Körperkraft, Demut und Männlichkeit

Die Heroisierung des Ringers Gholamreza Takhti im vorrevolutionären Iran

English version (translated by Christoph Langer):
THE WRESTLER'S STRENGTH AND HUMILITY
On Gholamreza Takhti, Masculinity, and the Search for Authenticity in a ›West-Infested‹ Iran

  1. Der Intellektuelle Jalal Al-e Ahmad und die Suche nach Iran
  2. Der Aufstieg Takhtis und die Geschichte Irans
  3. Theoretischer Rahmen:
    Geschlechter- und Männlichkeitsforschung zu Iran
  4. Das Ringen und die Dimensionen heroischer Männlichkeit
  5. Sport, Männlichkeit und nationale Ehre
  6. Fazit

Anmerkungen

[Für zahlreiche hilfreiche Anmerkungen zu früheren Versionen dieses Beitrags bedanke ich mich bei Cornelia Brink, Houchang Chehabi, Jan-Holger Kirsch und Nina Verheyen. Für die Unterstützung bei der Recherche zu Gholamreza Takhti danke ich Augustin Laber und Hossein Khazaei. Dieser Beitrag geht zudem auf ein früheres Projekt zu Männlichkeiten in Iran zurück, das ich mit meinem Doktorvater Tim Epkenhans durchführen durfte. Ohne seine Unterstützung in den vergangenen Jahren wäre dieser Beitrag nicht denkbar gewesen.]

»Selbstmord eines Champions«, titelte die Abendausgabe der iranischen Tageszeitung »Ettela’at« (dt. »Informationen«) am 8. Januar 1968 und führte aus: »In einem Brief, den Takhti hinterließ, machte er niemanden für seinen Tod verantwortlich. Der Selbstmord Takhtis erfolgte durch Einnahme von Gift.«1 Es scheint beinahe, als wollte die regimetreue Zeitung Belege für die Tatsache des Suizids vorlegen; ganz so, als habe sie jene öffentliche Fassungslosigkeit vorausgesehen, die die Möglichkeit eines Suizids des Sportidols und Nationalhelden Gholamreza Takhti (1930–1968) nicht akzeptieren wollte. Dass der allseits verehrte Olympiasieger von 1956 und zweifache Weltmeister im Freistilringen, der als moralisch vorbildlicher Sportsmann geschätzte, politisch engagierte und bescheidene, bodenständige Mann aus Teheran, der sich für die Belange der Schwachen einsetzende und selbst so starke Mann sich das Leben genommen haben sollte, war für die iranische Öffentlichkeit schwer vorstellbar.

Der Ringer Gholamreza Takhti,
vermutlich Anfang der 1950er-Jahre
(Foto: Mir Abolghasem Farsi, o.D.; <http://museum.olympic.ir/en/photos/gallery/worldchampiongholamrezatakhti>)

Eine in Iran damals viel plausibler scheinende Erklärung ließ sich zumindest als Gerücht an anderer Stelle finden: SAVAK, der Geheimdienst des Shahs, trage die Schuld.2 So hatte sich das Gerücht eines staatlich beauftragten Mordes auch 1967 verbreitet, ein halbes Jahr vor Takhtis Tod, nachdem die Leiche des linken Schriftstellers Samad Behrangi (1939–1967) in einem Fluss im Nordwesten Irans gefunden worden war. Behrangi hatte kurz vorher seinen als Kinderbuch getarnten Aufruf zum Widerstand gegen Unterdrückung und Repression veröffentlicht (»Der kleine schwarze Fisch«).3 Ähnliche Gerüchte kursierten dann nach dem Tod des Ringers Takhti, dessen politische Sympathie mit der oppositionellen Nationalen Front des 1953 gestürzten und ebenfalls erst kurz zuvor verstorbenen Mohammad Mosaddeq (1882–1967) kein Geheimnis war.4 Der ehemalige Premierminister stand als der große politische Gegenspieler Mohammad Reza Shah Pahlavis seit jenem Coup d’état vom 19. August 1953 unter Hausarrest, und Takhti gehörte zu den wenigen Trauergästen bei Mosaddeqs Beerdigung im kleinsten Kreis, bevor der Ringer einige Monate später selbst tot in einem Teheraner Hotelzimmer aufgefunden wurde.

Nicht nur die zeitliche Nähe ihres jeweiligen Todes und politische Gemeinsamkeiten verbinden Mosaddeq und Takhti, sondern auch der Umstand, dass es sich wohl um die beiden populärsten iranischen Figuren des 20. Jahrhunderts handelt, wenn die Frage nach einer säkular und demokratisch gedachten iranischen Nation gestellt wird: »[T]he men are arguably two, if not the two, most popular national figures in modern Iranian history«,5 heißt es etwa in einem aktuellen Aufsatz Arash Davaris und Naghmeh Sohrabis über die Signalwirkung, die Takhtis Tod auf iranische Studierende im Rahmen der globalen »68er«-Bewegung hatte. Zugleich repräsentieren die beiden historischen Protagonisten völlig gegensätzliche Männlichkeitsentwürfe.

Schon als Premierminister Anfang der 1950er-Jahre, zeitgleich mit dem sportlichen Aufstieg Takhtis, gerierte sich Mosaddeq als starker Geist im schwachen Körper. Er empfing Journalisten, Regierungsmitglieder und Staatsgäste am vermeintlichen Krankenbett und scheute sich nicht, öffentlich Emotionen zu zeigen. Dieser Politikstil brachte ihm gerade innerhalb Irans Bewunderung ein. Das Bild Mosaddeqs als aufopferungsvoll vom Krankenbett aus die Geschicke des Landes steuernden Staatsmannes, der letztlich die Nationalisierung des iranischen Erdöls erreichen konnte – damit ist sowohl die Verstaatlichung vorher privater Rohstoffe gemeint als auch der politisch autonome Zugriff des iranischen Staates auf diese –, ist bis heute ein weitverbreitetes Motiv in Iran. Zu Mosaddeqs Lebzeiten nutzte die anglo-amerikanische Öffentlichkeit hingegen die performative körperliche Schwäche des Premierministers, um diesen entlang orientalistischer Stereotype, zu deren zentralen Mitteln die Effeminierung als »orientalisch« markierter Männer gehört, in einer gegenderten Sprache zu diskreditieren. Als das »TIME Magazine« Mosaddeq 1951 zum »Man of the Year« kürte, gab die Zeitschrift ihm den Beinamen »Weepy Mossy« und bezeichnete ihn als »fainting leader of a helpless country«.6 Welchen Einfluss die Wahrnehmung der angeblich fehlenden Männlichkeit Mosaddeqs auf politische Entscheidungsträger im Westen hatte, zeigt anschaulich Mary Ann Heiss in ihrem Aufsatz »Real Men Don’t Wear Pajamas«.7

Mosaddeqs politischer Unterstützer Gholamreza Takhti scheint dagegen der personifizierte Gegenentwurf zu sein. Der Ringer verkörperte eine Vorstellung von Männlichkeit, die einerseits den männlichen Körper im Angesicht ausländischer Einflussnahme als eine Ressource zur Bewahrung »iranischer Authentizität« – hier verstanden als ein Quellenbegriff – präsentierte und andererseits auf bestimmte idealisierte Charaktereigenschaften verwies, die sich in der schüchternen, demütigen Art des Ringers manifestierten. Diese als männliche Tugenden verstandenen Eigenschaften verdichten sich im persischen Begriff javanmardi (wörtl. »Jungmännertum«, häufig übersetzt als »Ritterlichkeit«8), sind dabei allerdings eng an den männlichen Körper im Allgemeinen und das Ringen im Besonderen gebunden, wie ich in diesem Beitrag ausführen werde. Dass man bei der Suche nach einem Repräsentanten für »iranische Authentizität« zu einem Ringer gelangte, ist also kein Zufall. Das Ringen nimmt in Iran einen zentralen Stellenwert ein, und obwohl es nicht (mehr) die populärste Sportart ist, wird es bis heute als Nationalsport wahrgenommen. Großen Anteil daran hat die Auffassung, dass das Ringen als wesentliches kulturelles Erbe des vor-islamischen Partherreiches (um Christi Geburt) eine nahezu ungebrochene Tradition aufweise, die das heutige Iran sowohl mit seiner langen Geschichte als auch mit der persischen Mythologie verbinde.9 Über Bezugnahmen auf vermeintliche distinkt iranisch-persische sowie iranisch-islamische Traditionen erhält der männliche Körper bei der Heroisierung des Sportidols im Angesicht ausländischer Einflussnahme und der sie begleitenden Effeminierungsstrategien seine politischen Dimensionen.

1. Der Intellektuelle Jalal Al-e Ahmad und die Suche nach Iran

1968 schien niemand an einen Suizid Gholamreza Takhtis glauben zu wollen, schreibt der Iranist Houchang Chehabi in seinem Beitrag »Sport and Politics in Iran« (1995): »Those who doubt the official story point out that he was far too much of a fighter, too pious, and had endured too much hardship in his life to give up and commit the sin of suicide.«10 Nur eine höhere Gewalt, eben die Staatsgewalt, habe diesen Champion zur Strecke bringen können – so insinuierte es auch der zu Takhtis Lebzeiten äußerst einflussreiche iranische Intellektuelle Jalal Al-e Ahmad (1923–1969) in einem Essay.11 Unter dem Titel »Samad va afsaneh-ye ‘avamm« (»Samad und die Volkslegende«, mit der im Persischen nicht unwichtigen Konnotation des »einfachen Volkes«) beschäftigte er sich jeweils mit dem Tod des bereits erwähnten Schriftstellers Samad Behrangi und des Sportidols Gholamreza Takhti. Eben noch über die mysteriösen Umstände von Behrangis Tod sinnierend, erinnert sich Al-e Ahmad einige Zeilen später an ein Gedicht, das auf dem Trauerzug zu Ehren des anderen, des Sportlers, kursierte. Über Takhti soll gedichtet worden sein: »Kraftlos waren die Recken der Welt in deiner Faust / Eine Schande, dass das Schicksal dich nun in den Staub geworfen hat.«12 Al-e Ahmad ließ keinen Zweifel daran, dass »das Schicksal« in Gestalt des Shah-Regimes daherkam.

Er selbst wurde zum Zeugen eines Massenereignisses, als er der Beerdigung des Ringers im südlich von Teheran gelegenen Städtchen Rey beiwohnte. Nachdem er und seine beiden Begleiter ihr Auto nahe des Bazars beim Shah-Abdol-Azim-Schrein geparkt hatten, so sein Bericht, wurden sie in die Menge hineingezogen: »Und was für eine Menschenmenge! Die Armen, Arbeiter, der einfache Mann von der Straße [mard tu-ye kucheh, wörtl. »der Mann in der Gasse«, OG] und hier und da Bazarhändler und Büroangestellte. Und alle jung!«13 Die genaue Zahl der Trauernden ist heute nicht sicher zu ermitteln – Schätzungen reichen bis zu 400.000 Menschen,14 die der Beisetzung des Jahan Pahlevan beiwohnten, des »Helden der Welt«, wie Takhti in Iran schon zu Lebzeiten genannt wurde. Al-e Ahmad schreibt in seinem bekannt komplizierten Stil über das Verhältnis der Menge zum Verstorbenen: »In dieser Menge dachte niemand, nicht mal für einen Moment, an die Möglichkeit des Suizids. Jahan Pahlevan zu werden, durch Deine eigene Existenz die individuellen und sozialen ›Nicht-Existenzen‹ anderer kompensieren – und dann Selbstmord? Wie könnte ein einfacher, machtloser und verängstigter Mann, der seine banale Existenz des Alltags kompensiert sah in dem Wissen um eine solch sinnvolle Existenz, der Stärke des Körpers und dem Ruhm dieses bodenständigen Mannes aus Khani Abad [d.i. Takhti] – der nie seiner eigenen Klasse den Rücken zugewandt hatte, diese Essenz von Körperkraft, der ›nein‹ sagte zu den Mächtigsten seiner Zeit […] – wie könnte der einfache und demütige Mann glauben, dass der Suizid begangen hätte?«15

Die suggestive Frage hinterließ nicht nur einen nachhaltigen Eindruck auf die Zeitgenoss:innen und folgende Generationen in Iran – erst jüngst sah sich der Sohn Takhtis bemüßigt, dem hartnäckig kursierenden Gerücht von der Ermordung des Nationalhelden entgegenzutreten –, sondern enthält zahlreiche Schlagworte, welche die hier vorgenommene Reflexion zur Heroisierung Takhtis und zur Bedeutung körperbezogener Männlichkeiten in Iran motivieren. Al-e Ahmad verweist auf die repräsentative Funktion Takhtis, einerseits für den »einfachen Mann von der Straße«, der nach Halt in einer Gegenwart sucht, in der er keinen Platz mehr hat. Andererseits erweitert Al-e Ahmad die Perspektive auf eine von ihm so identifizierte kollektive Selbstwahrnehmung, die »sich selbst« aus dem Blick verloren und diese Leerstelle durch die Zuwendung zu Takhti gefüllt habe, zu einer demütigen, gerade auch deswegen heroischen Figur, die aus der eigenen Mitte gekommen sei. Wiederholt verweist der Verfasser auf die Bedeutung des Körpers im Angesicht der Ohnmacht; auf die schiere Körperkraft – Al-e Ahmad spricht von »Essenz« –, welche auch die moralische Stärke verleihe, den »Mächtigsten der Zeit« entgegenzutreten. Es ist die Heroisierung des »einfachen Mannes« und seiner vermeintlich letzten beiden Refugien – des eigenen Körpers sowie des demütigen, bodenständigen Charakters. Diese Heroisierung ist nicht loszulösen von den Erfahrungen der zunehmenden ausländischen Einflussnahme in Iran während des 20. Jahrhunderts. Und es ist diese Heroisierung, die für Männer eine mögliche Antwort auf die in jenen Jahren dominierende Frage präsentiert, wie iranische Individuen – Männer und Frauen – im Angesicht westlicher Hegemonien »zu sich selbst finden« können.

Nicht unwichtig ist hier, dass gerade Al-e Ahmad jene Zeilen über Takhti verfasst hatte, war er es doch, der sich prominent dieser Suche nach einer »authentischen« iranischen Identität widmete; in Zeiten, wo eine solche durch die unkritische Übernahme und Adaption westlicher auch kultureller Errungenschaften verloren schien. 1962 publizierte Al-e Ahmad ein Buch, das zu einem der einflussreichsten Texte auf dem Weg zur Revolution von 1978/79 in Iran wurde: »Gharbzadegi«.16 Der Titel ist kaum angemessen zu übersetzen und lässt sich im Deutschen am ehesten wiedergeben mit »Vom Westen verseucht« – im Englischen haben sich die leicht unschärferen Begriffe Westoxication und Weststruckness etabliert. Analog zur im heutigen Wissenschaftsdiskurs gängigen Unterteilung der Welt in einen Globalen Norden und Globalen Süden steht gharbzadegi für eine Kritik, die eine dichotomische Unterteilung der Welt in Okzident und Orient zum Ausgang nimmt und diagnostiziert, dass der Westen (pers. gharb) den Osten über den Konsum westlicher Produkte und Kulturformen infiziert habe wie mit einer Seuche.17

Die Kritik Al-e Ahmads richtete den Blick dabei weniger nach Westen (wie es Edward W. Said 16 Jahre später in »Orientalism« tat18) als vielmehr auf die iranische Gesellschaft selbst und ihre kulturelle Abhängigkeit vom Westen. Gharbzadegi beschreibt das Gefühl, obsolet zu sein, das Gefühl der eigenen Minderwertigkeit und Rückständigkeit, das die »infizierten Individuen« plage und in dessen Angesicht die Bedingungen der westlichen Moderne unterwürfig akzeptiert würden.19 Es beschreibt jenes Gefühl der »Nicht-Existenz«,20 auf welches Al-e Ahmad auch in seinem Essay über Takhti Bezug nahm. Letztlich waren es dabei nicht die Errungenschaften der Moderne und deren Aneignung auch in seinem Land, die Al-e Ahmad kritisierte – er propagierte nicht die Abschaffung von Autos und Maschinen –, sondern der Verlust der kulturellen Authentizität im Umgang mit diesen Errungenschaften. Al-e Ahmad bemängelte, dass man zu Konsumenten westlicher Technologien verkommen sei und sich darin selbst verloren habe.21 »Der west-verseuchte Mensch hat keinen Charakter. Er ist etwas ohne Authentizität«, heißt es in »Gharbzadegi«.22 Der persische Begriff esalat, der hier mit »Authentizität« übersetzt wird, hat viele Konnotationen: Er verweist auf Echtheit und Originalität, zugleich aber auch auf Dauerhaftigkeit und Beständigkeit, sogar Charakterfestigkeit. Bei Al-e Ahmad sind all diese Konnotationen aufgerufen, es ging ihm um eine iranisch-kulturelle Authentizität (der hier und im Folgenden verwandte Authentizitätsbegriff ist somit ein empirischer) und Autonomie, die seiner Diagnose zufolge abhandengekommen war.23 Am Ende steht nach Al-e Ahmad die internalisierte Erfahrung der Subordination aller iranischen Individuen unter eine westliche Hegemonie. Und mehr noch: »Der west-verseuchte Mensch ist verweichlicht. Zan-sefat (effimine) ast [sic].« Er sei effeminiert und habe »die Eigenschaften einer Frau«.24 Der »Mensch«, der hier angesprochen wird, ist der iranische Mann, der im Angesicht des Westens nicht nur seine Authentizität verloren habe, sondern auch seine Männlichkeit. Die postkoloniale Erfahrung ist gegendert.

In »Samad va afsaneh-ye ‘avamm« beschreibt Al-e Ahmad den Ringer Takhti als eine iranisch-authentische und männliche Antwort auf diese Gefühle. Takhti erscheint gleichsam als eine Erlöserfigur auf der Suche nach dem iranischen »Selbst«, im Angesicht der geschlechtlich konnotierten Subordinationserfahrungen, die sich einerseits auf die ganze Nation beziehen und andererseits aufgrund ausländischer Durchdringung im 20. Jahrhundert in jedes Individuum wirken würden. Al-e Ahmad bietet damit eine Interpretation zur Bedeutung körperbezogener Männlichkeit im modernen Iran an: Die Heroisierung des männlichen Körpers ist nach dieser Lesart eine Ressource des Empowerments vor dem Hintergrund vermeintlicher Effeminierungserfahrungen angesichts westlicher Hegemonie.

In einer historischen Perspektive, die ihren Ausgangspunkt an der Biographie des Ringers selbst nimmt, sollen im Folgenden die geschlechtlich aufgeladenen Dimensionen von kollektiven Subordinationserfahrungen in einem kolonialen und postkolonialen Kontext besprochen sowie die iranische Faszination für Takhti dazu in Relation gesetzt werden. Takhtis Heroisierung kann einerseits als Effekt der Diskurse um die Durchdringung Irans durch ausländische Mächte gelesen werden, andererseits trug sein Beispiel auch selbst zur Perpetuierung von Auffassungen heroischer Männlichkeit bei. Dem folgt eine Diskussion der Verschränkungen von historischen Erfahrungen mit der Entwicklung der Geschlechterforschung in Iran. Dabei wird herausgearbeitet, welche Funktionen prototypischen Vorstellungen heroischer Männlichkeit in der Maskulinitätsforschung zum modernen Iran zukommen. Für die westlichen Leser:in­nen heißt das, sich von jenen Bildern Irans zu lösen, welche die deutsche Regenbogenpresse der 1950er- und 1960er-Jahre anbot – Bilder der traurigen Soraya und der königlich-strahlenden Farah Diba, den Ehefrauen des Shahs –, um sich den Vorstellungen nähern zu können, die in Iran selbst populär waren.

2. Der Aufstieg Takhtis und die Geschichte Irans

Gholamreza Takhti wurde am 27. August 1930 als jüngster Sohn eines Eismachers in Teheran geboren. Der Beruf des Eismachers war kein sehr einträgliches Geschäft. Im Winter wurde eine tiefe Grube mit Wasser gefüllt und durch eine Mauer vor Sonneneinstrahlung geschützt. In der Hitze des Sommers ließ sich das gespeicherte Eis verkaufen, zu Gold wurde es jedoch nie. Der drastische Wandel Teherans, der durch die in den 1930er-Jahren vorangetriebenen Modernisierungsmaßnahmen Reza Shahs ausgelöst wurde, forderte seinen Tribut auch von Takhtis Vater, dessen Grube einer neuen Eisenbahnlinie weichen musste.25 Der Bankrott des Vaters trieb die Familie in die Armut. Hier ließe sich nun zu einer Erzählung ansetzen, welche auf die Möglichkeiten des sportlichen Erfolgs als Ausweg aus Armut und Perspektivlosigkeit kapriziert. Dieser Beitrag wird jedoch eine andere Richtung nehmen und den Sport nicht als biographische Chance im Angesicht der Ausweglosigkeit durch schichtbezogene Herkunft präsentieren, sondern auf die politische Dimension und die historischen Implikationen der Heroisierung des »einfachen Mannes« im modernen Iran abstellen.

Die Kindheit im einfachen Teheraner Viertel Khani Abad war für die Heroisierung Gholamreza Takhtis ein wichtiger Referenzpunkt und fand einen dramaturgischen Höhepunkt in einer dreitägigen Obdachlosigkeit der Familie Mitte der 1930er-Jahre. 1959, noch zu Lebzeiten Takhtis, publizierte die iranische Sportzeitung »Keyhan-e Varzeshi« (»Welt des Sports«) einige autobiographische Notizen,26 auf deren Grundlage später zwei in der Islamischen Republik erscheinende Biographien zusammengestellt wurden.27 In diese fanden Takhtis Erinnerungen an den Bankrott seines Vaters Eingang: »Eines Tages kamen die Geldeintreiber zu uns nach Hause und setzten uns mitsamt dem Hausrat vor die Tür. Wir waren gezwungen, zwei Nächte in der Gasse zu schlafen. Am dritten Abend brachten wir unseren Hausrat dann zu Nachbarn und konnten zwei Zimmer mieten.«28 Später wurde diese Episode mit Takhtis vermeintlicher Opposition zum Pahlavi-Regime verbunden und so interpretiert, dass diese Haltung durch die Frustration über die ungerechte Behandlung seines Vaters motiviert gewesen sei.29 So eindeutig, wie es nach dem Ableben Takhtis konstruiert wurde,30 war seine Opposition jedoch nicht – die Sympathie mit Mosaddeq und der Nationalen Front wurde von Takhti selbst jedenfalls nie mit einer Ablehnung der Monarchie gleichgesetzt.

Der Verlag »Shahid Ebrahim Hadi« hat es sich in den letzten Jahren allerdings zur Aufgabe gemacht, Biographien von für die Islamische Republik bedeutsamen heroischen Figuren zusammenzustellen, und da passt eine solche Interpretation ins Narrativ. Wichtiger ist hier aber, dass die dort erschienene Biographie ein frommes muslimisches, von Armut und Entbehrung geprägtes Familienleben schildert. Dass die Biographie, die im Zuge der strategischen Präsentation eines Heldenkanons der Islamischen Republik Iran entstand, auf die vorbildliche islamische Lebensführung der Familie verweist,31 ist wenig überraschend. Welche Bedeutung dem Aspekt der Armut bei der Heroisierung Takhtis beigemessen wird, ist hingegen bemerkenswert, wenn es um die Frage nach der vermeintlichen Essenz einer authentisch-iranischen Männlichkeit geht – versteht sich die Islamische Republik doch selbst als das revolutionäre Produkt der sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung auflehnenden »einfachen Männer«, der mostazafin (»Unterdrückten«).32

Zur Einordnung ist somit ein etwas breiterer Blick auf die Geschichte eines Landes notwendig, das Anfang der 1940er-Jahre in die Wirren des Weltkrieges hineingezogen wurde. Am 25. August 1941 marschierten sowjetische Truppen aus dem Norden und britische Einheiten aus dem Irak ein. Reza Shah hatte sich schon früh auf gute Beziehungen zu NS-Deutschland stützen können und hatte in den Jahren vor dem Krieg die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder intensiviert; Großbritannien hingegen hatte im April 1941 den durch einen pro-deutschen Militärputsch im Irak ins Amt gekommenen Ministerpräsident Rashid al-Kilani gestürzt, der daraufhin ins Exil nach Teheran floh. Dass man aufseiten der Alliierten eine weitere Regierung in der Region nicht dulden wollte, die offen mit Deutschland sympathisierte und womöglich gar ein militärisches Bündnis eingehen könnte,33 war allerdings nur einer von mehreren Gründen für die Invasion Irans. Die strategische Bedeutung des Landes lag aus britischer Sicht vor allem in den Ölvorkommen des Südens begründet, wo die Anglo-Iranian Oil Company die einträgliche Raffinerie von Abadan unterhielt; aus sowjetischer Sicht sollte die Nachschubroute für amerikanische Unterstützung im Rahmen des Lend-Lease Act gesichert werden.34

Die iranische Armee konnte an keinem Frontabschnitt standhalten. Bereits am Abend des 27. August 1941 stimmte Reza Shah einer Waffenruhe zu, deren Umsetzung allerdings noch zwei Tage dauerte.35 Die Invasion hatte die erzwungene Abdankung Reza Shah Pahlavis zugunsten seines Sohnes Mohammad Reza Shah zur Folge; gleichzeitig wurde das Land in eine britische Zone im Süden und eine sowjetische Zone im Norden aufgeteilt. Sowohl diese Teilung als auch die für Iran demütigende Leichtigkeit, mit der die Alliierten das Land erobern konnten, erinnerten unheilvoll an die Bedingungen des Great Games zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland im ausgehenden 19. Jahrhundert, als das qajarische Iran zum Spielball der Großmächte degradiert wurde, ohne je formal kolonisiert zu werden. Der Eindruck der Ohnmacht im Angesicht ausländischer Einflussnahme verstärkte sich in den Folgejahren noch, als Iran zu einem der frühen Schauplätze des Kalten Krieges wurde: Die Sowjetunion verließ die besetzte Region Aserbaidschan in Iran im Frühjahr 1946 erst auf US-amerikanischen Druck.36

Während dieser turbulenten Jahre fing der junge Gholamreza Takhti mit dem Ringsport an. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, im Alter von 15 Jahren, brach er die Schule ab und begann zunächst mit dem Training der traditionellen Kraftsportarten des zurkhaneh.37 Hinter dieser Aussage ist mehr Politik verborgen, als es zunächst scheinen mag. Das zurkhaneh (wörtl. »Haus der Kraft«) bezeichnet eine Trainingsarena, die aus einer persischen Kampfsporttradition heraus entstanden sein soll. Lloyd Ridgeon hat das zurkhaneh als eine invention of tradition des späten 19. Jahrhunderts bezeichnet, es jedoch zugleich als »one of Iran’s distinctive, indigenous institutions« identifiziert.38 Diesen Status hat das zurkhaneh nicht nur über eine Reihe von ritualisierten Kraftsportübungen erhalten, die auf eine mythologisierte antike Zeit persischer Hochkultur verweisen sollen und als varzesh-e bastani (»klassischer [oder antiker] Sport«) bezeichnet werden,39 sondern auch durch die politische Relevanz des zurkhaneh-Milieus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Dieses ist bis heute eng mit der prominenten und ambivalenten Figur des luti verbunden. Als lutis werden in Iran bestimmte Repräsentanten des urbanen subalternen Milieus junger Männer bezeichnet. Der Begriff des lutigari (des »Lutitums« also) definiert diese spezifische Männlichkeit. Sie idealisiert Stärke, Ehre, Tatkraft und die Fähigkeit, Gebiete, Familien oder Anhänger:innen zu schützen – kurz, sich behaupten zu können. Es ist eine Männlichkeit, die bis zur Islamischen Revolution außerhalb staatlicher Strukturen zu verorten war und sich häufig gar in Opposition zu diesen zeigte.40

Politische Relevanz entwickelte das Konzept des lutigari erstmals während der Konstitutionellen Revolution in Iran (1906–1911), als der Maurer Baqer Khan (1861–1916) und der Pferdehändler Sattar Khan (1868–1914), zwei lutis mit krimineller Vergangenheit, die Sache der Revolution am Leben hielten, indem sie die Verteidigung der Stadt Tabriz im Nordwesten Irans gegen die Truppen des damaligen Qajaren-Shahs organisierten und schließlich selbst jenen Marsch einer »socially insignificant group of men«41 nach Teheran anführten, der zum Erfolg der konstitutionellen Bewegung und zur Abdankung Mohammad Ali Shah Qajars im Juli 1909 führte. Die konstitutionelle Phase fand im Übrigen ein Ende durch eine britisch-russische Besatzung des Landes während des Ersten Weltkrieges und führte zu einer bereits zuvor beschlossenen Aufteilung Irans in eine britische und eine russische Einflusszone – die oben beschriebene Besetzung von 1941 war diesbezüglich also eine Wiederholungstat. Die Episode hatte kaum zu überschätzende Auswirkungen auf die Geschichte der Männlichkeiten im modernen Iran, wie ich an anderer Stelle gezeigt habe.42 Zu einem Zeitpunkt, als die intellektuellen Vordenker der konstitutionellen Bewegung mehrheitlich aus dem Land geflohen waren, trug die Erfolgsgeschichte der beiden luti-Revolutionsführer zur Herausbildung eines Männlichkeitsethos bei, das politisches Handeln auch zu einer Angelegenheit der Körperkraft und performativen Männlichkeit erklärte. Die Heroisierung Sattar Khans und Baqer Khans war nicht nur zur Mobilisierung während der Prozesse rund um den Coup d’état von 1953 bedeutsam, sondern wurde auch während der Islamischen Revolution reaktiviert, als der Diskurs um die mostazafin, die Unterdrückten, sein mobilisierendes Potential entfaltete. Es ist die Idealisierung des »einfachen Mannes«, der – auch wenn er nichts mehr sonst zur Verfügung hat – das Schicksal selbst in die Hand nimmt, auf seine Charakterstärke, seinen Willen und seine Körperkraft vertraut und handelt.43

Takhti mit Holzkeulen (pers. mil),
die für klassische Kraft- und Geschicklichkeitsübungen verwendet werden
(Wikimedia Commons, Public Domain; o.D.)

Als Takhti mit seinen Kraftübungen im zurkhaneh begann, hätte er den Weg eines luti einschlagen können – er tat es jedoch nicht, sondern wechselte 1948 in das Freistilringen, das weniger eng an das urbane subalterne Milieu Irans geknüpft war. Seine Herkunft und sein Milieubezug spielten aber eine wichtige Rolle bei der Überführung von zentralen Elementen des immer mehr in Verruf geratenen luti-Ethos in idealisierte körperbezogene Männlichkeiten während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach dem Krieg verließ Takhti die Hauptstadt Teheran zunächst, um ein Jahr lang für die Anglo-Iranian Oil Company in der Ölstadt Masjed Soleiman zu arbeiten, und wurde danach zum Militärdienst eingezogen. Der Hauptmann seiner Einheit war zufällig auch der Sekretär des iranischen Ringerverbandes. Der Erfolg, der aus diesem Treffen resultierte, ließ nicht lange auf sich warten – bereits 1950 gewann Takhti seine erste nationale Meisterschaft, 1951 dann die Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft in Helsinki, 1952 am selben Ort dasselbe Edelmetall, nun allerdings bei der Olympiade.44

Der sportliche Aufstieg des Ringers Takhti erfolgte in einer politisch erneut turbulenten Phase, die von der Konfrontation mit ausländischer Einflussnahme in Iran geprägt war. Einerseits konnte sich nach der Abdankung Reza Shahs eine starke kommunistische Bewegung etablieren, die im Gewande der Tudeh-Partei nachhaltigen Einfluss auf Politik und Gesellschaft auszuüben vermochte. Andererseits gründete der prominente, besonders in der Mittelschicht beliebte Politiker Mohammad Mosaddeq 1949 seine Jebhe-ye Melli (Nationale Front), eine Koalition aus einflussreichen Politikern und Parteien, deren kleinster gemeinsamer Nenner die Forderung nach einer Nationalisierung der von Großbritannien kontrollierten Erdölvorkommen war. Nach dem Wahlerfolg der Nationalen Front und der Übernahme des Premierministerpostens durch Mosaddeq 1951 unterzeichnete der junge Mohammad Reza Shah die Gesetzesvorlage zur Nationalisierung der iranischen Erdölvorkommen. In dieser Atmosphäre des nationalen Aufbruchs und des Eindrucks politischer Selbstbestimmung zeigte sich Takhti als Sympathisant von Mosaddeq und des demokratischen Projekts seiner Nationalen Front.

Alle demokratischen Hoffnungen wurden jedoch erneut durch ausländische Einflussnahme enttäuscht, als der Coup d’état von 1953 zur Ablösung von Mosaddeq führte. Der Staatsstreich des 19. August stellt in mehrfacher Hinsicht einen Wendepunkt der iranischen Geschichte dar. Er stürzte den populären Premierminister und sorgte für die sichere Rückkehr von Mohammad Reza Shah Pahlavi, der zuvor ins Ausland geflohen war. Außerdem verwandelte der Putsch, der größtenteils von der CIA und dem britischen SIS orchestriert wurde, Iran in einen client state der Vereinigten Staaten.45 Die Islamische Revolution von 1979, die sich vor allem gegen den Shah und die vermeintliche Fremdbestimmung durch die USA richtete, wäre ohne den Putsch von 1953 nicht denkbar gewesen. Als unmittelbare Folge für die iranische Politik ist festzuhalten, dass der Putsch die demokratischen Träume der säkularen iranischen Nationalisten beendete und zugleich zur Zerschlagung der bis dahin starken kommunistischen Bewegung in Iran führte.

Auch aus der Perspektive einer Geschichte der Männlichkeiten in Iran war der Coup von entscheidender Bedeutung. Nachdem ein erster Umsturzversuch in der Nacht vom 15. auf den 16. August erfolglos geblieben war, mobilisierten am Morgen des 19. August zahlreiche lokale Größen des subalternen Teheraner Milieus die Gruppen ihrer Anhänger für die Sache des Shahs. Diese vornehmlich aus den lokalen zurkhanehs rekrutierten lutis mischten sich also aus unterschiedlichen Motiven erneut in die Politik ein.46 Die Gründe können hier nicht behandelt werden;47 entscheidend ist aber, dass diese Männer aus dem Kraftsport den Weg für das Eingreifen des Militärs zugunsten des Shahs ebneten. Die Tatsache ihres aktiven Eingreifens führte in der iranischen Wahrnehmung zur späteren Diskreditierung oder Marginalisierung des zurkhaneh-Milieus und des luti-Ethos, entweder weil man dieses Milieu für das Scheitern der demokratischen Phase verantwortlich machte oder weil man sich auf royalistischer Seite darum bemühte, dessen politischen Einfluss zu beschneiden, um nicht selbst zu seinem Opfer zu werden.48

Shaban Jafari, einer der luti-Anführer und eine Art Gegenfigur zu Takhti,
bei einer Schauveranstaltung, in welcher die klassischen
Übungen des zurkhanehs präsentiert wurden
(hier mit jenen Holzkeulen [mil],
die beim vorherigen Bild auch Takhti in Händen hält)
(Wikimedia Commons, Public Domain; o.D.)
Shaban Jafari bei einer Kundgebung für den Shah
während des Coup dʼétat von 1953
(Wikimedia Commons, Public Domain)

Takhti hatte das zurkhaneh jedoch rechtzeitig verlassen und galt demnach nicht als bestechlich, nicht als Handlanger des Westens, sondern als ein Herold eben jener Tugenden, welche die anderen starken Männer schändlich verraten hätten, als sie sich vermeintlich von ausländischen Mächten korrumpieren ließen. So kann man den oben zitierten Abschnitt aus Al-e Ahmads Essay lesen, in dem es heißt, dass Takhti seiner Klasse niemals den Rücken gekehrt habe, »diese Essenz von Körperkraft, der ›nein‹ sagte zu den Mächtigsten seiner Zeit« – gefolgt von dem Zusatz: »der kein Namju, Shaban [Jafari; einer der luti-Anführer] oder Habibi geworden war«;49 eben keiner von jenen bekannten Männern, welche in Al-e Ahmads Auffassung ihre Klasse, ihre Herkunft, ihr Land verraten hatten und der Verantwortung ihrer Männlichkeit, ihrer Körperkraft also, nicht gerecht geworden seien.

Die Attraktivität von Takhtis sportlichem Erfolg und die Tragweite der Verehrung sind nur im Licht der hier aufgezeigten politischen Dimensionen der ausländischen Einflussnahme und der iranischen Reaktionen auf diese zu verstehen. Entsprechend ist die symbolische Wirkung von Takhtis sportlichem Erfolg über die Repräsentanten der Supermächte Sowjetunion (die durch die kommunistische Tudeh auch in den 1950er-Jahren noch aktiv in die Politik Irans eingriff) und USA bei den Olympischen Spielen in Melbourne 1956 kaum zu überschätzen. In der Disziplin des Freistilringens gewann Takhti nach einem Wettbewerb ohne Gegenpunkte im Halbschwergewicht. In der Finalrunde schlug er den sowjetischen Gewinner der Silbermedaille Boris Kulajew (1929–2008) durch Schultersieg und den drittplatzierten US-Amerikaner Peter Blair (1932–1994) nach Punkten.

Takhti vor dem Eingang zum Olympischen Dorf in Melbourne, 1956
(Wikimedia Commons, Public Domain)
Siegerehrung, Melbourne 1956
(Foto: Mir Abolghasem Farsi; <http://museum.olympic.ir/en/photos/gallery/worldchampiongholamrezatakhti>)

Der Trainer des iranischen Olympiateams, Habibolah Bolour (1913–1982), berichtete von einer Anekdote rund um die Siegerehrung bei den Olympischen Spielen 1956, als er Takhti durch Zuruf darauf aufmerksam machen wollte, welch große Namen er besiegt habe, Takhti jedoch auf die nationale Bedeutung seiner Siege verwies: »Als Takhti zum ersten Mal bei der Olympiade über den Champions aus Amerika und der Sowjetunion auf dem Siegertreppchen stand, kam ich näher und habe ihm gesagt: ›Guck nach links und rechts! Schau wer da steht!‹ Als dann die iranische Nationalhymne gespielt wurde, deutete Takhti auf die iranische Fahne über seinen Kopf, welche ebenfalls höher gehisst wurde [als die sowjetische und die US-amerikanische], und erinnerte mich damit an die besondere Bedeutung, nämlich, dass die Nachricht davon eine ganze Nation in Freude versetzen wird und ihr Befriedigung verschafft.«50 Der sich hier andeutende zentrale Zusammenhang von Männlichkeit und Nation wird auch in der iranistischen Geschlechterforschung diskutiert.

3. Theoretischer Rahmen:
Geschlechter- und Männlichkeitsforschung zu Iran

Die gegenwärtige Männlichkeitsforschung zu Iran ist von zwei Prämissen geprägt: einerseits durch eine historische Perspektive, die sich vor allem auf die Erfahrungen ausländischer Einflussnahme bezieht; andererseits durch die Islamische Revolution und die mit ihr verbundene, von Autor:innen der Geschlechterforschung als »hypermaskulin« identifizierte Gesellschaftsordnung.51 Die Revolution selbst bewirkte eine Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen – allerdings besonders durch eine öffentliche Fixierung auf die Rolle von Frauen in der iranischen Gesellschaft. Den Veränderungen infolge der Revolution war das Projekt der autoritären Neuordnung geschlechtsbezogener Vorstellungen sozialer Normen durch das Regime Mohammad Reza Shah Pahlavis schon seit den 1950er-Jahren vorausgegangen. Hier wurde zum einen der Versuch unternommen, den Platz von Frauen in der Gesellschaft den vermeintlichen Anforderungen der Moderne gemäß neu zu bestimmen; zum anderen wurde eine Neudefinition idealisierter Männlichkeit angestrebt, die sich an westlichen Vorstellungen orientieren sollte.52 In historischer Perspektive ist es der daraus resultierende spannungsreiche Prozess, der sich letztlich auch in den Repräsentationen des hier untersuchten Ringers verdichtet.

Shahin Gerami stellt in ihrem einflussreichen »Gründungstext« für die neuere Tradition feministischer Männlichkeitsforschung mit dem Titel »Mullahs, Martyrs, and Men. Conceptualizing Masculinity in the Islamic Republic of Iran« aus dem Jahr 2003 fest, dass in der iranischen Frauenbewegung Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Entmenschlichung von Frauen im Namen der Tradition, Religion oder Authentizität zwar offen thematisiert würden, dass dabei allerdings übersehen werde, was die Geschlechterordnung dominant präge: »My native culture has infinite notions of maleness as good, brave, loyal, and benevolent. Masculinity is so standardized that most Iranians do not see it as a category. Ayatollah Khomeini’s manhood is taken-for-granted knowledge in the national consciousness. He may be analyzed as a revolutionary leader, an Imam, a politician, or even a dictator, but not as a man.«53

Gerami fordert daher die Auseinandersetzung mit den durch die revolutionäre Ideologie der Islamischen Republik Iran propagierten »Prototypen« idealisierter Männlichkeit, um die Geschlechterordnung des Landes zu dekonstruieren – und aus der Perspektive dieses Aufsatzes lässt sich anfügen: Ein solches Forschungsprogramm muss auch die Repräsentanten jener von ihr als prototypisch identifizierten Männlichkeiten umfassen.54 In Geramis Begriff der hypermaskulinen Sozialordnung ist allerdings bereits eine relationale Dimension eingeflochten, welche durch die Fokussierung auf »Prototypen« zunächst vielleicht nicht zu vermuten wäre: »This misogynistic order was hard on women, but it also harmed men. The state’s imposition of Sharia, its harsh implementation of sex segregation and condoning of vigilantism, hurt men as it did women.«55 Das Interesse der Autorin gilt daher der Frage, wie sich Männer und Frauen zu den prototypischen Männlichkeiten verhalten (können).

Alle größeren feministisch motivierten Studien zu Iran sind in der Folge Geramis ebenfalls der Bedeutung der von ihr diagnostizierten hypermaskulinen Gesellschaftsordnung für Männer nachgegangen, sodass neben zahlreichen Aufsätzen zu Männlichkeiten im iranischen Kontext des 20. und 21. Jahrhunderts56 etwa mit Janet Afarys »Sexual Politics in Modern Iran«57 oder Afsaneh Najmabadis »Women with Mustaches and Men Without Beards«58 hervorragende Monographien zur Geschlechterordnung in Iran vorliegen, welche sich auch mit Männlichkeiten beschäftigen. Mit Sivan Balslevs »Iranian Masculinities«59 und Wendy DeSouzas »Unveiling Men«60 wurden neuerdings zudem zwei Studien publiziert, die sich dezidiert mit Männlichkeitsforschung im modernen Iran auseinandersetzen. Dabei fällt auf, dass in diesen Forschungen Geramis Gedanke zu prototypischen Männlichkeiten um einige Begriffe erweitert wird. So wie Gerami darlegt, dass sich »der Mullah« oder »der Märtyrer« in der iranischen Gesellschaft beinahe idealtypisch im Sinne Max Webers definieren lassen, widmen sich zahlreiche Arbeiten dem in Iran prominenten Begriff javanmardi, der in Bezug auf Takhti aufschlussreich wird.61

Der Vorwurf, dass es sich bei einem solchen Forschungsprogramm, das nach Prototypen fragt, um die Reaktivierung einer mittlerweile überkommenen Geschlechterrollentheorie für den iranischen Fall handle, ist nicht leicht zu entkräften. Raewyn Connell, Pionierin der Soziologie der Männlichkeiten, hat kritisiert, dass es bei einer Fokussierung auf Geschlechterrollen Unterdrückung nur in jener Form gebe, »die die Rolle auf das Ich ausübt«, dass dabei Machtverhältnisse zwischen den und innerhalb der Geschlechter aber nicht berücksichtigt würden.62 In der Tat neigen besonders jene Studien, die sich mit der Geschichte des Konzeptes javanmardi beschäftigen, dazu, dessen Bedeutung für die Geschlechterhierarchie nicht zu untersuchen, sondern es allein für die Beschreibung von Männlichkeitsrollen zu verwenden, sodass Machtbeziehungen, um die es sowohl Connell in ihrer Kritik der Rollentheorie als auch Gerami in ihrer Reflexion über die iranische Geschlechterordnung geht, nicht mehr diskutiert werden.

In der iranistischen Literatur wird das Konzept javanmardi allerdings in einer solch prominenten Weise als zum kulturellen Repertoire Irans und der langen Geschichte des Landes gehörend empfunden, dass es besonders geeignet erscheint, iranische Identität zu markieren. Die Anthropologin Fariba Adelkhah hatte bereits 1999 in ihrem viel beachteten Werk »Being Modern in Iran« das Konzept und die damit verbundene Vorstellung als omnipräsent in der Alltagssprache und als »Arbeitsprogramm für politische Aktivität im modernen Iran« identifiziert.63 In der Folge haben sich zahlreiche Studien mit dem javanmardi-Phänomen beschäftigt und dabei einerseits den Aspekt der Geschlechterrolle anerkannt, für den es steht, haben sich andererseits gegenüber früheren Studien jedoch absetzen können, indem sie Connells Idee der hegemonic masculinity64 fruchtbar gemacht und so die relationalen Dimensionen von Männlichkeiten näher betrachtet haben.65 Auch Takhti wird sowohl in den Quellen wie auch in der Forschung scheinbar selbstverständlich mit javanmardi in Verbindung gebracht und zudem regelmäßig als Explanans für das Konzept selbst angeführt – insbesondere seine demütige, bescheidene Art hat die Auffassungen von javanmardi entscheidend mitgestaltet.66

Neben dem Ziel, die heutige Geschlechterordnung in Iran auch durch den Zugang über die Männlichkeitsforschung zu dekonstruieren, haben einige Studien zudem schon früh die politischen Dimensionen von Männlichkeiten in einem Land erkannt, das sich ständig unter ausländischem Einfluss sah. Dem liegt die Beobachtung zugrunde, dass sich bereits während der Konstitutionellen Revolution um 1905 bis 1911 in Iran ein Diskurs etabliert hatte, der die Nation selbst in geschlechtlich konnotierten Begriffen rahmte und die Heimat als durch ausländische Mächte bedrohte Entität präsentierte, welche auf den Schutz durch den patriotischen Mann angewiesen sei.67 Die Trope der Heimat als Frau – und häufig gar explizit als eine vergewaltigte Frau – ist dabei keinesfalls auf den iranischen Fall beschränkt, sondern im Gegenteil ebenso ein weit verbreitetes Phänomen von Konstruktionsweisen des Nationalismus wie die Verschränkung mit Konnotationen der männlichen Ehre.68 Afsaneh Najmabadi hat diese Verflechtung jedoch speziell für den iranischen Fall erforscht und festgestellt, dass sich im modernen Iran bis zu den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert ein Diskurs durchsetzen konnte, in dem die Heimat (pers. vatan) weiblich konnotiert, die Nation (pers. mellat; derselbe Begriff kann auch mit »Volk« übersetzt werden) hingegen als männliche Bruderschaft markiert ist, wobei die weibliche Heimat und die männliche Nation über den Begriff der Ehre (pers. nāmūs) zueinander in Relation gesetzt werden: »Rooted in Islamic thought, nāmūs was delinked from its religious affiliation [nāmūs-i Islām] and reclaimed as a national concern [nāmūs-i Irān], as millat itself changed from a religious to a national community. Slipping between the idea of purity of woman [ʿimat] and integrity of Iran, nāmūs constituted purity of woman and Iran as subjects both of male possession and protection: Sexual and national honor intimately constructed each other.«69

Neuere Geschlechterstudien zu Iran können sich der grundlegenden Beobachtung Najmabadis kaum entziehen, dass im Laufe des 19. Jahrhunderts bei der Imagination der iranischen Nation zahlreiche geschlechtlich konnotierte Begriffe in ein Spannungsfeld miteinander traten und die Vorstellungen sowohl einer binär strukturierten Gesellschaft als auch der damit verbundenen geschlechtlichen Entwürfe für Männer und Frauen nachhaltig prägten. Die Gegenüberstellung eines weiblich konnotierten »geo-bodys« (vatan, Heimat) und eines männlichen Kollektivs nationaler Bruderschaft (mellat, Volk/Nation), das die Geliebte – hier nicht nur »die geliebte Heimat«, sondern sehr wörtlich als »die Geliebte« zu verstehen, Iran also – zu schützen verpflichtet ist, hatte großen Einfluss auf das Verständnis von »richtigem« oder »authentischem« Nationalismus oder Patriotismus im Rahmen der Auseinandersetzung mit ausländischer Einflussnahme, Durchdringung, Penetration.70 Über den Begriff der Ehre, der den Schutz des weiblichen Körpers zur Pflicht des Mannes erhebt, wurden Nationalismus und Heimatliebe direkt mit Männlichkeiten verbunden.71 Wie nachhaltig diese im 19. Jahrhundert sich langsam etablierenden Vorstellungen waren und welche Mobilisierungspotentiale sie entfalten konnten, zeigen jene Prozesse des 20. Jahrhunderts in Iran, als die Ansprache des »einfachen Mannes« im Kontext der ausländischen Bedrohung und später Durchdringung ihre Wirkung zeitigen konnte. Dies gilt für die Konstitutionelle Revolution 1905–1911, die Ereignisse rund um die Nationalisierung des Erdöls 1951/52, den Coup d’état 1953 und die Islamische Revolution 1978/79.72

Im Lichte dieser Bestandsaufnahme der Geschlechterforschung zu Iran ist die besondere Symbolik des vielfach zirkulierten Fotos Takhtis zu bewerten, das ihn bei der Siegerehrung in Melbourne 1956 zeigt (s.o., Kap. 2) – eben jene Siegerehrung, von der sich der Ringer nach der Erzählung seines Trainers angeblich selbst erhoffte, dass sie der Nation Befriedigung verschaffen werde. In dem Bild, das den iranischen Champion umrahmt von den tiefer platzierten, im Zweikampf unterlegenen Athleten jener Mächte zeigt, die nicht erst seit dem Einmarsch 1941 die Politik in Iran beinahe nach Belieben bestimmten, verdichten sich die geschlechtlichen Dimensionen nationaler Ehre und die Hoffnungen auf die Wiedererlangung einer verlorengeglaubten Männlichkeit.

4. Das Ringen und die Dimensionen heroischer Männlichkeit

In einer Sprache, die wie das Persische kein grammatisches Geschlecht kennt, kommt den geschlechtlichen Assoziationen von Begriffen und Konzepten eine herausragende Bedeutung bei der Dekonstruktion der Geschlechterordnung zu. Dies ist auch für die Diskussion des Heroischen relevant, in welchem sich an Einzelfiguren festgemachte Diskurse über moralisch vorbildhaftes Verhalten kondensieren. Die Geschlechterordnung in Iran wird, das zeigt das Beispiel des Ringers, maßgeblich über die Begriffe zum Heroischen mitgestaltet – und alle der folgenden vier Bedeutungsebenen des Heroischen verdichten sich in der Figur Gholamreza Takhtis.

Das Persische hat keine direkte Übersetzung des Containerbegriffs »Held« mit all seinen im Deutschen transportierten Konnotationen im Angebot, sondern differenziert das Heroische kontextbezogen und ist stets männlich codiert; das trifft auf die vier Begriffe shahid, pahlevan, qahreman und javanmard zu. Das Heroische bildet somit einen zentralen zugangsregulierenden Faktor der iranischen Geschlechterhierarchie. Im gegenwärtigen, stark auf den schiitischen Islam und die Martyriumserzählungen seiner Gründungsgeschichte bezogenen Diskurs stellt der shahid, der Märtyrer, eine zentrale Konfiguration dar, die das Heroische einschließt, Männlichkeiten definiert und die Geschlechterordnung maßgeblich prägt. Das Gerücht um den Mord an Takhti bedient genau dieses Muster und unterstützt zumindest seine postume Heroisierung. Der unschuldige, ungerecht getötete shahid genießt einen Ehrenplatz im kollektiven Gedächtnis Irans.73 Davari und Sohrabi zeigen in ihrer Studie, wie nach Takhtis Beerdigung zum ersten Mal jener schiitische Trauerrhythmus seine explosive Mobilisierungswirkung entfaltete, der die spätere Phase der Islamischen Revolution prägte: »The aftershocks of that explosion continued into the 1979 revolution that toppled the Pahlavi state.«74

Von größerer Bedeutung für die Frage nach den geschlechtlichen Dimensionen des Heroischen im Zusammenhang mit dem Ringer Takhti ist jedoch der Begriff des pahlevan. Der pahlevan wird im Zusammenhang mit Vorstellungen vom antiken Persien und den mythologischen Dimensionen der persischsprachigen Epen verwendet, insbesondere des Shahnameh (»Buch der Könige«, Fertigstellung um 1010 u.Z.) von Abu l-Qasem Ferdowsi (940–1020). Pahlevani, hier zunächst mit »Heroismus« übersetzt, wird einerseits über moralisch vorbildliches Verhalten definiert, andererseits ist es nicht ohne Körperbezug denkbar. Houchang Chehabi fasst treffend zusammen: »The ideals of Iranian chivalry and sportsmanship are expressed by the notion of pahlavan. A pahlavan is not a mere champion, in Persian qahraman, but also a moral exemplar who is just, fair, self-abnegating and kind to the weak. Reflecting Iran’s dual heritage as a Shii Muslim country with an ancient culture going back to pre-Islamic times, two primordial heroes exemplify the values of pahlavanhood: Rostam and Imam Ali. While the first of these, whose exploits are narrated in Iran’s national epic, the Book of Kings, belongs to the realm of legend, the second is a key character in early Islamic history.«75

Im modernen Iran können eigentlich nur Ringer und Athleten weniger weiterer Sportarten wie Gewichtheben, die mit den klassischen Formen des varzesh-e bastani (»antiker Sport«) in Verbindung gebracht werden, widerstandslos als pahlevan bezeichnet werden.76 Pahlevan kann nur sein, wer ein Mann ist und stark, ein fiktiver Held oder ein realer Athlet. Pahlevani allerdings ist einerseits ein Charakterzug, der idealisiertes moralisches Verhalten anzeigt, es ist Heroismus oder Heldenmut, den jede:r zeigen kann, Männer wie Frauen; andererseits ist eine weitere Übersetzung schlicht und einfach: Ringen. In der Konsequenz wird Idealität also nicht nur über einen männlich konnotierten Begriff verhandelt, sondern über einen, der explizit auf performativ zur Schau gestellte Körperkraft verweist. Der Kreis von Heroismus, Mythos und Moral schließt sich bei der Steigerung des pahlevan, dem jahan pahlevan, denn davon gibt es nur zwei: den mythologischen Rostam und den Ringer Takhti.

Jahan pahlevan ist kein Titel, der über Siege im Ringen zu erlangen wäre – andere iranische Ringer gewannen international mehr Medaillen als Takhti und erhielten diesen Beinamen nicht.77 Es ist ein Titel, der eigentlich exklusiv für Rostam reserviert ist, die zentrale Heldenfigur aus dem persischen Nationalepos Shahnameh. Der Ehrentitel ist tief verankert im Mythos über ein authentisches Iran und seine lange persische, auch vorislamische Geschichte. Im modernen Iran wurde er nur einmal über eine Form konsensualer Anerkennung vergeben, eben an Takhti.78

Im Shahnameh, dessen Bedeutung für das Wiedererstarken eines persophonen Selbstbewusstseins auf dem Gebiet des heutigen Irans und Zentralasiens nach der islamisch-arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert kaum überschätzt werden kann, nimmt der als koshti bezeichnete und heute ebenfalls schlicht mit »Ringen« zu übersetzende Zweikampf zwischen den mythologischen Heroen einen prominenten Raum ein.79 Der tragische Ringkampf zwischen den beiden Helden Rostam und Sohrab, Vater und Sohn, die sich auf dem Schlachtfeld gegenseitig nicht erkennen, stellt dabei einen dramatischen Höhepunkt des Shahnameh dar. In ihrem ersten Aufeinandertreffen scheint der Sohn über den Vater zu siegen, als Rostam von Sohrab zu Boden geworfen wird und dieser sich auf die Brust des Älteren setzt, um ihm dem Kopf abzuschneiden. Der im Staub liegende Rostam erklärt dem jüngeren Helden jedoch die Regeln des Zweikampfes, nämlich, dass die guten Sitten es nicht erlauben würden, den Kopf gleich beim ersten Mal, wenn ein Recke in den Staub geworfen würde, abzuschneiden. Es wäre erst beim zweiten Mal opportun, denn so sei es schon ewig die Sitte in Iran gewesen.80 Mit dieser List rettet sich Rostam in den zweiten Kampftag, an welchem die Antagonisten erneut ihre Pferde festbinden, sich daran machen, ihren Zweikampf wieder aufzunehmen und sich »einander bei den Riemen des Gürtels« ergreifen, bevor der Vater den immer noch unerkannten Sohn schließlich zu Boden ringt und tötet – durch einen gänzlich unsportlichen Dolchstoß in die Brust allerdings.81

In späteren persischen Epen wird das personelle Arsenal des Shahnameh aufgegriffen und Schritt für Schritt mit explizit islamischen Elementen angereichert.82 Hier scheint das Auftreten des im Shahnameh selbst noch recht erratischen und rücksichtslos brutalen Rostam auch um moralische Dimensionen erweitert zu werden; vor allem aber werden das Ringen und die dort verwendeten Techniken ausführlicher beschrieben, sodass der Zweikampf mehr und mehr seine formalisierten Strukturen erhält.83 Der populäre Erfolg der epischen Erzählungen über mythologische und somit als vor­islamisch wahrgenommene Heroen führt dann auch zur Darstellung von Figuren des Frühen Islam in Versform durch fromme Dichter. Insbesondere Ali b. Abi Talib, die Bezugsfigur für den Islam schiitischer Prägung, sticht dabei heraus.84 Die Amalgamierung dezidiert persischen mythologischen Formenbestandes mit schiitisch-islamischen Topoi geht im safawidischen Iran (1501–1722) gar soweit, dass Rostam und Ali im zu jener Zeit verfassten Heldenepos Rostamnameh direkt aufeinandertreffen und Rostam schließlich zum Islam konvertiert, nachdem er von Ali besiegt worden ist.85 Chehabi stellt dazu fest, dass der muslimische Rostam die perfekte Metapher für eine safawidisch-iranische Identität gewesen sei, welche die zwei zentralen Dimensionen iranischen Selbstverständnisses miteinander in Einklang brachte, nämlich die vor-islamische Zeit und den schiitischen Islam.86

Die moderne Gleichsetzung des Ringens mit den mythologischen Dimensionen Irans kann nicht so leicht als invention of tradition abgetan werden, wie man zunächst versucht ist zu unterstellen. Vielmehr scheint es zumindest eine Tradition zu geben, in dieser Sportart bestimmte Vorstellungen von dem zu diskutieren, was Iran ist; und dies betrifft auch die Frage danach, was es bedeutet, Iraner:in zu sein. Wie eingangs gezeigt, sind Vorstellungen von Männlichkeit im modernen Iran eng mit Authentizitätsdiskursen verwoben – und das Ringen stellt eine prominente Folie dar, vor welcher die entsprechenden Männlichkeiten präsentiert werden können. So wie Jahan Pahlevan Rostam im safawidischen Iran zur Metapher für eine iranisch-islamische Identität aufgebaut wurde, so konnte Jahan Pahlevan Takhti zur Metapher für ein authentisches, starkes Iran in einer Zeit werden, als das Land sich zum Spielball ausländischer Mächte degradiert sah und das Schlagwort des gharbzadegi mit seiner Kritik am verweichlichten, effeminierten, vom Westen geschlagenen Mann die Runde machte.

Qahreman, der dritte Begriff, der hier mit Bezug auf Takhti diskutiert werden soll, ist dem deutschen Heldenbegriff näher, es schwingt aber stets die Konnotation des Siegens mit – man könnte den Begriff mit »Siegerheld« übersetzen. Wer eine Weltmeisterschaft gewinnt, ist ein qahreman-e jahan, ein Weltmeister eben, egal in welchem Sport. Wer das Finale verliert, ist kein Weltmeister. Außer im Ringen, so scheint es. Die iranischen Ringer sind immer qahremanan (Plural), auch wenn sie verlieren. So titelte die Tageszeitung »Ettela’at« zum Empfang der iranischen Ringer am Teheraner Flughafen nach deren enttäuschendem Abschneiden bei der Olympiade in Rom 1960: »Esteqbal-e Tehran az qahremanan« (Teheraner Empfang der qahremanan). Handelte es sich um Fußballer, hätte diese Überschrift den Sieg der empfangenen Mannschaft insinuiert. Es waren aber Ringer – und im Zusammenhang mit ihnen ist daher derselbe Begriff, der in anderen Kontexten ohne Ambiguität auf einen Sieg verweist, als »Held« zu übersetzen. »Teheraner Empfang der Helden« könnte es also heißen; und doch weiß jeder, dass es sich um Ringer handelt, die verloren haben. Um die Unterscheidung zum pahlevan zu ermöglichen, wird qahreman in diesem Beitrag allerdings stets mit »Champion« übersetzt.

Zu den Dimensionen heroischer Männlichkeit in Iran lässt sich zusammenfassend formulieren: Es kann Märtyrerinnen geben, der Prototyp des shahid aber folgt der männlichen Norm. Pahlevan kann nur ein Mann sein, über ihn werden Körperkraft und Anstand sowie Tradition und kulturelle Authentizität verhandelt. Qahreman hat eine männliche Konnotation, ist aber zumindest auch verwendbar für Siegerinnen, vor allem im Sport. Es ist ein Begriff, der auf Wettkampf, Sieg und Agonalität verweist. Auch der vierte für das Heroische zentrale Begriff steht im Zusammenhang mit idealisierter Männlichkeit: Javanmardi – das Konzept wurde im vorigen Abschnitt besprochen – ist ein Begriff der Tugend und des Körpers zugleich; er wurde im Englischen häufig als chivalry übersetzt. Im Persischen ist das Wort Männlichkeit (mardi) bereits fester Bestandteil des Begriffs. In Takhtis Person vereinigen sich zumindest die letzten drei Begriffe paradigmatisch. Er ist nicht nur jemand, auf den diese heroischen Konfigurationen appliziert werden, sondern umgekehrt: Sie werden mit ihm erklärt. Er ist idealer pahlevan, qahreman und javanmard zugleich. Er ist der ideale Mann. Diese Repräsentationsfunktion Takhtis für Konfigurationen heroischer Männlichkeit in Iran gilt sowohl für die 1960er- und 1970er-Jahre als auch für heutige iranische Diskurse über idealisierte Männlichkeit, wobei das Gerücht um seine Ermordung durch die Konnotationen des Martyriums noch zu einer »Schiitisierung« der Figur beiträgt. Takhti repräsentiert damit den bemerkenswerten Ausnahmefall, in welchem die heroischen Potentiale der Figur mit nur kleinen diskursiven Anpassungen (es sei neben seinem Tod auch an die vermeintlich fromme Kindheit in zeitgenössischen Biographien erinnert) beinahe ungebrochen von der Pahlavi-Zeit in das post-revolutionäre Iran transferiert wurde – eben weil an seiner »kulturellen Authentizität« nie ein Zweifel bestand.

Zeremonie zu Takhtis 45. Todestag im Jahr 2013,
auf dem Friedhof in Teheran, wo sich sein Grab befindet
(Foto: Abdollah Heydari/Mehr News Agency)

5. Sport, Männlichkeit und nationale Ehre

Die geschlechtlichen Dimensionen im Spannungsfeld der heroischen Figur Takhtis auf der einen Seite sowie der Suche nach iranischer Authentizität und nationaler Ehre auf der anderen Seite sind nicht erst nach dem Tod des Sportlers festzustellen; sie prägten seine Heroisierung schon zu Lebzeiten. Insbesondere die Berichterstattung rund um die Olympischen Spiele 1960 in Rom und um die Weltmeisterschaft im Ringen 1961 in Yokohama ist bemerkenswert. Sie vermittelt einen Eindruck sowohl von der damaligen Begeisterung für das Freistilringen in Iran als auch von den Verbindungen, die zwischen dieser Sportart, ihren Repräsentanten, der Imagination einer mythologisierten iranischen Identität und der nationalen Selbstbehauptung gezogen wurden.

Die Olympischen Spiele von 1960 verliefen für die iranischen Ringer enttäuschend. Das Team um Takhti konnte lediglich drei Medaillen gewinnen. Mohammad Paziraei (1929–2002) holte am Ende der ersten Woche Bronze im Fliegengewicht, der leichtesten Gewichtsklasse des im Iran ungeliebten griechisch-römischen Stils (dem koshti-ye farangi, wörtlich »europäischem Ringen«), bei dem nur der Oberkörper die Angriffsfläche bietet.87 Danach ging es sowohl im griechisch-römischen Stil als auch im Freistilringen, bei dem der gesamte Körper angegriffen werden darf, zunächst vielversprechend weiter. Takhti besiegte seine Gegner reihenweise, und auch die weiteren Teammitglieder fuhren überzeugende Siege ein, die in Iran enthusiastisch aufgenommen wurden.88 Zwar verpasste der hoch gehandelte Olympiasieger von 1956, Emam-Ali Habibi (geb. 1931), im Leichtgewicht eine Medaille; die Dominanz der Athleten im Halbschwergewicht und Fliegengewicht, Gholamreza Takhti und Ebrahim Seifpour (geb. 1938), war jedoch erdrückend. Umso bitterer war die Enttäuschung in Iran, nachdem sich Seifpour mit der Bronzemedaille zufriedengeben musste und schließlich auch noch Takhti im Finale dem Türken İsmet Atlı (1932–2014) unterlag. Die Niederlage Takhtis wurde mit Unglauben und Empörung aufgenommen. In der Nachberichterstattung wurde behauptet, dass Atlı auf der Matte vor dem wahren Champion (qahreman) Takhti Angst gehabt habe und regelrecht geflohen sei.89 Der eigentliche Sieger, so insinuierte der Artikel »Wer ist der Champion, Takhti oder Atlı?«, sei der iranische Athlet: »Wie konnte unser unbesiegbarer Champion verlieren?« Es seien sich doch alle darüber im Klaren, so die Zeitung weiter, dass »ihr starker und überlegener Held in Wahrheit nicht verloren hatte und dass es lediglich äußere Umstände waren«, die zur Niederlage geführt hatten, »wie die Einteilung der Gewichtsklassen, Betrügereien und das Verletzen der Prinzipien des Sports und des pahlevani – welches leider heute nur noch in der Welt des Sports existiert«.90

Das Ringen sei der Ort, an dem die Werte des pahlevani hochgehalten würden – zumindest von iranischer Seite aus gesehen, so der Subtext. Der türkische Olympiasieger habe sich der Verletzung dieser Werte schuldig gemacht, wohingegen Takhti seinem Gegner einmal mehr in der ihm eigenen demütigen Art auf der Matte Respekt gezollt habe, indem er ihn absichtlich nicht dominiert habe, denn »jeder weiß, dass Takhti, wenn er mit einem schwachen Konkurrenten ringt, versucht so wie dieser zu ringen«.91 (Dass er in einem anderen wichtigen Kampf einst das verletzte Knie seines Gegners nicht attackiert hatte, ist Allgemeinwissen in Iran.) Und trotz seiner vermeintlich ungerechten Niederlage und seines sichtbaren Zorns gab der unterlegene Ringer nach der Vergabe der Medaillen »in einer Geste äußerster javanmardi [d.h. hier: »männlicher Tugend«] seinem Gegner Atlı die Hand (ba nehajat-e javanmardi Atlı harif-e khod dast midahad)«.92

Die Übertragung dieser Interpretation eines sportlichen Aufeinandertreffens zweier nationaler Repräsentanten auf die politischen Erfahrungen Irans im Umgang mit ausländischen Mächten, insbesondere nach dem nationalen Trauma des Coup dʼétat von 1953, ist keineswegs konstruiert: Die »unfaire Behandlung« auf der globalen Bühne galt als die zentrale iranische Erfahrung des 20. Jahrhunderts – nicht ganz zu Unrecht, sei vorsichtig hinzugefügt. Die religiöse Dimension muss hier nicht überstrapaziert werden, es sei aber zumindest darauf verwiesen, dass die im Iran vorherrschende schiitische Denomination des Islam auf der tragischen Gründungserzählung der Schlacht von Kerbala aufbaut und der Umgang mit der als ungerecht interpretierten Niederlage zum Kernbestand auch heutiger schiitischer kollektiver Identitäten gehört.

1960 gipfelte der vorbildliche Umgang mit dem Leiden nicht nur in Takhtis Versicherung nach seiner Rückkehr, er sei für die Niederlage ganz allein verantwortlich, sondern spitzte sich auch dramaturgisch zu, als er auf dem Weg vom Flughafen nach Hause in einen Unfall verwickelt wurde und die Verletzten selbst ins Krankenhaus brachte.93 Ehre, Demut, Anstand, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit und zugleich körperliche Perfektion in Bezug auf Kraft, Ästhetik und Technik – das sind die männlichen Tugenden, die in der Figur Takhtis amalgamiert werden. Wie dies alles zur Repräsentation einer idealisierten iranischen Identität gesteigert werden konnte, zeigt sich in der zusammenführenden Betrachtung von Zeiten des Verlustes, für die die Olympiade von 1960 steht, mit den Zeiten des Triumphes kurz darauf.

Während der Weltmeisterschaft in Yokohama vom Juni 1961 wurde deutlich, welche symbolische Bedeutung der Sieg im Ringen, der »Zierde des heroischen Zweikampfes«, haben konnte, wie der iranische Publizist Hoda Saber (1959–2011) die Sportart bezeichnete.94 In Yokohama dominierte die iranische Mannschaft das Freistilringen, holte fünf Goldmedaillen in acht Gewichtsklassen sowie je eine silberne und eine bronzene – lediglich im Schwergewicht, wo der westdeutsche Olympiasieger Wilfried Dietrich (1933–1992) gewann, ging Iran leer aus. Am Finaltag berichtete die iranische Presse ausführlich über die anstehenden Wettkämpfe und wähnte die Welt des Ringens fest im iranischen Griff (zu Recht, wie sich am Abend dann herausstellte). Eine am 8. Juni in der »Ettela’at« erschienene Karikatur brachte die Erwartungshaltung auf den Punkt.

»Das iranische Ringen nach den
Wettkämpfen von Yokohama«
(aus: Ettela’at, 18. Khordad 1340 [8. Juni 1961])

Vor den im Hintergrund gehissten Fahnen, auf deren vorderster »Yokohama« zu lesen ist, steht der massive, stoisch in sich ruhende Ringer, auf dessen Brust Iran prangt. Zufall ist es wohl nicht, dass die Form des Trikots, auf dem der Landesname steht, an die geographischen Grenzen Irans erinnert. Es scheint tatsächlich Iran zu sein, das sich in der Figur des Ringers präsentiert. Hier steht mellat-e Iran, die männliche Nation, im Gegensatz zur geliebten Heimat, vatan, die weiblich konnotiert und daher passiv ist und nicht nach Yokohama fahren kann, um für ihre Ehre einzustehen. Im stählernen Griff hält Iran den kleinen zappelnden und windeltragenden Jungen, über dessen Kopf die Worte »weltweites Ringen« stehen. Auf derselben Zeitungsseite erschien ein längerer Bericht mit der Überschrift »Das Volk ist über die glänzenden Siege seiner Nationalhelden (qahremanan-e melli) erfreut«, in welchem Vertreter (ausschließlich Männer) verschiedener sozialer Schichten ihren Stolz über das Ringerteam in kurzen Interviews zum Ausdruck brachten.95

Die Rückkehr der zu Nationalhelden avancierten Ringer war triumphal, und die »Begrüßung der siegreichen Helden durch die Teheraner wurde zu einer nationalen Demonstration«.96 200.000 Menschen sollen an der Willkommensparade teilgenommen haben, auf deren Bühne Gedichte aus dem Nationalepos Shahnameh rezitiert wurden und Takhti endgültig in den mythischen Heldenkanon Irans überführt wurde: »Takhtis Gesicht war ungerührt. Durch seine kleinen Augen, sein knochiges Gesicht und seinen massigen Körper gleicht er den Helden aus dem Shahnameh97 Als der für die »Ettela’at« berichtende Journalist Takhti um eine Nachricht an das Volk bat, soll dieser erwidert haben: »Ich bin der Champion des Volkes (man qahreman-e mardom hastam). Mein Sieg ist das Ergebnis seiner Unterstützung. Ich reiche ihm meine Hand.«98

6. Fazit

Dass sich dieser Volksheld als Repräsentant dessen, was Iran wirklich ist, von iranischer kultureller Authentizität im Sinne Al-e Ahmads,99 das Leben genommen haben sollte, war wenige Jahre später nahezu unglaublich. Erst das Gerücht seiner Ermordung vervollständigt eine Analyse iranischer Männlichkeiten entlang der Heroisierung des Ringers Gholamreza Takhti. Erst sein Tod legt die tragischen Dimensionen offen, die einerseits mit den Fragen postkolonialen Empowerments auf Irans Weg in die Revolution von 1978/79 verbunden und andererseits in den Implikationen jener hypermaskulinen Geschlechterordnung zu finden sind, welche die Forschung für den modernen Iran diagnostiziert hat. Über das Gerücht von der Ermordung des Nationalhelden wird nicht nur die Figur des shahid, des Märtyrers, in die Diskurse um Takhti eingeflochten, sodass sich schließlich alle hier angesprochenen Figurationen heroischer Männlichkeit in Takhtis Person verdichten. Ebenso werden über den Ringer auch jene historischen Erfahrungen der Ohnmacht und des Verrats aufgerufen, die Iran im Angesicht ausländischer Einflussnahme während des 20. Jahrhunderts prägten.

Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf Takhti als Beispiel für die Heroisierung körperbezogener Männlichkeit in Iran festhalten, dass sich dessen Verehrung auf verschiedene Phänomene gründet, die über die angesprochene Politisierung des »starken Mannes« mit Milieubezug hinausgehen. Der Name des Ringers steht bis heute für eine auf mythologische Dimensionen Irans verweisende sportliche Ehre und Aufrichtigkeit, die von zahlreichen Legenden umrankt ist und idealisiertes Verhalten gegenüber Gegnern und Schwächeren definiert. Takhtis Beispiel beschreibt darüber hinaus eine Form idealen Verhaltens, die auf eine als iranisch-authentisch verstandene Tradition männlicher Tugendhaftigkeit verweist. Takhti wird nicht nur als idealer Mann präsentiert, sondern vice versa wird sein Beispiel selbst für die Beschreibung entsprechender Vorstellungen von Männlichkeit herangezogen. Wie im Abschnitt zur Männlichkeitsforschung herausgearbeitet wurde, kennen die Diskurse zu idealisierten Männlichkeiten im iranischen Fall konkrete (wenn auch ambige) und für jedermann einlösbare Konzepte, die auf vermeintliche kulturelle Authentizität verweisen und moralisch vorbildliche Lebensführung bei gleichzeitiger Arbeit am eigenen Körper zum Bewertungsmaßstab haben. Insbesondere die Begriffe pahlevani und javanmardi bieten Ressourcen des Empowerments im Angesicht von Marginalisierungserfahrungen. Takhti gilt dabei spätestens seit seinem Tod 1968 – und deswegen ist sein Beispiel so bedeutsam – als geradezu archetypischer Repräsentant dieser Konzepte: Einerseits lässt sich über seine bescheidene Herkunft die Möglichkeit, sie einzulösen, exemplarisch vorführen (jeder könnte sein wie er), andererseits lässt seine sportliche Biographie ihn wie eine moderne Version des Jahan Pahlevan Rostam erscheinen. Damit wird er zur verkörperlichten Antwort auf die Erfahrungen der »Nicht-Existenz«, die Jalal Al-e Ahmad in den 1960er-Jahren so eindringlich als die kollektive Erfahrung der Iraner:innen formulierte, die ihre kulturellen Wurzeln im Angesicht einer Übermacht des Westens verloren hätten.

Die Heroisierung körperbezogener Männlichkeiten birgt aber nicht lediglich romantisierende Rückbezüge auf ein mythologisiertes echtes Iran in sich, sondern muss auch als wesentlicher Bestandteil der Geschlechterdiskurse in einer »hypermaskulinen Gesellschaftsordnung« analysiert werden. Die in diesem Aufsatz am Beispiel Takhtis besprochene Männlichkeit ist damit nicht als für die Machtbeziehungen innerhalb der Geschlechterordnung irrelevante »männliche Rolle« zu verstehen, sondern hat signifikante Effekte sowohl auf Männer und Frauen als auch auf die Beziehung der Geschlechter zueinander, weil Idealität selbst und Iranisch-Sein mit allen politischen Dimensionen darüber verhandelt werden. Als Erscheinungsform einer antikolonialen männlichen Selbstermächtigung trägt sie bereits die erst später in der Forschung problematisierte hypermaskuline und distinkt binär verhandelte Gesellschaftsordnung Irans in sich. Oder anders formuliert: Wenn der unterdrückte Mann über den Zugriff auf jene Konfigurationen heroischer Männlichkeit, die Gholamreza Takhti ideal­typisch repräsentierte, seine (imaginäre) Ermächtigung erfahren kann bzw. konnte, so ist diese von der Unterdrückung des anderen Geschlechts nicht zu lösen.


Anmerkungen:

1 Khod-koshi-ye qahreman [Selbstmord eines Champions], in: Ettela’at [Informationen], 18. Dey 1346 (8.1.1968), S. 1. Hier und im Folgenden: Alle Übersetzungen aus dem Persischen stammen vom Verfasser. Anmerkung zur Umschrift: Der Lesbarkeit wegen und um der Aussprache des Neupersischen Rechnung zu tragen, wird in diesem Beitrag weitgehend auf die Verwendung einer standardisierten Umschrift verzichtet und stattdessen konsequent auf die Wiedergabe des gesprochenen Persisch geachtet. In direkten Zitaten von Sekundärliteratur wird dagegen die dort verwandte Umschrift wiedergegeben.

2 Vgl. Houchang E. Chehabi, Sport and Politics in Iran. The Legend of Gholamreza Takhti, in: International Journal of the History of Sport 12 (1995) H. 3, S. 48-60, hier S. 55f.

3 Vgl. zur Bedeutung von Mahi-ye Siyah Kuchulu (Der kleine schwarze Fisch): Kaveh Bassiri, Whatever Happened to The Little Black Fish?, in: Iranian Studies 51 (2018), S. 693-716.

4 Vgl. Chehabi, Sport and Politics in Iran (Anm. 2), S. 52f.

5 Arash Davari/Naghmeh Sohrabi, »A Sky Drowning in Stars«. Global ’68, the Death of Takhti, and the Birth of the Iranian Revolution, in: Arang Keshavarzian/Ali Mirsepassi (Hg.), Global 1979. Geographies and Histories of the Iranian Revolution, Cambridge, UK 2021, S. 213-244, hier S. 213.

6 Man of the Year: Challenge of the East, in: TIME Magazine, 7.1.1952, URL: <http://content.time.com/time/subscriber/article/0,33009,815775-1,00.html>. Siehe auch das Heftcover (mit dem Untertitel »He oiled the wheels of chaos«): <http://content.time.com/time/covers/0,16641,19520107,00.html>. Ich danke Houchang Chehabi für den wichtigen Hinweis, dass Mosaddeqs performative Schwäche zu seiner Beliebtheit in Iran auch deswegen beitrug, weil sie der »rohen Stärke« entgegengesetzt war, welche den autoritären Politikstil Reza Shah Pahlavis (Regierungszeit 1925–1941) maßgeblich geprägt hatte.

7 Mary Ann Heiss, Real Men Don’t Wear Pajamas. Anglo-American Cultural Perceptions of Mohammed Mossadeq and the Iranian Oil Nationalization Dispute, in: Peter L. Hahn/Mary Ann Heiss (Hg.), Empire and Revolution. The United States and the Third World since 1945, Columbus 2001, S. 178-194.

8 Vgl. grundlegend: Lloyd Ridgeon, The Felon, the Faithful and the Fighter. The Protean Face of the Chivalric Man (Javanmard) in the Medieval Persianate and Modern Iranian Worlds, in: ders. (Hg.), Javanmardi. The Ethics and Practice of Persianate Perfection, London 2018, S. 1-27.

9 Vgl. Houchang E. Chehabi, Wrestling in the Shahnameh and Later Persian Epics, in: Ali A. Seyed-Gohrab (Hg.), The Layered Heart. Essays on Persian Poetry, a Celebration in Honor of Dick Davis, Washington, DC 2019, S. 237-282, hier S. 276, S. 281.

10 Chehabi, Sport and Politics in Iran (Anm. 2), S. 55. Siehe ausführlich auch Davari/Sohrabi, »A Sky Drowning in Stars« (Anm. 5), S. 222f.

11 Nach Al-e Ahmads Tod machte das Gerücht seiner Ermordung durch den SAVAK ebenfalls die Runde. Vgl. Hamid Dabashi, The Last Muslim Intellectual. The Life and Legacy of Jalal Al-e Ahmad, Edinburgh 2021, S. 43.

12 Jalal Al-e Ahmad, Samad va afsaneh-ye ‘avamm [Samad und die Legende des einfachen Volkes], in: Arash – Darbareh-ye Samad Behrangi [Arash – Über Samad Behrangi], 18 Azar 1347 (Nov./Dez. 1968), S. 5-12, hier S. 10.

13 Ebd., S. 9.

14 Abbas Milani, Gholamreza Takhti, in: ders., Eminent Persians. The Men and Women who Made Modern Iran, 1941–1979, Bd. 2, Syracuse 2008, S. 1069-1073, hier S. 1073.

15 Al-e Ahmad, Samad va afsaneh-ye ‘avamm (Anm. 12), S. 11.

16 Jalal Al-e Ahmad, Gharbzadegi, Qom 1389 (2010).

17 Vgl. Adib-Moghaddam, What is Iran? Domestic Politics and International Relations in Five Musical Pieces, Cambridge, UK 2021, S. 35, S. 51.

18 Edward W. Said, Orientalism, New York 1978.

19 Brad Hanson, The »Westoxication« of Iran. Depictions and Reactions of Behrangi, Al-e Ahmad, and Shariati, in: International Journal of Middle East Studies 15 (1983), S. 1-23, hier S. 9.

20 Al-e Ahmad, Gharbzadegi (Anm. 16), S. 122-125.

21 Ebd., S. 97.

22 Ebd., S. 124.

23 Siehe hierzu auch das Vorwort von Hamid Algar in seiner englischen Übersetzung von Gharbzadegi: Jalal Al-e Ahmad, Occidentosis. A Plague from the West, Berkeley 1984, S. 13, S. 17.

24 Al-e Ahmad, Gharbzadegi (Anm. 16), S. 125.

25 Milani, Gholamreza Takhti (Anm. 14), S. 1070.

26 Vgl. ebd., S. 1070.

27 Goruh-e farangi-ye shahid Ebrahim Hadi, Gholamreza. Zendeginameh va khaterati az Jahan Pahlevan-e Gholamreza Takhti [Gholamreza. Biographie und Erinnerungen von Jahan Pahlevan Gholamreza Takhti], 5. Aufl. Teheran 1395 (2016/17); Mohammad Ali Safari, Hamase-ye Jahan Pahlevan Takhti [Das Epos des Jahan Pahlevan Takhti], Teheran 1380 (2000/01).

28 Gholamreza Takhti in Keyhan-e Varzeshi; zit. aus: Goruh-e farangi-ye shahid Ebrahim Hadi, Gholamreza (Anm. 27), S. 18; Safari, Hamase-ye Jahan Pahlevan Takhti (Anm. 27), S. 40f.

29 Milani, Gholamreza Takhti (Anm. 14), S. 1070; vgl. Safari, Hamase-ye Jahan Pahlevan Takhti (Anm. 27), S. 122.

30 Vgl. zu der oppositionellen Aneignung der Figur Takhtis durch linke und studentische Gruppierungen unmittelbar nach seinem Tod: Arash Davari, Indeterminate Governmentality. Neoliberal Politics in Revolutionary Iran, 1968–1979, Dissertation, University of California, Los Angeles 2016; Davari/Sohrabi, »A Sky Drowning in Stars« (Anm. 5).

31 Goruh-e farangi-ye shahid Ebrahim Hadi, Gholamreza (Anm. 27), S. 16.

32 Siavash Saffari, Two Pro-Mostazafin Discourses in the 1979 Iranian Revolution, in: Contemporary Islam 11 (2017), S. 287-301.

33 Vgl. Steven R. Ward, Immortal. A Military History of Iran and its Armed Forces, Washington, DC 2009, S. 151f.

34 Ausführlich zu den Gründen für die Invasion und deren Umsetzung: Ashley Jackson, Persian Gulf Command. A History of the Second World War in Iran and Iraq, New Haven 2018, S. 150-208.

35 Ward, Immortal (Anm. 33), S. 167f.

36 Jamil Hasanli, At the Dawn of the Cold War. The Soviet-American Crisis over Iranian Azerbaijan, 1941–1946, Lanham 2006, S. 255.

37 Houchang E. Chehabi, Art. »TAḴTI, Ḡolām-Reżā«, in: Encyclopædia Iranica (Online), 20.7.2005, Update 9.8.2012, URL: <https://www.iranicaonline.org/articles/takti-golam-reza>.

38 Lloyd Ridgeon, The Zūrkhāna between Tradition and Change, in: Iran. Journal of the British Institute of Persian Studies 45 (2007), S. 243-265, hier S. 262.

39 Vgl. grundlegend Philippe Rochard, The Identities of the Iranian Zūrkhānah, in: Iranian Studies 35 (2002), S. 313-340; Ridgeon, The Zūrkhāna between Tradition and Change (Anm. 38).

40 Siehe zum Begriff meine näheren Ausführungen in Olmo Gölz, The Dangerous Classes and the 1953 Coup in Iran. On the Decline of lutigari Masculinities, in: Stephanie Cronin (Hg.), Crime, Poverty and Survival in the Middle East and North Africa. The ›Dangerous Classes‹ since 1800, London 2019, S. 177-190, hier v.a. S. 179-181.

41 Asghar Fathi, The Role of the ›Rebels‹ in the Constitutional Movement in Iran, in: International Journal of Middle East Studies 10 (1979), S. 55-66, hier S. 56.

42 Olmo Gölz, Racketeers in Politics. Theoretical Reflections on Strong-man Performances in Late Qajar Iran, in: Ramazan Hakki Öztan/Alp Yenen (Hg.), Age of Rogues. Rebels, Revolutionaries and Racketeers at the Frontiers of Empires, Edinburgh 2021, S. 120-147; ders., The Dangerous Classes (Anm. 40).

43 Ders., Racketeers in Politics (Anm. 42), S. 121f.

44 Chehabi, Sport and Politics in Iran (Anm. 2), S. 53.

45 Mark J. Gasiorowski, U.S. Foreign Policy and the Shah. Building a Client State in Iran, Ithaca 1991.

46 Zur ambivalenten Rolle von Schwerathleten in der iranischen Gesellschaft siehe Houchang E. Chehabi, Gender Anxieties in the Iranian Zūrkhānah, in: International Journal of Middle East Studies 51 (2019), S. 395-421.

47 Diese Fragen habe ich eingehend in meiner Dissertationsschrift diskutiert. Siehe Olmo Gölz, Gewaltakteure in Iran. Rackets, Racketeers und der Kampf um das Gewaltmonopol in Teheran 1941–1963, phil. Diss. Freiburg im Breisgau 2016.

48 Siehe hierzu meine Ausführungen in Gölz, The Dangerous Classes (Anm. 40).

49 Al-e Ahmad, Samad va afsaneh-ye ‘avamm (Anm. 12), S. 11.

50 Zit. bei Mohsen Ahmadi, Art. »Takhti«, in: Center for the Great Islamic Encyclopedia (CGIE), 1389 (2011), URL: <https://www.cgie.org.ir/fa/article/239624/%D8%AA%D8%AE%D8%AA%DB%8C> (in persischer Sprache).

51 Shahin Gerami, Mullahs, Martyrs, and Men. Conceptualizing Masculinity in the Islamic Republic of Iran, in: Men and Masculinities 5 (2003), S. 257-274, hier S. 261.

52 Vgl. hierzu exemplarisch Houchang E. Chehabi, A Cosmopolitan Dandy. Amir Abbas Hoveyda, in: Roham Alvandi (Hg.), The Age of Aryamer. Late Pahlavi Iran and Its Global Entanglements, London 2018, S. 147-167.

53 Gerami, Mullahs, Martyrs, and Men (Anm. 51), S. 258.

54 Ebd., S. 260: »Exploring masculinity constructs imposed by the clergy can shed light on the current political climate in Iran. As Western feminists have debunked the heroes and villains of Christianity by making their private affairs public, Eastern feminists need to do the same with Islamic mythical figures.«

55 Ebd., S. 260.

56 Vgl. Joanna de Groot, ›Brothers of the Iranian Race‹. Manhood, Nationhood, and Modernity in Iran c. 1870–1914, in: Stefan Dudink/Karen Hagemann/John Tosh (Hg.), Masculinities in Politics and War. Gendering Modern History, Manchester 2004, S. 137-156; Azam Torab, Rites of Masculinity. Tropes of Regeneration in Contexts of Death, in: ders., Performing Islam. Gender and Ritual in Iran, Leiden 2007, S. 139-168; Mehri Honarbin-Holliday, Emerging Forms of Masculinity in the Islamic Republic of Iran, in: Annabelle Sreberny/Massoumeh Torfeh (Hg.), Cultural Revolution in Iran. Contemporary Popular Culture in the Islamic Republic, London 2013, S. 59-77; Sivan Balslev, Dressed for Success. Hegemonic Masculinity, Elite Men and Westernisation in Iran, c. 1900–40, in: Gender & History 26 (2014), S. 545-564; Nacim Pak-Shiraz, Shooting the Isolation and Marginality of Masculinities in Iranian Cinema, in: Iranian Studies 50 (2017), S. 945-967; dies., Constructing Masculinities through Javanmards in Pre-Revolutionary Iranian Cinema, in: Ridgeon, Javanmardi (Anm. 8), S. 297-318; Olmo Gölz, Martyrdom and Masculinity in Warring Iran. The Karbala Paradigm, the Heroic, and the Personal Dimensions of War, in: Behemoth 12 (2019) H. 1, S. 35-51; ders., The Dangerous Classes (Anm. 40); Rassa Ghaffari, Beyond Martyrs and Mullahs. Transformations of Gender Roles and Identities Among Tehran Middle-Class’s Men, in: MENAS Online Journal 1 (2020), S. 3-19.

57 Janet Afary, Sexual Politics in Modern Iran, New York 2009.

58 Afsaneh Najmabadi, Women with Mustaches and Men Without Beards. Gender and Sexual Anxieties of Iranian Modernity, Berkeley 2005. Siehe auch dies., Professing Selves. Transsexuality and Same-Sex Desire in Contemporary Iran, Durham 2014.

59 Sivan Balslev, Iranian Masculinities. Gender and Sexuality in Late Qajar and Early Pahlavi Iran, Cambridge, UK 2019.

60 Wendy DeSouza, Unveiling Men. Modern Masculinities in Twentieth-Century Iran, Syracuse 2019.

61 Mary Catherine Bateson u.a., Ṣafā-yi Bātin. A Study of the Interrelations of a Set of Iranian Ideal Character Types, in: Leon Carl Brown/Norman Itzkowitz (Hg.), Psychological Dimensions of Near Eastern Studies, Princeton 1977, S. 257-273; Julian Baldick, The Iranian Origin of the futuwwa, in: Annali – Istituto Universitario Orientale di Napoli 50 (1990), S. 345-361; Willem M. Floor, The lūtīs – A Social Phenomenon in Qājār Persia. A Reappraisal, in: Die Welt des Islams 13 (1971), S. 103-120; ders., The Political Role of the Lutis in Iran, in: Michael E. Bonine/Nikki R. Keddie (Hg.), Modern Iran. The Dialectics of Continuity and Change, Albany 1981, S. 83-95; Mohsen Zakeri, Javānmardi, in: Encyclopædia Iranica (Online), 15.12.2008, Update 13.4.2012, URL: <https://www.iranicaonline.org/articles/javanmardi>.

62 Raewyn Connell, Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Übersetzung von Christian Stahl. Hg. u. mit einem Geleitwort versehen von Ursula Müller, Opladen 1999, 4., durchgesehene Aufl. Wiesbaden 2015, S. 72.

63 Fariba Adelkhah, Being Modern in Iran, London 1999, S. 46.

64 Raewyn Connell, Masculinities, 2. Aufl. Cambridge 2005; dies./James W. Messerschmidt, Hegemonic Masculinity. Rethinking the Concept, in: Gender & Society 19 (2005), S. 829-859.

65 Vgl. Balslev, Iranian Masculinities (Anm. 59), S. 23-53; Honarbin-Holliday, Emerging Forms of Masculinity (Anm. 56); Minoo Moallem, Between Warrior Brother and Veiled Sister. Islamic Fundamentalism and the Politics of Patriarchy in Iran, Berkeley 2005; Pak-Shiraz, Shooting the Isolation and Marginal­ity (Anm. 56); dies., Constructing Masculinities (Anm. 56).

66 Adelkhah, Being Modern in Iran (Anm. 63), S. 4, S. 35; Babak Rahimi, Digital Javanmardi. Chivalric Ethics and Imagined Iran on the Internet, in: Ridgeon, Javanmardi (Anm. 8), S. 281-296, hier S. 284-290.

67 Balslev, Iranian Masculinities (Anm. 59), S. 91; Groot, ›Brothers of the Iranian Race‹ (Anm. 56), S. 141-143.

68 Vgl. Andrew Parker u.a., Introduction, in: ders. u.a. (Hg.), Nationalisms and Sexualities, New York 1992, S. 1-18, hier S. 6; Karen Hagemann, »Mannlicher Muth und Teutsche Ehre«. Nation, Militär und Geschlecht zur Zeit der Antinapoleonischen Kriege Preußens, Paderborn 2002.

69 Afsaneh Najmabadi, The Erotic Vaṭan [Homeland] as Beloved and Mother. To Love, To Possess, and To Protect, in: Comparative Studies in Society and History 39 (1997), S. 442-467, hier S. 444.

70 Ebd., S. 445.

71 Balslev, Iranian Masculinities (Anm. 59), S. 92f.: »The triangle of patriotism-gheyrat-namus bind nationalist activity to honorable masculinity. Patriotism thus becomes much more than an ideology. It is a character trait as inseparable from masculinity as honor, as personal as it is political.«

72 Die hier aufgelisteten Prozesse habe ich in Bezug auf die Mobilisierungspotentiale von Maskulinitätskonfigurationen untersucht. Siehe zur Konstitutionellen Revolution: Gölz, Racketeers in Politics (Anm. 42); zu den 1950er- und 1960er-Jahren: ders., Gewaltakteure in Iran (Anm. 47); ders., Representation of the Hero Tayyeb Hajj Rezai: Sociological Reflections on Javanmardi, in: Ridgeon, Javanmardi (Anm. 8), S. 263-280; ders., The Dangerous Classes (Anm. 40); zur Phase der Islamischen Revolution in den 1970er- und 1980er-Jahren: ders., Martyrdom and Masculinity in Warring Iran (Anm. 56); ders., Der Heroismus der Revolutionsgarden im Iran-Irak-Krieg. Von der Gewaltgemeinschaft zur Avantgarde des Martyriums, in: ders./Cornelia Brink (Hg.), Gewalt und Heldentum, Baden-Baden 2020, S. 151-178.

73 Siehe hierzu Olmo Gölz, Gemartert, gelächelt, geblutet für alle. Der Märtyrer als Gedächtnisfigur in Iran, in: Nina Leonhard/Oliver Dimbath (Hg.), Gewaltgedächtnisse. Analysen zur Präsenz vergangener Gewalt, Wiesbaden 2021, S. 127-150.

74 Davari/Sohrabi, »A Sky Drowning in Stars« (Anm. 5), S. 213f.

75 Chehabi, Sport and Politics in Iran (Anm. 2), S. 48f.

76 In den iranischen Medien werden gegenwärtig auch der Gewichtheber Hossein Reza Zadeh und der Judoka Arash Mir Esmail als pahlevan bezeichnet. Das stößt aber auf Widerstand, und es wird jedenfalls nach der Nähe zum iranischen Nationalepos Shahnameh gesucht.

77 Chehabi, Sport and Politics in Iran (Anm. 2), S. 48.

78 Ahmadi, Takhti (Anm. 50).

79 Vgl. Chehabi, Wrestling in the Shahnameh (Anm. 9), S. 276, S. 281.

80 Abū l-Qāsem Firdausī, Schāhnāme. Die Rostam-Legenden, hg. von Jürgen Ehlers, Stuttgart 2016, S. 156f.

81 Ebd., S. 158f.

82 Chehabi, Wrestling in the Shahnameh (Anm. 9), S. 258.

83 Ebd., S. 268f.

84 Ebd., S. 271.

85 Ebd., S. 273.

86 Ebd., S. 274. Für eine konsequente Shiitisierung Takhtis, mit vielen Symbolen, die auch auf das Martyrium hinweisen, siehe dieses Kunstwerk von Khosrow Hassanzadeh, 2007: <https://www.britishmuseum.org/collection/object/W_2008-6032-1>.

87 Iran holt die erste Medaille, in: Ettela’at, 10. Shahrivar 1339 (1.9.1960), S. 1.

88 Takhti schlägt alle, in: Ettela’at, 13. Shahrivar 1339 (4.9.1960), S. 1; Strahlender Sieg der iranischen Ringer, in: ebd.

89 So haben Takhti und Habibi verloren, in: Ettela’at, 19. Shahrivar 1339 (10.9.1960), S. 1, S. 17.

90 Wer ist der Champion, Takhti oder Atlı?, in: Ettela’at, 20. Shahrivar 1339 (11.9.1960), S. 1, S. 19.

91 Ebd., S. 19.

92 Das olympische Feuer ist erloschen, in: Ettela’at, 21. Shahrivar 1339 (12.9.1960), S. 1.

93 Empfang der Helden in Teheran, in: Ettela’at, 26. Shahrivar 1339 (17.9.1960), S. 19.

94 Hoda Saber, Takhti: stark wie ein Baum und charakterfest, in: Cheshmandaz-e Iran [Perspektive Irans] 53 (Dey 1387 [2009]), S. 20-24, hier S. 20, URL: <http://ensani.ir/file/download/article/20101208145711-619.pdf> (in persischer Sprache).

95 Ettela’at, 18. Khordad 1340 (8.6.1961).

96 Ettela’at, 22. Khordad 1340 (12.6.1961), S. 1.

97 Ebd., S. 17.

98 Ebd.

99 Al-e Ahmad hatte sein Buch Gharbzadegi zuerst 1962 veröffentlicht, als der den Helden des Shahnameh gleichende Ringer Takhti dem Volk die Hand reichte und sich als autochthoner Vertreter des Landes darstellte.

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