Weltweit ist wohl kaum eine Schützenwaffe so verbreitet und hat einen derart legendären Ruf wie „die Kalaschnikow“. Der nach seinem Konstrukteur Michail Timofejewitsch Kalaschnikow benannte Maschinenkarabiner AK-47 (Автомат Калашникова образца 47) bildete den Ausgangspunkt für eine ganze Familie automatischer Infanteriewaffen, die umgangssprachlich als „Kalaschnikow“ bezeichnet werden - seien es sowjetische Originale, Lizenzproduktionen oder illegale Nachbauten aus pakistanischen Dorfschmieden. Die Kalaschnikow ist auch rund 60 Jahre nach ihrer Einführung in die sowjetischen Streitkräfte aus dem weltweiten Gewaltgeschehen nicht wegzudenken. Mit je nach Schätzung insgesamt 50, 70 oder gar über 100 Millionen Exemplaren ist sie längst zum Synonym für Kleinwaffen geworden, mit denen Jahr für Jahr Hunderttausende Menschen getötet werden. In den im Schatten der Atombombe geführten „kleinen“ Kriegen ist die Kalaschnikow somit gleichsam zu einer kumulativen Massenvernichtungswaffe geworden. Ursächlich für ihre weite und andauernde Verbreitung war die Verbindung von einfach gehaltener Konstruktion mit einer relativ guten Schussgenauigkeit und hohen Zuverlässigkeit. Die Kalaschnikow funktioniert unter allen Gefechtsbedingungen, was sie zur bevorzugten Waffe für Kriege in der „Dritten Welt“ macht. Im vorliegenden Beitrag soll ein kurzer Überblick zur Geschichte und symbolischen Aufladung dieser Waffe gegeben werden. Auf den ersten Blick mag es befremden, eine Waffe als zeithistorische „Quelle“ vorzustellen, doch ist damit selbstverständlich keine Verherrlichung militärischer Technik und Gewalt beabsichtigt, sondern gerade ein kritischer Blick auf den militärischen, terroristischen und symbolischen Gebrauch einer Waffe, deren zeitgeschichtliche Bedeutung leider unbestreitbar ist.1
Wie eine Legende stellen sich bereits die Entstehungsgeschichte der Kalaschnikow und der Werdegang ihres Konstrukteurs dar. Michail Timofejewitsch Kalaschnikow wurde 1919 in Kurya im Altai als achtes Kind einer Kosakenfamilie geboren. Im Zuge der Kollektivierung wurden er und seine Familie 1930 als angebliche Kulaken nach Sibirien deportiert. Als Sechzehnjähriger floh er aus der Verbannung und ging nach Kasachstan, wo er bis zum Beginn seines Militärdienstes 1938 bei der Eisenbahn arbeitete.2 Beim Militär wurde er aufgrund seines ausgeprägten technischen Interesses als Panzermechaniker ausgebildet und machte erste kleine Erfindungen. Die entscheidende Wende in seinem Leben brachten jedoch der deutsche Überfall auf die Sowjetunion und die bitteren Erfahrungen des Krieges. Im Herbst 1941 wurde Kalaschnikow in der Schlacht von Briansk verwundet. Auf dem Weg ins Lazarett wurde sein Verwundetentransport von deutschen Kradschützen mit Maschinenpistolen angegriffen. Nur drei Soldaten - darunter Kalaschnikow - überlebten und schlugen sich eine Woche lang zu den eigenen Linien durch.3 Die Erfahrung der Hilflosigkeit gegenüber einem waffentechnisch überlegenen Gegner ließ ihn während der langen Zeit im Lazarett nicht mehr los. Er beschloss, Waffenkonstrukteur zu werden und eine leichte, kleinkalibrige und zuverlässige Maschinenpistole für die sowjetische Infanterie zu entwickeln. Bald wurden Waffensachverständige auf den jungen Unteroffizier aufmerksam und bescheinigten ihm, ein „talentierter Autodidakt“ zu sein, der gefördert werden müsse. Dazu wurde er nach Moskau beordert, wo er unter der Obhut des bekannten Waffenkonstrukteurs Sergej Gawrilowitsch Simonow am Prototyp eines Schnellfeuergewehrs arbeitete. Nachdem dieser Prototyp Ende 1943 bei einer ersten Prüfung abgelehnt worden war, setzte Kalaschnikow seine Arbeit hartnäckig fort.4
Das Ergebnis dieser Bemühungen stellte er 1946 unter der Chiffre „Michtim“ - für Michail Timofejewitsch - bei einem erneuten Waffenwettbewerb vor. Nach eingehender Überprüfung, bei der die Prototypen unter anderem in Schlamm versenkt, durch Sand gezogen oder aus mehreren Metern Höhe auf Beton fallen gelassen wurden, erwies sich „Michtim“ immer noch als voll funktionsfähig und wurde 1947 als AK-47 in die Bewaffnung der Sowjetarmee aufgenommen. So wurden die sowjetischen Streitkräfte als erste flächendeckend mit einer automatischen Handfeuerwaffe ausgestattet.5 Für das AK-47-Gewehr wird eine damals neuentwickelte Kurzpatrone verwendet, die einen deutlich geringeren Rückstoß verursacht als die üblichen Gewehrpatronen. Daher kann die Waffe - im Gegensatz zum amerikanischen M-14 oder dem belgischen FN FAL - auch im automatischen Feuermodus relativ sicher im Ziel gehalten werden. Beeinflusst wurde Kalaschnikows Entwicklung durch den bereits im Ersten Weltkrieg verwendeten Fjodorow-Automaten und das ebenfalls Kurzpatronen verschießende deutsche Sturmgewehr 44.6 Entscheidend für die hohe Zuverlässigkeit des AK-47 ist jedoch nicht die eigentliche Funktionsweise, sondern deren Umsetzung in einer übersichtlich gehaltenen Konstruktion und ein Montageprinzip, bei dem die Verschlussteile nicht großflächig, sondern nur punktuell am Gehäuse anliegen. Der Verschluss ist auf schmalen Gleitbahnen gelagert und bewegt sich so wie auf Schienen. Außerdem gibt es bewusst freigelassene Nischen und Flächen, die Schmutz aufnehmen können. Die so gewonnene Funktionssicherheit auch in stark verschmutztem Zustand geht jedoch zu Lasten der Schusspräzision.
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Als Fertigungstechnologie für das Gehäuse wählte Kalaschnikow die auch beim Sturmgewehr 44 angewandte Blechprägetechnik, die es ermöglicht, eine leichte Waffe in hohen Stückzahlen zu niedrigen Fertigungskosten zu produzieren. Aufgrund technologischer Probleme wurden die ersten in Serie gefertigten AK-47 jedoch noch mit der zeit- und materialaufwändigeren Frästechnik hergestellt. Erst im Laufe der 1950er-Jahre konnte die Fertigung komplett auf Blechprägetechnik umgestellt werden, was das AK-47 um etwa ein Kilogramm leichter machte, so dass die geladene Waffe nun unter vier Kilogramm wog. Ab 1959 ging eine modernisierte Version des AK-47 in Serie. Ab Ende der 1950er-Jahre wurden die in der Waffenfabrik Ischewsk im mittleren Ural gefertigten Kalaschnikows zu dem militärischen Exportschlager der Sowjetunion. In allen Ländern des sozialistischen Lagers einschließlich China, Nordkorea und Jugoslawien wurden sie außerdem mit geringen Modifikationen in Lizenz produziert. Aus dem Erscheinungsbild der Armeen des Warschauer Vertrages war die Kalaschnikow daher schon seit Anfang der 1960er-Jahre nicht mehr wegzudenken.
Obschon das AK-47 bereits 1956 bei der Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn seinen ersten Einsatz erlebt hatte, fand seine eigentliche Bewährungsprobe erst beinahe zehn Jahre später in Vietnam statt. Verwendet von Vietcong und Nordvietnamesischer Armee wurde die Kalaschnikow hier direkt mit den vergleichbaren amerikanischen Infanteriewaffen konfrontiert, dem M-14 und dem kleinkalibrigen M-16-Gewehr. Das in der US Army 1957 eingeführte M-14 erwies sich vor allem bei den auf kurze Distanz geführten Dschungelgefechten als eindeutig unterlegen. Denn dabei kam es auf gleichermaßen treffsicheres wie schnelles Feuer an. Durch den starken Rückstoß der beim M-14 verwendeten konventionellen Gewehrpatronen konnte mit diesem Gewehr jedoch lediglich im halbautomatischen Modus treffsicher geschossen werden. Trotz dieses Mangels war die Einführung des M-14 vom damaligen Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, Maxwell Taylor, durchgesetzt worden. Dazu waren sogar die Testschießen manipuliert worden: Um halbwegs passable Ergebnisse zu erzielen, wurden Ringer als Schützen eingesetzt, welche die Waffe trotz des starken Rückstoßes noch im Ziel halten konnten.7 Auch das als Nachfolger eingeführte M-16 zeigte im feuchten Klima Vietnams deutliche Schwächen. Neben rostenden Läufen erwiesen sich für die US-Soldaten vor allem die anfangs gehäuft auftretenden Ladehemmungen im Gefecht als prekär. Obwohl weniger treffsicher, war das AK-47 auch dem M-16 insgesamt überlegen und gilt seit dem Vietnamkrieg als die zuverlässigste Infanteriewaffe.
Mit dem Vietnamkrieg wurde die Kalaschnikow auch zur Ikone von Weltrevolution und nationalen Befreiungsbewegungen - nicht zuletzt wegen ihrer charakteristischen Form. Vor allem bei den Befreiungsbewegungen der „Dritten Welt“, aber auch bei Terrororganisationen war die Kalaschnikow kaum noch wegzudenken. Immer mehr Staaten rüsteten ihre Streitkräfte mit Kalaschnikows aus, und in Israel, Finnland und Südafrika wurden auf Basis des AK-47 eigene Schnellfeuergewehre entwickelt. Nach dem Funktionsprinzip des AK-47 entstand eine ganze Waffenfamilie. Soldaten, die mit der Kalaschnikow vertraut sind, können innerhalb kürzester Zeit am ähnlich konstruierten MG oder Scharfschützengewehr ausgebildet und eingesetzt werden.
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Da es zunächst weiterhin schwierig war, das AK-47 bei Dauerfeuer ruhig im Ziel zu halten, arbeitete Michail Kalaschnikow beharrlich an Verbesserungen.8 Angeregt durch das kleinkalibrige M-16 entwickelte er Anfang der 1970er-Jahre eine neue Version seines Maschinenkarabiners mit geringerem Rückstoß. Diese Waffe wurde 1974 unter der Bezeichnung AK-74 in die Bewaffnung der Sowjetarmee aufgenommen. Die Entwicklung der Kalaschnikow-Waffen blieb beim AK-74 jedoch nicht stehen. Allein in Russland wurde nach dem Ende der Sowjetunion beinahe ein Dutzend neuer Modelle auf den Markt gebracht, während die zahlreichen Kalaschnikow-Nachbauten, die weltweit produziert werden, kaum noch zu überblicken sind. Die millionenfache Verbreitung blieb auch nicht ohne Konsequenzen für die symbolische Aufladung dieser Waffe.
„Kalaschnikow“ ist so etwas wie das Synonym für Kleinwaffen geworden und gehört zu den wenigen Worten, die in allen Sprachen verstanden werden - mindestens genauso bekannt wie Coca-Cola. Die der Waffe zugeschriebene symbolische Bedeutung stellt sich demgegenüber weniger eindeutig dar und hat sich im Laufe der letzten 60 Jahre mehrfach gewandelt. Von Kalaschnikow nach eigener Aussage zur Verteidigung der Sowjetunion entwickelt, wurde seine Waffe seit den 1960er-Jahren zu einem Symbol für nationale Befreiung und Revolution, das sich in der Fahne von Mosambik (seit 1975 bzw. in der heutigen grafischen Form seit 1983) ebenso findet wie beim Denkmal für die siegreiche sandinistische Revolution in Managua.9
Fahne von Mosambik
Die symbolische Überhöhung konnte dabei auch einigermaßen merkwürdige, ja befremdliche Züge annehmen. So erschien im Mai 1986 in der DDR-Zeitung „Volksarmee“ eine Art Liebesgedicht, das der Waffe gewidmet war und in die Geschichte romantisierender Gewaltverherrlichung einzuordnen ist:
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Oberfeldwebel Bernd Anderson
Du Meine
Ich denk noch an einst,
an sonnigen Tagen,
hab stolz ich dich
übern Bach getragen.
Dein Können
hast du mir gezeigt,
hab willig mich zu dir geneigt,
Die Stärken sind mir gut bekannt,
oft zucktest du in meiner Hand.
Und ich werd in deine Kammer gehn,
werd in reinster Pracht dich sehn.
Ich streif mit dir zur Mondesnacht,
dein Anblick mich ganz sicher macht.
Ich weiß warum,
ich kenn dein Wie
du,
Kalaschnikow-MPi.10
Der im Gedicht verwendete Topos vom Gewehr als der „Braut des Soldaten“ stieß bei DDR-Jugendlichen kurz vor dem Ende des SED-Regimes eher auf Befremden denn auf Zustimmung. Dementsprechend hefteten es Schüler der Erweiterten Oberschule „Carl von Ossietzky“ in Berlin-Pankow im Herbst 1988 an die Schulwandzeitung, um ihrer Kritik an der Militarisierung des öffentlichen Lebens in der DDR Ausdruck zu verleihen. Sie versahen den Text mit der Bemerkung: „Ein Gedicht, das uns sehr zum Nachdenken angeregt hat.“11
Auf größeren Zuspruch dürften demgegenüber Texte wie der folgende politische Witz gestoßen sein, der die allen DDR-Bürgern bekannten Probleme der Konsumgüterversorgung thematisierte und den Primat der Rüstungsproduktion kritisierte:
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Mütterchen und die Kalaschnikow
Ein altes Mütterchen kommt in ein großes Moskauer Kaufhaus.
Verkäuferin: „Na, Mütterchen, was möchtest Du?“
Mütterchen: „Ich möchte einen Staubsauger.“
Verkäuferin: „Wir haben schon lange keine Staubsauger mehr gehabt. Du musst mal in den Rayon [russ. für Kreis] fahren, wo die Dinger hergestellt werden!“
Mütterchen: „Aber da komme ich doch her!“
Verkäuferin: „Dann versuch es mal in der Stadt, in der die Staubsaugerfabrik ist.“
Mütterchen: „Aber ich wohne doch in dieser Stadt.“
Verkäuferin: „Musst es eben direkt in der Fabrik versuchen!“
Mütterchen: „Aber ich arbeite doch selbst in der Fabrik.“
Verkäuferin: „Und da hast Du keinen Staubsauger? Na, Mütterchen - Du musst halt jeden Tag ein kleines Teilchen mit nach Hause nehmen und dann zusammenbauen!“
Mütterchen: „Aber das habe ich doch schon ein paarmal gemacht!“
Verkäuferin: „Und weshalb hast du dann noch keinen Staubsauger?“
Mütterchen: „Immer, wenn ich fertig war, hatte ich eine Kalaschnikow!“12
Aus westlicher, vor allem amerikanischer Perspektive wurde die Kalaschnikow zwar durchaus mit Respekt, aber verständlicherweise kaum positiv gesehen. Hier war sie in erster Linie die Waffe der „bad guys“. Diese Sicht wurde nicht zuletzt durch den Umstand befördert, dass sie zu einer bevorzugten Waffe von Terroristen geworden war. So wird der Roten Armee Fraktion verschiedentlich nachgesagt, sie habe die Kalaschnikow in ihr Logo aufgenommen.13 Tatsächlich handelt es sich bei der Maschinenpistole im Logo der RAF jedoch um eine MP 5 aus dem Hause Heckler & Koch. Dagegen ist die Kalaschnikow aus der Selbstinszenierung islamistischer Terroristen und ihrer Führer nicht mehr wegzudenken. Die Hisbollah nahm eine stilisierte Kalaschnikow 1982 sogar in ihre Flagge auf. Prominente Al-Qaida-Führer wie Osama bin Laden und sein Stellvertreter Aiman az-Zawâhirî zeigen sich bei öffentlichen Auftritten stets mit Kalaschnikow. Auch im Erscheinungsbild von Taliban und afrikanischen Kindersoldaten ist das Gewehr populär. Beim Posieren für den Fotografen findet es sich regelmäßig neben der phallisch daherkommenden Panzerbüchse RPG-7.
Fahne der Hisbollah
In diesen Ländern spielt die Kalaschnikow jedoch mehr als eine nur symbolische Rolle. Wo Stammeskonflikte früher mit Speeren ausgetragen worden waren - wie im subsaharischen Afrika -, werden dazu heute die preiswerten und leicht zu bedienenden Kalaschnikows eingesetzt. Die zuvor eng begrenzte Destruktivität derartiger Auseinandersetzungen wird dadurch beträchtlich gesteigert. Zugleich bilden die Kalaschnikows gleichsam die Grundlage der Bürgerkriegsökonomien, wo sie nicht nur das wesentliche „Arbeitsmittel“ für die „Erwerbszweige“ Krieg und Kriminalität darstellen, sondern auch einen wichtigen Handelsgegenstand.14 So ist für derartige Bürgerkriegsgesellschaften längst der Begriff der „Kalaschnikow-Kultur“ geprägt worden. Bildhaften Ausdruck findet diese „Kultur“ zum Beispiel in afghanischen Teppichen, welche die jahrzehntelange gesellschaftliche Erfahrung von Krieg und Bürgerkrieg widerspiegeln.15 Doch auch in die Alltagskultur jenseits der Kriegsgebiete hat die Kalaschnikow Einzug gehalten. Da werden Kalaschnikow-Modelle mit Plüsch bezogen oder Streifenhörnchen als Taliban verkleidet. Michail Kalaschnikow vermarktet den gleichnamigen Wodka in einer seiner Waffe nachempfundenen Flasche, und natürlich fehlt die Kalaschnikow auch nicht im virtuellen Waffenarsenal der verschiedensten Ego Shooter.16
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Wodka „Kalaschnikow“
60 Jahre nach ihrer Einführung ist die Kalaschnikow die bekannteste und meistproduzierte Handfeuerwaffe der Welt. Sie ist längst nicht mehr in erster Linie eine Ikone für soziale Revolution und nationale Befreiung, sondern steht heute vor allem für willkürliche Gewalt und gesellschaftliche Desintegration in den bürgerkriegsgeplagten Ländern der „Dritten Welt“. Kaum weniger verheerend als die hohe Zahl der direkt Getöteten sind die Folgekosten permanenter Friedlosigkeit und Instabilität in den „Kalaschnikow-Kulturen“. Wirtschaftliche Entwicklung, Bildung und medizinische Versorgung sowie der Einsatz von Entwicklungshilfeorganisationen werden massiv beeinträchtigt.17 Nicht von ungefähr war es ein AK-47-Gewehr, das der damalige US-Präsident George H.W. Bush und die nicaraguanische Präsidentin Violeta Chamorro 1990 zum Auftakt einer Kampagne gegen die unkontrollierte Verbreitung von Kleinwaffen gemeinsam mit dem Schneidbrenner zerlegten.18
Michail Timofejewitsch Kalaschnikow hat in seiner 2004 erschienenen Autobiographie erkennen müssen, dass seine Waffe mannigfach zu kriminellen und terroristischen Zwecken verwendet wird.19 Wie so viele scheinbar unpolitische, technikbegeisterte Tüftler hat er zu einer politischen Eigendynamik beigetragen, die er in dieser Form nicht selbst beabsichtigt, aber doch ermöglicht hat. In der Geschichte der Gewalt und ihrer Entgrenzung im 20. Jahrhundert, ihrer Sakralisierung und Kommerzialisierung nimmt sein Name einen prominenten Platz ein.
1 Der Artikel basiert auf meinem Vortrag bei der Jahrestagung des Arbeitskreises Militärgeschichte e.V. zum Thema „Die Waffe als militärisches Instrument und Symbol“, 26.10.2007. Siehe den Tagungsbericht von Ralf Raths: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1889
2 Michail Kalaschnikow mit Elena Joy, Mein Leben, München 2004, S. 18-24, S. 45.
3 Ebd., S. 48, S. 56.
4 Ebd., S. 65, S. 74-77.
5 Wilfried Kopenhagen/Reiner Lidschun/Günter Wollert, Schützenwaffen heute (1945-1985), Bd. 2, Berlin 1988, S. 404; Kalaschnikow, Mein Leben (Anm. 2), S. 84, S. 93.
6 Larry Kahaner, AK-47. The Weapon That Changed the Face of War, Hoboken 2007, S. 19.
7 Ebd., S. 36-42.
8 Dies tat er noch in hohem Alter. Vgl. Jens Hartmann, „Die beste Waffe der Welt“, in: Welt, 29.8.2007, S. 16.
9 Vgl. das Bild unter ... (Anm. der Red.: Link nicht mehr verfügbar).
10 Zit. nach Tilmann Grammes/Ari Zühlke, Ein Schulkonflikt in der DDR. Dokumentenband, Bonn 1993, S. 28.
11 In diesem Zusammenhang kritisierten einige Schüler auch die alljährlichen Militärparaden zum „Tag der Republik“ am 7. Oktober, wofür acht von ihnen mit Relegierung, Umschulung oder Verweis bestraft wurden. Vgl. Tilmann Grammes/Ari Zühlke, Ein Schulkonflikt in der DDR. Leitfaden zum Dokumentenband, Bonn 1993, S. 7, S. 44.
12 Zit. nach http://www.witze-fun.de/witze/witz/9735
13 So in einem Artikel auf der Website des Westdeutschen Rundfunks: Stichtag 10. November 2004: Vor 85 Jahren: Michail Kalaschnikow wird geboren. Die Waffe der Weltrevolution, online unter URL: http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/stichtag480.html. Vgl. hingegen die aufschlussreichen Erläuterungen von Rolf Sachsse, Pentagramm hinter deutscher Maschinenpistole unter Russisch Brot. Zur Semiosphäre der Erinnerung an die Rote Armee Fraktion, in: Nicole Colin u.a. (Hg.), Der „Deutsche Herbst“ und die RAF in Politik, Medien und Kunst. Nationale und internationale Perspektiven, Bielefeld 2008, S. 131-140, hier S. 137.
14 Kahaner, AK-47 (Anm. 6), S. 97ff.
15 Vgl. Jürgen Wasim Frembgen/Hans Werner Mohm (Hg.), Lebensbaum und Kalaschnikow. Krieg und Frieden im Spiegel afghanischer Bildteppiche, Blieskastel 2000; Rolf Sachsse, Geknüpfter und gewebter Krieg. Militärische Motive auf afghanischen Teppichen, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 3 (2006), S. 297-307.
16 „Sugar Bush Squirrel goes undercover to search for Osama bin Laden.“ URL: http://sugarbushsquirrel.com.
17 Kahaner, AK-47 (Anm. 6), S. 171.
18 Ebd., S. 117. Bezeichnenderweise hatte die CIA zuvor im Rahmen der Iran-Contra-Affäre Zehntausende Kalaschnikows an die Contras in Nicaragua geliefert.
19 Kalaschnikow, Mein Leben (Anm. 2), S. 186.