Mehr als eine Religionsgemeinschaft

Jüdisches Leben in Frankfurt am Main nach 1945

Anmerkungen

Chanukkafest vor der Alten Oper in Frankfurt am Main, 2008

 

Chanukkafest vor der Alten Oper in Frankfurt am Main, 2008
(Foto: Rafael Herlich)

Jüdisches Leben hat in der Bundesrepublik seit 1989/90 und dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ eine neue Sichtbarkeit erlangt. Etwa 25.000 Juden lebten über Jahrzehnte in der alten Bundesrepublik, heute sind es nach der Einwanderungswelle von Juden aus Osteuropa weit über 100.000. Die Zuwanderung hat für die jüdische Gemeinschaft ein neues Fundament gelegt, und zumindest gemessen an den neuen Leuchttürmen jüdischer Kultur und Religion (wie dem neuen Gemeindezentrum in München oder dem erfolgreichen Jüdischen Museum in Berlin) sowie der medialen Berichterstattung geht damit eine Renaissance jüdischen Lebens einher. Die Erleichterung über eine vermeintliche Entkrampfung des Verhältnisses zwischen Juden und Nichtjuden ist dabei mit Händen zu greifen, wenn etwa die „Süddeutsche Zeitung“ staunend berichtet, Berlin habe sich bei Israelis zur beliebtesten europäischen Metropole entwickelt, man höre „Hebräisch auf den Straßen und in den Clubs“ dieses „Tel Aviv an der Spree“.1

Eine Rückkehr der Religion? Anders als für evangelische und katholische Christen stellt sich für die jüdische Gemeinschaft in der Bundesrepublik zunächst die Frage, ob sie sich überhaupt in erster Linie als Religionsgemeinschaft versteht bzw. von der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft als solche gesehen wird. Zweifellos gehörte es zum festen Arsenal politischer und öffentlicher Kommunikation über – und mit – Juden in der alten Bundesrepublik, zu unterstreichen, dass es sich bei der jüdischen Gemeinschaft nicht etwa um Angehörige eines eigenen „Volkes“ handele, sondern selbstverständlich um eine Religionsgemeinschaft.

Doch hinter solch politisch und moralisch motivierten Diskursen im Rahmen von Versöhnungshoffnungen und „christlich-jüdischer Zusammenarbeit“ konnten kritischen Beobachtern sehr wohl Zweifel kommen, ob die Beschreibung als Religionsgemeinschaft tatsächlich geeignet war, die prekäre Lage der Juden in der Bundesrepublik angemessen zu beschreiben. Als der Soziologe Harry Maòr in den späten 1950er-Jahren seine Dissertation „Über den Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinden in Deutschland seit 1945“ verfasste, schien ihm diese Frage „trotz ihrer verfassungsrechtlichen Bejahung soziologisch nicht eindeutig zu beantworten“. „Die Juden selbst haben sich“, so Maòr, „was ihre offizielle Vertretung, den Zentralrat der Juden in Deutschland angeht, hierüber nicht prinzipiell geäußert, es scheint, daß sie die umgangssprachliche Bezugnahme auf sie als ‚jüdische Mitbürger‘ akzeptieren.“2

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Die Geschichtswissenschaft hat die Geschichte der Juden in der Bundesrepublik zwar seit fast zwei Jahrzehnten als Forschungsfeld entdeckt,3 hat sich dabei aber bislang vor allem auf die Geschichte der unmittelbaren Nachkriegszeit,4 die Geschichte einzelner jüdischer Institutionen und Gemeinden5 sowie auf die Geschichte der Remigration6 konzentriert. Die Erforschung jüdischen Lebens zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren ist noch nicht sehr weit fortgeschritten.7 Wenig strittig dürfte die von Michael Brenner vorgeschlagene Periodisierung sein: Zwischen 1948 und 1950 ging mit der Auswanderung der meisten jüdischen Displaced Persons, der Gründung des Staates Israel und der institutionellen Stabilisierung jüdischen Lebens in der Bundesrepublik durch die Gründung des Zentralrats der Juden eine außerordentlich turbulente Nachkriegszeit in eine Phase „vorsichtiger Konsolidierung“ über – und in den 1980er-Jahren trat die jüdische Gemeinschaft aus ihrer über Jahrzehnte hinweg eingenommenen Position unauffälliger Zurückhaltung heraus.8 Zu hinterfragen wäre die dritte von Brenner gesetzte Zäsur: Hat sich jüdisches Leben in der Bundesrepublik mit dem Sechstagekrieg von 1967 tatsächlich noch einmal deutlich gewandelt, oder doch nur die Haltung der deutschen Mehrheitsgesellschaft gegenüber dem Staat Israel?

Es griffe in jedem Fall zu kurz, die Geschichte der Juden in der Bundesrepublik ausschließlich als Geschichte einer mühevollen Annäherung und Versöhnung mit der Mehrheitsgesellschaft der ehemaligen Täter und Mitläufer zu beschreiben. Zum einen setzte sich die jüdische Gemeinschaft keineswegs mehrheitlich aus Holocaust-Überlebenden zusammen, die schon vor 1933 in Deutschland gelebt hatten; zum anderen war die Lebenswelt der Juden in der Bundesrepublik durch den Alpdruck der Erfahrung des Holocaust zwar zutiefst geprägt, aber daneben waren auch andere Fremdheitserfahrungen wirksam, die vor allem mit der Geschichte jüdischer Migration zusammenhängen.

Schon Harry Maòr hat in seiner (bis heute nicht als Buch publizierten9) Dissertation darauf hingewiesen, dass sich die Begriffsbildung der „jüdischen Mitbürger“ – die keine Entsprechung in katholischen oder evangelischen Mitbürgern, wohl allerdings in „ausländischen Mitbürgern“ fand – keineswegs nur einem Bedürfnis nach semantischer Integration und Versöhnung auf Seiten der westdeutschen Eliten in Politik und Öffentlichkeit verdankte, sondern auch der Tatsache, dass „ein gutes Drittel aller Juden in Deutschland eben die deutsche Staatsangehörigkeit gar nicht besitzt“. Die Formulierung zeuge darüber hinaus von dem Umstand, „daß sich die heutigen Juden, ob sie nun deutsche Staatsangehörige sind oder nicht, von ihren ‚nichtjüdischen Mitbürgern‘ durch noch etwas anderes als das Bekenntnis getrennt fühlen. Dieses ‚Andere‘ ist die Entfremdung des Juden vom Deutschen, die infolge der nationalsozialistischen Ereignisse noch nachwirkt.“10 Mit anderen Worten: Jenseits der Entfremdungsgeschichte zwischen „Juden“ und „Deutschen“ infolge der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik ist die Nachkriegsgeschichte der Juden in der Bundesrepublik auch die Geschichte einer mühevollen Integration von Ost-europäern in die Wirtschaftswundergesellschaft – die Geschichte einer kleinen und zutiefst heterogenen Gruppe, über deren Lebenswirklichkeit wir noch sehr wenig wissen und die Maòr 1961 als „Gebilde sui generis“ zu umschreiben versuchte.

Am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main soll im Folgenden die Entwicklung jüdischen Lebens nach 1945 betrachtet werden. Der Fokus liegt dabei auf den Konstitutionsbedingungen der kleinen jüdischen „Gemeinschaft“ sowie der Bedeutung von Kultur, Religion, Migration und Akkulturation.

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1. Rekonstruktion und Neuanfang

In der Forschung über jüdisches Leben in Deutschland während der ersten Nachkriegsjahre ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die jüdischen Displaced Persons (DPs), die aus Osteuropa flohen, eigentlich nicht nach Deutschland strebten, sondern den Schutz durch die Alliierten suchten und ihren Aufenthalt auf deutschem Boden lediglich als Zwischenstation auf ihrer Reise nach Palästina oder in die USA begriffen – sofern sie sich nicht ohnehin in einem nicht nationalstaatlich definierten Transitzwischenraum fühlten, einem „extraterritorialen Amerika“.11 Denn vor allem die amerikanische Besatzungszone bot den entwurzelten DPs eine erste Anlaufstelle, und hier war es neben München vor allem Frankfurt, das sich zu einem Zentrum jüdischen Lebens entwickelte.

Zu Jahresbeginn 1946 befanden sich etwa 1 Million DPs in der amerikanischen und in der britischen Besatzungszone. Sie kamen aus dem gesamten Osteuropa, vor allem aber aus Polen; etwa 175.000 bis 200.000 von ihnen waren Juden.12 Nachdem diese zunächst mit anderen Displaced Persons gemeinsam in Auffanglagern untergebracht worden waren, wurden nach einem aufrüttelnden Report des amerikanischen Juristen Earl G. Harrison, der für US-Präsident Truman die Lebensbedingungen der nicht repatriierbaren DPs – vor allem der Juden – in Augenschein genommen hatte, eigene DP-Lager für jüdische Flüchtlinge eingerichtet. Eines der größten entstand in Zeilsheim bei Frankfurt. Diese Zusammenfassung der Juden in eigenen Lagern war ein ganz wesentlicher Schritt in die Richtung, sie überhaupt als Kollektiv zu begreifen, das nicht in der Kategorie nationalstaatlicher Zugehörigkeit definiert werden konnte.13

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Weil die jüdischen Flüchtlinge weder in Deutschland bleiben noch nach Osteuropa zurückkehren wollten, wo es immer wieder zu antisemitischen Pogromen kam, der Weg nach Amerika und nach Palästina aber zunächst versperrt blieb, dienten die DP-Lager als „Wartesaal“.14 Kurzfristig entwickelte sich hier eine Renaissance ostjüdischen Lebens, die einzigartig war: Weder in Osteuropa noch in Israel ließ sich Ähnliches etablieren15 – eine Überführung dieses kulturellen Erbes in die Gesellschaft der Bundesrepublik gelang allerdings auch nicht. So blieben die aus eigener Initiative geborenen und selbstverwalteten Zeitungen, Schulen, Theater und Sportvereine in den jüdischen DP-Lagern eine Episode.

Ankunft polnischer Juden im Displaced-Persons-Lager Frankfurt-Zeilsheim, 1946

 

Ankunft polnischer Juden im Displaced-Persons-Lager Frankfurt-Zeilsheim, 1946
(Foto: Alois Kern/© Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M.)

In dieser kurzen Zeit gewannen die jüdischen Flüchtlinge eine große öffentliche Sichtbarkeit. Nicht nur auf dem Schwarzmarkt, der um viele DP-Lager herum aufblühte, begegneten sich Deutsche und jüdische Flüchtlinge. Dabei gab es neben wechselseitiger Missgunst und Abneigung auch gute individuelle Beziehungen und Kontakte, die Atina Grossmann eingehend beschrieben hat. Man traf sich in Tanzlokalen und beim Fußball, Juden besuchten deutsche Universitäten, und deutsche Jugendliche nutzten die Gelegenheit, sich in DP-Lagern amerikanische Filme anzusehen. Deutsche arbeiteten in den Lagern als Sekretärinnen, Ärzte oder Reinigungspersonal.16

Gleichwohl bildete diese aus der Not entstandene Lebenswelt in den Lagern nicht den Anfangspunkt jüdischen Lebens in Westdeutschland. Dessen Strukturen und Institutionen wurden zeitlich parallel zum Zustrom der DPs von den wenigen überlebenden deutschen Juden geschaffen. Auch in Frankfurt entstand die neue jüdische Gemeinde auf Initiative weniger Überlebender. Die bestimmenden Personen waren hier Friedrich Leopold Stein, der während des Krieges für die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ gearbeitet hatte, der Kaufmann Max Meyer sowie der aus Theresienstadt zurückkehrende Rabbiner Leopold Neuhaus, der als einziger Rabbiner in Deutschland sofort wieder seine alte Position einnehmen konnte.17

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Gemeinsam war den Gemeindegründern, dass sie (zumeist in so genannten Mischehen) die NS-Zeit überlebt hatten. In ihrer Perspektive stand daher der Neuanfang jüdischen Lebens in einer lokalen Tradition und wurde als Fortsetzung der Geschichte der Vorkriegsgemeinde gesehen. Die Rückkehr des Rabbiners war in dieser Hinsicht ein wichtiges Signal. Und doch konnte gerade Neuhaus sich der Denkfigur einer lokalen und geistigen Kontinuität nicht anschließen. Er fühlte sich fremd im Nachkriegsfrankfurt, sah sich von Fremden umgeben und wanderte 1946 – im Alter von immerhin 67 Jahren – in die USA aus, wo er jedoch aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse keine Wurzeln mehr schlagen konnte und 1954 verarmt starb.18

Neuhaus’ Auswanderung destabilisierte die fragilen Strukturen – der Vorstand eines provisorischen Gemeinderates, der sich im November 1945 konstituiert hatte, trat zurück, und ein neuer Ausschuss unter Führung des Rechtsanwalts Max L. Cahn musste die Aufbauarbeit beginnen. Im Januar 1947 wurde der erste Gemeindevorstand gewählt. Auch für Cahn stand fest: „Die Gemeinde ist nicht der Nachfolger, sie ist noch da.“19 Wie Max Meyer und Friedrich Leopold Stein war Cahn mit einer Nichtjüdin verheiratet. Ein Neuanfang im Exil schien – auch aufgrund des eigenen Lebensalters – keine Alternative zu sein. Zudem verband diese Männer die Erfahrung, dass „ihre Ehefrauen nicht die einzigen anständigen Deutschen waren und dass die menschliche Umgebung in Deutschland nicht zwangsläufig eine NS-Umgebung war“.20

Die Hoffnung der Gründer, eine größere Zahl Frankfurter Juden werde zurückkehren, erfüllte sich nicht. Bei einer etwa gleichbleibenden Zahl von 650 Gemeindemitgliedern sank der Anteil der „Altfrankfurter“ unter ihnen zwischen Sommer 1946 und Frühjahr 1947 von über 50 auf etwa 30 Prozent.21 Und während in den DP-Lagern die Geburtenrate stark stieg,22 waren und blieben die jüdischen Gemeinden zunächst eine Gemeinschaft der überlebenden Älteren.

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März 1946: Besucher bei der Enthüllung einer Gedenktafel für die im November 1938 von den Nationalsozialisten zerstörte Synagoge am Frankfurter Börneplatz (der von 1935 bis 1978 Dominikanerplatz hieß)
(Foto: Sgt. J. Jamner/© Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M.)

Das Selbstverständnis der Gemeindeväter, die Geschichte des jüdischen Lebens fortzusetzen, die nach 1933 gewaltsam abgebrochen worden war, und die Perspektive der DPs, die lokale jüdische Institutionen zunächst als Anlaufstellen für soziale Hilfeleistungen verstanden, hätten unterschiedlicher kaum sein können. Auch die sozialen Gegensätze erschienen deutlich: „Einerseits hoch-assimilierte Juden deutscher Herkunft, oft mit höherer Bildung, doch mit geringen Kenntnissen jüdischer Tradition und typischerweise in höherem Alter; in scharfem Kontrast dazu die relativ jungen, zumeist polnischen oder baltischen Juden, oft tief in jüdischen Traditionen verwurzelt und mit geringer, meist durch den Krieg unterbrochener Schulbildung.“23 Vor diesem Hintergrund verlief die Geschichte der Neukonstruktion einer jüdischen Gemeinschaft in Frankfurt erstaunlich unproblematisch. Zunächst hatte sich aus den Kreisen der jüdischen DPs ein „Komitee der befreiten Juden in Frankfurt am Main“ formiert, das de facto eine zweite Gemeinde bildete (daneben existierte im Lager Zeilsheim bis zu dessen Auflösung ein eigenes Lagerkomitee).24

Die jüdische Gemeinde erkannte sofort, dass sie sich gegenüber den Juden aus Osteuropa nicht verschließen konnte. Zwar nahm man niemanden auf, der zugleich Mitglied des Komitees war, aber eine prinzipielle Verweigerung der Mitgliedschaft für Ostjuden wäre weder den Juden im Ausland noch den amerikanischen Besatzern gegenüber zu rechtfertigen gewesen. Man verfuhr also recht pragmatisch und liberal, indem man auch Ostjuden aufnahm, sofern sie schon vor dem Krieg in Deutschland „verbürgerlicht“ worden waren. Der Beitritt zur Gemeinde galt damit gleichsam als Schritt der Akkulturation ins deutsche Judentum. Andererseits versuchte man zunächst, über die Ausgestaltung des Wahlrechts den Einfluss der DPs zu begrenzen, indem man es nur denjenigen zugestand, die bereits vor 1945 bzw. 1933 in Frankfurt gelebt hatten.25 1949 kam es zur Fusion von Gemeinde und Komitee; die Gemeindeführung blieb allerdings noch lange hauptsächlich in den Händen deutscher Juden. Schon vor der Fusion hatten sich die Mitgliedschaften von Gemeinde und Komitee bereits überschnitten und vermischt. Zwei Mitbegründer des Komitees, Wulkan und Olkowicz, waren deutsche Juden aus Breslau.26

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Vorausgegangen war der Fusion eine große Auswanderungswelle. Nachdem im Mai 1948 das britische Mandat in Palästina geendet hatte und die USA im Juni mit dem „Displaced Persons Act“ die Einwanderung ermöglichten, sank die Zahl der DPs in Deutschland rapide. Allein zwischen April und September 1948 wanderten etwa 135.000 von 165.000 aus.27 Dass Juden deutsches Territorium so schnell als möglich verließen, konnte niemanden verwundern – umso mehr aber, dass eine nicht ganz kleine Gruppe wider Erwarten blieb, denn in den Augen der Juden in aller Welt schien es eine ausgemachte Sache zu sein, dass die Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland jetzt an ihr Ende komme.28 Der Jüdische Weltkongress erklärte auf seiner ersten Nachkriegstagung in Montreux 1948, Juden sollten sich „nie wieder auf dem Blut getränkten deutschen Boden ansiedeln“,29 und das israelische Parlament erklärte im März 1950, die in Deutschland lebenden Juden „schwächen und entwerten das Ehrgefühl unseres Volkes“.30 Wer in Deutschland blieb – aus gesundheitlichen Gründen, in Ermangelung eines Visums, oder weil man sich bereits eine bescheidene Existenz aufgebaut hatte –, musste mit der offenen Geringschätzung umgehen. Die Gruppe der Juden in Deutschland „lebte im Lande der Mörder als ein beständiges Mahnmal deutscher Schuld, und sie erfuhr gleichzeitig die Mißbilligung von Juden in aller Welt für ihr Verbleiben in Deutschland“.31

Hinzu kamen die Rückkehrer aus dem Exil; ihre Zahl ist kaum präzise zu nennen: Harry Maòr ging von etwa 9.000, Monika Richarz von etwa 11.500 aus.32 Die Schätzung wird auch dadurch erschwert, dass eine Rückkehr nicht dauerhaft sein musste und es zwischen Exil und Rückkehr vielfache Zwischenformen des Lebens an zwei Orten geben konnte. Ebenso schwierig ist zu beschreiben, wie es den Rückkehrern in der frühen Bundesrepublik erging – zumal den nicht Prominenten unter ihnen, deren Lebensgeschichten in den klassischen Quellen kaum sichtbar werden.

Während es insgesamt in der Bundesrepublik nur selten öffentlich vorge-tragene Rückkehr-Aufforderungen an die Emigranten gab,33 formulierte der Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb eine solche Bitte schon zur Jahreswende 1946/47. „Wir wissen alle“, so Kolb in seiner Ansprache zum neuen Jahr, „daß Frankfurt reich und groß wurde, nicht zuletzt durch die Leistungen und die Arbeit seiner jüdischen Mitbürger, von denen ein unsagbarer Strom des Segens und des Wohltuns ausgegangen ist. Und ich kann nur ganz schlicht die Hoffnung und die Bitte aussprechen, an manchen der alten Frankfurter jüdischer Konfession, die ja noch im Herzen Bürger unserer Stadt geblieben sind, sich die ernsthafte Überlegung zu stellen, ob sie nicht trotz aller Not und allen Mißtrauens wieder zurückkehren wollen. Wir versprechen von ganzem Herzen, Sie aufzunehmen, und sichern Ihnen feierlich zu, unser Bestes zu tun, daß Sie sich in der alten Heimat wohlfühlen werden.“34

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Der Erfolg von Kolbs Appell blieb bescheiden, das Echo aus der Stadtbevölkerung war allenfalls geteilt.35 Die psychologische und politische Signalwirkung der öffentlich ausgesprochenen Bitte um Rückkehr ist aber ebenso wenig zu unterschätzen wie das Wirken derjenigen, die tatsächlich kamen. Als in der Frankfurter Stadtgesellschaft sichtbare Köpfe waren dies etwa der Unternehmer Richard Merton, der Sozialdemokrat Siegfried Höxter und das ehemalige SAP-Mitglied Joseph Lang. Letzterer eröffnete im Frankfurter Gewerkschaftshaus einen Buchladen, der zu einer „politisch literarischen Informationszen-trale“ wurde.36 Die Frankfurter Universität berief zwischen 1951 und 1955 mit Max Horkheimer, Oscar Ganz und Fritz Neumark drei jüdische Rektoren – und das von Horkheimer wieder eröffnete Institut für Sozialforschung wurde nicht nur zu einem der wichtigsten intellektuellen Zentren der Bundesrepublik, sondern auch zu einer ihrer wirkmächtigsten Demokratisierungsagenturen.

Das intellektuelle Klima Frankfurts wurde von Juden deutlich mitgeprägt. Hans Mayer wurde im Mai 1946 Leiter der Abteilung Politik bei Radio Frankfurt (dem späteren Hessischen Rundfunk) und engagierte sich für die lokale KPD, die gemeinsam mit der 1946 gegründeten VVN gut besuchte Veranstaltungen organisierte. Golo Mann war Kontrolloffizier in Frankfurt und Stephan Hermlin Leiter des Kulturbereichs bei Radio Frankfurt. Später kam mit Fritz Bauer einer der bedeutendsten Streiter für eine strafrechtliche Aufklärung der NS-Vergangenheit ebenfalls nach Frankfurt. Über allem aber schwebten – auch schon in der zeitgenössischen Wahrnehmung – Adorno, Horkheimer und das Institut für Sozialforschung. Hessen als sozialdemokratisches Musterland, aus dem Ministerpräsident Zinn – so sagte er 1959 – „ein sozialistisches Bollwerk gegen alle restaurativen Bestrebungen Bonns“ machen wollte,37 galt – wie der „Spiegel“ 1966 schrieb – als „Freistatt unorthodoxer und origineller Geister“.38 Und wohl nur hier konnte der „Aufstieg Adornos und Horkheimers von stigmatisierten, aus ihrem Land vertriebenen marxistischen Wissenschaftlern zu intellektuellen Leit- und Symbolfiguren der Bundesrepublik“ vor sich gehen.39

Als im Oktober 1955 der Emigrant Hans Wallenberg mit einem Stipendium der Ford Foundation eine Deutschlandreise unternahm, berichtete er aus Frankfurt nach Amerika, die Zahl der jüdischen Prominenten sei zwar nicht groß, doch alle seien hoch angesehen. Vor allem die Professoren, so Wallenberg, hätten „a loyal and even enthusiastic following“. Ernst Deutschs 65. Geburtstag sei sehr groß gefeiert worden, Georg Solti leite die Frankfurter Oper, Martin Bubers Portrait sei in hunderten Frankfurter Buchläden aufgestellt worden, als er 1953 den Goethe-Preis bekam. „They are not only welcomed into the German community but any indication that they consider themselves part of that community is received with great satisfaction.“40 Es fiel allerdings schwer, eine Brücke herzustellen zwischen dem Wirken der jüdischen Intelligenz einerseits und der Lebenswelt der in Frankfurt lebenden Juden andererseits. Während die einen sich in die deutsche Gesellschaft hinein engagierten, lebten die anderen mit großer Zurückhaltung in einer öffentlich wenig sichtbaren Binnenwelt. Berührungspunkte zwischen diesen Sphären jüdischen Lebens gab es kaum.

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In der alten Bundesrepublik insgesamt lebten über die meiste Zeit etwa 25.000 bis 30.000 Juden. Das bedeutete, „dass der deutsche Durchschnitts-bürger im Alltagsleben Juden praktisch nie begegnete“.41 Doch die relative Unsichtbarkeit jüdischen Lebens erklärt sich nicht nur aus der verschwindend geringen Zahl der Juden. Deren aus Osteuropa stammende Mehrheit bewegte sich in einer schwer zu überwindenden Distanz zu der eigenen Gemeinde und hatte wenig Kontakt mit der nichtjüdischen deutschen Umwelt. Erst recht fremd blieben dieser Gruppe die konfliktreiche „Vergangenheitsbewältigung“ und die damit einhergehende Demokratisierung, mit der sich die westdeutsche Gesellschaft seit den späten 1950er-Jahren mühte.

Das stand im Gegensatz zur offiziellen Rhetorik des Zentralrats, der die aus dem Ausland stets argwöhnisch beäugte und scharf kritisierte jüdische Existenz in Deutschland mit Verweis auf ein jüdisches Wächteramt zu legitimieren suchte. „Selbst mit der sprichwörtlichen Pistole auf der Brust hätten die meisten Juden vor 1933 keine eindeutige Antwort auf die Frage nach ihrer Identität geben können“, schreibt Anthony Kauders. „Viele fühlten sich – wenn sie aus Frankfurt kamen – jüdisch, hessisch, deutsch und demokratisch, ohne dabei das eine über das andere zu stellen. Nach 1945 kamen ‚hessisch‘ und ‚deutsch‘ für die Mehrheit der aus Osteuropa stammenden Juden nicht in Frage; es blieben ‚jüdisch‘ und ‚demokratisch‘ übrig.“ Diese beiden Elemente verknüpfend, habe der Zentralrat einen Weg weisen wollen, wie man den Aufenthalt in der Bundesrepublik legitimieren könne. „Man blieb im Land, weil es nicht anders ging, die Nichtjuden brauchten die Juden, um demokratisch zu werden.“42

Solche Argumente gingen freilich an der Lebenswirklichkeit der meisten in der Bundesrepublik lebenden Juden vorbei. So sehr man jüdische Intellektuelle wie Max Horkheimer und Fritz Bauer als Agenten der Rezivilisierung der Bundesrepublik bezeichnen kann, so wenig überzeugend wäre es, der Gemeinschaft der jüdischen Überlebenden in der Bundesrepublik per se eine demokratische Gesinnung und ein besonderes Interesse an politischen und gesellschaftlichen Fragen zu unterstellen. Darin ist Kauders zuzustimmen. Weniger einleuchtend ist sein Argument, Intellektuelle wie Max Horkheimer, Wolfgang Hildesheimer und Marcel Reich-Ranicki ließen sich „nicht so ohne weiteres in eine jüdische Geschichte einbetten“, weil sie kaum bereit gewesen seien, „sich als Teil eines jüdischen Kollektivs zu betrachten, in dem hauptsächlich Funktionäre das Sagen hatten“.43 Denn natürlich gehörten auch die Genannten zur jüdischen Geschichte der Bundesrepublik, selbst wenn ihr öffentliches Wirken kaum in Zusammenhang stand mit der oftmals prekären Lebenswirklichkeit der jüdischen Holocaust-Überlebenden.

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2. Religion und soziale Differenzierung

Innerhalb der jüdischen Gemeinde bestanden große Unterschiede in der Einkommensverteilung und im Grad der Teilnahme am Wirtschaftsleben. Viele Gemeindemitglieder der Überlebendengeneration blieben Sozialfälle und führten ein „Leben in privater Abschottung“.44 Ihre Probleme wurden in einem „Bericht über die Untersuchung der Lage und der Bedürfnisse der Personen über 60 Jahre in der jüdischen Gemeinde Frankfurt/Main“ dokumentiert, der 1959 angefertigt wurde. Anders als von der Verfasserin des Berichts erwartet, kam hier zudem zum Ausdruck, dass die frühere organisatorische Verschmelzung zwischen Gemeinde und Komitee zwar auf der Ebene der Gemeindeführung recht reibungslos funktioniert hatte, dass aber nach wie vor ein tiefer „Gegensatz zwischen den in Deutschland geborenen und dort verbliebenen oder dorthin zurückgekehrten Juden und den Ostjuden“ existierte. „Die überwiegende Mehrheit der deutschgeborenen Interviewten gab immer wieder ihrer Ablehnung der Ostjuden Ausdruck, und zwar sowohl des gesellschaftlichen Verhaltens als auch der religiösen Gebräuche der Ostjuden, und begründete zum Teil ihre mangelnde Teilnahme am jüdischen Gemeindeleben mit ihrer Abneigung, mit dem ostjüdischen Element zusammenzutreffen.“45

Während viele der älteren Überlebenden von Sozialleistungen abhängig blieben und sich die jüngeren allenfalls einen kleinbürgerlichen Lebensstandard erarbeiten konnten, gelang es einigen, am stürmischen wirtschaftlichen Wiederaufstieg aktiv teilzunehmen. Wiederholt ist betont worden, dass die Bereitschaft, mit hohem wirtschaftlichen Risiko auf schnelle Ansammlung von Kapital zu setzen – im Bau- und Immobiliensektor, im Dienstleistungs- und Einzelhandelssektor, aber auch in Spielhallen, Bars und im Bereich der Prostitution –, einigen Frankfurter Juden zu einem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg verhalf; erklärbar sei dies durch die Perspektive, das Land schnell verlassen zu wollen – oder zumindest diese Möglichkeit offenzuhalten.46

Für die Gemeindeführung war es angesichts dieser äußerst heterogenen jüdischen Gemeinschaft außerordentlich schwer, ein kulturelles und religiöses Leben als integrierenden sozialen Raum zu schaffen. Als weiteres Problem kam die starke Fluktuation und stete Migrationsbewegung hinzu. Während die Gemeinden an Überalterung litten und die Geburtenraten dramatisch hinter den Sterbeziffern zurückblieben, sorgte eine stete Einwanderung für insgesamt stabile Mitgliederzahlen. Bundesweit wanderten jährlich mehr als 1.000 Personen ein und etwa 400 aus, so dass der Anteil der ehemaligen deutschen Juden immer weiter sank.47 Besonders hoch war die Zahl der Einwanderer in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre, als sich die Zahl der Frankfurter Gemeindemitglieder binnen weniger Jahre auf schließlich 2.400 nahezu verdoppelte.48

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Gegen den erklärten Willen des Zentralrats, dessen Generalsekretär Hendrik van Dam 1956 erklärte: „Deutschland ist kein Einwanderungsland und daher grundsätzlich auch kein Rückwanderungsland für Juden“,49 kamen vor allem Juden aus Israel, die nach der Novelle des Bundesentschädigungsgesetzes von 1956 ihre Wiedergutmachungsangelegenheiten vorantreiben wollten und die sich – nicht selten, nachdem die Auswanderung nach Israel mit Enttäuschungen verbunden gewesen war – die Bundesrepublik als Alterssitz auserkoren hatten. Für die Gemeinden verstärkte die Zuwanderung noch das Problem der sozialen „Inhomogenität“.50 Wie ließ sich in dieser Lage jüdisches Leben aufrechterhalten oder überhaupt erst organisieren?

Im Mai 1960 besuchte der Anwalt und Journalist William Frankel im Auftrag des American Jewish Committee die Bundesrepublik. Sein Bericht zeichnete ein pessimistisches Bild: Die Gemeinden überalterten und stürben aus; vielerorts seien die Gotteshäuser Museen mit mehr nichtjüdischen als jüdischen Besuchern. „Official Germany takes great pains to behave decently to Jews […] and Jewish leadership has extraordinarily free access to all leading German personalities.“ Es bestehe auch ein großes Interesse am Judentum. Die wenigen Rabbis würden mit Anfragen überhäuft, Schulklassen besuchten Synagogen, und es gebe zumindest in der Elite den Wunsch „to know something more about the people Hitler tried to exterminate“. Das jüdische Leben selbst sei allerdings „not very Jewish in a religious sense […] but a communal social ‚huddling together‘“.51

Etwa zur gleichen Zeit tat sich auch Harry Maòr schwer damit, ermutigende Zeichen zu erblicken. Die Gemeindegründungen seien kaum aus religiöser Motivation erfolgt, sondern um „einer ihrer ehemaligen Sicherheit völlig beraubten Gruppe Halt zu geben“.52 Tatsächlich sahen sich die Gemeinden auch in den 1950er- und 1960er-Jahren gezwungen, große Teile ihres Budgets für Sozialfürsorge aufzuwenden. Allein die Ausgaben für das Altersheim der jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main lägen bei 320.000 DM, und „die hohen, über eine Million betragenden sozialen Aufwendungen der Gemeinde AS (Berlin) hängen mit den um diese Zeit im Bau begriffenen zwei Wohnheimen der Gemeinde zusammen“.53

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Sozialfürsorge statt Religion in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit rücken zu müssen – das erwies sich als dauerhaftes Dilemma der Gemeinden. Schon in den DP-Lagern hatte das religiöse Leben hinter den Nöten des Alltags zurückstehen und gegen das Desinteresse vieler Bewohner regelrecht durchgesetzt werden müssen.54 Anfang der 1960er-Jahre besuchten in den drei größten bundesdeutschen jüdischen Gemeinden Berlin, Frankfurt und München lediglich vier Prozent der Gemeindemitglieder am Sabbat die Synagoge;55 unter den Jüngeren war die Teilnahme sogar noch geringer.56 In Frankfurt musste man mangels Zuspruch zur Religionsschule einen Fahrdienst einrichten, der Kinder abholte, die mehr als einen Kilometer entfernt lebten.57

Die Gemeinden orientierten sich meist nicht mehr an der liberalen Tradition eines Gottesdienstes mit deutscher Predigt, sondern waren zum orthodoxen Ritus übergegangen – was zwar der Tatsache Rechnung trug, dass viele Gemeinden von osteuropäischen Juden dominiert waren, andererseits aber die Beteiligung deutscher Juden an Gemeindeaktivitäten weiter verminderte. Die liberale Strömung im Judentum, die sich in anderen Ländern produktiv weiterentwickelte, war in Deutschland mit dem Holocaust abgerissen.58 Der 1966 gestartete Versuch, in Frankfurt eine „liberale Gruppe“ zu gründen, hatte nur so lange Erfolg – bis 1976 –, wie die eigenen abgehaltenen Gottesdienste von Angehörigen derjenigen Generation getragen wurden, für die „der religiöse Liberalismus der deutschen Vorkriegsgemeinden noch eine lebendige Realität“ war.59

In dieser Situation nachlassender bzw. gar nicht erst zu evozierender sozialer Bindekräfte durch jüdische Religion und Kultur bemühten sich die Gemeinden insbesondere um die Erziehung der nachwachsenden Generation. In Frankfurt wurde 1960 ein eigenes Jugendzentrum errichtet – nach Berlin und München das dritte in der Bundesrepublik. Die Jugendarbeit trat allerdings in Konkurrenz zu den Bemühungen der Zionistischen Jugend Deutschlands (ZJD), die in den Großgemeinden Ortsgruppen unterhielt, um jüdische Jugendliche zur Auswanderung nach Israel zu ermuntern. Zwischen der Frankfurter Gruppe der ZJD und dem gemeindeeigenen Jugendzentrum kam es bald zu einer heftigen Rivalität. Micha Brumlik, der jahrelang an den wöchentlichen Gruppentreffen der ZJD teilnahm, erlebte das gemeinsame Singen und Diskutieren im „Geist der sozialistischen Kibbutzpioniere“ als haltgebenden sozialen Raum, stellte aber auch fest, dass von den Jugendlichen, die sich zu dem gemeindeeigenen Jugendzentrum hingezogen fühlten – und die man verachtete, weil sie scheinbar sinnlos in den Tag hineinlebten, keine Auswanderungspläne hegten, rauchten und tranken – letztlich eine größere Zahl auswanderte als aus dem eigenen zionistischen Umfeld.60

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Der Konflikt zwischen zionistischer und gemeindeeigener Jugendarbeit illustriert eine weitere Zentrifugalkraft, der die jüdischen Gemeinden ausgesetzt waren: die moralische Pflicht zur Unterstützung Israels, die umso mehr wuchs, je weniger realistisch eine Auswanderung dorthin tatsächlich wurde. Anthony Kauders hat die teils kuriosen Folgen, die sich aus dieser moralischen Verpflichtung ergaben, sehr ausführlich dargestellt – vor allem die Spendenpraxis, die finanzielle Solidarität an die Stelle einer tatsächlichen Selbstverpflichtung zur Auswanderung treten ließ. Die Keren Hayessod (Vereinigte Israel-Mission) übte erheblichen Druck auf die Gemeinden und ihre Mitglieder aus. Die Frankfurter und die Münchner Sektion veröffentlichten 1969 den Beschluss, dass man fortan keiner gesellschaftlichen Einladung mehr Folge leisten solle, die von Gemeindemitgliedern ausgesprochen werde, die ihrer Solidaritätspflicht nicht nachkämen. Umgekehrt sollten solche säumigen Spender nicht mehr eingeladen werden, und schließlich solle man gar allen Versammlungen und privaten Anlässen fernbleiben, zu denen diese eingeladen seien. Dieser Versuch einer sozialen Ächtung und Isolation wurde am Schwarzen Brett ausgehängt und beinhaltete eine, so hieß es, vorläufige Liste der betreffenden Personen. Auch die Gemeindevorstände hielten die Mitglieder mit Nachdruck zu regelmäßigen Spenden an. So interpretierte der Frankfurter Gemeindevorstand die mangelnde Spendenbereitschaft Einzelner als „Beihilfe zum Mord“.61

Die Hinwendung zum „Identitätsersatz“ Israel (Dan Diner) half Juden in der Bundesrepublik zweifellos, den Widerspruch aufzulösen, der mit dem Leben im Land der Täter einherging. Wer die – zum geflügelten Wort avancierten – „gepackten Koffer“ insgeheim längst ausgepackt und sich in der Bundesrepublik eingerichtet hatte, der konnte sich zumindest durch finanzielle Solidarität Linderung von Schuldgefühlen verschaffen. Doch die Hinwendung zu Israel kompensierte mehr als nur solche Schuldgefühle, sie wurde zu einem wesentlichen Inhalt jüdischen Lebens in Deutschland schlechthin und half damit auch das Vakuum zu füllen, das die untergegangene jüdische Kultur hinterlassen hatte und das durch die weitgehende Beziehungslosigkeit, mit der man der lokalen Tradition der Gemeinde gegenüberstand, noch vergrößert wurde: „In keinem anderen Land der Welt war bis Mitte der sechziger Jahre das Spendenaufkommen pro Kopf so hoch wie in Westdeutschland, in kaum einem anderen Land ersetzte der Glaube an den Staat Israel die vom Nationalsozialismus zerstörte jüdische Kultur so rückhaltlos wie in Westdeutschland.“62

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3. Die zweite Generation

Der Widerspruch zwischen dem eigenen Ausharren in Deutschland und dem Anspruch, nach Israel zu gehen, zwischen zionistischer Jugendarbeit und der faktisch immer weiter ausgebauten jüdischen Infrastruktur in der Bundesrepublik wurde nicht selten auf die Kinder verschoben – was das Problem nicht löste. Mit entwaffnender Ehrlichkeit gab der bayerische Delegierte Tobias Berkal in einer Sitzung des Zentralrats 1966 zu Protokoll: „Ich glaube nicht, daß es unserer Gemeinschaft schaden kann, wenn die Jugend aufgefordert wird, nach Israel zu gehen. Erstens geht sie sowieso nicht, und die kleine Zahl, die geht, wird uns nicht schaden.“63 Der Frankfurter Delegierte Paul Arnsberg ging noch weiter und legte nahe, die Lebenslüge der bevorstehenden Auswanderung auch von den Schultern der Kinder zu nehmen: „Wir müssen erkennen, daß die Kinder irgendwie pluralistisch als deutsche Juden historisch sich entwickeln werden. Wenn es ein Judentum in Deutschland in 50 Jahren geben wird, kann es nur so sein: entweder sind wir Israeliten, dann sind wir Ausländer, oder sind wir eine nationale Minderheit, die wir doch mit 20 oder 25.000 Mann nicht sein können. Also bleibt nichts anderes übrig, als klar zu sehen. Das werden die deutschen Juden von morgen sein.“64

So einfach war die Sache freilich nicht. Micha Brumlik (dessen Mutter im Namen verschiedener Organisationen Spenden für Israel sammelte und dessen Vater ein Zimmer der heimischen Wohnung zu einem Büro für seine ehrenamtliche zionistische Tätigkeit umfunktioniert hatte) erlebte nicht nur den Widerspruch zwischen deklamierter und nie vollzogener Auswanderung, sondern fremdelte auch mit den „nationalromantischen Ritualen“, die in der zionistischen Jugendarbeit gepflegt wurden: „Konnte ein Schüler, zu dessen wichtigsten Leseerlebnissen Orwells ‚1984‘ und Bölls ‚Wanderer kommst du nach Spa‘ gehörten, bruchlos eine Fahne hissen?“65 Brumliks Unbehagen spiegelt den Prozess einer schleichenden Akkulturation der nachwachsenden Genera-tion in der sich liberalisierenden Bundesrepublik der 1960er-Jahre, der auch durch die aufopferungsvollste jüdische Jugendarbeit kaum zu verhindern war. Der Ort Frankfurt am Main bot dieser zweiten Generation von Juden in der Bundesrepublik zudem noch das Umfeld der amerikanischsten Stadt Westdeutschlands, in der sich schon unmittelbar nach Kriegsende eine Subkultur etabliert hatte, die man in anderen Städten vergebens suchte – und die jungen Frankfurter Juden und Nichtjuden weit weniger fremd war als ihren Eltern, denen von den Amerikanern vor allem „das Bild [blieb], das sich ihnen bot, wenn die Tür dunkelster Kneipen aufging“.66

Die Bibliotheken und Veranstaltungen in den Amerikahäusern, die im Umfeld der US-Kasernen entstandenen Soldatenclubs, die für die US-Soldaten importierten Schallplatten und das seit 1946 aus Frankfurt sendende American Forces Network (AFN) prägten die Lebenswelt der Heranwachsenden, lange bevor sich amerikanische Musik und Populärkultur bis in den deutschen Rundfunk und die deutsche Provinz vorgearbeitet hatten. Dan Diner hat dieses kulturelle Umfeld als Ursache dafür benannt, dass Frankfurt „ein ganz besonderes Genre von jüdischen Jugendlichen“ hervorbrachte, das sich auszeichnete durch „ein hohes intellektuelles Profil, große öffentliche Involviertheit, entsprechend spätere Karrieren, die damit einhergehen“.67 Zu dieser Gruppe zählen neben Dan Diner (Jahrgang 1946) und Micha Brumlik (Jahrgang 1947) etwa Cilly Kugelmann (Jahrgang 1947), Daniel Cohn-Bendit (Jahrgang 1945) und Marek Lieberberg (Jahrgang 1946).

Die Lebenswege dieser Personen waren ganz unterschiedlich, aber alle trafen sich am Kreuzungspunkt Frankfurt am Main. Marek Lieberberg wurde im DP-Lager Zeilsheim geboren, machte sein Abitur in England und brachte seit den frühen 1970er-Jahren mit seiner Konzertagentur – für die er seinen Beruf als Journalist aufgab – die berühmtesten und begehrtesten Rockbands in die Bundesrepublik.68 Die aus Polen stammenden Eltern Lieberberg konnten in der Stadt und in der jüdischen Gemeinde Frankfurt nie recht Fuß fassen. Der Vater erhielt von den amerikanischen Besatzern eine Lizenz zur Produktion von Cadbury-Schokolade, später führte er eine Kaffeerösterei, doch die Mutter verspielte einen Großteil des erwirtschafteten Geldes. „Meine Eltern waren zerbrochen“, erinnert sich Lieberberg. Sie verbargen ihr Judentum selbst vor dem Sohn, schickten ihn aber andererseits auf ein englisches Internat, „um die jüdische Geschichte besser zu verstehen“.69

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Ähnlich erinnert sich Micha Brumlik: „Obschon meine Eltern weder im Konzentrations- noch im Vernichtungslager waren, hat die Zeit des Nationalsozialismus ihr Leben wenn schon nicht zerstört, so doch nachhaltig beschädigt.“ Seine Eltern hatten Deutschland vor 1933 verlassen, nach 1945 konnten sie nirgendwo mehr heimisch werden. „Das Verlorene war anderswo nicht zu ersetzen, und die Rückkehr in ein Land, das ihnen alles genommen hatte, konnte das Verlorene erst recht nicht wiederbringen. Ihr Wunsch, daß ich stellvertretend für sie in einem idealen, gleichwohl fernen Land einen Ort finden möge, blieb unerfüllt, und ich mußte immer neue Anläufe nehmen, um einen Platz zu finden, den ich schließlich bejahen konnte.“ Seine eigene Geschichte, so Brumlik, sei die „eines mehrfachen Verlustes und der fortgesetzten Versuche, des Verlorenen dennoch habhaftig zu werden“.70

Daniel Cohn-Bendits Vater Erich war Rechtsanwalt und Justiziar der jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Erst kurz vor dem frühen Tod des Vaters 1959 zog Daniel Cohn-Bendit ebenfalls an den Main, wo er die Odenwaldschule besuchte. Der spätere Psychoanalytiker Sammy Speier – 1944 in Palästina geboren – kam mit seinen Eltern im Zuge der Zuwanderungswelle in den späten 1950er-Jahren nach Frankfurt: „Die Erinnerung an das Weggehen von Israel (1958) ist mit ungeheuren Schamgefühlen verbunden; es war eine Nacht- und Nebelaktion meiner Eltern – selbst mein damals bester Freund durfte nicht wissen, daß meine Eltern auswandern, denn es war Verrat an dem jüdischen, israelischen Volk und Staat.“ Im Jugendzentrum der Gemeinde fand er „Israelis, Sprache, Vertrautheit, aber auch viel Unvertrautes, Fremdes“. Speier fühlte sich als Zionist, sprach mit seinen Brüdern Hebräisch, um die Sprache nicht zu verlieren – besuchte aber auch die Elternhäuser seiner nichtjüdischen Freunde, selbst als er erfuhr, dass der Vater der SS angehört hatte. Er lebte „in zwei Welten“.71

Für einige Zeit versuchte Speier sein Glück in Israel. Weil er dort aber nicht in der Armee dienen wollte, kehrte er in die Bundesrepublik zurück. Brumlik begann ein Studium in Jerusalem, um aber bald festzustellen, dass ihn dieses eher „mit der amerikanischen Counter-Culture und einem linksakademischen Antizionismus vertraut [machte] als mit jenem israelischen Staat, in den ich ja einwandern wollte“.72 Auch Cilly Kugelmann ging vorübergehend nach Israel und machte die ernüchternde Bekanntschaft einer Gesellschaft, die dem in der Bundesrepublik vermittelten idealisierten Bild kaum entsprach – eine „autoritäre Gesellschaft, sehr hart, sehr uncharmant und unspielerisch“.73 Als „Bruch mit seinem ‚unbewußten Judentum‘ und als Verwerfung seines ‚naiven Zionismus‘“74 empfand auch Cohn-Bendit seine Erfahrung in Israel – und das, obwohl er im Frühjahr 1969 lediglich als Besucher (und als Held des französischen Mai 1968) dorthin kam. Ihm schlug deutliche Ablehnung entgegen, wenn er sich als Streiter für Internationalismus, Sozialismus sowie für eine Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern präsentierte, sich aber gegen eine Abgrenzung in Form jeweils eigener staatlicher Gebilde aussprach.

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Die Suchbewegung, die die zweite Generation von Juden in der Bundesrepublik vollzog, führte die Genannten auf die linke Seite des politischen Spektrums. Brumlik suchte in der entstehenden deutschen Studentenbewegung die Möglichkeit, die Welt der Eltern hinter sich zu lassen, sich von Judentum und Zionismus zu lösen und „den Schwur, den ich Jahre zuvor an den Lagerfeuern unserer Sommercamps geleistet hatte“, aufzukündigen.75 Lieberberg studierte in Frankfurt zwei Semester Soziologie und kam in Kontakt zur Szene um Hans-Jürgen Krahl und die Brüder Wolff.

Dan Diner hat den 1962 in der Kleinen Hochstraße gegründeten Club Voltaire als den Ort ausgemacht, an dem sich die zweite Generation der Frankfurter Juden der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft annähern konnte. Hier traf man sich nach dem Synagogenbesuch, während sich die Eltern ins Operncafé zurückzogen. Der Club Voltaire wurde zu einem „Ort der Konversion“, an dem man sich gemeinsam vom Privaten ins Öffentliche, vom Jüdischen ins Allgemeine begab. Man verwandelte die Sprache, den Habitus, die Syntax, man vollzog eine „kulturelle Akkulturation“.76 Die jüdische Herkunft, so erinnert sich Diner, wurde hier nebensächlich, denn der Club als Zentrum der linksalternativen Szene war kein Ort der Tätergesellschaft. Der deutsche Geist stand im Club Voltaire plötzlich links. Wie die nichtjüdischen „Achtundsechziger“ hier eine Distanzierung von den eigenen Eltern und deren Vergangenheit vollziehen konnten, so war dies in ähnlicher Form auch für die Juden der zweiten Generation möglich, die mit einer vorsichtigen Distanzierung von der Generation der Überlebenden eine Neujustierung ihres Verhältnisses zur Bundesrepublik und zu den nichtjüdischen Deutschen vornehmen konnten. „Beide, Juden wie Deutsche, ließen die Vergangenheit eben als Linke hinter sich.“77

Die Annäherung auf dem linksalternativen Feld wurde allerdings zum Ende der 1960er-Jahre gleich wieder dadurch erschwert, dass die bundesdeutsche Protestbewegung die zuvor auch von ihr geteilte Solidarität zu Israel fahren ließ und sich an die Seite palästinensischer Befreiungsbewegungen stellte. Die Debatte um antisemitische Untertöne innerhalb der politischen Linken ist seitdem mehrfach geführt worden. In Frankfurt schrieb sich das spannungsreiche Verhältnis der politischen Linken zu Israel und dessen Übertragung auf in der Bundesrepublik lebende Juden in besonders scharfer Weise in den „Häuserkampf“ im Stadtteil Westend der frühen 1970er-Jahre ein. Gut ein Jahrzehnt später war es dann die literarische Verarbeitung des Konflikts in Rainer Werner Fassbinders Theaterstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“, die für wütende Proteste sorgte, die wiederum oft pars pro toto als Beleg für ein vermeintliches „Coming Out“ der jüdischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik angeführt werden.78

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Weniger öffentlichkeitswirksam, aber folgenreicher für die Juden in der Bundesrepublik dürften die zugrundeliegenden Aushandlungsprozesse zwischen der Generation der Überlebenden, Gemeindegründer und zugewanderten Flüchtlinge einerseits und ihren Kindern andererseits gewesen sein. Deren Unbehagen angesichts des seit den 1950er-Jahren stillschweigend etablierten modus vivendi jüdischen Lebens in der Bundesrepublik artikulierte sich in Frankfurt – etwa im Konflikt um eine Jugendzeitschrift der Gemeinde – schon in den mittleren 1960er-Jahren. Der Aufbruch der zweiten Generation führte auf Seiten der älteren Gemeindefunktionäre zunächst eher zu erschrockener Abwehr, weil dabei sowohl die unkritische Solidarität zu Israel als auch das „Unauffälligkeitsgebot“ der jüdischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik in Frage gestellt wurde.

Dem wachsenden Modernisierungsdruck begegneten Gemeinden und Zentralrat lange Zeit mit halbherzigen und betulichen Partizipationsangeboten, was aber an den kritischen Grundfragen vorbeiging, die die Jüngeren stellten. Es änderte auch wenig an der Unattraktivität des religiösen und kulturellen Angebots der Gemeinden. Die Rabbiner waren alt, „der Religionsunterricht zweitklassig und die jüdisch-akademische Bildung nicht vorhanden“, so Brumlik. Die Gemeinden mussten der nachwachsenden Generation als geschlossene Gruppen erscheinen, deren „vage, irgendwie zionistisch-gefühlsmäßige Einheitsideologie“ man teilen müsse, um überhaupt mitmachen zu können.79

In Frankfurt gingen die Versuche der Jüngeren, das jüdische (Gemeinde-)Leben umzugestalten und sich einzubringen, weiter als andernorts. Hier errang eine „Junge Liste“ bei den Gemeinderatswahlen 1971 zur allgemeinen Überraschung einen großen Erfolg und zog in das Gremium ein, was für erhebliche Unruhe sorgte: „Manche sprachen von einem Erdrutsch. Manche sahen schon die Synagogen geschlossen, rote Fahnen im Aron Hakodesch [Toraschrein] und wilde Horden von skandierenden Outlaws die jüdische Gemeinschaft Frankfurt hinwegfegen. […] Die wildesten Gerüchte wurden durstig aufgesogen, verarbeitet, aufgebläht und weitergereicht.“80 Der Publizist Paul Arnsberg sah einen „Verlust der Freiheit“ drohen und ein „unjüdisches totalitäres Denken“ auf dem Vormarsch.81 Arno Lustiger kritisierte vor allem das Faktum, dass sich innerjüdische Kritik überhaupt erhebe, und erblickte in den Vertretern der „Jungen Liste“ „eine weitgehend der Volksbasis entfremdete kleine, sich elitär-intellektuell dünkende Gruppe“, die „im Namen des Fortschritts die Macht für sich und für eigene Zwecke erreichen [will]“.82

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Das Engagement der jungen Delegierten um Dan Diner im Gemeinderat blieb ein Gastspiel, aber in einem knappen Jahr versuchte man, die festgefah-renen Strukturen aufzubrechen. Man veranstaltete „Round-table-Gespräche“ im Gemeindehaus, bei denen Vertreter der „Jungen Liste“ Gemeindefunktionäre und Mitglieder mit externen Experten ins Gespräch brachten, durchaus auch zu Tabuthemen wie „Jüdische Jugend, Drogen und Sexualität“.83 Ignatz Bubis sah rückblickend in den Reformversuchen nicht viel mehr als ein Strohfeuer. Nachdem die jungen Delegierten erkannt hatten, dass das Gemeindeleben mit revolutionären Ideen nicht viel zu tun hatte, sei ihr Engagement schnell erlahmt. „Noch im Laufe der Legislaturperiode wählten sie mich, ihren eigentlichen Gegner, in den Vorstand. Die meisten dieser jungen Juden haben nach Ablauf der Amtszeit auch nicht wieder kandidiert.“84

Der Generationenwechsel in der Gemeindeführung deutete sich jedoch in den 1970er-Jahren an, als die jetzt das Ruder übernehmende Zwischengeneration unter Bubis’ Regie eine „bewußte Nachwuchsförderung“ betrieb und „jungen Leuten wie Michel Friedman und Hermann Alter den Weg in den Gemeinderat und den Gemeindevorstand“ ebnete.85 Die junge Riege um Diner, Brumlik, Kugelmann und andere blieb daneben weiterhin aktiv – etwa im Offenbacher „Sozialistischen Büro“ und der Zeitschrift „links“ sowie in der 1980 entstandenen „Jüdischen Gruppe“ – einem sich explizit als „Selbsterfahrungsgruppe“ verstehenden Gesprächskreis.86 Die Themen, die die Beteiligten umtrieben, blieben dieselben: „Das Verhältnis deutscher und jüdischer Linker, unser Selbstverständnis im Verhältnis zu unseren Eltern und ihrem Entschluss, uns in Deutschland aufzuziehen bzw. ihre Fähigkeit oder Unfähigkeit, uns ihre Erfahrungen in der Verfolgung mitzuteilen. Nicht zuletzt aber setzten wir uns immer wieder mit dem Staat Israel und seiner Palästinenser-Politik auseinander, zu der wir in strikter Opposition standen.“87

Die jungen Frankfurter Juden, die in den 1960er-Jahren begonnen hatten, das jüdische Leben kritisch zu hinterfragen, etablierten sich seit den 1980er-Jahren als Professoren, Museumsmacherinnen, Frankfurter Lokalpolitiker – und als kritische Intellektuelle in der Bundesrepublik, die sich längst nicht mehr an das „Unauffälligkeitsgebot“ gebunden fühlten, das jüdisches Leben in der Bundesrepublik über Jahrzehnte charakterisierte. Aus diesem Kreis entstand 1986 auch eines der ersten Bücher über jüdisches Leben in der Bundesrepublik,88 ein Tagungsband als erster Schritt der Selbsthistorisierung. Fast gleichzeitig wurde das Frankfurter Gemeindezentrum eröffnet. In seiner Ansprache formulierte der Architekt Salomon Korn die seither vielzitierte Wendung „Wer ein Haus baut, will bleiben“, und er sprach dieses Bekenntnis zu jüdischem Leben in der Bundesrepublik wohl vor allem im Namen der zweiten Generation.

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Jüdisches Gemeindezentrum in Frankfurt am Main, eröffnet 1986

 

Jüdisches Gemeindezentrum in Frankfurt am Main, eröffnet 1986
(Foto: Rafael Herlich, 2007)

Dass es vielfach Ereignisse in und Personen aus Frankfurt waren, die immer wieder für öffentliche Diskussionen über jüdisches Leben in der Bundesrepublik sorgten, mag auch Zufall sein. Die jüdische Nachkriegsgeschichte des Ortes verweist aber darauf, dass es nicht erst der Einwanderungswelle der 1990er-Jahre bedurfte,89 um das Judentum in der Bundesrepublik zu einem „Gebilde sui generis“ (Harry Maòr) zu machen. Die jüdische Nachkriegsgeschichte geht nicht in einer Nachgeschichte des Holocaust auf, sondern enthält ganz eigene sozial-, migrations- und mentalitätsgeschichtliche Fragen. Die Geschichte einer bloßen Religionsgemeinschaft allerdings konnte diese Geschichte nach Auschwitz nicht mehr sein.

Anmerkungen: 

1 Thorsten Schmitz, Auf die andere Tour, in: Süddeutsche Zeitung, 27.8.2010.

2 Harry Maòr, Über den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden in Deutschland seit 1945, phil. Diss. Mainz 1961, S. 154.

3 Micha Brumlik u.a. (Hg.), Jüdisches Leben in Deutschland nach 1945, Frankfurt a.M. 1986; Andreas Nachama/Julius H. Schoeps (Hg.), Aufbau nach dem Untergang. Deutsch-jüdische Geschichte nach 1945, Berlin 1992; Erica Burgauer, Zwischen Erinnerung und Verdrängung. Juden in Deutschland nach 1945, Hamburg 1993; Y. Michal Bodemann (Hg.), Jews, Germans, Memory. Reconstructions of Jewish Life in Germany, Michigan 1996; Otto R. Romberg/Susanne Urban-Fahr (Hg.), Juden in Deutschland nach 1945. Bürger oder „Mit“-Bürger, Frankfurt a.M. 1999; Ruth Gay, Das Undenkbare tun. Juden in Deutschland nach 1945, München 2001; Susanne Schönborn (Hg.), Zwischen Erinnerung und Neubeginn. Zur deutsch-jüdischen Geschichte nach 1945, München 2006; Stephanie Tauchert, Jüdische Identitäten in Deutschland. Das Selbstverständnis von Juden in der Bundesrepublik und der DDR 1950 bis 2000, Berlin 2007.

4 Michael Brenner, Nach dem Holocaust. Juden in Deutschland 1945–1950, München 1995; Julius H. Schoeps (Hg.), Leben im Land der Täter. Juden im Nachkriegsdeutschland (1945–1952), Berlin 2001; Jael Geis, Übrig sein – Leben „danach“. Juden deutscher Herkunft in der britischen und amerikanischen Zone Deutschlands, 1945–1949, Berlin 2002; Jay Howard Geller, Jews in Post-Holocaust Germany, 1945–1953, Cambridge 2005; zuletzt Atina Grossmann, Jews, Germans, and Allies. Close Encounters in Occupied Germany, Princeton 2007.

5 Vgl. z.B. Jürgen Zieher, Im Schatten von Antisemitismus und Wiedergutmachung. Kommunen und jüdische Gemeinden in Dortmund, Düsseldorf und Köln 1945–1960, Berlin 2005.

6 Claus-Dieter Crohn/Patrick von zur Mühlen (Hg.), Rückkehr und Aufbau nach 1945. Deutsche Emigranten im öffentlichen Leben Nachkriegsdeutschlands, Marburg 1997; Marita Krauss, Heimkehr in ein fremdes Land. Geschichte der Remigration nach 1945, München 2001, S. 73-79; Axel Schildt/Stefanie Schüler-Springorum/Irmela von der Lühe (Hg.), „Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause“. Jüdische Remigration nach 1945, Göttingen 2008.

7 Ein knapper Überblick findet sich bei Anthony Kauders, Unmögliche Heimat. Eine deutsch-jüdische Geschichte der Bundesrepublik, München 2007. Als journalistische Arbeit (Buch und Fernsehserie) siehe Richard Chaim Schneider, Wir sind da! Die Geschichte der Juden in Deutschland von 1945 bis heute, Berlin 2000.

8 Michael Brenner, Vorwort, in: Schönborn, Zwischen Erinnerung und Neubeginn (Anm. 3), S. 9-14, hier S. 12.

9 Die Arbeit ist verfügbar unter <http://www.harrymaor.com> – dort auch Informationen zur Biographie des Autors.

10 Maòr, Wiederaufbau (Anm. 2), S. 153f. Dort auch das folgende Zitat.

11 Cilly Kugelmann, Zur Identität osteuropäischer Juden in der Bundesrepublik, in: Brumlik u.a., Jüdisches Leben (Anm. 3), S. 177-181, hier S. 178.

12 Grossmann, Jews, Germans, and Allies (Anm. 4), S. 132.

13 Dan Diner, Elemente der Subjektwerdung. Jüdische DPs in historischem Kontext, in: Fritz Bauer Institut (Hg.), Überlebt und unterwegs. Jüdische Displaced Persons im Nachkriegsdeutschland, Frankfurt a.M. 1997, S. 229-248, hier S. 230.

14 Angelika Königseder/Juliane Wetzel, Lebensmut im Wartesaal. Die jüdischen DPs im Nachkriegsdeutschland, Frankfurt a.M. 1994.

15 Brenner, Nach dem Holocaust (Anm. 4), S. 28f.

16 Grossmann, Jews, Germans, and Allies (Anm. 4), S. 218ff.

17 Vgl. (auch zum Folgenden) ausführlich Alon Tauber, Zwischen Kontinuität und Neuanfang. Die Entstehung der jüdischen Nachkriegsgemeinde in Frankfurt am Main 1945–1949, Wiesbaden 2008.

18 Ebd., S. 167f.

19 Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg (ZA), B 1/13, A 412. Protokoll der Sitzung der Interessenvertretung der jüdischen Gemeinden und Kultus-vereinigungen, 2.3.1947.

20 Tauber, Zwischen Kontinuität und Neuanfang (Anm. 17), S. 162.

21 Ebd., S. 99.

22 Grossmann, Jews, Germans, and Allies (Anm. 4), S. 184ff.

23 Y. Michal Bodemann, Staat und Ethnizität. Der Aufbau der jüdischen Gemeinden im Kalten Krieg, in: Micha Brumlik/Petra Kunik (Hg.), Reichspogromnacht. Vergangenheitsbewältigung aus jüdischer Sicht, Frankfurt a.M. 1988, S. 49-69, hier S. 53.

24 Vgl. Tauber, Zwischen Kontinuität und Neuanfang (Anm. 17), S. 75.

25 Ebd., S. 48f., S. 108.

26 Ebd., S. 105.

27 Kauders, Unmögliche Heimat (Anm. 7), S. 96.

28 Monika Richarz, Juden in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik seit 1945, in: Brumlik u.a., Jüdisches Leben (Anm. 3), S. 13-30.

29 Zit. nach Brenner, Nach dem Holocaust (Anm. 4), S. 99.

30 Zit. nach Tamara Anthony, Ins Land der Väter oder der Täter? Israel und die Juden in Deutschland nach der Schoah, Berlin 2004, S. 96.

31 Richarz, Juden (Anm. 28), S. 14f.

32 Vgl. ausführlicher: Burgauer, Zwischen Erinnerung und Verdrängung (Anm. 3), S. 25.

33 Krauss, Heimkehr (Anm. 6), S. 73-79.

34 Oberbürgermeister Kolb zum neuen Jahr, in: Frankfurter Rundschau, 21.1.1947.

35 Vgl. ausführlicher: Monica Kingreen, Zurück nach Frankfurt. Rückkehr aus dem Exil in die Stadt am Main, in: Schildt/Schüler-Springorum/von der Lühe, Jüdische Remigration (Anm. 6), S. 121-143.

36 Ebd., S. 125.

37 Zit. nach Matthias Meusch, Von der Diktatur zur Demokratie. Fritz Bauer und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Hessen 1956–1968, Wiesbaden 2001, S. 19.

38 Zinn und Zinseszins, in: Spiegel, 31.10.1966, S. 62-86, hier S. 78.

39 Clemens Albrecht u.a., Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule, Frankfurt a.M. 1999, S. 13.

40 Memo Kurt R. Grossmann, Report of Hans Wallenberg on Democratic Institutions in Germany, 14.5.1956; YIVO Archives New York, FAD – 41 AJC Paris-Office, Box 30.

41 Brenner, Vorwort (Anm. 8), S. 11.

42 Kauders, Unmögliche Heimat (Anm. 7), S. 128f.

43 Ebd., S. 11ff.

44 Ebd., S. 13.

45 Ch. Roland, Bericht über die Untersuchung der Lage und der Bedürfnisse der Personen über 60 Jahre in der jüdischen Gemeinde Frankfurt/Main, hg. vom American Joint Distribution Committee Frankfurt a.M., der Jüdischen Gemeinde Frankfurt a.M. und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, Frankfurt a.M. 1959; zit. nach Maòr, Wiederaufbau (Anm. 2), S. 26f.

46 Y. Michal Bodemann, Mentalitäten des Verweilens. Der Neubeginn jüdischen Lebens in Deutschland, in: Schoeps, Leben im Land der Täter (Anm. 4), S. 15-29, hier S. 25.

47 Richarz, Juden (Anm. 28), S. 22f.

48 Kingreen, Zurück nach Frankfurt (Anm. 35), S. 138.

49 Hendrik van Dam, Rückkehr nach Deutschland? Zur Frage der Rückwanderung, in: Allgemeine Jüdische Wochenzeitung 11 (1956), Nr. 25.

50 Richarz, Juden (Anm. 28), S. 23.

51 Bericht William Frankel an American Jewish Committee; YIVO Archives New York, FAD – 41 AJC Paris-Office, Box 30.

52 Maòr, Wiederaufbau (Anm. 2), S. 11.

53 Ebd., S. 136f.

54 Brenner, Nach dem Holocaust (Anm. 4), S. 39.

55 Maòr, Wiederaufbau (Anm. 2), S. 105f.

56 Walter W. Jacob Oppenheimer, Jüdische Jugend in Deutschland, München 1967, S. 52-55.

57 Kauders, Unmögliche Heimat (Anm. 7), S. 173.

58 Brenner, Nach dem Holocaust (Anm. 4), S. 207ff.

59 Wer ein Haus baut, will bleiben. 50 Jahre Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main. Anfänge und Gegenwart. Begleitbuch anläßlich der Ausstellung im Jüdischen Museum der Stadt Frankfurt am Main 10. Dezember 1998 – 14. Februar 1999, Frankfurt a.M. 1998, S. 23.

60 Micha Brumlik, Kein Weg als Deutscher und Jude. Eine bundesrepublikanische Erfahrung, München 2000, S. 34f.

61 Zit. nach Kauders, Unmögliche Heimat (Anm. 7), S. 114f.

62 Brumlik, Kein Weg (Anm. 60), S. 30.

63 Zit. nach Tauchert, Jüdische Identitäten (Anm. 3), S. 129.

64 Ebd., S. 122.

65 Brumlik, Kein Weg (Anm. 60), S. 37f.

66 Madlen Lorei/Richard Kirn, Frankfurt und die drei wilden Jahre 1945–1947, Frankfurt a.M. 1962, S. 143.

67 Schneider, Wir sind da! (Anm. 7), S. 242.

68 Vgl. die Portraits Lieberbergs in der Frankfurter Neuen Presse, 4.3.1978 und 21.5.1991, sowie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 31.3.1990.

69 Portrait Marek Lieberbergs („Hier spielt die Musik“) in: Frankfurter Rundschau, 24.7.2004.

70 Brumlik, Kein Weg (Anm. 60), S. 10.

71 Sammy Speier, Von der Pubertät zum Erwachsenendasein. Bericht einer Bewußtseinswerdung, in: Brumlik/Kunik, Reichspogromnacht (Anm. 23), S. 182-193, hier S. 182ff.

72 Brumlik, Kein Weg (Anm. 60), S. 86.

73 Schneider, Wir sind da! (Anm. 7), S. 287.

74 Wolfgang Kraushaar, Fischer in Frankfurt. Karriere eines Außenseiters, Hamburg 2001, S. 196.

75 Brumlik, Kein Weg (Anm. 60), S. 91f.

76 Dan Diner, 1968 – Club Voltaire. Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Jüdische Erinnerungsorte in Frankfurt am Main – Juden in der Frankfurter Stadtgeschichte“, Johann Wolfgang Goethe-Universität, 11.6.2008.

77 Schneider, Wir sind da! (Anm. 7), S. 234.

78 Als materialreiche Darstellung der verschiedenen Konfliktetappen seit den 1970er-Jahren siehe Wanja Hargens, Der Müll, die Stadt und der Tod. Rainer Werner Fassbinder und ein Stück deutscher Zeitgeschichte, Berlin 2010.

79 Zit. nach Kauders, Unmögliche Heimat (Anm. 7), S. 190.

80 Marek Glezermann, Zwischen Diaspora und Zionismus, in: Frankfurter Jüdisches Gemeindeblatt 4 (1971), Nummer 2/3/4, S. 5.

81 Paul Arnsberg, Auflösung des Gemeinderates – warum?, in: Die Wahrheit (Broschüre, hg. von Paul Arnsberg u.a., 1972); Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg (ZA), B 1/13, 3639.

82 Arno Lustiger, Warum hat die Junge Liste enttäuscht?, in: ebd.

83 Roberto Fabian, Ein Erbe als Herausforderung. Die jüdische Gemeinde in Frankfurt am Main von 1945 bis heute, in: Romberg/Urban-Fahr, Juden in Deutschland (Anm. 3), S. 134-145, hier S. 140.

84 Ignatz Bubis, „Damit bin ich noch längst nicht fertig“. Die Autobiographie, Frankfurt a.M. 1996, S. 89.

85 Wer ein Haus baut (Anm. 59), S. 21.

86 Shila Khasani, Oppositionelle Bewegung oder Selbsterfahrungsgruppe?, in: Schönborn, Zwischen Erinnerung und Neubeginn (Anm. 3), S. 160 - 177, hier S. 165.

87 Brumlik, Kein Weg (Anm. 60), S. 141.

88 Ders. u.a., Jüdisches Leben (Anm. 3).

89 Zur Historisierung und musealen Präsentation dieser Phase siehe den Beitrag von Eva-Maria Schrage im vorliegenden Heft.

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