste praktikable Lösungen entwickelt hat, wie digitale Kulturgüter bewahrt werden können. Ermöglicht durch ihr Verständnis des Internet als Kommunikations- und Produktionsplattform zugleich bildeten sich offene, kollaborative, globale und üblicherweise nicht kommerzielle Projekte. Im Kern geht es dabei um die Entwicklung so genannter Emulatoren, die es ermöglichen, ältere Programme und Dateien ohne die ursprüngliche Hardware auszuführen bzw. zu öffnen. Im Folgenden werde ich die technischen Besonderheiten digitaler Artefakte skizzieren, um auf dieser Grundlage die Rolle der Computerspiele konkreter fassen zu können.
2. Technische Rahmenbedingungen für den Erhalt digitaler Kulturgüter
Digital und analog codierte Kulturgüter unterscheiden sich prinzipiell darin, dass es im Digitalen keine Unterschiede zwischen Original und Kopie gibt. Digitale Inhalte sind ohne Verlust und mit geringen Kosten beliebig oft reproduzierbar und damit prinzipiell optimal zugänglich. Diesem Vorteil stehen allerdings einige Schwierigkeiten gegenüber:
Interpretationsbedürftigkeit. Jede digitale Information besteht aus einer bestimmten Abfolge von Nullen und Einsen. Technisch werden diese auf einem optischen Datenträger durch reflektierende und nicht-reflektierende Stellen oder auf einem magnetischen Datenträger durch elektrisch geladene bzw. ungeladene Stellen repräsentiert. Auch wenn wir diese Nullen und Einsen durchaus noch mit unseren Sinnen wahrnehmen können, sind wir für die Interpretation der Bedeutung auf eine Software angewiesen, die ihrerseits fest auf einer bestimmten Kombination von Hardware und Betriebssystem fußt. Während sich einfache digitale Artefakte wie eine Textdatei mit der Endung „.txt“ in unterschiedlichen Programmen öffnen sowie mit unterschiedlichen Kombinationen von Hardware und Betriebssystem verwenden lassen, erfordern Computerspiele als komplexe digitale Artefakte die originale Kombination.
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Bit rot (auf Deutsch in etwa: „Datenfäulnis“). Digitale Speichermedien haben nur eine bestimmte Lebensdauer. So geht man zum Beispiel bei magnetischen Datenträgern davon aus, dass die elektrischen Ladungen nach rund zehn Jahren nicht mehr stabil sind. Anders als bei Büchern, bei denen der Verlust eines Worts nicht grundsätzlich das ganze Artefakt obsolet werden lässt, kann der Verlust schon eines Bits, der kleinsten Speichereinheit, den Verlust des gesamten digitalen Artefakts zur Folge haben. Abhilfe ist möglich, indem man die Daten in vorgegebenen Zeitspannen von einem alten zu einem neuen Datenträger überspielt.
Hardwareverfall. Gravierender als der Bit rot ist der Ausfall der originalen Hardware. Auch hier muss davon ausgegangen werden, dass die vielen in Computern und Laufwerken verbauten Mikroelektronikbausteine mit der Zeit kaputtgehen. Diese sind aus vielen dünnen Schichten Silizium und anderen Stoffen aufgebaut, die sich wegen kosmischer Strahlung und anderer Einflussfaktoren über die Zeit verändern und damit unbrauchbar werden.
Rechtliche Situation/Kopierschutz. Viele digitale Artefakte sind mit technischen Mechanismen ausgestattet, die ein Kopieren verhindern sollen. Um die Daten aber vor dem Bit rot zu schützen, müssen sie von den originalen Datenträgern kopiert werden. Rechtlich wäre es für die Bewahrung von Computerspielen also notwendig, dass eine Schranke ins Urheberrecht aufgenommen wird, die es Archiven erlaubt, Kopierschutzmechanismen zu umgehen. In den USA wurde dies modellhaft mit einer Ergänzung des „Digital Millennium Copyright Act“ bereits 2003 vollzogen. Der entsprechende Passus lautet: „The Librarian of Congress, on the recommendation of the Register of Copyrights, has announced the classes of works subject to the exemption from the prohibition against circumvention of technological measures that control access to copyrighted works: [...] 3) Computer programs and video games distributed in formats that have become obsolete and which require the original media or hardware as a condition of access. A format shall be considered obsolete if the machine or system necessary to render perceptible a work stored in that format is no longer manufactured or is no longer reasonably available in the commercial marketplace.“5
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Nimmt man die genannten Aspekte zusammen, so scheint die Emulatorenstrategie die einzige zu sein, die gewährleisten kann, dass Computerspiele und alle anderen komplexen digitalen Artefakte auch in mehreren Jahrzehnten interaktiv zugänglich sein werden. Emulatoren sind Programme, die frühere Computerplattformen in Software nachbilden. Installiert man den passenden Emulator auf einem aktuellen Computer, ist man in der Lage, alte Programme auszuführen, die für den emulierten Computer geschrieben wurden, zum Beispiel für einen Commodore 64. Emulatorenprogramme sind an sich nichts Neues, wurden primär jedoch in der Softwareentwicklung und nicht für Zwecke der Überlieferung eingesetzt. Die Gamer-Community hingegen hat früh das Bewahrungspotenzial von Emulatoren erkannt und bis heute beachtliche Projekte entwickelt.
Das Wachstum des MAME-Projekts. (Nach 2008 hat sich die Steigung abgeflacht, weil bis dahin schon sehr viele Automaten emuliert wurden und in den letzten Jahren immer weniger neue Automaten herausgekommen sind.)
(http://mamedev.org/mame_chart_0128.pdf)
Als Beispiel kann M.A.M.E. (Multiple Arcade Machine Emulator) dienen, das zu den erfolgreichsten und ältesten Emulatoren-Projekten gehört. Seit seiner Gründung 1996 sind bis 2008 insgesamt 7.304 Spielautomaten (ROM Sets) und 3.910 einzelne Spiele (Unique Games) für den Emulator adaptiert worden. M.A.M.E. war von Anfang an ein offenes, nicht kommerzielles Projekt, das ausschließlich von der Community getragen wurde; es ist typisch für viele ähnliche Initiativen. Für fast alle früheren Plattformen sind heute Emulatoren verfügbar.
Mit Hilfe dieser Werkzeuge ist es nun möglich, die Geschichte und Bedeutung zentraler Kapitel der Informationsgesellschaft systematisch aufzubereiten, indem man den interaktiven Zugang unabhängig von der originalen Hardware sichert. Als Beispiel kann die Edition des Computerspielemuseums gelten, deren erster Band 2011 auf einem USB-Stick erschienen ist.6 Dieser enthält neben beschreibenden Texten und einfachen digitalen Dokumenten wie Videos oder Fotos auch ältere interaktive Programme, die via Emulatoren auf einem aktuellen Betriebssystem verwendet werden können.
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Der erste „Band“ einer digitalen Edition des Computerspielemuseums
Allerdings sind auch Emulatoren nicht die endgültige Lösung aller Probleme. Zwar lassen sich mit ihnen digitale Artefakte jenseits der Funktionstüchtigkeit der physischen Originalhardware bewahren, doch sind die Emulatoren selbst eine Software, die wiederum erhalten werden muss. Denn immer, wenn ein neues Betriebssystem und/oder eine neue Hardwarearchitektur etabliert wird, müssen auch die Emulatoren auf diese adaptiert werden, was eine mehr oder weniger aufwendige Neuprogrammierung erfordert. Bisher wurden diese so genannten Portierungen (z.B. von DOS auf Windows 95 auf Windows XP usw.) freiwillig und ohne Budget von den jeweiligen Emulatorenprogrammierern getragen, die häufig eine persönliche Beziehung zu den Spielen und deren originalen Hardwareplattformen haben. Freilich können wir nicht davon ausgehen, dass der immer wieder notwendige Anpassungsprozess auch mittel- bis langfristig auf diese Weise geleistet werden kann.
Forschungsprojekte wie KEEP (Keeping Emulation Environments Portable) setzen genau an diesem Punkt an. Das von 2009 bis 2012 laufende Projekt verfolgt eine Idee, die bereits im Jahr 2000 von dem US-amerikanischen Wissenschaftler Jeff Rothenberg vorgeschlagen wurde: die Programmierung eines virtuellen Systems, das für die Bewahrung optimiert ist und den Aufwand für die beschriebenen Anpassungsprozesse der Emulatoren auf ein Minimum reduzieren würde.7 Rothenbergs „Emulation Virtual Machine“ (EVM) ist eine virtuelle Schnittstelle, die zwischen dem aktuellen Betriebssystem und den Emulatoren eingesetzt wird. Das klingt umständlich, hat aber den großen Vorteil, dass bei einem Wechsel der aktuellen Kombination aus Hardware und Betriebssystem von nun an lediglich die EVM an das neue System angepasst werden muss und nicht der Emulator. Bedenkt man, dass wir es inzwischen mit Dutzenden von obsoleten Hardwareplattformen und mit mindestens ebenso vielen verschiedenen Emulatoren zu tun haben, die alle einzeln angepasst werden müssten, wenn das aktuelle Computersystem wechselt, wird schnell das Einsparpotenzial einer solchen virtuellen Emulatoren-Schnittstelle deutlich. Hinzu kommt, dass es wohl auch in Zukunft einen relativ schnellen Wechsel der jeweils aktuellen Computerplattformen geben wird.
Ein weiteres Projekt, das innerhalb von KEEP realisiert wird, ist ein so genanntes Emulatorenframework. An dieses können einerseits bestehende Emulatoren und andererseits die Datenbanken und Bestände der Sammlungen und Archive angebunden werden. Ziel ist es, die Emulatoren fest in die Zugangswege zu integrieren und sie so in größerem Maßstab nutzen zu können als bisher.
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Damit steht KEEP, das neben dem Berliner Computerspielemuseum unter anderem von den drei Nationalbibliotheken Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande betrieben wird, exemplarisch für die eingangs erwähnte Entwicklung, dass auch die Bewahrung unserer nicht spielerischen Kultur maßgeblich durch Computerspiele beeinflusst wird. Denn bei Systemen wie dem von KEEP angestrebten geht es letztlich um die Überlieferung jeglicher Formen digital gespeicherter Kultur.
Diesem Leitgedanken folgt auch die vom Computerspielemuseum in Kooperation mit dem Fachbereich Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin gegründete Arbeitsgemeinschaft Emulation des deutschen Kompetenznetzwerks zur digitalen Langzeitarchivierung („nestor“, http://www.langzeitarchivierung.de). Die AG Emulation versteht sich dabei als Austauschplattform für alle, die im deutschsprachigen Raum ähnliche Ziele verfolgen. Über den „nestor“-Verbund hinaus ist die AG zugleich als Arbeitskreis Digitale Langzeitbewahrung/Emulation an die Deutsche Gesellschaft für Informatik angeschlossen. Sie dient als Bindeglied zwischen Kultureinrichtungen und IT-Fachleuten – eine Funktion, die für die Dokumentation der Zeitgeschichte der Informationsgesellschaft von grundlegender Bedeutung ist.
Aus der heutigen Ausstellung des Computerspielemuseums
Flyer-Motive des Computerspielemuseums
Während die Techniken des Bewahrens ausgehend von der Gamer-Community ganz wesentlich im IT-Bereich weiterentwickelt werden, ist nach wie vor die traditionelle Kompetenz der Kultureinrichtungen gefragt, dem Bewahrten Bedeutung zu geben. Ein Beispiel aus dem Computerspielbereich kann dies wiederum verdeutlichen. Computerspiele bestehen nicht nur aus einem Programmcode, sondern zu mehr oder weniger großen Anteilen auch aus analogen Schnittstellen. Bei Videospieleautomaten, die ihre Hochphase in den 1980er-Jahren hatten, ist es dank Emulatoren heute möglich, den Original-Programmcode auf einem aktuellen Rechner zu betreiben. Doch ist dies nur ein Teil des ursprünglichen Kulturguts. Die speziellen Bedienelemente des Automaten gehören ebenso dazu wie sein üblicherweise aufwendig gestaltetes Gehäuse sowie das Wissen um seinen öffentlichen Standort und um die Bedeutung für jugendkulturelle Milieus. Insofern werden bei allen technischen Innovationen auch in Zukunft traditionelle archivarische, geistes- und kulturwissenschaftliche Kompetenzen benötigt. Das zeigt sich nicht zuletzt bei einer der aktuellsten und schwierigsten Herausforderungen: der Bewahrung von Onlineplattformen wie etwa Onlinespielen, die wesentlich durch die Interaktion und Kommunikation oft tausender Nutzer bestimmt werden. Um diese in Zukunft rekonstruieren und verstehen zu können, sind herkömmliche Methoden der Auswahl, Dokumentation und Kontextualisierung nach wie vor essenziell.
1 Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD im Deutschen Bundestag, 14.11.2007, Drucksache 16/7116: Wertvolle Computerspiele fördern, Medienkompetenz stärken.
2 Vgl. beispielhaft Stefanie Middendorf, Massen – Kultur – Nation. Comics und Kulturpolitik in Frankreich, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 9 (2012), S. 76-97.
3 Der Spielinhalt war in einem Werbeflyer folgendermaßen beschrieben: „Freiwillige vor! Ein äußerst gefährlicher Auftrag erwartet Sie und Ihren Düsenkampfjet. Das Einsatzgebiet: ein zerklüftetes Tal, durch das sich ein endlos langer Fluß windet, der leicht zum Fluß ohne Wiederkehr werden kann, denn Ihre Gegner stellen Ihnen eine Übermacht von Tankern, Hubschraubern und Flugzeugen entgegen. Die Eroberung des Tals scheint aussichtslos, zumal an strategisch wichtigen Punkten stark befestigte Brücken gesprengt werden müssen. Schon der kleinste Steuerfehler kann das vorzeitige Ende Ihrer Mission bedeuten. Das gleiche Schicksal ereilt Sie, wenn Sie nicht rechtzeitig zum Auftanken die feindlichen Depots anfliegen. Ihre einzige Chance: ein perfekter Strategieplan, genaue Gebietskenntnisse und höchste Konzentration. RIVER RAID von ACTIVISION ist ein Kampfspektakel, das den Bildschirm erzittern läßt.“ Zit. nach http://www.videospielgeschichten.de/riverraid.html.
4 Z.B. „Home of the Underdogs“ (online 1998–2009) oder http://www.mobygames.com (ab 1999).
5 http://www.copyright.gov/1201/2003/.
6 Wie alles begann. 1950–1972, Computerspielemuseum, 2011.
7 Jeff Rothenberg, An Experiment in Using Emulation to Preserve Digital Publications, April 2000, online unter URL: https://www.kb.nl/sites/default/files/docs/emulationpreservationreport.pdf.